Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 27. Juli 2017 - I ZR 228/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:270717BIZR228.15.0
bei uns veröffentlicht am27.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Lassen die Vorschriften des Unionsrechts zu den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte gemäß Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG Umsetzungsspielräume im nationalen Recht?

2. In welcher Weise sind bei der Bestimmung der Reichweite der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen?

3. Können die Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) oder der Pressefreiheit (Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke außerhalb der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen rechtfertigen?

4. Ist die öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internetportal eines Presseunternehmens bereits deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG anzusehen, weil es dem Presseunternehmen möglich und zumutbar war, vor der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke des Urhebers seine Zustimmung einzuholen?

5. Fehlt es an einer Veröffentlichung zum Zwecke des Zitats gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG, wenn zitierte Textwerke oder Teile davon nicht - beispielsweise durch Einrückungen oder Fußnoten - untrennbar in den neuen Text eingebunden werden, sondern im Internet im Wege der Verlinkung als neben dem neuen Text selbständig abrufbare PDF-Dateien öffentlich zugänglich gemacht werden?

6. Ist bei der Frage, wann ein Werk im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, darauf abzustellen, ob dieses Werk in seiner konkreten Gestalt bereits zuvor mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht war?

Gründe

1

A. Der Kläger ist seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestags und gehört der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Er ist Verfasser eines fünfzehnseitigen Manuskripts mit dem Titel "Reformistischer Aufbruch und Abschied von einer 'radikalen' Forderung - Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexual-(Strafrechts-)Politik". Darin trat er für eine teilweise Entkriminalisierung von gewaltfreien sexuellen Handlungen Erwachsener an Kindern ein, wandte sich aber zugleich gegen eine vollständige Abschaffung des Sexualstrafrechts oder auch nur der Vorschrift des § 176 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern). Der Aufsatz wurde 1988 als Gastbeitrag in dem als Sammelband erschienenen Buch "Der pädosexuelle Komplex" des Herausgebers H. unter dessen Pseudonym "Angelo Leopardi" publiziert. Statt des ursprünglichen Titels trug der Buchbeitrag den Titel "Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik". Ferner wurde die im Manuskript enthaltene Zwischenüberschrift "Möglichkeiten und Strategien einer neuen Sexual-(Strafrechts-)Politik - auch für den Bereich der Pädosexualität" durch die Zwischenüberschrift "Wie kann man das Sexualstrafrecht verändern?" im Buchbeitrag ersetzt sowie ein Satz geringfügig gekürzt. Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber, die ohne seine Zustimmung vorgenommenen Eingriffe in den Text und die Überschriften hätten den Tenor seines Artikels verändert, und forderte ihn vergeblich auf, dies durch einen Vermerk des Verlags bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen.

2

In den Folgejahren wurde der Kläger mehrfach kritisch mit den Aussagen des Buchbeitrags konfrontiert. Er erklärte daraufhin wiederholt, sein Manuskript sei durch den Herausgeber im Sinn verfälscht worden, weil dieser die zentrale Aussage - die Abkehr von der seinerzeit insbesondere in der Homosexuellenbewegung verbreiteten Forderung nach Abschaffung des Sexualstrafrechts bzw. der Straftatbestände der §§ 174, 176 StGB - wegredigiert habe. Spätestens seit dem Jahr 1993 distanzierte sich der Kläger vollständig vom Inhalt seines Aufsatzes.

3

Im Jahr 2013 wurde bei Recherchen im Archiv der Heinrich-Böll-Stiftung das Manuskript des Klägers aufgefunden und am 17. September 2013 dem für die am 22. September 2013 stattfindende Bundestagswahl kandidierenden Kläger vorgelegt. Der Kläger stellte das Dokument am folgenden Tag verschiedenen Zeitungsredaktionen als Nachweis zur Verfügung, dass es für den Buchbeitrag verändert worden war. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er hingegen nicht zu. Stattdessen stellte er am 20. September 2013 das Manuskript und den Buchbeitrag selbst wie nachfolgend auszugsweise abgebildet auf seiner Internetseite zum Abruf bereit, und zwar mit der auf jeder Seite schräg angebrachten Aufschrift "ICH DISTANZIERE MICH VON DIESEM BEITRAG. VOLKER BECK".

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Auf den Seiten des Buchbeitrags fand sich zusätzlich der Aufdruck "DIESER TEXT IST NICHT AUTORISIERT UND DURCH FREIE REDIGIERUNG IN ÜBERSCHRIFT UND TEXTTEILEN DURCH HRSG. VERFÄLSCHT."

5

Die Beklagte betreibt das Nachrichten-Internetportal "SPIEGEL ONLINE". Sie veröffentlichte am 20. September 2013 unter der Überschrift "Grüne: Volker Beck täuschte Öffentlichkeit über Pädophilie-Text" einen Beitrag, in dem die Autorin ausführte, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Sein umstrittener Text über Sex zwischen Kindern und Erwachsenen sei nach Spiegel-Recherchen doch nicht vom Herausgeber inhaltlich verfälscht worden, wie der Kläger stets behauptet habe. Er habe in seinem Buchbeitrag geschrieben: "Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustands ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich." Gegen Angriffe wegen des Beitrags habe er sich mehrfach mit dem Argument verteidigt, der Text sei vom Herausgeber durch das Ändern der Überschrift im Sinn verfälscht worden. Der Vergleich des nunmehr aufgefundenen Manuskripts und des Buchbeitrags zeige allerdings, dass die zentrale Aussage des Klägers im Gastbeitrag noch enthalten und durch die Änderungen des Herausgebers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Nach Einsicht in das Manuskript beharre der Kläger immer noch auf seiner Aussage, der Herausgeber habe den Sinn des Texts durch das Ändern der Überschrift entstellt.

6

Neben dem Artikel waren unter der Überschrift "PDF-Download" die Ursprungsfassungen des Manuskripts und des Buchbeitrags als PDF-Dateien hinterlegt und konnten über einen elektronischen Verweis (Link) abgerufen werden. Zwei weitere Links zu PDF-Dateien mit den vollständigen Dokumenten fanden sich im Anschluss an den Artikel unter der Überschrift "Mehr auf SPIEGEL ONLINE".

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Die Online-Publikation ist aus den nachfolgend eingeblendeten Screenshots ersichtlich:

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8

Der Kläger beanstandet die Bereitstellung der vollständigen Texte auf der Internetseite der Beklagten als Verletzung seines Urheberrechts und seines Urheberpersönlichkeitsrechts. Er ließ die Beklagte mit Rechtsanwaltsschreiben vom 20. September 2013 erfolglos abmahnen und verwies sie auf die Möglichkeit, auf seine Homepage und die dort bereitgestellten Texte zu verlinken.

9

Der Kläger hat mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,

es zu unterlassen, die Texte des Klägers

"Reformistischer Aufbruch und Abschied von einer `radikalen´ Forderung - Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexual-(Strafrechts-)Politik"

und/oder

"Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik" (in: "Der pädosexuelle Komplex", Herausgeber: Angelo Leopardi)

wie in den Anlagen 2 und 3 [Ursprungsfassungen des Manuskripts und des Buchbeitrags] wiedergegeben ohne Einwilligung des Klägers über www.spiegel.de öffentlich zugänglich zu machen.

10

Ferner hat der Kläger von der Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 1.000 € nebst Zinsen (Klageantrag zu Ziffer 2) sowie die Freistellung von Anwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 562,16 € und für ein Abschlussschreiben in Höhe von 1.100,51 €, mithin insgesamt 1.662,67 € (Klageantrag zu Ziffer 3), verlangt.

11

Das Landgericht hat die Beklagte - bis auf einen geringen Teil des Freistellungsantrags - antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollumfängliche Abweisung der Klage weiter.

12

B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ab. Vor einer Entscheidung über die Revision der Beklagten ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

13

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei in dem zuerkannten Umfang begründet, weil die Beklagte das Urheberrecht des Klägers an den streitgegenständlichen Texten verletzt habe. Dazu hat es ausgeführt:

14

Das Manuskript und die Buchfassung stellten urheberrechtsfähige Schriften dar. Durch die Bereitstellung der Texte auf ihrer Internetseite habe die Beklagte in das dem Kläger als Urheber zustehende ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eingegriffen. Der Eingriff sei widerrechtlich geschehen. Weder habe der Kläger der öffentlichen Zugänglichmachung zugestimmt noch sei diese durch eine urheberrechtliche Schrankenbestimmung gerechtfertigt. Die Wiedergabe der Dokumente sei nicht als Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG gedeckt, weil die Texte nicht im Zuge eines Tagesereignisses, das Gegenstand der Berichterstattung der Beklagten gewesen sei, wahrnehmbar geworden seien. Die Voraussetzungen für ein Zitatrecht nach § 51 UrhG lägen ebenfalls nicht vor. Der Zitatzweck sei überschritten. Die Autorin der Beklagten habe die Werke des Klägers nicht als Beleg einer eigenständig begründeten Ansicht mitgeteilt, weil sie sich nicht argumentativ mit den Werken auseinandergesetzt habe. Zudem sei das Zitatrecht überschritten worden, weil die Beklagte die Dokumente nicht nur auszugsweise, sondern vollständig bereitgestellt habe, und zwar in einer selbständigen, unabhängig von der Berichterstattung aufrufbaren Form von PDF-Dateien. Die grundrechtlich geschützte Presse- und Meinungsfreiheit der Beklagten könne bei verfassungskonformer Auslegung der gesetzlichen Schrankenregelungen keine weitergehende Beschränkung des Urheberrechts des Klägers rechtfertigen. Als Urheber bleibe ihm die Entscheidung vorbehalten, sich wegen seiner geänderten Überzeugung gegen eine Verwertung des (unveränderten) Texts als Online-Publikation zu entscheiden. Die Beklagte hätte ihrer Aufgabe als Presseorgan dadurch hinreichend nachkommen können, dass sie sich im Wege der Gegenüberstellung der geänderten Überschriften und der Aussagen der unveränderten Passagen mit den Äußerungen des Klägers und der Wandlung seiner politischen Überzeugung kritisch auseinandergesetzt hätte. Im Übrigen habe die Möglichkeit bestanden, auf die Veröffentlichung der vollständigen Werke auf der Webseite des Klägers hinzuweisen und darauf zu verlinken.

15

II. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG), Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 Satz 1 und 3 UrhG) und Freistellung von den Kosten für die anwaltliche Abmahnung (§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG in der Fassung vom 7. Juli 2008, § 257 BGB) und für das Abschlussschreiben (§§ 677, 683, 670, 257 BGB) setzen voraus, dass die Beklagte durch die Bereitstellung des Manuskripts und des Buchbeitrags in ihrem Internetportal das Urheberrecht des Klägers widerrechtlich und - soweit der Schadensersatzanspruch in Rede steht - auch schuldhaft verletzt hat.

16

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Manuskript und der Buchbeitrag als Schriftwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sind und ihre Bereitstellung auf der Internetseite der Beklagten einen Eingriff in das dem Kläger als Urheber ausschließlich zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung darstellt (§ 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a UrhG).

17

III. Im Zusammenhang mit der Frage, ob dieser Eingriff in das Urheberrecht des Klägers gerechtfertigt ist, stellen sich Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG, die nicht zweifelsfrei zu beantworten sind.

18

1. Das im Streitfall betroffene Veröffentlichungsrecht des Urhebers (§ 12 UrhG) liegt als Urheberpersönlichkeitsrecht zwar außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2001/29/EG). Die hier in Rede stehenden ausschließlichen Rechte des Urhebers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) seines Werkes sind dagegen durch die Richtlinie 2001/29/EG auf Unionsebene harmonisiert. Darüber hinaus regelt die Richtlinie 2001/29/EG die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf die von ihr erfassten Verwertungsrechte und so auch in Bezug auf das Recht des Urhebers zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung seines Werkes für dessen Nutzung in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse (Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG) und für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen (Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG). Die im deutschen Recht vorgesehenen Schranken des Rechts des Urhebers zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG) seines Werkes zur Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) oder zum Zwecke des Zitats (§ 51 UrhG) beruhen auf diesen Bestimmungen der Richtlinie 2001/29/EG und sind daher richtlinienkonform auszulegen.

19

2. Es stellt sich die Frage, ob eine widerrechtliche Verletzung des ausschließlichen Rechts des Klägers zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung des Manuskripts und des Buchbeitrags ausscheidet, weil die hier allein in Betracht kommenden Schrankenregelungen der Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG (§§ 50, 51 UrhG) im Lichte der im Streitfall betroffenen Grundrechte und Interessen auszulegen und anzuwenden sind, und die von der Beklagten geltend gemachte Behinderung der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit durch das Urheberrecht an den Texten des Klägers schwerer wiegt als der Schutz der Interessen des Klägers.

20

Die Revision macht insoweit geltend, die Schrankenregelungen der Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts seien im Falle der Veröffentlichung von Texten eines Politikers auf der Internetseite eines Presseorgans extensiv auszulegen, wenn diese Veröffentlichung - wie im Streitfall - dem Zweck diene, die Öffentlichkeit über die Frage des Wandels von politischen Überzeugungen eines im Wahlkampf befindlichen Politikers zu informieren, die eine die Öffentlichkeit besonders interessierende Frage betreffen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - der Kläger eine wirtschaftliche Auswertung seiner Texte nicht mehr anstrebe, sondern seine Rechtsposition als Urheber lediglich als Vehikel dafür benutzen wolle, der Beklagten eine ihm nicht genehme Berichterstattung zu untersagen. Der Kläger wolle mit den Mitteln des Urheberrechts ein Verbot erreichen, das mit den Mitteln des Äußerungsrechts nicht zu erreichen sei. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei auch nicht dadurch vermindert, dass der Kläger selbst die fraglichen Texte auf seiner Internetseite veröffentlicht habe. Durch die vom Kläger auf jeder Seite diagonal den Text durchkreuzenden Distanzierungsvermerke werde der Leser gehindert, unbefangen an den Text heranzugehen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Zudem habe es im Belieben des Klägers gestanden, wie lange er die Texte der Öffentlichkeit zur Verfügung stelle. Es gehöre zum Kern der nach Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Pressefreiheit, dass die Medien nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden könnten, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten. Die Beklagte habe deshalb darüber befinden dürfen, ob es aus ihrer Sicht angezeigt gewesen sei, zur Untermauerung des von ihr geäußerten Vorwurfs, der Kläger habe die Öffentlichkeit lange Zeit hinters Licht geführt, der Leserschaft die streitgegenständlichen Texte unabhängig von der eigenen Veröffentlichung durch den Kläger zugänglich zu machen. Berechtigte Interessen des Klägers würden dadurch nicht verletzt.

21

a) Zunächst stellt sich die Frage, ob die hier in Rede stehenden Vorschriften des Unionsrechts zu den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht lassen (Vorlagefrage 1).

22

aa) Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein am Unionsrecht und damit auch an den durch dieses gewährleisteten Grundrechten zu messen sind, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum überlässt, sondern zwingende Vorgaben macht (BVerfG, Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, GRUR 2016, 690 Rn. 115 = WRP 2016, 822). Für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, die die hier in Rede stehenden Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG zum Vervielfältigungsrecht und zum Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung des Urhebers und zu den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte in deutsches Recht umsetzen, sind daher grundsätzlich allein die durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundrechte und nicht die Grundrechte des Grundgesetzes maßgeblich, soweit die Richtlinie 2001/29/EG den Mitgliedstaaten für die Umsetzung dieser Vorschriften zwingende Vorgaben macht.

23

In diesem Fall kommt es für die Auslegung und Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften ferner nicht auf die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) an. Die Gewährleistungen der EMRK, der im nationalen Recht der Rang von einfachem Bundesrecht zukommt, und die Rechtsprechung des EGMR dienen zwar auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte des Grundgesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07 und 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 200 f. mwN). Richtlinien der Europäischen Union sind dagegen allein anhand der durch die EU-Grundrechtecharta garantierten Grundrechte auszulegen, da die EMRK, solange die Union ihr nicht beigetreten ist, kein Rechtsinstrument darstellt, das förmlich in die Unionsrechtsordnung übernommen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 44 - Åkerberg Fransson; Urteil vom 15. Februar 2016 - C-601/15, NVwZ 2016, 1789 Rn. 45 bis 48; Urteil vom 21. Dezember 2016 - C-203/15 und C-698/15, GRUR Int. 2017, 165 Rn. 127 bis 129; Urteil vom 5. April 2017 - C-217/15 und C-350/15, juris Rn. 15, jeweils mwN). Danach käme es für die Auslegung und Anwendung der hier in Rede stehenden Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, soweit diese zwingende Vorgaben der Richtlinie 2001/29/EG in deutsches Recht umsetzen, nicht auf die nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10. Januar 2013 in der Rechtssache "Ashby Donald u.a./Frankreich" (36769/08, GRUR 2013, 859) an.

24

bb) Nach Ansicht des Senats hat die Richtlinie 2001/29/EG die in ihr geregelten Verwertungsrechte der Urheber vollständig harmonisiert (zum Verbreitungsrecht der Urheber vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 Rn. 19 f. = WRP 2009, 1127 - Le-Corbusier-Möbel II, mwN). Den Mitgliedstaaten steht es nach Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2001/29/EG zwar frei, ob sie in den dort genannten Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf diese Verwertungsrechte vorsehen. Sie dürfen jedoch zum einen in keinem anderen Fall eine Ausnahme oder Beschränkung schaffen, da diese in der Richtlinie erschöpfend aufgeführt sind (vgl. Erwägungsgrund 32 Satz 1 der Richtlinie). Sie müssen zum anderen, wenn sie eine Ausnahme oder Beschränkung einführen, deren Voraussetzungen vollständig umsetzen, da eine inkohärente Umsetzung dem Harmonisierungsziel der Richtlinie zuwiderliefe (vgl. Erwägungsgrund 32 Satz 4 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-201/13, GRUR 2014, 972 Rn. 16 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a., mwN).

25

b) Sodann stellt sich die Frage, in welcher Weise bei der Bestimmung der Reichweite der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts des Urhebers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) seines Werkes die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen sind (Vorlagefrage 2). Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) oder der Pressefreiheit (Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts des Urhebers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) seines Werkes außerhalb der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen rechtfertigen können (Vorlagefrage 3).

26

aa) Nach Ansicht des Senats sollten insoweit folgende Grundsätze gelten:

27

(1) Bei der Auslegung und Anwendung der hier in Rede stehenden Bestimmungen der Richtlinie 2001/29/EG und des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts sind nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta die dort aufgeführten Grundrechte zu beachten.

28

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die den Urhebern von der Richtlinie 2001/29/EG eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte und die in Bezug auf diese Rechte vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen bereits das Ergebnis einer vom Richtliniengeber vorgenommenen Abwägung zwischen dem Interesse der Urheber an einer möglichst umfassenden und uneingeschränkten Ausschließlichkeitsbefugnis und den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst umfassenden und uneingeschränkten Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke sind (zum deutschen Urheberrecht vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR 102/99, BGHZ 150, 5, 8 f. - Verhüllter Reichstag; Urteil vom 20. März 2003 - I ZR 117/00, BGHZ 154, 260, 264 f. - Gies-Adler).

