Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05

bei uns veröffentlicht am20.09.2006
vorgehend
Landgericht Hannover, 6 O 169/02, 08.09.2004
Oberlandesgericht Celle, 11 U 279/04, 12.05.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 141/05
vom
20. September 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin
Dr. Milger, den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Mai 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Klage auf Zahlung von 28.054,93 € unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 28.054,93 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin verlangt vom Beklagten (u.a.) aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Zeugen J. , Zahlung eines Betrages in Höhe von 28.054,93 Euro. Sie beruft sich auf Ziffer III. des notariellen Vertrages vom 29. Juni 2001, in dem der Zeuge J. seinen Geschäftsanteil an der F.
Gastronomie GmbH auf den Beklagten übertrug, welcher dadurch zum Alleingesellschafter wurde.
2
Ziffer III. des notariellen Vertrages hat folgenden Wortlaut: "Darlehen,Bürgschaften Der Erschienene zu 1) [gemeint ist der Zeuge J. ] hat der GmbH ein Darlehen zur Verfügung gestellt, welches per 1.7.2001 noch mit DM 58.000,00 valutiert. Das Darlehen ist mit 5 % p.a. verzinslich und in Höhe von DM 28.000,00 zum 30.9.2001 zurückzuzahlen. Die Rückzahlung des Restbetrages nebst Zinsen erfolgt in der Höhe nach noch zu vereinbarenden Raten ab Mai 2002. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die für das Gaststättenobjekt Am F. gestellte Mietkaution bei der GmbH verbleibt. Der Erschienene zu 2) [gemeint ist der jetzige Beklagte] verpflichtet sich, gegenüber den Firmen ... darauf hinzuwirken, dass der Erschienene zu 1) aus den diesen gegenüber abgegebenen Bürgschaften für das vorgenannte Gaststättenobjekt der GmbH entlassen wird. Der Erschienene zu 2) stellt den Erschienen zu 1) von etwaigen Inanspruchnahmen aus diesen Bürgschaften frei."
3
Das Landgericht hat den Beklagten (soweit für die Revisionsinstanz von Interesse) antragsgemäß zur Zahlung von 28.054,93 Euro (58.000 DM gemäß Ziffer III. des notariellen Vertrages abzüglich von der GmbH zwischenzeitlich gezahlter 1.600 Euro) verurteilt.
4
Das Berufungsgericht hat diese Verurteilung unter Abweisung der Klage aufgehoben, ohne die von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Wortlaut des Vertrages lasse sich eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten nicht entnehmen, weil dort lediglich festgestellt sei, dass die GmbH zurückzuzahlende Darlehen vom Zeugen J. erhalten habe, jedoch nicht von einer Verpflichtung des Beklagten die Rede sei. Es mache durchaus Sinn, in einem notariellen Vertrag, durch den Geschäftsanteile einer GmbH verkauft werden, den Umfang der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber dem veräußernden Gesellschafter zu vermerken , etwa um einem eventuellen späteren Streit über die Darlehenshöhe vorzubeugen ; einen solchen Sinn verdeutliche auch der Umstand, dass die Klägerin im Rechtsstreit nunmehr vertragswidrig behaupte, es bestünden gegenüber der GmbH Darlehen in Höhe von 81.700 DM. Gegen eine gewollte Zahlungsverpflichtung des Beklagten spreche auch, dass sie insoweit unvollständig wäre, als ihr nicht entnommen werden könne, welche konkreten Pflichten vor dem Hintergrund der behaupteten Darlehen von insgesamt 81.700 DM übernommen worden seien. Insgesamt lasse sich ein klarer Inhalt der vertraglichen Abrede nicht feststellen; deshalb hätte es der Klägerin oblegen, konkret vorzutragen, was im Vorfeld des notariellen Vertrages zwischen den Parteien als Vertragsinhalt vereinbart worden bzw. welcher Auftrag dem Notar für die Fertigung der vertraglichen Abrede erteilt worden sei. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe die Klägerin nur unzureichend vorgetragen. Die Behauptung, der Zeuge J. und der Beklagte hätten vereinbart, dass eine Zahlungsverpflichtung begründet werden sollte, sei einer Beweisaufnahme nicht zugänglich, weil die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt habe, wann, wo und wie die behauptete Einigung zustande gekommen sei. Dass der Beklagte in naher Zukunft Zahlungen von Dritten erwartet habe, besage nicht, dass eine persönliche Zahlungsverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Zeugen J. vereinbart worden sei. Die von der Klägerin beantragte Vernehmung des beurkundenden Notars liefe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus, weil die Klägerin nicht vorgetragen habe, wann der Zeuge von welcher Partei mit welchen Informationen über den Inhalt der Vereinbarung versehen worden sei, die weshalb als klare Anweisung an den Notar zu verstehen sei, eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten in den notariellen Vertrag aufzunehmen. Einer Erhebung der angebotenen Beweise bedürfe es deshalb nicht.

