Bundesgerichtshof Urteil, 20. Feb. 2013 - 1 StR 320/12

bei uns veröffentlicht am20.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 320/12
vom
20. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten Dr. R. ,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kempten vom 18. Januar 2012 werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse zu drei Vierteln und die Nebenklägerin zu einem Viertel.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten Dr. S. und Dr. R. von den Vorwürfen der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Betruges freigesprochen.
2
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben keinen Erfolg.

A.


I.


3
Den Angeklagten lag zur Last, bei dem an einer Leberzirrhose leidenden Geschädigten im September 2006 im Klinikum L. bewusst ohne genügende Aufklärung eine sogenannte autologe Hepatozytentransplantation (im Weiteren : Leberzelltransplantation) durchgeführt und durch den Eingriff den Tod des Geschädigten verursacht zu haben. Dabei soll der Angeklagte Dr. S. als behandelnder Arzt dem Patienten, der ihm gegenüber in den Eingriff eingewilligt hatte, bewusst aufklärungsrelevante Umstände verschwiegen haben; der Angeklagte Dr. R. soll - z.T. unter Assistenz des Angeklagten Dr. S. - sodann in Kenntnis der unzureichenden Aufklärung den mehrstufigen Eingriff durchgeführt haben.
4
Darüber hinaus lag den Angeklagten zur Last, bei der Abrechnung des Klinikums mit der Krankenversicherung des Geschädigten durch die Nutzung eines für Krankenhausabrechnungen allgemein üblichen, standardisierten Codierungssystems bewusst wahrheitswidrig die Abrechenbarkeit ihrer Behandlung vorgespiegelt zu haben, obwohl sie wussten, dass diese nicht vom Leistungsspiegel der Krankenversicherung erfasst war. Infolge des dadurch erregten Irrtums soll die geschädigte Krankenversicherung - der Absicht der Angeklagten entsprechend - am 2. Januar 2007 einen Betrag von insgesamt 10.344,59 Euro an das Klinikum erstattet haben, der diesem mangels gültiger Vergütungsgrundlage nicht zustand.

II.


5
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte war nach langjährigem Alkoholmissbrauch an Leberzirrhose erkrankt und hatte bereits mehrere lebensbedrohliche Krankheitsschübe mit komatösen Phasen durchlitten. Die bei dieser Diagnose als Standardmethode übliche Lebertransplantation lehnte er ab: Zum einen missfiel ihm die Aussicht, ein fremdes Organ in sich tragen zu müssen; zum anderen wollte er nicht auf ein Spenderorgan warten und einem erneuten, möglicherweise tödlichen Schub seiner Erkrankung durch eine rasche Behandlung vorbeugen. Schließlich war ihm bei einem nur kurz zurückliegenden Krankenhausaufenthalt in Lü. auch seitens der dort praktizierenden Ärzte wegen seines reduzierten Allgemeinzustandes von einer Lebertransplantation abgeraten worden.
7
Auf der Suche nach alternativen Behandlungsmethoden stieß der Geschädigte im Frühjahr 2006 auf das von der Münchener Firma H. beworbene Verfahren der Leberzelltransplantation, das unter Leitung des Angeklagten Dr. S. im Klinikum L. angewendet wurde. Bei diesem Verfahren werden aus dem Leberzellgewebe des Patienten entnommene Leberzellen isoliert , kultiviert und auf eine Biomatrix aufgebracht, um sodann in das Dünndarmmesenterium implantiert zu werden, wo sie die Leberfunktion unterstützen sollen. Der Geschädigte, der sich für das Verfahren interessierte, übersandte dem Angeklagten Dr. S. daraufhin seine Befunde.
8
Am 16. Mai 2006 trat der Angeklagte Dr. S. mit dem Geschädigten telefonisch in Kontakt. Der Geschädigte berichtete von seiner Krankengeschichte und seiner Einstellung zur Lebertransplantation. In diesem Zusam- menhang bezeichnete er die Leberzelltransplantation als seinen „letzten Rettungsanker“ und betonte, dass er „es trotz der geringen Erfahrungswerte versuchen wolle“. Zwei weitere, persönlicheAufklärungsgespräche führte der Angeklagte Dr. S. mit dem Geschädigten am 20. Juli 2006 und am 18. September 2006 durch. Zudem erhielt der Geschädigte schriftliches Informationsmaterial zum Verfahren der Leberzelltransplantation. Im Ergebnis war er über Diagnose und Risiken der Behandlungsmethode in Kenntnis gesetzt, während einige für die Beurteilung deren medizinischen Nutzens relevante Faktoren nicht in ausreichender Tiefe erörtert worden waren. Subjektiv hielt der Angeklagte Dr. S. jedoch irrig seine Aufklärungsbemühungen für ausreichend.
9
Am 18. September 2006 erteilte der Geschädigte seine Einwilligung in die Operation. Dem Angeklagten Dr. R. erklärte er auf Nachfrage, er habe keine Fragen mehr zu dem Eingriff. Infolgedessen ging auch der Angeklagte Dr. R. von der Hinlänglichkeit der in der Patientenakte dokumentierten Aufklärung aus und nahm die operativen Teileingriffe am 19. September 2006 und - unter Assistenz des Angeklagten Dr. S. - am 26. September 2006 jeweils lege artis vor. Dazwischen wurde am 21. September 2006 eine arterielle Neublutung ordnungsgemäß operativ versorgt.
10
Ab dem 1. Oktober 2006 verschlechterte sich der Zustand des Geschädigten. Nach seiner Verlegung auf die Intensivstation des Klinikums in München verstarb er dort am 25. November 2006 an einem Multiorganversagen.
11
2. Als Grundlage der später erstellten Abrechnung des Klinikums gab der Angeklagte Dr. R. noch im Operationssaal die zutreffenden Codierungen der durchgeführten Operationsschritte in das hierzu wie üblich genutzte Com- puterprogramm ein. Dass diese Schritte ihrerseits Bestandteile der nicht von der Leistungspflicht der Krankenversicherung umfassten Leberzelltransplantation waren, wurde weder von ihm noch von dem die Behandlung leitenden Angeklagten Dr. S. offenbart. Eine fallbezogene Vergütungsvereinbarung war nicht getroffen worden. Der Angeklagte Dr. S. stellte jedoch zum 31. Oktober 2006 beim InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) einen Antrag auf Aufnahme der Leberzelltransplantation in die Richtlinien für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB), um eine Anerkennung der Vergütungsfähigkeit dieser Methode zu erreichen. Auf die Abrechnung des Klinikums erstattete die Krankenversicherung des Geschädigten am 2. Januar 2007 einen Betrag in Höhe von 10.344,59 Euro. Der Betrag wurde bis zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung von der Krankenkasse, trotz der Kenntnis , dass die drei Operationen im Rahmen einer autologen Hepatozytentransplantation durchgeführt wurden, nicht zurückgefordert. Der Antrag des Angeklagten Dr. S. beim InEK wurde am 31. Januar 2007 positiv verbeschieden.
12
3. Das Landgericht hat die Angeklagten von den Vorwürfen der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Betruges aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
13
Bezüglich der Körperverletzungsdelikte sei den Angeklagten vorsätzliches Handeln nicht nachzuweisen, weil sie die objektiv bestehenden Aufklärungsmängel nicht erkannt hätten und irrig von einer wirksamen Einwilligung des Geschädigten ausgegangen seien. Zudem sei das Handeln der Angeklagten aufgrund hypothetischer Einwilligung gerechtfertigt. Für den insoweit subsidiären Vorwurf der fahrlässigen Tötung fehle es infolge dessen am erforderlichen Pflichtwidrigkeitszusammenhang.
14
Ein Betrug gegenüber der Krankenversicherung liege bereits mangels Vermögensschadens bzw. konkreter Vermögensgefährdung nicht vor. Der Vorwurf des versuchten Betruges scheitere zudem jeweils am Fehlen einer bewussten Täuschungshandlung mit rechtswidriger Bereicherungsabsicht.

B.


15
Die auf die Sachrüge und - seitens der Staatsanwaltschaft - auch auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen bleiben erfolglos.

I.


16
Das Urteil genügt den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO, insbesondere enthält es einen zusammenhängenden, der Beweiswürdigung vorangestellten Abschnitt zu den Feststellungen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). Im Rahmen der Beweiswürdigung sind sodann die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht im Zusammenhang, sondern in Teilen jeweils an verschiedenen Stellen dargelegt worden (UA S. 13, 14, 15, 16, 21), was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Darstellungsmangel begründen kann (BGH, Urteile vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11; vom 1. April 1992 - 2 StR 614/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8 mwN; Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90). Gemessen am Zweck des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO liegt ein solcher Mangel aber nicht vor, wenn dem Revisionsgericht auch bei einer von diesen Maßstäben abweichenden Darstellung die Prüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung auf Rechtsfehler hinreichend möglich bleibt (BGH, Urteil vom 1. April 1992 - 2 StR 614/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8). Diesen Anforderungen wird das Urteil noch gerecht.

II.


17
Der Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
18
1. Ohne Rechtsfehler ist die Strafkammer - ausgehend von einer nicht zu beanstandenden Einordnung der Operation als ärztlicher Heileingriff - zu der Bewertung gelangt, dass die von dem Geschädigten abgegebene Einwilligungserklärung objektiv unwirksam war, weil er jedenfalls nicht hinreichend über den potenziellen Nutzen der „Neulandmethode“ aufgeklärt worden war.
19
2. Sodann hat die Strafkammer die Strafbarkeit des Vorgehens der Angeklagten wegen des Vorliegens einer hypothetischen Einwilligung verneint (zu dieser Rechtsfigur vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11, NStZ 2012, 205 f.; Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03, NStZ-RR 2004, 16 mwN; Urteile vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03, NStZ 2004, 442, und vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34 f.; weit. Nw. bei Sowada NStZ 2012, 1 ff.; vgl. auch BGH, Urteile vom 23. Oktober 2007 - 1 StR 238/07 und vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06, NStZ-RR 2007, 340, 341). Deren - strenge - Voraussetzungen hat sie im vorliegenden Einzelfall ohne revisiblen Rechtsfehler festgestellt.
20
Ihre Auffassung, der Geschädigte würde nicht ausschließbar auch bei vollständiger Aufklärung in den Eingriff eingewilligt haben, hat sie durch konkre- te Feststellungen untermauert: Der Geschädigte habe eine Lebertransplantation nicht mehr gewollt (UA S. 6, 16), weil ihm hiervon bereits 2006 abgeraten worden war (UA S. 6, 15), weil er das Tragen fremder Organe grundsätzlich ablehnte (UA S. 6, 10, 15), und weil er infolge seiner Furcht vor weiteren lebensbedrohlichen Schüben seiner Erkrankung die (erneute) Aufnahme in eine Warteliste für eine Lebertransplantation befürchtete (UA S. 6, 10). Seine unbe- dingte Bereitschaft, sich „trotz der geringen Erfahrungswerte“ der neuartigen Behandlungsmethode zu unterziehen („letzter Rettungsanker“), hatte der Ge- schädigte auch gegenüber dem Angeklagten Dr. S. klar und deutlich geäußert (UA S. 7).
21
Ihre Feststellungen hat die Strafkammer in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise neben der Einlassung des Angeklagten Dr. S. vor allem auf die Angaben der Witwe des Geschädigten gestützt (UA S. 13,

15).


22
Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer sich bei dieser besonderen, durch Tatsachen fundierten Sachlage keine Überzeugung dahingehend hat bilden können, dass der Geschädigte bei vollständiger Aufklärung die Einwilligung in den Eingriff verweigert hätte, oder dass die Angeklagten mit einer solchen Verweigerung gerechnet hätten (vgl. zur Anwendung des Zweifelssatzes BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11, NStZ 2012, 205; Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03, NStZ-RR 2004, 16, 17 mwN; Urteil vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34,

35).


23
Mit dem weiteren Vorbringen, es sei nicht ersichtlich, warum der Ge- schädigte „sich auf ein hochexperimentelles Verfahren hätte einlassen sollen“, zeigt die Revision lediglich eine abweichende Beweiswürdigung auf; hiermit kann sie indes im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
24
3. Eine andere Bewertung hätte sich ergeben können, wenn die Angeklagten den Geschädigten gezielt über die mangelnden validen Erfolgsaussichten der Behandlung getäuscht hätten (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03, NStZ-RR 2004, 16, 17). Die Urteilsgründe ergeben hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. Die Verfahrensrügen, mit denen die Staatsanwaltschaft die Feststellung weiterer bzw. vertiefter Aufklärungsverstöße erstrebt, die im Ergebnis eine vorsätzliche Täuschung des Geschädigten durch die Angeklagten nahelegen und eine hypothetische Einwilligung ausschließen würden, haben keinen Erfolg.
25
a) Der Rüge, das Gericht habe „betreffend die Voraussetzungen der von den Angeklagten angewendeten Methode und insbesondere die Alternative einer Lebertransplantation“ weitere Zeugen, namentlich die Hausärztin des Ge- schädigten und diesen früher behandelnde Ärzte im Klinikum Lü. , nicht gehört, ist bereits unzulässig erhoben. Denn die Revision legt schon keine bestimmten Beweistatsachen und kein zu erwartendes, konkretes Beweisergebnis dar (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).
26
b) Auch die Rüge der Verletzung des § 261 StPO wegen unrichtiger Wiedergabe des Inhalts eines Arztbriefs vom 16. Mai 2006 in den schriftlichen Urteilsgründen versagt.
27
Die Strafkammer sieht die Einlassung des Angeklagten Dr. S. zum Inhalt des zwischen ihm und dem Geschädigten am 16. Mai 2006 geführten Telefonats - insbesondere seine Behauptung, eine alternative Lebertransplantation habe der Patient ihm gegenüber abgelehnt - durch den Inhalt des von ihm im Anschluss an das Telefonat gefertigten Arztbriefs bestätigt. Hierzu beruft sie sich auf die - eher unklare - Formulierung im Arztbrief, wonach eine Lebertransplantation „bisher nicht mehr erwogen“ worden sei (UA S. 15). Tatsäch- lich heißt es in dem Arztbrief jedoch, die Lebertransplantation sei „bisher noch nicht erwogen“ worden.
28
Es bestehen bereits Bedenken, dass die Rüge zulässig erhoben ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Hiergegen spricht, dass nur der betreffende Ausschnitt des zweiseitigen Arztbriefs, nicht jedoch dessen weiterer Inhalt vorgetragen wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 647/11; Urteile vom 12. Juli 1995 - 3 StR 366/93, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Besetzungsrüge 5; vom 28. Juni 1995 - 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; vom 21. Juli 1994 - 1 StR 83/94, BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Telefonüberwachung 1; Beschluss vom 16. Januar 1991 - 3 StR 414/90, BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 2).
29
Jedenfalls ist die Rüge aber unbegründet. Das Landgericht stützt sich bezüglich einzelner Inhalte der Aufklärungsgespräche - etwa bezüglich der Bewertung der neuen Methode als Alternative zur Lebertransplantation (UA S. 14) - neben dem Arztbrief auch auf die Aussage der Witwe des Geschädigten. Eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung zum Zwecke der Prüfung, ob sich die beanstandete Feststellung nur auf den Arztbrief oder auch auf die Aussage dieser Zeugin stützt, ist dem Revisionsgericht jedoch versagt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 21, und vom 3. September 1997 - 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 214 mwN).

III.


30
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Angeklagten auch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Es hat mit Blick auf die erteilte hypothetische Einwilligung des Geschädigten zu Recht den erforderlichen Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen den Aufklärungsverstößen und dem Tod des Geschädigten verneint (zur hypothetischen Einwilligung mit Blick auf den Maßstab der zudem erforderlichen Vorhersehbarkeit, vgl. auch BGH, Urteile vom 28. Oktober 1960 - 4 StR 375/60 und vom 28. Juni 1963 - 4 StR 202/63, JZ 1964, 231 f.).

