Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - VI ZR 176/13

bei uns veröffentlicht am15.07.2014
vorgehend
Landgericht Augsburg, 73 O 1230/11, 25.07.2012
Oberlandesgericht München, 24 U 3413/12, 12.03.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR176/13
vom 15. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2014 durch den Vorsitzenden
Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, den
Richter Pauge und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. März 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der auf einen Behandlungsfehler gestützten Klage zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 25.550 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt den Beklagten, soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Der am 17. Mai 1940 geborene Kläger hatte sich bei einem Sturz am 9. August 2008 einen Bänderriss im Knie in Form einer "Unhappy-Triad-Verletzung" im rechten Knie zugezogen. Am 10. September 2008 wurde eine Arthroskopie mit arthroskopischer Innenmeniskus-Hinterhornresektion, Außenmeniskus-Totalresektion , VKB-Stumpfresektion, Spülung und Drainageeinlage durchgeführt. Am 18. Dezember 2008 setzte der beklagte Facharzt für orthopädische Chirurgie dem Kläger eine teilzementierte Doppelschlittenprothese ein. Die Operation als solche erfolgte lege artis. Wegen Restschmerzen und eines Instabilitätsgefühls im rechten Knie wurde am 20. Juli 2009 in einem anderen Krankenhaus ein Prothesenwechsel auf eine teilzementierte, stehend gekoppelte Doppelschlittenprothese mit Patellaersatz vorgenommen. Der Kläger macht geltend, eine Prothese sei nicht indiziert gewesen. Wegen der Instabilität seines Knies habe vielmehr eine Bandplastik durchgeführt werden müssen. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2012 hat der Kläger zusätzlich geltend gemacht, er habe jedenfalls statt mit einer ungekoppelten mit einer gekoppelten oder teilgekoppelten Prothese versorgt werden müssen, da nur mit einer solchen die erforderliche Stabilität des Knies erreicht werden könne. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und nach Anhörung des Gutachters in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2012 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

2
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
3
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers, ihm habe nach erfolglosem Versuch einer Rekonstruktion des gerissenen Bandes statt einer Doppelschlittenprothe- se eine gekoppelte/teilgekoppelte Prothese eingesetzt werden müssen, unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat den Anwendungsbereich dieser Bestimmung verkannt. § 531 Abs. 2 ZPO regelt allein die Frage, unter welchen Voraussetzungen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz zuzu- lassen sind. Das vom Berufungsgericht zurückgewiesene Vorbringen des Klägers war aber nicht neu im Sinne dieser Bestimmung. Neu ist ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, wenn es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht vorgebracht worden und daher im erstinstanzlichen Urteil unberücksichtigt geblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2004 - V ZR 107/03, NJW 2004, 2382 Rn. 10). Gleiches gilt für Vorbringen, das einen sehr allgemein gehaltenen bzw. nur angedeuteten Vortrag im ersten Rechtszug erstmals substantiiert (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245 Rn. 21 mwN). Dies trifft auf den vom Berufungsgericht nicht zugelassenen Vortrag des Klägers, bei ihm habe nach erfolglosem Versuch einer Rekonstruktion des gerissenen Bandes anstelle einer Doppelschlittenprothese eine gekoppelte (teilgekoppelte) Prothese eingesetzt werden müssen, nicht zu. Diesen Vortrag hat der Kläger nämlich ausweislich des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gebracht. Das Landgericht hat das Vorbringen nicht als verspätet zurückgewiesen, sondern den Sachverständigen dazu befragt und sich mit dem Vorbringen in seinem Urteil sachlich auseinandergesetzt. Bei dieser Sachlage war für eine Zurückweisung des Vortrags des Klägers auf der Grundlage des § 531 Abs. 2 ZPO kein Raum.
4
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Zurückweisung des Vorbringens in seinem Zurückweisungsbeschluss ergänzend auch auf die Bestimmung des § 296 Abs. 1, § 282 Abs. 1 ZPO gestützt und dem Kläger zum Vorwurf gemacht, den von ihm angenommenen ärztlichen Fehler erstinstanzlich nicht zu einem früheren Zeitpunkt geltend gemacht zu haben. Das Berufungsgericht hat dabei verkannt, dass das im Rechtszug übergeordnete Gericht eine von der Vorinstanz unterlassene Zurückweisung nicht nachholen darf. § 531 Abs. 1 ZPO erlaubt es nach seinem klaren Wortlaut dem Berufungsgericht lediglich zu überprüfen, ob eine Zurückweisung von Vorbringen in erster Instanz zu Recht vorgenommen worden ist. Die Entscheidung darüber, ob im ersten Rechtszug vorgetragene Angriffs- und Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden können, obliegt allein dem Richter dieses Rechtszuges und kann deswegen nicht vom Rechtsmittelgericht nachträglich vorgenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2006 - IV ZR 56/05, BGHZ 166, 227 Rn. 12, 16 mwN).
5
Soweit das Berufungsgericht dem Kläger vorwirft, er habe die von ihm erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Operationsalternative der Einbringung einer nicht/teilgekoppelten Prothese statt einer ungekoppelten bereits in der Klageschrift oder spätestens nach Zugang des Sachverständigengutachtens geltend machen müssen, berücksichtigt es darüber hinaus die ständige Senatsrechtsprechung nicht, wonach an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen. Vom Patienten kann keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden, weshalb er sich auf den Vortrag beschränken darf, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Die Partei ist insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02, Rn. 7).
6
b) Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berück- sichtigung des Vorbringens des Klägers zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass vor der Implantation einer Prothese eine Rekonstruktion des gerissenen Bandes geboten oder jedenfalls - statt der Einbringung einer ungekoppelten Prothese - von vornherein die Implantation einer gekoppelten/teilgekoppelten Prothese indiziert war.
7
Der angefochtene Beschluss beruht auch nicht auf zwei selbständig tragenden Begründungen, für die jeweils ein Zulassungsgrund hätte dargelegt werden müssen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. September 2005 - IX ZB 430/02, NJW-RR 2006, 142 zu § 575 ZPO; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 544 Rn. 17 a.E.). Zwar hat das Berufungsgericht ergänzend ausgeführt, dass auch der nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils von der Klägerin beauftragte Sachverständige Prof. Dr. W. die prothetische Versorgung lediglich als zweite Wahl angesehen habe, so dass es erneut auf die Frage einer Bandrekonstruktion oder die vom Beklagten eingesetzte Prothetik hinauslaufe; dazu habe sich der Gerichtssachverständige aber geäußert. Dieser Zusatz ist aber offensichtlich nicht geeignet, die Zurückweisung der Berufung zu tragen. Das Berufungsgericht hat den gesamten, durch das Privatgutachten des Prof. Dr. W. belegten Vortrag des Klägers, ihm habe nach erfolglosem Versuch einer Rekonstruktion des gerissenen Bandes von vornherein statt einer Doppelschlittenprothese eine gekoppelte/teilgekoppelte Prothese eingesetzt werden müssen, im Berufungsrechtszug nicht zugelassen. Es hat den Vortrag des Klägers damit sowohl insoweit nicht zugelassen, als dieser seinen bereits erstinstanzlich gebrachten Vorwurf vertieft hat, es habe keine Indikation für die sofortige Implantation einer Prothese bestanden, vielmehr habe erst eine Bandrekonstruktion vorgenommen werden müssen, als auch soweit er vorgetragen hatte, aufgrund der Instabilität seines Kniegelenkes sei jedenfalls von vornherein allein eine gekoppelte oder teilgekoppelte, nicht hingegen eine ungekoppelte Prothese indiziert gewesen. Die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. W. standen in Wider- spruch zu den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen. Diese - zwischen der in der Berufungsinstanz überreichten Stellungnahme des Privatsachverständigen und den Angaben des erstinstanzlich tätigen gerichtlichen Sachverständigen - bestehenden Widersprüche konnte das Berufungsgericht offensichtlich nicht durch den bloßen Hinweis auflösen, zu der Frage einer Bandrekonstruktion und der vom Beklagten eingesetzten Prothetik habe sich der Gerichtssachverständige erstinstanzlich bereits geäußert (vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, NJW-RR 2014, 760 Rn. 12 mwN). Galke Wellner Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 25.07.2012 - 73 O 1230/11 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 12.03.2013 - 24 U 3413/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - VI ZR 176/13