29

(2) Daher haben die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der Verwertungsbefugnisse der Urheber und der Schrankenbestimmungen die in der Richtlinie zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachzuvollziehen, die den durch Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta verbrieften Schutz des geistigen Eigentums des Urhebers ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen der Nutzer beachtet und im Wege einer Abwägung in ein angemessenes Gleichgewicht bringt (zum deutschen Urheberrecht vgl. BGHZ 154, 260, 265 - Gies-Adler; BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, 101 f. mwN; BVerfG, GRUR 2016, 690 Rn. 122; vgl. auch EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - C-275/06, Slg. 2008, I-271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 - Promusicae; Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 46 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel).

30

(3) Dabei kann beispielsweise ein gesteigertes öffentliches Interesse an der öffentlichen Zugänglichmachung eines geschützten Werkes unter Umständen schon bei der Auslegung der dem Urheber zustehenden Befugnisse, in jedem Fall aber bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden und im Einzelfall dazu führen, dass eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, dem Informationsinteresse der Allgemeinheit genügenden Interpretation weichen muss (vgl. BGHZ 150, 5, 8 - Verhüllter Reichstag; BGHZ 154, 260, 265 - Gies-Adler).

31

(4) Dagegen kommt eine außerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse und Schrankenbestimmungen angesiedelte allgemeine Interessenabwägung aus Sicht des Senats nicht in Betracht. Angesichts der ausdrücklichen Regelung der Richtlinie würde eine von der Auslegung und Anwendung der urheberrechtlichen Vorschriften losgelöste Grundrechtsabwägung durch die Gerichte in das vom Richtliniengeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bereits allgemein geregelte Verhältnis von Urheberrecht und Schrankenregelung übergreifen (zum deutschen Urheberrecht vgl. BGHZ 154, 260, 266 f. - Gies-Adler; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. November 2011 - 1 BvR 1145/11, GRUR 2012, 389 Rn. 14 mwN).

32

bb) Im Streitfall wären nach diesen Maßstäben bei der Auslegung und Anwendung der Verwertungsrechte und der Schrankenregelungen das dem Kläger zustehende ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung seiner Werke und sein urheberpersönlichkeitsrechtliches Interesse, eine öffentliche Zugänglichmachung nur mit dem gleichzeitigen Hinweis auf seine gewandelte politische Überzeugung auf der einen Seite und die durch Art. 11 Abs. 1 und 2 EU-Grundrechtecharta gewährleisteten Grundrechte der Informationsfreiheit (hier in Form der Freiheit, Informationen ohne den Distanzierungsvermerk des Klägers weiterzugeben) und der Medienfreiheit (hier in Gestalt der Pressefreiheit) auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen und in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen.

33

(1) Dabei kommt den von der Beklagten geltend gemachten Grundrechten der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit ein besonders hoher Rang zu, da die umfassende und wahrheitsgemäße Information der Bürger durch die Presse eine Grundvoraussetzung des Prozesses demokratischer Meinungs- und Willensbildung ist; diese Grundrechte gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern zudem besonderes Gewicht, wenn sie Angelegenheiten betreffen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren (zu Art. 5 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1985 - 1 BvR 15/84, BVerfGE 71, 206, 220 mwN). Wie alle Grundrechte kann allerdings auch die Pressefreiheit eingeschränkt sein; soweit die Einwirkung des Grundrechts auf privatrechtliche Vorschriften in Frage steht, können ihm im Hinblick auf die Eigenart der geregelten Rechtsverhältnisse andere, unter Umständen engere Grenzen gezogen sein als in ihrer Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe (zu Art. 5 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 66, 116, 135; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. November 2011 - 1 BvR 1145/11, GRUR 2012, 389 Rn. 16).

34

(2) Das vom Kläger beanspruchte ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Manuskripts sowie des Buchbeitrags muss nicht deshalb von vornherein hinter dem von der Beklagten geltend gemachten öffentlichen Interesse an der Wiedergabe der Dokumente zurücktreten, weil die Geltendmachung des Urheberrechts durch den Kläger nicht der Wahrung wirtschaftlicher Interessen, sondern seinem dem Urheberpersönlichkeitsrecht unterfallenden Interesse dient, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Das steht der Gewährung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen (aA Hoeren/Herring, MMR 2011, 500, 503; Nieland, K&R 2013, 285, 288). Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht nur in Bezug auf die Nutzung, sondern auch in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk (§ 11 Satz 1 UrhG). Zu den dem Urheber zustehenden Rechten gehört deshalb auch das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), nach dem er bestimmen kann, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Das damit angesprochene Urheberpersönlichkeitsrecht gehört auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum spezifischen Gegenstand des Urheberrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - C-92/92 und C-326/92, GRUR 1994, 280 Rn. 20 - Phil Collins/Imtrat; Dietz/Peukert in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl., vor § 12 UrhG Rn. 46) und ist nach Auffassung des Senats Gegenstand der gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG bei der Prüfung der Schrankenregelungen zu berücksichtigenden berechtigten Interessen des Rechtsinhabers. Der Gerichtshof der Europäischen Union geht im Hinblick auf die Schrankenregelung der Parodie gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ebenfalls davon aus, dass in einem konkreten Fall ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Schutzschranke beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden muss (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 34 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - I ZR 9/15, GRUR 2016, 1157 Rn. 25 = WRP 2016, 1260 - auf fett getrimmt). Der Gerichtshof der Europäischen Union berücksichtigt bei dieser Abwägung auch das dem Urheberpersönlichkeitsrecht unterfallende Interesse des Urhebers, dass sein Werk nicht mit diskriminierenden Äußerungen in Verbindung gebracht wird (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 31 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.).

35

(3) Es kann nach Ansicht des Senats zum jetzigen Zeitpunkt offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles dem Interesse des Klägers oder dem Veröffentlichungsinteresse der Beklagten größeres Gewicht beizumessen ist.

36

Der Senat neigt allerdings zu der Annahme, dass das von der Beklagten behauptete gesteigerte öffentliche Interesse an der Wiedergabe der urheberrechtlich geschützten Schriftwerke nicht zu einer Auslegung der Schrankenregelung des Zitatrechts führen kann, die nicht mehr vom Wortlaut dieser Regelungen gedeckt ist und dem klar erkennbaren Willen des Richtliniengebers widerspricht. Dies wäre nach Ansicht des Senats aber der Fall, wenn die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG (§ 51 UrhG) dahin ausgelegt würde, dass sie Werke erfasst, die zum Zeitpunkt der öffentlichen Wiedergabe der Öffentlichkeit nicht bereits rechtmäßig zugänglich gemacht worden sind (vgl. dazu unter B III 2 e zur Vorlagefrage 6).

37

c) Im Streitfall stellt sich im Hinblick auf die Schrankenregelung gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG außerdem die klärungsbedürftige Frage, ob die öffentliche Zugänglichmachung der Dokumente im Internetportal der Beklagten schon deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse anzusehen ist, weil es der Beklagten möglich und zumutbar war, vor der Zugänglichmachung der Werke des Klägers seine Zustimmung einzuholen (Vorlagefrage 4).

38

aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für die Nutzung von Werken in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse in Bezug auf das in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht und das in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird.

39

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Bestimmung mit § 50 und § 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ins nationale Recht umgesetzt. Nach § 50 UrhG ist zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Für den Fall, dass ein Werk oder ein Teil eines Werkes nach § 50 UrhG vervielfältigt oder öffentlich wiedergegeben wird, besteht nach Maßgabe von § 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG die Verpflichtung zur Angabe der Quelle.

40

bb) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Schutzschranke des § 50 UrhG vorliegen, hängt im Streitfall davon ab, ob die öffentliche Zugänglichmachung der Dokumente im Internetportal der Beklagten schon deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne von § 50 UrhG anzusehen ist, weil die Beklagte vor der Zugänglichmachung der Werke des Klägers seine Zustimmung hätte einholen können.

41

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dient die Schrankenregelung des § 50 UrhG der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll eine anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber dagegen möglich und zumutbar, vor der Berichterstattung die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - I ZR 42/05, BGHZ 175, 135 Rn. 49 - TV-Total; Urteil vom 27. März 2012 - KZR 108/10, GRUR 2012, 1062 Rn. 24 = ZUM 2012, 807 - Elektronischer Programmführer; Urteil vom 17. Dezember 2015 - I ZR 69/14, GRUR 2016, 368 Rn. 16 = WRP 2016, 485 - Exklusivinterview).

42

Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass es der Beklagten unmöglich oder unzumutbar war, vor der Einstellung der Texte auf ihrer Internetseite die Zustimmung des Klägers einzuholen. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagte mit E-Mail vom 17. September 2013 gegenüber dem Kläger eine mögliche Berichterstattung über das aufgefundene Manuskript und den Buchbeitrag angekündigt hat, ohne ihn um seine Einwilligung in die Zugänglichmachung der vollständigen Dokumente zu ersuchen.

43

(2) Die vom Senat vorgenommene einschränkende Auslegung geht zwar vom Sinn und Zweck der Schrankenregelung aus, findet allerdings im Wortlaut der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG keine Stütze. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die ungeschriebene Voraussetzung der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer rechtzeitigen Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

44

(3) Die Frage ist entscheidungserheblich. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die weiteren Voraussetzungen der Schutzschranke vorliegend nicht verneint werden.

45

Im Streitfall liegt eine Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG vor.

46

Unter einem Tagesereignis ist jedes zur Zeit des Eingriffs in das Urheberrecht aktuelle Geschehen zu verstehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, wobei ein Geschehen so lange aktuell ist, wie ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 285/99, GRUR 2002, 1050, 1051 = WRP 2002, 1302 - Zeitungsbericht als Tagesereignis; BGHZ 175, 135 Rn. 48 - TV-Total; BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 11 f. - Kunstausstellung im Online-Archiv; BGH, GRUR 2016, 368 Rn. 14 - Exklusivinterview). Ein zeitlich zurückliegendes Ereignis kann erneut zum Tagesereignis werden, wenn es wieder Gegenstand einer aktuellen Auseinandersetzung wird und dadurch abermals das Interesse der Öffentlichkeit weckt (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 220, 221; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 50 UrhG Rn. 4; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 50 Rn. 4). Dabei ist auch die Mitteilung der Vorgeschichte und der Hintergründe des Tagesereignisses privilegiert, solange das aktuelle Geschehen im Vordergrund der Berichterstattung steht (vgl. BGH, GRUR 2002, 1050, 1051 - Zeitungsbericht als Tagesereignis).

47

Entgegen der vom Berufungsgericht zum Ausdruck gebrachten Zweifel liegen diese Voraussetzungen im Streitfall vor. Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, Gegenstand der Berichterstattung sei die im Laufe der Jahre bis zum Sommer 2013 immer wieder aufgeflammte politische Debatte über die früheren Positionen des Klägers zur Pädophilie. Dem kann nicht zugestimmt werden. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass es in dem in Rede stehenden Artikel im Schwerpunkt um die aktuelle Konfrontation des Klägers mit seinem bei Recherchen wiedergefundenen Manuskript und seine Reaktion darauf ging. Dies sind Ereignisse, die bei der Einstellung des Artikels ins Internetportal der Beklagten aktuell und im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des erneut als Bundestagsabgeordneter kandidierenden Klägers von gegenwärtigem öffentlichem Interesse waren. Dass der Artikel über dieses im Vordergrund stehende Ereignis hinausgehend die bereits über Jahre andauernde Vorgeschichte und die Hintergründe zur Position des Klägers mitteilte, steht der Annahme einer Berichterstattung über Tagesereignisse nicht entgegen.

48

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch nicht angenommen werden, die Texte des Klägers seien nicht im Sinne von § 50 UrhG im Verlaufe des von der Beklagten berichteten Tagesereignisses wahrnehmbar geworden, die Beklagte habe vielmehr die Werke des Klägers selbst zum Gegenstand ihrer Berichterstattung und wahrnehmbar gemacht. Das zum Gegenstand der Berichterstattung gemachte Tagesereignis sind nicht die Texte des Klägers als solche, sondern die aktuelle Konfrontation des Klägers mit seinem bei Recherchen wiedergefundenen Manuskript und seine Reaktion darauf. Im Rahmen dieser Ereignisse sind die Texte des Klägers von ihm auf seiner Internetseite veröffentlicht und damit wahrnehmbar geworden.

49

Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass die Schutzschranke des § 50 UrhG keine über die Aktualität der Berichterstattung hinaus fortdauernde öffentliche Zugänglichmachung des Werkes rechtfertige. Die Absicht einer solchen dauerhaften öffentlichen Zugänglichmachung sei jedoch von der Beklagten gegenüber dem Kläger in einem Schreiben geäußert worden. Diese Begründung kann im Revisionsverfahren keinen Bestand haben. Zwar ist ein Tagesereignis nicht dauerhaft aktuell, sondern lediglich solange ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird (BGH, GRUR 2002, 1050, 1051 - Zeitungsbericht als Tagesereignis; BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 11 - Kunstausstellung im Online-Archiv). In dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schreiben hat die Beklagte jedoch bei sachgerechter Auslegung keine über den Zeitraum einer Gegenwartsberichterstattung hinausreichende Veröffentlichung angekündigt, sondern lediglich ihr Interesse an einer von der Veröffentlichung durch den Kläger selbst unabhängigen eigenen Veröffentlichung zum Ausdruck gebracht.

50

d) Im Streitfall stellt sich außerdem die klärungsbedürftige Frage, ob es an einer Veröffentlichung zum Zwecke des Zitats gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG fehlt, weil die Beklagte die Texte des Klägers nicht untrennbar in ihren eigenen Bericht eingebunden, sondern im Wege der Verlinkung als selbständig im Internet abrufbare PDF-Dateien öffentlich zugänglich gemacht hat (Vorlagefrage 5).

51

aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen in Bezug auf das in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht und das in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk betreffen, das der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

52

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Bestimmung mit § 51 und § 63 Abs. 1 und 2 UrhG ins nationale Recht umgesetzt. Nach § 51 Satz 1 UrhG ist die Vervielfältigung eines veröffentlichten Werks zum Zwecke des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Für den Fall, dass ein Werk oder ein Teil eines Werkes nach § 51 UrhG vervielfältigt oder öffentlich wiedergegeben wird, besteht nach Maßgabe von § 63 Abs. 1 und 2 UrhG die Verpflichtung zur Angabe der Quelle.

53

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, es fehle vorliegend unter anderem deswegen an einem Zitatzweck, weil die Beklagte die Texte des Klägers als PDF-Dateien zugänglich gemacht und damit ihre selbständige Kenntnisnahme und Verlinkung unabhängig von ihrer eigenen Berichterstattung ermöglicht habe. Eine solche selbständige öffentliche Zugänglichmachung sei jedenfalls bei den hier vorliegenden Textzitaten nicht vom Zitatrecht gedeckt, da der verfolgte Zitatzweck ohne den Zusammenhang mit dem Artikel der Beklagten fehle.

54

cc) Nach Ansicht des Senats ist es fraglich, ob eine Nutzung zum Zwecke des Zitats im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG voraussetzt, dass eine Nutzung dergestalt erfolgt, dass eine untrennbare Verbindung zwischen dem Medium, in dem das Zitat erfolgt, und dem zitierten Werk besteht.

55

(1) Allerdings kommt es nach der Rechtsprechung des Senats bei der Beurteilung der Schutzschranke gemäß § 51 UrhG maßgeblich darauf an, ob die Verwendung des fremden Werkes zum Zweck des Zitats geschieht. Die Zitatfreiheit soll die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken erleichtern. Sie gestattet es nicht, ein fremdes Werk nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Ebenso wenig reicht es aus, dass ein solches Werk in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt wird. Die Verfolgung eines Zitatzwecks erfordert vielmehr, dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. An einer solchen inneren Verbindung fehlt es regelmäßig, wenn das zitierende Werk sich nicht näher mit dem eingefügten fremden Werk auseinandersetzt, sondern es nur zur Illustration verwendet, es in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise einfügt oder anhängt oder das Zitat ausschließlich eine informierende Berichterstattung bezweckt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 - I ZR 212/10, GRUR 2012, 681 Rn. 12 und 28 = WRP 2012, 1418 - Blühende Landschaften, mwN; BGH, GRUR 2016, 368 Rn. 25 und 31 - Exklusivinterview).

56

(2) Der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG lässt sich zu der Frage der Anforderungen an die Verbindung zwischen dem zitierenden und dem zitierten Werk kein hinreichend klarer Anhaltspunkt entnehmen.

57

Der Senat neigt der Auffassung zu, dass maßgebliches Kriterium für die Annahme der seiner Ansicht nach erforderlichen inneren Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken des Zitierenden nicht die technische Frage ist, ob das Werk oder Teile davon in das zitierende Werk - beispielsweise durch Einrückungen oder Fußnoten - eingebunden wird. Als entscheidend sieht der Senat vielmehr an, ob der Zitierende mit dem fremden Werk eine innere Verbindung zu seinen Gedanken herstellt. Dies war vorliegend der Fall. Die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dokumente dienten klar erkennbar als Beleg für die Ausführungen der Verfasserin des Presseberichts und sollten es dem Leser ermöglichen, durch einen Textvergleich den Standpunkt der Autorin nachzuvollziehen, die zentrale Aussage des Aufsatzes des Klägers sei von den Änderungen im Buchbeitrag unberührt geblieben.

58

Auf den Umstand, dass die PDF-Dateien durch Eingabe der zugehörigen Internetadresse (URL) auch isoliert aufgerufen werden können und in einem solchen Fall ihre äußere Verbindung zum Bericht der Beklagten verlieren könnten, kommt es im Streitfall nicht an. Der Kläger wendet sich mit seiner vorliegenden Klage allein dagegen, dass sein Manuskript und der Buchbeitrag im inhaltlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Bericht "Volker Beck täuschte Öffentlichkeit über Pädophilie-Text" über die Internetseite "www.spiegel.de" öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Für eine von dem Bericht unabhängige öffentliche Zugänglichmachung der PDF-Dateien durch die Beklagte fehlt es an einer Begehungsgefahr. Die vom Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung geltend gemachte Gefahr einer "Dekontextualisierung", also die besonders bei einer selbständig abrufbaren Veröffentlichung durch Verlinkung im Internet drohende Gefahr, dass die streitgegenständlichen Texte ohne den Bericht der Beklagten verbreitet und in andere, dem Ansehen des Klägers abträgliche Zusammenhänge gestellt werden, muss als lediglich abstrakte Gefahr nach Ansicht des Senats bei der Auslegung der Schutzschranke des Zitatrechts außer Betracht bleiben.

