Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - XII ZB 161/09

bei uns veröffentlicht am29.09.2010
vorgehend
Amtsgericht Brake (Unterweser), 5 F 72/09, 22.06.2009
Oberlandesgericht Oldenburg, 14 UF 106/09, 10.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 161/09
vom
29. September 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1632; FGG (aF) § 20; FamFG § 59
Der Adressat eines nach § 1632 Abs. 2 BGB gerichtlich verhängten Kontaktverbots
ist berechtigt, eine Aufhebung des Verbots zu beantragen. Gegen eine die
Aufhebung ablehnende Entscheidung des Familiengerichts ist er auch beschwerdeberechtigt.
BGH, Beschluss vom 29. September 2010 - XII ZB 161/09 - OLG Oldenburg
AG Brake
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2010 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 14. Zivilsenats - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. August 1009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Das betroffene Kind ist heute siebzehn Jahre alt und lebt in einer Jugendhilfeeinrichtung.
2
Nachdem sich zwischen dem Kind und dem Antragsteller, ihrem damaligen Lehrer, eine Liebesbeziehung entwickelt hatte, erließ das Familiengericht auf den Antrag der Kindesmutter, der Antragsgegnerin, im Jahr 2007 ein Kontaktverbot. Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren beantragt, das Kontaktverbot aufzuheben und ihm zu gestatten, wieder Umgang mit dem Kind zu haben.
3
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die vom Antragsteller eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
5
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Beschwerde des Antragstellers sei unzulässig, weil er nicht in eigenen Rechten verletzt sei. Die Grenzen des kindlichen Umgangs zu regeln, gehöre zu den originären Rechten der sorgeberechtigten Personen. Das Kontaktverbot sei angesichts der Vorgeschichte weiterhin verständlich und vom Antragsteller zu akzeptieren. Ein eigenes Recht des Antragstellers könne sich nur aus dem gesetzlich geregelten Umgangsrecht ergeben. Er gehöre jedoch nicht zu dem in § 1685 Abs. 2 BGB genannten Personenkreis. Ein davon unabhängiges Recht, zu Dritten in Kontakt zu treten, gebe es nicht. Dass die Entscheidung sich mittelbar auf die Interessen des Antragstellers auswirke, genüge nicht, um die Verletzung subjektiver Rechte zu begründen.
6
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Das Verfahren richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch nach dem bis August 2009 geltenden Verfahrensrecht. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO (aF), § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig.
8
b) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts ist der Antragsteller beschwerdeberechtigt.
9
Nach § 20 Abs. 1 FGG aF steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die gerichtliche Maßnahme beeinträchtigt ist (ebenso § 59 Abs. 1 FamFG). Die Regelung des Umgangs betrifft nicht nur das Kind in seinem Verhältnis zu den sorgeberechtigten Eltern, sondern kann nach § 1632 Abs. 2 BGB ausdrücklich auch mit Wirkung gegen Dritte getroffen werden. Das hier ausgesprochene Kontaktverbot stellt eine solche Maßnahme dar. Weil dem Antragsteller durch den Ausgangsbeschluss der Kontakt zu dem Kind verboten worden ist, ist seine allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG eingeschränkt worden. Da es sich um ein dauerhaftes Verbot handelt, wirkt diese Maßnahme fort. Das Kontaktverbot ist insbesondere gegen den Antragsteller vollstreckbar (zur Vollstreckung vgl. BayObLG FamRZ 1995, 497, 498; Keidel /Zimmermann Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 33 Rn. 15). Dem Antragsteller , gegen den im Übrigen Vollstreckungsmaßnahmen verhängt worden sind, muss demnach neben der Beschwerdebefugnis gegen den Ausgangsbeschluss auch das Recht offenstehen, bei veränderter Sachlage eine Aufhebung des in seinen Rechtskreis eingreifenden Verbots zu erwirken. Daraus folgt auch eine entsprechende Beschwerdeberechtigung.
10
Die Erwägung des Oberlandesgerichts, der Antragsteller gehöre nicht zu den antragsberechtigten Personen für eine Umgangsregelung nach § 1685 BGB, trifft die Sache nicht. Denn das in Rede stehende Kontaktverbot geht über die Ablehnung einer Umgangsregelung nach § 1685 BGB hinaus. Sie versagt dem Antragsteller nicht lediglich eine von ihm erstrebte Umgangsregelung (zur Beschwerdeberechtigung in diesem Fall Senatsbeschluss vom 4. Juli 2001 - XII ZB 161/98 - FamRZ 2001, 1449; BayObLG FamRZ 1993, 1222), sondern verbietet ihm jeglichen Kontakt mit dem Kind und schränkt ihn - nicht zuletzt auch durch die drohende Vollstreckung - in seinen Rechten ein.
11
Da - wie ausgeführt - auch nichts anderes gelten kann, wenn es nicht um die erstmalige Anordnung eines Kontaktverbots geht, sondern der Antragsteller als von dem Verbot betroffener Dritter die Aufhebung des Verbots erstrebt, ist der Antragsteller nach § 20 FGG (aF) beschwerdeberechtigt (ebenso - ohne ausdrückliche Begründung - BayObLG FamRZ 1995, 497, 498; OLG Zweibrücken FamRZ 1989, 419; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2009, 810 zum gegen die Tochter einer Betreuten verhängten Kontaktverbot).
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter

Vorinstanzen:
AG Brake, Entscheidung vom 22.06.2009 - 5 F 72/09 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 10.08.2009 - 14 UF 106/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - XII ZB 161/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - XII ZB 161/09

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - XII ZB 161/09 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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FGG-Reformgesetz - FGG-RG | Art 111 Übergangsvorschrift


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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1632 Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Verbleibensanordnung bei Familienpflege


(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält. (2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung f

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1685 Umgang des Kindes mit anderen Bezugspersonen


(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. (2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (so

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2001 - XII ZB 161/98

bei uns veröffentlicht am 04.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 161/98 vom 4. Juli 2001 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 1685 Abs. 2; FGG § 20 Zur Beschwerdeberechtigung von Pflegeeltern im Falle der Anfechtung einer Entscheidung zu einem von ihnen
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - XII ZB 161/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2016 - XII ZB 47/15

bei uns veröffentlicht am 06.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 47/15 vom 6. Juli 2016 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 1666, 1666 a, 1626, 1684 a) Zu den Voraussetzungen einer Trennung des Kindes von den Eltern wegen erzie

Referenzen

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.

(2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(3) § 1684 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.

(2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(3) § 1684 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 161/98
vom
4. Juli 2001
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Beschwerdeberechtigung von Pflegeeltern im Falle der Anfechtung einer Entscheidung
zu einem von ihnen begehrten Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 2 BGB.
BGH, Beschluß vom 4. Juli 2001 - XII ZB 161/98 - OLG München
LG München
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2001 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Gerber, Prof. Dr.
Wagenitz und Fuchs

beschlossen:
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 19. November 1998 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Wert: 5.000 DM.

Gründe:

I.

Das betroffene Kind ist die 1988 nichtehelich geborene Tochter der Beteiligten zu 1 (im folgenden: Mutter). Letztere ist seit Mai 1991 verheiratet. Sie lebt mit ihrem Ehemann, zwei gemeinsamen Kindern und ihrer Tochter zusammen. Zum Vater des betroffenen Kindes bestehen keine persönlichen Beziehungen. Der Beschwerdeführer hat von März 1983 bis Juli 1986 mit der Mutter zusammengelebt. Er behauptet, er nehme für das Kind die Stellung eines "so-
zialen Vaters" ein, weil er es in dessen ersten Lebensjahren intensiv betreut habe. Er habe häufig in der Wohnung der Mutter übernachtet und sich tagsüber um das Kind gekümmert; während berufsbedingter Abwesenheiten der Mutter habe er das Kind bei sich, wiederholt auch zur Übernachtung, aufgenommen , so daß seine Wohnung zum zweiten Zuhause des Kindes geworden sei. Er habe sich am Aufbau eines Kinderladens beteiligt, in dem das Kind betreut worden sei. Der letzte persönliche Kontakt des Beschwerdeführers mit dem Kind fand im April 1993 statt. Seither wehrt sich der Beschwerdeführer gegen den Vorwurf, das Kind sexuell mißbraucht zu haben, und sucht Kontakt zu dem Kind. Am 23. April 1996 "beantragte" er, der Mutter das Sorgerecht für das Kind zu entziehen und es auf ihn zu übertragen, hilfsweise, ihm regelmäßigen Umgang mit dem Kind zu gestatten. Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - hat es abgelehnt, die verlangte Regelung zu treffen. Die dagegen erhobene Beschwerde ist mangels Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers verworfen, die weitere Beschwerde zurückgewiesen worden. Im vorliegenden Verfahren verlangt der Beschwerdeführer, der Mutter insoweit das Sorgerecht zu entziehen, als sie als Alleinsorgeberechtigte ihrer Verpflichtung, das Kind aufzuklären, daß es vom Beschwerdeführer nicht sexuell mißbraucht worden sei, nicht nachkomme, und als sie ihrer Verpflichtung zur Unterlassung aller Erklärungen und Handlungen gegenüber dem Kind und Dritten, die eine Unterstellung des Verdachts oder der Tatsache eines sexuellen Miß-
brauchs an dem Kind bedeuten oder beinhalten, nicht nachkomme , sowie dem Beschwerdeführer das Recht zu gewähren, die Aufklärung gegenüber dem Kind im Rahmen einer Wiederanbahnung durch die Einräumung einer Umgangsregelung selbst vornehmen zu können.
Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - hat mit Beschluß vom 22. Juli 1998 das Verfahren eingestellt; die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers.