IV.


31
Auch der Freispruch vom Vorwurf des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
32
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht eine objektive Täuschung der Krankenversicherung - naheliegend war hier eine Täuschung nicht durch Falschcodierung, sondern durch die gleichzeitige Behauptung der grundsätzlichen Abrechenbarkeit der Leistung (vgl. BGH, Urteile vom 4. September2012 - 1 StR 534/11, und vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388, 389; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11) - angenommen.
33
2. Ohne revisiblen Rechtsfehler hat die Strafkammer indes bei dem Angeklagten Dr. R. - unter Hinweis auf dessen gänzlich fehlende Vorstellungen über die weitere Abwicklung der Abrechnung - bereits den Täuschungsvorsatz verneint.
34
Auf der Basis der Feststellungen des Landgerichts fehlte den Angeklagten zudem jedenfalls der zur Tatbestandserfüllung erforderliche Vorsatz betreffend die Erregung eines Irrtums der Krankenkasse des Geschädigten. Die Angeklagten vertrauten auf die Vorlage der mit dem Vermerk „Leberzelltransplan- tation“ versehenen Einweisungsbescheinigung der Hausärztin (UA S. 22); zu- dem bestand ausweislich der Aussage des Zeugen Sch. eine offensichtliche und erhebliche Kostendifferenz zur Standardmethode der Lebertransplantation (UA S. 22).
35
Auf die hinzutretenden gewichtigen Bedenken, die auch gegen die Annahme einer von den Angeklagten erstrebten rechtswidrigen Bereicherung sprechen - etwa das parallel geführte InEK-Verfahren (UA S. 12, 22) und die bereits mehr als eineinhalb Jahre währende Dauer der Anwendung der Methode an 30 Patienten (UA S. 6, 9) - kommt es mithin nicht mehr an.

C.


36
Die Staatskasse hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1957 - 1 StR 33/57, BGHSt 11, 189 ff.). Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst. Die Kostenschuld bezüglich der gerichtlichen Auslagen obliegt beiden Beschwerdeführern (BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - 3 StR 130/03). Dabei hat der Senat wegen des geringeren Umfangs der Beteiligung der Nebenklägerin am Revisionsverfahren deren Verpflichtung gegenüber derjenigen der Staatskasse entsprechend herabgesetzt. VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Rothfuß Cirener Radtke

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Feb. 2013 - 1 StR 320/12 zitiert 6 §§.

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 317/07
vom
14. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Februar
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin Erna Waltraud B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin rügen mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft, deren Revision vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet ferner das Verfahren. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt :
3
Der Angeklagte habe sich am 20. August 2006 gegen 19 Uhr auf dem Ostfriedhof in Gelsenkirchen der 86jährigen Nebenklägerin Erna B. von hinten genähert, als diese auf ihr Fahrrad steigen wollte, um nach Hause zu fahren. Er habe der Nebenklägerin mit beiden Händen den Hals fest zuge- drückt. Er habe die deshalb unter akuter Atemnot leidende Nebenklägerin, die versucht habe, sich zur Wehr zu setzen, in Richtung eines Gebüschs bei einem neu angelegten Gräberfeld geschoben und geäußert: "Wenn Sie hier nicht wollen , dann gehen wir in die Büsche. Vorwärts!" Er habe die Nebenklägerin über einen schmalen Weg in Richtung des Feldes geschoben, wobei diese zu Fall gekommen sei. Der Angeklagte habe versucht, die Nebenklägerin hochzuheben , was diese habe verhindern können. Als die Nebenklägerin vorgegeben habe, "sie könne nicht mehr", sie müsse Tabletten einnehmen, habe der Angeklagte sie auf den Rasen gebracht. Dort habe die Nebenklägerin sich an die Zeugin F. wenden können, worauf der Angeklagte von ihr abgelassen habe.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er habe an jenem Tage eine dreiviertel Flasche Chantré getrunken , sei danach spazieren gegangen und habe sich dann auf eine Friedhofsbank gesetzt. Die Nebenklägerin, die ein Fahrrad geschoben habe, sei vor ihm unvermittelt in die Knie gesunken. Er sei ihr mit zwei schnellen Schritten zu Hilfe geeilt und habe ihr von hinten unter die Arme um den Brustkorb gegriffen, um sie aufzufangen. Die Nebenklägerin habe sich am Fahrrad festgehalten, so dass der Lenker eingeknickt sei, weshalb sie vom sandigen Weg in Richtung des frischen Gräberfeldes auf den Mulchbereich abgekommen seien. Er habe beruhigend auf die panisch wirkende Nebenkl ägerin eingeredet und ihr gesagt, dass er nur helfen wolle. Die Nebenklägerin habe geäußert, sie habe ihre Herztabletten nicht genommen. Dann habe er die Stimme von Frau F. gehört , die er gebeten habe, einen Krankenwagen zu rufen. Er habe darauf bestanden , dass neben dem Krankenwagen auch die Polizei gerufen werde, weil er wegen seiner Vorstrafen nachteilige Konsequenzen befürchtet habe.
5
3. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und zur Begründung ausgeführt, es habe "zwar im Detail gewisse Zweifel" an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, habe dessen Einlassung aber nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu widerlegen vermocht.
6
Die Bekundungen der Nebenklägerin und die der ebenso wie diese glaubwürdigen Zeugin F. seien "in einem entscheidenden Punkt - nämlich in der Frage, von wessen Initiative die Hilfeleistung der Zeugin F. ausging -" nicht miteinander in Einklang zu bringen. Die Zeugin F. habe, als sie gesehen habe, dass die Nebenklägerin zusammengebrochen sei, nach ihren Bekundungen "sofort hinübergerufen, ob sie helfen könne". Demgegenüber habe die Nebenklägerin bekundet, sie sei es gewesen, die um Hilfe gerufen und Frau F. dadurch veranlasst habe hinzuzukommen. Das Landgericht hat hierzu u.a. ausgeführt, dass sich der Widerspruch plausibel dadurch erklären lasse, dass die Nebenklägerin, entsprechend der Einlassung des Angeklagten und der Beobachtung der Zeugin F. , einen Schwächeanfall erlitten habe , hierdurch verwirrt gewesen sei und den gesamten Geschehensablauf falsch verstanden haben könnte. Im Hinblick darauf, dass der Polizeibeamte S. bei seinem Eintreffen am Tatort den Eindruck gehabt habe, die Nebenklägerin sei verwirrt gewesen, erscheine nicht ausgeschlossen, dass die nach ihren Angaben unter Bluthochdruck leidende Nebenklägerin einen Schwächeanfall erlitten habe. Deshalb sei die Möglichkeit von Fehlwahrnehmungen bzw. -deutungen des Gechehens durch die Nebenklägerin nicht auszuschließen.

II.


7
Der Freispruch hat keinen Bestand.
8
1. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.
10
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH wistra 2004, 105, 109 jew. m.w.N.). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht.
11
Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Person des Angeklagten. Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, dass der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat; aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH NStZ 2000, 91). So liegt es hier. Der Angeklagte will wegen der wegen seiner Vorstrafen befürchteten nachteiligen Konsequenzen darauf bestanden haben, dass die Polizei gerufen werde. Welcher Art diese Vorstrafen sind und wie lange sie zurückliegen, wird im Urteil jedoch nicht mitgeteilt. Nach den vom Angeklagten geäußerten Befürchtungen liegt es nahe, dass es sich um einschlägige Vorstrafen handelt, die Aufschluss über die Täterpersönlichkeit geben könnten.
12
Zudem fehlt eine geschlossene Darstellung derjenigen Tatsachen, die das Landgericht für erwiesen hält. Ohne Angaben insbesondere zu den örtlichen Verhältnissen in dem Bereich des Ostfriedhofs, in dem es zu dem Zusammentreffen des Angeklagten mit der Nebenklägerin kam, und dazu, wo diese schließlich am Boden gelegen hat, ist dem Senat die Überprüfung, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht, nicht möglich.
13
b) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass sich das Urteil nicht dazu verhält, in welchen Details das Landgericht "gewisse Zweifel" an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten hatte und aus welchen Gründen die Umstände, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Schlüsse auch zu Ungunsten des Angeklagten ermöglichen, auch in einer Gesamtschau nicht ausreichten, die Einlassung , die Nebenklägerin habe einen Schwächeanfall erlitten, zu widerlegen.
14
Soweit das Landgericht meint, es könne nicht als gegen den Angeklagten sprechendes Indiz gewertet werden, dass er die nach seiner Einlassung erstmals auf dem Friedhofsweg in die Knie gesunkene Nebenklägerin nicht zurück auf die näher gelegene Bank, sondern bis auf den Mulchbereich verbracht haben will (UA 6), lässt es außer Acht, dass sich der Angeklagte nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen der Nebenklägerin und der vom Landgericht für glaubwürdig erachteten Zeugin F. mit der Nebenklägerin entgegen seiner Einlassung nicht im Bereich des Mulches vor den Gräbern, sondern "inmitten der frischen Gräber" aufhielt, als die Zeugin F. hinzukam (UA 5).
15
Bedenken begegnet auch die Erwägung des Landgerichts, für den vom Angeklagten behaupteten Schwächeanfall der Nebenklägerin spreche, dass die Zeugin F. und der Zeuge S. den Eindruck hatten, die Nebenklägerin sei verwirrt gewesen. Insoweit hätte die zumindest ebenso nahe liegende Möglichkeit der Erörterung bedurft, dass die Nebenklägerin deshalb verwirrt gewesen ist, weil sie zuvor von dem Angeklagten gewürgt und von dem Weg vor dem Friedhof bis zu den frischen Gräbern verbracht worden war.
16
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zudem mit einer auf die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gestützten Rüge zu Recht, dass es das Landgericht unterlassen hat, durch Verlesung der Urteile Beweis über die den Verurteilungen des Angeklagten durch das Landgericht Mönchengladbach vom 31. Mai 1996 und das Landgericht Essen vom 17. Januar 2001 zu Grunde liegenden Taten zu erheben (vgl. auch BGHSt 43, 106).
17
Das Landgericht Mönchengladbach hatte den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte im August 1995 in den frühen Morgenstunden eine 18 Jahre alte Frau vom Rad gestoßen, ihr ein Küchenmesser an den Hals gelegt und sie gezwungen, sich vollständig zu entkleiden. Er verlangte von ihr, vor ihm niederzuknien und den Oralverkehr zu vollziehen, und zwang sie, ihm einen Zungenkuss zu geben. Dann griffen Polizeibeamte ein, die von Nachbarn alarmiert worden waren.
18
Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte im Juli 1998 einen damals zwölf Jahre alten Jungen zunächst bewusstlos, packte ihn im Nacken und zerrte ihn in ein Gebüsch. Unter der Drohung, dem Jungen das Genick zu brechen, erzwang der Angeklagte den Oral- und den Analverkehr.
19
Das Landgericht hätte sich zu der Verlesung dieser Urteile gedrängt sehen müssen, zumal diese - wenn auch nicht durch einen förmlichen Beweisantrag - im Hauptverhandlungstermin vom 20. Februar 2007 von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war. Dass die einschlägigen Vorverurteilungen, insbesondere auch die Feststellungen zu der Vorgehensweise des Angeklagten , für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin von Bedeutung sein können, liegt auf der Hand.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 134/11
vom
11. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Oktober 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen.
2
1. Dem Angeklagten war in der Anklage folgendes zur Last gelegt worden :
3
Am 24. Juli 2007 habe der Angeklagte in seinen Praxisräumen in B. bei einem 85-jährigen Patienten (im Folgenden P.) eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt. Diese sei von dem den P. behandelnden Urologen erbeten worden, weil sich Blut im Stuhl befunden hatte. Nachdem P. am 18. Juli 2007 über die Risiken dieser Untersuchung aufgeklärt worden sei, habe er eine Einwilligungserklärung zur Koloskopie unterschrieben. Die Koloskopie habe einen normalen Befund ohne Hinweis auf eine Blutungsquelle ergeben. Der Angeklagte habe sich daher dazu entschlossen, im Anschluss an die Kolo- skopie bei P. eine Magenspiegelung vorzunehmen. Dabei sei dem Angeklagten klar gewesen, dass P. noch unter dem Einfluss der für die Koloskopie verabreichten Narkotika gestanden sei. Dieser Zustand sollte aber für die Durchführung der Magenspiegelung genutzt werden, um eine erneute Sedierung zu vermeiden. Andererseits habe P. keine Einwilligung für eine Magenspiegelung gegeben und sei auch zuvor nicht über den Eingriff und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Eine wirksame Aufklärung des P. und die Abgabe einer rechtsgültigen Einwilligungserklärung durch diesen seien jedoch zu diesem Zeitpunkt wegen des Einflusses der verabreichten Narkotika nicht in Betracht gekommen. Dies sei dem Angeklagten auch klar gewesen. Dennoch habe er mit der Durchführung der Gastroskopie begonnen, die jedoch daran scheiterte, dass P. nicht in der Lage war, das Einführen des Endoskops in die Speiseröhre durch Schluckbewegungen zu unterstützen. Der Angeklagte habe das Endoskop nur bis auf ca. 10 bis 12 cm einführen können. Angesichts der konkreten Untersuchungssituation sei dem Angeklagten als erfahrenen Gastroenterologen sofort klar gewesen, dass das der Untersuchung innewohnende bekannte Risiko einer Perforation der Speiseröhre (die bekanntermaßen ihrerseits zu einer lebensbedrohlichen Mittelfellentzündung führen könnte) signifikant erhöht gewesen sei. Gleichwohl habe er versucht, nachdem er nach Entfernung des Endoskops P. aufgefordert hatte, einmal "leer" zu schlucken, sofort erneut das Endoskop einzuführen. Auch bei diesem zweiten Anlauf sei das Einführen des Untersuchungsgerätes wiederum nur bis zu einer Länge von etwa 10 bis 12 cm gelungen. Der Angeklagte habe daraufhin beschlossen, zunächst ein bis etwa zwei Stunden zuzuwarten und dann erneut die Untersuchung anzugehen. Gegen 11.30 Uhr sei P., bei dem die Wirkung der Narkotika zwischenzeitlich nachgelassen hatte, vom Angeklagten eine weitere Ampulle Dormicum gespritzt worden. Nach Einsetzen der Wirkung des Medikaments habe der Angeklagte erneut einige Male erfolglos versucht, das Endoskop bei P. ein- zuführen. Insoweit habe der Angeklagte jeweils angesichts der konkreten Situation in Kauf genommen, dass sich das Risiko der Speiseröhrenperforation verwirklichen und P. eine lebensbedrohliche Mittelfellentzündung erleiden könne, die gerade bei einem 85-jährigen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen könnte. Bei diesen Versuchen sei es durch das vom Angeklagten eingeführte Endoskop zu einer Perforation der Speiseröhre bei P. gekommen, an deren absehbaren weiteren Folgen P. trotz einer am 26. Juli 2007 im Klinikum B. durchgeführten Operation und anschließender intensivmedizinischer Behandlung schließlich am 3. September 2007 verstorben sei. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass die Durchführung einer Magenspiegelung unmittelbar im Anschluss an die Darmspiegelung bei P. nicht medizinisch indiziert gewesen sei. Eine Magenspiegelung hätte nach erfolgter Aufklärung und Einwilligung jederzeit später durchgeführt werden können, wenn sich dafür eine Indikation ergeben hätte. Im Hinblick auf die Speiseröhrenperforation und die sich hieraus ergebenden zum Tode führenden Komplikationen habe der Angeklagte wenigstens fahrlässig gehandelt.
4
Die Anklage ging daher von einem Verbrechen der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) aus.
5
2. Das Landgericht hat "in teilweiser Abweichung von der Anklage" (UA S. 5) in der Hauptverhandlung u.a. folgende Feststellungen getroffen:
6
Nach dem ergebnislosen Befund der Darmspiegelung hat der Angeklagte P. nicht ausschließbar über die bevorstehende Magenspiegelung aufgeklärt und auch dessen Zustimmung eingeholt. Allerdings war P. aufgrund der andauernden Sedierung nicht in der Lage, in rechtserheblicher Weise in die Magenspiegelung einzuwilligen, was der Angeklagte auch erkannte. Gleichwohl führte er die Untersuchung durch, wobei es ihm bei mindestens zwei Versu- chen aufgrund von Schluckbeschwerden des P. nicht gelang, das Endoskop einzuführen. Nach einer Pause von ca. zwei Stunden wurden mindestens zwei weitere erfolglose Versuche unternommen, wobei P. zuvor wegen der nachlassenden Wirkung der Sedierung zusätzliches Dormicum injiziert wurde. Bei einem der Versuche kam es zur Perforation der Speiseröhre, wobei nicht festgestellt werden kann, bei welchem der Versuche dies geschah. Der Angeklagte wollte P. mit der sofortigen Durchführung der Magenspiegelung eine nochmalige Anreise aus Bi. im nüchternen Zustand ersparen. Er ging davon aus, dass P. mit dieser Vorgehensweise einverstanden sein würde. Tatsächlich hätte P. auch seine Einwilligung erklärt, wenn er vor der Maßnahme ordnungsgemäß über die Notwendigkeit, über Risiken und möglichen Komplikationen aufgeklärt worden wäre.
7
P. wurde am 25. Juli 2007 ins Klinikum B. eingewiesen und am 26. Juli 2007 an der Speiseröhre operiert. Er befand sich bereits auf dem Weg der Besserung, als es schließlich zu Komplikationen, u.a. einer Lungenentzündung und einem Mediastinalabszess, kam, die schließlich zu einem Multiorganversagen und zum Tod des P. am 3. September 2007 führten. Es ist nicht auszuschließen , dass es im Rahmen des stationären Aufenthalts im Klinikum B. zu Fehlern kam und das Leben von P. bei ordnungsgemäßer Behandlung hätte gerettet werden können. So wurde möglicherweise zu lange ein falsches Antibiotikum verwendet und zu spät ausgetauscht. Allerdings wäre es ohne die von dem Angeklagten verursachte Verletzung der Speiseröhre nicht zu dem Krankenhausaufenthalt und den damit einhergehenden Komplikationen gekommen.
8
3. Nach Auffassung der Strafkammer liegt ein strafbares Verhalten des Angeklagten nicht vor. Das ärztliche Handeln sei durch eine "hypothetische Einwilligung" des P. gerechtfertigt und vorwerfbare Fehler bei der versuchten Durchführung der Magenspiegelung seien dem Angeklagten nicht nachzuweisen. Die Strafkammer zieht aus verschiedenen Indizien den Schluss, dass P. der sofortigen Magenspiegelung zugestimmt hätte, wenn er wirksam aufgeklärt worden wäre. Sie ist darüber hinaus der Meinung, dass eine Strafbarkeit nach § 227 StGB auch dann nicht in Betracht käme, wenn man nicht von einer Rechtfertigung durch "hypothetische Einwilligung" ausginge. Denn die vom Angeklagten verursachte Verletzung beruhe nicht auf Fahrlässigkeit, sondern sei eine der Magenspiegelung immanente Komplikation. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) komme ebenfalls nicht in Betracht, da den Angeklagten keine Sorgfaltspflichtverletzung treffe. Allein aufgrund der Feststellung einer Speiseröhrenperforation könne noch nicht auf ein fehlerhaftes Verhalten des Angeklagten geschlossen werden.
9
4. Gegen dieses freisprechende Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin (Ehefrau des P.; vgl. auch § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Beide rügen die Verletzung materiellen Rechts und erstreben eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Die Rechtsmittel haben Erfolg.