59

(3) Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Die Schutzschranke des Zitatrechts ist nicht bereits deshalb nicht anwendbar, weil eine weitere Voraussetzung nicht gegeben ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es im Streitfall nicht bereits an einer für die Belegfunktion erforderlichen geistigen Auseinandersetzung mit den Werken des Klägers. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine geistige Auseinandersetzung im Artikel und seine innere Verbindung mit den Texten des Klägers überspannt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eignen sich die durch Verlinkung öffentlich zugänglich gemachten Dokumente als Beleg und Erörterungsgrundlage für die eigenen Gedanken der Autorin der Beklagten. Die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dokumente dienten als Beleg für die Ausführungen der Verfasserin des Presseberichts. Sie sollten es dem Leser ermöglichen, durch einen Textvergleich den Standpunkt der Autorin nachzuvollziehen, die zentrale Aussage des Aufsatzes des Klägers sei von den Änderungen im Buchbeitrag unberührt geblieben. Aufgrund des dadurch untermauerten Vorwurfs der Unaufrichtigkeit des Klägers war die Wiedergabe der Dokumente auch nicht ausschließlich auf eine informierende Berichterstattung gerichtet.

60

e) Im Streitfall stellt sich schließlich die klärungsbedürftige Frage, wann ein Werk im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde (Vorlagefrage 6).

61

aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk betreffen, das der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde. Es stellt sich die Frage, nach welchen Maßstäben zu beurteilen ist, ob ein zitiertes Werk bereits der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemacht wurde.

62

bb) Der deutsche Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang in § 51 UrhG darauf abgestellt, ob das zitierte Werk bereits veröffentlicht war. Ein Werk ist veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist (§ 6 Abs. 1 UrhG).

63

cc) Vor diesem Hintergrund möchte der Senat bei der Beurteilung der Frage, ob das von der Beklagten auf ihrer Internetseite veröffentlichte Manuskript und der Buchbeitrag bereits zuvor der Öffentlichkeit zugänglich gemacht waren, darauf abstellen, ob diese Werke mit Zustimmung des Klägers zuvor bereits veröffentlicht waren. Dabei sollte bei der Frage nach dem Gegenstand der bereits erfolgten Veröffentlichung auf das Werk in der konkreten Gestalt abgestellt werden, die der Urheber dafür vorgesehen hat.

64

(1) Für eine solche Auslegung spricht, dass der Urheber in seinem Werk seine Anschauungen preisgibt, mit denen er sich der öffentlichen Kenntnisnahme und Kritik aussetzt. Deshalb soll er bestimmen können, ob er den Schritt von der Privatsphäre in die Öffentlichkeit tut und in welcher Form er sein Werk und damit sich selbst der Öffentlichkeit offenbart (vgl. Dietz/Peukert in Schricker/Loewenheim aaO § 12 UrhG Rn. 1; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 12 UrhG Rn. 2; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 12 Rn. 1; Mann, AfP 2015, 295, 297). (Erst) mit der Veröffentlichung steht ein Werk nicht mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung, sondern tritt bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut (vgl. BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 - Germania 3).

65

(2) Die Frage, ob im Streitfall maßgeblich ist, dass die Werke des Klägers in ihrer konkreten Form mit seiner Zustimmung zuvor bereits veröffentlicht waren, ist entscheidungserheblich. Der Buchbeitrag des Klägers ist in dem Sammelband lediglich in einer geänderten Form erschienen. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Kläger - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die Publikation des Buchbeitrags nach den Umständen des Streitfalls genehmigt hat. Im Hinblick auf das Manuskript ist zu prüfen, ob es in der Form des Buchbeitrags, durch Übersendung an verschiedene Zeitungsredaktionen oder durch die zusammen mit den Distanzierungsvermerken erfolgte Veröffentlichung auf der Internetseite des Klägers mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Büscher     

      

Schaffert     

      

Kirchhoff

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 27. Juli 2017 - I ZR 228/15

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2002 - I ZR 102/99

bei uns veröffentlicht am 24.01.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 102/99 Verkündet am: 24. Januar 2002 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : ja BGHR : ja

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2002 - I ZR 285/99

bei uns veröffentlicht am 11.07.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 285/99 Verkündet am: 11. Juli 2002 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Nov. 2011 - I ZR 212/10

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 212/10 Verkündet am: 30. November 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH

Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2003 - I ZR 117/00

bei uns veröffentlicht am 20.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 117/00 Verkündet am: 20. März 2003 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Gies

Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2012 - KZR 108/10

bei uns veröffentlicht am 27.03.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL KZR 108/10 Verkündet am: 27. März 2012 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Elektronischer Programmfü

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juli 2016 - I ZR 9/15

bei uns veröffentlicht am 28.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 9/15 Verkündet am: 28. Juli 2016 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: j

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2015 - I ZR 69/14

bei uns veröffentlicht am 17.12.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 69/14 Verkündet am: 17. Dezember 2015 Bürk Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09

bei uns veröffentlicht am 19.07.2011

Gründe A. 1 Die Verfassungsbeschwerde wirft die Frage auf, ob sich juristische Personen mit Sit
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 27. Juli 2017 - I ZR 228/15.

Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17

bei uns veröffentlicht am 13.06.2017

Tenor 1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18.04.2017 wird zurückgewiesen. 2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise

1.
Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2.
die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3.
geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
4.
wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, ob die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte

1.
eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
2.
nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.

(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

1.
Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2.
Werke der Musik;
3.
pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4.
Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5.
Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6.
Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7.
Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

(1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.

(2) Dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.

(2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 102/99 Verkündet am:
24. Januar 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Verhüllter Reichstag

a) Die urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen sind grundsätzlich eng auszulegen.
Jedoch kann ein besonders schützenswertes Interesse des Verwerters
dazu führen, daß bei der Auslegung der – als abschließend zu verstehenden
– Schrankenregelungen ein großzügigerer Maßstab anzulegen ist.

b) Ein Werk der bildenden Kunst befindet sich dann nicht bleibend an einem öffentlichen
Ort, wenn das Werk im Sinne einer zeitlich befristeten Ausstellung
präsentiert wird. Unerheblich ist dabei, ob das Werk nach dem Abbau fortbesteht
oder ob es mit dem Abbau untergeht.
BGH, Urt. v. 24. Januar 2002 – I ZR 102/99 – Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und
die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. Oktober 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger, bekannt unter ihren Künstlernamen Christo und Jeanne-Claude, veranstalteten im Juni/Juli 1995 in Berlin für die Dauer von zwei Wochen das Kunstprojekt “Verhüllter Reichstag”. Die Künstler finanzierten das Projekt selbst, u.a. durch den Verkauf von Abbildungen der Modelle und von Bildern des verhüllten Reichstags, nicht jedoch durch den Verkauf von Postkarten.
Die Beklagten betreiben eine Foto- und Bildagentur. Ohne Zustimmung der Kläger stellten sie die nachfolgend schwarz-weiû wiedergegebenen Postkarten her, die den verhüllten Reichstag zeigen, und verbreiteten sie.
Die Kläger vertreten die Ansicht, daû die Postkarten mit dem verhüllten Reichstag nur mit ihrer Zustimmung hätten hergestellt und vertrieben werden dürfen. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen und beantragt,
die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Postkarten oder andere Vervielfältigungsstücke mit den (oben wiedergegebenen) Bildmotiven des “Verhüllten Reichstags” zu vervielfältigen, zu verbreiten oder in anderer Weise zu verwenden (es folgen Abbildungen der beiden Postkarten).
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt, nach § 59 UrhG zur Herstellung und Verbreitung der Postkarten berechtigt gewesen zu sein.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daû den Klägern ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zustehe. Zur Begründung hat es ± teilweise auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils sowie auf die im Ver-
fügungsverfahren ergangenen Entscheidungen (LG Berlin NJW 1996, 2380; KG GRUR 1997, 129 = NJW 1997, 1160) verweisend ± ausgeführt:
Die Realisierung des Projekts “Verhüllter Reichstag” genieûe urheberrechtlichen Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG, da es sich um eine eigentümliche Schöpfung von individueller Prägung handele, die in ihrer konkreten Formgebung ohne weiteres den für den Urheberrechtsschutz erforderlichen Grad an künstlerischer Gestaltungshöhe erkennen lasse. Den Beklagten stehe die Schrankenbestimmung des § 59 Abs. 1 UrhG nicht zur Seite, weil sich der verhüllte Reichstag nicht bleibend an öffentlichen Wegen, Straûen oder Plätzen befunden habe. Für das Merkmal “bleibend” sei maûgebend auf den Willen des Berechtigten abzustellen. Ein Kunstwerk, das für die gesamte Lebensdauer an einem öffentlichen Standort errichtet sei, befinde sich dort bleibend, auch wenn diese Lebensdauer aufgrund des Materials, aus dem das Werk geschaffen sei, eingeschränkt sei. In einem solchen Fall habe der Berechtigte das Werk der Öffentlichkeit durch die Aufstellung an einem öffentlichen Ort für die Zeit seiner natürlichen Lebensdauer gewidmet. Anders verhalte es sich aber, wenn der Berechtigte die Zeit der öffentlichen Aufstellung von vornherein auf einen Zeitraum begrenze, der kürzer als die natürliche Lebensdauer des Werkes sei. Dann befinde sich das Werk nicht bleibend an dem öffentlichen Standort, sondern sei nur vorübergehend der Öffentlichkeit gewidmet. Unerheblich sei dabei, ob das Werk nach seiner Entfernung fortbestehe oder ob es im Zuge der Deinstallation zerstört werde.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Klägern gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 i.V. mit §§ 16, 17 UrhG zugebilligt.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daû es sich bei der ªVerhüllung des Reichstagsº um ein von beiden Klägern geschaffenes Werk der bildenden Kunst handelt, dem die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche besondere Individualität zukommt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 8 UrhG). Diese Beurteilung , die das Berufungsgericht in einem Parallelverfahren im einzelnen begründet hat (KG GRUR 1997, 128), läût keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Rügen.
2. In der Herstellung und im Vertrieb der in Rede stehenden Postkarten liegt eine Vervielfältigung und Verbreitung des Kunstwerks, also des verhüllten Reichstags (§ 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1 UrhG).
3. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auf die Schrankenbestimmung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Danach ist es zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straûen oder Plätzen befinden, durch Lichtbild zu vervielfältigen und zu verbreiten. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daû es sich bei dem von den Klägern geschaffenen verhüllten Reichstag nicht um ein bleibend errichtetes Werk gehandelt hat.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daû § 59 UrhG wie alle auf der Sozialbindung des geistigen Eigentums beruhenden Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff. UrhG grundsätzlich eng auszulegen ist (st.Rspr.; vgl. BGHZ 144, 232, 235 f. ± Parfumflakon, m.w.N.). Dies hat seinen Grund weniger darin, daû Ausnahmevorschriften generell eng auszulegen wären, sondern beruht darauf, daû der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist und daher die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschlieûlichkeitsrechte nicht übermäûig beschränkt werden dürfen. Teilweise wird allerdings mit den Schrankenbestimmungen ebenfalls beson-
deren verfassungsrechtlich geschützten Positionen Rechnung getragen. Sie stellen das Ergebnis einer vom Gesetzgeber vorgenommenen, grundsätzlich abschlieûenden Güterabwägung dar (vgl. Bornkamm in Festschrift Piper [1996], S. 641, 648 f.; Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., vor § 45 UrhG Rdn. 6). Besteht beispielsweise an der Wiedergabe eines geschützten Werkes ein gesteigertes öffentliches Interesse, ist dies bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen zu berücksichtigen und kann im Einzelfall dazu führen, daû die enge, am Wortlaut orientierte Auslegung einer groûzügigeren, der verfassungsrechtlich geschützten Position des Verwerters Rechnung tragenden Interpretation weichen muû (vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 151 f. ± Germania 3, zu § 51 Nr. 2 UrhG und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; Bornkamm aaO S. 649 f.; Melichar in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., vor §§ 45 ff. UrhG Rdn. 15 f.; Ahlberg in Möhring /Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Einl. 53; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht , 2. Aufl., Rdn. 86 u. 480 ff.). In jedem Fall sind neben den Interessen des Urhebers die durch die Schrankenbestimmungen geschützten Interessen zu beachten und ihrem Gewicht entsprechend für die Auslegung der gesetzlichen Regelung heranzuziehen.

b) Indem das Gesetz für an öffentlichen Orten befindliche Kunstwerke Einschränkungen der Ausschlieûlichkeitsrechte vorsieht, trägt es dem Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straûenbildes Rechnung (vgl. Vogel in Schrikker aaO § 59 UrhG Rdn. 2; Walter, Medien und Recht, 1991, 4 f.). Dieser Gedanke lag bereits der entsprechenden Bestimmung im alten Recht, dem von 1907 bis 1965 geltenden § 20 KUG, sowie der Bestimmung des § 6 Nr. 3 des Kunstschutzgesetzes von 1876 zugrunde. In den Motiven zu § 20 KUG heiût es hierzu, ªdaû Werke, die sich dauernd an öffentlichen Straûen oder Plätzen befinden, in gewissem Sinne Gemeingut sind und, sofern es nicht in der nämlichen Kunstform geschieht , von jedermann nachgebildet werden könnenº (abgedruckt bei Osterrieth,
KUG, 1. Aufl. 1907, § 20 Anm. I 2). Damit korrespondiert eine zweite, aus der Sicht des Urhebers angestellte Erwägung, mit der die Übernahme des § 20 KUG in das Urheberrechtsgesetz von 1965 begründet wurde: Der Urheber, der der Aufstellung seines Werkes an einem öffentlichen Ort zustimmt, widme damit sein Werk in bestimmtem Umfang der Allgemeinheit (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines UrhG, BT-Drucks. IV/270, S. 76 zu § 60).

c) Im Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit darüber, daû das Merkmal ªbleibendº jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn sich ein Kunstwerk für seine natürliche Lebensdauer an einem öffentlichen Platz befindet (Vogel in Schricker aaO § 59 UrhG Rdn. 11; Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 59 UrhG Rdn. 2; Schack aaO Rdn. 506, jeweils m.w.N.).
Die Revision möchte ± hieran anknüpfend ± den Schluû ziehen, daû ein für die gesamte Dauer seiner Existenz an einem öffentlichen Ort ausgestelltes Kunstwerk sich dort im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG bleibend befinde. Sie kann sich dabei auf einen Teil des Schrifttums berufen, der das Merkmal ªbleibendº ebenfalls mit ªfür die gesamte Dauer der Werkexistenzº gleichsetzt (vgl. Weberling, AfP 1996, 34, 35; Kleinke, AfP 1996, 397; Pöppelmann, ZUM 1996, 293, 298 f.; J. Löffler in M. Löffler, Presserecht, 4. Aufl., BT UrhR Rdn. 82; Griesbeck , NJW 1997, 1133, 1134; Rehbinder, Urheberrecht, 9. Aufl., S. 211).
Dem widersprechen allerdings zahlreiche Stimmen im Schrifttum, die eine solche Sichtweise als mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar ablehnen (vgl. etwa Hess, Festschrift Nordemann [1999], S. 89, 93 f.) und die statt dessen auf den Willen des Künstler abstellen. Wolle dieser sein Werk der Öffentlichkeit nur vorübergehend zugänglich machen, also widmen, befinde sich das Werk nicht bleibend an dem öffentlichen Platz (vgl. Müller-Katzenburg, NJW 1996, 2341, 2344;
Pfennig, ZUM 1996, 658 f.; Ernst, AfP 1997, 458, 459; ders., ZUM 1998, 475, 476 f.; Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 59 UrhG Rdn. 2; ders., Anm. zu KG RzU KGZ Nr. 100, S. 8; Hess aaO S. 95 f.; Schack aaO Rdn. 506; Gass in Möhring/Nicolini aaO § 59 Rdn. 12; Vogel in Schricker aaO § 59 UrhG Rdn. 11; Rehbinder, Urheberrecht, 11. Aufl., Rdn. 284; Dietz, UFITA 136 [1998], 5, 73). Dem hat sich das Berufungsgericht angeschlossen.

d) Dieser zuletzt genannten Auffassung ist zunächst insofern zuzustimmen, als es für das Merkmal ªbleibendº nicht darauf ankommen kann, ob ein vorübergehend aufgestelltes Werk nach dem Abbau weiterhin besteht und gegebenenfalls an anderer Stelle erneut aufgestellt werden soll oder ob es mit der Deinstallation untergeht (vgl. auch Ernst, ZUM 1998, 475, 477; Müller-Katzenburg, NJW 1996, 2341, 2344; Hess aaO S. 94). Denn damit würde ohne sachliche Rechtfertigung nach der Art des Kunstwerks unterschieden: Während der Urheber einer vorübergehend an öffentlichem Ort aufgestellten Skulptur durch § 59 UrhG in seinen Ausschlieûlichkeitsrechten nicht eingeschränkt wäre, müûte der Schöpfer e iner ebenfalls vorübergehend zu einem bestimmten Anlaû erstellten, durch die Umgebung definierten Installation ungeachtet ihrer zeitlichen Befristung hinnehmen , daû sein Werk in zweidimensionaler Form auch zu gewerblichen Zwecken vervielfältigt und verbreitet werden könnte. Für eine solche Differenzierung bietet das Gesetz keine Grundlage.
Auf der anderen Seite ist der Revision einzuräumen, daû nicht allein die Widmung des Urhebers maûgeblich sein kann. Mit Recht verweist die Revision darauf, es gehe nicht an, etwa bei einem Denkmal nur deshalb das Merkmal ªbleibendº zu verneinen, weil sich der Urheber eine Zerstörung des Denkmals nach vier Jahrzehnten vorbehalten habe. Wird allein auf die subjektive Bestimmung des Berechtigten abgestellt, hätte es dieser in der Hand, sich durch eine
entsprechende Absichtserklärung vor der nach § 59 UrhG privilegierten Nutzung seines Werks zu schützen. Auch bei urheberrechtlich geschützten Bauwerken wäre es nicht sachgerecht, allein danach zu unterscheiden, ob ± etwa beim Bau eines Provisoriums, das nach einigen Jahren einem Neubau weichen soll ± schon bei Errichtung ein Zeitpunkt für den Abriû des Bauwerks ins Auge gefaût ist.
Für eine sachgerechte Abgrenzung kommt es vielmehr auf den Zweck an, zu dem das geschützte Werk an dem öffentlichen Ort aufgestellt worden ist. Der gesetzlichen Regelung, die dem Urheber im Falle einer nur vorübergehenden Aufstellung oder Errichtung seines Werkes weitergehende Rechte vorbehält als im Falle einer auf Dauer gedachten Installation, liegt die Erwägung zugrunde, daû es nicht gerechtfertigt wäre, die Befugnisse des Urhebers auch im Falle einer (vorübergehenden ) Aufstellung seiner Werke an öffentlichen Orten über das im Gesetz ohnehin vorgesehene Maû hinaus (vgl. etwa §§ 50, 53, 57, 58 UrhG) einzuschränken. Auch das Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straûenbildes gebietet eine solche Einschränkung der Urheberbefugnisse nicht. Dieses Interesse ist darauf gerichtet, daû öffentliche Straûen und Plätze etwa auf Postkarten , auf einem Gemälde oder einem Stich, in einem Bildband oder in einem Film wiedergegeben werden können, ohne daû hierfür ± falls sich dort urheberrechtlich geschützte Werke befinden ± die Zustimmung der Berechtigten eingeholt werden muû. Geht es dagegen um die Wiedergabe von Werken der bildenden Kunst, die vorübergehend auf öffentlichen Plätzen im Kontext einer Ausstellung präsentiert werden, besteht kein Anlaû zu einer entsprechenden Begrenzung urheberrechtlicher Befugnisse.
Maûgeblich ist danach, ob die mit Zustimmung des Berechtigten erfolgte Aufstellung oder Errichtung eines geschützten Werkes an einem öffentlichen Ort der Werkpräsentation im Sinne einer Ausstellung dient, wobei der gesetzlichen
Regelung allerdings die Vorstellung einer zeitlich befristeten Ausstellung, nicht einer Dauerausstellung zugrunde liegt.
Bei Anwendung dieser Maûstäbe können sich die Beklagten nicht auf eine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG privilegierte Nutzung berufen. Die von den Klägern geschaffene Verhüllung des Reichstags wurde von ihnen in der Art einer Ausstellung präsentiert. Ausstellungen, die zeitlich befristet sind, werden üblicherweise in Wochen und Monaten, nicht dagegen in Jahren bemessen. Die hier in Rede stehende kurze Dauer von zwei Wochen unterstreicht den Ausstellungscharakter der Präsentation.
III. Die Revision der Beklagten ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 117/00 Verkündet am:
20. März 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Gies-Adler

a) Das Urheberrechtsgesetz regelt die aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse
und ihre Beschränkungen grundsätzlich abschließend. Das Interesse der
Allgemeinheit an einem möglichst unbeschränkten Zugang und einer möglichst
umfassenden Nutzung des geschützten Werkes kann bei der Bestimmung des
Umfangs der dem Urheber zustehenden Verwertungsrechte und bei der Auslegung
der Schrankenbestimmungen herangezogen werden. Eine der urheberrechtlichen
Prüfung nachgeschaltete Güter- und Interessenabwägung kommt
nicht in Betracht.

b) Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Rahmen einer Parodie verändert
wiedergegeben oder zum Gegenstand einer Karikatur gemacht, kann nicht
ohne weiteres allein aufgrund der vielfältigen Übereinstimmungen und der Wiedererkennbarkeit
auf eine unfreie Bearbeitung geschlossen werden. Der Abstand
, den ein in freier Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG geschaffenes Werk
zum Original halten muß, liegt in diesem Fall weniger in deutlichen Veränderungen
, sondern in der antithematischen Behandlung des Stoffes.
BGH, Urteil vom 20. März 2003 – I ZR 117/00 – OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Mai 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Sie nimmt aufgrund eines Wahrnehmungsvertrags mit den Erben des Malers und Bildhauers Ludwig Gies die Rechte an der Adlerfigur – dem sogenannten Gies-Adler – wahr, die Gies 1953 geschaffen hat. Die nachstehend abgebildete Gips-Wiedergabe dieses Adlers hing von 1955 bis zu dessen Neubau an der Stirnseite des Plenarsaals des Deutschen Bundestags in Bonn:

Die Beklagte gibt das Wochenmagazin „Focus“ heraus. Sie veröffentlichte in Heft 13 des Jahres 1999 unter der Überschrift „Der ‚unseriöse’ Staat“ einen Beitrag über einen angeblichen Mißbrauch des Steuerrechts, das vom Gesetzgeber immer häufiger dazu benutzt werde, „hastig Haushaltslöcher zu stopfen“. Diesem Artikel war die – nachfolgend in schwarzweiß und verkleinert wiedergegebene – farbige Darstellung eines Bundesadlers vorangestellt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung in Anspruch. Sie hat die Ansicht vertreten, daß der Gies-Adler ungeachtet seiner Verwendung als Hoheitszeichen urheberrechtlich geschützt sei und seine Wiedergabe im „Focus“ eine unfreie Bearbeitung darstelle. Die auf die Erben übergegangenen Nutzungsrechte des Künstlers bestünden trotz der Verwendung des Adlers im Plenarsaal des Deutschen Bundestages fort.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen (OLG Köln NJW 2000, 2212).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Gies-Adler, der Werkqualität nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG aufweise , sei allerdings nicht nach § 5 Abs. 2 UrhG dem urheberrechtlichen Schutz entzogen. Auch handele es sich bei der Wiedergabe im „Focus“ nicht um eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG. Eine unfreie Bearbeitung nach § 23 Satz 1 UrhG liege vor, wenn das geschützte Werk zwar verändert werde, dabei aber wesentliche Züge des Originals übernommen würden. Der „Focus“-Adler wir-
ke zwar etwas weniger rundlich und weise auch eine deutlich abweichende Färbung auf. Dennoch übernehme er fast alle wesentlichen Züge des Gies-Adlers. Diese Übereinstimmungen seien auch nicht dadurch vorgegeben, daß es sich beidemal um Darstellungen von Adlern handele. Adler ließen sich auch als Silhouette in unterschiedlicher Weise darstellen.
Die unfreie Bearbeitung falle unter keine urheberrechtliche Schrankenbestimmung. § 50 UrhG scheide aus, weil der Gies-Adler nicht im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse gezeigt werde. Die Veröffentlichung sei auch nicht durch das Zitatrecht gedeckt, weil der Gies-Adler im „Focus“ nicht zitiert, sondern verfremdet wiedergegeben werde. Außerdem handele es sich bei dem Artikel im „Focus“ nicht um ein selbständiges wissenschaftliches Werk, wie es § 51 Nr. 1 UrhG voraussetze, wenn ein Werk insgesamt zitiert werde. Schließlich rechtfertige § 59 Abs. 1 UrhG die Veröffentlichung nicht, weil der Gies-Adler sich nicht an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinde, wie es diese Vorschrift voraussetze. Da der Gies-Adler nicht der Allgemeinheit gewidmet sei, komme auch eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht.
Auch wenn das Urheberrechtsgesetz die beanstandete Verwendung des Gies-Adlers nicht gestatte, sei sie doch durch das Grundrecht der Pressefreiheit gerechtfertigt. Sei neben dem durch das Urheberrecht repräsentierten Eigentumsrecht des Art. 14 GG das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 GG betroffen, hänge die Berechtigung zu einer unfreien Bearbeitung von einer Güter- und Interessenabwägung ab. Das Urheberrechtsgesetz verschaffe der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit nicht in jedem Einzelfall und insbesondere in der vorliegenden Konstellation nicht ausreichend Geltung, so daß die Prüfung nicht mit einer bloßen Anwendung der urheberrechtlichen Bestimmungen abgeschlossen werden könne. Vielmehr sei eine Einzelfallabwägung verfassungsrechtlich geboten , die im Streitfall zugunsten der Pressefreiheit ausgehe.
Der aufgrund seiner exponierten Plazierung im (früheren) Bundestagsgebäude in der Bevölkerung überaus bekannte Gies-Adler sei für die meisten politisch interessierten Menschen mit dem Wappentier der Bundesrepublik identisch. Ihnen sei nicht bekannt, daß es sich lediglich um ein dem Wappen angenähertes Kunstwerk eines privaten Schöpfers handele. Der Gies-Adler sei somit zu einem Symbol für die Bundesrepublik Deutschland geworden und müsse auch in der Form einer unfreien Bearbeitung verwendet werden dürfen, um den Staat symbolisch darzustellen. Die Beklagte könne auch nicht auf eine andere Darstellung des Bundesadlers – etwa auf eine Adler-Darstellung, wie sie sich auf Geldmünzen befinde – verwiesen werden. Die Abwägung zu Lasten der Nutzungsberechtigten sei im übrigen gerechtfertigt, weil der Künstler durch seine Zustimmung dazu beigetragen und es bewußt in Kauf genommen habe, daß die Bevölkerung sein Werk mit dem Wappentier gleichstellen werde. Schon 1953 habe es zumindest im Rahmen der „Wochenschau“ regelmäßige Bildberichte über politische Ereignisse und Debatten gegeben, so daß schon damals abzusehen gewesen sei, daß der an derart herausgehobener Stelle plazierte Adler von weiten Kreisen der Bevölkerung mit dem offiziellen Wappentier identifiziert werden würde.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet zunächst die Annahme des Berufungsgerichts , die Klägerin sei aufgrund des abgeschlossenen Wahrnehmungsvertrages berechtigt, im Falle einer Verletzung des den Erben des Künstlers Ludwig Gies zustehenden Urheberrechts auch Abwehransprüche geltend zu machen. Die urheberrechtliche Werkqualität des in Rede stehenden Kunstwerks steht außer Zweifel. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, es handele sich nicht um
ein amtliches Werk i.S. des § 5 Abs. 2 UrhG, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Revisionserwiderung erhebt insofern auch keine Gegenrügen.
2. Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Verhalten der Beklagten könne trotz des Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale einer Urheberrechtsverletzung aufgrund einer verfassungsrechtlichen Güter- und Interessenabwägung gerechtfertigt sein.

a) Das Urheberrechtsgesetz enthält grundsätzlich eine abschließende Regelung der aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse. Das dem Urheber vom Gesetz eingeräumte Ausschließlichkeitsrecht ist das Ergebnis einer vom Gesetzgeber bereits vorgenommenen Abwägung zwischen dem Interesse des Urhebers an einer möglichst umfassenden und uneingeschränkten Ausschließlichkeitsbefugnis und den Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst unbeschränkten Zugang und einer möglichst umfassenden Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks. Schon die für den Regelfall geltende Begrenzung des urheberrechtlichen Schutzes auf die Ausdrucksform (vgl. Art. 9 Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen ) führt dazu, daß über den Inhalt eines geschützten Werkes im allgemeinen weitgehend unbeschränkt berichtet werden kann. Darüber hinaus tragen die dem Urheber nach dem Gesetz eingeräumten Verwertungsrechte weitgehend dem Umstand Rechnung, daß die Informationsbeschaffung und -vermittlung nicht mehr als notwendig beschränkt werden sollte. Unter bestimmten Umständen kann der Urheberrechtsberechtigte auch verpflichtet sein, Nutzungswilligen ein Nutzungsrecht einzuräumen (vgl. Fikentscher in Festschrift Schricker [1995], S. 149, 167 ff.; Erdmann in Festschrift Odersky [1996], S. 959, 966 f.; EuGH, Urt. v. 6.4.1995 – C-241/91, Slg. 1995, I-743 = GRUR Int. 1995, 490 Tz. 50 – Magill). Schließlich sind die urheberrechtlichen Befugnisse in vielfältiger Weise durch die Schrankenbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes begrenzt, die im einzelnen den entgegenstehenden Interessen sowohl der Allgemeinheit als auch spezieller
Nutzungsgruppen Rechnung tragen (vgl. BGHZ 150, 6, 8 – Verhüllter Reichstag; 151, 300, 310 – Elektronischer Pressespiegel). Besteht beispielsweise an der Wiedergabe eines geschützten Werkes ein gesteigertes öffentliches Interesse, kann dies unter Umständen schon bei der Auslegung der dem Urheber zustehenden Befugnisse, in jedem Fall aber bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden und im Einzelfall dazu führen, daß eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, dem Informations- und Nutzungsinteresse der Allgemeinheit Rechnung tragenden Interpretation weichen muß (BGHZ 150, 6, 8 f. – Verhüllter Reichstag; vgl. auch BVerfG GRUR 2001, 149, 151 f. – Germania 3, zu § 51 Nr. 2 UrhG und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., vor § 45 UrhG Rdn. 6; Melichar in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., vor §§ 45 ff. UrhG Rdn. 15 f.; Ahlberg in Möhring /Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Einl. 53; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht , 2. Aufl., Rdn. 86 u. 480 ff.; ders., JZ 2002, 1007, 1008; Bornkamm in Festschrift Piper [1996], S. 641, 648 ff.). In jedem Fall sind neben den Interessen des Urhebers die durch die Schrankenbestimmungen geschützten Interessen zu beachten und ihrem Gewicht entsprechend für die Auslegung der gesetzlichen Regelung heranzuziehen (BGHZ 151, 300, 311 – Elektronischer Pressespiegel).

b) Für eine außerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse sowie der Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff. UrhG angesiedelte allgemeine Güterund Interessenabwägung ist danach kein Raum. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht kann der Konflikt zwischen dem Urheberrecht und den Kommunikationsgrundrechten nicht mit Hilfe einer solchen außerhalb der urheberrechtlichen Tatbestände erfolgenden Abwägung oder gar unter Rückgriff auf das Institut des übergesetzlichen Notstands gelöst werden (so aber Wild in Schricker aaO § 97 UrhG Rdn. 20 ff.; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 97 UrhG Rdn. 31; dagegen bereits Melichar in Schricker aaO vor §§ 45 ff. UrhG Rdn. 14; Schricker
in Schricker aaO § 51 UrhG Rdn. 8; Schack aaO Rdn. 481a u. 492; Nordemann in Fromm/Nordemann aaO vor § 45 UrhG Rdn. 6; Bornkamm aaO S. 646 ff.; Seifert in Festschrift Erdmann [2002], S. 195, 207 ff.). Das für das Strafrecht entwickelte Institut des übergesetzlichen Notstands hat mittlerweile als rechtfertigender Notstand Eingang in das Strafgesetzbuch und in das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gefunden (vgl. § 34 StGB, § 16 OWiG). Zwar schließt der rechtfertigende Notstand nach diesen Bestimmungen die Rechtswidrigkeit auch im Zivilrecht aus. Für das Eigentum und für eigentumsähnliche Rechte greifen indessen die bürgerlichrechtlichen Spezialregeln der §§ 228, 904 BGB ein (vgl. Grothe in MünchKomm.BGB, 4. Aufl., § 228 Rdn. 2). Die danach im Streitfall allein in Betracht kommende Bestimmung des § 904 BGB ist indessen – ebenso wie § 34 StGB und § 16 OWiG – an enge Voraussetzungen gebunden, für deren Vorliegen im Streitfall nichts ersichtlich ist.

c) Eine – der urheberrechtlichen Regelung und den hier nicht einschlägigen Notstandsbestimmungen nachgeschaltete – allgemeine Güter- und Interessenabwägung überschreitet die Kompetenzen der Zivilgerichte. Das positive Recht ist verfassungskonform auszulegen. Bei der Anwendung des Urheberrechtsgesetzes ist es namentlich Aufgabe der Gerichte, bei der Bestimmung der Verwertungsbefugnisse der Urheber und bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen die verfassungsrechtlich verbrieften Interessen der Nutzerseite angemessen zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Gesetzesanwendung ist Raum für eine Güterund Interessenabwägung. Soweit das Gesetz den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 GG, insbesondere der Pressefreiheit, aber nicht hinreichend Rechnung trägt und eine Lösung durch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes – etwa wegen eines eindeutigen Gesetzeswortlauts – nicht möglich erscheint, ist es allein Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungswidrigkeit der betreffenden gesetzlichen Bestimmung festzustellen. Der Zivilrichter kann diesen
Konflikt nicht durch Nichtanwendung der seines Erachtens verfassungswidrigen Bestimmung lösen.
3. Im Streitfall besteht indessen kein Grund zu der Annahme, durch das urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrecht werde das Grundrecht der Pressefreiheit unangemessen beeinträchtigt. Denn wie die Revisionserwiderung mit Erfolg rügt, begegnet die Annahme einer unfreien Bearbeitung (§ 23 Satz 1 UrhG) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ist nicht erforderlich. Denn die getroffenen Feststellungen ermöglichen eine abschließende Beurteilung. Danach handelt es sich bei der Wiedergabe des Adlers im „Focus“ nicht um eine abhängige Bearbeitung nach § 23 Satz 1 UrhG, sondern um eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG.

a) Die freie Benutzung eines älteren geschützten Werkes setzt – hiervon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen – voraus, daß angesichts der Individualität des neuen Werkes die Züge des benutzten Werkes verblassen (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1971 – I ZR 77/69, GRUR 1971, 588, 589 – Disney-Parodie; Urt. v. 8.2.1980 – I ZR 32/78, GRUR 1980, 853, 854 – Architektenwechsel; Urt. v. 21.11.1980 – I ZR 106/78, GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; BGHZ 122, 53, 60 – Alcolix; 141, 267, 280 – Laras Tochter; E. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht , 3. Aufl., S. 276; Loewenheim in Schricker aaO § 24 UrhG Rdn. 24). Dies geschieht in der Regel dadurch, daß die dem geschützten älteren Werk entlehnten Züge in dem neuen Werk zurücktreten, so daß die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint.

b) Das Berufungsgericht hat bei der Gegenüberstellung der beiden Adlerdarstellungen zu stark auf die vordergründigen Übereinstimmungen abgestellt und nicht hinreichend beachtet, daß im Rahmen einer antithematischen Auseinander-
setzung mit einem bestehenden Werk auch Übereinstimmungen hinzunehmen sind. Im Streitfall sind die festgestellten Übereinstimmungen vor allem darauf zurückzuführen , daß die Darstellung des räuberischen und gierigen Bundesadlers, der mit seiner Kralle ein Bündel mit Geldscheinen greift, gerade das der Öffentlichkeit bekannte Original erkennen lassen soll. Während der Bundesadler generell als Wappentier der Bundesrepublik den Staat verkörpern mag, verbindet die Öffentlichkeit den bekannten Gies-Adler mit dem Bundestag, also mit dem Gesetzgeber , von dessen angeblich unrühmlicher Rolle der Artikel handelte.
Der für eine freie Benutzung erforderliche Abstand zu dem benutzten Werk kann – selbst bei deutlichen Übernahmen – dadurch gegeben sein, daß das neue Werk zu den entlehnten eigenschöpferischen Zügen des älteren Werkes einen deutlichen inneren Abstand hält und deswegen seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist. Auch in einem solchen Fall kann davon gesprochen werden, daß die individuellen Züge des älteren Werkes in dem neueren Werk „verblassen“ (vgl. BGHZ 122, 53, 60 f. – Alcolix; BGH, Urt. v. 11.3.1993 – I ZR 264/91, GRUR 1994, 191, 193 – Asterix-Persiflagen). Dies kann durch eine Parodie geschehen, durch die das ältere Werk selbst zum Gegenstand einer kritisch-humorvollen, ironischen Auseinandersetzung gemacht wird, ist aber auch auf andere Weise möglich – etwa durch eine Karikatur, die nicht das ältere Werk selbst betrifft, sondern den Gegenstand, der in dem älteren Werk dargestellt ist (vgl. Hess, Urheberrechtsprobleme der Parodie [1993], S. 63 ff., 101). Voraussetzung für eine solche, durch gewisse Übernahmen charakterisierte freie Benutzung ist aber stets, daß das neue Werk trotz der äußeren Übereinstimmungen einen deutlichen (inneren) Abstand hält, der im allgemeinen in einer antithematischen Behandlung zum Ausdruck kommt (vgl. Hess aaO S. 148 ff.).

c) Bei dem von der Beklagten im „Focus“ wiedergegebenen Adler handelt es sich in diesem Sinne um eine freie Benutzung, die sich der Mittel sowohl der
Parodie als auch der Karikatur bedient. Um den Bundestag als Gesetzgebungsor- gan des „unseriösen Staates“ karikaturistisch darzustellen, wird eine parodistische Wiedergabe des als Symbol des Bundestages bekannten Gies-Adlers verwendet. Das Original bleibt dabei – dies ist der Sinn der Darstellung – trotz der Veränderungen erkennbar. Entscheidend ist indessen die Verwandlung des würdigen, eher etwas träge, stets aber gutmütig wirkenden Gies-Adlers, der im Volksmund als „fette Henne“ bezeichnet wird, in einen gierigen, bösartigen Raubvogel, der trotz der gewollten Übereinstimmungen mit dem Original wenig gemein hat. Unschädlich ist dabei, daß sich die kritische Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Mittel der Karikatur nicht auf das verwendete Werk selbst, sondern auf dessen thematisches Umfeld bezieht.
Dafür, daß eine solche Benutzung eines geschützten Werkes vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers nicht erfaßt, sondern als Ausdrucksmittel der politischen Auseinandersetzung im Rahmen einer freien Benutzung i.S. des § 24 Abs. 1 UrhG erlaubt ist, spricht nicht zuletzt die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. dazu Hess aaO S. 150 ff.). Ob darüber hinaus die Kunstfreiheit tangiert ist (Art. 5 Abs. 3 GG), bedarf unter diesen Umständen keiner weiteren Erörterung.
4. Da sich die beanstandete Darstellung als eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG darstellt, kann die Frage offenbleiben, ob die Übernahme auch durch das Zitatrecht des § 51 Nr. 2 UrhG gedeckt war (zum Bildzitat, das ausnahmsweise – weil vom Zitatzweck erfordert – auch ein ganzes Werk umfassen kann, vgl. eingehend Schricker in Schricker aaO § 51 UrhG Rdn. 45; BGHZ 126, 313, 320 f. – Museumskatalog).
III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde wirft die Frage auf, ob sich juristische Personen mit Sitz außerhalb Deutschlands, jedoch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union auf Grundrechte des Grundgesetzes berufen können. Sie betrifft darüber hinaus die Beachtung des Grundrechts auf Eigentum bei der Auslegung und Anwendung nationalen, auf Unionsrecht beruhenden Rechts.

