Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2019 - StB 55/18

bei uns veröffentlicht am04.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 54/18
StB 55/18
vom
4. April 2019
in dem Strafverfahren
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit
ECLI:DE:BGH:2019:040419BSTB54.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2019 gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 und 2 StPO beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts wird
a) der Nichteröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts Jena vom 12. November 2018 aufgehoben,
b) die Anklage des Generalbundesanwalts vom 17. Oktober 2018 unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Jena zugelassen. 2. Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 2018 gegen den Angeklagten (1 BGs 218/18) aufhebende Beschluss des Oberlandesgerichts Jena vom 12. November 2018 aufgehoben.

Gründe:


1
Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der zum Oberlandesgericht Jena erhobenen Anklage vorgeworfen, in der Zeit von April 2016 bis Mai 2018 in H. und an anderen Orten für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt zu haben, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tat- sachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet war. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 12. November 2018 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. Außerdem hat es mit Beschluss vom selben Tage den Haftbefehl gegen den Angeklagten aufgehoben. Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Generalbundesanwalt gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens; die Aufhebung des Haftbefehls greift er mit der Beschwerde an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Mit der Anklageschrift ist dem Angeklagten im Wesentlichen Folgendes zur Last gelegt worden:
3
a) Der Vater des Angeklagten war für den Vorstand des zwischenzeitlich verbotenen Vereins "D. e.V." (D. ) tätig. Über ihn kam der Angeklagte in Kontakt zu Personen aus dem Umfeld der durch den D. unterhaltenen Moschee.
4
Spätestens seit März 2016 und bis mindestens zum 9. Mai 2018 stand der Angeklagte in Verbindung zu einer namentlich nicht bekannten Person mit dem Aliasnamen "Ha. ", die - wie er wusste - für den j. Geheimdienst arbeitete. Der Angeklagte kommunizierte regelmäßig über WhatsApp mit ihr. In der Zeit vom 9. April bis zum 16. Dezember 2016 leitete er "Ha. " auf diesem Wege aus H. und mutmaßlich an weiteren Orten wiederholt Informationen zu, die für den j. Geheimdienst bestimmt waren. Diese Informationen betrafen zum einen die durch den D. in H. geführte Moschee und zum anderen Personen, von denen der Angeklagte annahm, sie wollten aus Deutschland nach Syrien in den "Djihad" ziehen oder seien bereits dorthin gereist. Schließlich übermittelte er "Ha. " Informationen zu weiteren, nicht eindeutig identifizierten im Bundesgebiet lebenden Personen, denen er Kontakte zur "Hamas" oder zu den "Muslimbrüdern" und Geldwäschegeschäfte in den palästinensischen Autonomiegebieten zuschrieb.
5
So übersandte er "Ha. " am 9. April 2016 ein Foto von der Vorderseite des Bundespersonalausweises des zum damaligen Zeitpunkt vom Landeskriminalamt Niedersachsen als Gefährder eingestuften und dem salafistischen Umfeld der D. -Moschee zugehörigen deutschen und libanesischen Staatsangehörigen M. .
6
In einem Chat am 27. Juli 2016 berichtete er "Ha. " über polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen und Festnahmen beim D. und übersetzte in dessen Auftrag einen deutschsprachigen Pressebericht. "Ha. " fragte den Angeklagten anschließend, ob er Personen erkannt habe, die anlässlich der polizeilichen Maßnahmen am 27. Juli 2016 festgenommen worden seien. Der Angeklagte übermittelte "Ha. " daraufhin am selben Tag den Namen "A. " mit dem Hinweis, dass es sich bei diesem um einen deutschen Muslim handele, der zusammen mit seiner Familie nach Syrien reisen wolle, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Des Weiteren übersandte er ihm zwei Lichtbilder, die den deutschen Staatsangehörigen S. alias "A. " und den deutschen Staatsangehörigen Mo. zeigten.S. und Al. gehörten nach Erkenntnissen des Landeskriminalamts Niedersachsen dem salafistischen Personenspektrum im Umfeld der D. -MoscheeH. an.
7
Am 27. Juli 2016 übermittelte der Angeklagte darüber hinaus Informationen über den deutschen Staatsangehörigen C. an "Ha. ". Unter anderem nannte er ihm dessen vollständigen Namen und Geburtsdatum. Außerdem bot er ihm an, ihn in eine WhatsApp-Gruppe einzuschleusen, über die C. mit dem IS korrespondiere, was "Ha. " jedoch aus Gründen der Vorsicht ablehnte. C. galt als führender deutschsprachiger Propagandist des IS. Er reiste mutmaßlich 2013 nach Syrien, um sich dort dem "Djihad" anzuschließen , und soll am 17. Januar 2018 bei Gefechten in Syrien ums Leben gekommen sein.
8
Am 14. August 2016 teilte der Angeklagte seiner Kontaktperson "Ha. " per WhatsApp-Chat darüber hinaus mit, die Polizei habe im Zusammenhang mit dem Zugriff in der D. -Moschee eine Vertrauensperson ("Spion")eingesetzt, die behauptet habe, Waffen kaufen zu wollen. Ferner berichtete er ihm am selben Tag per WhatsApp-Chat, er sei von Personen angesprochen worden, die über Jordanien nach Syrien reisen wollten. Kurz darauf übersandte er "Ha. " eine mobile Rufnummer und weitere Informationen zu dem deutschen Staatsangehörigen Alp. und teilte ihm mit, dass dieser erklärt habe, sich in Syrien dem "Djihad" anschließen zu wollen. Alp. war dem salafistischen Personenkreis im Umfeld der D. -Moschee zuzuordnen und vom Landeskriminalamt Niedersachsen als Gefährder eingestuft.
9
Am 8. Dezember 2016 übermittelte der Angeklagte ergänzend zu den am 27. Juli 2016 übersandten Informationen und Lichtbildern Aufnahmen von der Vorder- und Rückseite des Bundespersonalausweises von Mohamad Al. sowie ein weiteres Lichtbild Al. s per WhatsApp an "Ha. ".
10
In der Folgezeit trat der Angeklagte noch mindestens zweimal mit "Ha. " in Kontakt und leitete ihm Informationen zu nicht näher identifizierten Personen zu, die jeweils für den j. Geheimdienst bestimmt waren, zuletzt am 9. Mai 2018 per WhatsApp-Chat.
11
b) Der Generalbundesanwalt hat diesen Sachverhalt als geheimdienstliche Agententätigkeit gewürdigt (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
12
2. Das Oberlandesgericht Jena hat zur Begründung seiner die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
13
a) Der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB sei bereits objektiv nicht verwirklicht, weil die dem Angeklagten zur Last gelegte geheimdienstliche Tätigkeit nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen sei. Das ergebe die insoweit gebotene wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Bedeutung komme dabei den verfassungsfeindlichen Zielen der salafistischen Organisation, welcher die ausgespähten Personen angehört hätten, sowie den sich daraus für die innere Sicherheit im Inland ergebenden Begleitgefahren zu. Die Ziele und Tätigkeiten des D. sowie der bespitzelten Personen seien erklärtermaßen gegen die verfassungsmäßige Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen und deren Strafgesetzen zuwidergelaufen. Die vom D. propagierte Ideologie des "Djihad" habe sich nicht auf das Ausland beschränkt. Kerngedanke des extremistischen Djihadismus sei vielmehr gerade die grenzübergreifende Liquidierung von Ungläubigen. Dementsprechend seien von den ausgespähten Personen, die dem extremistischen Djihadismus angehangen hätten, erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit im Inland ausgegangen. Der Angeklagte habe durch seine Tätigkeit einen Beitrag dazu geleistet, solches Wirken zu unterbinden und insbesondere die betreffenden Personen an der Ausführung ihrer gefahrbringenden Vorhaben zu hindern. Es mache insoweit keinen Unterschied, ob inländische oder ausländische Polizei- und Sicherheitsbehörden zur Gefahrenabwehr zum Einsatz kämen. Der geheimdienstlichen Spitzeltätigkeit des Angeklagten könne mithin ein positiver Fördereffekt für die innere Sicherheit nicht abgesprochen werden, weshalb der Angeklagte aus dieser Warte die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht verletzt, sondern gefördert habe. Demgegenüber sei es von untergeordneter Bedeutung, dass es sich bei den Ausgespähten um deutsche Staatsangehörige gehandelt habe, welche die Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf den Wertemaßstab des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG vor dem Zugriff ausländischer Staaten in besonderem Maße zu schützen habe. Dies gelte insbesondere deshalb, weil bei der Bespitzelung nicht die persönliche Freiheit der Betroffenen, sondern primär lediglich deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert gewesen sei.
14
b) Jedenfalls habe der Angeklagte die ihm zur Last gelegte geheimdienstliche Tätigkeit nicht vorsätzlich gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er insoweit mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Seine Tätigkeit sei vielmehr von innerer Ablehnung der salafistischen Gedankenwelt getragen gewesen, und es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er es auch nur für möglich gehalten habe, durch sein Verhalten Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu verletzen. So habe er seine Kontakte zu dem Mitarbeiter des j. Geheimdienstes mit dem Decknamen "Ha. " im Rahmen des gegen ihn wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz geführten Ermittlungsverfahrens freimütig aufgedeckt, obwohl zu diesem Zeitpunkt keinerlei Verdachtsmomente im Hinblick auf eine Spionagetätigkeit vorgelegen hätten.

II.


15
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Nichteröffnungsbeschluss ist begründet. Die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens liegen vor.
16
Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens , wenn der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April2003 - StB 3/03, BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 mwN). Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus ; damit wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, als dies beim dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 oder § 126a StPO der Fall ist (vgl. BGH aaO). Erst recht ist zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbständig zu würdigen (BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238 Rn. 24 ff.; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 16).
17
Die nach diesen Vorgaben vorzunehmende Beurteilung ergibt, dass der Angeklagte der ihm vorgeworfenen Straftat hinreichend verdächtig ist. Denn das in der Anklageschrift mitgeteilte Ermittlungsergebnis rechtfertigt bei vorläufiger Tatbewertung die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte eine geheimdienstliche Tätigkeit ausgeübt hat (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Danach ist der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.
18
1. Insbesondere ist entgegen der vom Oberlandesgericht vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass die geheimdienstliche Tätigkeit des Angeklagten für den j. Geheimdienst gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet war. Dazu gilt:
19
Das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325, 331; vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 5). Das ist bei einer geheimdienstlichen Tätigkeit eines ausländischen Geheimdienstes auf deutschem Staatsgebiet regelmäßig der Fall.
20
Eine Ausnahme kommt - wie das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat - etwa dann in Betracht, wenn die geheimdienstliche Agententätigkeit Ausländer betrifft, bei denen es sich um Mitglieder oder Unterstützer von durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigungen handelt, insbesondere um mit internationalem Haftbefehl gesuchte Führungsmitglieder (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 6 ff.; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154; Urteil vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 211/17, NStZ 2018, 590, 591). In diesen Fällen ist eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, bei der die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen ebenso in den Blick zu nehmen sind wie die Frage, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung erweisen ; dabei darf nicht verkannt werden, dass in solchen Fällen mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer gerade ein Zweck verfolgt wird, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliegt (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 10). Erfüllt ist das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" auch in diesen Fällen jedenfalls immer dann, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon auch einen weiteren Straftatbestand verwirklicht (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 211/17, NStZ 2018, 590, 592).
21
Diese einschränkenden Grundsätze gelten jedoch nur, wenn sich die nachrichtendienstliche Tätigkeit für einen fremden Geheimdienst gegen Ausländer richtet. Falls deutsche Staatsangehörige ausgespäht werden, ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen demgegenüber schon daraus, dass die Bundesrepublik ihren Staatsangehörigen gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist. Das folgt etwa aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG und gilt uneingeschränkt auch dann, wenn es sich bei den Betroffenen um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung handelt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 211/17, NStZ 2018, 590, 593). Deren Ausforschung durch einen fremden Geheimdienst auf deutschem Staatsgebiet aus dem Anwendungsbereich des § 99 Abs. 1 StGB auszunehmen, weil sie der Ideologie des extremistischen Djihadismus anhängen, der unter anderem darauf gerichtet ist, Terroranschläge in Ländern des westlichen Kulturkreises und damit insbesondere auch in Deutschland zu begehen, widerspricht Sinn und Zweck der Vorschrift sowie dem Willen des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass die Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch geheimdienstliche Operationen eines fremden Geheimdienstes auf deutschem Staatsgebiet allenfalls dann nicht berührt sein sollen, wenn der fremde Geheimdienst allein gegen Angehörige des eigenen Landes oder dritter Länder tätig wird (BT-Drucks. 5/2860, S. 23).
22
2. Der Angeklagte hatte auch zumindest bedingten Vorsatz in Bezug darauf , dass seine nachrichtendienstliche Betätigung gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet war. Der Angeklagte kannte alle tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein Handeln gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ergibt. Insbesondere wusste er, dass sich seine Tätigkeit gegen Personen richtete, bei denen es sich (zumindest auch) um deutsche Staatsangehörige handelte. Dies genügt für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Angeklagte sein Verhalten selbst als gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet bewertete; insoweit kommt allenfalls ein Subsumtions- bzw. vermeidbarer Verbotsirrtum in Betracht.