III.

6
Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags überspannt und dabei wesentliche Punkte des Vortrags der Klägerin nicht berücksichtigt und nicht in seine Überlegungen mit einbezogen.
7
a) Es gehört zu den anerkannten Grundsätzen für die Auslegung einer Individualvereinbarung, dass zwar der Wortlaut einer Vereinbarung den Ausgangspunkt der Auslegung bildet, dass jedoch der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht (st.Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 20. Januar 1994 - VII ZR 174/92, NJW 1994, 1528 = WM 1994, 551, unter II 2 a = BGHR BGB § 131, Wille 13 m.w.Nachw.). Dies gilt selbst dann, wenn das übereinstimmende Verständnis in der erstellten Urkunde keinen Niederschlag gefunden hat (BGH, Urteil vom 19. Januar 2004 - II ZR 303/01, WM 2004, 627 = NJW-RR 2004, 630 unter II 2). Schon wegen des Vorrangs des (behaupteten) übereinstimmenden Parteiwillens hätte das Berufungsgericht den Beweisantrag der Klägerin nicht übergehen dürfen, zumal es den Wortlaut der Klausel selbst für nicht eindeutig gehalten hat.
8
b) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin Einzelheiten zum Verhandlungsverlauf vorgetragen hat, welche die von ihr vertretene Auslegung stützen.
9
So stellt der von der Klägerin behauptete Umstand, dass der Fälligkeitszeitpunkt (30. September 2001) von den Vertragsparteien gewählt worden sei, weil der Beklagte genau zu diesem Zeitpunkt einen Zahlungseingang - nämlich eine Kaufpreisrate aus einem Grundstücksverkauf - erwartet habe, ein wesentliches Indiz für die von der Klägerin vertretene Auslegung dar. Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, der Umstand, dass der Beklagte in naher Zukunft Zahlungen von Dritten erwartet habe, besage nichts darüber, dass die Parteien des Kaufvertrages eine persönliche Verpflichtung des Beklagten hätten vereinbaren wollen. Diese Argumentation zeigt, dass das Berufungsgericht den eigentlichen Vortrag der Klägerin, dass der Zahlungstermin bewusst auf die persönliche Liquidität des Beklagten abgestimmt gewesen sei, nicht zur Kenntnis genommen hat.
10
Das Berufungsgericht hat sich auch nicht mit dem Vortrag der Klägerin zur Reduzierung des ursprünglich geforderten Betrages von 60.000 DM auf 58.000 DM auseinandergesetzt. Insoweit hat die Klägerin zum Verlauf der Vertragsverhandlungen vorgetragen, der Zeuge J. habe ursprünglich eine Zahlung von 60.000 DM zur Abgeltung seiner entsprechenden Darlehensforderung gegen die Gesellschaft gefordert. Damit sei der Beklagte grundsätzlich auch einverstanden gewesen, habe aber mit dem Argument, dass er auf eine Gesamtschuld beider Zahlungen in der Größenordnung von etwa 4.500 bis 5.000 DM geleistet habe, eine Reduzierung auf 58.000 DM vorgeschlagen, was der Zeuge J. akzeptiert habe. So sei es zu der Vereinbarung gekommen. Auch dieser von der Klägerin behauptete Ablauf spricht für die Annahme, dass beide Vertragsparteien eine persönliche Verpflichtung des Beklagten begrün- den wollten und die vereinbarte Klausel in diesem Sinne verstanden haben. Da das Berufungsgericht dieses nahe liegende Indiz bei seiner Auslegung nicht erwähnt, muss auch insoweit davon ausgegangen werden, dass es die betreffenden Ausführungen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen hat. Darin liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin.
11
c) Das Urteil beruht auf dieser Grundrechtsverletzung; denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Auslegungsergebnis gekommen wäre, wenn es die vom Kläger (bzw. hinsichtlich des Notars von beiden Parteien) benannten Zeugen vernommen hätte.

