Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2008 - V ZB 29/08

bei uns veröffentlicht am19.06.2008
vorgehend
Landgericht Bonn, 1 O 400/06, 27.07.2007
Oberlandesgericht Köln, 20 U 149/07, 02.01.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 29/08
vom
19. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Juni 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Januar 2008 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 12.624,15 €.

Gründe:


I.


1
Mit den Klägern am 1. August 2007 zugestelltem Urteil hat das Landgericht die Zahlungsklage der Kläger zum überwiegenden Teil abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger, soweit hier noch von Interesse, mit am 29. August 2007 und noch einmal am 25. September 2007 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 4. Oktober 2007 eingegangenem Schriftsatz begründet. Mit am 6. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Hierzu haben sie vorgetragen, die am 1. Oktober 2007 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist sei zwar ordnungsgemäß mit einer Vorfrist auf den 24. September 2007 im Fristenkalender eingetragen worden und zur Vorfrist vorgelegt worden, was den Anlass für das Schreiben vom 25. September 2007 gegeben habe. Die erfahrene und verlässliche Büroangestellte ihres Prozessbevoll- mächtigten habe aber vergessen, die Akten am 1. Oktober 2007 vorzulegen. Zur Glaubhaftmachung haben sie sich auf die anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten und die eidesstattliche Erklärung der Büroangestellten berufen. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft, im Übrigen aber unzulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
3
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Senats auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auf die Frage, ob die von dem Berufungsgericht - auch bei der Glaubhaftmachung vorzunehmende (vgl. MünchKomm-ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 294 Rdn. 26; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 294 Rdn. 3, Zöller /Greger, ZPO, 26. Aufl., § 294, Rdn. 6) - freie Würdigung des Vortrags der Kläger zu ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist mit Prozessrecht nicht mehr zu vereinbaren ist, kommt es nicht an.
4
2. Die Kläger haben nämlich auch die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO versäumt; ihr Wiedereinsetzungsantrag war deshalb unzulässig.
5
a) Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist nicht erst dann der Fall, wenn das Hindernis nicht mehr weiterbesteht. Die Frist beginnt vielmehr schon dann, wenn das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Maßgebend für den Fristbeginn ist damit der Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Rechtsanwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen müssen, also der Irrtum darüber nicht mehr unverschuldet war (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1989, I ZB 3/89, NJW-RR 1990, 379, 380; Beschl. v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934; Senat, Beschl. v. 25. Oktober 2005, V ZB 111/05, BGH-Report 2006, 255).
6
b) Das Hindernis bestand hier darin, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht bemerkt hatte. Dieses Hindernis entfiel nicht erst mit dem Eingang des Hinweisbeschlusses des Berufungsgerichts vom 29. November 2007 am 4. Dezember 2007. Es entfiel vielmehr schon, als der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei Anwendung der von ihm als Rechtsanwalt zu verlangenden Sorgfalt die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hätte bemerken müssen. Das war der 4. Oktober 2007. An diesem Tag hat er die Berufungsbegründung bei dem Berufungsgericht eingereicht. Bei der Anfertigung der Begründungsschrift muss der Rechtsanwalt selbständig und eigenverantwortlich die Berechnung und - hier - Wahrung der Berufungsbegründungsfrist prüfen (st. Rspr.: BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; Beschl. v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; Beschl. v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437; Senat, Beschl. v. 25. Oktober 2005, V ZB 111/05, BGH-Report 2006, 255). Hätte der Prozessbevollmächtigte der Kläger das getan, so wäre ihm auch aufgefallen , dass die Frist für die Berufungsbegründung bereits am 1. Oktober 2007 abgelaufen war. Damit begann die Frist für die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 2 ZPO am 4. Oktober 2007 zu laufen. Sie lief unter Berücksichtigung des Umstands, dass der 4. November 2007 ein Sonntag war, am 5. November 2007 ab. Der am 6. Dezember 2007 gestellte Wiedereinsetzungsantrag war damit verspätet.
7
3. Das Berufungsgericht hat deshalb mit der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Kläger auch nicht in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt oder ihnen den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (dazu: BVerfG, NJWRR 2002, 1004; Senat, BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschl. v. 9. November 2005, XII ZB 270/04, FamRZ 2006, 192).

