Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Okt. 2016 - XII ZB 246/16
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Oktober 2016 durch die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der im Jahre 1962 geborene Betroffene war bereits in den Jahren 2000 bis 2005 mehrfach wegen einer paranoiden Schizophrenie in stationärer Behandlung. Im November 2015 wurde das Amtsgericht über einen Polizeieinsatz in der Wohnung des Betroffenen informiert, bei dem festgestellt wurde, dass er dort eine offene Feuerstelle zum Kochen betrieb.
- 2
- Das Amtsgericht hat das Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie eingeholt , in dem eine chronische paranoide Schizophrenie diagnostiziert und die Einrichtung einer Betreuung empfohlen wird. Nachdem der Betroffene zu einem vom Amtsgericht bestimmten Anhörungstermin nicht erschienen war, hat das Amtsgericht einen Berufsbetreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden/ Versicherungen/Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen des übertragenen Aufgabenkreises bestellt und eine Überprüfungsfrist von zwei Jahren festgelegt.
- 3
- Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zunächst einen Anhörungstermin im Gericht bestimmt, zu dem der Betroffene - entsprechend seiner schriftlichen Ankündigung - nicht erschienen ist. Daraufhin hat die Beschwerdekammer den Berichterstatter mit der Anhörung beauftragt, der einen Anhörungstermin in der Wohnung des Betroffenen bestimmt hat. Bei diesem ist der Betroffene - wiederum schriftlicher Ankündigung entsprechend - nicht angetroffen worden. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen anschließend zurückgewiesen.
- 4
- Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie macht zu Recht geltend, dass das Landgericht die Beschwerde nicht ohne Anhörung des Betroffenen zurückweisen durfte.
- 6
- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bei dem Betroffenen lägen ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen , welche sich das Gericht vollumfänglich zu Eigen mache, die medizinischen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung vor. Von einer "Unbetreubarkeit" sei nicht auszugehen. Über die Beschwerde habe auch ohne Anhörung des Betroffenen entschieden werden können. Dieser sei trotz des Hinweises in den Terminsladungen, dass bei unentschuldigtem Ausbleiben ohne seine persönliche Anhörung entschieden werden könne, unentschuldigt nicht erschienen. Eine Vorführung sei unverhältnismäßig. Der Betroffene habe schriftlich deutlich gemacht, dass er eine Betreuung nur deshalb nicht wünsche, weil er aus seiner Sicht nicht unter einer psychischen Krankheit leide. Zu einer Änderung dieser Einschätzung sei er krankheitsbedingt nicht in der Lage. In Anbetracht dessen sei der von einer Anhörung zu erwartende Erkenntnisgewinn derart gering, dass eine Vorführung des Betroffenen und der damit verbundene Eingriff in seine Freiheitsrechte hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stünden.
- 7
- 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 8
- a) Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Allerdings darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, was das Landgericht auch erkannt hat.
- 9
- Zwar kann das Betreuungsgericht in bestimmten Fallkonstellationen das Verfahren nach § 34 Abs. 3 FamFG ohne persönliche Anhörung des Betroffenen beenden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Anwendung dieser Vorschrift auch im Anwendungsbereich von § 278 FamFG nicht ausgeschlossen (Senatsbeschlüsse vom 26. November 2014 - XII ZB 405/14 - FamRZ 2015, 485 Rn. 5 und vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 11 ff.). Da die Anhörung in Betreuungssachen aber nicht nur der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern auch der Sachverhaltsaufklärung dient, darf das Betreuungsgericht grundsätzlich nur nach § 34 Abs. 3 FamFG verfahren, wenn und soweit die gemäß § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG zu Gebote stehende Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig ist und zudem alle zwanglosen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den Betroffenen anzuhören bzw. sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (Senatsbeschlüsse vom 26. November 2014 - XII ZB 405/14 - FamRZ 2015, 485 Rn. 5 und vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 16 ff.).
- 10
- b) Diesen Anforderungen genügt das Verfahren des Beschwerdegerichts nicht. Zwar hat das Landgericht nach dem Nichterscheinen des Betroffenen zu der im Gerichtsgebäude vorgesehenen Anhörung einen Termin zur Anhörung in der Wohnung des Betroffenen bestimmt und damit auch einen Versuch unternommen , ihn nach § 278 Abs. 1 Satz 3 FamFG in seiner üblichen Umgebung anzuhören. Trotz des unentschuldigten Ausbleibens des Betroffenen bei diesem Termin durfte das Landgericht aber noch nicht in der Sache entscheiden. Die Annahme des Landgerichts, eine Vorführung des Betroffenen zur Anhörung nach § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG sei unverhältnismäßig, ist rechtsfehlerhaft.
- 11
- Das Landgericht hat die Unverhältnismäßigkeit allein daraus abgeleitet, dass der von der Anhörung zu erwartende Erkenntnisgewinn gering sei. Damit hat es aus dem Sachverständigengutachten, dessen kritischer Prüfung der in der persönlichen Anhörung gewonnene Eindruck des Richters im Rahmen des § 26 FamFG unter anderem dient, darauf geschlossen, dass die zwangsweise Durchsetzung dieser Prüfung vorliegend nicht verhältnismäßig sei. Mit dieser Begründung wäre eine Anhörung zu der nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG verbindlich angeordneten Vorführung in den wenigsten Fällen eines unentschuldigten Ausbleibens des Betroffenen angezeigt. Das ist jedoch unvereinbar damit, dass der Verzicht auf die persönliche Anhörung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 FamFG im Rahmen des § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleibt.
- 12
- Das Landgericht hätte vielmehr die Vorführung des Betroffenen und deren zwangsweise Vollziehung ins Verhältnis zum Verfahrensgegenstand setzen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 2788 Rn. 16). Nachdem es um eine Betreuung ging, die weite Lebensbereiche des Betroffenen abdeckt, wäre die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn von der Vorführung und deren Durchsetzung gemäß § 278 Abs. 6 und 7 FamFG sonstige negative Folgen erheblichen Ausmaßes für den Betroffenen zu erwarten gewesen wären. Zu denken ist hier insbesondere an die sachverständig festgestellte Gefahr, dass es durch die Vorführung zu erheblichen Nachteilen für die Gesundheit des Betroffenen käme (vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 278 Rn. 26). Derartiges ist aber weder festgestellt noch anderweitig ersichtlich.
- 13
- Damit hat das Landgericht nicht alle zu Gebote stehenden Mittel genutzt, um die zur Sachverhaltsaufklärung erforderliche Anhörung zu ermöglichen.
- 14
- 3. Da sich nicht ausschließen lässt, dass das Landgericht nach Anhörung des Betroffenen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nun die Anhörung des Betroffenen durchzuführen und darüber hinaus zu überprüfen haben, ob dem Betroffenen nach § 276 FamFG zur Wahrnehmung seiner Interessen ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 16. März 2016 - XII ZB 203/14 - NJW 2016, 1828 Rn. 8 f. mwN). Die vom Amtsgericht angestellte Erwägung, von der Be- stellung werde abgesehen, weil für den Betroffenen ein Rechtsanwalt zum Betreuer bestellt werde, ist rechtlich jedenfalls nicht tragfähig.
- 15
- Die weiteren von der Rechtsbeschwerde erhobenen verfahrens- und materiell -rechtlichen Rügen sind hingegen unbegründet. Von einer Begründung wird insoweit nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre , zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Vorinstanzen:
AG Worms, Entscheidung vom 26.01.2016 - 41 XVII 533/15 -
LG Mainz, Entscheidung vom 10.05.2016 - 8 T 43/16 -
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(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,
- 1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder - 2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.
(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.
(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,
- 1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder - 2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.
(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.
(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.
(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,
- 1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder - 2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.
(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.
(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,
- 1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder - 2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.
(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.
(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.
(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn
- 1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder - 2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.
(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.
(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.
(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.
(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.
(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.
(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.
(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.
Tenor
-
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. März 2014 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
-
Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe
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I.
- 1
-
Das Amtsgericht hat für die inzwischen 84-jährige Betroffene eine Betreuung für die Aufgabenkreise Widerruf der Vollmacht, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Wohnungsangelegenheiten, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und der Entscheidung über den Fernmeldeverkehr eingerichtet. Für den Bereich der Vermögenssorge hat es einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet.
- 2
-
Anlass für die Einrichtung der Betreuung war die Überlassung eines Geldbetrages in Höhe von 11.300 € seitens der Betroffenen an einen ihr nur flüchtig bekannten jungen Mann. Zur Betreuerin ist eine ihrer Töchter, die Beteiligte zu 3, bestellt worden. Die Betroffene, die die Betreuung ablehnt, hatte einer weiteren Tochter, der Beteiligten zu 1, am 16. Oktober 2011 eine Vorsorgevollmacht für Gesundheits- und Aufenthaltsangelegenheiten erteilt.
- 3
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Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Betreuerin weiterhin die Aufhebung der Betreuung.
-
II.
- 4
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Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
- 5
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Nach dem Gutachten des Sachverständigen Z. leide die Betroffene an einer psychischen Erkrankung in Form einer leicht- bis mittelgradigen vaskulären Demenz. Zu einer freien Willensbestimmung sei sie nicht in der Lage. Die Vorsorgevollmacht stehe einer Betreuung auch für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung nicht entgegen, denn die Beteiligte zu 1 lehne eine Tätigkeit als Vorsorgebevollmächtigte ab, falls die Beteiligte zu 3 die Betreuung übernehme. Um widersprechende Handlungen der Bevollmächtigten und der Betreuerin zu vermeiden, sei der Widerruf der Vorsorgevollmacht erforderlich. Demzufolge sei der entsprechende Aufgabenkreis zu Recht in die Betreuung aufgenommen worden. Von einer erneuten Anhörung der Betroffenen könne abgesehen werden, da diese von dem Amtsgericht durchgeführt worden sei und aufgrund der Kürze der Zeit sowie der Erkrankung der Betroffenen neue Erkenntnisse nicht zu erwarten seien.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers verfahrensfehlerhaft unterblieben ist.
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aa) Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf ist. Gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG kann von der Bestellung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die Nichtbestellung zu begründen. Dabei unterfällt es der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen worden ist (Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2014 - XII ZB 289/13 - FamRZ 2014, 648 Rn. 6 f.; vom 7. August 2013 - XII ZB 223/13 - FamRZ 2013, 1648 Rn. 10; vom 28. September 2011 - XII ZB 16/11 - FamRZ 2011, 1866 Rn. 8 und vom 4. August 2010 - XII ZB 167/10 - FamRZ 2010, 1648 Rn. 9 f.).
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bb) Nach diesen Maßgaben ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Für einen in diesem Sinne umfassenden Verfahrensgegenstand spricht, dass die Betreuung auf einen Aufgabenkreis erstreckt wird, der in seiner Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Betroffenen umfasst. Selbst wenn dem Betroffenen nach der Entscheidung letztlich einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung verblieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der Bestellung eines Verfahrenspflegers, wenn die verbliebenen Befugnisse dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspielraum belassen (Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2014 - XII ZB 289/13 - FamRZ 2014, 648 Rn. 6; vom 7. August 2013 - XII ZB 223/13 - FamRZ 2013, 1648 Rn. 11; vom 28. September 2011 - XII ZB 16/11 - FamRZ 2011, 1866 Rn. 9 und vom 4. August 2010 - XII ZB 167/10 - FamRZ 2010, 1648 Rn. 13).
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cc) Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall das Regelbeispiel gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG erfüllt, wie bereits der Blick auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis verdeutlicht. Die Betreuerin hat in allen wesentlichen Lebensbereichen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensgestaltung der Betroffenen.
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dd) Da die Interessen der Betroffenen im Betreuungsverfahren nicht von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 276 Abs. 4 FamFG vertreten worden sind, hätte nach § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG nur unter den bereits genannten Voraussetzungen von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen werden können. Eine Verfahrenspflegschaft ist nur dann nicht anzuordnen, wenn sie nach den gegebenen Umständen einen rein formalen Charakter hätte (Senatsbeschlüsse vom 7. August 2013 - XII ZB 223/13 - FamRZ 2013, 1648 Rn. 13; vom 28. September 2011 - XII ZB 16/11 - FamRZ 2011, 1866 Rn. 13 und vom 4. August 2010 - XII ZB 167/10 - FamRZ 2010, 1648 Rn. 15). Ob es sich um einen solchen Ausnahmefall handelt, ist anhand der gemäß § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorgeschriebenen Begründung zu beurteilen.
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ee) Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass der angefochtene Beschluss des Landgerichts - wie bereits die Entscheidung des Amtsgerichts - eine Begründung für die unterbliebene Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht enthält. Deshalb lässt sich weder feststellen, aus welchen Erwägungen von der Anordnung einer Verfahrenspflegschaft abgesehen worden ist, noch dass diese Entscheidung ermessensfehlerfrei zustande gekommen wäre. Der angefochtene Beschluss ist demzufolge verfahrensfehlerhaft ergangen.
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b) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf dem Verfahrensfehler. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass das Beschwerdegericht nach Hinzuziehung eines Verfahrenspflegers aufgrund dessen Stellungnahme zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
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3. Deshalb ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses wird einen Verfahrenspfleger zu bestellen und nach dessen Stellungnahme erneut zu entscheiden haben.
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4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, ist die Übertragung des Aufgabenkreises Widerruf der Vollmacht auf eine (Kontroll-)Betreuerin an besondere Voraussetzungen geknüpft, die insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen (Senatsbeschlüsse vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 14 ff. und vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 33 ff.). Mit diesen Voraussetzungen wird sich das Landgericht ebenfalls auseinanderzusetzen haben.
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5. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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Dose Weber-Monecke Klinkhammer
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Günter Guhling
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.