III.


23
Die gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Aufhebung des Haftbefehls ist ebenfalls begründet.
24
Aus den unter II. genannten Gründen besteht auch der - insoweit erforderliche - dringende Tatverdacht, dass der Angeklagte eine geheimdienstliche Agententätigkeit ausgeübt hat (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die weiteren Voraussetzungen der Untersuchungshaft liegen ebenfalls vor.
25
Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StPO). Der Angeklagte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Insbesondere hat der Angeklagte nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen in Deutschland keinen dauerhaften Wohnsitz. Er ist zwar unter der Wohnanschrift seiner Schwester in H. amtlich gemeldet, hält sich dort aber nicht auf. Der Angeklagte verfügt auch über keine gefestigten sozialen Bindungen in Deutschland. Seinen eigenen Angaben zufolge ist er von seiner Ehefrau inzwischen geschieden und aus der zeitweise von ihm genutzten Wohnung seines Vaters wegen täglicher Streitereien über dessen Tätigkeit für den D. ausgezogen. Demgegenüber hat die Auswertung diverser Chat-Verläufe ergeben, dass der Angeklagte über familiäre Bezüge nach Am. (Jordanien) verfügt und sich in der Vergangenheit wiederholt in Jordanien aufhielt, wo ihm aufgrund seiner Geheimdienstkontakte eine bevorzugte Behandlung zuteilwurde. In Anbetracht dessen ist zu erwarten, dass sich der Angeklagte, sollte er in Freiheit belassen werden, dem Strafverfahren entziehen wird.
26
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind aus den vorgenannten Gründen nicht erfolgversprechend.
27
Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Spaniol Wimmer
Tiemann Berg

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(1) Wer

1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 oder § 96 Abs. 1, in § 97a oder in § 97b in Verbindung mit § 94 oder § 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden.

(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde zu.

(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

24
b) Die Überprüfung eines Beschlusses des erstinstanzlich tätig werdenden Oberlandesgerichts, mit dem dieses die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt, durch den Bundesgerichtshof ist indes nicht nur darauf beschränkt, ob das Oberlandesgericht seiner Bewertung des hinreichenden Tatverdachts den zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat und sich seine Beurteilung auf dieser Grundlage als rechtlich vertretbar erweist. Eine derart eingeschränkte Kontrolle entspräche zwar der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BGHSt 35, 39). An dieser hält der Senat jedoch nicht länger fest. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung vielmehr in vollem Umfang nachzuprü- fen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu würdigen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
16
In Fällen, in denen sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem Gericht niedrigerer Ordnung richtet, kann sich das Beschwerdegericht nicht auf die Prüfung der Anträge der Staatsanwaltschaft und die von ihr geltend gemachten Beschwerdepunkte beschränken. Es hat die vom Anklagevorwurf umfassten Taten vielmehr in ihrer Gesamtheit zu würdigen (BayObLG, Beschluss vom 7. November 1986 - 3 St ObWs 1/86, NJW 1987, 511 mwN) und ist dabei an den Eröffnungsbeschluss weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gebunden (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 210 Rn. 30 mwN). Hat der Bundesgerichtshof damit als Beschwerdegericht in der Sache selbst über die Eröffnung zu entscheiden, so hat er das in der Eröffnungsentscheidung liegende Wahrscheinlichkeitsurteil eines Oberlandesgerichts über den Tatnachweis und dessen rechtliche Bewertung des Tatvorwurfs in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu prüfen (BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 243). Insoweit gilt, dass gemäß § 203 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens zu beschließen ist, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen , wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismit- teln wahrscheinlich ist (BGH, Beschluss vom 22. April 2003 - StB 3/03, BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 mwN). Der gleiche Maßstab gilt hinsichtlich solcher Merkmale der Tat, die die besondere Bedeutung des Falles und damit das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts zu begründen vermögen. Die Darlegung von insoweit bedeutsamen Umständen kann die Staatsanwaltschaft zudem noch im Beschwerdeverfahren nachholen; das Beschwerdegericht hat auch im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung noch nicht bekannte Tatsachen oder Beweismittel bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (LR/Stuckenberg, aaO, § 210 Rn. 19, 23).

(1) Wer

1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 oder § 96 Abs. 1, in § 97a oder in § 97b in Verbindung mit § 94 oder § 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.

5
a) Der Senat hält im Grundsatz an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung fest, wonach das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen ist; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn die Spionagetätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richtet (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325; vgl. auch KG, Urteil vom 8. Mai 2008 - (1) 3 StE 1/08 - 2 (4/08), juris Rn. 35 ff.; KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10); OLG Celle, Urteil vom 20. April 2011 - 3 StE 1/11). Tatbestandsmäßig sind deshalb regelmäßig Ausforschungen, von denen Personen betroffen werden, denen ein Asylrecht zusteht, oder die sich gegen Exilanten oder deren Organisationen richten, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen (KG, Urteil vom 8. November 2007 - (1) 3 StE 2/07 - (5/07), NStZ 2008, 573; aA noch KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209). Denn solche Ausforschungen sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen [KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10)]. Dies läuft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 46/16
vom
31. August 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:310816BAK46.16.0


Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 31. August 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Beschuldigte wurde am 17. Februar 2016 festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2016 - 1 BGs 6/16 geh. -, neu gefasst durch Beschluss vom 25. April 2016 - 1 BGs 28/16 geh. -, in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des neu gefassten Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe seit Ende des Jahres 2008 bis zu seiner Festnahme im Februar 2016 für den indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (im Folgenden: R&AW) eine geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt, die auf die Mitteilung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet war, und dabei unter Missbrauch einer verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse mitgeteilt oder geliefert, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten werden (strafbar gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).
3
Mit Beschluss vom 4. August 2016 (1 BGs 70/16) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Maßgabe angeordnet, dass der Vorwurf einer am 7. Mai 2009 begangenen geheimdienstlichen Agententätigkeit in Bezug auf den deutschen Staatsangehörigen A. entfällt.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
6
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa)...


8
...


9
Der Beschuldigte ist zudem innerhalb der indischen Gemeinde in Deutschland sehr bekannt. Er ist aufgrund seiner guten Kontakte zu den indischen diplomatischen Vertretungen häufig bei der Beschaffung von Visa für Reisen nach Indien behilflich und betätigt sich zudem in B. als Priester in einem hinduistischen Tempel.
10
...


11
bb)...

12
Mehrere Kontaktpersonen des Beschuldigten aus dem Generalkonsulat in Frankfurt waren bzw. sind Angehörige indischer Geheimdienste, ...


13
cc) Jedenfalls ab Ende des Jahres 2008 / Anfang des Jahres 2009 lieferte der Beschuldigte den genannten Kontaktpersonen in Kenntnis von deren Zugehörigkeit zu einem indischen Geheimdienst in über 40 Fällen die von diesen angeforderten Informationen zu vorrangig aus Indien stammenden Personen, vor allem zu Anhängern der Glaubensrichtung der Sikhs. Bei etwa zehn dieser Personen bestehen Verdachtsmomente, dass sie Kontakte zu "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen unterhalten. In weiteren sechs Fällen ging es um Personen, die mutmaßlich Organisationen angehörten, die von der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen angesehen werden ("Khalistan Zindabad Force", "Babbar Khalsa" und "Liberation Tigers of Tamil Eelam") und gegen die deswegen auch von deutschen Strafverfolgungsbehörden Ermittlungsverfahren geführt werden bzw.

die bereits rechtskräftig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurden. Bei seinen Recherchen griff der Beschuldigte in nahezu allen Fällen auf die ihm nur für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellte, nicht öffentlich zugängliche Datenbank des Ausländerzentralregisters zu und gab die dort ermittelten Informationen (z.B. Passdaten, Lichtbilder, Ausreisedaten, darin gespeicherte Erkenntnisse über strafrechtliche Vorbelastungen oder Daten des Asylverfahrens) an seine Führungsoffiziere weiter. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführliche Darstellung im Haftbefehl vom 25. April 2016.

14
...


15
dd) Als Gegenleistung für seine geschilderte Tätigkeit erhielt er jedenfalls konsularische Unterstützung bei der Beschaffung von Visa für Indien, die er bei den indischen Auslandsvertretungen beschaffte; diese ließ er sich von den Visa -Antragstellern vergüten, wobei die Höhe des Entgelts zwischen 10 € und 400 € variierte. Die Bemühungen zur Visabeschaffung entfaltete er einerseits für indische Staatsangehörige, die über eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung für die Bundesrepublik verfügen und deshalb für die Reise nach Indien ein Visum brauchen; andererseits kooperierte er mit mehreren Reisebüros, für die er Touristenvisa beschaffte. Zahlungen, etwa eine über 7.000 US-Dollar im August 2014, wurden vielfach als Spenden für den Hindu-Tempel, in dem er als Priester tätig war, bezeichnet oder wurden in bar geleistet.
16
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus der Auswertung zahlreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die zunächst durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) und - nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt - aufgrund von Anordnungsbeschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs durchgeführt wurden und anhand derer die Informationslieferungen des Beschuldigten an seine Kontaktpersonen ab September 2014 belegt werden. Anlässlich der Festnahme des Beschuldigten wurde zudem sein Büro bei der Z. durchsucht; dabei wurden unter anderem zwei Aktenordner , beschriftet mit den Namen "A. " und "D. " gefunden und sichergestellt, die die Informationslieferungen von Ende 2008 bis in das Jahr 2014 belegen. Daraus ergibt sich auch, dass der Beschuldigte häufig Auszüge aus dem AZR erstellte und seinen Kontaktpersonen weiterleitete. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Darstellung und Würdigung der Beweismittel in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2016.
17
Entgegen der Auffassung des Verteidigers des Beschuldigten beruht die Annahme, die Kontaktpersonen des Beschuldigten seien dem indischen Geheimdienst zuzurechnen, nicht auf bloßen Vermutungen oder unbestätigten bzw. nicht belegbaren Behauptungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Zwar heißt es in dessen zu der Einleitung des Ermittlungsverfahrens führenden Behördengutachten vom 31. August 2015 zu Beginn: "Dienstlich wurde be- kannt, dass die genannten Kontaktpersonen (…) dem indischen Nachrichten- dienst angehören …", ohne dass dies an dieser Stelle näher ausgeführt wird. Eine solche bloße Behauptung bestimmter Tatsachen ohne nähere Erläuterung und ohne Offenbarung der Erkenntnisquellen hat nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur einen geringen Beweiswert (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 247; vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370; vom 10. April 2008 - AK 4-6/08, juris Rn. 18; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 29). Gleichwohl kann solchen Behördenzeugnissen nicht jeglicher Beweiswert abgesprochen werden, dieser ist vielmehr in jedem Einzelfall zu bestimmen. Soweit in den Behördenzeugnissen der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben wird, beurteilt sich die Zuverlässigkeit dieser Angaben nach allgemeinen Grundsätzen; danach kann etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder die Objektivierung der genannten Erkenntnisse anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel (BGH, Beschluss vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370).
18
Nach diesen Maßstäben ergibt sich hier Folgendes: Die Behördenzeugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz beschränken sich nicht auf bloße Behauptungen, sondern geben über zahlreiche Seiten die aufgezeichneten Gespräche zwischen dem Beschuldigten und seinen Kontaktpersonen wieder. Eine nachrichtendienstliche Anbindung der Kontaktperson Y. ergibt sich schon daraus, dass dieser bereits spätestens im Jahr 2014 als Führungsoffizier eines indischen Nachrichtendienstes enttarnt worden war. Der gesondert verfolgte S. , die von ihm abgeschöpfte Quelle, ist vom Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 21. Juli 2014 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden; der Senat hat auf die Revision S. s lediglich den Strafausspruch aufgehoben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158), der Schuldspruch ist hingegen in Rechtskraft erwachsen. Die Y. erteilten Informationen betrafen ausweislich der in dem sichergestellten Aktenordner festgestellten Unterlagen Personen, an denen indische Geheimdienste aus den oben dargelegten Gründen ein nachrichtendienstliches Interesse hatten. Aus den Vermerken des Beschuldigten ergibt sich insoweit auch, dass er Aufträge seiner Kontaktperson abarbeitete. Die in dem mit "A. " beschrifteten Aktenordner sichergestellte Korrespondenz enthält gleichartige Vorgänge, was wiederum den Schluss zulässt , dass auch X. als Angehöriger eines indischen Nachrichtendienstes durch den Beschuldigten mit Informationen versorgt wurde. Die späteren Kontaktpersonen W. und V. waren Nachfolger X. als Konsul und schöpften den Beschuldigten ausweislich der aufgezeichneten Gespräche gleichermaßen ab, was wiederum ihre Einbindung in einen indischen Nachrichtendienst im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt. Letzteres gilt auch für den Büroleiter W. , sowie den weiteren O. , die ausweislich der aufgezeichneten Gespräche in die Informationsanforderungen an den Beschuldigten und die Weitergabe der von ihm gelieferten Informationen eingebunden waren. Die geheimdienstliche Einbindung der Kontaktpersonen U. und C. ergibt sich schließlich schon daraus, dass diese Personen den deutschen Sicherheitsbehörden, jedenfalls aber dem Bundesamt für Verfassungsschutz , von der Republik Indien als offizielle Ansprechpartner der Nachrichtendienste R&AW und IB benannt worden sind.
19
Die in den Behördenzeugnissen mitgeteilte Erkenntnis, die Kontaktpersonen des Beschuldigten seien indischen Geheimdiensten zuzuordnen, findet weitere Bestätigung in Gesprächen, in denen der Beschuldigte selbst den V. oder - so seine bisherige Einlassung - den anderen O. als "vom Geheimdienst" bzw. V. als "Chef vom Geheimdienst" und früher "Chef der Polizei" bezeichnete.


