Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09

bei uns veröffentlicht am22.09.2009
vorgehend
Landgericht Braunschweig, 4 O 2272/05, 24.05.2007
Oberlandesgericht Braunschweig, 1 U 49/07, 18.12.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 32/09
vom
22. September 2009
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen,
den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 18. Dezember 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 163.866,60 €

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
1. Nicht zu beanstanden und von der Nichtzulassungsbeschwerde als ihr günstig nicht angegriffen ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten sei ein Behandlungsfehler unterlaufen, weil er den verstorbenen Ehemann der Klägerin nicht unverzüglich mit Notarztwagen in ein Krankenhaus eingewiesen hat. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit rechtsfehlerfrei auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. K. . Nach dessen Ausführungen im Gutachten vom 10. Juli 2006, in der ergänzenden Stellungnahme vom 23. November 2006 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 12. April 2007 wies der verstorbene Ehemann der Klägerin ein Hochrisikoprofil mit fünf Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung (Nikotinabusus, Bluthochdruck, familiäre Belastung, Adipositas und Blutzuckererhöhung ) auf. Angesichts dieser Risikofaktoren und der vom verstorbenen Ehemann der Klägerin am 11. März 2004 mitgeteilten Schmerzsymptomatik hätte die Veränderung in dem vom Beklagten an diesem Tag erstellten EKG im Vergleich zum Vor-EKG vom 18. Februar 2000 zu einer sofortigen Krankenhauseinweisung mit Notarztwagen führen müssen. Diese Einschätzung bestätigte der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 27. November 2008. Er bejahte die Frage des Klägervertreters , ob ein Handlungsbedarf dringend gewesen sei, um Weiterungen zu vermeiden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 12. April 2007 führte er aus, dass die Konsequenz einer unterlassenen Krankenhauseinweisung der Tod des Patienten sein könne.
3
2. Unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist das Berufungsgericht jedoch zu der Ansicht gelangt, der dem Beklagten unterlaufene Behandlungsfehler sei nicht als grob zu qualifizieren.
4
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung den Vortrag der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 6. März und 23. August 2007 sowie die von ihr vorgelegte privatgutachterliche Stellungnahme des Dr. W. übergangen hat, wonach eine sofortige Einweisung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin unabhän- gig von der Frage, ob das Zeitfenster für die Behandlung eines akuten Herzinfarkts bereits überschritten war, schon deshalb zwingend geboten war, um typischerweise nach einem Herzinfarkt auftretende lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen festzustellen und zu behandeln. Diesen Gesichtspunkt hatte auch der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hervorgehoben. Ist das Leben des Patienten aber durch möglicherweise infolge eines stattgefundenen Infarkts auftretende Herzrhythmusstörungen konkret gefährdet, so muss dieser Gesichtspunkt bei der Gewichtung des Behandlungsfehlers Berücksichtigung finden.
5
b) Das Berufungsgericht hat entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin auch dadurch übergangen, dass es in keiner Weise auf die Aufklärung des zwischen der Stellungnahme des Dr. W. und den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bestehenden Widerspruchs hinsichtlich der Frage hingewirkt hat, ob die Vorgehensweise des Beklagten als grob fehlerhaft zu bewerten ist. Nach der Stellungnahme des Dr. W. erscheint es nicht verständlich, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht stationär eingewiesen worden ist. Ein Patient mit EKG-Veränderungen, wie sie beim verstorbenen Ehemann der Klägerin aufgetreten seien, müsse unabhängig von Beschwerden intensiv medizinisch überwacht werden, da in einem subakuten Infarktstadium ein erhöhtes Risiko von Herzrhythmusstörungen besteht. Mit diesen Ausführungen hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt.