II.

A.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 2 ZPO ohne Zulassung statthaft, weil das Beschwerdegericht die Erstbeschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen hat. Aus der Verwerfung seiner Beschwerde folgt zugleich die Befugnis des Beschwerdeführers zur Einlegung der weiteren Beschwerde. Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht eingelegt.

B.

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
1. Soweit sich die Erstbeschwerde dagegen wendet, daß das Amtsgericht die von dem Beschwerdeführer angeregte teilweise Entziehung des Sorgerechts nicht vorgenommen hat, ergibt sich deren Unzulässigkeit daraus, daß der Beschwerdeführer nicht Inhaber des Sorgerechts ist und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen kann, daß die elterliche Sorge auf ihn übertragen wird. Er ist daher nicht in einem eigenen Recht beeinträchtigt, § 20 FGG. Das Beschwerdegericht hat ferner eine Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG verneint, weil er kein berechtigtes Interesse habe, diese Angelegenheit wahrzunehmen. Ob das zutrifft, kann dahinstehen. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3, § 57 Abs. 2 FGG ist § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG in den Familiensachen nicht anzuwenden. Aufgrund von Art. 1 Nr. 17 und Art. 6 Nr. 14 des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2942: KindRG) sind Verfahren gemäß § 1666 BGB seit 1. Juli 1998 nicht mehr Vormundschafts- sondern Familiensachen, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 1666 BGB. In einer zur Familiensache gewordenen, bereits am 1. Juli 1998 anhängig gewesenen Vormundschaftssache ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung, die nach dem 1. Juli 1998 bekanntgemacht worden ist, nach den für Familiensachen geltenden Vorschriften zu beurteilen. Dies folgt bereits daraus, daß neues Verfahrensrecht mangels einschränkenden Übergangsrechts sofort anzuwenden ist (BT-Drucks. 13/4899, S. 144; Senatsbeschluß vom 6. Juli 1983 - IVb ZB 842/81 - FamRZ 1983, 1003, 1004). Die Fortgeltung des alten, das heißt für Rechtsmittel in Vormundschaftssachen maßgeblichen Verfahrensrechts ordnet Art. 15 § 1 Abs. 2 Satz 1 KindRG nur für Entscheidungen an, die schon vor dem 1. Juli 1998 bekanntgemacht worden sind. Aus Art. 15 § 1 Abs. 2 Satz 3 KindRG ergibt sich, daß in den früheren Vormundschaftssachen, die nach neuem Recht
gemäß § 621 Nr. 1, 2 ZPO Familiensachen sind, das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde gemäß § 621 e ZPO stattfindet. Damit ist zwangsläufig die Anwendung des den § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG ausschließenden § 64 Abs. 3 Satz 3 FGG verbunden, weil mit dieser Regelung der Eintritt der formellen Rechtskraft in Familiensachen, die der befristeten Beschwerde unterliegen, sichergestellt werden soll (vgl. Senatsbeschluß vom 23. September 1987 - IVb ZB 66/85 - FamRZ 1988, 54, 55). 2. Die Erstbeschwerde ist zu Recht auch insoweit als unzulässig verworfen worden, als sie sich gegen die Versagung einer Umgangsregelung richtet.
a) Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG verneint. § 64 Abs. 3 Satz 3 FGG schließt auch in den eine Umgangsregelung betreffenden Verfahren, die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 1685 Abs. 3, 1684 Abs. 3 BGB Familiensachen sind, die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG aus.