...

20
Nach alledem wird in den Behördenzeugnissen nicht bloß eine unüberprüfbare Behauptung aufgestellt, vielmehr werden zahlreiche Indizien genannt, die es als hoch wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Empfänger der vom Beschuldigten erteilten Informationen Mitarbeiter indischer Nachrichtendienste waren bzw. sind und dem Beschuldigten dies auch bekannt war. Der in dem Behördenzeugnis vom 31. August 2015 mitgeteilten Einschätzung, die mithin durch zahlreiche unmittelbar vorliegende Beweismittel objektivierbar ist, kommt deshalb hier auch für sich genommen ein Beweiswert zu. Soweit - was nicht näher belegt ist - die Zurechnung aller Kontaktpersonen zum R&AW vorgenommen wird, weil ...

steht dies in einem gewissen Widerspruch zu den Feststellungen in dem bereits genannten Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, nach denen Y. Agent des IB war. Ob indes der Beschuldigte in jedem Fall für den R&AW oder (auch)

für den IB eine geheimdienstliche Agententätigkeit erbrachte oder ob diese Dienste bei der Beschaffung von Informationen vom Beschuldigten bloß zusammenarbeiteten , ist für die Tatbestandsverwirklichung ohne Bedeutung.
21
c) In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses der Verdacht belegt, dass sich der Beschuldigte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat, indem er seinen nachrichtendienstlichen Führungsoffizieren insbesondere Tatsachen und Erkenntnisse mitteilte. Er war funktionell in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht eingegliedert.
22
Seine Tätigkeit war auch gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Dies gilt jedenfalls für die von ihm weitergeleiteten Informationen betreffend unbescholtene deutsche Staatsangehörige, Staatsgäste der Bundesrepublik und solche ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen. Denn solche Ausforschungen von Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst hier lebender Ausländer sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft. Diese ist gehalten, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160). Solche Informationslieferungen machten den Großteil der Aktivitäten des Beschuldigten aus, so dass allein der insoweit bestehende drin- gende Tatverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit die Fortdauer der Untersuchungshaft trägt.
23
Der Senat kann deshalb im Ergebnis offen lassen, ob der Beschuldigte auch durch die Weitergabe von Informationen über Angehörige von Organisationen , die in der Bundesrepublik als terroristische Vereinigungen verfolgt werden , oder über Personen, die mutmaßlich "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen nahe standen, das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet" verwirklichte. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dies nicht ohne Weiteres der Fall, wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der mutmaßlichen Mitglieder der Organisationen "Khalistan Zindabad Force", "Babbar Khalsa" und "Liberation Tigers of Tamil Eelam" möglicherweise gegeben; ob auch die Personen, die "radikalen" oder "extremistischen" Sikh-Organisationen bloß nahe stehen sollen, an solche gelisteten Vereinigungen angebunden waren, darf im weiteren Verfahren nicht aus dem Blick geraten, weil auch insoweit die Strafbarkeit der Ausforschungsbemühungen des Beschuldigten gemäß § 99 Abs. 1 StGB fraglich sein könnte.
24
Soweit im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs - der Argumentation des Generalbundesanwalts folgend - die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals auch mit Blick auf diesen Personenkreis bejaht worden ist, geben die diesbezüglichen rechtlichen Ausführungen bei vorläufiger Würdigung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
25
Die Ausnutzung der Zugriffsmöglichkeit auf amtliche Register und Informationssysteme kann unter der Voraussetzung, dass diese tatsächlich materiell -faktisch geheim gehalten werden (vgl. dazu MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 2. Aufl., § 99 Rn. 29 mwN), vorliegend allenfalls den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles im Sinne von § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und - tateinheitlich - den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB verwirklicht hat. Allein dies macht indes nicht die Prüfung entbehrlich, ob überhaupt der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit erfüllt ist. Im Übrigen ist in Fällen, in denen Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Beamte als Täter einer geheimdienstlichen Agententätigkeit in Betracht kommen, regelmäßig anzunehmen, dass sie auf ihnen in ihrer amtlichen Tätigkeit zur Verfügung stehende Informationsquellen zugreifen; solche Befugnisse und Erkenntnisquellen machen sie für ausländische Nachrichtendienste als Abschöpfungsobjekt gerade attraktiv. Wollte man in all diesen Fällen das Tatestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet" ohne weiteres als gegeben ansehen, liefe das in einer Vielzahl von Fällen darauf hinaus, dass dem Merkmal wider der gesetzgeberischen Intention der wesentliche , Schranken setzende Sinngehalt genommen würde (vgl. dazu BGH aaO, S. 163).
26
In mehrfacher Hinsicht bedenklich erscheint auch, die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals damit zu begründen, dass durch die Ausspähung der mutmaßlichen Mitglieder von terroristischen Vereinigungen in deren Asylgrundrecht (Art. 16a Abs. 1 GG) oder aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitete Aufenthaltsrechte oder gar deren Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) eingegriffen werde: Mit der Meinungsfreiheit kann die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung nicht gerechtfertigt werden, denn dieses Grundrecht findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Dass durch die Tätigkeiten des Beschuldigten in den Bestand von Asyl- und Aufenthaltsrechten der Betroffenen eingegriffen worden wäre oder werden sollte - etwa durch rechtswidrige Abschiebungen -, ist zudem nach dem Stand der derzeitigen Ermittlungen jedenfalls nicht hoch wahrscheinlich. In diesem Zusammenhang besteht insbesondere kein dringender Tatverdacht dafür, dass ...

und so möglicherweise Methoden zu praktizieren, die mit den Grundwerten der Verfassung nicht in Einklang zu bringen wären (vgl. insoweit BGH aaO, S. 165 f.). Insbesondere kann dafür nicht ohne weiteres herangezogen werden, dass der Beschuldigte - unter Beteiligung weiterer Beamter auch der deutschen Sicherheitsbehörden - in die Vorbereitung des Besuchs einer indischen Expertenkommission eingebunden war. Denn es ist bislang nicht ersichtlich, wie ein solcher Besuch, der unter der Beobachtung und der Kontrolle staatlicher deutscher Stellen stattfindet, zu einem solchen ungeregelten und rechtswidrigen Vorgehen missbraucht werden könnte.
27
Schließlich vermag auch der Hinweis auf das Strafverfolgungsmonopol der Bundesrepublik Deutschland für ihre Staatsangehörigen bzw. auf das jedem Deutschen aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Recht, nicht gegen seinen Willen aus der ihm vertrauten Rechtsordnung entfernt zu werden, vorliegend nicht zu verfangen: Es ist nicht ersichtlich, dass das Vorgehen des Beschuldigten oder seiner Führungsoffiziere darauf gerichtet war, in diese Rechtspositionen einzugreifen.
28
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO: Der Beschuldigte hat im Fall einer Verurteilung eine empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründet. Diesem stehen hinreichende persönliche und soziale Bindungen des Beschuldigten im Ergebnis nicht entgegen. Er lebt zwar seit etlichen Jahren in Deutschland und hat hier Familie. Durch das Bekanntwerden des Tatvorwurfs droht der Verlust seiner Arbeitsstelle. Abgesehen davon, dass er dadurch seine regelmäßigen Einnahmen verliert, resultiert daraus auch ein hoher Ansehensverlust - insbesondere innerhalb der indischen Gemeinde in Deutschland. In der Zusammenschau mit den ermittelten finanziellen Anknüpfungspunkten ins Ausland, die im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs im Einzelnen aufgeführt sind, spricht eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen wird, als dass er sich ihm stellt.
29
Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
30
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
31
Der Umfang des Verfahrens - die Sachakten umfassen bereits jetzt deutlich mehr als 40 Aktenordner - und seine besondere Schwierigkeit haben ein Urteil innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen worden ist, noch nicht zugelassen.
32
Das Verfahren ist auch mit der gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Seit der Inhaftierung des Beschuldigten sind zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden, die der Generalbundesanwalt im Einzelnen in seiner Zuschrift vom 8. August 2016 aufgeführt hat. Insbesondere die Auswertung der anlässlich der Festnahme bei der Durchsuchung sichergestellten Aktenordner, die zu der erheblichen Erweiterung des Tatzeitraums geführt hat, aber auch die Auswertung der Ergebnisse der umfangreichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie der zahlreichen vom Beschuldigten genutzten elektronischen Kommunikationsmittel war bislang zeitlich aufwändig und dauert teilweise noch an. Gleichwohl hat das Bundeskriminalamt die Akten dem Generalbundesanwalt am 22. Juli 2016 zur Anklageerhebung vorgelegt; die Anklage soll Anfang September 2016 fertig gestellt werden.