I.

2

1. Das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs betrifft die inhaltliche Reichweite des dem Urheber vorbehaltenen Verbreitungsrechts nach § 17 Urheberrechtsgesetz (UrhG) in der für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Fassung vom 23. Juni 1995 (BGBl I S. 842) und nach § 96 UrhG in der Fassung vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1774). Die Auslegungsfragen ergeben sich im Streitfall aus der Aufstellung von Nachbildungen von Le-Corbusier-Möbeln in einer Zigarrenlounge der Beklagten des Ausgangsverfahrens. Für Herstellung und Vertrieb der Möbel sind der Beschwerdeführerin urheberrechtliche Exklusivrechte eingeräumt.

3

a) § 17 UrhG erhielt durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995 (BGBl I S. 842) folgende Fassung:

4

Verbreitungsrecht

5

(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

6

(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.

7

(3) Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung. Als Vermietung gilt jedoch nicht die Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken

8

1. von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst oder

9

2. im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu dem ausschließlichen Zweck, bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis benutzt zu werden.

10

Die Gesetzesnovelle diente der Umsetzung der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl Nr. L 346 vom 27. November 1992, S. 61), inzwischen abgelöst durch die Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (ABl Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 28; im Folgenden: Vermiet- und Verleih-Richtlinie). Diese betrifft nach ihrem Art. 3 Abs. 2 ausdrücklich nicht das Vermieten oder Verleihen von Werken der angewandten Kunst.

11

In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 21. Dezember 1994 (BTDrucks 13/115, S. 7, 12) wird der Begriff der Verbreitung vorausgesetzt. Er wurde stets weit verstanden als "jede Art des Inverkehrbringens von Werkstücken" (vgl. die Einzelbegründung zu § 17 im Regierungsentwurf des Urheberrechtsgesetzes vom 23. März 1962, BTDrucks IV/270, S. 47 f.). Nach bis zum Erlass der angegriffenen Entscheidung allgemeiner Meinung bedeutete "Inverkehrbringen" im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG jede Handlung, durch die das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks aus der internen Betriebssphäre der allgemeinen Öffentlichkeit zugeführt werden; dafür sollte jede Besitzüberlassung ausreichen (vgl. BGHZ 113, 159 <160 ff.>; Loewenheim, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl. 2006, § 17 Rn. 12 m.w.N.). Entsprechend beurteilte etwa das Kammergericht die Ausstattung von Hotelzimmern mit imitierten Le-Corbusier-Möbeln als Verletzung des Verbreitungsrechts und ließ dabei die Frage der bürgerlich-rechtlichen Besitzüberlassung offen (Urteil vom 30. April 1993 - 5 U 2548/91 -, GRUR 1996, S. 968 <969 f.>).

12

b) § 96 UrhG lautet:

13

Verwertungsverbot

14

(1) Rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.

15

(2) Rechtswidrig veranstaltete Funksendungen dürfen nicht auf Bild- oder Tonträger aufgenommen oder öffentlich wiedergegeben werden.

16

Diese mit Ausnahme der Überschrift wortgleich schon im Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl I S. 1273) enthaltene Vorschrift dient nach der Entwurfsbegründung der Klarstellung, dass derjenige, der aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Erlaubnis zur Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe eines Werks berechtigt ist, hierzu keine rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücke benutzen darf (vgl. die Einzelbegründung zu § 106, BTDrucks IV/270, S. 103). Als ein Hauptanwendungsfall wurde die Verbreitung von im Ausland rechtmäßig hergestellten und von dort importierten Vervielfältigungen in Deutschland angesehen, deren Herstellung hier rechtswidrig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1994 - I ZR 155/90 "Cliff Richard II" -, NJW 1995, S. 868 <870>; Meckel, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Aufl. 2009, § 96 Rn. 1).

17

c) § 97 Abs. 1 UrhG gibt dem Inhaber eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts unter bestimmten Bedingungen einen Unterlassungsanspruch. Die Vorschrift lautet:

18

Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz

19

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. …

20

2. a) § 17 UrhG dient zugleich der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10; im Folgenden: Urheberrechtsrichtlinie). Diese hat ihre Rechtsgrundlage in den Vorschriften über die Rechtskoordinierung und -angleichung im Binnenmarkt (Art. 47 Abs. 2, Art. 55, Art. 95 EG, heute Art. 53 Abs. 1, Art. 62, Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Ihr Harmonisierungszweck wird insbesondere in den Erwägungsgründen 1, 3, 4, 6 und 7 angesprochen, während in den Erwägungsgründen 4, 9 bis 12 und 22 das angestrebte hohe Schutzniveau im Bereich des geistigen Eigentums betont wird.

21

Die Urheberrechtsrichtlinie dient, wie sich aus ihrem Erwägungsgrund 15 ergibt, zugleich der Umsetzung zweier völkerrechtlicher Verträge vom 20. Dezember 1996, nämlich des WIPO-Urheberrechtsvertrags (WCT; UNTS Bd. 2186, S. 121; ABl Nr. L 89 [2000], S. 6; BGBl 2003 II S. 754, in Kraft getreten am 6. März 2002, für Deutschland und die Europäische Union am 14. März 2010) und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger (WPPT; UNTS Bd. 2186, S. 203; ABl Nr. L 89 [2000], S. 6; BGBl 2003 II S. 754, 770, in Kraft getreten am 20. Mai 2002, für Deutschland und die Europäische Union am 14. März 2010). Ausweislich ihrer Präambeln sollen die Verträge insbesondere die Rechte von Autoren, darbietenden Künstlern und Tonträgerherstellern erhalten und weiterentwickeln.

22

b) Die Urheberrechtsrichtlinie regelt das Verbreitungsrecht in ihrem Artikel 4:

23

Verbreitungsrecht

24

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.

25

(2) Das Verbreitungsrecht erschöpft sich in der Gemeinschaft in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke eines Werks nur, wenn der Erstverkauf dieses Gegenstands oder eine andere erstmalige Eigentumsübertragung in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung erfolgt.

26

Zur Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie holte der Bundesgerichtshof in einem Parallelverfahren zum hiesigen Ausgangsverfahren mit Beschluss vom 5. Oktober 2006 - I ZR 247/03 - (GRUR 2007, S. 50) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Europäischer Gerichtshof) gemäß Art. 267 AEUV unter anderem zu der Frage ein, ob von einer Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form auf sonstige Weise auszugehen ist, wenn Dritten der Gebrauch von Werkstücken urheberrechtlich geschützter Werke ermöglicht wird, ohne dass mit der Gebrauchsüberlassung eine Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Werkstücke verbunden ist. Gegenstand dieses Verfahrens, das ebenfalls die Beschwerdeführerin des vorliegenden Verfahrens eingeleitet hatte, war das Aufstellen in Italien erworbener Imitate von Le-Corbusier-Möbeln zur Benutzung durch Kunden in der Ruhezone eines Kaufhauses und zu Dekorationszwecken in dessen Schaufenstern.

27

In seinem Vorlagebeschluss verwies der Bundesgerichtshof auf seine Rechtsprechung, derzufolge ein Verbreiten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie regelmäßig vorliege, wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks aus der internen Betriebssphäre durch Überlassung des Eigentums oder des (auch vorübergehenden) Besitzes der Öffentlichkeit zugeführt würden (a.a.O., <51>). Als noch nicht geklärt sah der Bundesgerichtshof die Frage an, ob dies auch gelte, wenn Werkstücke ohne Übertragung des Eigentums oder des Besitzes und damit ohne Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Seiner Ansicht nach sei dies aufgrund des Wortlauts von Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie und der ein hohes Schutzniveau verlangenden Erwägungsgründe zu bejahen (a.a.O., <52>).

28

Der Europäische Gerichtshof entschied indessen, dass eine Verbreitung im Sinne der Richtlinie nur bei einer Übertragung des Eigentums vorliege (Urteil vom 17. April 2008 - C-456/06 Peek&Cloppenburg/Cassina -, Slg. 2008, S. I-2731, Rn. 41). Zur Begründung führte er aus (Rn. 29 ff.), die Richtlinie präzisiere den Begriff der Verbreitung nicht, er werde aber in Art. 6 Abs. 1 WCT und in Art. 8 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 WPPT definiert. Die Urheberrechtsrichtlinie diene ausweislich ihres Erwägungsgrundes 15 dazu, den Verpflichtungen der Gemeinschaft aus diesen Verträgen nachzukommen, denen zufolge eine Verbreitung nur bei einer Eigentumsübertragung vorliege. Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie sei daher ebenso auszulegen. Diese Schlussfolgerungen würden durch die Erwägungsgründe 9 bis 11 der Richtlinie nicht entkräftet; ein hohes Schutzniveau könne nur in dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffenen Rahmen verwirklicht werden (Rn. 37 ff.).

II.

29

1. Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht mit Sitz in Italien, produziert Polstermöbel, die nach Entwürfen des 1965 verstorbenen Charles-Édouard Jeanneret-Gris, genannt Le Corbusier, gefertigt sind. Zwischen ihr und der Fondation Le Corbusier in Paris, welche die Rechte des verstorbenen Urhebers wahrnimmt, sowie zwei weiteren Rechtsnachfolgerinnen Le Corbusiers bestehen seit 1965 urheberrechtliche Exklusivverträge für die weltweite Herstellung und den Verkauf bestimmter von Le Corbusier entworfener Möbel. Die Verträge erlauben der Beschwerdeführerin auch das Vorgehen gegen Rechtsverletzungen.

30

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, eine Zigarrenherstellerin, richtete in einer Kunst- und Ausstellungshalle eine Zigarrenlounge ein. Sie erwarb bei einer in Bologna geschäftsansässigen Firma (zugleich Streithelferin der Beklagten im Ausgangsverfahren) Nachbildungen von Sesseln und Sofas der Le-Corbusier-Möbel und stellte diese in der Lounge auf. Urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Möbelmodellen sind der Streithelferin nicht eingeräumt.

31

Die Beschwerdeführerin erwirkte beim Landgericht und beim Oberlandesgericht eine Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, von ihr nicht genehmigte Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Le-Corbusier-Möbelmodelle in der Bundesrepublik Deutschland zu verwerten, insbesondere in der genannten Zigarrenlounge aufzustellen und gewerblich zu benutzen. Die Gerichte stützten den Unterlassungsanspruch auf § 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 UrhG und legten dabei einen weiten Begriff der Verbreitung zugrunde. Leitender Grundgedanke sei die tunlichst angemessene Beteiligung des Urhebers am wirtschaftlichen Nutzen seines Werks. Demgemäß solle der Urheber möglichst umfassend an jedem neuen Verwertungsvorgang teilhaben. Eine Besitzübertragung im Sinne von §§ 854 ff. BGB sei dafür nicht erforderlich, die rein tatsächliche Überlassung an die Kunden der Zigarrenlounge genüge.

32

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht erhob die Streithelferin der Beklagten Beschwerde zum Bundesgerichtshof.

33

2. In dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde stellte der Bundesgerichtshof die Entscheidung im Hinblick auf das in dem oben genannten Parallelverfahren eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zunächst zurück.

34

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Parallelverfahren vom 17. April 2008 (a.a.O.) ließ der Bundesgerichtshof die Revision im Ausgangsverfahren zu. Mit dem angegriffenen Urteil vom 22. Januar 2009 (ZUM-RD 2009, S. 531) hob er das Urteil des Oberlandesgerichts auf und wies die Klage unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung ab. Im Parallelverfahren entschied der Bundesgerichtshof in gleicher Weise (Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03 -, GRUR 2009, S. 840).

35

Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof aus, der Beschwerdeführerin stehe ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu, denn die Beklagte habe das Verbreitungsrecht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 UrhG durch das Aufstellen der Möbel nicht verletzt und auch nicht gegen das Verwertungsverbot nach § 96 UrhG verstoßen.

36

a) Da es sich bei dem Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie um harmonisiertes Recht handele, sei § 17 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Die Richtlinie begründe insoweit nicht nur einen Mindestschutz, hinter dem die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung ihres Schutzniveaus nicht zurückbleiben dürften, sondern stelle eine verbindliche Regelung des Verbreitungsrechts auch im Sinne eines Maximalschutzes dar. Dies folge aus dem Zweck der Richtlinie, unterschiedliche einzelstaatliche Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im Interesse der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts anzupassen und ein uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten zu vermeiden. Die zum Teil im Schrifttum vertretene gegenteilige Ansicht stelle darauf ab, dass die Regelungen des Verbreitungsrechts in den WIPO-Verträgen nur Mindestrechte gewährten und es den Vertragsstaaten unbenommen bleibe, über diesen Mindestschutz hinauszugehen. Die sich daraus ergebenden Folgerungen beträfen aber nur die Auslegung der Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie und damit die vom Europäischen Gerichtshof nunmehr bejahte Frage, ob eine Verbreitung im Sinne dieser Richtlinienbestimmung nur bei einer Übertragung des Eigentums vorliege.

37

Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelte, dass ein Dritter nicht in das ausschließlich dem Urheber nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 UrhG zustehende Verbreitungsrecht eingreife, wenn er Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Modelle von Möbeln der Öffentlichkeit lediglich zum Gebrauch zugänglich mache.

38

b) Die geltend gemachten Ansprüche stünden der Beschwerdeführerin auch nicht wegen Verletzung des Verwertungsverbots aus § 96 Abs. 1 UrhG zu. Nach dieser Vorschrift dürften rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke nicht verbreitet werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 96 Abs. 1 UrhG scheide aus, weil der Begriff der Verbreitung demjenigen des § 17 UrhG entspreche und dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Für eine analoge Anwendung fehle es an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs habe der Gemeinschaftsgesetzgeber das Verbreitungsrecht bewusst auf Sachverhalte beschränkt, die mit der Übertragung des Eigentums des Originals des Werks oder eines Vervielfältigungsstücks verbunden seien.

III.

39

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

40

1. Die Beschwerdeführerin hält sich für beschwerdebefugt. Als ausländische juristische Person mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat könne sie ungeachtet Art. 19 Abs. 3 GG auch eine Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts rügen. Dabei sei auch ohne Bedeutung, dass sie nicht selbst als Urheberin, sondern nur aufgrund vertraglicher Absprachen mit der Fondation Le Corbusier berechtigt sei.

41

2. Das angegriffene Urteil verletze Art. 14 Abs. 1 GG.

42

a) Die Auslegung von § 17 Abs. 1 UrhG durch den Bundesgerichtshof habe zur Folge, dass der Urheber andere Verbreitungsformen als die Eigentumsübertragung nicht mehr unterbinden könne. Mit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Eingriffs habe sich der Bundesgerichtshof nicht befasst, weil er davon ausgegangen sei, europarechtlich an diese Auslegung gebunden zu sein. Dabei habe er übersehen, dass Verbreitungsformen, die nicht in einer Eigentumsübertragung bestehen, von vornherein nicht vom Regelungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie erfasst seien, so dass die Auslegung des nationalen Rechts insoweit durch die Richtlinie nicht determiniert werde. Wollte man dies anders sehen, hätte der Bundesgerichtshof jedenfalls nicht von einem Maximalschutzcharakter der Richtlinie ausgehen dürfen. Die Urheberrechtsrichtlinie regle nur einen Mindestschutz, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 9 bis 12 ergebe. § 17 Abs. 1 UrhG hätte verfassungskonform so ausgelegt werden müssen, dass auch die Besitz- und Gebrauchsüberlassung erfasst würde. Dies entspreche der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (bis zur angegriffenen Entscheidung) und der Obergerichte sowie der Auffassung des deutschen Gesetzgebers.

43

Die Auslegung durch den Bundesgerichtshof führe dazu, dass der Kernbestand des Urheberrechts, nämlich über die Rechte am Werk in eigener Verantwortung verfügen und Dritte von der Nutzung des Werks ausschließen zu können, nicht mehr gewährleistet sei. Die Streithelferin umgehe bewusst das deutsche Urheberrecht, indem sie ihre Plagiate in Italien veräußere und vom Käufer nach Deutschland schaffen lasse. Die Gebrauchs- oder Besitzüberlassung in Deutschland werde damit zum einzigen Rechtsakt, auf den der Urheber Zugriff habe oder nach bisheriger Rechtsprechung gehabt habe.

44

b) Die Argumentation des Bundesgerichtshofs sei auch im Hinblick auf § 96 UrhG nicht tragfähig. Die Vorschrift bezwecke gerade, dass kein Dritter das Ergebnis einer rechtswidrigen Handlung für sich ausnutzen könne. Der Bundesgerichtshof dürfe nicht auf den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers abstellen, denn § 96 UrhG sei nicht gemeinschaftsrechtlich harmonisiert.

