Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2016 - IX ZR 60/16
vorgehend
Bundesgerichtshof
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.
Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 60/16
vom
19. Dezember 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:191216BIXZR60.16.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Prof. Dr. Pape, Grupp, und die Richterin Möhring
am 19. Dezember 2016
beschlossen:
Auf die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2016 dahin abgeändert , dass der Streitwert auf 566.581,47 € festgesetzt wird.
Gründe:
- 1
- Bei dem von dem Kläger verlangten Zinsbetrag in Höhe von 464.323,09 € handelt es sich nicht um eine Nebenforderung, die gemäß § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO für den Streitwert unbeachtlich wäre.
- 2
- 1. Ob ein miteingeklagter Anspruch Nebenforderung ist, kann nur aus seinem Verhältnis zu dem als Hauptforderung in Betracht kommenden Anspruch heraus beurteilt werden. Zur Hauptforderung muss die Nebenforderung in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, sie muss von ihr sachlich rechtlich abhängen. Sind die Forderungen dagegen nach materiellem Recht - auch im Hinblick auf ihre Entstehung - gleichrangig, so ist keine von ihnen Nebenforderung. Dabei kommt es auf dasjenige materielle Recht an, das für den jeweiligen Streitgegenstand maßgeblich ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 39/06, VersR 2007, 1288 Rn. 9).
- 3
- 2. Nach diesen Maßstäben kann der hier verfolgte Zinsanspruch nicht als Nebenforderung eingestuft werden. Der Kläger macht einen Schaden geltend, der sich aus dem Verlust der in der notariellen Urkunde vom 25. Oktober 1983 verbrieften Forderung über 200.000 DM/102.258,38 € nebst 15 v.H. Zinsen seit dem 1. Oktober 1982 zusammensetzt. Bei dieser Sachlage stehen die Hauptforderung und die Zinsforderung selbständig ohne Abhängigkeitsverhältnis nebeneinander. Zinsforderungen sind ausnahmsweise keine Nebenforderungen, wenn sie Teil eines einheitlichen Gesamtanspruchs sind. Das ist anzunehmen, wenn - wie hier - ein Schaden eingeklagt wird, der entgangene Zinsen mitumfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2009 - IX ZR 188/08, Rn. 2; vom 30. Januar 2013 - IX ZR 204/09, Rn. 1).
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 22.01.2015 - 25 O 270/13 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 16.02.2016 - 28 U 41/15 -
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a) Ob ein mit eingeklagter Anspruch Nebenforderung ist, kann nur aus seinem Verhältnis zu dem als Hauptforderung in Betracht kommenden Anspruch heraus beurteilt werden. Zur Hauptforderung muss die Nebenforderung in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, sie muss von ihr sachlichrechtlich abhängen. Sind die Forderungen dagegen nach materiellem Recht - auch im Hinblick auf ihre Entstehung - gleichrangig, so ist keine von ihnen Nebenforderung. Dabei kommt es auf dasjenige materielle Recht an, das für den jeweiligen Streitgegenstand maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 - VersR 1976, 477, 478; Beschluss vom 25. März 1998 - VIII ZR 298/97 - NJW 1998, 2060, 2061; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn. 17). Der abweichenden Auffassung von Lappe (in: MünchKomm-ZPO, 1. Aufl., § 4 Rn. 42), die Frage der Abhängigkeit nach dem materiellen Recht lasse sich nicht in praktisch verwertbarer Weise beantworten, so dass allein darauf abzustellen sei, ob die Kosten ohne Rücksicht auf ihre Rechtsgrundlage der Geltendmachung oder Abwehr eines anderen Anspruchs dienten, ist nicht zu folgen.
2
Bei dem betreffenden Zinsbetrag von insgesamt 33.497,05 € handelt es sich jedoch nicht um Nebenforderungen, die gemäß § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO für den Streitwert unbeachtlich wären. Zinsforderungen sind ausnahmsweise keine Nebenforderungen, wenn sie Teil eines einheitlichen Gesamtanspruchs sind. Das hat die Rechtsprechung insbesondere angenommen, wenn ein Schaden eingeklagt wird, der entgangene Zinsen und/oder Nutzungen mit umfasst (BGH, Beschl. v. 29. April 1971 - III ZR 142/70, KostRsp ZPO § 4 Nr. 30; vgl. auch OLG Schleswig, SchlHA 1951, 46 f; ebenso Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. § 4 Rn. 32).
1
Das Berufungsgericht hat dem Kläger die zuerkannten Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zugesprochen. Im Hinblick hierauf stellen sie keine Nebenforderung im Sinne des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO; § 43 Abs. 1 GKG dar (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 1971 - III ZR 142/70, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 30; vom 28. September 1992 - II ZR 277/90, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 74; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 4 Rn 8). Daher setzt sich der Gesamtstreitwert aus dem zuerkannten Schadensersatzbetrag von 18.589,72 € und den als Schadensersatz zugesprochenen Zinsen von weiteren 13.460,12 € zusammen, mithin insgesamt 32.049,84 €. Die bisherige, nur den Hauptbetrag berücksichtigende Streitwertfestsetzung war dementsprechend abzuändern.