33
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache, soweit sie diese Entscheidung trägt, und der im Falle einer Verurteilung insoweit zu erwartenden Strafe.
Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 211/17
vom
19. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:191017U3STR211.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 5. Januar 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit 38 Fällen der Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Kammergerichts lieferte der aus Sri Lanka stammende, im Jahr 1984 in die Bundesrepublik eingereiste und im Jahr 1998 eingebürgerte, nicht vorbestrafte Angeklagte, der als Angestellter der Zentralen Ausländerbehörde B. umfassenden Zugang zum allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters und zur Visadatei hatte sowie über Kontakte zu anderen Ausländerbehörden in Deutschland verfügte, seinen nachrichtendienstlichen Auftraggebern beim indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (R&AW) in der Zeit von Anfang Januar 2013 bis zum 8. Februar 2016 in insgesamt 46 Fällen die von diesen gewünschten In- formationen, die überwiegend in Deutschland lebende indische Staatsangehörige betrafen. In 40 dieser Fälle recherchierte er dazu nach im Ausländerzentralregister bzw. in der Visadatei gespeicherten Daten über die auszuforschenden Personen, die er in 38 Fällen seinen Kontaktpersonen preisgab. In sechs Fällen standen die auszuspähenden Personen extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe, in acht weiteren Fällen waren die betroffenen sechs Personen Mitglieder oder Unterstützer solcher Organisationen.
3
Der R&AW, der direkt dem indischen Premierminister untersteht und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Er setzt hierbei sowohl offiziell akkreditierte Verbindungsbeamte als auch verdeckt operierende, nicht offiziell als solche registrierte Mitarbeiter ein. Für den indischen Geheimdienst sind Erkenntnisse über geopolitisch wichtige Staaten und Regionen wie Pakistan, die Kaschmir- und Punjab-Region sowie weitere benachbarte Länder Indiens von großem Interesse. Daneben liegt ein weiterer Schwerpunkt des R&AW auf der Aufklärung des nationalen und internationalen Terrorismus. Insoweit sind vor allem die separatistischen Bewegungen der Sikhs im Punjab und die tamilischen Freiheitsbestrebungen im Nachbarland Sri Lanka von Bedeutung.
4
Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten sollte insbesondere der Ausspähung der in Deutschland aufhältigen oppositionellen und militanten Sikhs sowie sonstiger indischer Oppositioneller dienen. Hierfür war aus Sicht des R&AW ein umfassender Datenabgleich mit den deutschen amtlichen Registern notwendig, auf die der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Stellung Zugriff hatte. Seit Anfang Januar 2013 bestand die vorrangige Aufgabe des Angeklagten folglich darin, zu nachrichtendienstlichen Zwecken Informationen über verschiedene Anhänger der Sikhs und Vertreter der Unabhängigkeit des Punjabs zu beschaffen. Von besonderem Interesse für den R&AW waren die radikalen Sikh-Organisationen "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren internationale Abteilung, die "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI), die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF) und die "Khalistan Zindabad Force" (im Folgenden: KZF). In mehreren Fällen erhob und/oder übermittelte der Angeklagte aber auch Informationen über Mitglieder der aus Sri Lanka stammenden Vereinigung "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (im Folgenden: LTTE). Die Organisationen BK, ISYF, KZF und LTTE waren im Tatzeitraum von der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet.
5
Der Angeklagte war als Sachbearbeiter der Zentralen Ausländerbehörde für die Beschaffung von Passersatzpapieren, vorrangig für indische Staatsangehörige , zuständig, die zur Vorbereitung einer Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise nach Androhung der Abschiebung benötigt werden. Da die betroffenen Personen regelmäßig kein Interesse an der Beschaffung solcher Dokumente haben, unterhalten die deutschen Ausländerbehörden eigene Verbindungen zu diplomatischen Vertretungen, um die Ausstellung der notwendigen Papiere gleichwohl zu ermöglichen. Aus diesen Gründen hielt der Angeklagte regelmäßigen Kontakt zum indischen Generalkonsulat in F. und zur indischen Botschaft in B. , wo auch seine nachrichtendienstlichen Führungspersonen des R&AW residierten.
6
Das Kammergericht ist in allen 46 Fällen davon ausgegangen, dass die von dem Angeklagten für den Geheimdienst einer fremden Macht erbrachte geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen sei. Dieses Merkmal sei in den Fällen, in denen unbescholtene deutsche Staatsbürger und ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik gewesen seien, von den Ausforschungsbemühungen des Ange- klagten betroffen waren, ebenso erfüllt, wie in denjenigen, in denen der Angeklagte in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige ausgespäht habe, denen ein Asylrecht zustand oder die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise betätigten. Letztlich gelte aber auch hinsichtlich der Personen, die extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe stünden oder deren Mitglieder oder Unterstützer seien, nichts anderes. Dies ergebe sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der gravierenden Souveränitätsverletzung , die in dem nachrichtendienstlich motivierten Zugriff auf das Ausländerzentralregister zu sehen sei, der Verschlechterung der Quellenlage der deutschen Dienste, der zumindest abstrakten Gefahr, dass die Erkenntnisse vom R&AW in einer Weise genutzt werden könnten, die den Kern und Wesensgehalt schutzwürdiger Belange der Betroffenen beeinträchtigen, der auf die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts der Betroffenen gerichteten Zwecksetzung, der bewussten und massiven Untergrabung der Schutzvorkehrungen für die besonders sensiblen Daten der ausgespähten Personen, die zudem in der Mehrzahl der genannten Fälle auch weitere Straftatbestände erfüllt habe.
7
II. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
8
1. Zu Recht ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in allen 46 Fällen der geheimdienstlichen Agententätigkeit schuldig gemacht hat, indem er dem R&AW und damit dem Geheimdienst einer frem- den Macht seine beruflich erworbenen Erkenntnisse zur Verfügung stellte und damit eine geheimdienstliche Tätigkeit ausübte, die auf die Mitteilung von Tatsachen und Erkenntnissen gerichtet war. Diese Tätigkeit war auch jeweils gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Insoweit gilt:
9
a) In der überwiegenden Zahl der Fälle richteten sich die Ausspähungsbemühungen gegen unbescholtene deutsche Staatsbürger, ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik waren, sowie gegen in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Grundgesetzes in Deutschland in legaler Weise betätigten (Fälle 2, 3, 6-13, 15, 18, 22-24, 28-29, 31-32, 34-35, 39-40, 44 und 46 der Urteilsgründe). In all diesen Fällen ist die Verwirklichung des Merkmals unproblematisch, weil die Ausforschungsbemühungen eines fremden Dienstes in der Regel dazu geeignet sind, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN).
10
b) Nichts anderes gilt in den Fällen 1, 14, 16, 19, 20 und 45 der Urteilsgründe , die Personen betrafen, die teilweise extremistischen SikhOrganisationen lediglich nahestanden oder zu solchen Organisationen Kontakt hatten bzw. von den Auftraggebern des Angeklagten als "Unruhestifter" bezeichnet oder bezüglich derer terroristische Aktivitäten seitens der indischen Sicherheitsbehörden bloß vermutet wurden.
11
Der Umstand, dass Personen mit extremistischen Organisationen oder gar terroristischen Vereinigungen sympathisieren, ist für sich genommen nicht strafbar. Ihre Ausforschung durch einen ausländischen Geheimdienst stellt sich damit nicht als eine Aufgabe dar, deren Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland obläge. Insoweit verbleibt es bei den unter a) dargelegten Grundsätzen, wonach die Agententätigkeit in diesen Fällen gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde (vgl. auch BGH aaO, S. 165), zumal sich die Ausforschungsbemühungen im Fall 16 der Urteilsgründe gar gegen einen ehemaligen indischen Staatsangehörigen richteten, der nach seiner Einbürgerung nunmehr deutscher Staatsangehöriger ist.
12
c) Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch das Kammergericht bei seiner Entscheidung im Blick gehabt hat, ist das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings nicht ohne Weiteres erfüllt, wenn die Ausforschungsbemühungen sich - wie hier in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33, 38 und 43 der Urteilsgründe - gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Erforderlich ist vielmehr eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist; nicht ausreichend ist der bloß örtliche Bezug zum Bundesgebiet oder der Umstand, dass ein ausländischer Nachrichtendienst im Bundesgebiet ohne Koordination mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen agiert (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 161, 163; vgl. auch MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 21 mwN).
13
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist in diesen Fällen eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor- zunehmen, bei der die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen ebenso in den Blick genommen werden müssen, wie die Frage, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erwiesen. Andererseits dürfe nicht verkannt werden, dass in solchen Fällen mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer gerade ein Zweck verfolgt werde, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliege (BGH aaO, S. 164 f. mwN).
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aa) Der Senat präzisiert diese Rechtsprechung zunächst dahin, dass das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls immer dann erfüllt ist, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon auch einen weiteren Straftatbestand erfüllt. Danach gilt hier:
15
(1) In den Fällen 4, 17, 15, 26 und 33 der Urteilsgründe machte sich der Angeklagte durch seine Ausforschungsbemühungen zugleich wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbar, indem der die Daten, die im allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters (vgl. § 2 ff. AZRG) und in der Visadatei (vgl. § 28 ff. AZRG) gespeichert waren und auf die er aufgrund seiner dienstlichen Stellung und mithin als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB Zugriff hatte, seinen geheimdienstlichen Auftraggebern offenbarte. Zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Dateien aus den amtlichen Datenbanken um Dienstgeheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB handel- te, weil sie nur den berechtigten Nutzern innerhalb der zugriffsberechtigten Behörden und damit einem begrenzten Personenkreis zugänglich, und weil sie geheimhaltungsbedürftig waren: Es handelte sich um Tatsachen, deren Geheimhaltung dem Angeklagten nach seiner dienstrechtlichen Verschwiegenheitspflicht oblag, weil sie nicht von vornherein als so belanglos anzusehen waren , dass sie ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung nicht bedurften (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2001 - 2 StR 488/00, BGHSt 46, 339, 341; LK/Vormbaum, StGB, 12. Aufl., § 353b Rn. 8 mwN). Auch handelt es sich beim Ausländerzentralregister und der Visadatei gerade nicht um Register, aus denen bei Darlegung eines besonderen Interesses jedermann Auskünfte erhält (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 388/12, NJW 2013, 549, 551). Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist weiter die Wertung des Kammergerichts, der Angeklagte habe durch die Offenbarung dieses Dienstgeheimnisses wichtige öffentliche Interessen gefährdet, weil er das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Verschwiegenheit der Verwaltung, insbesondere der Ausländerbehörden, tiefgreifend gestört habe. Eine solche mittelbare Gefährdung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f.). Allerdings bedarf es in dieser Konstellation einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls, um dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen seinen eigenständigen, nach der Intention des Gesetzgebers den Tatbestand einschränkenden Bedeutungsgehalt zu erhalten. In diesem Rahmen müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, BGHR StGB § 353b Abs. 1 Interessen, öffentliche 1 mwN; vgl. auch LK/Vormbaum aaO, Rn. 27). Unter Beachtung dieser Grundsätze beeinträchtigte der Angeklagte die Aufgabenerfüllung der Zentralen Ausländerbe- hörde ernstlich, weil er als Angestellter mit hoher persönlicher Reputation und beruflicher Anerkennung - nicht nur in seiner Heimatbehörde sondern auch in anderen deutschen Ausländerbehörden - einem ausländischen Geheimdienst letztlich nahezu ungehinderten Zugang zu behördlichen Registern gewährte, in denen sensible persönliche Daten der betroffenen Ausländer umfassend gespeichert sind. Der Zweck dieser Informationsübermittlung lag in der Ausforschung von Angehörigen der indischen Opposition, die nach Offenbarung der Daten durch den R&AW oder andere staatliche indische Stellen unter Druck gesetzt werden konnten. Dadurch wurden letztlich auch Schutzpflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den hier aufhältigen ausländischen - und deutschen - Staatsangehörigen verletzt. All dies läuft dem öffentlichen Interesse an der ungestörten Aufgabenerledigung der Ausländerbehörden in erheblichem Maße entgegen.
16
(2) In den genannten Fällen und darüber hinaus in den Fällen 25 und 38 der Urteilsgründe verwirklichte der Angeklagte zudem einen weiteren Straftatbestand , der indes jedenfalls aufgrund der mit der Anklageerhebung vorgenommenen Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 StPO nicht in den Schuldspruch aufzunehmen war:
17
Schon indem er sich die Daten aus dem Ausländerzentralregister und aus der Visadatei beschaffte, erfüllte er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, aus den genannten Registern abruft. Hier handelte es sich in allen Fällen um nicht offenkundige, personenbezogene Daten der betroffenen ausländischen Staatsangehörigen. Der Angeklagte handelte auch unbefugt: Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn der Umgang mit den Daten nicht von verwaltungsrechtlichen Vorschriften gestattet wird bzw. gegen darin normierte Verbote oder Erlaubnisvorbehalte verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402 zu dem vergleichbaren § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Hier war dem Angeklagten als Mitarbeiter einer Ausländerbehörde der Zugriff auf das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde geführte Ausländerzentralregister (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AZRG) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG nur zur Durchführung ausländer- und asylrechtlicher Aufgaben gestattet. Zugriff auf die Visadatei durfte er gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 6 AZRG ebenfalls nur zur Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörden nehmen. Diesen Zwecken dienten die im Auftrag seiner nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen oder eigeninitiativ zur Weitergabe an diese beschafften Informationen nicht.