45

3. Weiter verletze das Urteil das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter. Die Vorlagefragen im Parallelverfahren seien unzureichend gewesen. Nach deren Beantwortung habe der Bundesgerichtshof die Sache erneut dem Europäischen Gerichtshof vorlegen und fragen müssen, ob der Gebrauch von Werkstücken urheberrechtlich geschützter Werke ohne Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt überhaupt in den Anwendungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie falle. Bei Verneinung dieser Frage hätte es keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Auslegung der "Verbreitung" im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG gegeben. Ebenso zwingend sei eine Vorlage der Frage gewesen, ob Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie einen Mindest- oder zugleich einen Maximalschutz definiere. Der Bundesgerichtshof beantworte diese entscheidungserhebliche Frage hingegen selbst. Die fehlende Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei offensichtlich unhaltbar, weil eine mögliche Gegenauffassung der vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sei; die Literatur gehe einhellig von einem bloßen Mindestschutzcharakter aus, was der Bundesgerichtshof durchaus erkannt habe.

IV.

46

Die Streithelferin der Beklagten und die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR) haben zur Verfassungsbeschwerde Stellungnahmen abgegeben (letztere abgedruckt in GRUR 2010, S. 698).

47

1. Nach Auffassung der Streithelferin auf Beklagtenseite, der Herstellerin der Möbelnachbildungen, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt sei. Der urheberrechtliche Exklusivvertrag beschränke sich auf die Rechte auf Herstellung und Verkauf der Möbel. Die Beschwerdeführerin könne sich zudem als ausländische juristische Person nicht auf eine Verletzung des deutschen Eigentumsgrundrechts stützen. Die Verletzung solle aus einer richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Urheberrechts herrühren; die Richtlinie sei aber allein vom Europäischen Gerichtshof an Grundrechten des Unionsrechts zu messen.

48

Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. April 2008 (a.a.O.) gehe hervor, dass er von einem voll harmonisierten Verbreitungsbegriff ausgehe. Durch die Definition des Verbreitungsbegriffs würden lediglich Inhalt und Schranken des Eigentums in zulässiger Weise bestimmt.

49

2. Der Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zufolge ist die aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. April 2008 vom Bundesgerichtshof gezogene Schlussfolgerung, die Urheberrechtsrichtlinie regle einen Maximalschutz, nicht zwingend. Auch bei vollständiger Harmonisierung des Verbreitungsrechts seien die Mitgliedstaaten nicht gehindert, weitere Ausschließlichkeitsrechte zu gewähren.

50

Eine Lücke im Schutz des Urheberrechts bestehe aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs allerdings nur in den Fällen, in denen im Ausland schutzfrei hergestellte Werkexemplare erworben und diese im Inland ohne Eigentumsübergang genutzt würden, ohne dass das ausschließliche Vermietrecht eingreife (was bei Werken der angewandten Kunst der Fall sei, § 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UrhG). Demgegenüber erfasse das Verbreitungsrecht nach wie vor, auch bei angewandter Kunst, den Fall, dass im Ausland erworbene Werkexemplare im Inland weiterveräußert würden.

B.

51

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

52

Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs ist, auch soweit es Rechtsvorschriften betrifft, die Unionsrecht in deutsches Recht umsetzen, als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 126, 286 <298 f.>).

53

Zwar übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von Unionsrecht, das als Grundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, grundsätzlich nicht aus und überprüft dieses Recht nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Europäische Union, auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, einen wirksamen Schutz der Grundrechte generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 f.>; 125, 260 <306>). Dies gilt auch für innerstaatliche Rechtsvorschriften, die zwingende Vorgaben einer Richtlinie in deutsches Recht umsetzen. Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Anwendung unionsrechtlich vollständig determinierter Bestimmungen des nationalen Rechts richten, sind grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 125, 260 <306>).

54

Diese Grundsätze stehen einer Überprüfung des angegriffenen Urteils jedoch nicht entgegen. Wird wie hier die Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung darauf gestützt, dass ein Gericht bei der Auslegung nationalen Umsetzungsrechts einen den Mitgliedstaaten verbleibenden Umsetzungsspielraum verkannt habe, beruft sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung deutscher Grundrechte im Bereich des unionsrechtlich nicht vollständig determinierten Rechts. Insoweit kann er auch geltend machen, das Gericht habe sich zu Unrecht durch Unionsrecht gebunden gesehen.

II.

55

Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG beschwerdefähig und -befugt. Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde reicht es aus, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung eines für ihn verfassungsbeschwerdefähigen Rechts aufzeigt (vgl. BVerfGE 125, 39 <73> m.w.N.).

56

1. a) Art. 19 Abs. 3 GG steht der Beschwerdefähigkeit für die Rüge einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG nicht entgegen.

57

In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht die Geltung der materiellen Grundrechte allgemein für ausländische juristische Personen unter Berufung auf den Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG zwar abgelehnt (vgl. BVerfGE 21, 207 <208 f.>; 23, 229 <236>; 100, 313 <364>). Neuere Kammerbeschlüsse haben hingegen offen gelassen, ob diese Rechtsprechung auch auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden ist (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. April 2004 - 1 BvR 1620/03 -, NJW 2004, S. 3031, und vom 27. Dezember 2007 - 1 BvR 853/06 -, NVwZ 2008, S. 670 f.). Angesichts der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - verb. Rs. C-92/92 und C-326/92 Phil Collins -, Slg. 1993, S. I-5145, Rn. 30 ff., 35; Urteil vom 5. November 2002 - C-208/00 Überseering -, Slg. 2002, S. I-9919, Rn. 76 ff.) erscheint es jedenfalls möglich, dass die Beschwerdeführerin mit Sitz in Italien Trägerin des Grundrechts auf Eigentum ist.

58

b) Der Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihr Eigentumsgrundrecht lässt sich nicht entgegenhalten, dass sie nicht selbst Urheberin der Möbelmodelle ist, sondern mit den Rechtsnachfolgern von Le Corbusier Exklusivverträge über die Herstellung und Vermarktung der Möbelmodelle Le Corbusiers geschlossen hat. Die Beschwerdeführerin ist dadurch in deren durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Schutzrechte des geistigen Eigentums eingerückt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. Mai 2000 - 1 BvR 1864/95 -, GRUR 2001, S. 43). Demgegenüber handelt es sich nicht um den Fall einer grundsätzlich unzulässigen Prozessstandschaft, bei der fremde Rechte im eigenen Namen geltend gemacht werden (vgl. BVerfGE 25, 256 <263>; 31, 275 <280>; 56, 296 <297>).

59

2. Die Beschwerdefähigkeit und -befugnis im Hinblick auf die Rüge einer Entziehung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind gegeben. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, da die Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG jedem zustehen können, gleichgültig ob er eine natürliche oder juristische, eine inländische oder ausländische Person ist (vgl. BVerfGE 12, 6 <8>; 18, 441 <447>; 64, 1 <11>).

III.

60

Die Beschwerdeführerin ist bezüglich der Rüge eines Entzugs des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch dem Grundsatz der Subsidiarität gerecht geworden.

61

1. Der Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde muss, über die bloße formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60>; stRspr). Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens sind allerdings grundsätzlich nicht gehalten, Rechtsausführungen zu machen, sofern nicht das einfache Verfahrensrecht rechtliche Darlegungen verlangt. Dementsprechend obliegt es dem Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren einer Verfassungsbeschwerde lediglich, den Sachverhalt so darzulegen, dass eine verfassungsrechtliche Prüfung möglich ist; diese ist dann von den Gerichten vorzunehmen. Der Beschwerdeführer muss das fachgerichtliche Verfahren nicht im Sinne eines vorgezogenen Verfassungsrechtsstreits führen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>).

62

Etwas anderes kann in Fällen gelten, in denen bei verständiger Einschätzung der Rechtslage und der jeweiligen verfahrensrechtlichen Situation ein Begehren nur Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn verfassungsrechtliche Erwägungen in das fachgerichtliche Verfahren eingeführt werden (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>). Weiter ist zu beachten, dass die Rüge der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, nicht mehr im Verfahren der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, wenn nicht zuvor alle Mittel des Prozessrechts genutzt wurden, um diesen Verstoß zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 95, 96 <127>; 112, 50 <62>). Das bedeutet insbesondere, dass von der Rechtsordnung eröffnete Rechtsbehelfe in zulässiger Weise ergriffen werden müssen (vgl. BVerfGE 95, 96 <127>).

63

Die Beachtung der hieraus folgenden Anforderungen muss der Beschwerdeführer, wenn sie nicht offensichtlich gewahrt sind, in seiner Verfassungsbeschwerde gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG substantiiert darlegen (vgl. BVerfGK 4, 102 <103 f.>).

64

2. Im Rahmen einer Rüge der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erstreckt sich die damit umschriebene Obliegenheit des Beschwerdeführers regelmäßig darauf, durch entsprechende Anträge oder Anregungen an das Fachgericht eine Befassung des gesetzlichen Richters zu erreichen.

65

Handelt es sich beim gesetzlichen Richter um den Europäischen Gerichtshof, ist ein entsprechender Antrag der Beteiligten auf Vorlage allerdings nicht vorgesehen, vielmehr ist ein letztinstanzliches nationales Gericht unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>). Es genügt daher dem Grundsatz der Subsidiarität, wenn das Vorbringen bei rechtlicher Prüfung durch das Fachgericht eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof als naheliegend erscheinen lässt.

66

3. Danach hat die Beschwerdeführerin die Rüge eines Entzugs des gesetzlichen Richters zulässig erhoben. Sie hat dem Bundesgerichtshof ein Gutachten unter anderem zur Frage der Voll- oder Teilharmonisierung des Verbreitungsrechts durch Art. 4 der Urheberrechtsrichtlinie vorgelegt und damit den sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität ergebenden Anforderungen noch Genüge getan. Das Gutachten gab dem Bundesgerichtshof hinreichenden Anlass, die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens selbst zu klären.

C.

67

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Zwar kann sich die Beschwerdeführerin darauf stützen, Trägerin von Grundrechten des Grundgesetzes einschließlich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG zu sein (I.). Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG durch das angegriffene Urteil lässt sich jedoch nicht feststellen (II.). Das Urteil verletzt die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (III.).

I.

68

Die Beschwerdeführerin als juristische Person mit Sitz in Italien ist Trägerin von Grundrechten des Grundgesetzes. Die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt eine aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vertraglich veranlasste Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes dar.

69

1. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die "wesensmäßige Anwendbarkeit" ist bei den hier als verletzt gerügten Grundrechten ohne weiteres gegeben (vgl. zu Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfGE 4, 7<17>; 23, 153 <163>; 35, 348 <360>; 53, 336 <345>; 66, 116 <130>; zu den Prozessgrundrechten: BVerfGE 3, 359 <363>; 12, 6 <8>; 18, 441 <447>; 19, 52 <55 f.>; 64, 1 <11>; 75, 192 <200>).

70

a) Demgegenüber hat der Senat bislang entschieden, dass sich ausländische juristische Personen auf materielle Grundrechte - anders als auf prozessuale Grundrechte wie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 12, 6 <8>; 18, 441 <447>; 21, 362 <373>; 64, 1 <11>) - nicht berufen können. Zur Begründung hat er auf Wortlaut und Sinn von Art. 19 Abs. 3 GG verwiesen, die eine entsprechende ausdehnende Auslegung verböten (vgl. BVerfGE 21, 207 <208 f.>; 23, 229 <236>; 100, 313 <364>). In anderen Entscheidungen haben beide Senate des Bundesverfassungsgerichts die Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen ausdrücklich dahingestellt (vgl. allgemein BVerfGE 12, 6 <8>; 34, 338 <340>; 64, 1 <11>; sowie BVerfGE 18, 441 <447> hinsichtlich Art. 14 Abs. 1 GG).

71

Mit der spezielleren Frage, ob ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, Träger materieller Grundrechte des Grundgesetzes sein können, hat sich das Bundesverfassungsgericht hingegen bislang nicht näher befasst. Allerdings wurde in einer Entscheidung aus dem Jahr 1968 die Verfassungsbeschwerde einer Vereinigung französischen Rechts mit Sitz in Frankreich ohne weitere Begründung für unzulässig erklärt (BVerfGE 23, 229 <236>); in der Entscheidung aus dem Jahr 1973 zu einer französischen Handelsgesellschaft blieb deren Grundrechtsfähigkeit ausdrücklich dahingestellt (BVerfGE 34, 338 <340>). In der Literatur ist die Frage umstritten (vgl. befürwortend Drathen, Deutschengrundrechte im Lichte des Gemeinschaftsrechts, 1994; H. Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 19 Abs. 3 Rn. 20 f., 83 f.; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 19 Abs. 3 Rn. 305 ff.; Kotzur, DÖV 2001, S. 192 <195 ff.>; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 93 ff. ; ablehnend Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, 1985, S. 46 ff.; Quaritsch, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 120 Rn. 36 ff.; v. Mutius, in: Bonner Kommentar zum GG 1975, Art. 19 Abs. 3 Rn. 50, 52; Weinzierl, Europäisierung des deutschen Grundrechtsschutzes?, 2006).

72

b) Nach dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte "für inländische juristische Personen". Wegen der Beschränkung auf inländische juristische Personen lässt sich eine Anwendungserweiterung nicht mit dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 3 GG begründen. Es würde die Wortlautgrenze übersteigen, wollte man seine unionsrechtskonforme Auslegung auf eine Deutung des Merkmals "inländische" als "deutsche einschließlich europäische" juristische Personen stützen. Auch wenn das Territorium der Mitgliedstaaten der Europäischen Union angesichts des ihren Bürgern gewährleisteten Raumes "der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen" mit freiem Personenverkehr (Art. 3 Abs. 2 EUV) nicht mehr "Ausland" im klassischen Sinne sein mag, wird es dadurch nicht zum "Inland" im Sinne der territorialen Gebietshoheit (vgl. BVerfGE 123, 267 <402 f.>).

73

Der Vorschrift lag jedoch kein Wille des Verfassungsgebers zugrunde, eine Berufung auf die Grundrechte auch seitens juristischer Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union dauerhaft auszuschließen. Der Allgemeine Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rats kam in einem Entwurf eines Art. 20a GG, der dem heutigen Art. 19 Abs. 3 GG entsprach, zu dem Schluss, es "dürfte kein Anlass bestehen, auch ausländischen juristischen Personen den verfassungsmäßigen Schutz der Grundrechte zu gewähren" (Parlamentarischer Rat, Drucks. 370 vom 13. Dezember 1948). Aus diesem Grund hatte der Vorsitzende des Ausschusses für Grundsatzfragen, v. Mangoldt, vorgeschlagen, das Wort "inländische" einzufügen, womit sich der Ausschuss einverstanden erklärte (Kurzprotokoll der 32. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, Drucks. 578 vom 11. Januar 1949, S. 10).

74

In den Jahren 1948/49 stand die Entwicklung eines gemeinsamen Europas noch am Anfang. Seitdem hat die Europäische Union zunehmend Gestalt angenommen und ist heute als hochintegrierter "Staatenverbund" (BVerfGE 123, 267 <348>) ausgestaltet, an dem die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 1 GG mitwirkt. Die Anwendungserweiterung von Art. 19 Abs. 3 GG nimmt diese Entwicklung auf.

75

2. Die Anwendungserweiterung des Grundrechtsschutzes auf juristische Personen aus der Europäischen Union entspricht den durch die europäischen Verträge übernommenen vertraglichen Verpflichtungen, wie sie insbesondere in den europäischen Grundfreiheiten und - subsidiär - dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV zum Ausdruck kommen. Die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot stehen im Anwendungsbereich des Unionsrechts einer Ungleichbehandlung in- und ausländischer Unternehmen aus der Europäischen Union entgegen und drängen insoweit die in Art. 19 Abs. 3 GG vorgesehene Beschränkung der Grundrechtserstreckung auf inländische juristische Personen zurück.

76

a) Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist seit 1957 in den europäischen Verträgen verankert und wurde im Lissabonner Vertrag unverändert in Art. 18 AEUV übernommen. Es ist ein Grundprinzip des Unionsrechts (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 - C-115/08 Österreich/ČEZ -, EuZW 2010, S. 26, Rn. 89; vgl. schon H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 592), das in den Grundfreiheiten weiter ausgestaltet wird. Das Diskriminierungsverbot gehört zum Kernbestand der Unionsbürgerschaft und ist unmittelbar vor mitgliedstaatlichen Gerichten anwendbar; es begünstigt neben natürlichen auch juristische Personen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - Phil Collins -, a.a.O., Rn. 30 ff.). Das allgemeine und die speziellen Diskriminierungsverbote verpflichten die Mitgliedstaaten und alle ihre Organe und Stellen, juristische Personen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat auch im Hinblick auf den zu erlangenden Rechtsschutz Inländern gleichzustellen. In einem Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage des Bundesgerichtshofs hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass die europarechtliche Niederlassungsfreiheit eine nichtdiskriminierende Beurteilung der Rechts- und damit Parteifähigkeit vor deutschen Zivilgerichten verlangt (Urteil vom 5. November 2002 - Überseering -, a.a.O., Rn. 76 ff.).

77

b) Eine Anwendungserweiterung erübrigt sich nicht, weil ein gleichwertiger Schutz der Beschwerdeführerin anderweitig gesichert wäre. Zwar können sich juristische Personen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat in fachgerichtlichen Verfahren ohnehin auf die unmittelbare Geltung des primären Unionsrechts stützen und bleiben somit auch ohne Berufung auf die deutschen Grundrechte nicht ohne Rechtsschutz. Für einen gleichwertigen Schutz im Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote reicht es jedoch nicht aus, wenn ausländische juristische Personen zwar im fachgerichtlichen Verfahren auf eine materielle Gleichstellung mit inländischen juristischen Personen hinwirken, ihre Rechte aber gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mangels Grundrechtsträgerschaft nicht auch mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts durchsetzen können.

78

c) Ein Eingreifen der aus den Grundfreiheiten und Art. 18 AEUV abgeleiteten unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote setzt voraus, dass die betroffenen juristischen Personen aus der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden. Der Anwendungsbereich der Verträge richtet sich insoweit nach dem jeweiligen Stand des Primär- und Sekundärrechts der Europäischen Union und damit nach den ihr in den europäischen Verträgen übertragenen Hoheitsrechten (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EUV, vgl. BVerfGE 123, 267 <349 ff.>; 126, 286 <302>). Insbesondere ist er bei der Verwirklichung der Grundfreiheiten des Vertrags und dem Vollzug des Unionsrechts eröffnet. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin, die sich unter anderem auf unionsrechtlich (teil-)harmonisiertes Urheberrecht beruft, welches durch wirtschaftliche Aktivitäten in Deutschland verletzt worden sein soll, fällt in den Anwendungsbereich der Verträge in diesem Sinne (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - Phil Collins -, a.a.O., Rn. 22, 27; Urteil vom 6. Juni 2002 - C-360/00 Ricordi -, Slg. 2002, S. I-5088, Rn. 24).

79

d) Durch die Anwendungserweiterung des Art. 19 Abs. 3 GG werden juristische Personen mit einem Sitz im EU-Ausland ebenso behandelt wie inländische juristische Personen. Dies impliziert umgekehrt, dass EU-Ausländern die gleichen Vorschriften der Verfassung wie inländischen juristischen Personen entgegengehalten werden können. Voraussetzung der Berufungsmöglichkeit auf die Grundrechte ist demnach ein hinreichender Inlandsbezug der ausländischen juristischen Person, der die Geltung der Grundrechte in gleicher Weise wie für inländische juristische Personen geboten erscheinen lässt. Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn die ausländische juristische Person in Deutschland tätig wird und hier vor den Fachgerichten klagen und verklagt werden kann (so der Sache nach zu den Prozessgrundrechten bereits BVerfGE 12, 6 <8>; 18, 441 <447>).