IV.

12
Die Verletzung der Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Ball Dr.Frellesen Dr.Milger Dr.Hessel Dr.Koch
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 08.09.2004 - 6 O 169/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.05.2005 - 11 U 279/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 131 Wirksamwerden gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen


(1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. (2) Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Perso
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 131 Wirksamwerden gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen


(1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. (2) Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Perso

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Jan. 2004 - II ZR 303/01

bei uns veröffentlicht am 19.01.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 303/01 Verkündet am: 19. Januar 2004 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 611
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2006 - VIII ZR 141/05.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2014 - VIII ZR 302/13

bei uns veröffentlicht am 11.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZR 302/13 vom 11. November 2014 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1 E Von einer Beweiserhebung darf grundsätzlich nicht bereits deswegen

Referenzen

(1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht.

(2) Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt die Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihr zugeht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 303/01 Verkündet am:
19. Januar 2004
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Der Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds einer Sparkasse, in dem ihm für
die Zeit nach dem Ende seiner Tätigkeit "nach Maßgabe des Beamtenversorgungsgesetzes
Versorgung nach den für Beamte geltenden Vorschriften
gewährt" wird, enthält eine Vollverweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften
und begründet einen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld
erst mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze (Bestätigung von Sen.Urt. v.
3. Dezember 2001 - II ZR 372/99, WM 2002, 332).

b) Der Vortrag des Dienstverpflichteten, in den der Vertragsunterzeichnung vorangehenden
Verhandlungen sei verabredet worden, daß - entgegen dem
nach dem Wortlaut des Vertrages naheliegenden Verständnis - mit Rücksicht
auf eine im Sparkassenbereich verbreitete Übung ein Anspruch auf Altersruhegeld
nach beamtenrechtlichen Regeln sofort nach dem Ende der Amtszeit
bestehen solle, ist hinreichend substantiiert; es ist verfahrensfehlerhaft, diese
Prüfung mit dem Einwand abzulehnen, die Abrede finde im Wortlaut des
Vertrages keinen Niederschlag.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2004 - II ZR 303/01 - OLG Naumburg
LG Halle
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 19. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und
Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13. September 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 21. Februar 2001 auch insoweit zurückgewiesen worden ist, als die Klage auch für die Zeit ab 1. Oktober 1998 als unbegründet abgewiesen worden war.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war von 1968 bis Ende Februar 1992 im Rheinland als Bankangestellter tätig. Zum 1. März 1992 wechselte er im Alter von 40 Jahren nach Sachsen-Anhalt und trat bei der Kreissparkasse H. das Amt des Vorsitzenden des Vorstandes an. Nach dem Anstellungsvertrag vom 15. November 1991 sollte das Dienstverhältnis am 28. Februar 1997 enden, konnte aber um je fünf Jahre bis zu dem Zeitpunkt verlängert werden, zu dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete. Die Sparkasse war verpflichtet (§ 1 Abs. 2), dem Kläger spätestens sechs Monate vor Ablauf der Vertragszeit schriftlich mitzuteilen, ob er für eine weitere Periode wieder bestellt werde, der Kläger hatte binnen eines Monats nach Erhalt dieser Mitteilung schriftlich zu erklären, ob er die Wiederbestellung annehme. In dem Vertrag ist ferner bestimmt :
"§ 1... (3) Herr ... (Kläger) ist, sofern er am Tag der Beendigung der Vertragszeit das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verpflichtet, in eine rechtzeitig angebotene Wiederbestellung einzuwilligen, wenn die angebotenen Vertragsbedingungen nicht ungünstiger sind als die bisherigen; dabei gilt eine Verkürzung der Vertragszeit wegen Erreichung der Altersgrenze nicht als Verschlechterung der Vertragsbedingungen. ... § 7 Im Fall der Vereinigung der Sparkasse mit einer anderen Sparkasse oder mit mehreren anderen Sparkassen ist Herr... verpflichtet, bei der neuen Sparkasse die Aufgaben eines Vorsitzenden oder eines Vorstandsmitgliedes zu übernehmen. Dabei tritt eine Verschlechterung der übrigen Anstellungsbedingungen auch dann nicht ein, wenn er nicht mindestens entsprechend seiner bisherigen Funktion als geschäftsleitendes Vorstandsmitglied verwendet wird.