18
(3) Das Vorgehen des Angeklagten erschöpfte sich demgemäß nicht in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit , vielmehr griff er zu Mitteln, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als strafbar erweisen. Dieser - in mehreren Fällen sogar zweifache - Verstoß gegen weitere Straftatbestände führt zu der Beurteilung , dass es sich um eine "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtete Agententätigkeit handelte: Das Merkmal ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; es genügt vielmehr eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN). Diese Voraussetzung wird durch die Verletzung allgemeiner Straftatbestände erfüllt, denn die Beachtung der durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber gegebenen Rechtsordnung liegt unzweifelhaft im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
19
(4) Waren die Handlungen des Angeklagten damit auch in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33 und 38 der Urteilsgründe "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtet, entfällt dieses Merkmal nicht dadurch, dass der Angeklagte zugleich auf andere Weise den Interessen der Bundesrepublik gedient hätte, etwa weil er - offenbar nicht völlig zu Unrecht - erhoffte, sozusagen als Gegenleistung für die Übermittlung der Informationen die zur Erfüllung seiner dienstlichen Tätigkeit benötigten Passersatzpapiere für ausreisepflichtige indische Staatsbürger vom indischen Generalkonsulat in F. zu erhalten. Auch wenn die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger grundsätzlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, besteht ein solches jedenfalls nicht, wenn zur Erreichung dieses Ziels illegale Methoden eingesetzt werden müssen. Konkret betrafen die Informationslieferungen des Angeklagten nach den Feststellungen des Kammergerichts zudem in keinem Fall eine Person, für die eine deutsche Ausländerbehörde die Ausstellung von Ersatzpapieren zu deren Abschiebung benötigte.
20
(5) Gegen die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" spricht letztlich auch nicht, dass der Angeklagte als Agent, der zugleich die Strafvorschrift des § 353b StGB verletzte, auch unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen mitteilte, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten wurden, und damit das Regelbeispiel des besonders schweren Falls der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllte.
21
Es könnte aus systematischen Gründen allerdings bedenklich sein, wenn die Verwirklichung eines Straftatbestandes, die die Annahme einer gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Agententätigkeit be- dingt, stets zugleich auch zur Erfüllung des Regelbeispiels führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Dies ist beim Zusammentreffen von § 99 StGB mit § 353b StGB indes nicht der Fall: Weder erfordert der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit einen Verrat von Dienstgeheimnissen, noch führt die Verwirklichung des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB stets dazu, dass allein deshalb eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB anzunehmen wäre. Wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen kann sich insbesondere in den Fällen, in denen dem Täter das Dienstgeheimnis nicht anvertraut, sondern in anderer Weise bekanntgeworden ist, oder in den Fällen des § 353b Abs. 2 StGB auch strafbar machen, wer keine verantwortliche Stellung innehat, die ihn besonders zur Geheimhaltung verpflichtet. Umgekehrt zeigt gerade der vorliegende Fall, dass auch ohne die Mitteilung von Tatsachen , die zur Erfüllung des Regelbeispiels des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich ist, ein Straftatbestand verwirklicht sein kann, der hier bereits - wie dargelegt - in dem Datenabruf nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG lag. Da sich schon deshalb die Agententätigkeit des Angeklagten gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland richtete, war der Grundtatbestand des § 99 Abs. 1 StGB auch unabhängig von dem das Regelbeispiel des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllenden Geheimnisverrat vollendet.
22
(6) In den Fällen 5, 21, 27, 30, 36, 37, 41 und 42 der Urteilsgründe bezogen sich die Aufträge der nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen des Angeklagten und seine Recherchen und Informationslieferungen auf ausländische Staatsangehörige, die sich im Tatzeitpunkt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Auch insoweit hat das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" im Ergebnis zutreffend bejaht: In all diesen Fällen verwirklichte der Angeklagte zugleich die Straftatbestände des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG, was nach obigen Darlegungen zu einer Beeinträchtigung deutscher Interessen führt.
23
bb) Im Fall 43 der Urteilsgründe gab der Angeklagte eigeninitiativ an seine nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen die Lichtbilder eines sri-lankischen und eines deutschen Staatsangehörigen sri-lankischer Herkunft weiter, die Mitglieder der terroristischen Vereinigung LTTE sind und gegen die in Deutschland deswegen Ermittlungsverfahren geführt werden. Die Lichtbilder hatte er als Abonnent des elektronischen Newsletters der tamilischen Gemeinde und damit aus einer allgemein zugänglichen Quelle erhalten.
24
In diesem Fall ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen allerdings schon daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger, dem die Bundesrepublik gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist (vgl. etwa Art. 16 Abs. 2 GG), ausgespäht wurde - mag er auch Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen sein. Der Senat schließt aus, dass es sich auf die Bemessung der Strafe ausgewirkt hat, dass das Kammergericht in diesem Fall auch hinsichtlich des sri-lankischen Staatsangehörigen von der Erfüllung des § 99 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, was mit Blick auf die oben dargelegten Maßgaben und die weiter zu beachtenden Grundsätze (dazu sogleich unter 2.) zweifelhaft erscheinen könnte.
25
2. Es kommt nach alldem nicht mehr darauf an, ob auch weitere in dieser Sache angestellte Erwägungen sich als tragfähig erweisen, um das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" zu begründen. Insoweit geben die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils und des Generalbundesanwalts in seinem Plädoyer in der Hauptverhandlung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
26
Es könnte fraglich sein, ob dem Umstand des Zugriffs auf das Ausländerzentralregister , der wegen der damit verbundenen Verwirklichung weiterer Straftatbestände nach den oben dargelegten Grundsätzen zu einem Handeln gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland führt, weitere eigenständige Bedeutung dergestalt zukommt, dass damit eine "gravierende" Souveränitätsverletzung begründet werden kann, die wiederum für sich genommen die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" trägt.
27
Die Voraussetzungen für Datenübermittlungen nach den Regelungen des AZRG bzw. der Regelungen für die polizeiliche und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit sowie für Rechtshilfeersuchen ausländischer Staaten werden durch ausländische Geheimdienste, die in Deutschland ohne Abdeckung deutscher Behörden agieren, regelmäßig missachtet werden. Insoweit erscheint fraglich, ob diese Rechtsverletzungen für sich genommen zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" herangezogen werden können, weil darin möglicherweise nicht mehr zu sehen ist, als die mit jeder nicht abgedeckten geheimdienstlichen Operation auf deutschem Bundesgebiet einhergehende Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, die nach den oben genannten Grundsätzen und der Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. V/2860, S. 23) indes gerade nicht ausreichen sollte. Nichts anderes dürfte gelten, soweit das Kammergericht auf die Verschlechterung der Abschöpfungsmöglichkeiten der deutschen Nachrichtendienste abgestellt hat; auch darin könnte lediglich eine Souveränitätsverletzung zu sehen sein. Aus dem gleichen Grund bestehen auch Bedenken, ob der Ge- danke, die Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer durch einen ausländischen Geheimdienst müsse bei der Prüfung des Merkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls dann nicht zu Gunsten des Agenten berücksichtigt werden, wenn deutsche Strafverfolgungsbehörden selbst bereits tätig geworden seien, weil diesen ansonsten ausländische Aufklärungsbemühungen "aufgedrängt" werden könnten, sich als tragfähig erweist.
28
Schließlich könnten die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten sein, wenn sich das Kammergericht mit der Wendung, ein eigenständiges Abwehrinteresse der Bundesrepublik Deutschland erkläre sich daraus, dass die traditionellen westlichen Bündnissysteme nicht mehr so festgefügt, verlässlich und sicher erschienen wie im vergangenen Jahrhundert, für eine Ausweitung des Tatbestands unter Außerachtlassung der Motive des historischen Gesetzgebers ausgesprochen hätte.
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch
5
a) Der Senat hält im Grundsatz an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung fest, wonach das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen ist; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Dies ist in der Regel auch dann der Fall, wenn die Spionagetätigkeit sich gegen Ausländerorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland oder sonst gegen hier lebende Ausländer richtet (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 22. September 1980 - StB 25/80, BGHSt 29, 325; vgl. auch KG, Urteil vom 8. Mai 2008 - (1) 3 StE 1/08 - 2 (4/08), juris Rn. 35 ff.; KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10); OLG Celle, Urteil vom 20. April 2011 - 3 StE 1/11). Tatbestandsmäßig sind deshalb regelmäßig Ausforschungen, von denen Personen betroffen werden, denen ein Asylrecht zusteht, oder die sich gegen Exilanten oder deren Organisationen richten, die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise politisch betätigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die ausgespähten Personen "im Lager" der Bundesrepublik Deutschland stehen (KG, Urteil vom 8. November 2007 - (1) 3 StE 2/07 - (5/07), NStZ 2008, 573; aA noch KG, Urteil vom 29. September 2003 - (2) 3 StE 1/03-1 (3/03), NStZ 2004, 209). Denn solche Ausforschungen sind in der Regel dazu geeignet, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen [KG, Urteil vom 12. Januar 2011 - (1) 3 StE 5/10-2 (7/10)]. Dies läuft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwider, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 211/17
vom
19. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:191017U3STR211.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 5. Januar 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit 38 Fällen der Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Kammergerichts lieferte der aus Sri Lanka stammende, im Jahr 1984 in die Bundesrepublik eingereiste und im Jahr 1998 eingebürgerte, nicht vorbestrafte Angeklagte, der als Angestellter der Zentralen Ausländerbehörde B. umfassenden Zugang zum allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters und zur Visadatei hatte sowie über Kontakte zu anderen Ausländerbehörden in Deutschland verfügte, seinen nachrichtendienstlichen Auftraggebern beim indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (R&AW) in der Zeit von Anfang Januar 2013 bis zum 8. Februar 2016 in insgesamt 46 Fällen die von diesen gewünschten In- formationen, die überwiegend in Deutschland lebende indische Staatsangehörige betrafen. In 40 dieser Fälle recherchierte er dazu nach im Ausländerzentralregister bzw. in der Visadatei gespeicherten Daten über die auszuforschenden Personen, die er in 38 Fällen seinen Kontaktpersonen preisgab. In sechs Fällen standen die auszuspähenden Personen extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe, in acht weiteren Fällen waren die betroffenen sechs Personen Mitglieder oder Unterstützer solcher Organisationen.
3
Der R&AW, der direkt dem indischen Premierminister untersteht und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Er setzt hierbei sowohl offiziell akkreditierte Verbindungsbeamte als auch verdeckt operierende, nicht offiziell als solche registrierte Mitarbeiter ein. Für den indischen Geheimdienst sind Erkenntnisse über geopolitisch wichtige Staaten und Regionen wie Pakistan, die Kaschmir- und Punjab-Region sowie weitere benachbarte Länder Indiens von großem Interesse. Daneben liegt ein weiterer Schwerpunkt des R&AW auf der Aufklärung des nationalen und internationalen Terrorismus. Insoweit sind vor allem die separatistischen Bewegungen der Sikhs im Punjab und die tamilischen Freiheitsbestrebungen im Nachbarland Sri Lanka von Bedeutung.
4
Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten sollte insbesondere der Ausspähung der in Deutschland aufhältigen oppositionellen und militanten Sikhs sowie sonstiger indischer Oppositioneller dienen. Hierfür war aus Sicht des R&AW ein umfassender Datenabgleich mit den deutschen amtlichen Registern notwendig, auf die der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Stellung Zugriff hatte. Seit Anfang Januar 2013 bestand die vorrangige Aufgabe des Angeklagten folglich darin, zu nachrichtendienstlichen Zwecken Informationen über verschiedene Anhänger der Sikhs und Vertreter der Unabhängigkeit des Punjabs zu beschaffen. Von besonderem Interesse für den R&AW waren die radikalen Sikh-Organisationen "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren internationale Abteilung, die "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI), die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF) und die "Khalistan Zindabad Force" (im Folgenden: KZF). In mehreren Fällen erhob und/oder übermittelte der Angeklagte aber auch Informationen über Mitglieder der aus Sri Lanka stammenden Vereinigung "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (im Folgenden: LTTE). Die Organisationen BK, ISYF, KZF und LTTE waren im Tatzeitraum von der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet.
5
Der Angeklagte war als Sachbearbeiter der Zentralen Ausländerbehörde für die Beschaffung von Passersatzpapieren, vorrangig für indische Staatsangehörige , zuständig, die zur Vorbereitung einer Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise nach Androhung der Abschiebung benötigt werden. Da die betroffenen Personen regelmäßig kein Interesse an der Beschaffung solcher Dokumente haben, unterhalten die deutschen Ausländerbehörden eigene Verbindungen zu diplomatischen Vertretungen, um die Ausstellung der notwendigen Papiere gleichwohl zu ermöglichen. Aus diesen Gründen hielt der Angeklagte regelmäßigen Kontakt zum indischen Generalkonsulat in F. und zur indischen Botschaft in B. , wo auch seine nachrichtendienstlichen Führungspersonen des R&AW residierten.
6
Das Kammergericht ist in allen 46 Fällen davon ausgegangen, dass die von dem Angeklagten für den Geheimdienst einer fremden Macht erbrachte geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen sei. Dieses Merkmal sei in den Fällen, in denen unbescholtene deutsche Staatsbürger und ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik gewesen seien, von den Ausforschungsbemühungen des Ange- klagten betroffen waren, ebenso erfüllt, wie in denjenigen, in denen der Angeklagte in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige ausgespäht habe, denen ein Asylrecht zustand oder die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise betätigten. Letztlich gelte aber auch hinsichtlich der Personen, die extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe stünden oder deren Mitglieder oder Unterstützer seien, nichts anderes. Dies ergebe sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der gravierenden Souveränitätsverletzung , die in dem nachrichtendienstlich motivierten Zugriff auf das Ausländerzentralregister zu sehen sei, der Verschlechterung der Quellenlage der deutschen Dienste, der zumindest abstrakten Gefahr, dass die Erkenntnisse vom R&AW in einer Weise genutzt werden könnten, die den Kern und Wesensgehalt schutzwürdiger Belange der Betroffenen beeinträchtigen, der auf die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts der Betroffenen gerichteten Zwecksetzung, der bewussten und massiven Untergrabung der Schutzvorkehrungen für die besonders sensiblen Daten der ausgespähten Personen, die zudem in der Mehrzahl der genannten Fälle auch weitere Straftatbestände erfüllt habe.
7
II. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
8
1. Zu Recht ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in allen 46 Fällen der geheimdienstlichen Agententätigkeit schuldig gemacht hat, indem er dem R&AW und damit dem Geheimdienst einer frem- den Macht seine beruflich erworbenen Erkenntnisse zur Verfügung stellte und damit eine geheimdienstliche Tätigkeit ausübte, die auf die Mitteilung von Tatsachen und Erkenntnissen gerichtet war. Diese Tätigkeit war auch jeweils gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Insoweit gilt:
9
a) In der überwiegenden Zahl der Fälle richteten sich die Ausspähungsbemühungen gegen unbescholtene deutsche Staatsbürger, ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik waren, sowie gegen in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Grundgesetzes in Deutschland in legaler Weise betätigten (Fälle 2, 3, 6-13, 15, 18, 22-24, 28-29, 31-32, 34-35, 39-40, 44 und 46 der Urteilsgründe). In all diesen Fällen ist die Verwirklichung des Merkmals unproblematisch, weil die Ausforschungsbemühungen eines fremden Dienstes in der Regel dazu geeignet sind, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN).
10
b) Nichts anderes gilt in den Fällen 1, 14, 16, 19, 20 und 45 der Urteilsgründe , die Personen betrafen, die teilweise extremistischen SikhOrganisationen lediglich nahestanden oder zu solchen Organisationen Kontakt hatten bzw. von den Auftraggebern des Angeklagten als "Unruhestifter" bezeichnet oder bezüglich derer terroristische Aktivitäten seitens der indischen Sicherheitsbehörden bloß vermutet wurden.
11
Der Umstand, dass Personen mit extremistischen Organisationen oder gar terroristischen Vereinigungen sympathisieren, ist für sich genommen nicht strafbar. Ihre Ausforschung durch einen ausländischen Geheimdienst stellt sich damit nicht als eine Aufgabe dar, deren Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland obläge. Insoweit verbleibt es bei den unter a) dargelegten Grundsätzen, wonach die Agententätigkeit in diesen Fällen gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde (vgl. auch BGH aaO, S. 165), zumal sich die Ausforschungsbemühungen im Fall 16 der Urteilsgründe gar gegen einen ehemaligen indischen Staatsangehörigen richteten, der nach seiner Einbürgerung nunmehr deutscher Staatsangehöriger ist.
12
c) Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch das Kammergericht bei seiner Entscheidung im Blick gehabt hat, ist das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings nicht ohne Weiteres erfüllt, wenn die Ausforschungsbemühungen sich - wie hier in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33, 38 und 43 der Urteilsgründe - gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Erforderlich ist vielmehr eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist; nicht ausreichend ist der bloß örtliche Bezug zum Bundesgebiet oder der Umstand, dass ein ausländischer Nachrichtendienst im Bundesgebiet ohne Koordination mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen agiert (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 161, 163; vgl. auch MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 21 mwN).
13
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist in diesen Fällen eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor- zunehmen, bei der die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen ebenso in den Blick genommen werden müssen, wie die Frage, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erwiesen. Andererseits dürfe nicht verkannt werden, dass in solchen Fällen mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer gerade ein Zweck verfolgt werde, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliege (BGH aaO, S. 164 f. mwN).
14
aa) Der Senat präzisiert diese Rechtsprechung zunächst dahin, dass das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls immer dann erfüllt ist, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon auch einen weiteren Straftatbestand erfüllt. Danach gilt hier:
15
(1) In den Fällen 4, 17, 15, 26 und 33 der Urteilsgründe machte sich der Angeklagte durch seine Ausforschungsbemühungen zugleich wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbar, indem der die Daten, die im allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters (vgl. § 2 ff. AZRG) und in der Visadatei (vgl. § 28 ff. AZRG) gespeichert waren und auf die er aufgrund seiner dienstlichen Stellung und mithin als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB Zugriff hatte, seinen geheimdienstlichen Auftraggebern offenbarte. Zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Dateien aus den amtlichen Datenbanken um Dienstgeheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB handel- te, weil sie nur den berechtigten Nutzern innerhalb der zugriffsberechtigten Behörden und damit einem begrenzten Personenkreis zugänglich, und weil sie geheimhaltungsbedürftig waren: Es handelte sich um Tatsachen, deren Geheimhaltung dem Angeklagten nach seiner dienstrechtlichen Verschwiegenheitspflicht oblag, weil sie nicht von vornherein als so belanglos anzusehen waren , dass sie ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung nicht bedurften (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2001 - 2 StR 488/00, BGHSt 46, 339, 341; LK/Vormbaum, StGB, 12. Aufl., § 353b Rn. 8 mwN). Auch handelt es sich beim Ausländerzentralregister und der Visadatei gerade nicht um Register, aus denen bei Darlegung eines besonderen Interesses jedermann Auskünfte erhält (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 388/12, NJW 2013, 549, 551). Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist weiter die Wertung des Kammergerichts, der Angeklagte habe durch die Offenbarung dieses Dienstgeheimnisses wichtige öffentliche Interessen gefährdet, weil er das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Verschwiegenheit der Verwaltung, insbesondere der Ausländerbehörden, tiefgreifend gestört habe. Eine solche mittelbare Gefährdung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f.). Allerdings bedarf es in dieser Konstellation einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls, um dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen seinen eigenständigen, nach der Intention des Gesetzgebers den Tatbestand einschränkenden Bedeutungsgehalt zu erhalten. In diesem Rahmen müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, BGHR StGB § 353b Abs. 1 Interessen, öffentliche 1 mwN; vgl. auch LK/Vormbaum aaO, Rn. 27). Unter Beachtung dieser Grundsätze beeinträchtigte der Angeklagte die Aufgabenerfüllung der Zentralen Ausländerbe- hörde ernstlich, weil er als Angestellter mit hoher persönlicher Reputation und beruflicher Anerkennung - nicht nur in seiner Heimatbehörde sondern auch in anderen deutschen Ausländerbehörden - einem ausländischen Geheimdienst letztlich nahezu ungehinderten Zugang zu behördlichen Registern gewährte, in denen sensible persönliche Daten der betroffenen Ausländer umfassend gespeichert sind. Der Zweck dieser Informationsübermittlung lag in der Ausforschung von Angehörigen der indischen Opposition, die nach Offenbarung der Daten durch den R&AW oder andere staatliche indische Stellen unter Druck gesetzt werden konnten. Dadurch wurden letztlich auch Schutzpflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den hier aufhältigen ausländischen - und deutschen - Staatsangehörigen verletzt. All dies läuft dem öffentlichen Interesse an der ungestörten Aufgabenerledigung der Ausländerbehörden in erheblichem Maße entgegen.
16
(2) In den genannten Fällen und darüber hinaus in den Fällen 25 und 38 der Urteilsgründe verwirklichte der Angeklagte zudem einen weiteren Straftatbestand , der indes jedenfalls aufgrund der mit der Anklageerhebung vorgenommenen Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 StPO nicht in den Schuldspruch aufzunehmen war:
17
Schon indem er sich die Daten aus dem Ausländerzentralregister und aus der Visadatei beschaffte, erfüllte er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, aus den genannten Registern abruft. Hier handelte es sich in allen Fällen um nicht offenkundige, personenbezogene Daten der betroffenen ausländischen Staatsangehörigen. Der Angeklagte handelte auch unbefugt: Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn der Umgang mit den Daten nicht von verwaltungsrechtlichen Vorschriften gestattet wird bzw. gegen darin normierte Verbote oder Erlaubnisvorbehalte verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402 zu dem vergleichbaren § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Hier war dem Angeklagten als Mitarbeiter einer Ausländerbehörde der Zugriff auf das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde geführte Ausländerzentralregister (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AZRG) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG nur zur Durchführung ausländer- und asylrechtlicher Aufgaben gestattet. Zugriff auf die Visadatei durfte er gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 6 AZRG ebenfalls nur zur Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörden nehmen. Diesen Zwecken dienten die im Auftrag seiner nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen oder eigeninitiativ zur Weitergabe an diese beschafften Informationen nicht.
18
(3) Das Vorgehen des Angeklagten erschöpfte sich demgemäß nicht in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit , vielmehr griff er zu Mitteln, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als strafbar erweisen. Dieser - in mehreren Fällen sogar zweifache - Verstoß gegen weitere Straftatbestände führt zu der Beurteilung , dass es sich um eine "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtete Agententätigkeit handelte: Das Merkmal ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; es genügt vielmehr eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN). Diese Voraussetzung wird durch die Verletzung allgemeiner Straftatbestände erfüllt, denn die Beachtung der durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber gegebenen Rechtsordnung liegt unzweifelhaft im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
19
(4) Waren die Handlungen des Angeklagten damit auch in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33 und 38 der Urteilsgründe "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtet, entfällt dieses Merkmal nicht dadurch, dass der Angeklagte zugleich auf andere Weise den Interessen der Bundesrepublik gedient hätte, etwa weil er - offenbar nicht völlig zu Unrecht - erhoffte, sozusagen als Gegenleistung für die Übermittlung der Informationen die zur Erfüllung seiner dienstlichen Tätigkeit benötigten Passersatzpapiere für ausreisepflichtige indische Staatsbürger vom indischen Generalkonsulat in F. zu erhalten. Auch wenn die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger grundsätzlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, besteht ein solches jedenfalls nicht, wenn zur Erreichung dieses Ziels illegale Methoden eingesetzt werden müssen. Konkret betrafen die Informationslieferungen des Angeklagten nach den Feststellungen des Kammergerichts zudem in keinem Fall eine Person, für die eine deutsche Ausländerbehörde die Ausstellung von Ersatzpapieren zu deren Abschiebung benötigte.
20
(5) Gegen die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" spricht letztlich auch nicht, dass der Angeklagte als Agent, der zugleich die Strafvorschrift des § 353b StGB verletzte, auch unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen mitteilte, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten wurden, und damit das Regelbeispiel des besonders schweren Falls der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllte.
21
Es könnte aus systematischen Gründen allerdings bedenklich sein, wenn die Verwirklichung eines Straftatbestandes, die die Annahme einer gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Agententätigkeit be- dingt, stets zugleich auch zur Erfüllung des Regelbeispiels führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Dies ist beim Zusammentreffen von § 99 StGB mit § 353b StGB indes nicht der Fall: Weder erfordert der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit einen Verrat von Dienstgeheimnissen, noch führt die Verwirklichung des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB stets dazu, dass allein deshalb eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB anzunehmen wäre. Wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen kann sich insbesondere in den Fällen, in denen dem Täter das Dienstgeheimnis nicht anvertraut, sondern in anderer Weise bekanntgeworden ist, oder in den Fällen des § 353b Abs. 2 StGB auch strafbar machen, wer keine verantwortliche Stellung innehat, die ihn besonders zur Geheimhaltung verpflichtet. Umgekehrt zeigt gerade der vorliegende Fall, dass auch ohne die Mitteilung von Tatsachen , die zur Erfüllung des Regelbeispiels des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich ist, ein Straftatbestand verwirklicht sein kann, der hier bereits - wie dargelegt - in dem Datenabruf nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG lag. Da sich schon deshalb die Agententätigkeit des Angeklagten gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland richtete, war der Grundtatbestand des § 99 Abs. 1 StGB auch unabhängig von dem das Regelbeispiel des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllenden Geheimnisverrat vollendet.
22
(6) In den Fällen 5, 21, 27, 30, 36, 37, 41 und 42 der Urteilsgründe bezogen sich die Aufträge der nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen des Angeklagten und seine Recherchen und Informationslieferungen auf ausländische Staatsangehörige, die sich im Tatzeitpunkt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Auch insoweit hat das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" im Ergebnis zutreffend bejaht: In all diesen Fällen verwirklichte der Angeklagte zugleich die Straftatbestände des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG, was nach obigen Darlegungen zu einer Beeinträchtigung deutscher Interessen führt.