80

e) Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof durch das Bundesverfassungsgericht bedarf es nicht. Die nationalen Gerichte sind selbst dazu befugt, eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts vorzunehmen. Die richtige Auslegung der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote ist hier so offenkundig, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel bleibt ("acte clair"; vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T. -, Slg. 1982, S. 3415, Rn. 16).

81

3. Die Anwendungserweiterung des Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union reagiert auf die europäische Vertrags- und Rechtsentwicklung und vermeidet eine Kollision mit dem Unionsrecht. Die Bundesrepublik Deutschland ist an Art. 18 AEUV und die sich aus den Grundfreiheiten ergebenden Diskriminierungsverbote einschließlich ihres Anwendungsvorrangs vor nationalem Recht (vgl. BVerfGE 126, 286 <301 f.>) gebunden. Die Anwendungserweiterung beachtet den Grundsatz, dass das supranational begründete Recht der Europäischen Union keine rechtsvernichtende, derogierende Wirkung gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht entfaltet, sondern nur dessen Anwendung soweit zurückdrängt, wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben. Mitgliedstaatliches Recht wird insoweit lediglich unanwendbar (vgl. BVerfGE 123, 267 <398 ff.>; 126, 286 <301 f.>). Die europarechtlichen Vorschriften verdrängen Art. 19 Abs. 3 GG nicht, sondern veranlassen lediglich die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf weitere Rechtssubjekte des Binnenmarkts. Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 GG erlaubt, unter Wahrung der in Art. 79 Abs. 2, 3 GG genannten Voraussetzungen Hoheitsgewalt auch insoweit auf die Europäische Union zu übertragen, als dadurch die Reichweite der Gewährleistungen des Grundgesetzes geändert oder ergänzt wird, ohne dass dabei das Zitiergebot des Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG eingreift (vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 5. November 1993, BTDrucks 12/6000, S. 21; Pernice, in: H. Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 23 Rn. 87; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Oktober 2009, Art. 23 Rn. 115). Mit der vertraglichen Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu den Vorläuferregelungen zu Art. 18 AEUV und zu den Grundfreiheiten wurde unter Wahrung der Grenzen des Art. 79 Abs. 2, 3 GG auch der Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote mit der von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG geforderten Mehrheit gebilligt (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>). Dies wirkt sich auch auf den Anwendungsbereich der Grundrechte aus, sofern eine Erstreckung der Grundrechtsgeltung auf juristische Personen aus der Europäischen Union veranlasst ist, um im Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft zu vermeiden. Die einzelnen Grundrechte des Grundgesetzes verändern sich durch die Erweiterung des Art. 19 Abs. 3 GG jedoch nicht.

82

4. Die dem Bundesverfassungsgericht aufgegebene Kontrolle des europäischen Rechts auf Erhaltung der Identität der nationalen Verfassung, auf Einhaltung der nach dem System der begrenzten Einzelermächtigung überlassenen Kompetenzen und der Gewährleistung eines im Wesentlichen dem deutschen Grundrechtsschutz gleichkommenden Schutzniveaus bleibt erhalten. Die Identität der Verfassung (vgl. BVerfGE 123, 267 <354, 398 ff.>; 126, 286 <302 f.>) wird durch die Erweiterung der Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG offensichtlich nicht berührt.

II.

83

Art. 14 Abs. 1 GG ist durch das angegriffene Urteil nicht verletzt. Zwar unterfällt das Urheberrecht der Beschwerdeführerin dem verfassungsmäßigen Recht am Eigentum (1.), welches die Gerichte bei der Auslegung nationalen Rechts zu beachten haben, soweit das europäische Recht hierbei Auslegungsspielräume lässt (2.). Die richtlinienkonforme Auslegung der streitentscheidenden Vorschriften der §§ 17, 96 UrhG durch den Bundesgerichtshof ist aber mit dem Grundgesetz vereinbar (3.).

84

1. Das in §§ 17, 96 UrhG gesetzlich ausgestaltete Recht des Urhebers, die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken seines Werks zu kontrollieren, stellt Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG dar. Nach diesen Vorschriften kommen auch Urheber angewandter Kunst in den Genuss dieses Rechts, soweit das Design die erforderliche Gestaltungshöhe besitzt. Dies ist hier unstreitig der Fall.

85

Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>). Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsraum (vgl. BVerfGE 21, 73 <83>; 79, 1 <25>; 79, 29 <40>). Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, dem Urheber jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zuzuordnen (vgl. BVerfGE 31, 248 <252>; 31, 275 <287>).

86

2. a) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9>). Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl. BVerfGE 8, 210 <221>; 88, 145 <166>) und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (vgl. BVerfGE 112, 332 <358> m.w.N.).

87

Wie etwa im Mietrecht und im Arbeitsrecht ist es allerdings auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 -, GRUR 2011, S. 223, Rn. 19 m.w.N.). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist vielmehr erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>; 95, 28 <37>; 97, 391 <401>; 112, 332 <358 f.>).

88

b) Ein Grundrechtsverstoß liegt insbesondere auch dann vor, wenn das Zivilgericht den grundrechtlichen Einfluss überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt hat und die Entscheidung auf der Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht (vgl. BVerfGE 97, 391 <401>). Dies kann der Fall sein, wenn sich ein Gericht in der Annahme, an vermeintlich zwingendes Unionsrecht gebunden zu sein, an der Berücksichtigung der Grundrechte des Grundgesetzes gehindert sieht. Lässt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum, ist dieser grundgesetzkonform auszufüllen (vgl. BVerfGE 113, 273 <300 ff.>). Die Fachgerichte müssen den Einfluss der Grundrechte bei der Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften des nationalen Rechts, die unionsrechtlich nicht oder nicht vollständig determiniert sind, zur Geltung bringen (vgl. BVerfGE 118, 79 <95 ff.>).

89

Ob ein Umsetzungsspielraum besteht, ist durch Auslegung des dem nationalen Umsetzungsrecht zugrunde liegenden Unionsrechts, insbesondere also der umgesetzten Richtlinien zu ermitteln. Die Auslegung unionsrechtlicher Sekundärrechtsakte obliegt auf nationaler Ebene zuvörderst den Fachgerichten. Diese haben dabei gegebenenfalls die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV - auch in Bezug auf den Schutz der Grundrechte - in Betracht zu ziehen.

90

Halten die Fachgerichte eine vollständige Bindung durch das Unionsrecht ohne Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof für eindeutig, unterliegt dies der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Hierbei ist es nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt. Denn mit der Feststellung oder Verneinung eines unionsrechtlichen Umsetzungsspielraums wird zunächst durch die Fachgerichte darüber entschieden, ob Grundrechte des Grundgesetzes berücksichtigt werden müssen und ob das Bundesverfassungsgericht nach seiner Rechtsprechung die Überprüfung nationaler Umsetzungsakte am Maßstab des Grundgesetzes zurücknimmt, solange die Europäische Union einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen wirksamen Schutz der Grundrechte gewährleisten, der nach Inhalt und Wirksamkeit dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar ist, im Wesentlichen gleichkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <161>; 123, 267 <335>).

91

c) Fehlt es an einem mitgliedstaatlichen Umsetzungsspielraum, muss das Fachgericht das anwendbare Unionsrecht bei gegebenem Anlass auf seine Vereinbarkeit mit den Unionsgrundrechten prüfen und, wenn erforderlich, ein Vorab-entscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV einleiten (vgl. BVerfGE 118, 79 <97>). Dasselbe gilt, wenn das Unionsrecht, einschließlich der europäischen Grundrechte (vgl. Art. 6 EUV in Verbindung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten), bislang ungeklärte Auslegungsfragen aufwirft. Eine Vorlage kann aus grundrechtlicher Sicht insbesondere dann erforderlich sein, wenn das Gericht Zweifel an der Übereinstimmung eines europäischen Rechtsakts oder einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs mit den Grundrechten des Unionsrechts, die einen den Grundrechten des Grundgesetzes entsprechenden Grundrechtsschutz gewährleisten, hat oder haben muss.

92

3. Ein Verstoß des angegriffenen Urteils gegen die Eigentumsfreiheit der Beschwerdeführerin gemäß Art. 14 Abs. 1 GG lässt sich nach diesen Maßstäben nicht feststellen. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Urheberrechtsricht-linie in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof lasse keinen Spielraum für die Einbeziehung der bloßen Gebrauchsüberlassung nachgeahmter Möbelstücke in den Schutz des Verbreitungsrechts nach § 17 Abs. 1 UrhG (a) und § 96 Abs. 1 UrhG (b), ist unter diesen Umständen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sind damit nicht verkannt.

93

a) Zur Harmonisierung des Verbreitungsrechts durch die Urheberrechtsrichtlinie werden verschiedene Auffassungen vertreten (vgl. die Nachweise im angegriffenen Urteil, a.a.O., Rn. 13 f., sowie Goldmann/Möller, GRUR 2009, S. 551 <554 f.>; v. Lewinski, in: Hilty/Drexl/Nordemann, Festschrift für Loewenheim, 2009, S. 175 <180 ff.>; Schulze, GRUR 2009, S. 812 <813 f.>; vgl. auch die Stellungnahme der GRUR im vorliegenden Verfahren, a.a.O.). Der Bundesgerichtshof verweist zutreffend darauf, dass § 17 UrhG richtlinienkonform auszulegen ist. Er durfte von Verfassungs wegen davon ausgehen, dass die Annahme einer bloßen Teilharmonisierung mit dem Harmonisierungszweck der Richtlinie, wie er insbesondere in den Erwägungsgründen 1, 4, 6, 7 niedergelegt ist, und der Warenverkehrsfreiheit des Unionsrechts unvereinbar wäre. Der Europäische Gerichtshof hat im Parallelverfahren etwaige Umsetzungsspielräume nicht erwähnt und Erweiterungen des Verbreitungsbegriffs ausdrücklich dem Unionsgesetzgeber vorbehalten (Urteil vom 17. April 2008, a.a.O., Rn. 37 ff.). Die Generalanwältin hatte sich für eine Auslegung im Sinne eines abschließenden Verbreitungsbegriffs zudem auf die Notwendigkeit des Schutzes der unionsrechtlichen Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EG (jetzt Art. 34 AEUV) gestützt (Schlussanträge vom 17. Januar 2008, Slg. 2008, S. I-2731, Rn. 33 ff.). Der Bundesgerichtshof konnte demnach davon ausgehen, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ihm keinen Auslegungsspielraum lässt, um im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung von § 17 UrhG den in der Richtlinie vorgesehenen Schutz des Verbreitungsrechts zu überschreiten. Damit hat der Bundesgerichtshof die Frage des Umsetzungsspielraums aufgeworfen und ohne Verfassungsverstoß unter Beachtung des Unionsrechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beantwortet.

94

b) Der Bundesgerichtshof konnte auch den Verbreitungsbegriff in § 96 UrhG mit § 17 UrhG übereinstimmend auslegen sowie davon ausgehen, dass er mittelbar ebenfalls von der Harmonisierung durch Art. 4 der Urheberrechtsrichtlinie erfasst wird und demnach kein Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung blieb. Dass sich die Verbreitungsbegriffe der §§ 17, 96 UrhG entsprechen, steht im Einklang mit der allgemeinen Meinung (vgl. nur Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, § 96 Rn. 9).

III.

95

Das angegriffene Urteil entzieht die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

96

1. Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das nationale Gericht ist unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>).

97

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt" (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, a.a.O., Rn. 21). Die Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Frage für den Ausgangsrechtsstreit hingegen beurteilt allein das nationale Gericht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, a.a.O., Rn. 10; Urteil vom 27. Juni 1991 - C-348/89 Mecanarte -, Slg. 1991, S. I-3277, Rn. 47; BVerfGE 82, 159 <194>).

98

Das Bundesverfassungsgericht überprüft allerdings nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>; 126, 286 <315 ff.>). Die Vorlagepflicht wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>). Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, NJW 2011, S. 1427, Rn. 104 f.; der Sache nach ebenso gehandhabt in BVerfGE 126, 286 <317 f.>).

99

2. Nach diesen Maßstäben liegt keine unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht vor.

100

Indem der Bundesgerichtshof die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Fragen im Parallelverfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat, hat er Art. 267 Abs. 3 AEUV auch im Streitfall nicht grundsätzlich verkannt. Auch wenn das Unionsrecht die Vorlage einer gleichen oder ähnlichen Auslegungsfrage erlaubt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - C-14/86 Pretore di Salò -, Slg. 1987, S. 2545, Rn. 12; stRspr), musste der Bundesgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht die Sache nicht erneut dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, wenn nach seiner Einschätzung die Antwort des Gerichtshofs keinen Raum für "vernünftigen Zweifel" (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, a.a.O., Rn. 21) ließ. Dem angegriffenen Urteil ist die vertretbare Überzeugung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, dass Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie eine vollharmonisierte Regelung des Verbreitungsrechts darstellt und der Europäische Gerichtshof die Auslegung des Verbreitungsbegriffs der Richtlinie abschließend und umfassend geklärt hat.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.

(1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.

(2) Dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist.

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(2) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG verwendete Begriff "Parodie" ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts (EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-201/13, GRUR 2014, 972 Rn. 17 = WRP 2014, 1181 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.). Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff "Parodie" im Sinne dieser Bestimmung hängt nicht von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Zu den Voraussetzungen einer Parodie gehört es außerdem nicht, dass sie vernünftigerweise einer anderen Person als dem Urheber des ursprünglichen Werkes zugeschrieben werden kann, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft oder dass sie das paro- dierte Werk angibt (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 33 - Deckmyn und Vrijheidsfonds /Vandersteen u.a.). Bei der Anwendung der Schutzschranke der Parodie in einem konkreten Fall muss ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 34 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.).

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

(1) Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 58, 59 sowie der §§ 60a bis 60c, 61, 61c, 61d und 61f vervielfältigt oder verbreitet wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben. Bei der Vervielfältigung oder Verbreitung ganzer Sprachwerke oder ganzer Werke der Musik ist neben dem Urheber auch der Verlag anzugeben, in dem das Werk erschienen ist, und außerdem kenntlich zu machen, ob an dem Werk Kürzungen oder andere Änderungen vorgenommen worden sind. Die Verpflichtung zur Quellenangabe entfällt, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung oder Verbreitung Befugten anderweit bekannt ist oder im Fall des § 60a oder des § 60b Prüfungszwecke einen Verzicht auf die Quellenangabe erfordern.

(2) Soweit nach den Bestimmungen dieses Abschnitts die öffentliche Wiedergabe eines Werkes zulässig ist, ist die Quelle deutlich anzugeben, wenn und soweit die Verkehrssitte es erfordert. In den Fällen der öffentlichen Wiedergabe nach den §§ 46, 48, 51, 60a bis 60d, 61, 61c, 61d und 61f sowie bei digitalen sonstigen Nutzungen gemäß § 60a ist die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers stets anzugeben, es sei denn, dass dies nicht möglich ist.

(3) Wird ein Artikel aus einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt nach § 49 Abs. 1 in einer anderen Zeitung oder in einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber, der in der benutzten Quelle bezeichnet ist, auch die Zeitung oder das Informationsblatt anzugeben, woraus der Artikel entnommen ist; ist dort eine andere Zeitung oder ein anderes Informationsblatt als Quelle angeführt, so ist diese Zeitung oder dieses Informationsblatt anzugeben. Wird ein Rundfunkkommentar nach § 49 Abs. 1 in einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber auch das Sendeunternehmen anzugeben, das den Kommentar gesendet hat.

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

(1) Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 58, 59 sowie der §§ 60a bis 60c, 61, 61c, 61d und 61f vervielfältigt oder verbreitet wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben. Bei der Vervielfältigung oder Verbreitung ganzer Sprachwerke oder ganzer Werke der Musik ist neben dem Urheber auch der Verlag anzugeben, in dem das Werk erschienen ist, und außerdem kenntlich zu machen, ob an dem Werk Kürzungen oder andere Änderungen vorgenommen worden sind. Die Verpflichtung zur Quellenangabe entfällt, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung oder Verbreitung Befugten anderweit bekannt ist oder im Fall des § 60a oder des § 60b Prüfungszwecke einen Verzicht auf die Quellenangabe erfordern.

(2) Soweit nach den Bestimmungen dieses Abschnitts die öffentliche Wiedergabe eines Werkes zulässig ist, ist die Quelle deutlich anzugeben, wenn und soweit die Verkehrssitte es erfordert. In den Fällen der öffentlichen Wiedergabe nach den §§ 46, 48, 51, 60a bis 60d, 61, 61c, 61d und 61f sowie bei digitalen sonstigen Nutzungen gemäß § 60a ist die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers stets anzugeben, es sei denn, dass dies nicht möglich ist.

(3) Wird ein Artikel aus einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt nach § 49 Abs. 1 in einer anderen Zeitung oder in einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber, der in der benutzten Quelle bezeichnet ist, auch die Zeitung oder das Informationsblatt anzugeben, woraus der Artikel entnommen ist; ist dort eine andere Zeitung oder ein anderes Informationsblatt als Quelle angeführt, so ist diese Zeitung oder dieses Informationsblatt anzugeben. Wird ein Rundfunkkommentar nach § 49 Abs. 1 in einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber auch das Sendeunternehmen anzugeben, das den Kommentar gesendet hat.

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

24
Die Schrankenregelung des § 50 UrhG dient der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmungen noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber möglich und zumutbar, vor dem Abdruck oder der Sendung des Berichts die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen (BGHZ 175, 135 Rn. 49 - TV-Total).
16
aa) Die Schrankenregelung des § 50 UrhG dient der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmungen noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt (BGHZ 175, 135 Rn. 49 - TV Total, mwN). Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber dagegen möglich und zumutbar, vor dem Abdruck oder der Sendung des Berichts die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen (BGH, Urteil vom 27. März 2012 - KZR 108/10, GRUR 2012, 1062 Rn. 24 - Elektronischer Programmführer).