§ 8 (1) Dem Angestellten und seinen Hinterbliebenen wird nach Maßnahme [richtig: Maßgabe] des Beamtenversorgungsgesetzes Versorgung nach den für Beamte geltenden Vorschriften gewährt. (2) Ein Anspruch auf Versorgung besteht nicht bei Beendigung des Dienstverhältnisses (a) wenn ein Vertragsangebot nach § 1 Abs. 2 abgelehnt wurde, (b)... (3) Ruhegehaltsfähig ist der in §... vereinbarte Jahresbetrag des Jahresgehaltes ... (4) Neben den als Angestellter nach diesem Dienstvertrag verbrachten Dienstzeiten werden nach Maßgabe der für Zeitbeamte geltenden Vorschriften als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten berücksichtigt (a) ... (b) ... (c) ... (5) Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen werden nach Eintritt des Versorgungsfalles nach den für die Ruhestandsbeamten und ihre Hinterbliebenen geltenden Vorschriften gewährt." Im Zuge der kommunalen Gebietsreform in Sachsen-Anhalt waren mit Wirkung zum 1. Juli 1996 die Kreissparkassen H. und E. zu der Beklagten zusammengeschlossen worden. Bei der Wahl zum Vorsitzenden des Vorstandes des neuen Instituts am 25. Juni 1996 unterlag der Kläger einer Mit- bewerberin; er sollte darauf hin das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands bekleiden. Bereits vor der Fusion, nämlich am 18. April 1996 hatte der Verwaltungsrat der Kreissparkasse H. den Beschluß gefaßt, den Kläger für eine weitere Amtsperiode als Vorstandsvorsitzenden zu bestellen;
der Vorsitzende des Verwaltungsrates sollte die Einzelheiten des noch abzu- schließenden Dienstvertrages mit dem Kläger und dem Ostdeutschen Sparkassen - und Giroverband aushandeln. Dem Kläger, der bereits in dieser Sitzung mündlich die Annahme seiner Wiederbestellung erklärt hatte, übergab der Vorsitzende des Verwaltungsrates am 20. Juni 1996 einen von dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband erstellten Musterdienstvertrag mit der Bitte um Stellungnahme. Zu Verhandlungen über den Dienstvertrag kam es zwischen den Beteiligten jedoch erst nach der Fusion ab Mitte August 1996. Unter dem 2. September 1996 teilte der Kläger dem Landrat des Landkreises in seiner Eigenschaft als Vorsitzendem des Verwaltungsrates der Beklagten mit:
"Wie Ihnen bekannt ist, läuft mein Dienstvertrag Ende Februar 1997 aus. Der Dienstvertrag sieht vor, daß, soweit eine Verlängerung angestrebt wird, Sie mir spätestens 6 Monate vor Ablauf des Vertrages ein mindestens gleichwertiges Angebot unterbreiten müssen. Leider haben Sie mir in der vorgegebenen Frist kein adäquates Angebot unterbreitet. Somit läuft mein Dienstverhältnis unwiderruflich Ende Februar 1997 aus ..." Der neu gebildete Verwaltungsrat der Beklagten hob am 7. Januar 1997 den Wiederbestellungsbeschluß des entsprechenden Gremiums der früheren Kreissparkasse H. vom 18. April 1996 auf und berief den Kläger als Vorstandsmitglied der Beklagten mit Wirkung vom 1. März 1997 ab.
In einem als Urkundenprozeß betriebenen Rechtsstreit hat der Kläger mit den zuletzt gestellten Anträgen Zahlung seiner Versorgungsbezüge - hilfsweise gestaffelt nach unterschiedlichen Vomhundertsätzen seines letzten Gehalts - für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 30. September 1998 verlangt. Dieser Rechtsstreit ist durch Nichtannahmebeschluß des Senats vom 7. Februar 2000
(II ZR 310/98) zu Lasten des Klägers rechtskräftig entschieden worden. Mit der vorliegenden - während des Urkundenverfahrens zum Ruhen gebrachten - Klage hatte der Kläger zunächst auf Feststellung angetragen, daß ihm die Beklagte auch in der Zukunft Versorgungsbezüge zu leisten habe. Nach Aufnahme des ruhenden Verfahrens hat er für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 31. Dezember 1999 Zahlung rückständiger Versorgungsbezüge, ab 1. Januar 2000 laufende Versorgungsleistungen in Höhe von monatlich 13.323,01 DM und ferner die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm Versorgungsbezüge in Höhe von 59,8 % der vertraglich bestimmten und jeweils anzupassenden Bemessungsgrundlage zu leisten. Das Landgericht hat die Klage im wesentlichen abgewiesen, allerdings auf den Hilfsantrag - sinngemäß - festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger die nach dem BetrAVG unverfallbar gewordenen Versorgungsleistungen zu erbringen hat. Die Berufungen beider Parteien blieben erfolglos. Hiergegen hat der Kläger, soweit er durch das Urteil beschwert ist, Revision eingelegt. Er nimmt hin, daß die Vorinstanzen seine Klage als unzulässig abgewiesen haben, soweit sie die Versorgung für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis zum 30. September 1998 betrifft; im übrigen verfolgt er sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils begründet und führt unter Teilaufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
I. Zutreffend und ohne revisionsrechtlich relevante Fehler haben sowohl das Landgericht wie das Berufungsgericht angenommen, daß Gegenstand des
Vorprozesses allein Versorgungsansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis 30. September 1998 gewesen sind, so daß die rechtskräftige Abweisung der Klage im Urkundenprozeß einer gerichtlichen Geltendmachung von Versorgungsansprüchen für die Zeit ab 1. Oktober 1998, um die es nach der Beschränkung des Klagebegehrens in dritter Instanz allein noch geht, nicht entgegensteht.
II. 1. Erfolglos bleiben die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne schon nach dem Wortlaut des Dienstvertrages vom 15. November 1991 unmittelbar nach Auslaufen seiner Amtszeit als Mitglied des Vorstandes der Kreissparkasse H. bzw. der Beklagten als ihrer Rechtsnachfolgerin Altersruhegeld fordern. Die entsprechende Regelung in § 8 des als Muster vielfach in den neuen Bundesländern verwendeten Dienstvertrages hat das Berufungsgericht zutreffend und - wie auch die Revision nicht verkennt - in der Sache in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 3. Dezember 2001 - II ZR 372/99, WM 2002, 332 unter II. 1.) dahin ausgelegt, daß die Bezugnahme auf die beamtenrechtlichen Versorgungsregeln eine Vollverweisung enthält, der Begünstigte also nur Altersruhegeld beanspruchen kann, wenn er am Ende seiner Amtszeit die Regelaltersgrenze bereits erreicht hat. Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest.
2. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts , es brauche nicht über die Behauptung des Klägers Beweis zu erheben , es sei in den vor dem 15. November 1991 geführten Vertragsverhandlungen ausdrücklich verabredet worden, daß der Kläger - einer im Sparkassenbereich verbreiteten Übung folgend - unmittelbar nach Auslaufen einer Amtsperiode Anspruch auf Altersruhegeld nach beamtenrechtlichen Regeln haben solle. Zu Unrecht - im übrigen den Hinweis des in dem Urkundenprozeß ergangenen
Nichtannahmebeschlusses des Senats vom 7. Februar 2000 (II ZR 310/98) außer acht lassend - hält das Berufungsgericht diesen Vortrag für unsubstantiiert. Es überspannt, wie die Revision mit Recht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 6. November 2000 - II ZR 67/99, ZIP 2001, 28) geltend macht, die Anforderungen an den Vortrag einer Partei und setzt sich über den allgemeinen Grundsatz hinweg, daß Vertragsregelungen, die die Parteien übereinstimmend interpretieren, nicht nur dann gelten, wenn sie eine Falschbezeichnung enthalten, sondern auch dann, wenn dieses übereinstimmende Verständnis in der erstellten Urkunde keinen Niederschlag gefunden hat.
Davon abgesehen hat der Kläger - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen beide Vertragsteile die ihn im Vergleich zu Beamten besser stellende Versorgungsregelung vereinbart haben. Dies kann schon deswegen nicht als schlechthin nicht nachvollziehbar bewertet werden, weil der Wechsel des Klägers zu der Kreissparkasse H. für ihn zwar mit Chancen, aber auch mit nicht unerheblichen Risiken verbunden war: Es war schon 1991 absehbar, daß die kommunale Struktur und damit der Bestand der Kreissparkasse, in deren Dienst aus gesicherter Position in den alten Ländern der Kläger trat, auf längere Sicht den wirtschaftlichen und politischen Erfordernissen angepaßt werden mußte; vor diesem Hintergrund ist die Sonderregelung in § 7 des Dienstvertrages zu lesen. Hinzu kommt, daß Ende 1991 auch nicht absehbar war, ob sich die Menschen in den neuen Bundesländern auf Dauer mit der teilweise als bevormundend empfundenen Hilfe von aus Westdeutschland in die Leitungspositionen ostdeutscher Institutionen wechselnden Personen abfinden würden, ein Risiko, das sich für den Kläger bei seiner Kandidatur um den Vorstandsvorsitz der Beklagten verwirklicht hat. Schließlich hat das Berufungsgericht nicht beachtet, daß auch von dem Senat
Fälle entschieden worden sind, in denen unstreitig war, daß Vorstandsverträge zwischen einer Sparkasse und ihren Leitungsorganen mit ähnlichen Klauseln, wie sie hier zu beurteilen sind, sofort nach Beendigung der Amtszeit Altersruhegeldansprüche begründen sollten, obwohl die allgemeinen beamtenrechtlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt waren (vgl. z.B. Urt. v. 3. Juli 2000 - II ZR 381/98, ZIP 2000, 1452; ferner Urt. v. 3. Dezember 2001 aaO, unter II. 2.).
III. Die Sache bedarf danach der Teilaufhebung und Zurückverweisung, damit das Berufungsgericht nunmehr die gebotene Beweisaufnahme durchführen kann. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das auch insofern den Hinweis aus dem bereits erwähnten Nichtannahmebeschluß des Senats nicht aufgenommen hat, ist diese Klärung des Sachverhalts nicht deswegen entbehrlich, weil zu Lasten des Klägers der Ausschlußtatbestand des § 8 Abs. 2 lit. a) des Dienstvertrages eingriffe. Nach den für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden, im übrigen teilweise durch Urkunden belegten Sachvortrag des Klägers war er nicht gehalten, den ihm vorgelegten neuen Dienstvertrag zu akzeptieren und auf dessen Grundlage über den 1. März 1997 hinaus für die Beklagte als stellvertretender Vorstandsvorsitzender tätig zu werden. Die Bedingungen des neuen Dienstvertrages waren danach nämlich in mehrfacher Hinsicht ungünstiger als die des am 15. November 1991 geschlossenen Vertrages: Schon das neue Gehalt sollte um rund 20.000,00 DM unter der bisherigen Vergütung liegen und die Amtszeit von fünf auf sechs Jahre heraufgesetzt werden; Verschlechterungen sollten für den Kläger ferner dadurch eintreten , daß die Pflicht, eine Wiederbestellung anzunehmen, um ein Jahr (bis zum 63. Lebensjahr) verlängert werden und die Leistungszulage nicht mehr ruhegehaltsfähig sein sollte; schließlich sollten die Kündigungsregelungen zu Lasten
des Klägers geändert werden und die bisher eingeräumten Sonderkonditionen für Kreditgewährungen seitens der Beklagten entfallen.
Röhricht Goette Kraemer
Graf Strohn

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.