23
bb) Im Fall 43 der Urteilsgründe gab der Angeklagte eigeninitiativ an seine nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen die Lichtbilder eines sri-lankischen und eines deutschen Staatsangehörigen sri-lankischer Herkunft weiter, die Mitglieder der terroristischen Vereinigung LTTE sind und gegen die in Deutschland deswegen Ermittlungsverfahren geführt werden. Die Lichtbilder hatte er als Abonnent des elektronischen Newsletters der tamilischen Gemeinde und damit aus einer allgemein zugänglichen Quelle erhalten.
24
In diesem Fall ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen allerdings schon daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger, dem die Bundesrepublik gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist (vgl. etwa Art. 16 Abs. 2 GG), ausgespäht wurde - mag er auch Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen sein. Der Senat schließt aus, dass es sich auf die Bemessung der Strafe ausgewirkt hat, dass das Kammergericht in diesem Fall auch hinsichtlich des sri-lankischen Staatsangehörigen von der Erfüllung des § 99 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, was mit Blick auf die oben dargelegten Maßgaben und die weiter zu beachtenden Grundsätze (dazu sogleich unter 2.) zweifelhaft erscheinen könnte.
25
2. Es kommt nach alldem nicht mehr darauf an, ob auch weitere in dieser Sache angestellte Erwägungen sich als tragfähig erweisen, um das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" zu begründen. Insoweit geben die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils und des Generalbundesanwalts in seinem Plädoyer in der Hauptverhandlung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
26
Es könnte fraglich sein, ob dem Umstand des Zugriffs auf das Ausländerzentralregister , der wegen der damit verbundenen Verwirklichung weiterer Straftatbestände nach den oben dargelegten Grundsätzen zu einem Handeln gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland führt, weitere eigenständige Bedeutung dergestalt zukommt, dass damit eine "gravierende" Souveränitätsverletzung begründet werden kann, die wiederum für sich genommen die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" trägt.
27
Die Voraussetzungen für Datenübermittlungen nach den Regelungen des AZRG bzw. der Regelungen für die polizeiliche und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit sowie für Rechtshilfeersuchen ausländischer Staaten werden durch ausländische Geheimdienste, die in Deutschland ohne Abdeckung deutscher Behörden agieren, regelmäßig missachtet werden. Insoweit erscheint fraglich, ob diese Rechtsverletzungen für sich genommen zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" herangezogen werden können, weil darin möglicherweise nicht mehr zu sehen ist, als die mit jeder nicht abgedeckten geheimdienstlichen Operation auf deutschem Bundesgebiet einhergehende Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, die nach den oben genannten Grundsätzen und der Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. V/2860, S. 23) indes gerade nicht ausreichen sollte. Nichts anderes dürfte gelten, soweit das Kammergericht auf die Verschlechterung der Abschöpfungsmöglichkeiten der deutschen Nachrichtendienste abgestellt hat; auch darin könnte lediglich eine Souveränitätsverletzung zu sehen sein. Aus dem gleichen Grund bestehen auch Bedenken, ob der Ge- danke, die Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer durch einen ausländischen Geheimdienst müsse bei der Prüfung des Merkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls dann nicht zu Gunsten des Agenten berücksichtigt werden, wenn deutsche Strafverfolgungsbehörden selbst bereits tätig geworden seien, weil diesen ansonsten ausländische Aufklärungsbemühungen "aufgedrängt" werden könnten, sich als tragfähig erweist.
28
Schließlich könnten die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten sein, wenn sich das Kammergericht mit der Wendung, ein eigenständiges Abwehrinteresse der Bundesrepublik Deutschland erkläre sich daraus, dass die traditionellen westlichen Bündnissysteme nicht mehr so festgefügt, verlässlich und sicher erschienen wie im vergangenen Jahrhundert, für eine Ausweitung des Tatbestands unter Außerachtlassung der Motive des historischen Gesetzgebers ausgesprochen hätte.
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 211/17
vom
19. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:191017U3STR211.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 5. Januar 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit 38 Fällen der Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Kammergerichts lieferte der aus Sri Lanka stammende, im Jahr 1984 in die Bundesrepublik eingereiste und im Jahr 1998 eingebürgerte, nicht vorbestrafte Angeklagte, der als Angestellter der Zentralen Ausländerbehörde B. umfassenden Zugang zum allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters und zur Visadatei hatte sowie über Kontakte zu anderen Ausländerbehörden in Deutschland verfügte, seinen nachrichtendienstlichen Auftraggebern beim indischen Auslandsgeheimdienst Research & Analysis Wing (R&AW) in der Zeit von Anfang Januar 2013 bis zum 8. Februar 2016 in insgesamt 46 Fällen die von diesen gewünschten In- formationen, die überwiegend in Deutschland lebende indische Staatsangehörige betrafen. In 40 dieser Fälle recherchierte er dazu nach im Ausländerzentralregister bzw. in der Visadatei gespeicherten Daten über die auszuforschenden Personen, die er in 38 Fällen seinen Kontaktpersonen preisgab. In sechs Fällen standen die auszuspähenden Personen extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe, in acht weiteren Fällen waren die betroffenen sechs Personen Mitglieder oder Unterstützer solcher Organisationen.
3
Der R&AW, der direkt dem indischen Premierminister untersteht und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Er setzt hierbei sowohl offiziell akkreditierte Verbindungsbeamte als auch verdeckt operierende, nicht offiziell als solche registrierte Mitarbeiter ein. Für den indischen Geheimdienst sind Erkenntnisse über geopolitisch wichtige Staaten und Regionen wie Pakistan, die Kaschmir- und Punjab-Region sowie weitere benachbarte Länder Indiens von großem Interesse. Daneben liegt ein weiterer Schwerpunkt des R&AW auf der Aufklärung des nationalen und internationalen Terrorismus. Insoweit sind vor allem die separatistischen Bewegungen der Sikhs im Punjab und die tamilischen Freiheitsbestrebungen im Nachbarland Sri Lanka von Bedeutung.
4
Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten sollte insbesondere der Ausspähung der in Deutschland aufhältigen oppositionellen und militanten Sikhs sowie sonstiger indischer Oppositioneller dienen. Hierfür war aus Sicht des R&AW ein umfassender Datenabgleich mit den deutschen amtlichen Registern notwendig, auf die der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Stellung Zugriff hatte. Seit Anfang Januar 2013 bestand die vorrangige Aufgabe des Angeklagten folglich darin, zu nachrichtendienstlichen Zwecken Informationen über verschiedene Anhänger der Sikhs und Vertreter der Unabhängigkeit des Punjabs zu beschaffen. Von besonderem Interesse für den R&AW waren die radikalen Sikh-Organisationen "Babbar Khalsa" (im Folgenden: BK), deren internationale Abteilung, die "Babbar Khalsa International" (im Folgenden: BKI), die "International Sikh Youth Federation" (im Folgenden: ISYF) und die "Khalistan Zindabad Force" (im Folgenden: KZF). In mehreren Fällen erhob und/oder übermittelte der Angeklagte aber auch Informationen über Mitglieder der aus Sri Lanka stammenden Vereinigung "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (im Folgenden: LTTE). Die Organisationen BK, ISYF, KZF und LTTE waren im Tatzeitraum von der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen gelistet.
5
Der Angeklagte war als Sachbearbeiter der Zentralen Ausländerbehörde für die Beschaffung von Passersatzpapieren, vorrangig für indische Staatsangehörige , zuständig, die zur Vorbereitung einer Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise nach Androhung der Abschiebung benötigt werden. Da die betroffenen Personen regelmäßig kein Interesse an der Beschaffung solcher Dokumente haben, unterhalten die deutschen Ausländerbehörden eigene Verbindungen zu diplomatischen Vertretungen, um die Ausstellung der notwendigen Papiere gleichwohl zu ermöglichen. Aus diesen Gründen hielt der Angeklagte regelmäßigen Kontakt zum indischen Generalkonsulat in F. und zur indischen Botschaft in B. , wo auch seine nachrichtendienstlichen Führungspersonen des R&AW residierten.
6
Das Kammergericht ist in allen 46 Fällen davon ausgegangen, dass die von dem Angeklagten für den Geheimdienst einer fremden Macht erbrachte geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen sei. Dieses Merkmal sei in den Fällen, in denen unbescholtene deutsche Staatsbürger und ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik gewesen seien, von den Ausforschungsbemühungen des Ange- klagten betroffen waren, ebenso erfüllt, wie in denjenigen, in denen der Angeklagte in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige ausgespäht habe, denen ein Asylrecht zustand oder die sich unter dem Schutz des Art. 5 GG in Deutschland in legaler Weise betätigten. Letztlich gelte aber auch hinsichtlich der Personen, die extremistischen, radikalen oder gar terroristischen Organisationen nahe stünden oder deren Mitglieder oder Unterstützer seien, nichts anderes. Dies ergebe sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der gravierenden Souveränitätsverletzung , die in dem nachrichtendienstlich motivierten Zugriff auf das Ausländerzentralregister zu sehen sei, der Verschlechterung der Quellenlage der deutschen Dienste, der zumindest abstrakten Gefahr, dass die Erkenntnisse vom R&AW in einer Weise genutzt werden könnten, die den Kern und Wesensgehalt schutzwürdiger Belange der Betroffenen beeinträchtigen, der auf die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts der Betroffenen gerichteten Zwecksetzung, der bewussten und massiven Untergrabung der Schutzvorkehrungen für die besonders sensiblen Daten der ausgespähten Personen, die zudem in der Mehrzahl der genannten Fälle auch weitere Straftatbestände erfüllt habe.
7
II. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
8
1. Zu Recht ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in allen 46 Fällen der geheimdienstlichen Agententätigkeit schuldig gemacht hat, indem er dem R&AW und damit dem Geheimdienst einer frem- den Macht seine beruflich erworbenen Erkenntnisse zur Verfügung stellte und damit eine geheimdienstliche Tätigkeit ausübte, die auf die Mitteilung von Tatsachen und Erkenntnissen gerichtet war. Diese Tätigkeit war auch jeweils gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Insoweit gilt:
9
a) In der überwiegenden Zahl der Fälle richteten sich die Ausspähungsbemühungen gegen unbescholtene deutsche Staatsbürger, ausländische Amtsträger, die zu Gast in der Bundesrepublik waren, sowie gegen in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige, die sich unter dem Schutz des Grundgesetzes in Deutschland in legaler Weise betätigten (Fälle 2, 3, 6-13, 15, 18, 22-24, 28-29, 31-32, 34-35, 39-40, 44 und 46 der Urteilsgründe). In all diesen Fällen ist die Verwirklichung des Merkmals unproblematisch, weil die Ausforschungsbemühungen eines fremden Dienstes in der Regel dazu geeignet sind, bei den Betroffenen Angst vor Repressionen auszulösen und so den ihnen zustehenden Freiraum für politisches und gesellschaftliches Engagement einzuengen, was den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, die gehalten ist, den hier unter dem Schutz des Grundgesetzes lebenden und sich betätigenden Ausländern diesen Schutz auch zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN).
10
b) Nichts anderes gilt in den Fällen 1, 14, 16, 19, 20 und 45 der Urteilsgründe , die Personen betrafen, die teilweise extremistischen SikhOrganisationen lediglich nahestanden oder zu solchen Organisationen Kontakt hatten bzw. von den Auftraggebern des Angeklagten als "Unruhestifter" bezeichnet oder bezüglich derer terroristische Aktivitäten seitens der indischen Sicherheitsbehörden bloß vermutet wurden.
11
Der Umstand, dass Personen mit extremistischen Organisationen oder gar terroristischen Vereinigungen sympathisieren, ist für sich genommen nicht strafbar. Ihre Ausforschung durch einen ausländischen Geheimdienst stellt sich damit nicht als eine Aufgabe dar, deren Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland obläge. Insoweit verbleibt es bei den unter a) dargelegten Grundsätzen, wonach die Agententätigkeit in diesen Fällen gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wurde (vgl. auch BGH aaO, S. 165), zumal sich die Ausforschungsbemühungen im Fall 16 der Urteilsgründe gar gegen einen ehemaligen indischen Staatsangehörigen richteten, der nach seiner Einbürgerung nunmehr deutscher Staatsangehöriger ist.
12
c) Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch das Kammergericht bei seiner Entscheidung im Blick gehabt hat, ist das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" allerdings nicht ohne Weiteres erfüllt, wenn die Ausforschungsbemühungen sich - wie hier in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33, 38 und 43 der Urteilsgründe - gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158; vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Erforderlich ist vielmehr eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist; nicht ausreichend ist der bloß örtliche Bezug zum Bundesgebiet oder der Umstand, dass ein ausländischer Nachrichtendienst im Bundesgebiet ohne Koordination mit den bzw. Abdeckung der zuständigen deutschen Stellen agiert (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 161, 163; vgl. auch MüKoStGB/Lampe/Hegmann, 3. Aufl., § 99 Rn. 21 mwN).
13
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist in diesen Fällen eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor- zunehmen, bei der die konkreten Hintergründe und Ziele der Ausspähungsbemühungen ebenso in den Blick genommen werden müssen, wie die Frage, ob sich das Vorgehen des Agenten in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit erschöpft oder ob er darüber hinaus zu Mitteln greift, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung, insbesondere als strafbar erwiesen. Andererseits dürfe nicht verkannt werden, dass in solchen Fällen mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer gerade ein Zweck verfolgt werde, dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliege (BGH aaO, S. 164 f. mwN).
14
aa) Der Senat präzisiert diese Rechtsprechung zunächst dahin, dass das Tatbestandsmerkmal "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls immer dann erfüllt ist, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon auch einen weiteren Straftatbestand erfüllt. Danach gilt hier:
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(1) In den Fällen 4, 17, 15, 26 und 33 der Urteilsgründe machte sich der Angeklagte durch seine Ausforschungsbemühungen zugleich wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbar, indem der die Daten, die im allgemeinen Datenbestand des Ausländerzentralregisters (vgl. § 2 ff. AZRG) und in der Visadatei (vgl. § 28 ff. AZRG) gespeichert waren und auf die er aufgrund seiner dienstlichen Stellung und mithin als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB Zugriff hatte, seinen geheimdienstlichen Auftraggebern offenbarte. Zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Dateien aus den amtlichen Datenbanken um Dienstgeheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB handel- te, weil sie nur den berechtigten Nutzern innerhalb der zugriffsberechtigten Behörden und damit einem begrenzten Personenkreis zugänglich, und weil sie geheimhaltungsbedürftig waren: Es handelte sich um Tatsachen, deren Geheimhaltung dem Angeklagten nach seiner dienstrechtlichen Verschwiegenheitspflicht oblag, weil sie nicht von vornherein als so belanglos anzusehen waren , dass sie ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung nicht bedurften (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2001 - 2 StR 488/00, BGHSt 46, 339, 341; LK/Vormbaum, StGB, 12. Aufl., § 353b Rn. 8 mwN). Auch handelt es sich beim Ausländerzentralregister und der Visadatei gerade nicht um Register, aus denen bei Darlegung eines besonderen Interesses jedermann Auskünfte erhält (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 388/12, NJW 2013, 549, 551). Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist weiter die Wertung des Kammergerichts, der Angeklagte habe durch die Offenbarung dieses Dienstgeheimnisses wichtige öffentliche Interessen gefährdet, weil er das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Verschwiegenheit der Verwaltung, insbesondere der Ausländerbehörden, tiefgreifend gestört habe. Eine solche mittelbare Gefährdung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f.). Allerdings bedarf es in dieser Konstellation einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls, um dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen seinen eigenständigen, nach der Intention des Gesetzgebers den Tatbestand einschränkenden Bedeutungsgehalt zu erhalten. In diesem Rahmen müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, BGHR StGB § 353b Abs. 1 Interessen, öffentliche 1 mwN; vgl. auch LK/Vormbaum aaO, Rn. 27). Unter Beachtung dieser Grundsätze beeinträchtigte der Angeklagte die Aufgabenerfüllung der Zentralen Ausländerbe- hörde ernstlich, weil er als Angestellter mit hoher persönlicher Reputation und beruflicher Anerkennung - nicht nur in seiner Heimatbehörde sondern auch in anderen deutschen Ausländerbehörden - einem ausländischen Geheimdienst letztlich nahezu ungehinderten Zugang zu behördlichen Registern gewährte, in denen sensible persönliche Daten der betroffenen Ausländer umfassend gespeichert sind. Der Zweck dieser Informationsübermittlung lag in der Ausforschung von Angehörigen der indischen Opposition, die nach Offenbarung der Daten durch den R&AW oder andere staatliche indische Stellen unter Druck gesetzt werden konnten. Dadurch wurden letztlich auch Schutzpflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den hier aufhältigen ausländischen - und deutschen - Staatsangehörigen verletzt. All dies läuft dem öffentlichen Interesse an der ungestörten Aufgabenerledigung der Ausländerbehörden in erheblichem Maße entgegen.
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(2) In den genannten Fällen und darüber hinaus in den Fällen 25 und 38 der Urteilsgründe verwirklichte der Angeklagte zudem einen weiteren Straftatbestand , der indes jedenfalls aufgrund der mit der Anklageerhebung vorgenommenen Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 StPO nicht in den Schuldspruch aufzunehmen war:
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Schon indem er sich die Daten aus dem Ausländerzentralregister und aus der Visadatei beschaffte, erfüllte er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, aus den genannten Registern abruft. Hier handelte es sich in allen Fällen um nicht offenkundige, personenbezogene Daten der betroffenen ausländischen Staatsangehörigen. Der Angeklagte handelte auch unbefugt: Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn der Umgang mit den Daten nicht von verwaltungsrechtlichen Vorschriften gestattet wird bzw. gegen darin normierte Verbote oder Erlaubnisvorbehalte verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402 zu dem vergleichbaren § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Hier war dem Angeklagten als Mitarbeiter einer Ausländerbehörde der Zugriff auf das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde geführte Ausländerzentralregister (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AZRG) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG nur zur Durchführung ausländer- und asylrechtlicher Aufgaben gestattet. Zugriff auf die Visadatei durfte er gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 6 AZRG ebenfalls nur zur Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörden nehmen. Diesen Zwecken dienten die im Auftrag seiner nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen oder eigeninitiativ zur Weitergabe an diese beschafften Informationen nicht.
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(3) Das Vorgehen des Angeklagten erschöpfte sich demgemäß nicht in der spezifischen konspirativen Vorgehensweise einer geheimdienstlichen Tätigkeit , vielmehr griff er zu Mitteln, die sich auch unabhängig von der nachrichtendienstlichen Betätigung als strafbar erweisen. Dieser - in mehreren Fällen sogar zweifache - Verstoß gegen weitere Straftatbestände führt zu der Beurteilung , dass es sich um eine "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtete Agententätigkeit handelte: Das Merkmal ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; es genügt vielmehr eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158, 160 mwN). Diese Voraussetzung wird durch die Verletzung allgemeiner Straftatbestände erfüllt, denn die Beachtung der durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber gegebenen Rechtsordnung liegt unzweifelhaft im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
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(4) Waren die Handlungen des Angeklagten damit auch in den Fällen 4, 17, 18, 25, 26, 33 und 38 der Urteilsgründe "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtet, entfällt dieses Merkmal nicht dadurch, dass der Angeklagte zugleich auf andere Weise den Interessen der Bundesrepublik gedient hätte, etwa weil er - offenbar nicht völlig zu Unrecht - erhoffte, sozusagen als Gegenleistung für die Übermittlung der Informationen die zur Erfüllung seiner dienstlichen Tätigkeit benötigten Passersatzpapiere für ausreisepflichtige indische Staatsbürger vom indischen Generalkonsulat in F. zu erhalten. Auch wenn die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger grundsätzlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, besteht ein solches jedenfalls nicht, wenn zur Erreichung dieses Ziels illegale Methoden eingesetzt werden müssen. Konkret betrafen die Informationslieferungen des Angeklagten nach den Feststellungen des Kammergerichts zudem in keinem Fall eine Person, für die eine deutsche Ausländerbehörde die Ausstellung von Ersatzpapieren zu deren Abschiebung benötigte.
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(5) Gegen die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" spricht letztlich auch nicht, dass der Angeklagte als Agent, der zugleich die Strafvorschrift des § 353b StGB verletzte, auch unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtete, Tatsachen mitteilte, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten wurden, und damit das Regelbeispiel des besonders schweren Falls der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllte.
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Es könnte aus systematischen Gründen allerdings bedenklich sein, wenn die Verwirklichung eines Straftatbestandes, die die Annahme einer gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Agententätigkeit be- dingt, stets zugleich auch zur Erfüllung des Regelbeispiels führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2016 - AK 46/16, NStZ 2017, 153, 154). Dies ist beim Zusammentreffen von § 99 StGB mit § 353b StGB indes nicht der Fall: Weder erfordert der Grundtatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit einen Verrat von Dienstgeheimnissen, noch führt die Verwirklichung des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB stets dazu, dass allein deshalb eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB anzunehmen wäre. Wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen kann sich insbesondere in den Fällen, in denen dem Täter das Dienstgeheimnis nicht anvertraut, sondern in anderer Weise bekanntgeworden ist, oder in den Fällen des § 353b Abs. 2 StGB auch strafbar machen, wer keine verantwortliche Stellung innehat, die ihn besonders zur Geheimhaltung verpflichtet. Umgekehrt zeigt gerade der vorliegende Fall, dass auch ohne die Mitteilung von Tatsachen , die zur Erfüllung des Regelbeispiels des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich ist, ein Straftatbestand verwirklicht sein kann, der hier bereits - wie dargelegt - in dem Datenabruf nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG lag. Da sich schon deshalb die Agententätigkeit des Angeklagten gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland richtete, war der Grundtatbestand des § 99 Abs. 1 StGB auch unabhängig von dem das Regelbeispiel des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllenden Geheimnisverrat vollendet.
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(6) In den Fällen 5, 21, 27, 30, 36, 37, 41 und 42 der Urteilsgründe bezogen sich die Aufträge der nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen des Angeklagten und seine Recherchen und Informationslieferungen auf ausländische Staatsangehörige, die sich im Tatzeitpunkt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Auch insoweit hat das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" im Ergebnis zutreffend bejaht: In all diesen Fällen verwirklichte der Angeklagte zugleich die Straftatbestände des § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und des § 42 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AZRG, was nach obigen Darlegungen zu einer Beeinträchtigung deutscher Interessen führt.
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bb) Im Fall 43 der Urteilsgründe gab der Angeklagte eigeninitiativ an seine nachrichtendienstlichen Kontaktpersonen die Lichtbilder eines sri-lankischen und eines deutschen Staatsangehörigen sri-lankischer Herkunft weiter, die Mitglieder der terroristischen Vereinigung LTTE sind und gegen die in Deutschland deswegen Ermittlungsverfahren geführt werden. Die Lichtbilder hatte er als Abonnent des elektronischen Newsletters der tamilischen Gemeinde und damit aus einer allgemein zugänglichen Quelle erhalten.
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In diesem Fall ergibt sich eine Verletzung deutscher Interessen allerdings schon daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger, dem die Bundesrepublik gegenüber dem Zugriff ausländischer staatlicher Stellen in besonderem Maße zum Schutz verpflichtet ist (vgl. etwa Art. 16 Abs. 2 GG), ausgespäht wurde - mag er auch Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen sein. Der Senat schließt aus, dass es sich auf die Bemessung der Strafe ausgewirkt hat, dass das Kammergericht in diesem Fall auch hinsichtlich des sri-lankischen Staatsangehörigen von der Erfüllung des § 99 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, was mit Blick auf die oben dargelegten Maßgaben und die weiter zu beachtenden Grundsätze (dazu sogleich unter 2.) zweifelhaft erscheinen könnte.
25
2. Es kommt nach alldem nicht mehr darauf an, ob auch weitere in dieser Sache angestellte Erwägungen sich als tragfähig erweisen, um das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" zu begründen. Insoweit geben die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils und des Generalbundesanwalts in seinem Plädoyer in der Hauptverhandlung Anlass zu folgenden Bemerkungen:
26
Es könnte fraglich sein, ob dem Umstand des Zugriffs auf das Ausländerzentralregister , der wegen der damit verbundenen Verwirklichung weiterer Straftatbestände nach den oben dargelegten Grundsätzen zu einem Handeln gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland führt, weitere eigenständige Bedeutung dergestalt zukommt, dass damit eine "gravierende" Souveränitätsverletzung begründet werden kann, die wiederum für sich genommen die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" trägt.
27
Die Voraussetzungen für Datenübermittlungen nach den Regelungen des AZRG bzw. der Regelungen für die polizeiliche und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit sowie für Rechtshilfeersuchen ausländischer Staaten werden durch ausländische Geheimdienste, die in Deutschland ohne Abdeckung deutscher Behörden agieren, regelmäßig missachtet werden. Insoweit erscheint fraglich, ob diese Rechtsverletzungen für sich genommen zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" herangezogen werden können, weil darin möglicherweise nicht mehr zu sehen ist, als die mit jeder nicht abgedeckten geheimdienstlichen Operation auf deutschem Bundesgebiet einhergehende Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, die nach den oben genannten Grundsätzen und der Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. V/2860, S. 23) indes gerade nicht ausreichen sollte. Nichts anderes dürfte gelten, soweit das Kammergericht auf die Verschlechterung der Abschöpfungsmöglichkeiten der deutschen Nachrichtendienste abgestellt hat; auch darin könnte lediglich eine Souveränitätsverletzung zu sehen sein. Aus dem gleichen Grund bestehen auch Bedenken, ob der Ge- danke, die Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer durch einen ausländischen Geheimdienst müsse bei der Prüfung des Merkmals "gegen die Bundesrepublik Deutschland" jedenfalls dann nicht zu Gunsten des Agenten berücksichtigt werden, wenn deutsche Strafverfolgungsbehörden selbst bereits tätig geworden seien, weil diesen ansonsten ausländische Aufklärungsbemühungen "aufgedrängt" werden könnten, sich als tragfähig erweist.
28
Schließlich könnten die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten sein, wenn sich das Kammergericht mit der Wendung, ein eigenständiges Abwehrinteresse der Bundesrepublik Deutschland erkläre sich daraus, dass die traditionellen westlichen Bündnissysteme nicht mehr so festgefügt, verlässlich und sicher erschienen wie im vergangenen Jahrhundert, für eine Ausweitung des Tatbestands unter Außerachtlassung der Motive des historischen Gesetzgebers ausgesprochen hätte.
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch

(1) Wer

1.
für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
2.
gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 oder § 96 Abs. 1, in § 97a oder in § 97b in Verbindung mit § 94 oder § 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden, mitteilt oder liefert und wenn er

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

(3) § 98 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.