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 107/03 Verkündet am:
2. April 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sind bei einem durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vertrag mehrere
Personen Vertragspartner des Vertretenen, so müssen sie, sofern sich aus ihrem Innenverhältnis
nichts anderes ergibt, sämtlich an einer Aufforderung nach § 177 Abs. 2 Satz 1
BGB mitwirken.
ZPO (2002) § 531 Abs. 2
Das Berufungsgericht darf auch nach einer Zurückverweisung der Sache neue Angriffsund
Verteidigungsmittel nur in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO zulassen. Ist von dem
Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 531 Abs. 2 ZPO zugelassener Tatsachenvortrag
(Ausgangsvortrag) unschlüssig, muß das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung
ergänzendes, zur Schlüssigkeit des Ausgangsvortrags führendes Parteivorbringen
auch dann unberücksichtigt lassen, wenn die Partei vor der Zurückverweisung keine Gelegenheit
erhalten hatte, ihren Ausgangsvortrag zu ergänzen.
BGH, Urt. v. 2. April 2004 - V ZR 107/03 - Brandenburgisches OLG
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Februar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Kaufvertrag vom 25. Juni 1992, mit dem sie von der beklagten LPG i.L. verschiedene Gebäude (Lagerhallen, Garagen und Siloanlagen) erworben und sich wegen des Kaufpreises von 750.000.- DM der sofortigen Zwangsvollstrekkung unterworfen haben.
Liquidatoren der Beklagten waren Rechtsanwalt B. der und Steuerberater E. . Das Genossenschaftsregister wies diese als jeweils alleinvertretungsberechtigt aus. Der Vertrag vom 25. Juni 1992 wurde auf Seiten der Beklagten von H. P. , handelnd als vollmachtloser Vertreter des Liquidators E. , abgeschlossen. Nach Vertragsschluß leisteten die Kläger die ersten beiden Kaufpreisraten in Höhe von 75.000.- DM und 150.000.- DM an E. , welcher sie an die Beklagte weiterleitete. Im August 2001 legte E. sein Amt als Liquidator nieder. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 2. Mai 2002 genehmigte der Liquidator B. den Vertrag für die Beklagte. Wegen des Restkaufpreises von 525.000.- DM hat die Beklagte im Dezember 2000 die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger eingeleitet. Diese haben ihre Vollstreckungsgegenklage zunächst darauf gestützt, daß die Kaufpreisforderung der Beklagten durch weitere Zahlungen an E. , für den sie die Gebäude nebst dazugehöriger Grundstücke als Treuhänder erworben hätten , erfüllt worden sei. Sie behaupten ferner, der Verkehrswert der Gebäude liege deutlich unter der Hälfte des Kaufpreises, so daß der Kaufvertrag sittenwidrig sei. Mit einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingereichten Schriftsatz vom 17. April 2002 haben die Kläger außerdem geltend gemacht, der Kaufvertrag sei nach § 177 Abs. 2 BGB unwirksam, da E. mit Schreiben des Klägers zu 2 vom 8. September 1992 erfolglos zur Genehmigung des Vertrags aufgefordert worden sei. In der Revisionserwiderung berufen sich die Kläger zusätzlich auf einen Widerruf des Kaufvertrags nach § 178 BGB, den sie in ihrem Schriftsatz vom 17. April 2002, jedenfalls aber in ihrer Berufungsbegründung sehen, und darauf stützen, daß der Kauf-
vertrag auch der Genehmigung des Liquidators B. bedurft habe, weil die Liquidatoren nur zur Gesamtvertretung berechtigt gewesen seien.
Die Beklagte, die die Existenz des Schreibens vom 8. September 1992 und dessen Zugang bei E. erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bestritten hat, tritt der Vollstreckungsgegenklage entgegen und macht im Wege der Widerklage Zinsansprüche aus der Kaufpreisforderung geltend.
Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Kläger hin der Klage stattgegeben und die Berufung der Beklagten zur Widerklage zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge auf Klageabweisung und zur Widerklage weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, der Kaufvertrag sei unwirksam , weil er zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung beider, nach § 85 Abs. 1 Satz 2 GenG nur zur Gesamtvertretung befugten Liquidatoren bedurft habe. Zwar erfordere die Gesamtvertretung kein gemeinsames Handeln der Vertreter. Bei zeitlich gestaffeltem Handeln müsse der zuerst tätig gewordene Vertreter zum Zeitpunkt der Genehmigung des zweiten Gesamtvertreters an seiner Willenserklä-
rung jedoch noch festhalten. Daran fehle es hier. B. den habe Vertrag im Mai 2002 zwar genehmigt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Zustimmung durch E. aber nach § 177 Abs. 2 BGB als verweigert gegolten, da er von dem Kläger zu 2 mit Schreiben vom 8. September 1992 erfolglos zur Genehmigung des Vertrags aufgefordert worden sei. Daß die Kläger hierzu erst nach Schluß der erstinstanzlichen Verhandlung vorgetragen hätten, hindere die Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsinstanz nicht. Der Vortrag sei nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, weil das Landgericht es versäumt habe, die Beklagte zu ergänzenden Angaben hinsichtlich ihrer Vertretung und zur Genehmigung anzuhalten. Das auf das Aufforderungsschreiben bezogene Bestreiten der Beklagten sei demgegenüber verspätet und deshalb nicht zu berücksichtigen (§§ 530, 296 Abs. 1 ZPO).

II.


Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revisio n, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Kläger, E. sei mit Schreiben vom 8. September 1992 erfolglos aufgefordert worden, den Kaufvertragabschluß vom 25. Juni 1992 zu genehmigen, unberücksichtigt lassen müssen. Das gilt unabhängig davon, ob das Vorbringen im Hinblick auf die Vollstreckungsgegenklage als neuer Sachvortrag im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO oder, weil es sich um eine weitere Einwendung gegen den titulierten Anspruch handelt, als Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO zu qualifizieren ist (ebenfalls offen gelassen in BGH, Urt. v. 17. April 1986, III ZR 246/84, NJW-RR 1987, 59; für
das Vorliegen einer Klageänderung BGHZ 45, 231; RGZ 55, 101; OLG Celle, MDR 1963, 932; OLG Köln, OLGR 1998, 186; OLG Köln, NJW-RR 1999, 1509; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 767 Rdn. 20 und 41; Schuschke/Walker, Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 767 Rdn. 12; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rdn. 17; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 767 Rdn. 22; Geißler, NJW 1985, 1865, 1868; dagegen Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rdn. 54; MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, 2. Aufl., § 767 Rdn. 42; ders., JR 1992, 89, 91 f.). In beiden Fällen unterliegt die Zulassung des neuen Vortrags nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

a) Ist von ergänzendem Sachvortrag auszugehen, richtet sich seine Zulassung , wie von dem Berufungsgericht angenommen, nach § 531 Abs. 2 ZPO. Die Behauptung, E. sei im September 1992 zur Genehmigung des Kaufvertrags aufgefordert worden, war in der Berufungsinstanz neu, obwohl die Kläger sie bereits in einem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 17. April 2002 aufgestellt hatten. Neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist ein Angriffsmittel , wenn es bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht vorgebracht worden und daher im erstinstanzlichen Urteil gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt geblieben ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 531 Rdn. 22). Das trifft auf das Vorbringen der Kläger zu, da der Schriftsatz vom 17. April 2002 zu Recht keinen Eingang in die erstinstanzliche Entscheidung gefunden hat, nachdem die ihr zugrunde liegende mündliche Verhandlung am 14. März 2002 ohne Schriftsatznachlaß geschlossen worden war.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lagen die für die Zulassung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Das Schreiben des Klägers zu 2 vom
8. September 1992 betraf weder einen von dem erstinstanzlichen Gericht übersehenen Gesichtspunkt (Nr. 1) noch hat das Landgericht in diesem Zusammenhang einen nach § 139 ZPO erforderlichen Hinweis unterlassen (Nr. 2).
Dabei kann dahinstehen, ob das Landgericht - wie das Berufungsgericht meint - gehalten war, die Beklagte zu ergänzenden Angaben über ihre Vertretungsverhältnisse anzuhalten. Denn der neue Sachvortrag der Kläger bezieht sich nicht auf die Vertretungsverhältnisse der Beklagten, sondern darauf, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, die für und gegen E. als Liquidator - sei er alleinvertretungsberechtigt oder nicht - wirkt.
An Letzterem zu zweifeln hatte das Landgericht keinen Gr und. Es konnte nach dem unstreitigen Vorbringen der Kläger davon ausgehen, daß E. den Vertragsschluß durch P. genehmigt hatte (§ 177 Abs. 1 BGB). Nach § 182 Abs. 2 BGB bedurfte die Genehmigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Diese Vorschrift gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch für die Genehmigung eines gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. formbedürftigen Rechtsgeschäfts (Senat, BGHZ 125, 218). Damit war eine Erteilung der Genehmigung durch E. auch durch schlüssiges Verhalten möglich. Sie konnte von dem Landgericht darin gesehen werden, daß E. Zahlungen der Kläger auf den Kaufvertrag, nämlich die ersten beiden Raten von 75.000.DM und 150.000.- DM, zur Weiterleitung an die Beklagte entgegengenommen und damit ihnen gegenüber zu erkennen gegeben hatte, daß der Vertrag durchgeführt werden sollte. Näherer Vortrag der Beklagten zu der Genehmigung der Erklärung P. war damit entbehrlich. Anhaltspunkte dafür, daß E. den Vertrag zu diesem Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr genehmigen konnte, weil er von den Klägern zuvor erfolglos aufgefordert worden war,
sich über die Genehmigung zu erklären (§ 177 Abs. 2 BGB), waren für das Landgericht nicht ersichtlich, ein entsprechender Hinweis nach § 139 Abs. 1 ZPO damit nicht veranlaßt.
bb) Die fehlerhafte Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO bleibt in der Revisionsinstanz allerdings folgenlos. Die der Rechtsprechung zu der Vorgängerregelung über die Präklusion neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz (§ 528 ZPO a.F.) zugrunde liegenden Überlegungen führen auch für § 531 Abs. 2 ZPO n.F. zu dem Ergebnis, daß die fehlerhafte Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrags durch das Berufungsgericht mit der Revision nicht geltend gemacht werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 22. Januar 2004, V ZR 187/03, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das Berufungsgericht soll das erstinstanzliche Urteil in erster Line mit dem Ziel der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung überprüfen und deshalb neuen Tatsachenvortrag nur in besonderen Ausnahmefällen berücksichtigen. Dieses Ziel läßt sich nicht mehr erreichen, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen entgegen § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen hat. Auch in diesem Fall besteht daher kein Grund, den in der Berufung bereits berücksichtigten Sachvortrag nachträglich wieder auszuscheiden und damit eine Entscheidung in Kauf zu nehmen, die dem wahren Sachverhalt nicht in jeder Hinsicht entspricht, es sei denn, das Berufungsgericht hätte, was hier ausscheidet, willkürlich gehandelt (vgl. BVerfGE 3, 359, 365).

b) Sofern das Nachschieben einer Einwendung im Rahmen einer Zwangsvollstreckungsgegenklage als Klageänderung zu qualifizieren ist, scheitert eine revisionsrechtliche Nachprüfung zwar nicht notwendig daran, daß die Zulassung einer Klageänderung der Anfechtung grundsätzlich entzogen ist (§ 268 ZPO). Hat das erkennende Gericht den Gesichtspunkt einer Klageände-
rung nämlich übersehen und der Klage stattgegeben, ohne über die Zulässigkeit ihrer Änderung zumindest stillschweigend zu befinden, so soll die Möglichkeit eröffnet sein, den Verfahrensfehler zu rügen und ihn in der Rechtsmittelinstanz zu korrigieren (so MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 268 Rdn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 268 Rdn. 1; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 268 Rdn. 2). Ob eine solche Rüge hier als erhoben angesehen werden kann (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO), ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung. Begründet wäre sie nur, wenn die unter Verstoß gegen § 533 Nr. 2 in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO erfolgte Zulassung einer auf neues Vorbringen gestützten Klageänderung revisionsrechtlich nachprüfbar wäre. Das ist jedoch aus den vorstehend unter II. 1. a) bb) aufgeführten Erwägungen, die insoweit entsprechend gelten, nicht der Fall.
2. Erfolg hat die Revision indessen, soweit sie die Anwe ndung materiellen Rechts betrifft. Die - sowohl für den Erfolg der Vollstreckungsgegenklage als auch für die Abweisung der Widerklage maßgebliche - Auffassung des Berufungsgerichts , der Kaufvertrag sei mangels fristgerecht erteilter Genehmigung des LiquidatorsE nach § 177 Abs. 2 BGB unwirksam, wird von seinen Feststellungen nicht getragen.

a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daß eine fehlende Genehmigung der von P. abgegebenen Erklärungen durch E. im Fall einer wirksamen Aufforderung der Kläger nach § 177 Abs. 2 BGB dazu geführt hätte, daß der Kaufvertrag nicht zustande gekommen wäre. Nach Fristablauf hätte die Genehmigung als endgültig verweigert gegolten (§ 177 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB). Die bis dahin schwebende Unwirksamkeit des Kaufvertrags hätte sich in eine endgültige, keiner
nachträglichen Genehmigung mehr zugänglichen Unwirksamkeit umgewandelt. Der hilfsweise vorgetragene Einwand der Revision, der Kaufvertrag sei spätestens durch die von B. erteilte Genehmigung vom 2. Mai 2002 wirksam geworden, könnte dann keinen Erfolg haben, ohne daß es noch darauf ankäme , ob die Liquidatoren ursprünglich zur Einzelvertretung oder lediglich zur Gesamtvertretung befugt waren.

b) Jedoch konnte das Berufungsgericht allein auf der Gru ndlage des Schreibens des Klägers zu 2 vom 8. September 1992 nicht davon ausgehen, daß E. wirksam zur Erteilung der Genehmigung im Sinne des § 177 Abs. 2 BGB aufgefordert worden ist.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift obliegt die Zuständ igkeit zur Aufforderung dem "anderen Teil", also dem Vertragsgegner des Vertretenen. Besteht er aus mehreren Personen, so müssen diese sämtlich an der Aufforderung mitwirken, wenn sich nicht aus deren Innenverhältnis, beispielsweise aufgrund bestehender Vertretungsmacht, etwas anderes ergibt (so zu dem in § 1829 Abs. 2 BGB geregelten Parallelfall der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung KGJ 36, A 160; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1829 Rdn. 19; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Aufl., § 1829 Rdn. 7; MünchKomm -BGB/Wagenitz, 4. Aufl., § 1829 Rdn. 27; Soergel/Zimmermann, BGB; 13. Aufl., § 1829 Rdn. 14; Staudinger/Engler, BGB [1999], § 1829 Rdn. 35; Dölle , Familienrecht, S. 800; Huken, DNotZ 1966, 388, 392 f.; vgl. im übrigen zur Zuständigkeit einer Erbengemeinschaft bei der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 326 BGB a.F. Senat, BGHZ 143, 41, 45).
Aus dem Innenverhältnis der Kläger ergeben sich keine Um stände, die eine Mitwirkung der Klägerin zu 1 an der Aufforderung verzichtbar erscheinen lassen. Die Kläger wollten die vertragsgegenständlichen Gebäude zu Miteigentum erwerben. Damit stand ihnen auch der im Kaufvertrag begründete Übereignungsanspruch gem. §§ 432, 741 BGB in Bruchteilsgemeinschaft zu (BGH, Urt. v. 3. November 1983, IX ZR 104/82, NJW 1984, 795, 796; BayObLGZ 1992, 131, 136; MünchKomm-BGB/K. Schmidt, § 741 Rdn. 20; vgl. im übrigen zu "Hausherstellungsverträgen" BGHZ 94, 117, 119). Nach den für die Bruchteilsgemeinschaft maßgeblichen Regeln war die Mitwirkung der Klägerin zu 1 erforderlich, da die Aufforderung nach § 177 Abs. 2 BGB eine Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand darstellt (Huken, aaO; zur Fristsetzung nach § 326 BGB a.F. vgl. Senat BGHZ 143, 41, 45; BGHZ 114, 360, 366), eine solche aber nur durch die Teilhaber gemeinschaftlich erfolgen kann (§ 747 Satz 2 BGB). Nur eine gemeinschaftliche Zuständigkeit steht im übrigen auch im Einklang mit dem Rechtsgedanken des § 356 BGB a.F. (§ 351 BGB n.F.), der im Falle des Rücktrittsrechts die Kompetenz zur Auflösung des Vertrags ebenfalls der Gesamtheit der Mitglieder einer Vertragspartei zuordnet (vgl. KG, aaO). Enthält das Aufforderungsschreiben des Klägers zu 2 somit keine wirksame Aufforderung im Sinne des § 177 Abs. 2 BGB, kommt es auf das Bestreiten des Zugangs dieses Schreibens durch die Beklagte nicht an.

c) Ergänzend sei allerdings darauf hingewiesen, daß das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten nicht ohne weiteres als verspätet zurückweisen durfte. Solange die Kläger keinen Beweis dafür angeboten hatten, daß das Schreiben vom 8. September 1992 E. zugegangen war, verursachte es jedenfalls keine Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne der §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO. Erforderlichenfalls wäre den Klägern hierzu eine Schriftsatzfrist
einzuräumen gewesen (§ 283 ZPO). Daß die Kläger es unterlassen haben, den nach § 283 ZPO erforderlichen Antrag zu stellen, stand dem nicht entgegen. Denn die von verspätetem Vorbringen überraschte Partei kann das Gericht auf diese Weise nicht zu dessen Zurückweisung zwingen (vgl. BVerfG NJW 1980, 277; BGHZ 94, 195, 214).
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch n icht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revisionserwiderung, der Kaufvertrag sei nach § 178 BGB aufgelöst worden, weil er der Genehmigung beider Liquidatoren bedurft habe und vor der Genehmigung durch den Liquidator B. von den Klägern widerrufen worden sei. Dabei bedarf es auch in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob die Liquidatoren der Beklagten nur gesamtvertretungsberechtigt waren. Im Fall der Gesamtvertretung reicht es aus, daß ein Vertreter bei Abschluß des Rechtsgeschäfts für den Vertretenen formgerecht mitgewirkt und der andere Gesamtvertreter das Geschäft nachträglich formlos genehmigt hat, sofern der erste Vertreter im Zeitpunkt der Genehmigung noch an seiner Willenserklärung festhält (BGH, Urt. v. 16. November 1987, II ZR 92/87, NJW 1988, 1199, 1200; Urt. v. 14. Juni 1976, III ZR 105/74, WM 1976, 1053, 1054; Urt. v. 10. März 1959, VIII ZR 44/58, LM § 164 Nr. 15).
Nach diesen Grundsätzen scheitert eine Vertragsauflösung g emäß § 178 BGB jedenfalls daran, daß der Kaufvertrag zum Zeitpunkt eines möglichen Widerrufs, den die Kläger entweder im Schriftsatz vom 17. April 2002 oder aber spätestens in der Berufungsbegründung vom 19. Juli 2002 sehen,
durch den zweiten Liquidator B. bereits genehmigt und damit wirksam zustande gekommen war. Eine konkludente Genehmigung durch B. könnte bereits in den von der Beklagten unter seiner Mitwirkung Ende 2000 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Kläger liegen; spätestens ist sie für die Kläger im Rahmen der von ihnen mit der Klageschrift eingereichten vorprozessualen Korrespondenz (Anlage K 10, K 11) zwischen ihrem Prozeßbevollmächtigten und B. deutlich geworden. Anhaltspunkte dafür, daß E. , der damals noch Liquidator der Beklagten war, im Zeitpunkt der Genehmigung an dem Kaufvertragsabschluß nicht mehr festhielt, sind von dem Berufungsgericht nicht festgestellt worden.
4. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht nur möglich, wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt hat und beachtlicher neuer Sachvortrag nicht mehr zu erwarten ist (Senat, BGHZ 46, 281, 284). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

a) Allerdings ist ergänzender Vortrag der Kläger zur Wirksamkeit der Aufforderung vom 8. September 1992 nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nicht mehr möglich. Zwar ist die fehlende Mitwirkung der Klägerin zu 1, soweit ersichtlich, in der Berufungsinstanz nicht erörtert worden , so daß die Kläger bislang keine Möglichkeit hatten, zu diesem Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Jedoch darf das Berufungsgericht auch nach einer Zurückverweisung der Sache neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO zulassen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 563 Rdn. 6). Wie vorstehend unter II. 1. a) aa) ausgeführt, hätte bei richtiger Verfahrensweise schon das bisherige Vorbringen
der Kläger zu der Genehmigungsaufforderung unberücksichtigt bleiben müssen. Für ergänzenden Vortrag zu diesem Komplex gilt dies in gleicher Weise; auch an seiner Zulassung ist das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO gehindert.
Daß die fehlerhafte Zulassung neuen Vortrags durch das Berufungsgericht in der Revisionsinstanz nicht korrigiert werden kann (vgl. vorstehend II. 1. a) bb), führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach einer Zurückverweisung der Sache bleiben nur die Feststellungen verwertbar, die das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage des neuen Vorbringens - verfahrensfehlerhaft - getroffen hat. Erweist sich dieser Vortrag, wie hier, in der Revisionsinstanz als unschlüssig, so kann er in der erneuten Entscheidung des Berufungsgerichts schon aus Gründen des materiellen Rechts keine Berücksichtigung finden (§ 563 Abs. 2 ZPO). Ließe das Berufungsgericht in diesem Fall nach einer Zurückweisung ergänzenden Sachvortrag zu, so handelte es sich nicht nur um eine Auswirkung des ursprünglichen, in der Revisionsinstanz folgenlos gebliebenen Verfahrensfehlers, sondern um einen erneuten Verstoß des Berufungsgerichts gegen die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO.

b) Der Rechtsstreit ist aber nicht zur Endentscheidung rei f, weil die Kläger weitere Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhoben haben, zu denen das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - noch nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Feststellungen fehlen insbesondere zu dem für die Anwendung des § 138 BGB maßgeblichen Wert der veräußerten Gebäude zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu den von den Klägern behaupteten Zahlungen auf den Restkaufpreis (§ 362 Abs. 1 BGB).
5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs.1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 199/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa, I; ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Nr. 3

a) Auch nach der Reform der Zivilprozeßordnung dürfen beim Vortrag zu medizinischen
Fragen im Arzthaftungsprozeß an den Vortrag zu Einwendungen gegen ein
Sachverständigengutachten ebenso wie an den klagebegründenden Sachvortrag
nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

b) Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen
Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

c) Läßt das Berufungsgericht fehlerhaft Vorbringen nicht zu, weil es zu Unrecht dieses
für neu hält oder Nachlässigkeit bejaht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), so kann es
sich nicht auf die Bindung an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen berufen,
wenn die Berücksichtigung des Vorbringens zu Zweifeln im Sinne von § 529 Abs.
1 Nr. 1 ZPO hätte führen müssen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über ein
Taubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.
14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.

III.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative auf
die Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 199/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa, I; ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Nr. 3

a) Auch nach der Reform der Zivilprozeßordnung dürfen beim Vortrag zu medizinischen
Fragen im Arzthaftungsprozeß an den Vortrag zu Einwendungen gegen ein
Sachverständigengutachten ebenso wie an den klagebegründenden Sachvortrag
nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

b) Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen
Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

c) Läßt das Berufungsgericht fehlerhaft Vorbringen nicht zu, weil es zu Unrecht dieses
für neu hält oder Nachlässigkeit bejaht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), so kann es
sich nicht auf die Bindung an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen berufen,
wenn die Berücksichtigung des Vorbringens zu Zweifeln im Sinne von § 529 Abs.
1 Nr. 1 ZPO hätte führen müssen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über ein
Taubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.
14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.

III.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative auf
die Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 203/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Für die Prüfung der Voraussetzungen einer medizinischen Indikation im Sinne des
§ 218a Abs. 2 StGB für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch macht die
"nach ärztlicher Erkenntnis" gebotene Prognose regelmäßig die Einholung eines
Sachverständigengutachtens erforderlich.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Mutter einer am 10. September 1997 mit einer schweren Fehlbildung - einer offenen Wirbelsäule (Spina bifida) im lumbosacralen Bereich - geborenen Tochter. Sie nimmt den beklagten Arzt auf Schmerzensgeld sowie auf Unterhalt für ihre Tochter mit der Begründung in Anspruch, dieser habe bei den von ihm seit dem 6. Mai 1997 ab der 19. Schwangerschaftswoche durchgeführten Sonographien pflichtwidrig die Fehlbildung des Kindes nicht erkannt, weshalb eine Abtreibung unterblieben sei. Diese wäre gerechtfertigt gewesen, um die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung insbesondere des seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren wegen behandlungsbedürftiger Depressionen abzuwenden.
Das Landgericht hat der Klage unter Klageabweisung im übrigen teilweise stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld, Unterhaltsbedarf und Betreuungsaufwand verurteilt sowie festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtlichen zukünftigen Unterhaltsaufwand infolge der Geburt ihrer Tochter zu ersetzen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht die Klage unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils vollständig abgewiesen und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld sei nicht begründet, da die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht hinreichend vorgetragen habe, daß nach der geltenden Fassung des § 218a StGB ein Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig gewesen wäre. Da der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs die embryopathische Indikation aus dem Gesetz gestrichen habe, hätte die Klägerin einen Schwangerschaftsabbruch lediglich aus medizinischen Gründen zum Schutz der Mutter gemäß § 218a Abs. 2 StGB rechtmäßig vornehmen lassen können. Die Darlegung der Klägerin lasse jedoch eine Beurteilung , ob die damals zu befürchtenden Depressionen und die jetzt eingetretenen Folgen, die zumindest indiziell zu berücksichtigen seien, eine hinreichend schwerwiegende Gefahr für ihre Gesundheit bedeutet hätten bzw. bedeuteten, nicht zu. Die Unzumutbarkeit der Schwangerschaft bzw. die Voraussetzungen für einen die Opfergrenze für die Schwangere überschreitenden Ausnahmetat-
bestand seien damit nicht hinreichend dargelegt. Das Ausmaß sowie die Behandlung der Depressionen seien nicht näher ausgeführt worden. Bei der Abwägung der Rechtsgüter, also einerseits der Gesundheit der Mutter und andererseits des Lebens des Kindes, sei sicherlich auch maßgebend, ob und in welchem Umfang die Beeinträchtigungen der Gesundheit der Mutter mit Erfolg behandelbar seien. Hinsichtlich der konkreten sekundären Folgen gebe es auch im Arzthaftungsprozeß keine Erleichterungen für die Darlegungslast der Patientin. Hier fehle es nicht nur an einer nachvollziehbaren medizinischen Einordnung. Auch die Darlegung zur psychotherapeutischen Behandlung ohne näheren Vortrag zur Art, Umfang und Erfolg der Behandlung genügten nicht und seien - selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß in diesem Bereich eine Offenlegung durch den Behandelnden gegenüber der Patientin nur im begrenzten Maß vertretbar sein mögen - zu pauschal erfolgt. Ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen und entstehenden Unterhaltsaufwandes für ihr behindertes Kind stehe der Klägerin schon dem Grunde nach nicht zu. Schutzzweck des Behandlungsvertrages bei der medizinischen Indikation sei - auch bei erkennbarer Behinderung des ungeborenen Kindes - ausschließlich die Gesundheit der Mutter. Der wirtschaftliche Aspekt der Unterhaltsbelastung für das behinderte Kind sei bei der medizinischen Indikation nicht ansatzweise als Reflex des Behandlungsvertrages ableitbar.

II.

Das Urteil des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Schutzzweck des Behandlungsvertrages bei der medizinischen Indikation im Sinne des § 218a
Abs. 2 StGB stehen nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Juni 2002 - VI ZR 136/01 - (VersR 2002, 1148, demnächst BGHZ 151, 133 ff.), welches das Berufungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung freilich noch nicht kennen konnte, entschieden , daß das auf einem ärztlichen Behandlungsfehler beruhende Unterbleiben eines nach den Grundsätzen der medizinischen Indikation gemäß § 218a Abs. 2 StGB rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs die Pflicht des Arztes auslösen kann, den Eltern den Unterhaltsaufwand für ein Kind zu ersetzen , das mit schweren Behinderungen zur Welt kommt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts diente im vorliegenden Fall die vom Beklagten durchgeführte Feinsonographie der Suche nach Fehlbildungen; die Klägerin hatte ihn zu diesem Zweck aufgesucht. Die vom Beklagten nach dem ärztlichen Standard durchzuführende Diagnostik sollte demnach die Klägerin in die Lage versetzen, das ihr vom Gesetzgeber zugebilligte Recht auszuüben, sich für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, wenn nach Feststellung einer schweren Fehlbildung des Kindes der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt gewesen wäre , um eine Gefahr für ihr Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes abzuwenden , und die Gefahr nicht auf eine andere, für sie zumutbare Weise hätte abgewendet werden können. Drohen die schwerwiegenden Gefahren für die Mutter, die zur Erfüllung der Voraussetzungen der Indikation des § 218a Abs. 2 StGB führen, gerade auch für die Zeit nach der Geburt und ist demgemäß der vertragliche Schutzzweck auch auf die Vermeidung dieser Gefahren durch das "Haben" des Kindes gerichtet, so erstreckt sich die aus der Vertragsverletzung resultierende Ersatzpflicht auch auf den Ausgleich der durch die Unterhaltsbelastung verursachten vermögensrechtlichen Schadenspositionen. Eine dahin-
gehende Bestimmung des vertraglichen Schutzumfanges, die bei derartigen Sachverhalten unter Geltung der früheren "embryopathischen Indikation" in der Rechtsprechung anerkannt war (vgl. z.B. Senatsurteil BGHZ 86, 240, 247; Senatsurteile vom 4. März 1997 - VI ZR 354/95 - VersR 1997, 698, 699 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 213/00 - VersR 2002, 233, 234), nunmehr auch für entsprechende Fallgestaltungen im Rahmen der nach der geltenden Rechtslage maßgeblichen medizinischen Indikation entspricht der gesetzgeberischen Lösung, die bisher von § 218a Abs. 3 StGB a.F. erfaßten Fallkonstellationen jetzt in die Indikation nach § 218a Abs. 2 StGB einzubeziehen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2002 - VI ZR 136/01 - aaO; zustimmend Deutsch, NJW 2003, 26,

28).

2. Eine auf der - hier revisionsrechtlich zu unterstellenden - Verletzung des Behandlungsvertrages beruhende Vereitelung eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs kann allerdings - wovon das Berufungsgericht mit Recht ausgegangen ist - nur dann Ansatz dafür sein, die Eltern im Rahmen eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs gegen den Arzt auf der vermögensmäßigen Ebene von der Unterhaltsbelastung für das Kind freizustellen und der Klägerin ein Schmerzensgeld zuzuerkennen, wenn der Abbruch rechtmäßig gewesen wäre, also der Rechtsordnung entsprochen hätte und von ihr nicht mißbilligt worden wäre (st. Rspr.: vgl. insbesondere BGHZ 129, 178, 185 = VersR 1995, 964, 966; Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 213/00 - aaO; vom 19. Februar 2002 - VI ZR 190/01 - VersR 2002, 767, 768 und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 136/01 - aaO, S. 1149). Aufgrund der gesetzlichen Neufassung des § 218a Abs. 2 StGB in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes vom 21. August 1995 (BGBl. I 1050) ist der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch dann nicht rechtswidrig, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis
angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder das Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden und die Gefahr nicht auf andere, für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Bei Fallgestaltungen, die nach der früheren rechtlichen Regelung der "embryopathischen Indikation" unterfielen, ist nunmehr im Rahmen des § 218a Abs. 2 StGB zu prüfen, ob sich für die Mutter aus der Geburt des schwerbehinderten Kindes und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation Belastungen ergeben, die sie in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres insbesondere auch seelischen Gesundheitszustandes als so bedrohend erscheinen lassen, daß bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2002 - VI ZR 136/01 - aaO, S. 1150). Das Berufungsgericht ist zwar hiervon im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend ausgegangen, hat jedoch bei seiner Beurteilung die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin überspannt und in diesem Zusammenhang - wie die Revision mit Recht geltend macht - erheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Klägerin übergangen. 3. Zwar muß die Mutter im Schadensersatzprozeß grundsätzlich nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und gegebenenfalls beweisen, daß die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch wegen medizinischer Indikation bei fehlerfreier Diagnose des untersuchenden Arztes vorgelegen hätten. Bei den Anforderungen an die Darlegungslast sind jedoch auch die gerade durch den - hier revisionsrechtlich zu unterstellenden - Behandlungsfehler verursachten Schwierigkeiten zu berücksichtigen, welche die Darlegung der Voraussetzungen einer nachträglichen, auf den Zeitpunkt des denkbaren Abbruchs der Schwangerschaft bezogenen Prognose bereitet. Durch das Vorenthalten der richtigen Diagnose über die voraussichtliche schwere Behinderung ihres Kindes ist die Klägerin nämlich gar nicht in die Lage versetzt wor-
den, diese Mitteilung im maßgeblichen Zeitpunkt, in dem sie sich noch für einen Schwangerschaftsabbruch hätte entscheiden können, auf sich wirken zu lassen. Deshalb können aus der tatsächlichen späteren Entwicklung nur mittelbar Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie diese Diagnose sich auf ihren Gesundheitszustand ausgewirkt hätte. Hinzu kommt, daß auch allgemein an die Substantiierungspflichten der Parteien im Arzthaftungsprozeß maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen sind, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752). Entsprechende Fragen sind, wie dies im Arzthaftungsprozeß ganz allgemein zu fordern ist, grundsätzlich nicht ohne sachverständige Beratung zu entscheiden (vgl. Senatsurteil, BGHZ 98, 368, 373). Dies gilt umso mehr für die Prüfung der Voraussetzungen einer medizinischen Indikation im Sinne des § 218a Abs. 2 StGB, bei der die "nach ärztlicher Erkenntnis" gebotene Prognose schon im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich macht (vgl. Müller, NJW 2003, 697, 703). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht beachtet. Die Klägerin hat nicht nur vorgetragen, daß sie unter schweren Depressionen leide, sondern hat dies auch in das Zeugnis der behandelnden Psychologin gestellt. Eine medizinische Einordnung ihrer psychischen Störungen konnte von ihr entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus den dargelegten Gründen ebensowenig verlangt werden wie Vortrag zu Art, Umfang und Erfolgsaussicht der Behandlung. Daneben hat die Klägerin auch körperliche Beeinträchtigungen geltend gemacht, insbesondere einen Bruch von zwei Wirbeln im Jahr 1994, aufgrund dessen sie keine schweren Lasten tragen dürfe. Daß durch das ständige Tragen des schwerbehinderten Kindes bereits eine
Verschlechterung eingetreten sei und eine Operation erforderlich werde, hat sie unter Beweis durch ein orthopädisches Sachverständigengutachten gestellt. 4. Das Berufungsgericht wird dem entsprechenden Vortrag der Klägerin nachzugehen haben, um sich nach Einholung sachkundigen Rates die erforderliche tatrichterliche Überzeugung davon zu verschaffen, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin bei rückwirkender Betrachtung für eine medizinische Indikation ausgereicht hätten.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 430/02
vom
29. September 2005
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, wenn mit ihrer Begründung
nur gegen einen von zwei selbständig tragenden Gründen der angefochtenen
Entscheidung die Zulässigkeitsvoraussetzungen dargelegt werden.
BGH, Beschluss vom 29. September 2005 - IX ZB 430/02 - LG Kiel
AG Kiel
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 29. September 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 5. August 2002 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.


Der Schuldner war nach einer Tätigkeit als GmbH-Geschäft sführer seit 1998 arbeitslos und bezog Arbeitslosenhilfe. Am 5. November 1999 eröffnete das Amtsgericht auf den Antrag des Schuldners das Insolvenzverfahren über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit. Im April 2000 nahm der Schuldner unter Begründung eines zweiten Wohnsitzes in Berlin eine selbständige Tätigkeit auf. Das Arbeitsamt gewährte hierfür Überbrückungsgeld auf die Dauer von sechs Monaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 4, § 57 SGB III).
Der eingesetzte Treuhänder beanstandete mit seinem Schl ussbericht vom 2. Februar 2001, dass der Schuldner über seine selbständige Tätigkeit noch nicht die angeforderte Rechnung gelegt habe. Am 23. Februar 2001 übersandte der Schuldner dem Treuhänder eine Aufstellung der Einnahmen und
sandte der Schuldner dem Treuhänder eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben für das Geschäftsjahr 2000, die er aufgrund noch ausstehender Prüfung durch seinen Steuerberater als vorläufig bezeichnete. Diese Rechnung enthielt auch die ausgezahlten und vom Schuldner in das neue Unternehmen eingelegten, jedoch anschließend wieder entnommenen Überbrückungsgelder. Der Treuhänder beanstandete nunmehr diese Entnahmen und regte an, dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung zu versagen.
Auf Antrag mehrerer Gläubiger hat das Amtsgericht die Versagung der Restschuldbefreiung ausgesprochen, weil durch die Privatentnahmen zum Nachteil der Gläubiger Vermögen verschwendet worden sei (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und der Schuldner dem Treuhänder nicht laufend und unaufgefordert Rechnung über die Ergebnisse seiner selbständigen Tätigkeit gelegt habe (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Schuldner die von dem Steuerberater am 17. September 2001 gefertigte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vorgelegt, die für das Rumpfgeschäftsjahr 2000 einen vorgetragenen Gewinn von 13.824,56 DM auswies. Der Schuldner hat ferner geltend gemacht, seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht durch Vorlage der Kontenblätter und der steuerlichen Überschussermittlung genügt zu haben. Zumindest sei ihm wegen seines Verhaltens keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil der Treuhänder auf das Schreiben vom 13. Januar 2000 nicht reagiert und vor dem Februar 2001 keine Beanstandungen erhoben habe.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldne rs mit der Begründung zurückgewiesen, dieser habe nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts jedenfalls seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt. Die Mitteilungen über die Ergebnisse seiner selbständigen Tätigkeit an
den Treuhänder seien verspätet erfolgt. Sie seien auch inhaltlich unzureichend , weil sich aus den eingereichten Kontenblättern und der Gewinnermittlung nicht ergebe, welche Beträge der Schuldner aus welchen Rechtsgeschäften erworben habe.

II.


Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner kraft Geset zes statthaften (§ 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde , die gemäß § 575 Abs. 1 und 2 ZPO auch frist- und formgerecht eingelegt worden ist. Das Rechtsmittel ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig.
1. Die Rechtsbeschwerde sieht als grundsätzlich die Frage n ach dem Umfang der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners gemäß §§ 97, 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO an. Sie meint, dies gelte insbesondere für die Frage, ob die Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch dann versagt werden müsse, wenn der Schuldner kein Vermögen gegenüber den Insolvenzgläubigern oder dem Treuhänder verheimlicht, sondern es allenfalls unterlassen habe, die Einnahmen und Ausgaben aus einem selbständigen Erwerbsgeschäft im Einzelnen zu erläutern, ohne dass die Gläubiger im Ergebnis beeinträchtigt worden seien.
2. Einen Rechtssatz zum Umfang der Auskunfts- und Mitwirkun gspflichten des Schuldners im vereinfachten Insolvenzverfahren stellt die Beschwerdeentscheidung zwar auf. Es handelt sich hierbei aber nur um eine von zwei selb-
ständig tragenden Begründungen für die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Denn die Beschwerdeentscheidung wird allein schon durch den vom Landgericht gebilligten Rechtssatz des Amtsgerichts getragen , der Schuldner müsse dem Treuhänder bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens laufend und unaufgefordert Rechnung über die Ergebnisse dieser Tätigkeit legen.
Dieser Rechtssatz bezieht sich nicht auf den Umfang, sondern auf die Art und die zeitgerechte Erteilung der dem Schuldner gesetzlich abverlangten Auskunft. Die von der Rechtsbeschwerde für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage nach dem Umfang der Auskunftspflicht kann für die Beschwerdeentscheidung hinweggedacht werden. In einem solchen Fall hätte der Berufungsrichter die Revision nur zuzulassen, wenn sowohl für die eine als auch für die andere Begründung seiner Entscheidung ein Zulassungsgrund bestünde (vgl. BVerwG Buchholz 310 VwGO § 132 Nr. 287; § 132 Nr. 2 Ziff. 1 Nr. 4; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 1971, Rn. 127 m.w.N.; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde 1990 Rn. 101 m.w.N.). Insoweit gelten für die Zulässigkeitsprüfung des Bundesgerichtshofs bei der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO die gleichen Grundsätze wie bei der Zulassung von Revision oder Rechtsbeschwerde durch den judex a quo. Erforderlich war somit, dass die Rechtsbeschwerde gegenüber beiden selbständig tragenden Begründungen des Landgerichts für die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Zulässigkeitsgrund geltend machte. Daran fehlt es.
3. Bei der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde prüf t der Bundesgerichtshof nach § 574 Abs. 2 ZPO ebenso wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde nur die Zulässigkeitsvoraussetzungen, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (vgl. BGHZ 152, 7, 8 f; 153, 254, 255, sämtlich zur Nichtzulassungsbeschwerde ).
Es kann offen bleiben, ob die Rechtsbeschwerde diesen Anf orderungen genügt, soweit ein Zulassungsgrund im Hinblick auf den Umfang der vom Schuldner zu erteilenden Auskünfte geltend gemacht worden ist. Zur Versäumung einer zeitgerechten Unterrichtung des Treuhänders über die selbständige Tätigkeit des Schuldners und dessen Verpflichtung zu (unaufgefordertem) Bericht, der zweiten Begründung des Landgerichts, rügt die Rechtsbeschwerde nur, der Schuldner habe die Verwaltungsbefugnis des Treuhänders, die sich nach § 292 Abs. 2 InsO beurteilen soll, nicht unterlaufen. Der Schuldner habe seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht schon durch die Vorlage des Jahresabschlusses genügt; der Mitteilung monatlicher, hier sehr unterschiedlicher Betriebsergebnisse, habe es nicht bedurft. Dies gelte umso mehr, als der Treuhänder auf die Nachfrage des Schuldners, wie in der Angelegenheit zu verfahren sei, nicht reagiert habe.
Mit dieser Begründung zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Z ulassungsgrund für den Rechtssatz des Beschwerdegerichts auf, dass der Schuldner bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit während des vereinfachten Insolvenzverfahrens dem Treuhänder unaufgefordert und laufend Rechnung über die Ergebnisse dieser Tätigkeit legen müsse und nicht erst - wie geschehen - nach Abschluss des Geschäftsjahres. Die Rechtsbeschwerde beruft sich insoweit
lediglich auf Rechtsfehler, auf die es bei der Prüfung der Zulässigkeit nach § 574 Abs. 2 ZPO hier nicht ankommt.
4. Einer Festsetzung des Wertes für die Rechtsbeschwerde be darf es gemäß GKG-KV Nr. 1823 (Festgebühr) nicht. Die gerichtliche Unterliegensgebühr nach diesem Tatbestand wird durch die entsprechende gerichtliche Entscheidung fällig (§ 6 Abs. 3 GKG n.F., § 61 Abs. 2 GKG a.F.). Die Fortgeltung alten Kostenrechts ist durch § 71 Abs. 3, § 72 Nr. 3 GKG i.d.F. von Artikel 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) nur für solche Kosten bestimmt, die vor dem 1. Juli 2004 fällig geworden sind.
Ganter Raebel Kayser
Cierniak Lohmann

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

12
bb) Mit dieser Rüge hat die Klägerin hinreichend konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten können. Das Gericht hat in Arzthaftungsprozessen die Pflicht, sich mit von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergibt (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93, VersR 1994, 480, 482; vom 10. Mai 1994 - VI ZR 192/93, VersR 1994, 984, 986; vom 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95, VersR 1996, 647, 648; vom 24. September 1996 - VI ZR 303/95, VersR 1996, 1535, 1536; vom 28. April 1998 - VI ZR 403/96, VersR 1998, 853, 854; vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 10/00, VersR 2001, 525, 526; vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99, VersR 2001, 783, 784 und vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02, VersR 2004, 790, 791; Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 - VI ZR 170/08, VersR 2009, 499 Rn. 7). Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden , dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (BGH, Urteile vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03, VersR 2005, 676, 677 f. und vom 24. September 2008 - IV ZR 250/06, VersR 2008, 1676 Rn. 11, jeweils mwN).