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 285/99 Verkündet am:
11. Juli 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Zeitungsbericht als Tagesereignis
Wird die Auseinandersetzung prominenter Eheleute von einem der beiden Beteiligten
durch die Erhebung von Anschuldigungen (hier: Vorwurf einer bekannten
Fernsehmoderatorin, ihr Ehemann habe sie geschlagen) in die Presse getragen,
so kann darin ein Tagesereignis i.S. von § 50 UrhG liegen. Gegenstand der Privilegierung
des § 50 UrhG kann in einem solchen Fall auch ein als Beleg für den erhobenen
Vorwurf veröffentlichtes Lichtbild sein.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2002 – I ZR 285/99 – Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die
Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. August 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wiedergabe eines Pressefotos aus der „Bild“Zeitung in der Zeitschrift „Focus“.
Der Kläger ist Verleger der Tageszeitung „Bild“. In deren Ausgabe vom 9. November 1996 erschien auf der Titelseite und in Fortsetzung auf Seite 6 ein Artikel über einen Besuch der „Bild“-Redaktion bei der damaligen Ehefrau von Dieter Bohlen, Verona Feldbusch, die zu jenem Zeitpunkt Patientin in einer Hamburger Klinik war. Der Artikel enthielt ein in wörtlicher Rede wiedergegebenes Interview mit Frau Feldbusch, die den Vorwurf erhob, ihr Mann habe sie geschlagen und ihr damit Gesichtsverletzungen zugefügt. Neben der Schlagzeile „Bohlens Frau – So hat er mich zugerichtet“ war ein Farbfoto des Gesichts von Frau Feldbusch wiedergegeben, das sie mit einem blauen Auge, Pflaster und Verband zeigte. Der Artikel wurde wie folgt eingeleitet: „Ich habe mir sehr lange überlegt, ob ich dieses Foto machen soll. Aber ich finde, jeder soll sehen: Kein Mann darf einer Frau so etwas antun. Kein Mann darf seine Frau schlagen.“
Der Beklagte veröffentlichte in der von ihm verlegten wöchentlich erscheinenden Zeitschrift „Focus“ in der Ausgabe vom 18. November 1996 unter der Überschrift „In die Hose gerutscht, sie küßten und sie schlugen sich: Im Ehedrama Bohlen gegen Feldbusch hat der letzte Akt begonnen“ einen Artikel über die Auseinandersetzung der damaligen Eheleute Bohlen und Feldbusch. In dem Artikel wurde berichtet, daß Frau Feldbusch auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung mit einem geschwollenen Auge abgebildet sei und sie dort klage: „So hat er mich zugerichtet“. Zur Illustration war oberhalb dieses „Focus“-Artikels ein aus der Titelseite der „Bild“-Zeitung herausgerissener Teil in verkleinerter Form wiedergegeben. In diesem Auszug waren neben dem Zeitungstitel „Bild München“ die Schlagzeile
„Bohlens Frau – So hat er mich zugerichtet“ und das oben beschriebene Pressefoto zu erkennen. In einer Fußzeile wurde erläutert: „Böser Vorwurf in ‚Bild’: Verona Feldbusch beschuldigt Bohlen“. Nachstehend ist der obere Teil des „Focus“Artikels in schwarzweiß wiedergegeben:

Als Inhaber des vom Lichtbildner ihm allein eingeräumten Nutzungsrechts hat der Kläger die nicht genehmigte Wiedergabe des Pressefotos beanstandet
und den Beklagten auf Unterlassung und Schadensersatz in Höhe von 2.733,85 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Unterlassung und zur Zahlung von 2.500 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Den weitergehenden Zahlungsantrag hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (KG AfP 2000, 282).
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat eine Urheberrechtsverletzung nach §§ 97, 72, 16, 17 UrhG verneint und zur Begründung ausgeführt:
Die Veröffentlichung des Lichtbildes sei nach § 50 UrhG zulässig gewesen. Der „Focus“ trage als Wochenzeitschrift im wesentlichen den Tagesinteressen Rechnung. In dem Artikel sei auch über ein Tagesereignis berichtet worden, nämlich über das Beziehungsdrama der damaligen Eheleute Bohlen und Feldbusch sowie darüber, daß Frau Feldbusch auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung mit blauem Auge zu sehen gewesen sei und von ihrem Krankenbett aus darüber geklagt habe, wie sie von ihrem Mann zugerichtet worden sei. Der Vorfall habe erst einige Tage zurückgelegen, sei somit noch aktuell und aufgrund der Medienpräsenz der Eheleute Bohlen und Feldbusch von allgemeinem Publikumsinteresse gewesen. Das Lichtbild sei dabei nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses gewesen.
Vielmehr sei im „Focus“ darüber berichtet worden, was im einzelnen in der „Bild“Zeitung zu sehen und zu lesen gewesen sei. Im Verlaufe der Vorgänge, über die berichtet worden sei, sei die fragliche Fotografie, wie es § 50 UrhG voraussetze, tatsächlich wahrnehmbar geworden.
Die Wiedergabe des Ausrisses sei auch in einem durch den Zweck gebotenen Umfang erfolgt. Im Vordergrund habe die Berichterstattung über den von Frau Feldbusch erhobenen Vorwurf gestanden. Der Beklagte habe hierzu das Interview in der „Bild“-Zeitung seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben und den Artikel in „Bild“ auszugsweise abgebildet. Dabei sei es nicht in Betracht gekommen, die Fotografie wegzulassen; denn die Schlagzeile „So hat er mich zugerichtet“ sei ohne das Lichtbild nicht verständlich gewesen. Das Interesse an einer anschaulichen und informativen Berichterstattung rechtfertige den Abdruck des Lichtbildes, das den Bericht über die Auseinandersetzung der Eheleute Bohlen und Feldbusch begleite und veranschauliche.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die auf §§ 97, 72, 16, 17 UrhG gestützten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz zu Recht mit der Begründung verneint, die beanstandete Vervielfältigung und Verbreitung der fraglichen Fotografie sei durch die Schrankenbestimmung des § 50 UrhG gerechtfertigt gewesen.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß dem Lichtbildner nach §§ 72, 15 Abs. 1 i.V. mit § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1 UrhG hinsichtlich seiner Lichtbilder das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht zusteht. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts stammt die in Rede stehende Fotografie von dem Mitarbeiter B. des Klägers, der dem Kläger im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses ausschließliche Nutzungsrechte an den in Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten aus dem Ar-
beitsverhältnis erworbenen Urheberrechten und verwandten Schutzrechten eingeräumt hat. Als dem ausschließlich Nutzungsberechtigten steht dem Kläger ein eigener Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch zur Seite.
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht angenommen, daß im vorliegenden Fall der Abdruck des Lichtbildes nach §§ 72, 50 UrhG gestattet war. Nach § 50 UrhG dürfen Werke, die im Verlauf von Vorgängen, über die berichtet wird, wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang u.a. zur Bildberichterstattung über Tagesereignisse in – im wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragenden – Zeitschriften vervielfältigt und verbreitet werden. Für die nach § 72 UrhG geschützten Lichtbilder ist diese Schrankenbestimmung entsprechend anwendbar.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 50 UrhG wie alle auf der Sozialbindung des geistigen Eigentums beruhenden Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff. UrhG grundsätzlich eng auszulegen ist (st. Rspr.; BGHZ 85, 1, 4 f. – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; 144, 232, 235 f. – Parfumflakon; BGH, Urt. v. 24.1.2002 – I ZR 102/99, GRUR 2002, 605 f. = WRP 2002, 712 – Verhüllter Reichstag, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Dies beruht vor allem darauf, daß der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist und daher die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte nicht übermäßig beschränkt werden dürfen. Die Schranke des § 50 UrhG trägt der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Rechnung und stellt das Ergebnis einer vom Gesetzgeber vorgenommenen, grundsätzlich abschließenden Abwägung zweier verfassungsrechtlich geschützter Positionen dar (vgl. zu den Schrankenregelungen im allgemeinen BGH GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag, m.w.N.).

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der vom Beklagten verlegten Zeitschrift „Focus“ um eine Wochenzeitschrift, die „im wesentlichen Tagesinteressen Rechnung trägt“. Diese tatrichterliche Annahme wird von der Revision nicht angegriffen.

c) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß in dem fraglichen „Focus“-Artikel, in dem das Lichtbild wiedergegeben ist, über ein Tagesereignis berichtet worden ist. Dieses Tagesereignis ist – wie auch die Revision nicht verkennt – weder der Streit der (damaligen) Eheleute Bohlen und Feldbusch im allgemeinen noch die behauptete tätliche Auseinandersetzung im besonderen, sondern der Umstand, daß sich Frau Feldbusch mit ihren Vorwürfen anschuldigend in einer bestimmten Art und Weise an die „Bild“-Zeitung gewandt hat. Denn nur dieser Vorfall kommt als ein aktuelles Ereignis in Betracht, in dessen Verlauf die abgedruckte Fotografie wahrnehmbar geworden ist.
aa) Ein Tagesereignis ist jedes aktuelle Geschehen, das für die Öffentlichkeit von allgemeinem Interesse ist (vgl. v. Gamm, UrhG, § 50 Rdn. 3; Schricker/Vogel, Urheberrecht, 2. Aufl., § 50 UrhG Rdn. 6 f.; Engels in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 50 Rdn. 5; ferner BGHZ 85, 1, 9 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; BGH, Urt. v. 1.7.1982 – I ZR 119/80, GRUR 1983, 28, 29 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II). Dies gilt unabhängig vom Gegenstand; es muß sich nicht um eine Begebenheit aus Politik, Kultur, Sport oder Wirtschaft handeln. Auch andere Ereignisse, an denen ein Interesse der Allgemeinheit besteht, kommen als Tagesereignisse im Sinne von § 50 UrhG in Betracht. Das Gesetz, das dem verfassungsrechtlich geschützten Informationsinteresse in engen Grenzen den Vorrang vor dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers einräumt, bewertet dieses Interesse der Öffentlichkeit an aktueller Information nicht. Es läßt insbesondere keinen Raum für eine Unterscheidung danach, ob sich das Interesse auf ein politisch oder kulturell bedeutendes Ereignis oder einen eher
banalen Vorgang richtet. Daher privilegiert § 50 UrhG auch eine Berichterstattung, die – wie im Streitfall – eher eine Neugier am Schicksal bekannter Persönlichkeiten und ein gewisses Klatschbedürfnis befriedigt. Ausreichend ist daher der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, daß die Auseinandersetzungen der Eheleute Bohlen und Feldbusch und damit auch die Anschuldigung in der „Bild“-Zeitung aufgrund der Medienpräsenz der Eheleute von allgemeinem Publikumsinteresse war.
bb) Der in der „Bild“-Zeitung erhobene Vorwurf war zum Zeitpunkt des Erscheinens des „Focus“-Artikels noch aktuell. Aktuell ist ein Ereignis, solange ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird (vgl. OLG Hamburg AfP 1983, 405, 407; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 220, 221; Engels in Möhring/Nicolini aaO § 50 Rdn. 5). Diese Voraussetzung ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall gegeben.
cc) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, der „Focus“-Artikel stelle keinen Bericht über ein Tagesereignis, sondern eine umfangreiche Hintergrundreportage mit deutlich ironischen Zügen dar. Entscheidend ist, daß in dem beanstandeten Artikel im „Focus“ der Bericht über das aktuelle Tagesereignis eindeutig im Mittelpunkt steht und nicht lediglich als Aufhänger für eine durch das aktuelle Geschehen nicht veranlaßte weiterreichende Darstellung dient (vgl. OLG Hamburg AfP 1983, 405, 408). Bezieht ein Bericht jedoch die Hintergründe des aktuellen Geschehens ein, verläßt er damit noch nicht den Bereich der durch § 50 UrhG privilegierten Berichterstattung. Nicht allein die nüchterne Agenturnotiz, sondern auch die Reportage, in der das aktuelle Ereignis durch Mitteilung der Vorgeschichte und durch Stellungnahmen Dritter beleuchtet und – wie die Revision für den Streitfall hervorhebt – ironisiert wird, kann eine Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne von § 50 UrhG darstellen. Nach § 50 UrhG privilegiert ist nicht nur der
nackte Tatsachenbericht, sondern auch die den Hintergrund einbeziehende, wer- tende und kommentierende Reportage, solange die Information über die tatsächlichen Vorgänge noch im Vordergrund steht (vgl. Engels in Möhring/Nicolini aaO § 50 Rdn. 6; Schricker/Vogel aaO § 50 UrhG Rdn. 10).

d) Gegenstand des beanstandeten Artikels im „Focus“ war nicht das Bild der verletzten Frau Feldbusch als solches, sondern die von ihr in die Boulevardpresse getragene Anschuldigung. Dem hält die Revision entgegen, es könne nicht zwischen der Fotografie und dem schriftlichen Artikel unterschieden werden; Anschuldigung und Lichtbild seien daher als eine Einheit zu betrachten. Dem kann nicht beigetreten werden.
Zutreffend ist allerdings, daß § 50 UrhG die Wiedergabe eines geschützten Werkes nur dann gestattet, wenn es im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar geworden ist. Nicht privilegiert ist dagegen eine Berichterstattung , die das Werk selbst zum Gegenstand hat (vgl. BGHZ 85, 1, 6 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; BGH GRUR 1983, 28, 30 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II; OLG Frankfurt a.M. GRUR 1985, 380, 382; Schricker/Vogel aaO § 50 UrhG Rdn. 15; Engels in Möhring/Nicolini aaO § 50 Rdn. 12). Um eine solche Berichterstattung über das Werk als solches geht es aber im Streitfall nicht. Die Fotografie mag zu dem in Rede stehenden Tagesereignis – der Anschuldigung in der „Bild“-Zeitung – gehören, weil schon die Schlagzeile „So hat er mich zugerichtet“ auf die Fotografie Bezug nimmt und ohne sie nur schwer verständlich wäre. Dies ändert jedoch nichts daran, daß zwischen der Fotografie und der in der „Bild“-Zeitung erhobenen Anschuldigung, für die die Fotografie als Beleg dienen soll, unterschieden werden kann und unterschieden werden muß. Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß sich der Artikel im „Focus“ gerade auf die Anschuldigung bezieht, indem auch Gegen-
stimmen aus dem Bekanntenkreis des angeschuldigten Ehemanns zu Wort kommen.

e) Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der auszugsweise Abdruck des Artikels in der „Bild“-Zeitung sei durch den Berichterstattungszweck gedeckt. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß der Inhalt des schriftlichen Artikels, über den im „Focus“ berichtet worden ist, auf die Fotografie verweist. Dies gilt insbesondere für die Schlagzeile („So hat er mich zugerichtet“), die ohne das Lichtbild kaum verständlich ist. Auch der Umstand, daß die Fotografie vollständig und in Farbe wiedergegeben wurde, steht der Anwendbarkeit des § 50 UrhG nicht entgegen. § 50 UrhG enthält keine Einschränkung dahin, daß Werke nur bruchstückhaft oder nur im Zusammenhang mit einem anderen das Tagesereignis darstellenden Vorgang wahrnehmbar gemacht werden dürfen (BGHZ 85, 1, 4 f. – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I). Maßgeblich ist allein, ob sich die Wiedergabe im Rahmen des privilegierten Zwecks hält. Im Streitfall ist diese Voraussetzung erfüllt. Es bestehen daher keine Bedenken, daß das fragliche Lichtbild in der dem Beklagten vorliegenden Form veröffentlicht worden ist.
III. Die Revision des Klägers ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann Starck Bornkamm
Pokrant Büscher

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

(1) Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 58, 59 sowie der §§ 60a bis 60c, 61, 61c, 61d und 61f vervielfältigt oder verbreitet wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben. Bei der Vervielfältigung oder Verbreitung ganzer Sprachwerke oder ganzer Werke der Musik ist neben dem Urheber auch der Verlag anzugeben, in dem das Werk erschienen ist, und außerdem kenntlich zu machen, ob an dem Werk Kürzungen oder andere Änderungen vorgenommen worden sind. Die Verpflichtung zur Quellenangabe entfällt, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung oder Verbreitung Befugten anderweit bekannt ist oder im Fall des § 60a oder des § 60b Prüfungszwecke einen Verzicht auf die Quellenangabe erfordern.

(2) Soweit nach den Bestimmungen dieses Abschnitts die öffentliche Wiedergabe eines Werkes zulässig ist, ist die Quelle deutlich anzugeben, wenn und soweit die Verkehrssitte es erfordert. In den Fällen der öffentlichen Wiedergabe nach den §§ 46, 48, 51, 60a bis 60d, 61, 61c, 61d und 61f sowie bei digitalen sonstigen Nutzungen gemäß § 60a ist die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers stets anzugeben, es sei denn, dass dies nicht möglich ist.

(3) Wird ein Artikel aus einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt nach § 49 Abs. 1 in einer anderen Zeitung oder in einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber, der in der benutzten Quelle bezeichnet ist, auch die Zeitung oder das Informationsblatt anzugeben, woraus der Artikel entnommen ist; ist dort eine andere Zeitung oder ein anderes Informationsblatt als Quelle angeführt, so ist diese Zeitung oder dieses Informationsblatt anzugeben. Wird ein Rundfunkkommentar nach § 49 Abs. 1 in einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber auch das Sendeunternehmen anzugeben, das den Kommentar gesendet hat.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

(1) Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 58, 59 sowie der §§ 60a bis 60c, 61, 61c, 61d und 61f vervielfältigt oder verbreitet wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben. Bei der Vervielfältigung oder Verbreitung ganzer Sprachwerke oder ganzer Werke der Musik ist neben dem Urheber auch der Verlag anzugeben, in dem das Werk erschienen ist, und außerdem kenntlich zu machen, ob an dem Werk Kürzungen oder andere Änderungen vorgenommen worden sind. Die Verpflichtung zur Quellenangabe entfällt, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung oder Verbreitung Befugten anderweit bekannt ist oder im Fall des § 60a oder des § 60b Prüfungszwecke einen Verzicht auf die Quellenangabe erfordern.

(2) Soweit nach den Bestimmungen dieses Abschnitts die öffentliche Wiedergabe eines Werkes zulässig ist, ist die Quelle deutlich anzugeben, wenn und soweit die Verkehrssitte es erfordert. In den Fällen der öffentlichen Wiedergabe nach den §§ 46, 48, 51, 60a bis 60d, 61, 61c, 61d und 61f sowie bei digitalen sonstigen Nutzungen gemäß § 60a ist die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers stets anzugeben, es sei denn, dass dies nicht möglich ist.

(3) Wird ein Artikel aus einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt nach § 49 Abs. 1 in einer anderen Zeitung oder in einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber, der in der benutzten Quelle bezeichnet ist, auch die Zeitung oder das Informationsblatt anzugeben, woraus der Artikel entnommen ist; ist dort eine andere Zeitung oder ein anderes Informationsblatt als Quelle angeführt, so ist diese Zeitung oder dieses Informationsblatt anzugeben. Wird ein Rundfunkkommentar nach § 49 Abs. 1 in einer Zeitung oder einem anderen Informationsblatt abgedruckt oder durch Funk gesendet, so ist stets außer dem Urheber auch das Sendeunternehmen anzugeben, das den Kommentar gesendet hat.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

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1. Nach der genannten Bestimmung sind die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe zulässig, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang Stellen eines Werkes nach seiner Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden. Für den Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen. Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Werkes nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 26 - Vorschaubilder I, mwN).

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1.
einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.
Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3.
einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

(1) Ein Werk ist veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

(2) Ein Werk ist erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind. Ein Werk der bildenden Künste gilt auch dann als erschienen, wenn das Original oder ein Vervielfältigungsstück des Werkes mit Zustimmung des Berechtigten bleibend der Öffentlichkeit zugänglich ist.

(1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.

(2) Dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist.