Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12

bei uns veröffentlicht am22.01.2014
vorgehend
Amtsgericht Pinneberg, 82 C 6/11, 26.01.2012
Landgericht Itzehoe, 9 S 27/12, 28.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 352/12 Verkündet am:
22. Januar 2014
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
vom
22. Januar 2014
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger
sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider

beschlossen:
Es soll erneut in die mündliche Verhandlung eingetreten werden.

Gründe:

1
Aufgrund der nach der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beratung haben sich für den Senat folgende bislang nicht (ausreichend) erörterte Fragen ergeben.
2
1. Im Urteil vom 26. September 2007 (VIII ZR 143/06, NJW 2007, 3632) hat der Senat Bedenken geäußert, ob eine Quotenabgeltungsklausel bei unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassener Wohnung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhält. Er hat diese Zweifel damit begründet, dass entweder- wenn der Mieter während der Mietzeit keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hat - sich am Ende der Mietzeit nicht feststellen lässt, in welchem Umfang die Abnutzung durch den Mieter selbst und wie weit sie durch den Vormieter herbeigeführt worden ist, oder der Mieter - wenn er im Laufe seiner Mietzeit renoviert hat - doppelt belastet wird, indem er zusätzlich zu dem Schönheitsreparaturaufwand eine Kostenquote zu tragen hat, obwohl beziehungsweise weil er die von ihm (jedenfalls auch zur Beseitigung der Abnutzung durch den Vormieter) vorgenommenen Dekorationsarbeiten noch nicht vollständig abgenutzt hat (Senatsurteil vom 26. September 2007 - VIII ZR 143/06, aaO Rn. 20).
3
Dahinter steht der Gedanke, dass es eine unangemessene Benachteiligung des Mieters darstellen könnte, wenn der Mieter die Kosten für die Beseitigung von Gebrauchsspuren (mit) zu tragen hat, die nicht er, sondern der Vormieter verursacht hat (Senatsurteil vom 26. September 2007 - VIII ZR 143/06, aaO Rn.17).
4
Wenn diese Bedenken - entgegen dem Rechtsentscheid des Senats vom 6. Juli 1988 (VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 84 ff.) - für durchgreifend erachtet würden, käme es im Streitfall darauf an, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert übergeben wurde. Zu dieser zwischen den Parteien streitigen Tatsache hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
5
Die dargestellte Argumentation könnte zur Folge haben, dass bei unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassener Wohnung - entgegen dem Rechtsentscheid des Senats vom 6. Juli 1988 (VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 79 ff.) - auch bereits die Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen als den Mieter unangemessen benachteiligend anzusehen wäre. Denn auch durch eine solche Klausel würde der Mieter zur Beseitigung von Gebrauchsspuren verpflichtet, die nicht er, sondern der Vormieter verursacht hat.
6
2. Unabhängig von den Erwägungen unter 1 stellt sich dem Senat die grundsätzliche Frage, ob Quotenabgeltungsklauseln der Inhaltskontrolle unter einem anderen Gesichtspunkt überhaupt standhalten können.
7
Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 26. September 2007 (VIII ZR 143/06, aaO Rn.15 ff.) im Anschluss an den Rechtsentscheid des Senats vom 6. Juli 1988 (VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 79 ff.) eine Quotenabgeltungsklausel über eine vom Vermieter renoviert überlassene Wohnung für unbedenklich gehalten, wenn sie eine Berücksichtigung des tatsächlichen Erhaltungszustands der Wohnung in der Weise ermöglicht, dass für die Berechnung der Quote das Verhältnis zwischen der Mietdauer seit Durchführung der letzten Schönheitsreparaturen und dem Zeitraum nach Durchführung der letzten Schönheitsreparaturen maßgeblich ist, nach dem bei einer hypothetischen Fortsetzung aufgrund des Wohnverhaltens des Mieters voraussichtlich Renovierungsbedarf bestünde (Senatsurteil vom 26. September 2007 - VIII ZR 143/06, aaO Rn. 17 f., 29).
8
Es ist jedoch fraglich, ob sich auf der Grundlage des tatsächlichen Zustands der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses eine realistische Feststellung dazu treffen lässt, welcher hypothetischen Nutzungsdauer bei "normaler" Nutzung der bei Beendigung des Mietverhältnisses bestehende Abnutzungsgrad der einzelnen Wohnräume entspricht und ob darüber hinaus eine empirische Prognose über den (hypothetischen) Zeitpunkt des voraussichtlich eintretenden Renovierungsbedarfs bei unterstellter Fortdauer des tatsächlichen Nutzungsverhaltens des Mieters zuverlässig möglich ist oder ob dies nicht vielmehr einer Fiktion gleichkommt. Darin könnte eine unangemessene Benachteiligung des Mieters gesehen werden. Auf die Frage, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert überlassen wurde, käme es dann nicht an.
9
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen sechs Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Neuer Termin zur mündlichen Verhandlung wird sodann von Amts wegen bestimmt werden. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Pinneberg, Entscheidung vom 26.01.2012 - 82 C 6/11 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 28.09.2012 - 9 S 27/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12 zitiert 1 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2007 - VIII ZR 143/06

bei uns veröffentlicht am 26.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 143/06 Verkündet am: 26. September 2007 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - VIII ZR 352/12.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. März 2015 - VIII ZR 242/13

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 242/13 Verkündet am: 18. März 2015 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BG

Bundesgerichtshof Urteil, 18. März 2015 - VIII ZR 185/14

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 185/14 Verkündet am: 18. März 2015 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGH

Amtsgericht Dortmund Urteil, 26. Aug. 2014 - 425 C 2787/14

bei uns veröffentlicht am 26.08.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 1.000,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewies

Referenzen

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Es kann deshalb offen bleiben, ob einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zu folgen ist, nach der bei unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnungen Quotenabgeltungsklauseln unzulässig sind (Schmidt- Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 538 Rdnr. 185 f.; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 2. Aufl., 1 E Rdnr. 9 ff.; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 535 Rdnr. 108; kritisch auch Börstinghaus , DWW 2005, 92, 93) oder ob jedenfalls andere Berechnungsmodelle geboten sind (Langenberg, WuM 2007, 231, 233 f.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (seit BGHZ 105, 71, 84 ff.) sind Quotenabgeltungsklauseln (auf flexibler Berechnungsgrundlage) grundsätzlich auch bei Vermietung einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung wirksam, wenn die für die Durchführung wie für die anteilige Abgeltung der Schönheitsreparaturen maßgeblichen Fristen nicht vor dem Anfang des Mietverhältnisses zu laufen beginnen (allgemein für die Zulässigkeit von Quotenabgeltungsklauseln auch MünchKommBGB/Schilling, 4. Aufl., § 535 Rdnr. 122; Lammel, Wohnraummietrecht , 3. Aufl., § 535 Rdnr. 192 ff.; Schmid/Harsch, Mietrecht, 2006, § 535 BGB Rdnr. 428; Schneider in Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, Stand Mai 2007, C § 535 Anhang 1 Rdnr. 99; Artz, aaO, S. 273 f.; Blank in: Anpassung der Wohnung an technische Standards - Wirtschaftlichkeitsgebot, 2006, S. 163, 177 ff.; Heinrichs, WuM 2005, 155, 162). Ob daran auch in Zukunft festzuhalten ist oder ob mit Rücksicht auf die inzwischen vom Senat zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters geforderte Flexibilisierung von Fristenplänen und Quotenabgeltungsbestimmungen im Hinblick auf die konkrete Abnutzung durch den Mieter eine Änderung der Rechtsprechung bezüglich unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassener Wohnungen geboten ist, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Für eine Änderung könnte sprechen, dass entweder - wenn der Mieter keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hat - sich am Ende der Mietzeit nicht feststellen lässt, in welchem Umfang die Abnutzung durch den Mieter selbst und wie weit sie durch den Vormieter herbeigeführt worden ist, oder der Mieter - wenn er im Laufe des Mietverhältnisses renoviert hat - doppelt belastet wird, indem er zusätzlich zu dem Schönheitsreparaturaufwand eine Kostenquote zu tragen hat, obwohl bzw. weil er die von ihm (jedenfalls auch zur Beseitigung der Abnutzung durch den Vormieter) vorgenommenen Dekorationsarbeiten noch nicht vollständig abgenutzt hat. Diesen Gesichtspunkten kommt jedoch im Fall einer - wie hier - dem Mieter renoviert übergebenen Wohnung keine Bedeutung zu (SchmidtFutterer /Langenberg, aaO, Rdnr. 192; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, aaO, Rdnr. 8).

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

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Es kann deshalb offen bleiben, ob einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zu folgen ist, nach der bei unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnungen Quotenabgeltungsklauseln unzulässig sind (Schmidt- Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 538 Rdnr. 185 f.; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 2. Aufl., 1 E Rdnr. 9 ff.; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 535 Rdnr. 108; kritisch auch Börstinghaus , DWW 2005, 92, 93) oder ob jedenfalls andere Berechnungsmodelle geboten sind (Langenberg, WuM 2007, 231, 233 f.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (seit BGHZ 105, 71, 84 ff.) sind Quotenabgeltungsklauseln (auf flexibler Berechnungsgrundlage) grundsätzlich auch bei Vermietung einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung wirksam, wenn die für die Durchführung wie für die anteilige Abgeltung der Schönheitsreparaturen maßgeblichen Fristen nicht vor dem Anfang des Mietverhältnisses zu laufen beginnen (allgemein für die Zulässigkeit von Quotenabgeltungsklauseln auch MünchKommBGB/Schilling, 4. Aufl., § 535 Rdnr. 122; Lammel, Wohnraummietrecht , 3. Aufl., § 535 Rdnr. 192 ff.; Schmid/Harsch, Mietrecht, 2006, § 535 BGB Rdnr. 428; Schneider in Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, Stand Mai 2007, C § 535 Anhang 1 Rdnr. 99; Artz, aaO, S. 273 f.; Blank in: Anpassung der Wohnung an technische Standards - Wirtschaftlichkeitsgebot, 2006, S. 163, 177 ff.; Heinrichs, WuM 2005, 155, 162). Ob daran auch in Zukunft festzuhalten ist oder ob mit Rücksicht auf die inzwischen vom Senat zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters geforderte Flexibilisierung von Fristenplänen und Quotenabgeltungsbestimmungen im Hinblick auf die konkrete Abnutzung durch den Mieter eine Änderung der Rechtsprechung bezüglich unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassener Wohnungen geboten ist, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Für eine Änderung könnte sprechen, dass entweder - wenn der Mieter keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hat - sich am Ende der Mietzeit nicht feststellen lässt, in welchem Umfang die Abnutzung durch den Mieter selbst und wie weit sie durch den Vormieter herbeigeführt worden ist, oder der Mieter - wenn er im Laufe des Mietverhältnisses renoviert hat - doppelt belastet wird, indem er zusätzlich zu dem Schönheitsreparaturaufwand eine Kostenquote zu tragen hat, obwohl bzw. weil er die von ihm (jedenfalls auch zur Beseitigung der Abnutzung durch den Vormieter) vorgenommenen Dekorationsarbeiten noch nicht vollständig abgenutzt hat. Diesen Gesichtspunkten kommt jedoch im Fall einer - wie hier - dem Mieter renoviert übergebenen Wohnung keine Bedeutung zu (SchmidtFutterer /Langenberg, aaO, Rdnr. 192; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, aaO, Rdnr. 8).