6
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auch den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass es sich bei der unterlassenen Krankenhauseinweisung um einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse und damit um einen Fehler handeln könnte, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlech- terdings nicht unterlaufen darf (vgl. zum Begriff des groben Behandlungsfehlers: Senatsurteil vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08 - z.V.b., m.w.N.). Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausgeführt, dass es ein unverzeihlicher Fehler gewesen wäre, wenn der Beklagte einen frischen Infarkt festgestellt und den verstorbenen Ehemann der Klägerin nicht ins Krankenhaus eingewiesen hätte, wobei er unter einem frischen Infarkt einen solchen verstehe, der nicht mehr als 48 Stunden zurückliege. Der Sachverständige hat weiter angegeben, dass das Ergebnis der Untersuchung am 11. März 2004 zu einer sofortigen Einweisung des Ehemanns der Klägerin mit Notarztwagen hätte führen müssen und dass die mögliche Konsequenz einer unterlassenen Einweisung der Tod des Patienten sei. Er hat diese Beurteilung zu keiner Zeit eingeschränkt oder relativiert und insbesondere daran festgehalten, dass eine sofortige Einweisung mit Notarztwagen geboten war. Auf Frage des Klägers hat er bestätigt, dass ein dringender Handlungsbedarf bestand, um Weiterungen zu vermeiden.
7
Bei dieser Sachlage hätte sich das Berufungsgericht nicht ohne Weiteres der Angabe des Sachverständigen anschließen dürfen, ein grober Behandlungsfehler sei nicht anzunehmen, weil der auf dem EKG erkennbare Infarkt mehr als 12 Stunden zurück gelegen habe und eine Behandlung des Gefäßverschlusses deshalb nicht mehr möglich gewesen sei. Wäre dies der Fall, so wäre nicht erklärlich, warum der verstorbene Ehemann der Klägerin sofort mit dem Notarztwagen in das Krankenhaus hätte eingewiesen werden müssen. Das Berufungsgericht hätte die Äußerungen des Sachverständigen zum Gewicht des Behandlungsfehlers vielmehr kritisch überprüfen und den soeben aufgezeigten Zweifeln an der Bewertung des Behandlungsgeschehens durch Erörterung sowohl des für eine solche Behandlung geltenden Sorgfaltsmaßstabs als auch des Begriffs des Behandlungsfehlers mit dem Sachverständigen, ggf. durch Einholung eines neuen Gutachtens, nachgehen müssen. Denn nach der stän- digen Rechtsprechung des erkennenden Senats muss der Tatrichter berücksichtigen , dass medizinische Sachverständige Behandlungsfehler nicht selten nur zurückhaltend ansprechen oder bewerten (vgl. BGHZ 172, 254, 259; Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - VI ZR 261/08 - z.V.b., jeweils m.w.N.).
8
c) Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Sachvortrags der Klägerin und der von ihr vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahme des Dr. W. zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre.
9
3. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit den von der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung im Einzelnen aufgezeigten Widersprüchen im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. K. auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Das Berufungsgericht wird darüber hinaus zu klären haben, ob es sich bei dem Behandlungsfehler des Beklagten tatsächlich - wie das Berufungsgericht angenommen hat - um einen Diagnosefehler oder nicht vielmehr um einen Befunderhebungsfehler wegen unterlassener Durchführung der gebotenen Anschlussdiagnostik (serielles EKG, Blutabnahme, Feststellung des Vorliegens von Herzrhythmusstörungen, etc.) gehandelt hat. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 24.05.2007 - 4 O 2272/05 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 18.12.2008 - 1 U 49/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09 zitiert 2 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2009 - VI ZR 261/08

bei uns veröffentlicht am 09.06.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 261/08 vom 9. Juni 2009 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richte
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2009 - VI ZR 32/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2011 - VI ZR 55/09

bei uns veröffentlicht am 20.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 55/09 Verkündet am: 20. September 2011 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Jan. 2015 - VI ZR 204/14

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 204/14 vom 13. Januar 2015 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 286 (B, E, F) Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, darf der Tatricht

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 261/08
vom
9. Juni 2009
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2009 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen
und den Richter Stöhr

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens und der Nichtzulassungsbeschwerde an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 102.258,37 €

Gründe:

1
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht aufgrund verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellungen angenommen habe, A. K. sei am 5. September 1996 ab 9.00 Uhr bis zur Verlegung auf die Intensivstation gegen 11.45 Uhr medizinisch hinreichend versorgt worden. Dabei hat es entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen (Art. 103 Abs. 1 GG).
3
Der Privatgutachter Prof. Dr. G. hat in seinen schriftlichen Gutachten (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. vom 10. Januar 2005, S. 6 und vom 25. Juni 2006 S. 3 f.) betont, dass aufgrund des mehrmaligen kritischen Abfalls der Sauerstoffsättigung und der damit verbundenen Verschlechterung des Zustands des Kindes es unumgänglich war, bis zur Verlegung des Kindes Maßnahmen zu seiner Beatmung in Form einer Sauerstoffdusche, Bebeutelung oder der Verabreichung atemstimulierender Medikamente zu ergreifen. Dieser Auffassung war auch grundsätzlich der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. (Gutachten vom 3. Juli 2002, GA I 61). Hierauf hat die Klägerin bereits in erster Instanz hingewiesen. In der fristgerechten Ergänzung zur Berufungsbegründung (GA II 376/382) hat die Klägerin erneut die mangelhafte medizinische Betreuung auf der Station K 7 gerügt. Im Schriftsatz vom 3. März 2008 (GA III 407/412 ff.) hat die Klägerin ausdrücklich bemängelt, dass das Kind bis zur Verlegung auf die Intensivstation nicht medizinisch versorgt worden sei. Des Weiteren hat die Klägerin im Schriftsatz vom 17. Juni 2008 (GA III 478) vorgetragen, dass nicht ersichtlich sei, welche Versorgung das Kind zwischen 10.00 Uhr und 11.45 Uhr erfahren habe. Das Berufungsgericht stellt zwar nicht in Frage, dass eine medizinische Versorgung in diesem Zeitraum erforderlich gewesen ist. Jedoch kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus der Dokumentation der Behandlung nicht der Schluss gezogen werden, das Kind sei auf der Station K 7 nicht unzureichend versorgt worden noch stützen die Aussagen der vernommenen Zeugen diese Annahme des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO).
4
Das Berufungsgericht stellt zwar die Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 129, 6, 10) zu Fehlern in der ärztlichen Dokumentation zutref- fend dar. Es zieht jedoch nicht die daraus erforderlichen Schlüsse für den Streitfall. Die Krankenunterlagen enthalten keine Eintragungen, dass in dem fraglichen Zeitabschnitt medizinische Maßnahmen zur Stabilisierung der Sauerstoffzufuhr mit Ausnahme der Blutabnahme zur Blutgasanalyse um 10.00 Uhr und der Fütterung des Säuglings gegen 10.15 Uhr erfolgt sind. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die erforderliche Beatmung nicht dokumentiert worden sei, weil sie unterlassen worden sei. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob die Dokumentation erforderlich war, ist revisionsrechtlich davon auszugehen , dass es sich um dokumentationspflichtige Maßnahmen handelt. Mithin konnte das Berufungsgericht nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 129, 6, 10) davon ausgehen, dass das Kind auf der Station K 7 zwischen 9.00 und 11.45 Uhr nicht in der gebotenen Weise medizinisch versorgt worden ist.
5
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Aussagen der vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen und den gutachterlichen Äußerungen des gerichtlichen Sachverständigen herleiten. Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung zwar dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. z.B. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364 und BGHZ 160, 308, 317 m.w.N.). Doch wird die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts von dem Inhalt der Beweisaufnahme nicht getragen. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. habe andere Mängel oder Versäumnisse abweichend vom Facharztstandard - bis auf die verspätete Verlegung und Intubation sowie die Hyperventilation - nicht festgestellt, gibt dies die Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen nicht her. Bereits im ersten Gutachten vom 3. Juli 2002 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, welche praktischen therapeutischen Konsequenzen aus der um 9.00 Uhr beschriebenen Beeinträchtigung der Hautdurchblutung sowie aus den um 10.00 Uhr erhobenen Befunden einer Ateminsuffizienz bis gegen 11.45 Uhr gezogen wurden. Auch wenn er zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, dass die unzureichende Dokumentation letztlich ohne Einfluss auf die Gesamtbeurteilung durch den Gutachter bleibe, kann daraus nicht schon geschlossen werden, dass der Sachverständige die Versorgung für standardgemäß gehalten hätte. Kann der Sachverständige der Dokumentation keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler entnehmen, kann das zwar bedeuten , dass die Dokumentation eine ordnungsgemäße Behandlung aufzeigt; es kann aber ebenso gut bedeuten, dass die Dokumentation vollständig ist jedoch nichts über einen Behandlungsfehler aussagt, wie auch, dass die Dokumentation unvollständig ist und deshalb keinerlei Schlüsse zulässt. Vom medizinischen Sachverständigen ist nicht zu erwarten, dass er eine in dieser Richtung nicht gestellte Frage vorwegnimmt und auf die Mehrdeutigkeit hinweist. Das Berufungsgericht hätte durch eine gezielte Befragung den Punkt von sich aus klären müssen. Das Unterlassen der entsprechenden Befragung verstößt gegen § 286 Abs. 1 ZPO. Gutachten von Sachverständigen unterliegen zwar der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Der erkennende Senat hat jedoch wiederholt ausgesprochen, dass der Tatrichter allen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen hat; insbesondere hat er Einwendungen einer Partei gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen zu berücksichtigen und die Pflicht, sich mit von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinander zu setzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergibt (vgl. Se- nat, Urteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482; vom 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95 - VersR 1996, 647, 648; vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 10/00 - VersR 2001, 525, 526; vom 13. Februar 2001 - VI ZR 272/99 - VersR 2001, 722, 723; vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02 - VersR 2004, 790, 791 und vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06 - VersR 2008, 1265, 1266). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
6
Die Vermutung einer unzureichenden medizinischen Versorgung wird auch nicht durch die vom Berufungsgericht vernommenen Zeuginnen widerlegt. Die Aussagen der Zeuginnen stützen die Annahme einer ordnungsgemäßen Versorgung des Kindes auf der Station K 7 nicht. Die Zeugin Dr. K. war Oberärztin auf der Station K 7 und der Intensivstation. Sie hatte keinerlei konkrete Erinnerung mehr an die Behandlung. Nach ihrer Aussage wurde A. K. erst vor 12.00 Uhr auf der Intensivstation an die Monitore angehängt. Lediglich die Zeuginnen H. und Dr. M. waren am 5. September 1996 um 9.00 Uhr für die Versorgung des Kindes verantwortlich. Keine der übrigen vernommenen Zeuginnen war im fraglichen Zeitraum mit dem Kind befasst. Nach der Aussage der Zeugin Dr. M. , die sich nur an die Eckdaten erinnern konnte, wurde das Kind beobachtet. Die Zeugin H. hat bekundet, dass wenn Kinder versorgt werden, dies auch eingetragen werde. Sie konnte sich an die Versorgung des Kindes A. K. nicht mehr erinnern. Eintragungen, die auf Beatmungsmaßnahmen auf der Station K 7 schließen ließen, sind aber nicht vorhanden. Die Auffassung des Berufungsgerichts , dass die erforderlichen Maßnahmen zur Versorgung der A. K. im Zeitraum zwischen 9.00 Uhr und 11.45 Uhr bis zur Verlegung auf die Intensivstation ergriffen worden seien, findet mithin in der Beweisaufnahme keine Stütze. Diese Frage ist entscheidungserheblich. Hätte das Berufungsgericht etwaige Versäumnisse, die der Privatgutachter Prof. Dr. G. als grob fehlerhaft und der gerichtliche Sachverständige immerhin als vital bedrohlich bewertet, in die Würdigung des gesamten Behandlungsgeschehens einbezogen, ist nicht fernliegend, dass es im Hinblick auf die übrigen Behandlungsfehler zumindest in der Gesamtschau die Behandlung des Kindes für grob fehlerhaft gehalten hätte.
7
2. Im Übrigen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. - nicht hinreichend kritisch hinterfragt hat. Der erkennende Senat hat wiederholt ausgeführt, dass gerade in Arzthaftungsprozessen Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen sind. Das gilt sowohl für Widersprüche zwischen einzelnen Erklärungen desselben Sachverständigen (vgl. Senatsurteile BGHZ 161, 255, 264; vom 17. September 1985 - VI ZR 12/84 - VersR 1985, 1187, 1188; vom 7. April 1992 - VI ZR 216/91 - VersR 1992, 747, 748 sowie vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482) als auch für Widersprüche zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger, selbst wenn es dabei um Privatgutachten geht (vgl. hierzu Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482; vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196; vom 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95 - VersR 1996, 647; vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99 - VersR 2001, 783; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06 - aaO und Beschluss vom 21. Januar 2009 - VI ZR 170/08 - VersR 2009, 499). Der gerichtliche Sachverständige hat im Laufe des Verfahrens mehrfach seine Stellungnahmen relativiert. Er steht überwiegend mit seiner Auffassung in Widerspruch zu den von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten. In rechtlicher Hinsicht obliegt zwar die Bewertung eines Behandlungsgeschehens als fehlerhaft dem Tatrichter, der sich freilich in medizinischer Hinsicht auf Sachverständige zu stützen hat. Die Tatsachenfeststellung ist Aufgabe des Richters in eigener Verantwortung. Er muss sich - wie im vorliegenden Fall - darauf einstellen, dass manche Sachverständige Behandlungsfehler nur zu- rückhaltend ansprechen. Die deutliche Distanzierung des Sachverständigen vom Vorgehen der Ärzte der Beklagten in der Sache und seine einschränkenden Formulierungen bei der Bewertung als groben Behandlungsfehler hätten dem Berufungsgericht Anlass geben müssen, die Äußerungen des Sachverständigen kritisch zu hinterfragen und sowohl den für eine solche Behandlung geltenden Sorgfaltsmaßstab als auch den Begriff des Behandlungsfehlers mit dem Sachverständigen zu erörtern, gegebenenfalls sogar ein anderes Gutachten einzuholen (vgl. Senat, BGHZ 172, 254, 259; Urteile vom 27. September 1977 - VI ZR 162/76 - VersR 1978, 41, 42 f.; vom 19. Januar 1993 - VI ZR 60/92 - VersR 1993, 835, 836; vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482).
8
a) Hinsichtlich der verzögerten Verlegung der Patientin auf die Intensivstation hat Prof. Dr. S. ursprünglich die Auffassung vertreten, dass die Patientin um 10.00 Uhr umgehend auf die Intensivstation hätte verlegt werden müssen. Eine Bewertung der Schwere des Fehlers lehnte er ab. Im Ergänzungsgutachten vom 22. März 2003 hat er darauf hingewiesen, dass A. K. schon vor der Verlegung auf die Intensivstation vital bedroht war und deshalb früher hätte verlegt werden sollen. In der Anhörung vor dem Landgericht am 22. August 2007 hat er zwar den Zustand des Kindes dahingehend beurteilt, dass man mit seinem völligen Zusammenbruch rechnen musste, womit er den Stillstand der Atmung und den Herzstillstand meinte. Trotzdem bewertete der gerichtliche Sachverständige das Vorgehen des medizinischen Personals der Beklagten als nicht grob fehlerhaft. Dazu steht in Widerspruch die Auffassung des Privatgutachters Prof. Dr. G. (vgl. Gutachten vom 10. Januar 2005, S. 4 und vom 25. Juni 2006, S. 5), der die Behandlung des Kindes bis zur Verlegung als grob fehlerhaft und aus medizinischer Sicht nicht mehr verständlich beurteilt hat. Das Berufungsgericht durfte sich der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen nicht schon deshalb anschließen, weil die Station K 7 mit entsprechenden Apparaturen und ausreichendem Personal ausgestattet gewesen sei. Nach den Umständen des Streitfalls muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Patientin dort lediglich beobachtet, aber nicht behandelt worden ist (siehe 1.).
9
b) Die verzögerte Intubation nach Verlegung der Patientin auf die Intensivstation hat der gerichtliche Sachverständige zwar als Behandlungsfehler bewertet , doch im Hinblick auf den in der Abwehr des Kindes zum Ausdruck gekommenen Lebenswillen nicht für grob gehalten, obwohl das Kind bereits gekrampft hatte. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu der Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. G. (Gutachten vom 25. September 2002; 17. Mai 2003 und 25. Juni 2006), der es als nicht nachvollziehbar bezeichnet hat, dass ein Stationsarzt beim Misslingen einer medizinisch unverzüglich indizierten Intubation nicht sofort ärztliche Hilfe herbeiholt und die Intubation durchführt. Auch insoweit setzt sich das Berufungsgericht mit den Widersprüchlichkeiten in den Stellungnahmen der Sachverständigen nicht auseinander, sondern folgt ohne hinreichende Begründung dem gerichtlichen Sachverständigen.
10
c) Die Überbeatmung der Patientin für ca. fünf Stunden hat der gerichtliche Sachverständige bei seiner ersten Anhörung vor dem Landgericht als für eine Intensivstation nicht akzeptabel und damit grob fehlerhaft im Sinne der ihm vorgegebenen juristischen Definition bewertet. Insoweit stimmte seine Auffassung überein mit der der Privatgutachter Prof. Dr. G. , Prof. Dr. M. und Dr. P. . Im Weiteren ist der gerichtliche Sachverständige dann allerdings davon abgerückt, weil es im Jahr 1996 kompetente Wissenschaftler gegeben habe, die eine Überbeatmung für nicht fehlerhaft erachtet hätten. Ob der gerichtliche Sachverständige hierbei in seine Betrachtung einbezogen hat, dass das Gehirn von A. K. auch nach seiner Einschätzung in dem fraglichen Zeitraum bereits vorgeschädigt gewesen sein dürfte, was auch den behandelnden Ärzten aufgrund der Krampfanfälle der Patientin nicht verborgen geblieben sein kann, und dass trotz der durchgeführten Druckkontrollen eine Reduktion der Sauerstoffzufuhr nicht erfolgte, hat das Berufungsgericht bei der Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen nicht geklärt. Eine kritische Hinterfragung der Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den gerichtlichen Sachverständigen fehlt auch insoweit.
11
d) Zwar muss die Bewertung eines Behandlungsgeschehens als grob fehlerhaft in den Ausführungen eines Sachverständigen ihre tatsächliche Grundlage finden und darf keinesfalls entgegen dessen fachlichen Ausführungen bejaht werden (vgl. Senatsurteile vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 - VersR 2004, 645 und vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06 - VersR 2008, 644). Das bedeutet aber nicht, dass der Richter die Bewertung dem Sachverständigen alleine überlassen und nur die seltenen Fälle, in denen dieser das ärztliche Verhalten als nicht nachvollziehbar bezeichnet, als grob werten darf. Vielmehr hat der Tatrichter darauf zu achten, ob der Sachverständige in seiner Würdigung einen Verstoß gegen elementare medizinische Erkenntnisse oder elementare Behandlungsstandards oder lediglich eine Fehlentscheidung in mehr oder weniger schwieriger Lage erkennt. Im Streitfall ging es um gravierende Fehler, die - sogar für einen Laien erkennbar - den Gesundheitszustand der Patientin lebensbedrohlich verschlechtern mussten. Die Privatgutachter bewerten übereinstimmend die Hyperventilation eines Säuglings über die Dauer von fünf Stunden als medizinisch unverständlich. Die Unaufklärbarkeit der Ursächlichkeit der fehlerhaften medizinischen Behandlung für den Gesundheitsschaden von A. K. beruht auch darauf, dass die Beatmung des Kindes nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, obwohl allgemein bekannt ist, dass Sauerstoffunterversorgungen bei Säuglingen zu Gehirnschädigungen führen können. Wäre das Kind ordnungsgemäß mit Sauerstoff versorgt worden, ließe sich die Sauerstoffunterversorgung als Ursache für den jetzigen Zustand ausschlie- ßen. Die Unaufklärbarkeit von Ursachen ist aber der Grund für die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler (Senat, BGHZ 159, 48, 57).
12
3. Nach alledem war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Müller Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.09.2007 - 9 O 18427/01 -
OLG München, Entscheidung vom 18.09.2008 - 1 U 4837/07 -