III.


8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 27.07.2007 - 1 O 400/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.01.2008 - 20 U 149/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2008 - V ZB 29/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2008 - V ZB 29/08

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 111/05
vom
25. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Oktober 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 30. Mai 2005 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.000 EUR.

Gründe:

I.

1
Die Kläger haben von den Beklagten die Beseitigung von Anpflanzungen in der Nähe der Grundstücksgrenze verlangt. Die Klage ist mit Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2004 abgewiesen worden. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Kläger nach dem von ihrer Anwältin unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 19. November 2004 zugestellt worden. Die Berufungsschrift gegen das Urteil ist am 13. Dezember 2004, die Berufungsbegründung jedoch erst am 24. Januar 2005 bei dem Landgericht eingegangen. Nach richterlichem Hinweis auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist in einer am 21. März 2005 zugestellten Verfügung haben die Kläger mit dem am 4. April 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Zur Begründung haben die Kläger ausgeführt, dass das Urteil am Nachmittag des 19. November 2004, einem Freitag, zugestellt worden sei. Die bisher stets zuverlässig die Fristen notierende Angestellte Z. habe entgegen der Weisung, sogleich nach Anbringung des Eingangsstempels die Berufungsfrist und die Frist zur Begründung der Berufung zu notieren, die Eintragungen im Fristenkalender erst am kommenden Montag, dem 22. November 2004, vorgenommen und von diesem Tag ausgehend die Fristen berechnet. Die Prozessbevollmächtigte habe bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 23. November 2004 zwar die Notierung der Fristen, jedoch nicht deren Berechnung geprüft. Sie habe die Berufungsbegründung auch nicht sofort nach Vorlage der Akten nach Ablauf der auf den 18. Januar 2005 notierten Vorfrist, sondern erst am fehlerhaft notierten Tage des Ablaufes der Begründungsfrist, am Montag, dem 24. Januar 2005, gefertigt und bei Gericht eingereicht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehren und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgen.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
5
a) Die Zulassung ist aus dem Grunde der Divergenz geboten. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der mit der Anfertigung einer Berufungsbegründung beauftragte Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO (dazu: BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437) bereits am Tage der Vorlegung nach dem Ablauf einer Vorfrist vorzunehmen habe. Damit ist es von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewichen. Danach muss eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt wird, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden (BGH, Beschl. v. 27. Mai 1997, VI ZB 10/97, NJW 1997, 2825, 2826 und v. 9. März 1999, VI ZB 3/99, NJW 1999, 2048, 2049).
6
Die Versäumung der Begründungsfrist kann daher nicht deshalb als verschuldet angesehen werden, weil die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht bereits beim Ablauf der Vorfrist am 18. Januar 2005 den von der Angestellten Z. fälschlicherweise auf den 24. Januar 2005 datierten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist geprüft hat und so die am 19. Januar 2005 endende Frist für die Berufungsbegründung noch hätte wahren können. Die Entscheidung beruht auch auf der abweichenden Beantwortung der Rechtsfrage und nicht auf einer rechtsfehlerhaften Würdigung der Umstände im Einzelfall, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.
7
b) Die Rechtsbeschwerde ist wegen der aufgezeigten Divergenz zulässig , auch wenn sie - wie sogleich ausgeführt - wegen Nichteinhaltung der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO keinen Erfolg haben kann. Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das zur Sachentscheidung führt. Die Zulässig- keit des Rechtsmittels hängt nicht davon ab, ob es begründet ist oder nicht (Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist indes schon deshalb unbegründet, weil die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist daher im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen worden.
9
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage , an dem das Hindernis behoben ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Versäumung der Frist hätte erkannt werden müssen, also der Irrtum darüber nicht mehr unverschuldet war (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1989, I ZB 3/89, NJW-RR 1990, 379, 380 und v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934, 935). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hätte hier nicht erst mit Zustellung des richterlichen Hinweises vom 16. März 2005, am 21. März 2005, sondern spätestens am 24. Januar 2005 der Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt werden müssen. Die Anwältin hatte bei der Anfertigung der Begründungsschrift selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob die von ihrer Angestellten Z. eingetragene Frist richtig berechnet worden war (BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437 - st. Rspr. des BGH). Hätte sie dies getan, so wäre ihr auch aufgefallen, dass die Frist für die Berufungsbegründung bereits am 19. Januar 2005 abgelaufen war. Damit begann auch die Frist für die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 2 ZPO zu laufen (BGH, Beschl. v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934, 935), die somit am 7. Februar 2005 ablief.
10
Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 4. April 2005 war daher verspätet und schon aus diesem Grunde als unzulässig zu verwerfen.