b) Der Beschwerdeführer hat auch keine Beschwerdeberechtigung gemäß §§ 20 FGG i.V.m. 1685 Abs. 2 BGB. aa) § 1685 Abs. 2 BGB in der seit 1. Juli 1998 gültigen und damit auch im vorliegenden Verfahren von dem Beschwerdegericht anzuwendenden Fassung (Künkel, FamRZ 1998, 877, 878) gibt dem Ehegatten oder früheren Ehegatten , mit dem das Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, und Personen, bei denen das Kind längere Zeit in Familienpflege war, ein Umgangsrecht , wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Der Gesetzgeber hat bewußt die Rechtsstellung dieses Personenkreises stärken wollen, während anderen Personen, selbst wenn ihr Umgang mit dem Kind dessen Wohl dienen
würde, den Umgang nur über § 1666 BGB erzwingen können (vgl. BR-Drucks. 180/96 S. 78 f.). Mit einem solchen ausdrücklich eingeräumten Recht ist zugleich die Beschwerdeberechtigung gemäß § 20 FGG gegen eine das Umgangsrecht beeinträchtigende Entscheidung verbunden. § 1685 BGB gleicht insoweit § 1711 BGB a.F.. Aus dieser Vorschrift wurde die Beschwerdeberechtigung gemäß § 20 FGG zugunsten des Vaters eines nichtehelichen Kindes gegen sein Umgangsrecht verneinende Entscheidungen abgeleitet (PalandtDiederichsen , 57. Aufl., § 1711 Rdn. 9; Göppinger, FamRZ 1970, 57, 68; Keidel/Kahl, FGG, 13. Aufl., § 20 Rdn. 66). Die Ansicht, das in § 1685 BGB ausdrücklich begründete Recht sei kein eigenes Recht des dort genannten Personenkreises, sondern in Wahrheit nur ein "Reflexrecht", weil das Kind selbst ein Recht auf den Umgang habe (Lipp FamRZ 1998, 65, 75), findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze und kann deshalb jedenfalls die aus § 1685 BGB abzuleitende Beschwerdeberechtigung gemäß § 20 FGG nicht in Frage stellen. Für die Beschwerdeberechtigung - die Zulässigkeit des Rechtsmittels - kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob einem Beschwerdeführer, der eine Umgangsregelung verlangt, tatsächlich ein Umgangsrecht zusteht (vgl. auch OLG Köln FamRZ 1998, 695). Sogenannte doppelt relevante Tatsachen, die zugleich für die Zulässigkeit und die Begründetheit eines Rechtsmittels maßgeblich sind, müssen für die Zulässigkeit nicht festgestellt werden. Die Begründetheit eines Rechtsmittels und die Zulässigkeit seiner sachlichen Prüfung müssen getrennt beurteilt werden. In den Fällen doppelt relevanter Tatsachen wird deshalb eine Beschwerdeberechtigung angenommen, wenn die Rechtsbeeinträchtigung möglich erscheint (Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 20 Rdn. 18; Kahl, Beschwerdeberechtigung und Beschwer, 1981, S. 106 f., 124 f.), nach anderer Ansicht wenn der Beschwerdeführer eine Rechtsbeeinträchtigung
schlüssig darlegt (Bassenge-Herbst, FGG, 8. Aufl., § 20 Rdn. 10; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 20 Rdn. 7; BayObLG FamRZ 1977, 141, 142; OLG Stuttgart OLGZ 1970, 419, 421). Welcher dieser Auffassungen zu folgen ist, ob insbesondere wegen des Begründungszwangs im Verfahren über die befristete Beschwerde in Familiensachen schlüssige Darlegung der Beschwerdeberechtigung erforderlich ist (vgl. dazu Kahl, aaO, S. 108, 110; Keidel/Kahl, aaO), kann hier offenbleiben. Unverzichtbar für eine Beschwerdeberechtigung ist jedenfalls , daß der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vortrag zu dem Personenkreis gehört, für den ein Umgangsrecht überhaupt in Frage kommt. Das ist vorliegend nicht der Fall. bb) Das Beschwerdegericht hat in diesem Zusammenhang zunächst ausgeführt, der Beschwerdeführer behaupte nicht, jemals in einer dauerhaften häuslichen Gemeinschaft mit dem betroffenen Kind gelebt zu haben. Ersichtlich hat das Beschwerdegericht damit nur auf die erste Alternative des § 1685 Abs. 2 BGB abgestellt. Danach kann dem Beschwerdeführer aber ein Umgangsrecht schon deshalb nicht zustehen, weil er mit der Mutter des betroffenen Kindes zu keiner Zeit verheiratet war. Das Beschwerdegericht hat sich außerdem die Ausführungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in dessen Beschluß vom 3. September 1997 (Ez FamR aktuell 1997, 371 ff. = NJWE-FER 1998, 323) zu eigen gemacht. Dort ist zur Rechtslage vor dem 1. Juli 1998 ausgeführt, dem Beschwerdeführer stehe selbst bei analoger Anwendung der §§ 1711, 1634, 1632 Abs. 4 BGB kein Umgangsrecht zu, weil sich das Kind bei ihm nicht in Familienpflege befunden habe. Ob diese Begründung richtig ist, hängt davon ab, wie weit der Begriff "Familienpflege" in § 1685 Abs. 2 BGB auszudehnen ist.
cc) Familienpflege bedeutet Pflege und Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen in einer anderen als seiner Herkunftsfamilie (vgl. Jans/Happe/ Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., KJHG, § 33 Rdn. 1, 10, 11, 16 bis 16 b), wobei die "andere" Familie auch eine Einzelperson sein kann (Staudinger -Salgo, 12. Aufl., BGB, § 1632 Rdn. 65). Im Sozialgesetzbuch VIII (SGB
8) werden unter dem Oberbegriff Familienpflege sowohl die Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB 8 wie auch die Tagespflege gemäß § 23 SGB 8, jedenfalls, soweit sie außerhalb der Herkunftsfamilie geleistet wird, wie § 44 SGB 8 zeigt (Jans/Happe/Saurbier, aaO, § 44 Rdn. 1, 2), zusammengefaßt. Soweit der Begriff Familienpflege in Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs Verwendung findet, ist er nicht identisch mit dem Umfang erlaubnispflichtiger Familienpflege im Sinne des § 44 SGB 8; die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, in denen dieser Begriff verwendet wird, geben lediglich Anhaltspunkte für seine Auslegung (vgl. RGRK-Wenz, 12. Aufl., BGB, § 1630 Rdn. 12). Für die Familienpflege im Sinne des § 1685 BGB genügt wie bei § 1630, 1632 Abs. 4 BGB (vgl. dazu Wenz aaO) jedes faktische Pflegeverhältnis familienähnlicher Art, gleichgültig ob ein Pflegevertrag oder eine etwa erforderliche Pflegeerlaubnis vorliegt. Allerdings kommt eine Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB und eine Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge gemäß § 1630 Abs. 3 BGB bei Kindern, die sich in Tagespflege befinden, kaum in Betracht (so Staudinger-Salgo aaO zur Verbleibensanordnung). Ob deshalb die Tagespflege bereits begrifflich aus dem Anwendungsbereich des § 1632 Abs. 4 BGB auszuschließen ist (vgl. die im wesentlichen auf Vollzeitpflege bezogene Definition bei MünchKomm-Hinz, 3. Aufl., § 1632 Rdn. 18, 19; Soergel-Strätz, 12. Aufl., § 1632 Rdn. 24; a.A. Salgo FamRZ 1999, 337, 340), kann hier unentschieden bleiben. Auch für eine Vertretungsbefugnis in Angelegenheiten des
täglichen Lebens gemäß § 1688 Abs. 1 BGB wird bei bloßer Tagespflege kein Anlaß bestehen (vgl. Salgo aaO S. 343). Daß diese Vorschriften vor allem die Vollzeitpflege meinen, folgt schon daraus, daß das Kind in der Familienpflege "leben" muß, eine Formulierung, die auf die Tagespflege, sei sie auch mit Übernachtungen des Kindes über mehrere Tage verbunden, deshalb nicht paßt, weil das Kind in solchen Fällen hauptsächlich in seiner (Herkunfts -)Familie "lebt". Wenn das Bürgerliche Gesetzbuch den Terminus "Familienpflege" in mehreren Bestimmungen verwendet, spricht vieles dafür, daß damit in allen diesen Bestimmungen derselbe Begriff gemeint ist. Es ist deshalb zumindest fraglich, ob der Begriff der Familienpflege in § 1685 Abs. 2 BGB weiter zu fassen ist als in den §§ 1630, 1632 Abs. 4, 1688 BGB und ob deshalb der Tagespflege im Rahmen des § 1685 Abs. 2 BGB eine weitreichendere Bedeutung zukommen kann als in den anderen Vorschriften. Diese Frage kann aber offenbleiben. Denn selbst wenn sich das Kind früher einmal in der Familienpflege des Beschwerdeführers befunden haben sollte, gehört der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vortrag jedenfalls heute nicht mehr zu dem Personenkreis, für den ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 2 BGB in Betracht kommen kann. § 1685 Abs. 2 BGB setzt für das Umgangsrecht von Stiefeltern und Pflegeeltern nämlich voraus, daß zwischen diesen Personen und dem Kind eine Vertrauensbeziehung besteht, deren Aufrechterhaltung der Umgang dienen soll (vgl. BR-Drucks. 180/96 S. 117). Kann von einer Aufrechterhaltung aber von vornherein nicht gesprochen werden, weil der Kontakt längst abgerissen ist, so muß daraus gefolgert werden, daß die Beschwerdeberechtigung in solchen Fällen nicht mehr besteht. Dem Zweck des Gesetzes, durch Begrenzung des Kreises der Umgangsberechtigten zu-
gleich die möglichen Verfahren zur Regelung des Umgangs zu begrenzen (BR-Drucks. 180/96 S. 79), würde es nicht entsprechen, wenn man ohne Rücksicht auf die Zeitabläufe bis zur Volljährigkeit des Kindes jede Person als beschwerdeberechtigt ansehen müßte, bei der das Kind zu einem früheren Zeitpunkt in Familienpflege war bzw. mit dem es in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Ob eine solche Einschränkung der Beschwerdeberechtigung auch gegenüber Verwandten des Kindes, insbesondere gegenüber einem Elternteil, angebracht wäre, mag zweifelhaft sein. Denn deren Umgangsrecht beruht nicht nur darauf, daß zwischen ihnen und dem Kind Bindungen existieren, sondern auch auf der Tatsache der biologischen Verwandtschaft bzw. dem Elternrecht (vgl. Staudinger-Peschel-Gutzeit, aaO, § 1634 Rdn. 14, 15). Dies kann hier aber offenbleiben. Daß ein solches Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer noch besteht, nachdem der letzte Kontakt 1993 stattgefunden hat, ist nach den Umständen ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht hat, wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, zu Recht berücksichtigt , daß das Kind seit mehreren Jahren in einer intakten Familiengemeinschaft aufwächst und sich seine örtlichen und sozialen Verhältnisse gewandelt haben. Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, daß von einer noch bestehenden Beziehung zu dem Kind nicht mehr gesprochen werden kann. Er verlangt jetzt eine Umgangsregelung nur noch zu einem dem Umgangsrecht fremden Zweck, nämlich dazu, das durch den Verdacht des sexuellen Mißbrauchs entstandene Mißtrauen des Kindes gegen ihn zu zerstreuen und dadurch Vertrauen wieder anzubahnen. Im Gegensatz zum Umgangsrecht von Verwandten des Kindes dient aber das Umgangsrecht der in § 1685 Abs. 2 BGB genannten Bezugspersonen des Kindes nur der Aufrechterhaltung gewachsener Bindungen, nicht deren erneuter Begründung. Schon gar nicht dient
das Umgangsrecht dem Ziel, gegen den Willen des Sorgeberechtigten einen bestimmten Einfluß auf das Kind auszuüben. Blumenröhr Hahne Gerber Wagenitz Fuchs