III.


11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewerts aus § 3 ZPO. Krüger Klein Lemke Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Dippoldiswalde , Entscheidung vom 12.11.2004 - 3 C 125/04 -
LG Dresden, Entscheidung vom 30.05.2005 - 7 S 717/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 40/02
vom
5. November 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 233 B, Fa; § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
Der Rechtsanwalt, dem die Handakten zur Anfertigung der Berufungsbegründung
vorgelegt werden, hat eigenverantwortlich die Berufungsbegründungsfrist zu prüfen.
BGH, Beschluß vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2002 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 5.219,62

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für Grundstücksbeeinträchtigungen. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, hat sie das Oberlandesgericht dem Grunde nach zugesprochen und die Sache hinsichtlich der Schadenshöhe an das Landgericht zurückverwiesen. Mit Urteil vom 4. Januar 2002 hat das Landgericht die Klage erneut abgewiesen. Gegen das ihren erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 8. Januar 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres in zweiter Instanz bevollmächtigten Rechtsanwaltes vom 6. Februar 2002, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 7. März 2002 bei Gericht eingegangen. Mit Verfügung vom 8. März 2002, den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 13. März 2002, hat der Senatsvorsitzende auf die Verspätung hingewiesen. Die Klägerin hat mit dem am 19. März
2002 eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten Wiedereinset- zung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und vorgetragen, die im Büro ihrer Prozeßbevollmächtigten tätige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte M. habe wegen der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Änderung der Zivilprozeßordnung irrtümlich den Ablauf der Begründungsfrist auf 8. März 2002 im Fristenbuch notiert. Nach Rücksprache mit dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sei sie angewiesen worden, den 6. März 2002 als Fristende einzutragen. Dies habe Frau M. versehentlich unterlassen. Von einer anderen Angestellten sei am 6. März 2002 der Berufungsbegründungsschriftsatz fertig gemacht und am 7. März 2002 bei Gericht eingereicht worden. Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde, die sie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache, zur Fortbildung des Rechts und zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung für zulässig erachtet. Sie macht geltend, die in dem angefochtenen Beschluß aufgestellten Sorgfaltsanforderungen an den Rechtsanwalt seien überspannt und die besonderen Umstände des vorgetragenen Sachverhalts nicht hinreichend berücksichtigt worden.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage klärungsbedürftig ist, die sich allgemein, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - NJW 2002, 3029; Zöller /Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 543 Rdn. 11). Das ist vorliegend nicht der Fall. Zur Frage, welche Sorgfaltspflichten den Rechtsanwalt bei der Kontrolle der Rechtsmittelfristen treffen, hat sich der Bundesgerichtshof bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen geäußert. Danach hat der Rechtsanwalt bei fristgebundenen Handlungen, so auch bei der Einreichung der Berufungsbegründung bei Gericht, den Fristablauf eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der betreffenden Prozeßhandlung vorgelegt wird (Senatsbeschlüsse vom 5. März 2002 - VI ZR 286/01 - VersR 2002, 637; vom 19. Juni 2001 - VI ZB 22/01 - VersR 2001, 1400 f.; vom 4. April 2000 - VI ZR 309/99 - BRAK-Mitt 2000, 287, 288; vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632; vom 19. Februar 1991 - VI ZB 2/91 - VersR 1991, 1269,1270; vom 1. Juni 1976 - VI ZB 23/75 - VersR 1976, 962, 963 und vom 2. November 1976 - VI ZB 7/76 - VersR 1977, 255; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1980 - VII ZB 2/80 - VersR 1980, 976, 977; vom 25. März 1985 - II ZB 2/85 - VersR 1985, 552 und vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91 - VersR 1992, 1153). Ob der Rechtsanwalt die Sorgfaltsanforderungen beachtet hat, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dementsprechend hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall aufgrund der Würdigung der konkreten Einzelfallumstände einen Sorgfaltsverstoß des Klägervertreters bejaht. Eine abstrakte , der Verallgemeinerung zugängliche Rechtsfrage wirft der Fall nicht auf.
2. Auch zur Rechtsfortbildung ist eine höchstrichterliche Entscheidung nicht geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Diese ist nur erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - aaO; Zöller/Greger aaO, § 543 Rdn. 12). Die Klägerin zeigt nicht auf, daß der Fall eine verallgemeinerungsfähige rechtliche Frage aufwirft, für deren rechtliche Beurteilung eine richtungsweisende Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
a) Der von der Klägerin aufgezeigte Unterschied des dem vorliegenden Fall zugrundeliegenden Sachverhalts zu dem, der dem Senatsbeschluß vom 19. Februar 1991 (- VI ZB 2/91 - aaO) zugrunde lag, begründet keine rechtliche Divergenz. Eine solche ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers der angefochtenen Entscheidung ein Rechtssatz zugrundeliegt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz eines höherrangigen Gerichts, eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - VersR 2002, 1257 und vom 4. Juli 2002 - V ZB 75/02 - NJW 2002, 2957). Die Klägerin beruft sich auf Unterschiede in den jeweiligen Sachverhalten. Sie legt aber nicht dar, daß die angefochtene Entscheidung bei gleichgelagerten tatsächlichen Umständen ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch nicht deshalb geboten, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen zu strengen Sorgfaltsmaßstab zugrundegelegt und die besonderen Umstände nicht hinreichend berücksichtigt hätte. Zwar käme die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO in Frage, wenn der Klägerin mit der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages der Zugang zu der ihr nach der Zivilprozeßordnung eingeräumten Berufungsinstanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert würde (vgl. BVerfG 44, 302, 305 f.; 69, 381, 385; BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - aaO). Bei der Auslegung der Vorschriften über die schuldhafte Fristversäumnis und die Wiedereinsetzung dürfen deshalb die Anforderungen nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 44, aaO; 62, 334, 336; 69, aaO). Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht aber im vorliegenden Fall nicht verstoßen. Das Berufungsgericht hat zu Recht verlangt, daß der Prozeßbevollmächtigte die Frist eigenverantwortlich bei Vorlage der Handakten zur Anfertigung der Berufungsbegründung zu prüfen hatte (Senat, Beschlüsse vom 14. Januar 1997 - VI ZB 24/96 - VersR 1997, 598; vom 10. Dezember 1996 - VI ZB 16/96 - VersR 1997, 507 f. und vom 19. Januar 1991 - VI ZB 2/91 - VersR 1991, 1269). Bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Prüfungspflicht wäre der Widerspruch zwischen dem von ihm persönlich bestimmten und in den Handakten notierten und dem im Fristenkalender festgehaltenen Fristende offenkundig geworden, bevor es zu einer Fristversäumnis kommen konnte.
c) Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensverstöße gegen die richterliche Hinweispflicht zuzulassen, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sichern. Selbst wenn die Rügen der Klägerin berechtigt wären, ist nicht dargelegt, daß die Interessen der Allgemeinheit über den Einzelfall hinaus nachhaltig berührt werden, weil etwa dadurch schwer er-
trägliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen oder das Berufungsgericht in ständiger Praxis die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Hinweispflichten nicht berücksichtigt und dem Rechtsfehler deshalb eine „symptomatische“ Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - aaO). 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 111/05
vom
25. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Oktober 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 30. Mai 2005 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.000 EUR.

Gründe:

I.

1
Die Kläger haben von den Beklagten die Beseitigung von Anpflanzungen in der Nähe der Grundstücksgrenze verlangt. Die Klage ist mit Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2004 abgewiesen worden. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Kläger nach dem von ihrer Anwältin unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 19. November 2004 zugestellt worden. Die Berufungsschrift gegen das Urteil ist am 13. Dezember 2004, die Berufungsbegründung jedoch erst am 24. Januar 2005 bei dem Landgericht eingegangen. Nach richterlichem Hinweis auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist in einer am 21. März 2005 zugestellten Verfügung haben die Kläger mit dem am 4. April 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Zur Begründung haben die Kläger ausgeführt, dass das Urteil am Nachmittag des 19. November 2004, einem Freitag, zugestellt worden sei. Die bisher stets zuverlässig die Fristen notierende Angestellte Z. habe entgegen der Weisung, sogleich nach Anbringung des Eingangsstempels die Berufungsfrist und die Frist zur Begründung der Berufung zu notieren, die Eintragungen im Fristenkalender erst am kommenden Montag, dem 22. November 2004, vorgenommen und von diesem Tag ausgehend die Fristen berechnet. Die Prozessbevollmächtigte habe bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 23. November 2004 zwar die Notierung der Fristen, jedoch nicht deren Berechnung geprüft. Sie habe die Berufungsbegründung auch nicht sofort nach Vorlage der Akten nach Ablauf der auf den 18. Januar 2005 notierten Vorfrist, sondern erst am fehlerhaft notierten Tage des Ablaufes der Begründungsfrist, am Montag, dem 24. Januar 2005, gefertigt und bei Gericht eingereicht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehren und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgen.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
5
a) Die Zulassung ist aus dem Grunde der Divergenz geboten. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der mit der Anfertigung einer Berufungsbegründung beauftragte Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO (dazu: BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437) bereits am Tage der Vorlegung nach dem Ablauf einer Vorfrist vorzunehmen habe. Damit ist es von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewichen. Danach muss eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt wird, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden (BGH, Beschl. v. 27. Mai 1997, VI ZB 10/97, NJW 1997, 2825, 2826 und v. 9. März 1999, VI ZB 3/99, NJW 1999, 2048, 2049).
6
Die Versäumung der Begründungsfrist kann daher nicht deshalb als verschuldet angesehen werden, weil die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht bereits beim Ablauf der Vorfrist am 18. Januar 2005 den von der Angestellten Z. fälschlicherweise auf den 24. Januar 2005 datierten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist geprüft hat und so die am 19. Januar 2005 endende Frist für die Berufungsbegründung noch hätte wahren können. Die Entscheidung beruht auch auf der abweichenden Beantwortung der Rechtsfrage und nicht auf einer rechtsfehlerhaften Würdigung der Umstände im Einzelfall, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.
7
b) Die Rechtsbeschwerde ist wegen der aufgezeigten Divergenz zulässig , auch wenn sie - wie sogleich ausgeführt - wegen Nichteinhaltung der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO keinen Erfolg haben kann. Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das zur Sachentscheidung führt. Die Zulässig- keit des Rechtsmittels hängt nicht davon ab, ob es begründet ist oder nicht (Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist indes schon deshalb unbegründet, weil die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist daher im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen worden.
9
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage , an dem das Hindernis behoben ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Versäumung der Frist hätte erkannt werden müssen, also der Irrtum darüber nicht mehr unverschuldet war (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1989, I ZB 3/89, NJW-RR 1990, 379, 380 und v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934, 935). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hätte hier nicht erst mit Zustellung des richterlichen Hinweises vom 16. März 2005, am 21. März 2005, sondern spätestens am 24. Januar 2005 der Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt werden müssen. Die Anwältin hatte bei der Anfertigung der Begründungsschrift selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob die von ihrer Angestellten Z. eingetragene Frist richtig berechnet worden war (BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437 - st. Rspr. des BGH). Hätte sie dies getan, so wäre ihr auch aufgefallen, dass die Frist für die Berufungsbegründung bereits am 19. Januar 2005 abgelaufen war. Damit begann auch die Frist für die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 2 ZPO zu laufen (BGH, Beschl. v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934, 935), die somit am 7. Februar 2005 ablief.
10
Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 4. April 2005 war daher verspätet und schon aus diesem Grunde als unzulässig zu verwerfen.

III.


11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewerts aus § 3 ZPO. Krüger Klein Lemke Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Dippoldiswalde , Entscheidung vom 12.11.2004 - 3 C 125/04 -
LG Dresden, Entscheidung vom 30.05.2005 - 7 S 717/04 -

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 270/04
vom
9. November 2005
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. November 2004 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 2.740 €.

Gründe:


I.

1
Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin Trennungsunterhalt zu zahlen. Gegen das ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 30. Juni 2004 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004, beim Oberlandesgericht eingegangen am 14. Juli 2004, Berufung eingelegt. Eine Begründung des Rechtsmittels ist bis zum Ablauf der bis zum 20. September 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist nicht eingegangen. Am 13. Oktober 2004 hat er - per Telefax - eine Berufungsbegründung eingereicht, in der als Datum der 16. September 2004 angegeben ist. Gleichzeitig hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen: Die Überwachung von Notfristen sei im Büro seiner Rechtsanwältin so organisiert, dass die zuständige Bürovorsteherin B. mit der Zusendung der eingehenden Post die Rechtsmittelfristen oder andere Fristen vermerke und den Vorgang an die zuständige Büroangestellte weiterleite. Diese Fristen würden ebenfalls im Fristenkalender und zusätzlich im Computer jeweils mit Vorfrist und Fristablauf notiert. Zusätzlich werde eine Eintragung der Frist im Kalender der jeweiligen Handakte vorgenommen. Bei Ablauf der Vorfrist werde die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mit einem auffälligen Vermerk vorgelegt. Am Morgen des Fristablaufs werde die Sache auf Erledigung überprüft und, wenn sie noch nicht erledigt sei, noch einmal mit einem auffälligen Aufkleber "heute Fristablauf" in der gleichen Weise vorgelegt. Zum Büroschluss werde weiter kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht. Die Eintragung und die Kontrolle der Fristen obliege der Bürovorsteherin B. Im vorliegenden Fall habe sie zwar richtig die Vor- und Hauptfrist notiert, doch versehentlich die Frist vom 20. September 2004 gestrichen, obwohl sie nicht kontrolliert habe, ob die Berufungsbegründungsschrift fristgerecht abgesandt worden sei. Diese sei nach dem Diktat am 16. September 2004 gefertigt und in die normale Post gegeben , jedoch nicht sicherheitshalber per Telefax versandt worden. Die Bürovorsteherin habe nach der Fertigung des Schriftsatzes eine Abschrift in der Akte abgeheftet, das Original zur Post gegeben und den Fristablauf vom 20. September bereits am 16. September gestrichen, obwohl nicht sichergestellt gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsschrift auch am 20. September 2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangen sei.
3
Zur Glaubhaftmachung des tatsächlichen Ablaufs hat der Beklagte eine eidesstattliche Versicherung der Bürovorsteherin B. vorgelegt, in der es hinsichtlich der Büroorganisation heißt, der Bürovorsteherin seien die Vorschriften der Kanzlei über die Behandlung von Fristen bekannt.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

5
Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 der Bestimmung nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
7
a) Die Voraussetzungen der ersten beiden Alternativen liegen hier nicht vor.
8
b) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich, wenn das Berufungsgericht bei der Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen ist. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung indessen nicht.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten , durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschlüsse vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1 und vom 22. Oktober 1986 - IVb ZB 89/86 - BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelbegründung 1; BGH Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 13). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
10
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei nicht auszuschließen, dass die Fristversäumung auf einer fehlenden wirksamen Ausgangskontrolle hinsichtlich fristwahrender Schriftsätze in der vom Beklagten beauftragten Rechtsanwaltskanzlei beruhe. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
11
Der Beklagte hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist weder von ihm selbst noch von seinem Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verschuldet worden ist. Dass die Fristen- und insbesondere die Ausgangskontrolle in dem Büro der erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten in einer den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Weise organisiert waren, lässt sich der eidesstattlichen Versicherung der Bürovorsteherin B. nicht entnehmen. Denn in dieser werden die diesbezüglichen Vorschriften der Kanz- lei nicht im Einzelnen dargelegt. Damit kann nach den allein glaubhaft gemachten Tatsachen aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Fristversäumnis verhindert worden wäre, wenn eine wirksame Ausgangskontrolle bestanden hätte.
Hahne Sprick Weber-Monecke Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Herne-Wanne, Entscheidung vom 08.06.2004 - 3 F 404/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.11.2004 - 3 UF 332/04 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)