II.

10
Das angefochtene Urteil war auf die von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erhobene Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben.
11
1. Das Urteil des Landgerichts entspricht bereits nicht den Anforderungen , die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
12
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen - worauf das Landgericht in erster Linie abstellt - muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldsprucherforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 StR 41/11 mwN).
13
Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils sind hier nicht erfüllt.
14
a) Es fehlt bereits an einer geschlossenen Darstellung der festgestellten Tatsachen. Das Landgericht setzt bei der Wiedergabe seiner Feststellungen erst nach der erfolgten Darmspiegelung ein und schildert das Geschehene sehr kurz. Der Senat kann nicht beurteilen, ob das Landgericht im Übrigen die durch die Mitteilung des Anklagevorwurfs bekannten weiteren Feststellungen getroffen hat, worauf die Formulierung "in teilweiser Abweichung von der Anklage" hindeuten könnte. So wird u.a. nicht festgestellt, ob P. gegenüber dem Angeklagten über Schmerzen im Hals- und Brustbereich geklagt hat.
15
b) Den Ausführungen zur Beweiswürdigung können zwar einzelne weitere Feststellungen entnommen werden, doch nicht mit einer solchen Deutlichkeit , dass eine geschlossene Darstellung hinreichend ersichtlich wird.
16
c) Die Einlassung des Angeklagten wird auch nicht vorab - wie erforderlich - geschlossen dargelegt, sondern wird nur vereinzelt in der Beweiswürdigung gestreift.
17
Der Senat ist schon von daher gehindert, das angefochtene Urteil umfassend und abschließend auf Rechtsfehler zu untersuchen.
18
2. Die Beweiswürdigung selbst leidet darüber hinaus an durchgreifenden Rechtsfehlern.
19
Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Tatbegehung nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu prüfen und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 mwN).
20
a) Die Beweiswürdigung zur "hypothetischen Einwilligung" ist bereits widersprüchlich. Die Kammer hat sich den klaren Ausführungen der beiden Sachverständigen angeschlossen, wonach aufgrund des verabreichten Medikaments Dormicum eine Aufklärung wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit des P. nicht möglich war (UA S. 8). Gleichwohl leitet sie aus Gesprächen mit P. unmittelbar vor der Magenspiegelung "ein weiteres nicht unerhebliches Indiz dafür ab, dass der Geschädigte der sofortigen Magenspiegelung zugestimmt hätte, wenn er wirksam aufgeklärt worden wäre" (UA S. 12). Da P. zu diesem Zeit- punkt nicht aufklärungsfähig war, kann aus seinem Verhalten auch kein Indiz für eine Einwilligung hergeleitet werden. Soweit auf UA S. 11 in diesem Zusammenhang Angaben der Arzthelferin wiedergegeben werden, ist - da im Feststellungsblock hierzu nichts enthalten ist (vgl. oben II 1 a) - zum einen unklar , ob die Strafkammer von der Glaubhaftigkeit dieser Aussage überzeugt ist, zum anderen werden die maßgeblichen Einzelheiten der Gespräche nicht mitgeteilt. Die Einschätzung der Zeugin, P. sei wegen der nachlassenden Wirkung der Sedierung "ansprechbar" gewesen, lässt sich auch nicht ohne weiteres mit den Ausführungen der Sachverständigen in Einklang bringen, wonach eine Aufklärung wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit nicht möglich war. Im Widerspruch zu den Angaben der Sachverständigen, denen die Kammer aber ausdrücklich folgen will (UA S. 8), geht sie davon aus, dass durch die Sedierung lediglich eine Amnesie eingetreten war (UA S. 13), eine Verständigung mit P. aber möglich war. Fehlende Aufnahmefähigkeit ist aber grundsätzlich von einer Amnesie zu unterscheiden. War - wie jedenfalls zunächst festgestellt - bei P. keine Aufnahmefähigkeit für eine entsprechende Aufklärung vorhanden, konnte er eine wirksame Einwilligung nicht erteilen und es durfte auch aus seinem Verhalten kein derartiger Schluss gezogen werden.
21
Der Senat kann bereits hier nicht sicher ausschließen, dass auf diesen widersprüchlichen Überlegungen des Tatrichters dessen diesbezügliche Beweiswürdigung beruht, zumal hierin ein "nicht unerhebliches Indiz" (UA S. 12) gesehen wird.
22
b) Das Landgericht ist im Rahmen seiner Begründung für die Annahme einer "hypothetischen Einwilligung" rechtsfehlerhaft von einem unzutreffenden Ausgangspunkt ausgegangen. Die Feststellung, dass auch eine Magenspiegelung grundsätzlich indiziert war, sagt nichts darüber aus, dass diese Untersuchung eilig erfolgen musste und nicht eine vorherige Einwilligung des P. einge- holt werden konnte. Das zur Wahrung der Persönlichkeit des Patienten erforderliche Selbstbestimmungsrecht (vgl. dazu u.a. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 - 5 StR 712/98 = BGHSt 45, 219, 225) steht einer voreiligen ärztlichen Maßnahme entgegen, zumal, wenn es sich - wie hier - nicht um eine dringende Heilbehandlung, sondern lediglich um eine Untersuchung aus Diagnosegründen handelt. Dies war in die Überzeugungsbildung einzustellen.
23
c) Die Beweiswürdigung ist auch lückenhaft. Die Strafkammer teilt als Einlassung des Angeklagten mit, er sei von einem Notfall ausgegangen, weil P. über Schmerzen im Hals- und Brustbereich geklagt habe (UA S. 8). Ob dies der Tatrichter als glaubhaft angesehen und deshalb auch festgestellt hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen. Bejahendenfalls hätte das Landgericht erörtern müssen, ob dieser Umstand der Annahme einer Einwilligung hier schon deshalb entgegengestanden hätte, weil der Angeklagte die Magenspiegelung durch Einführung des Endoskops in die Speiseröhre vornehmen wollte, und P. Schluckbeschwerden hatte. Möglicherweise hätte P. deshalb zu diesem Zeitpunkt keine Magenspiegelung gewünscht oder wäre allenfalls mit einer anderen Untersuchungsmethode einverstanden gewesen.
24
3. Der Senat kann insgesamt nicht ausschließen, dass auf den aufgezeigten Rechtsfehlern das freisprechende Urteil beruht. Das konnte schon deshalb nicht verneint werden, weil der neue Tatrichter andere Feststellungen treffen kann, die eine Strafbarkeit des Angeklagten sei es nach § 227 StGB, sei es nach § 222 StGB oder sei es nach § 230 StGB ergeben können.
25
Eine Strafbarkeit ist auch im Hinblick auf die Hilfserwägungen der Strafkammer (UA S. 14 und 15) zur fehlenden Fahrlässigkeit (kein Sorgfaltspflichtverstoß ) des Angeklagten nicht von vornherein zu verneinen. Denn der Tatrichter und die von ihm angehörten Sachverständigen äußern sich in diesem Zu- sammenhang nicht dazu, ob das Risiko einer Perforation der Speiseröhre erhöht ist, wenn der Patient bereits Schmerzen im Hals- und Brustbereich und Schluckbeschwerden hat.

III.

26
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, folgendes zu beachten:
27
Ergeben die neuen Feststellungen, dass der Angeklagte nicht an eine Einwilligung glaubte, kommt eine Strafbarkeit nach § 227 StGB in Betracht, wenn die spezifische Gefährlichkeit der - kausalen - Körperverletzung sich in der Todesfolge niedergeschlagen hat und wenn dem Angeklagten hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last liegt (§ 18 StGB).
28
Ein Verbotsirrtum ist dann gegeben, wenn der Arzt das Fehlen des Einverständnisses für möglich, den Eingriff aber für zulässig hält, weil er medizinisch geboten ist; die Vermeidbarkeit eines solchen Irrtums ist jedoch "kaum je zweifelhaft" (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 - 5 StR 712/98 = BGHSt 45, 219, 225; vgl. im Einzelnen auch Fischer, StGB, 58. Aufl., Rn. 16 zu § 223).
29
Wird hingegen festgestellt, dass der Angeklagte irrig angenommen hat, P. hätte bei vorheriger Befragung der Erweiterung zugestimmt, so liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, der entsprechend § 16 StGB zu behandeln ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 = NStZ-RR 2007, 340, 341; BGH, Urteil vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94 = NStZ 1996, 34, 35; BGH, Beschluss vom 25. März 1988 - 2 StR 93/88 = BGHSt 35, 246 ff., 250). Die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die tatsächlich durchgeführte Operation eingewilligt hätte (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03 = NStZ 2004, 442). Dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung unterblieben wäre, ist dem Arzt nachzu- weisen. Verbleiben Zweifel, so ist nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu Gunsten des Arztes davon auszugehen, dass die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03 = StV 2004, 376, 377 mwN).
30
In Betracht kommt dann aber eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), wenn die Todesfolge individuell vorhersehbar und vermeidbar war oder zumindest wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 230 StGB). Nack Rothfuß Hebenstreit Graf Jäger

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 134/11
vom
11. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Oktober 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen.
2
1. Dem Angeklagten war in der Anklage folgendes zur Last gelegt worden :
3
Am 24. Juli 2007 habe der Angeklagte in seinen Praxisräumen in B. bei einem 85-jährigen Patienten (im Folgenden P.) eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt. Diese sei von dem den P. behandelnden Urologen erbeten worden, weil sich Blut im Stuhl befunden hatte. Nachdem P. am 18. Juli 2007 über die Risiken dieser Untersuchung aufgeklärt worden sei, habe er eine Einwilligungserklärung zur Koloskopie unterschrieben. Die Koloskopie habe einen normalen Befund ohne Hinweis auf eine Blutungsquelle ergeben. Der Angeklagte habe sich daher dazu entschlossen, im Anschluss an die Kolo- skopie bei P. eine Magenspiegelung vorzunehmen. Dabei sei dem Angeklagten klar gewesen, dass P. noch unter dem Einfluss der für die Koloskopie verabreichten Narkotika gestanden sei. Dieser Zustand sollte aber für die Durchführung der Magenspiegelung genutzt werden, um eine erneute Sedierung zu vermeiden. Andererseits habe P. keine Einwilligung für eine Magenspiegelung gegeben und sei auch zuvor nicht über den Eingriff und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Eine wirksame Aufklärung des P. und die Abgabe einer rechtsgültigen Einwilligungserklärung durch diesen seien jedoch zu diesem Zeitpunkt wegen des Einflusses der verabreichten Narkotika nicht in Betracht gekommen. Dies sei dem Angeklagten auch klar gewesen. Dennoch habe er mit der Durchführung der Gastroskopie begonnen, die jedoch daran scheiterte, dass P. nicht in der Lage war, das Einführen des Endoskops in die Speiseröhre durch Schluckbewegungen zu unterstützen. Der Angeklagte habe das Endoskop nur bis auf ca. 10 bis 12 cm einführen können. Angesichts der konkreten Untersuchungssituation sei dem Angeklagten als erfahrenen Gastroenterologen sofort klar gewesen, dass das der Untersuchung innewohnende bekannte Risiko einer Perforation der Speiseröhre (die bekanntermaßen ihrerseits zu einer lebensbedrohlichen Mittelfellentzündung führen könnte) signifikant erhöht gewesen sei. Gleichwohl habe er versucht, nachdem er nach Entfernung des Endoskops P. aufgefordert hatte, einmal "leer" zu schlucken, sofort erneut das Endoskop einzuführen. Auch bei diesem zweiten Anlauf sei das Einführen des Untersuchungsgerätes wiederum nur bis zu einer Länge von etwa 10 bis 12 cm gelungen. Der Angeklagte habe daraufhin beschlossen, zunächst ein bis etwa zwei Stunden zuzuwarten und dann erneut die Untersuchung anzugehen. Gegen 11.30 Uhr sei P., bei dem die Wirkung der Narkotika zwischenzeitlich nachgelassen hatte, vom Angeklagten eine weitere Ampulle Dormicum gespritzt worden. Nach Einsetzen der Wirkung des Medikaments habe der Angeklagte erneut einige Male erfolglos versucht, das Endoskop bei P. ein- zuführen. Insoweit habe der Angeklagte jeweils angesichts der konkreten Situation in Kauf genommen, dass sich das Risiko der Speiseröhrenperforation verwirklichen und P. eine lebensbedrohliche Mittelfellentzündung erleiden könne, die gerade bei einem 85-jährigen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen könnte. Bei diesen Versuchen sei es durch das vom Angeklagten eingeführte Endoskop zu einer Perforation der Speiseröhre bei P. gekommen, an deren absehbaren weiteren Folgen P. trotz einer am 26. Juli 2007 im Klinikum B. durchgeführten Operation und anschließender intensivmedizinischer Behandlung schließlich am 3. September 2007 verstorben sei. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass die Durchführung einer Magenspiegelung unmittelbar im Anschluss an die Darmspiegelung bei P. nicht medizinisch indiziert gewesen sei. Eine Magenspiegelung hätte nach erfolgter Aufklärung und Einwilligung jederzeit später durchgeführt werden können, wenn sich dafür eine Indikation ergeben hätte. Im Hinblick auf die Speiseröhrenperforation und die sich hieraus ergebenden zum Tode führenden Komplikationen habe der Angeklagte wenigstens fahrlässig gehandelt.
4
Die Anklage ging daher von einem Verbrechen der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) aus.
5
2. Das Landgericht hat "in teilweiser Abweichung von der Anklage" (UA S. 5) in der Hauptverhandlung u.a. folgende Feststellungen getroffen:
6
Nach dem ergebnislosen Befund der Darmspiegelung hat der Angeklagte P. nicht ausschließbar über die bevorstehende Magenspiegelung aufgeklärt und auch dessen Zustimmung eingeholt. Allerdings war P. aufgrund der andauernden Sedierung nicht in der Lage, in rechtserheblicher Weise in die Magenspiegelung einzuwilligen, was der Angeklagte auch erkannte. Gleichwohl führte er die Untersuchung durch, wobei es ihm bei mindestens zwei Versu- chen aufgrund von Schluckbeschwerden des P. nicht gelang, das Endoskop einzuführen. Nach einer Pause von ca. zwei Stunden wurden mindestens zwei weitere erfolglose Versuche unternommen, wobei P. zuvor wegen der nachlassenden Wirkung der Sedierung zusätzliches Dormicum injiziert wurde. Bei einem der Versuche kam es zur Perforation der Speiseröhre, wobei nicht festgestellt werden kann, bei welchem der Versuche dies geschah. Der Angeklagte wollte P. mit der sofortigen Durchführung der Magenspiegelung eine nochmalige Anreise aus Bi. im nüchternen Zustand ersparen. Er ging davon aus, dass P. mit dieser Vorgehensweise einverstanden sein würde. Tatsächlich hätte P. auch seine Einwilligung erklärt, wenn er vor der Maßnahme ordnungsgemäß über die Notwendigkeit, über Risiken und möglichen Komplikationen aufgeklärt worden wäre.
7
P. wurde am 25. Juli 2007 ins Klinikum B. eingewiesen und am 26. Juli 2007 an der Speiseröhre operiert. Er befand sich bereits auf dem Weg der Besserung, als es schließlich zu Komplikationen, u.a. einer Lungenentzündung und einem Mediastinalabszess, kam, die schließlich zu einem Multiorganversagen und zum Tod des P. am 3. September 2007 führten. Es ist nicht auszuschließen , dass es im Rahmen des stationären Aufenthalts im Klinikum B. zu Fehlern kam und das Leben von P. bei ordnungsgemäßer Behandlung hätte gerettet werden können. So wurde möglicherweise zu lange ein falsches Antibiotikum verwendet und zu spät ausgetauscht. Allerdings wäre es ohne die von dem Angeklagten verursachte Verletzung der Speiseröhre nicht zu dem Krankenhausaufenthalt und den damit einhergehenden Komplikationen gekommen.
8
3. Nach Auffassung der Strafkammer liegt ein strafbares Verhalten des Angeklagten nicht vor. Das ärztliche Handeln sei durch eine "hypothetische Einwilligung" des P. gerechtfertigt und vorwerfbare Fehler bei der versuchten Durchführung der Magenspiegelung seien dem Angeklagten nicht nachzuweisen. Die Strafkammer zieht aus verschiedenen Indizien den Schluss, dass P. der sofortigen Magenspiegelung zugestimmt hätte, wenn er wirksam aufgeklärt worden wäre. Sie ist darüber hinaus der Meinung, dass eine Strafbarkeit nach § 227 StGB auch dann nicht in Betracht käme, wenn man nicht von einer Rechtfertigung durch "hypothetische Einwilligung" ausginge. Denn die vom Angeklagten verursachte Verletzung beruhe nicht auf Fahrlässigkeit, sondern sei eine der Magenspiegelung immanente Komplikation. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) komme ebenfalls nicht in Betracht, da den Angeklagten keine Sorgfaltspflichtverletzung treffe. Allein aufgrund der Feststellung einer Speiseröhrenperforation könne noch nicht auf ein fehlerhaftes Verhalten des Angeklagten geschlossen werden.
9
4. Gegen dieses freisprechende Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin (Ehefrau des P.; vgl. auch § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Beide rügen die Verletzung materiellen Rechts und erstreben eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Die Rechtsmittel haben Erfolg.

II.

10
Das angefochtene Urteil war auf die von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erhobene Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben.
11
1. Das Urteil des Landgerichts entspricht bereits nicht den Anforderungen , die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
12
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen - worauf das Landgericht in erster Linie abstellt - muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldsprucherforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 StR 41/11 mwN).
13
Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils sind hier nicht erfüllt.
14
a) Es fehlt bereits an einer geschlossenen Darstellung der festgestellten Tatsachen. Das Landgericht setzt bei der Wiedergabe seiner Feststellungen erst nach der erfolgten Darmspiegelung ein und schildert das Geschehene sehr kurz. Der Senat kann nicht beurteilen, ob das Landgericht im Übrigen die durch die Mitteilung des Anklagevorwurfs bekannten weiteren Feststellungen getroffen hat, worauf die Formulierung "in teilweiser Abweichung von der Anklage" hindeuten könnte. So wird u.a. nicht festgestellt, ob P. gegenüber dem Angeklagten über Schmerzen im Hals- und Brustbereich geklagt hat.
15
b) Den Ausführungen zur Beweiswürdigung können zwar einzelne weitere Feststellungen entnommen werden, doch nicht mit einer solchen Deutlichkeit , dass eine geschlossene Darstellung hinreichend ersichtlich wird.
16
c) Die Einlassung des Angeklagten wird auch nicht vorab - wie erforderlich - geschlossen dargelegt, sondern wird nur vereinzelt in der Beweiswürdigung gestreift.
17
Der Senat ist schon von daher gehindert, das angefochtene Urteil umfassend und abschließend auf Rechtsfehler zu untersuchen.
18
2. Die Beweiswürdigung selbst leidet darüber hinaus an durchgreifenden Rechtsfehlern.
19
Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Tatbegehung nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu prüfen und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 mwN).
20
a) Die Beweiswürdigung zur "hypothetischen Einwilligung" ist bereits widersprüchlich. Die Kammer hat sich den klaren Ausführungen der beiden Sachverständigen angeschlossen, wonach aufgrund des verabreichten Medikaments Dormicum eine Aufklärung wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit des P. nicht möglich war (UA S. 8). Gleichwohl leitet sie aus Gesprächen mit P. unmittelbar vor der Magenspiegelung "ein weiteres nicht unerhebliches Indiz dafür ab, dass der Geschädigte der sofortigen Magenspiegelung zugestimmt hätte, wenn er wirksam aufgeklärt worden wäre" (UA S. 12). Da P. zu diesem Zeit- punkt nicht aufklärungsfähig war, kann aus seinem Verhalten auch kein Indiz für eine Einwilligung hergeleitet werden. Soweit auf UA S. 11 in diesem Zusammenhang Angaben der Arzthelferin wiedergegeben werden, ist - da im Feststellungsblock hierzu nichts enthalten ist (vgl. oben II 1 a) - zum einen unklar , ob die Strafkammer von der Glaubhaftigkeit dieser Aussage überzeugt ist, zum anderen werden die maßgeblichen Einzelheiten der Gespräche nicht mitgeteilt. Die Einschätzung der Zeugin, P. sei wegen der nachlassenden Wirkung der Sedierung "ansprechbar" gewesen, lässt sich auch nicht ohne weiteres mit den Ausführungen der Sachverständigen in Einklang bringen, wonach eine Aufklärung wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit nicht möglich war. Im Widerspruch zu den Angaben der Sachverständigen, denen die Kammer aber ausdrücklich folgen will (UA S. 8), geht sie davon aus, dass durch die Sedierung lediglich eine Amnesie eingetreten war (UA S. 13), eine Verständigung mit P. aber möglich war. Fehlende Aufnahmefähigkeit ist aber grundsätzlich von einer Amnesie zu unterscheiden. War - wie jedenfalls zunächst festgestellt - bei P. keine Aufnahmefähigkeit für eine entsprechende Aufklärung vorhanden, konnte er eine wirksame Einwilligung nicht erteilen und es durfte auch aus seinem Verhalten kein derartiger Schluss gezogen werden.
21
Der Senat kann bereits hier nicht sicher ausschließen, dass auf diesen widersprüchlichen Überlegungen des Tatrichters dessen diesbezügliche Beweiswürdigung beruht, zumal hierin ein "nicht unerhebliches Indiz" (UA S. 12) gesehen wird.
22
b) Das Landgericht ist im Rahmen seiner Begründung für die Annahme einer "hypothetischen Einwilligung" rechtsfehlerhaft von einem unzutreffenden Ausgangspunkt ausgegangen. Die Feststellung, dass auch eine Magenspiegelung grundsätzlich indiziert war, sagt nichts darüber aus, dass diese Untersuchung eilig erfolgen musste und nicht eine vorherige Einwilligung des P. einge- holt werden konnte. Das zur Wahrung der Persönlichkeit des Patienten erforderliche Selbstbestimmungsrecht (vgl. dazu u.a. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 - 5 StR 712/98 = BGHSt 45, 219, 225) steht einer voreiligen ärztlichen Maßnahme entgegen, zumal, wenn es sich - wie hier - nicht um eine dringende Heilbehandlung, sondern lediglich um eine Untersuchung aus Diagnosegründen handelt. Dies war in die Überzeugungsbildung einzustellen.
23
c) Die Beweiswürdigung ist auch lückenhaft. Die Strafkammer teilt als Einlassung des Angeklagten mit, er sei von einem Notfall ausgegangen, weil P. über Schmerzen im Hals- und Brustbereich geklagt habe (UA S. 8). Ob dies der Tatrichter als glaubhaft angesehen und deshalb auch festgestellt hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen. Bejahendenfalls hätte das Landgericht erörtern müssen, ob dieser Umstand der Annahme einer Einwilligung hier schon deshalb entgegengestanden hätte, weil der Angeklagte die Magenspiegelung durch Einführung des Endoskops in die Speiseröhre vornehmen wollte, und P. Schluckbeschwerden hatte. Möglicherweise hätte P. deshalb zu diesem Zeitpunkt keine Magenspiegelung gewünscht oder wäre allenfalls mit einer anderen Untersuchungsmethode einverstanden gewesen.
24
3. Der Senat kann insgesamt nicht ausschließen, dass auf den aufgezeigten Rechtsfehlern das freisprechende Urteil beruht. Das konnte schon deshalb nicht verneint werden, weil der neue Tatrichter andere Feststellungen treffen kann, die eine Strafbarkeit des Angeklagten sei es nach § 227 StGB, sei es nach § 222 StGB oder sei es nach § 230 StGB ergeben können.
25
Eine Strafbarkeit ist auch im Hinblick auf die Hilfserwägungen der Strafkammer (UA S. 14 und 15) zur fehlenden Fahrlässigkeit (kein Sorgfaltspflichtverstoß ) des Angeklagten nicht von vornherein zu verneinen. Denn der Tatrichter und die von ihm angehörten Sachverständigen äußern sich in diesem Zu- sammenhang nicht dazu, ob das Risiko einer Perforation der Speiseröhre erhöht ist, wenn der Patient bereits Schmerzen im Hals- und Brustbereich und Schluckbeschwerden hat.

III.

26
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, folgendes zu beachten:
27
Ergeben die neuen Feststellungen, dass der Angeklagte nicht an eine Einwilligung glaubte, kommt eine Strafbarkeit nach § 227 StGB in Betracht, wenn die spezifische Gefährlichkeit der - kausalen - Körperverletzung sich in der Todesfolge niedergeschlagen hat und wenn dem Angeklagten hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last liegt (§ 18 StGB).
28
Ein Verbotsirrtum ist dann gegeben, wenn der Arzt das Fehlen des Einverständnisses für möglich, den Eingriff aber für zulässig hält, weil er medizinisch geboten ist; die Vermeidbarkeit eines solchen Irrtums ist jedoch "kaum je zweifelhaft" (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 - 5 StR 712/98 = BGHSt 45, 219, 225; vgl. im Einzelnen auch Fischer, StGB, 58. Aufl., Rn. 16 zu § 223).
29
Wird hingegen festgestellt, dass der Angeklagte irrig angenommen hat, P. hätte bei vorheriger Befragung der Erweiterung zugestimmt, so liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, der entsprechend § 16 StGB zu behandeln ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 = NStZ-RR 2007, 340, 341; BGH, Urteil vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94 = NStZ 1996, 34, 35; BGH, Beschluss vom 25. März 1988 - 2 StR 93/88 = BGHSt 35, 246 ff., 250). Die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die tatsächlich durchgeführte Operation eingewilligt hätte (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03 = NStZ 2004, 442). Dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung unterblieben wäre, ist dem Arzt nachzu- weisen. Verbleiben Zweifel, so ist nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu Gunsten des Arztes davon auszugehen, dass die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03 = StV 2004, 376, 377 mwN).
30
In Betracht kommt dann aber eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), wenn die Todesfolge individuell vorhersehbar und vermeidbar war oder zumindest wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 230 StGB). Nack Rothfuß Hebenstreit Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 300/03
vom
15. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur vorsätzlichen Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2003 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 18. Februar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 rurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es daher nicht. Hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts verwiesen.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Chefarzt der neurochirurgischen Abteilung der O. Klinik in R .
- früher das Krankenhaus E. . Wegen eines Bandscheiben- vorfalls begab sich die Nebenklägerin Kr. im August 1996 zur operativen Behandlung in die dem Angeklagten unterstellte Abteilung. Durch eine zuvor erfolgte Kernspintomographie waren bei ihr ein schwerer Bandscheibenvorfall im Bandscheibenfach L 4/L 5 der Lendenwirbelsäule und ein leichter Bandscheibenvorfall im darunterliegenden Bandscheibenfach L 5/S 1 festgestellt worden. Der schwere Bandscheibenvorfall sollte operativ behandelt werden. Die zweite Oberärztin Frau Dr. K. führte mit einem jungen Assistenzarzt die Operation durch. Von ihr unbemerkt operierte sie in der darunterliegenden Etage L 5/S 1 und entfernte den kleinen Bandscheibenvorfall. Am nächsten Tag traten bei der Patientin Lähmungserscheinungen der unteren Extremitäten auf, die auf eine Beeinträchtigung von Nervenfasern hinwiesen. Ursache der Nervenbeeinträchtigung konnte ein Frührezidiv sein - dabei handelt es sich um einen erneuten Vorfall im selben Fach - oder das Fortbestehen des ursprünglichen Vorfalls nach Verwechslung der Etage. Röntgendiagnostische Untersuchungen und eine Computertomographie durch den Radiologen Dr. B. ergaben eindeutig die Verwechslung der Etage. Dies wurde von ihm und der Oberärztin ohne Zweifel erkannt und auch in der Krankenakte dokumentiert. Dr. K. informierte den Angeklagten als ihren Chefarzt und fragte ihn, schockiert über ihren Kunstfehler, um Rat. Er riet ihr zu folgender Vorgehensweise , die auch ausgeführt wurde: Sie solle der Patientin den Fehler verschweigen und ihr die Notwendigkeit einer nochmaligen Operation im tatsächlich nicht operierten Fach L 4/L 5 mit einem Frührezidiv erklären. Dann solle sie bei der zweiten Operation den schweren Bandscheibenvorfall entfernen und außerdem den rechten Wirbelhalbbogen am darunterliegenden Lendenwirbel 5. Im zweiten Operationsbericht solle sie angeben, sie habe ein Frührezidiv, vorbenannten Wirbelhalbbogen und bei dieser Gelegenheit auch den kleinen
Bandscheibenvorfall entfernt. Entsprechend wahrheitswidrig aufgeklärt, erteilte die Patientin ihre Einwilligung zur zweiten Operation. Von dem Umstand, daß schon vor der Operation die Entfernung des rechten Wirbelhalbbogens L 5/S 1 beschlossen war, erfuhr sie nichts. Daß diese Entfernung medizinisch indiziert war, hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten mangels möglicher anderweitiger Feststellungen angenommen. Im Rahmen der Strafzumessung stellt die Kammer fest, daß die Nebenklägerin in Kenntnis des wahren Sachverhalts in die medizinisch zwingend indizierte zweite Operation eingewilligt hätte und die Operation im Ergebnis sowohl ihrem Willen als auch ihrem Interesse entsprach (UA S. 20). Weiterhin stellt die Kammer fest, die Patientin hätte - wäre sie über den Sachverhalt zutreffend unterrichtet worden - möglicherweise auch einer zweiten Operation durch Frau Dr. K. aufgrund der Notwendigkeit und Dringlichkeit zugestimmt. Möglicherweise hätte sie aber auch bei Kenntnis des von Frau Dr. K. am Vortag begangenen schweren Fehlers darauf bestanden, von einem anderen Arzt operiert zu werden. Von einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin seien jedoch weder der Angeklagte noch die Oberärztin Dr. K. ausgegangen (UA S. 7).

II.

Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen Anstiftung zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Körperverletzung nicht (§§ 223, 26 StGB). 1. Zutreffend geht das Landgericht im rechtlichen Ansatz davon aus, daß ärztliche Heileingriffe nur durch eine von Willensmängeln nicht beeinflußte Einwilligung des Patienten gemäß § 228 StGB gerechtfertigt sind (BGHSt 16,
309). Es hat daher rechtsfehlerfrei angenommen, daß die durch Täuschung herbeigeführte Einwilligung - über die Ursache der notwendig gewordenen zweiten Operation - unwirksam war, d.h. keine rechtfertigende Wirkung entfalten konnte. 2. Soweit die Kammer sich mit einer "mutmaßlichen Einwilligung" befaßt, ist offenkundig eine hypothetische Einwilligung gemeint. Um einen ärztlichen Eingriff, der dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht, der nicht befragt werden kann, geht es hier erkennbar nicht (vgl. zum Begriff BGHSt 35, 246). 3. Hinsichtlich einer hypothetischen Einwilligung sind die Urteilsfeststellungen im objektiven Bereich lückenhaft. Das Landgericht hätte sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, der Angeklagte und Dr. K. seien von einer "mutmaßlichen" - richtigerweise hypothetischen - Einwilligung der Patientin in die konkret durchgeführte Operation durch die Oberärztin bei wahrheitsgemäßer Aufklärung nicht ausgegangen. Damit ist lediglich für die subjektive Tatseite belegt, daß der Angeklagte zu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat anstiften wollte. Die Rechtswidrigkeit entfällt aber, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die tatsächlich durchgeführte Operation eingewilligt hätte. Der nachgewiesene Aufklärungsmangel kann nur dann zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung und wegen der Akzessorietät auch nur dann zur Strafbarkeit der Anstiftung zu dieser Tat führen, wenn bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung unterblieben wäre (BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 2; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 223 Rdn. 40; BGH NStZ 1996, 34 - Urt. vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94 -; im Zivilrecht BGH NJW 1984, 1397; BGH NJW 1991, 2344). Dies ist dem Arzt nachzuweisen. Verbleiben Zweifel, so ist
nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugunsten des Arztes davon auszuge- hen, daß die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt wäre (BGH NStZ 1996, 34; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2003, Rdn. 132). Die Kausalität des Aufklärungsmangels hat das Landgericht offengelassen. Bei der Kausalitätsprüfung ist auf das konkrete Entscheidungsergebnis des jeweiligen Patienten abzuheben. Es kommt nicht darauf an, daß er sich ohnehin hätte operieren lassen müssen oder daß ein vernünftiger Patient eingewilligt hätte (BGH NJW 1984, 1397; Eser aaO). Das Landgericht hätte nicht offenlassen dürfen, ob die Nebenklägerin in Kenntnis des wahren Sachverhalts möglicherweise auch in eine Operation durch Frau Dr. K. eingewilligt, möglicherweise aber auch darauf bestanden hätte, von einem anderen Arzt operiert zu werden. Es hätte auch nicht offenlassen dürfen, ob die Nebenklägerin der zuvor beschlossenen Entfernung des Wirbelhalbbogens zugestimmt hätte, selbst wenn diese Entfernung medizinisch indiziert gewesen sein sollte. Daß die zweite Operation im Ergebnis ihrem Willen und Interesse entspricht, reicht nicht aus. Eine "in dubio" Entscheidung durch das Revisionsgericht kommt nicht in Betracht, weil weitere Feststellungen zur hypothetischen Einwilligung möglich erscheinen.

III.

Für die neue Hauptverhandlung sieht der Senat Anlaß zu folgendem Hinweis:
Bei einer Befragung der Geschädigten zur hypothetischen Einwilligung ist deren Äußerung und Begründung einer Würdigung zu unterziehen. Diese muß erkennen lassen, daß die Entscheidung der Patientin zum damaligen Zeitpunkt aus ihrer Sicht bei Aufdeckung des wahren Sachverhalts eine nachvollziehbare und mögliche Schlußfolgerung ist (BGH NStZ 1996, 34). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 238/07
vom
23. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Hochschullehrer
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 5. Dezember 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts und begehren die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
2
Anders als das Rechtsmittel des Angeklagten haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Erfolg.

I.

3
1. Festgestellt ist:
4
Der Angeklagte, ein niedergelassener Arzt, betrieb ab Anfang 1996 neben seiner Praxis eine Therapiestation zur Behandlung von Drogenabhängigen. Bis zum Januar 1999 führte er dort an 75 Patienten einen narkosegestützten Opiat- und Arzneimittelentzug (sog. "Turboentzug") durch. Am 15. Januar 1999 ab 14.30 Uhr erfolgte ein solcher "Turboentzug" auch bei dem damals 33-jährigen Patienten R. K. , der während der Behandlung verstarb.
5
R. K. hatte seit seiner Jugend Betäubungs- und Arzneimittelmissbrauch , insbesondere phasenweise massiven Heroinkonsum betrieben. Zwei stationäre Klinikaufenthalte mit dem Ziel eines Entzugs hatte er abgebrochen ; eine weitere stationäre Therapie hatte nur vorübergehenden Erfolg. Zuletzt wurde R. K. mit Methadon substituiert; hinzu trat ein unkontrollierter Beikonsum von anderen Betäubungsmitteln.
6
Im Vorfeld der Behandlung übersandte der Angeklagte zweimal von ihm selbst gefertigte Merkblätter, in denen wahrheitswidrig angegeben war, "alle bisher … durchgeführten narkosegestützten Entgiftungen … (sind) komplikationsfrei verlaufen". Bei zwei Telefonaten fragte die Mutter des R. K. ausdrücklich, ob "bei einem Turboentzug schon einmal etwas passiert sei, insbesondere … jemand gestorben sei"; dies verneinte der Angeklagte jeweils. Zuvor war jedoch eine andere Patientin anlässlich eines "Turboentzugs" in den Praxisräumen des Angeklagten verstorben, wobei dieser selbst die Todesbe- scheinigung dahingehend ausgefüllt hatte, dass nicht aufgeklärt sei, ob ein natürlicher oder ein nichtnatürlicher Tod vorliege.
7
R. K. stellte sich am 28. Dezember 1998 beim Angeklagten vor. Der Angeklagte äußerte, dass er Methadon nur schwer entziehen könne und deshalb bis zum vorgesehenen Termin am 11. Januar 1999 eine Umstellung auf Dihydrocodein erfolge. Weiterhin verordnete er R. K. insbesondere auch das Medikament Temgesic mit dem Wirkstoff Buprenorphin. Er hielt vor dem "Turboentzug" die sichere Einstellung des Patienten auf ein "Opiat" nicht für erforderlich. Zum vorgesehenen Termin erschien R. K. beim Angeklagten , der ihm mitteilte, dass der Termin auf den 15. Januar 1999 verschoben werden müsse, weil eine Nachtschwester erkrankt sei. Am 12. Januar 1999 unterzeichnete der Patient eine schriftliche "Erklärung zur Einwilligung in den Drogenentzug".
8
Am 15. Januar 1999 gegen 10.00 Uhr wurden R. K. auf Verordnung des Angeklagten zahlreiche Medikamente verabreicht, darunter Temgesic und Dihydrocodein. Um 14.30 Uhr wurde durch die Gabe zahlreicher weiterer Medikamente die Narkose eingeleitet. Nachdem zwei Mitarbeiter des Angeklagten ihren Dienst beendet hatten, war ab ca. 22.10 Uhr der Angeklagte zur Überwachung des Patienten allein in den Praxisräumen, was diesem verschwiegen worden war. Der Tubus, der dem Patienten um 18.30 Uhr gesetzt worden war, wurde um 22.00 Uhr entfernt; um 2.00 Uhr des Folgetages entfernte der Angeklagte auch den Fingersensor, mit dem die Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen werden konnte. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt war die Überwachung des Patienten unzureichend; eine Überwachung der Atemfrequenz sowie der Sauerstoffsättigung des Blutes erfolgte nicht mehr.
9
Bei R. K. entwickelte sich in diesem Zeitraum ein hämorrhagisches Lungenödem. Er hatte vor Behandlungsbeginn zahlreiche "Giftstoffe" (Doxepin, Diazepam, Methadon, Dihydrocodein) aufgenommen, wobei insbesondere das Dihydrocodein im hochtoxischen Bereich selbst für körperlich Schwerstabhängige lag. Durch das Medikament Temgesic konnten diese "Giftstoffe" zunächst nicht zur Wirkung gelangen. Erst durch das allmähliche Nachlassen der Wirkung von dessen Wirkstoff Buprenorphin konnten die anderen "Giftstoffe" Wirkung zeigen. Daneben entwickelte sich bei R. K. eine Lungenentzündung als Folge einer Aspiration von Erbrochenem während der Narkose.
10
Um 4.00 Uhr bemerkte der Angeklagte die Unterversorgung des Patienten. Rettungsbemühungen blieben allerdings erfolglos; um 5.27 Uhr wurde der Tod von R. K. festgestellt. Ob das Lungenödem oder die Lungenentzündung todesursächlich war, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht; eine andere Todesursache hat es allerdings ausgeschlossen.
11
Bei adäquater Überwachung hätte die aspirationsbedingte Lungenentzündung ebenso wie das hämorrhagische Lungenödem infolge der "Opiatintoxikation" entdeckt werden können. Der Todeseintritt auf Grund der "Opiatintoxikation" wäre bei Überwachung auch sicher verhinderbar gewesen. An der Lungenentzündung wäre R. K. bei - auf eine frühzeitige Entdeckung hin erfolgter - intensiv-medizinischer Versorgung zwar möglicherweise ebenfalls verstorben, jedoch erst nach einem mehrtägigen bis mehrwöchigen Intensivaufenthalt in einer Klinik.
12
R. K. hätte sich nicht am 15. Januar 1999 einem "Turboentzug" unterzogen, wenn er darüber unterrichtet worden wäre, dass es bereits früher zu einem Todesfall gekommen war, dass ab 22.10 Uhr eine Überwachung al- lein durch den Angeklagten stattfand und dass der Angeklagte unter den Anhängern dieser Außenseitermethode eine Mindermeinung einnimmt, nämlich dahingehend, dass die vorherige sichere Einstellung auf ein "Opiat" nicht erforderlich sei. Der Angeklagte hielt es seinerseits für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass R. K. von der Behandlung Abstand genommen hätte, wenn er dementsprechend unterrichtet gewesen wäre.
13
2. Die Schwurgerichtskammer hat die festgestellte Tat rechtlich wie folgt bewertet:
14
a) Der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB sei bereits deshalb erfüllt, weil der Angeklagte R. K. willentlich unter Narkose gesetzt und ihm den Körper erheblich belastende Medikamente verabreicht habe.
15
Die Einwilligung des Patienten in die konkrete Behandlung (vgl. § 228 StGB) hat die Kammer als unwirksam erachtet, da die Aufklärung durch den Angeklagten unter drei Gesichtspunkten mangelhaft gewesen sei: Er habe der Wahrheit zuwider erklärt, alle bei ihm durchgeführten narkosegestützten Entgiftungen seien komplikationsfrei verlaufen, und dabei den früheren Todesfall verschwiegen. Er habe den Irrtum erregt, es sei durchgängig eine Nachtschwester anwesend. Ferner habe er den Patienten nicht darüber aufgeklärt, dass er den "Turboentzug" nicht nach den gängigen Kriterien derjenigen durchführe, die diese Außenseitermethode betrieben. Diese Aufklärungsmängel seien auch ursächlich für die Einwilligung gewesen.
16
b) Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB sei ebenfalls verwirklicht, weil er durch unzureichende Überwachung in der Tatnacht von 2.00 Uhr bis 4.00 Uhr fahrlässig den Tod des Patienten verursacht habe.
17
c) Allerdings könnten die gesetzlichen Merkmale einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1 StGB nicht angenommen werden. Es fehle an der hierfür erforderlichen Ursächlichkeit der Körperverletzung für die Todesfolge. Weil R. K. nämlich bereits vor Behandlungsbeginn - ohne Kenntnis des Angeklagten - zahlreiche "Giftstoffe" zu sich genommen habe, sei nach dem Zweifelssatz zu dessen Gunsten davon auszugehen, dass R. K. auch dann an einem hämorrhagischen Lungenödem als Folge einer "normalen Opiatintoxikation" verstorben wäre, wenn kein "Turboentzug" durchgeführt worden wäre.

II.

18
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
19
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juni 2007 dargelegten Gründen nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat:
20
a) Die Rüge, zwei Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht - als unzulässig - verworfen worden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO), ist ihrerseits bereits unzulässig (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn die Revision teilt das Prozessgeschehen nicht mit, das dem ersten der beiden zusammenhängenden Gesuche vorausging. Hierzu hat die in der Sache unwidersprochen gebliebene Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) unter Vorlage von dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden, des Berichterstatters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft vorgetragen, der Vorsitzende habe in der Hauptverhandlung vor Stellung des Gesuchs erläutert, dass der Beschluss über die Ablehnung der Beweisanträge am Tag vor seiner Verkündung lediglich entworfen worden war; die Beratung und Fassung war jedoch unter Mitwirkung aller Kammermitglieder einschließlich der Schöffen am Tag der Verkündung erfolgt.
21
Dieses Prozessgeschehen ist hier für die Beurteilung der Unzulässigkeit der Gesuche nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO ("völlige Ungeeignetheit") relevant. Denn ein solches Vorgehen kann auf keine rechtlichen Bedenken stoßen; vielmehr ist es - zumal in Fällen der Bescheidung komplexer Beweisanträge - regelmäßig sachgerecht.
22
b) Die Rüge, ein Beweisantrag sei rechtsfehlerhaft wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt worden (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), hat der Generalbundesanwalt zu Recht als unzulässig bewertet, weil sich der - von der Revisionsbegründung als "Anlage 11" in Bezug genommene - Ablehnungsbeschluss vom 21. November 2006 nicht im Anlagenkonvolut befindet.
23
2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht ebenfalls ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ist sowohl die Verurteilung wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB (nachfolgend a) als auch diejenige wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB (nachfolgend b):
24
a) Ärztliche Heileingriffe - hier das willentliche Versetzen des Patienten in Narkose und das Verabreichen den Körper erheblich belastender Medikamente durch den "Turboentzug" - erfüllen den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung und bedürfen daher grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein. Die Einwilligung kann aber wirksam nur erteilt werden, wenn der Patient in gebotener Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist (vgl. BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 4; BGH, Urt. vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 - Rdn. 16).
25
Die Kammer hat zu Recht die Aufklärung durch den Angeklagten unter den drei im Urteil genannten Gesichtspunkten - früherer Todesfall, fehlende Nachtschwester, keine Einstellung auf nur ein "Opiat" (vgl. oben I. 2. a)) - als mangelhaft und die daraufhin erteilte Einwilligung als unwirksam erachtet. Ebenso zutreffend hat sie das verwirklichte Risiko vom Schutzzweck der verletzten Aufklärungspflichten umfasst angesehen (UA S. 36; vgl. BGHR aaO).
26
Zu Unrecht meint der Beschwerdeführer, das Verschweigen des früheren Todesfalls begründe deshalb keinen relevanten Aufklärungsmangel, weil die Patientin auch "zufällig im Zusammenhang mit der Behandlung" verstorben sein könnte. Der Zweifelssatz ist hier kein tauglicher Maßstab für den Umfang der den Angeklagten treffenden Aufklärungspflicht. Diese Pflicht bestand unabhängig davon, ob die "konkrete Todesursache" abschließend geklärt ist. Die Aufklärung soll nämlich den Patienten gerade in die Lage versetzen, eine autonome Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich dem körperlichen Eingriff unterzieht, und etwaige - auch unklare - Risiken zu beurteilen. Deswegen hat die Kammer zutreffend darauf abgestellt, dass bereits eine frühere Behandlung entgegen den Äußerungen des Angeklagten nicht komplikationsfrei verlief und die Patientin in seinen Praxisräumen verstarb, zumal er selbst die "konkrete Todesursache" als nicht geklärt ansah (UA S. 21).
27
Unter dem Gesichtspunkt einer von der Revision behaupteten hypothetischen Einwilligung (hierzu BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 2; 4; 7) ist zudem zu beachten, dass sich eine Einwilligung in einen ärztlichen Heileingriff - jedenfalls bei Fehlen einer weitergehenden Aufklärung - nur auf eine nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ("lege artis") durchgeführte Heilbehandlung bezieht. Die Prüfung einer hypothetischen Einwilligung in den "Turboentzug" gerade am 15. Januar 1999 hat daher zu unterstellen, R. K. hätte um die unzureichende Überwachung durch den Angeklagten am Folgetag ab 2.00 Uhr gewusst (vgl. BGH, Urt. vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 - Rdn. 18 f. m.w.N.). Dann hätte er aber zumindest auf "eine weitere Verschiebung (des Termins) … Wert gelegt" (UA S. 25).
28
b) Daneben hat die Kammer auch zutreffend angenommen, dass die vom Angeklagten pflichtwidrig verursachte unzulängliche Überwachung des Patienten zumindest dazu führte, dass dessen Tod - für den Angeklagten vorhersehbar - vorzeitig eintrat (hierzu Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis 3. Aufl. Rdn. 221 ff. m.w.N.), so dass der Angeklagte auch den Tatbestand der fahrlässigen Tötung rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht hat.

III.

29
Die auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben demgegenüber Erfolg. Im Urteil ist nicht unter allen gebotenen Gesichtspunkten erörtert, ob sich der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.
30
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Grundlage dieser Prüfung allein die Körperverletzung ist, die der Angeklagte dadurch beging , dass er R. K. willentlich Medikamente verabreichte und ihn unter Narkose setzte (vgl. oben I. 2. a)). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht davon abgesehen, auch die unzureichende Überwachung als durch Unterlassen begangene vorsätzliche Körperverletzung zu bewerten. Zwar trat auch insoweit ein Körperverletzungserfolg ein, weil sich der Gesundheitszustand von R. K. während der unzureichenden Überwachung erheblich verschlechterte. Das Landgericht hat jedoch einen - zumindest bedingten - Verletzungsvorsatz nicht festgestellt. Ein solcher Vorsatz ist nach den Feststellungen auch fern liegend, insbesondere weil die Überwachung durch den Angeklagten bis 2.00 Uhr zureichend war, dieser den verschlechterten Zustand um 4.00 Uhr bemerkte und sofort geeignete, wenngleich erfolglose Rettungsbemühungen entfaltete. Vielmehr liegt es nahe, dass der Angeklagte - wenngleich pflichtwidrig - darauf vertraute, die weitere Behandlung verlaufe komplikationsfrei. Daher ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Urteil einen etwaigen Körperverletzungsvorsatz im Hinblick auf die unzureichende Überwachung nicht erörtert.
31
2. Auf der Grundlage der Feststellungen kann allerdings nicht abschließend beurteilt werden, ob der Angeklagte gerade mit dem Heileingriff eine zurechenbare Ursache für den Tod des R. K. setzte. Dies hätte näherer Erörterung bedurft.
32
Die Kammer ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass bei fahrlässigen Erfolgsdelikten, zu denen im Sinne von § 18 StGB auch die erfolgsqualifizierten Delikte gehören, der ursächliche Zusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und dem Tötungs- und Verletzungserfolg entfällt, wenn der gleiche Erfolg auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Täters eingetreten wäre, der Erfolg also für ihn unvermeidbar gewesen wäre (vgl. BGHSt 49, 1, 4; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. vor § 13 Rdn. 18e). Wäre die Körperverletzung nicht in diesem Sinne ursächlich für den Tod von R. K. geworden, so hätte sich auch die tatbestandsspezifische Gefahr nicht darin unmittelbar niederschlagen können (vgl. BGHSt 48, 34, 37; Tröndle/Fischer aaO § 227 Rdn. 2a ff. m.w.N.).
33
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Kammer hinsichtlich der beiden alternativ in Betracht kommenden Todesursachen zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass R. K. nicht an der aspirationsbedingten Lungenentzündung, sondern an dem hämorrhagischen Lungenödem verstarb. Hätte die Lungenentzündung als Folge einer Aspiration während der Narkose zum Tod des Patienten geführt, wäre die Verursachung durch den Heileingriff evident. Wird hingegen angenommen, R. K. sei an dem hämorrhagischen Lungenödem als Folge einer "Opiatintoxikation" verstorben, weil er bereits vor Behandlungsbeginn ohne Kenntnis des Angeklagten zahlreiche "Giftstoffe" zu sich genommen hatte, ist mit der Kammer grundsätzlich in Betracht zu ziehen, dass der Tod auch dann eingetreten wäre, wenn sich R. K. im Fall mangelfreier Aufklärung nicht dem Heileingriff unterzogen hätte.
34
Im Hinblick auf die Todesursächlichkeit einer "normalen Opiatintoxikation" hat die Kammer allerdings nicht erkennbar bedacht, dass der Heileingriff nicht nur daraus bestand, den Patienten in Narkose zu versetzen, sondern auch daraus, dass "vor und während der Narkose … den Körper erheblich belastende Medikamente verabreicht" wurden. Der Heileingriff ist jedoch als Ganzes zu betrachten. Insbesondere die mehrtägige Gabe des mit einer hohen Rezeptoraffinität ausgestatteten Wirkstoffs Buprenorphin könnte hier geeignet gewesen sein, R. K. erst zu einem erhöhten Beikonsum von toxischen Substanzen zu veranlassen. Daneben könnte von Bedeutung sein, in welchem Umfang die zusätzliche Verabreichung von Dihydrocodein durch den Angeklagten zur letalen Dosis an "Opiaten" beitrug. Schließlich war dem Angeklagten bekannt, dass sein Patient schwerstabhängig war. Gerade deswegen hätte es abhängig von Wirkung und Risiken der Medikation und den sonstigen konkreten Umständen geboten sein können, diesen über die Wirkung der verabreichten Medikamente - insbesondere von Temgesic - zu informieren und ihn über mögliche Risiken aufzuklären. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte darauf verzichtete, seinen Patienten sicher auf ein "Opiat" einzustellen. Im Fall einer derartigen Aufklärung könnte R. K. naheliegenderweise auf den erhöhten Beikonsum verzichtet haben. Allgemein bestehen Zweifel, ob ein ambulanter "Turboentzug" unter diesen vom Landgericht festgestellten Bedingungen überhaupt - unabhängig von dem Überwachungsverschulden - als ein "lege artis" durchgeführter Heileingriff zu bewerten ist. Zu all dem verhält sich das Urteil nicht, obwohl eine Erörterung hier geboten gewesen wäre.
35
Derartige Feststellungen selbst zu treffen, ist dem Revisionsgericht verwehrt. Der Senat bemerkt allerdings, dass die Annahme eines fehlenden Zusammenhangs zwischen Körperverletzung und Todesfolge in Anbetracht der bereits getroffenen Feststellungen eher fern liegt. Auch war es insoweit weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Sachverhaltsvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. nur Senatsurt. vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 326/06 - Rdn. 25 m.w.N.).
36
3. Auf dem Erörterungsmangel beruht das Urteil, weil der Angeklagte möglicherweise wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden wäre, wenn die Kammer bei der Prüfung des ursächlichen und gefahrspezifischen Zusammenhangs nicht erkennbar den Blick auf das In-Narkose-Versetzen verengt hätte. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 549/06
vom
5. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Juli 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin Yvonne A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 27. Juni 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Nebenklägerin, die Ehefrau des Tatopfers, erhebt die Sachrüge und erstrebt mit ihrem Rechtsmittel eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB.
2
Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte betreibt seit 1993 als niedergelassener Chirurg eine Arztpraxis in Halle. Seit dem Jahr 2001 bildete er sich auf dem Gebiet der ästhetischen Chirurgie fort und führte fortan in seiner Praxis auch ambulante kosmetische chirurgische Eingriffe durch. Insbesondere nahm er Fettabsaugungen (Liposuktionen) vor und entfernte Fettschürzen (Fettschürzenplastik). Solchen kosmetischen Operationen unterzog sich auch Nevzet A. , der an den Folgen des zweiten Eingriffs verstarb.
5
Ende April/Anfang Mai 2002 führte der Angeklagte bei seinem Patienten im Beisein eines Narkosearztes und einer Krankenschwester den ersten ambulanten Eingriff durch. Er saugte zunächst bei lokaler Betäubung am Bauch des Nevzet A. Fett ab und entfernte anschließend in Vollnarkose operativ die Fettschürze ; außerdem richtete er einen Bauchdeckenbruch. Über die Risiken einer Fettabsaugung und des Betäubungsverfahrens war Nevzet A. vor dieser Operation aufgeklärt worden. Der Eingriff verlief komplikationslos.
6
Am 29. Juni 2002 wurde Nevzet A. ein weiteres Mal vom Angeklagten operiert. Bei diesem Eingriff sollten in lokaler Anästhesie von der ersten Operation herrührende Narbenstummel entfernt und - auf Vorschlag des Angeklagten - nochmals Fett abgesaugt werden. Eine (erneute) Aufklärung über die Risiken einer Fettabsaugung unterblieb; eine Einwilligungserklärung unterzeichnete der Patient nicht. Da am Operationstag - einem Samstag - eine Krankenschwester nicht zur Verfügung stand, bat der Angeklagte seinen Schwager, einen auf medizinischem Gebiet unerfahrenen Chemiestudenten, ihn bei Hilfstätigkeiten, etwa beim Austausch von Fettmengenbehältern, zu unterstützen. Das Patientenmonitoring meinte der Angeklagte selbst vornehmen zu können. Gegen 10.30 Uhr verabreichte der Angeklagte dem Patienten zunächst ein Schlaf förderndes Medikament, später ein solches gegen Angst- und Spannungszustän- de sowie ein opiathaltiges schmerzstillendes Mittel. Er legte ihm außerdem eine Blutdruckmanschette, ein Pulsoximeter und eine Sauerstoffmaske an und schloss ihn an ein EKG-Gerät an. Gegen 12.00 Uhr begann der Angeklagte mit der Operation. Zur Vorbereitung der späteren Fettabsaugung infiltrierte er zunächst vier Liter einer Infusionslösung in den Bauchraum des Patienten. Weil dieser dabei über Schmerzen klagte, verabreichte der Angeklagte ihm nochmals 7,5 mg des Schmerz stillenden Mittels, woraufhin Nevzet A. tief einschlief und zu schnarchen begann. Dem Angeklagten war nicht bewusst, dass die kombinierte Gabe der verabreichten Medikamente das Risiko des Auftretens einer zentralen Atemdepression beim Patienten potenzierte. Auch das tiefe Einschlafen , das dem Zustand einer Vollnarkose gleichkam und auf eine Überdosierung der verabreichten Medikamente hinwies, beunruhigte den Angeklagten nicht. Er begann vielmehr nach der Einwirkungszeit der Infusionslösung (ca. 1 ½ Stunden nach Operationsbeginn) mit dem Absaugen des Fetts. Zu diesem Zeitpunkt litt Nevzet A. bereits an einer medikamentenbedingten Atemdepression , was durch das Beschlagen der Sauerstoffmaske deutlich wurde. Die Operation hätte deshalb sofort abgebrochen und es hätten geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Das Beschlagen der Sauerstoffmaske, das der Angeklagte bemerkt hatte, vermochte er jedoch nicht richtig zu deuten. Erst ca. 20 Minuten später, als ein Überwachungsgerät Alarmsignale aussandte , registrierte der Angeklagte den besorgniserregenden Zustand seines Patienten und brach die Operation ab. Er versuchte zunächst, Nevzet A. an ein Beatmungsgerät anzuschließen und führte, als dies misslang, eine Mund-zuMund -Beatmung und eine Herzmassage durch. Einen Beatmungsbeutel, der eine wirkungsvollere Beatmung gewährleistet hätte, hatte der Angeklagte nicht zur Hand. Die Gabe von Gegenmitteln zur Behebung der Atemdepression erwog er nicht. Auch die Herbeirufung des Notarztes verzögerte sich, weil der Angeklagte die Telefonnummer der Rettungsstelle nicht greifbar hatte. Noch vor Eintreffen des Notarztes erlitt Nevzet A. als Folge der Überdosierung der verabreichten Medikamente einen Herzstillstand und verstarb. Danach gab der Angeklagte der Ehefrau des Patienten ein Blankoformular mit einer Einwilligung in die Operation und sagte zu ihr, sie solle das Formular unterschreiben "wie ihr Mann".
7
2. Nach Auffassung des Landgerichts ist der Tod des Patienten auf mehrere Sorgfaltsverstöße des Angeklagten zurückzuführen. Dieser habe nämlich - die auf vier Liter Absaugmenge angelegte Liposuktion statt - regelgerecht - in Vollnarkose in lokaler Anästhesie vorgenommen, - die Operation ohne geschultes Personal durchgeführt, so dass ein kontinuierliches Patientenmonitoring nicht gewährleistet gewesen sei, - eine Medikamentenkombination verabreicht, ohne sich über die hierdurch erhöhte Gefährdung des Patienten im Klaren gewesen zu sein, - frühe Hinweise auf die Überdosierung der Medikamente (tiefer Schlaf des Patienten ) und den Beginn einer Atemdepression (Beschlagen der Sauerstoffmaske ) nicht erkannt und deshalb Gegenmaßnahmen nicht rechtzeitig ergreifen können, und schließlich - sei er nur unzureichend auf die Notfallsituation vorbereitet gewesen.
8
Eine vorsätzliche Körperverletzung (mit Todesfolge) hat das Landgericht nicht angenommen, da die Vornahme des Eingriffs selbst durch eine hypothetische Einwilligung des Patienten gerechtfertigt gewesen sei und den Angeklagten in Bezug auf die Überdosierung der Medikamente nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf treffe.

II.


9
Revision des Angeklagten
10
Die Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 5 i.V.m. § 231 Abs. 2 StPO Erfolg. Eines Eingehens auf die weitere vom Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge und die Sachrüge bedarf es daher nicht.
11
Das Landgericht hat am vierten Verhandlungstag, am 27. Juni 2006, die Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme, Schlussvorträgen und Urteilsverkündung in Anwendung des § 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten in der Annahme zu Ende geführt, dieser sei bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung eigenmächtig ausgeblieben. Die für solches Vorgehen unerlässliche Eigenmächtigkeit des Ausbleibens lag indes, wie der Beschwerdeführer noch ausreichend (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) vorgetragen und was sich im Rahmen des vom Senat durchgeführten Freibeweisverfahrens auch als erwiesen bestätigt hat, nicht vor.
12
Der Angeklagte war am Vortag des vierten Hauptverhandlungstags, am 26. Juni 2006, auf Veranlassung einer Allgemeinärztin durch den Notarztdienst zur Abklärung eines akuten Koronarsyndroms zur Behandlung in die Klinik für Innere Medizin des Krankenhauses H. eingewiesen und dort stationär bis zum 28. Juni 2006 unter permanenter Monitorüberwachung behandelt worden. Dass die Strafkammer, der hiervon - ersichtlich ebenso wie dem Verteidiger - nichts bekannt war, von eigenmächtigem Ausbleiben ausgehen konnte, ist ohne Bedeutung (vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 231 Rdn. 25 m.N.). Die Hauptverhandlung ist hier mit einer Sachverhandlung fortgesetzt und am selben Tag mit dem Urteil abgeschlossen worden, so dass der erwiesenermaßen ohne Verschulden ausgebliebene Angeklagte auch keine Möglichkeit hatte, auf Heilung durch Nachholung der von ihm versäumten wesentlichen Teile der Verhandlung hinzuwirken.

III.


13
Revision der Nebenklägerin
14
Die Revision der Nebenklägerin führt zum Erfolg, da das Landgericht ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten in Bezug auf eine Körperverletzung zum Nachteil seines Patienten und damit einhergehend eine (vorsätzliche) Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat.
15
Die Annahme des Landgerichts, die zweite bei Nevzet A. durchgeführte Liposuktion sei durch eine (hypothetische) Einwilligung des Patienten gerechtfertigt gewesen, hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
16
Zwar ist das Landgericht in seinem rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ärztliche Heileingriffe (vorsätzliche) Körperverletzungshandlungen darstellen und deshalb grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedürfen , um rechtmäßig zu sein. Diese Einwilligung kann aber wirksam nur erteilt werden, wenn der Patient in der gebotenen Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist (vgl. BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 4 m.w.N.; Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht 2. Aufl. Rdn. 769). Dies ist hier nicht gesche- hen. Nicht zu beanstanden ist der weitere Ausgangspunkt der Schwurgerichtskammer , dass die Rechtswidrigkeit auch dann entfallen kann, wenn im Falle eines Aufklärungsmangels, wie er hier beim zweiten operativen Eingriff gegeben war, der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die tatsächlich durchgeführte Operation eingewilligt hätte (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 16 = BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 7).
17
Das Landgericht hat eine hypothetische Einwilligung in die mit dem operativen Eingriff verbundenen Körperverletzungshandlungen des Angeklagten mit der Begründung angenommen, der Angeklagte habe seinem Patienten zwar nicht vor der verfahrensgegenständlichen, jedoch vor der ersten Operation "alle Risiken einer Fettabsaugung" (UA 28) erläutert, Nevzet A. sei damals mit dem Eingriff einverstanden gewesen und hätte deshalb selbst bei nochmaliger Aufklärung auch dem zweiten Eingriff zugestimmt (UA 29).
18
Diese Wertung lässt außer Acht, dass sich eine Einwilligung in einen ärztlichen Heileingriff, jedenfalls bei Fehlen einer weitergehenden Aufklärung, nur auf eine lege artis, d.h. nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft durchgeführte Heilbehandlung bezieht (vgl. BGHSt 43, 306, 309; Geiß/Greiner, Arzthaftungsrecht 4. Aufl., S. 168 Rdn. 13). Die Durchführung der zweiten Operation war jedoch, anders als dies bei der ersten Liposuktion im April/Mai 2002 der Fall war, vom Angeklagten von vornherein so angelegt, dass sie nicht dem medizinischen Standard entsprach. Nach den Feststellungen war weder die vom Angeklagten vorgesehene Narkosemethode (Lokalanästhesie statt Vollnarkose ) unter den gegebenen Umständen regelgerecht gewählt, noch hatte er, was in Anbetracht der unzureichenden Notfallvorbereitung eine besondere Risikoerhöhung darstellte, ein kontinuierliches Patientenmonitoring während des Eingriffs sichergestellt, da er sich eines medizinischen Laien statt einer ausgebildeten Krankenschwester als Hilfspersonal bediente.
19
Das Landgericht hätte deshalb bei Prüfung der Frage, ob eine (hypothetische ) Einwilligung des Patienten vorlag, nicht lediglich auf die Umstände der ersten, kunstgerecht durchgeführten Operation abstellen dürfen, sondern hätte in den Blick nehmen und erörtern müssen, ob Nevzet A. auch in Kenntnis der vorgenannten, von der ersten Operation abweichenden Umstände in den Eingriff eingewilligt hätte. Dies dürfte allerdings schon in Anbetracht dessen, dass es sich weder um eine eilbedürftige, noch um eine medizinisch indizierte, sondern lediglich um eine kosmetische Behandlung handelte, die ohnehin erheblich genaueren Aufklärungsanforderungen unterliegt (vgl. Geiß/Greiner aaO S. 167 Rdn. 9), kaum anzunehmen sein.
20
Im Falle des Fehlens einer (hypothetischen) Einwilligung stellt sich der operative Eingriff des Angeklagten jedoch als tatbestandsmäßige und rechtswidrige Körperverletzung dar. Eine vorsätzliche Tat könnte dem Angeklagten nur dann nicht vorgeworfen werden, wenn er, was das Urteil nicht ergibt, nach den bisherigen Feststellungen aber eher fern liegt, irrig vom Vorliegen eines rechtfertigenden Sachverhalts ausgegangen wäre (vgl. hierzu BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 4 m.w.N.).
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 134/11
vom
11. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Oktober 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen.
2
1. Dem Angeklagten war in der Anklage folgendes zur Last gelegt worden :
3
Am 24. Juli 2007 habe der Angeklagte in seinen Praxisräumen in B. bei einem 85-jährigen Patienten (im Folgenden P.) eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt. Diese sei von dem den P. behandelnden Urologen erbeten worden, weil sich Blut im Stuhl befunden hatte. Nachdem P. am 18. Juli 2007 über die Risiken dieser Untersuchung aufgeklärt worden sei, habe er eine Einwilligungserklärung zur Koloskopie unterschrieben. Die Koloskopie habe einen normalen Befund ohne Hinweis auf eine Blutungsquelle ergeben. Der Angeklagte habe sich daher dazu entschlossen, im Anschluss an die Kolo- skopie bei P. eine Magenspiegelung vorzunehmen. Dabei sei dem Angeklagten klar gewesen, dass P. noch unter dem Einfluss der für die Koloskopie verabreichten Narkotika gestanden sei. Dieser Zustand sollte aber für die Durchführung der Magenspiegelung genutzt werden, um eine erneute Sedierung zu vermeiden. Andererseits habe P. keine Einwilligung für eine Magenspiegelung gegeben und sei auch zuvor nicht über den Eingriff und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Eine wirksame Aufklärung des P. und die Abgabe einer rechtsgültigen Einwilligungserklärung durch diesen seien jedoch zu diesem Zeitpunkt wegen des Einflusses der verabreichten Narkotika nicht in Betracht gekommen. Dies sei dem Angeklagten auch klar gewesen. Dennoch habe er mit der Durchführung der Gastroskopie begonnen, die jedoch daran scheiterte, dass P. nicht in der Lage war, das Einführen des Endoskops in die Speiseröhre durch Schluckbewegungen zu unterstützen. Der Angeklagte habe das Endoskop nur bis auf ca. 10 bis 12 cm einführen können. Angesichts der konkreten Untersuchungssituation sei dem Angeklagten als erfahrenen Gastroenterologen sofort klar gewesen, dass das der Untersuchung innewohnende bekannte Risiko einer Perforation der Speiseröhre (die bekanntermaßen ihrerseits zu einer lebensbedrohlichen Mittelfellentzündung führen könnte) signifikant erhöht gewesen sei. Gleichwohl habe er versucht, nachdem er nach Entfernung des Endoskops P. aufgefordert hatte, einmal "leer" zu schlucken, sofort erneut das Endoskop einzuführen. Auch bei diesem zweiten Anlauf sei das Einführen des Untersuchungsgerätes wiederum nur bis zu einer Länge von etwa 10 bis 12 cm gelungen. Der Angeklagte habe daraufhin beschlossen, zunächst ein bis etwa zwei Stunden zuzuwarten und dann erneut die Untersuchung anzugehen. Gegen 11.30 Uhr sei P., bei dem die Wirkung der Narkotika zwischenzeitlich nachgelassen hatte, vom Angeklagten eine weitere Ampulle Dormicum gespritzt worden. Nach Einsetzen der Wirkung des Medikaments habe der Angeklagte erneut einige Male erfolglos versucht, das Endoskop bei P. ein- zuführen. Insoweit habe der Angeklagte jeweils angesichts der konkreten Situation in Kauf genommen, dass sich das Risiko der Speiseröhrenperforation verwirklichen und P. eine lebensbedrohliche Mittelfellentzündung erleiden könne, die gerade bei einem 85-jährigen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen könnte. Bei diesen Versuchen sei es durch das vom Angeklagten eingeführte Endoskop zu einer Perforation der Speiseröhre bei P. gekommen, an deren absehbaren weiteren Folgen P. trotz einer am 26. Juli 2007 im Klinikum B. durchgeführten Operation und anschließender intensivmedizinischer Behandlung schließlich am 3. September 2007 verstorben sei. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass die Durchführung einer Magenspiegelung unmittelbar im Anschluss an die Darmspiegelung bei P. nicht medizinisch indiziert gewesen sei. Eine Magenspiegelung hätte nach erfolgter Aufklärung und Einwilligung jederzeit später durchgeführt werden können, wenn sich dafür eine Indikation ergeben hätte. Im Hinblick auf die Speiseröhrenperforation und die sich hieraus ergebenden zum Tode führenden Komplikationen habe der Angeklagte wenigstens fahrlässig gehandelt.
4
Die Anklage ging daher von einem Verbrechen der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) aus.
5
2. Das Landgericht hat "in teilweiser Abweichung von der Anklage" (UA S. 5) in der Hauptverhandlung u.a. folgende Feststellungen getroffen:
6
Nach dem ergebnislosen Befund der Darmspiegelung hat der Angeklagte P. nicht ausschließbar über die bevorstehende Magenspiegelung aufgeklärt und auch dessen Zustimmung eingeholt. Allerdings war P. aufgrund der andauernden Sedierung nicht in der Lage, in rechtserheblicher Weise in die Magenspiegelung einzuwilligen, was der Angeklagte auch erkannte. Gleichwohl führte er die Untersuchung durch, wobei es ihm bei mindestens zwei Versu- chen aufgrund von Schluckbeschwerden des P. nicht gelang, das Endoskop einzuführen. Nach einer Pause von ca. zwei Stunden wurden mindestens zwei weitere erfolglose Versuche unternommen, wobei P. zuvor wegen der nachlassenden Wirkung der Sedierung zusätzliches Dormicum injiziert wurde. Bei einem der Versuche kam es zur Perforation der Speiseröhre, wobei nicht festgestellt werden kann, bei welchem der Versuche dies geschah. Der Angeklagte wollte P. mit der sofortigen Durchführung der Magenspiegelung eine nochmalige Anreise aus Bi. im nüchternen Zustand ersparen. Er ging davon aus, dass P. mit dieser Vorgehensweise einverstanden sein würde. Tatsächlich hätte P. auch seine Einwilligung erklärt, wenn er vor der Maßnahme ordnungsgemäß über die Notwendigkeit, über Risiken und möglichen Komplikationen aufgeklärt worden wäre.
7
P. wurde am 25. Juli 2007 ins Klinikum B. eingewiesen und am 26. Juli 2007 an der Speiseröhre operiert. Er befand sich bereits auf dem Weg der Besserung, als es schließlich zu Komplikationen, u.a. einer Lungenentzündung und einem Mediastinalabszess, kam, die schließlich zu einem Multiorganversagen und zum Tod des P. am 3. September 2007 führten. Es ist nicht auszuschließen , dass es im Rahmen des stationären Aufenthalts im Klinikum B. zu Fehlern kam und das Leben von P. bei ordnungsgemäßer Behandlung hätte gerettet werden können. So wurde möglicherweise zu lange ein falsches Antibiotikum verwendet und zu spät ausgetauscht. Allerdings wäre es ohne die von dem Angeklagten verursachte Verletzung der Speiseröhre nicht zu dem Krankenhausaufenthalt und den damit einhergehenden Komplikationen gekommen.
8
3. Nach Auffassung der Strafkammer liegt ein strafbares Verhalten des Angeklagten nicht vor. Das ärztliche Handeln sei durch eine "hypothetische Einwilligung" des P. gerechtfertigt und vorwerfbare Fehler bei der versuchten Durchführung der Magenspiegelung seien dem Angeklagten nicht nachzuweisen. Die Strafkammer zieht aus verschiedenen Indizien den Schluss, dass P. der sofortigen Magenspiegelung zugestimmt hätte, wenn er wirksam aufgeklärt worden wäre. Sie ist darüber hinaus der Meinung, dass eine Strafbarkeit nach § 227 StGB auch dann nicht in Betracht käme, wenn man nicht von einer Rechtfertigung durch "hypothetische Einwilligung" ausginge. Denn die vom Angeklagten verursachte Verletzung beruhe nicht auf Fahrlässigkeit, sondern sei eine der Magenspiegelung immanente Komplikation. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) komme ebenfalls nicht in Betracht, da den Angeklagten keine Sorgfaltspflichtverletzung treffe. Allein aufgrund der Feststellung einer Speiseröhrenperforation könne noch nicht auf ein fehlerhaftes Verhalten des Angeklagten geschlossen werden.
9
4. Gegen dieses freisprechende Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin (Ehefrau des P.; vgl. auch § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Beide rügen die Verletzung materiellen Rechts und erstreben eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Die Rechtsmittel haben Erfolg.

II.

10
Das angefochtene Urteil war auf die von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erhobene Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben.
11
1. Das Urteil des Landgerichts entspricht bereits nicht den Anforderungen , die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
12
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen - worauf das Landgericht in erster Linie abstellt - muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldsprucherforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 StR 41/11 mwN).
13
Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils sind hier nicht erfüllt.
14
a) Es fehlt bereits an einer geschlossenen Darstellung der festgestellten Tatsachen. Das Landgericht setzt bei der Wiedergabe seiner Feststellungen erst nach der erfolgten Darmspiegelung ein und schildert das Geschehene sehr kurz. Der Senat kann nicht beurteilen, ob das Landgericht im Übrigen die durch die Mitteilung des Anklagevorwurfs bekannten weiteren Feststellungen getroffen hat, worauf die Formulierung "in teilweiser Abweichung von der Anklage" hindeuten könnte. So wird u.a. nicht festgestellt, ob P. gegenüber dem Angeklagten über Schmerzen im Hals- und Brustbereich geklagt hat.
15
b) Den Ausführungen zur Beweiswürdigung können zwar einzelne weitere Feststellungen entnommen werden, doch nicht mit einer solchen Deutlichkeit , dass eine geschlossene Darstellung hinreichend ersichtlich wird.
16
c) Die Einlassung des Angeklagten wird auch nicht vorab - wie erforderlich - geschlossen dargelegt, sondern wird nur vereinzelt in der Beweiswürdigung gestreift.
17
Der Senat ist schon von daher gehindert, das angefochtene Urteil umfassend und abschließend auf Rechtsfehler zu untersuchen.
18
2. Die Beweiswürdigung selbst leidet darüber hinaus an durchgreifenden Rechtsfehlern.
19
Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Tatbegehung nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu prüfen und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 mwN).
20
a) Die Beweiswürdigung zur "hypothetischen Einwilligung" ist bereits widersprüchlich. Die Kammer hat sich den klaren Ausführungen der beiden Sachverständigen angeschlossen, wonach aufgrund des verabreichten Medikaments Dormicum eine Aufklärung wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit des P. nicht möglich war (UA S. 8). Gleichwohl leitet sie aus Gesprächen mit P. unmittelbar vor der Magenspiegelung "ein weiteres nicht unerhebliches Indiz dafür ab, dass der Geschädigte der sofortigen Magenspiegelung zugestimmt hätte, wenn er wirksam aufgeklärt worden wäre" (UA S. 12). Da P. zu diesem Zeit- punkt nicht aufklärungsfähig war, kann aus seinem Verhalten auch kein Indiz für eine Einwilligung hergeleitet werden. Soweit auf UA S. 11 in diesem Zusammenhang Angaben der Arzthelferin wiedergegeben werden, ist - da im Feststellungsblock hierzu nichts enthalten ist (vgl. oben II 1 a) - zum einen unklar , ob die Strafkammer von der Glaubhaftigkeit dieser Aussage überzeugt ist, zum anderen werden die maßgeblichen Einzelheiten der Gespräche nicht mitgeteilt. Die Einschätzung der Zeugin, P. sei wegen der nachlassenden Wirkung der Sedierung "ansprechbar" gewesen, lässt sich auch nicht ohne weiteres mit den Ausführungen der Sachverständigen in Einklang bringen, wonach eine Aufklärung wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit nicht möglich war. Im Widerspruch zu den Angaben der Sachverständigen, denen die Kammer aber ausdrücklich folgen will (UA S. 8), geht sie davon aus, dass durch die Sedierung lediglich eine Amnesie eingetreten war (UA S. 13), eine Verständigung mit P. aber möglich war. Fehlende Aufnahmefähigkeit ist aber grundsätzlich von einer Amnesie zu unterscheiden. War - wie jedenfalls zunächst festgestellt - bei P. keine Aufnahmefähigkeit für eine entsprechende Aufklärung vorhanden, konnte er eine wirksame Einwilligung nicht erteilen und es durfte auch aus seinem Verhalten kein derartiger Schluss gezogen werden.
21
Der Senat kann bereits hier nicht sicher ausschließen, dass auf diesen widersprüchlichen Überlegungen des Tatrichters dessen diesbezügliche Beweiswürdigung beruht, zumal hierin ein "nicht unerhebliches Indiz" (UA S. 12) gesehen wird.
22
b) Das Landgericht ist im Rahmen seiner Begründung für die Annahme einer "hypothetischen Einwilligung" rechtsfehlerhaft von einem unzutreffenden Ausgangspunkt ausgegangen. Die Feststellung, dass auch eine Magenspiegelung grundsätzlich indiziert war, sagt nichts darüber aus, dass diese Untersuchung eilig erfolgen musste und nicht eine vorherige Einwilligung des P. einge- holt werden konnte. Das zur Wahrung der Persönlichkeit des Patienten erforderliche Selbstbestimmungsrecht (vgl. dazu u.a. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 - 5 StR 712/98 = BGHSt 45, 219, 225) steht einer voreiligen ärztlichen Maßnahme entgegen, zumal, wenn es sich - wie hier - nicht um eine dringende Heilbehandlung, sondern lediglich um eine Untersuchung aus Diagnosegründen handelt. Dies war in die Überzeugungsbildung einzustellen.
23
c) Die Beweiswürdigung ist auch lückenhaft. Die Strafkammer teilt als Einlassung des Angeklagten mit, er sei von einem Notfall ausgegangen, weil P. über Schmerzen im Hals- und Brustbereich geklagt habe (UA S. 8). Ob dies der Tatrichter als glaubhaft angesehen und deshalb auch festgestellt hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen. Bejahendenfalls hätte das Landgericht erörtern müssen, ob dieser Umstand der Annahme einer Einwilligung hier schon deshalb entgegengestanden hätte, weil der Angeklagte die Magenspiegelung durch Einführung des Endoskops in die Speiseröhre vornehmen wollte, und P. Schluckbeschwerden hatte. Möglicherweise hätte P. deshalb zu diesem Zeitpunkt keine Magenspiegelung gewünscht oder wäre allenfalls mit einer anderen Untersuchungsmethode einverstanden gewesen.
24
3. Der Senat kann insgesamt nicht ausschließen, dass auf den aufgezeigten Rechtsfehlern das freisprechende Urteil beruht. Das konnte schon deshalb nicht verneint werden, weil der neue Tatrichter andere Feststellungen treffen kann, die eine Strafbarkeit des Angeklagten sei es nach § 227 StGB, sei es nach § 222 StGB oder sei es nach § 230 StGB ergeben können.
25
Eine Strafbarkeit ist auch im Hinblick auf die Hilfserwägungen der Strafkammer (UA S. 14 und 15) zur fehlenden Fahrlässigkeit (kein Sorgfaltspflichtverstoß ) des Angeklagten nicht von vornherein zu verneinen. Denn der Tatrichter und die von ihm angehörten Sachverständigen äußern sich in diesem Zu- sammenhang nicht dazu, ob das Risiko einer Perforation der Speiseröhre erhöht ist, wenn der Patient bereits Schmerzen im Hals- und Brustbereich und Schluckbeschwerden hat.

III.

26
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, folgendes zu beachten:
27
Ergeben die neuen Feststellungen, dass der Angeklagte nicht an eine Einwilligung glaubte, kommt eine Strafbarkeit nach § 227 StGB in Betracht, wenn die spezifische Gefährlichkeit der - kausalen - Körperverletzung sich in der Todesfolge niedergeschlagen hat und wenn dem Angeklagten hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last liegt (§ 18 StGB).
28
Ein Verbotsirrtum ist dann gegeben, wenn der Arzt das Fehlen des Einverständnisses für möglich, den Eingriff aber für zulässig hält, weil er medizinisch geboten ist; die Vermeidbarkeit eines solchen Irrtums ist jedoch "kaum je zweifelhaft" (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 - 5 StR 712/98 = BGHSt 45, 219, 225; vgl. im Einzelnen auch Fischer, StGB, 58. Aufl., Rn. 16 zu § 223).
29
Wird hingegen festgestellt, dass der Angeklagte irrig angenommen hat, P. hätte bei vorheriger Befragung der Erweiterung zugestimmt, so liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, der entsprechend § 16 StGB zu behandeln ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 = NStZ-RR 2007, 340, 341; BGH, Urteil vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94 = NStZ 1996, 34, 35; BGH, Beschluss vom 25. März 1988 - 2 StR 93/88 = BGHSt 35, 246 ff., 250). Die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die tatsächlich durchgeführte Operation eingewilligt hätte (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03 = NStZ 2004, 442). Dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung unterblieben wäre, ist dem Arzt nachzu- weisen. Verbleiben Zweifel, so ist nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu Gunsten des Arztes davon auszugehen, dass die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03 = StV 2004, 376, 377 mwN).
30
In Betracht kommt dann aber eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), wenn die Todesfolge individuell vorhersehbar und vermeidbar war oder zumindest wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 230 StGB). Nack Rothfuß Hebenstreit Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 300/03
vom
15. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur vorsätzlichen Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2003 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 18. Februar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 rurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es daher nicht. Hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts verwiesen.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Chefarzt der neurochirurgischen Abteilung der O. Klinik in R .
- früher das Krankenhaus E. . Wegen eines Bandscheiben- vorfalls begab sich die Nebenklägerin Kr. im August 1996 zur operativen Behandlung in die dem Angeklagten unterstellte Abteilung. Durch eine zuvor erfolgte Kernspintomographie waren bei ihr ein schwerer Bandscheibenvorfall im Bandscheibenfach L 4/L 5 der Lendenwirbelsäule und ein leichter Bandscheibenvorfall im darunterliegenden Bandscheibenfach L 5/S 1 festgestellt worden. Der schwere Bandscheibenvorfall sollte operativ behandelt werden. Die zweite Oberärztin Frau Dr. K. führte mit einem jungen Assistenzarzt die Operation durch. Von ihr unbemerkt operierte sie in der darunterliegenden Etage L 5/S 1 und entfernte den kleinen Bandscheibenvorfall. Am nächsten Tag traten bei der Patientin Lähmungserscheinungen der unteren Extremitäten auf, die auf eine Beeinträchtigung von Nervenfasern hinwiesen. Ursache der Nervenbeeinträchtigung konnte ein Frührezidiv sein - dabei handelt es sich um einen erneuten Vorfall im selben Fach - oder das Fortbestehen des ursprünglichen Vorfalls nach Verwechslung der Etage. Röntgendiagnostische Untersuchungen und eine Computertomographie durch den Radiologen Dr. B. ergaben eindeutig die Verwechslung der Etage. Dies wurde von ihm und der Oberärztin ohne Zweifel erkannt und auch in der Krankenakte dokumentiert. Dr. K. informierte den Angeklagten als ihren Chefarzt und fragte ihn, schockiert über ihren Kunstfehler, um Rat. Er riet ihr zu folgender Vorgehensweise , die auch ausgeführt wurde: Sie solle der Patientin den Fehler verschweigen und ihr die Notwendigkeit einer nochmaligen Operation im tatsächlich nicht operierten Fach L 4/L 5 mit einem Frührezidiv erklären. Dann solle sie bei der zweiten Operation den schweren Bandscheibenvorfall entfernen und außerdem den rechten Wirbelhalbbogen am darunterliegenden Lendenwirbel 5. Im zweiten Operationsbericht solle sie angeben, sie habe ein Frührezidiv, vorbenannten Wirbelhalbbogen und bei dieser Gelegenheit auch den kleinen
Bandscheibenvorfall entfernt. Entsprechend wahrheitswidrig aufgeklärt, erteilte die Patientin ihre Einwilligung zur zweiten Operation. Von dem Umstand, daß schon vor der Operation die Entfernung des rechten Wirbelhalbbogens L 5/S 1 beschlossen war, erfuhr sie nichts. Daß diese Entfernung medizinisch indiziert war, hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten mangels möglicher anderweitiger Feststellungen angenommen. Im Rahmen der Strafzumessung stellt die Kammer fest, daß die Nebenklägerin in Kenntnis des wahren Sachverhalts in die medizinisch zwingend indizierte zweite Operation eingewilligt hätte und die Operation im Ergebnis sowohl ihrem Willen als auch ihrem Interesse entsprach (UA S. 20). Weiterhin stellt die Kammer fest, die Patientin hätte - wäre sie über den Sachverhalt zutreffend unterrichtet worden - möglicherweise auch einer zweiten Operation durch Frau Dr. K. aufgrund der Notwendigkeit und Dringlichkeit zugestimmt. Möglicherweise hätte sie aber auch bei Kenntnis des von Frau Dr. K. am Vortag begangenen schweren Fehlers darauf bestanden, von einem anderen Arzt operiert zu werden. Von einer mutmaßlichen Einwilligung der Patientin seien jedoch weder der Angeklagte noch die Oberärztin Dr. K. ausgegangen (UA S. 7).

II.

Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen Anstiftung zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Körperverletzung nicht (§§ 223, 26 StGB). 1. Zutreffend geht das Landgericht im rechtlichen Ansatz davon aus, daß ärztliche Heileingriffe nur durch eine von Willensmängeln nicht beeinflußte Einwilligung des Patienten gemäß § 228 StGB gerechtfertigt sind (BGHSt 16,
309). Es hat daher rechtsfehlerfrei angenommen, daß die durch Täuschung herbeigeführte Einwilligung - über die Ursache der notwendig gewordenen zweiten Operation - unwirksam war, d.h. keine rechtfertigende Wirkung entfalten konnte. 2. Soweit die Kammer sich mit einer "mutmaßlichen Einwilligung" befaßt, ist offenkundig eine hypothetische Einwilligung gemeint. Um einen ärztlichen Eingriff, der dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht, der nicht befragt werden kann, geht es hier erkennbar nicht (vgl. zum Begriff BGHSt 35, 246). 3. Hinsichtlich einer hypothetischen Einwilligung sind die Urteilsfeststellungen im objektiven Bereich lückenhaft. Das Landgericht hätte sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, der Angeklagte und Dr. K. seien von einer "mutmaßlichen" - richtigerweise hypothetischen - Einwilligung der Patientin in die konkret durchgeführte Operation durch die Oberärztin bei wahrheitsgemäßer Aufklärung nicht ausgegangen. Damit ist lediglich für die subjektive Tatseite belegt, daß der Angeklagte zu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat anstiften wollte. Die Rechtswidrigkeit entfällt aber, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die tatsächlich durchgeführte Operation eingewilligt hätte. Der nachgewiesene Aufklärungsmangel kann nur dann zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung und wegen der Akzessorietät auch nur dann zur Strafbarkeit der Anstiftung zu dieser Tat führen, wenn bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung unterblieben wäre (BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 2; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 223 Rdn. 40; BGH NStZ 1996, 34 - Urt. vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94 -; im Zivilrecht BGH NJW 1984, 1397; BGH NJW 1991, 2344). Dies ist dem Arzt nachzuweisen. Verbleiben Zweifel, so ist
nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugunsten des Arztes davon auszuge- hen, daß die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt wäre (BGH NStZ 1996, 34; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2003, Rdn. 132). Die Kausalität des Aufklärungsmangels hat das Landgericht offengelassen. Bei der Kausalitätsprüfung ist auf das konkrete Entscheidungsergebnis des jeweiligen Patienten abzuheben. Es kommt nicht darauf an, daß er sich ohnehin hätte operieren lassen müssen oder daß ein vernünftiger Patient eingewilligt hätte (BGH NJW 1984, 1397; Eser aaO). Das Landgericht hätte nicht offenlassen dürfen, ob die Nebenklägerin in Kenntnis des wahren Sachverhalts möglicherweise auch in eine Operation durch Frau Dr. K. eingewilligt, möglicherweise aber auch darauf bestanden hätte, von einem anderen Arzt operiert zu werden. Es hätte auch nicht offenlassen dürfen, ob die Nebenklägerin der zuvor beschlossenen Entfernung des Wirbelhalbbogens zugestimmt hätte, selbst wenn diese Entfernung medizinisch indiziert gewesen sein sollte. Daß die zweite Operation im Ergebnis ihrem Willen und Interesse entspricht, reicht nicht aus. Eine "in dubio" Entscheidung durch das Revisionsgericht kommt nicht in Betracht, weil weitere Feststellungen zur hypothetischen Einwilligung möglich erscheinen.

III.

Für die neue Hauptverhandlung sieht der Senat Anlaß zu folgendem Hinweis:
Bei einer Befragung der Geschädigten zur hypothetischen Einwilligung ist deren Äußerung und Begründung einer Würdigung zu unterziehen. Diese muß erkennen lassen, daß die Entscheidung der Patientin zum damaligen Zeitpunkt aus ihrer Sicht bei Aufdeckung des wahren Sachverhalts eine nachvollziehbare und mögliche Schlußfolgerung ist (BGH NStZ 1996, 34). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 647/11
vom
22. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 5. September 2011 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die durch den Verteidiger Rechtsanwalt H. erhobene Verfahrensrüge
der Ablehnung eines aus dem Schriftsatz vom 17. August 2011 gestellten
Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur
Sitzposition des Zeugen K. im Computerzimmer der Wohnung des
Angeklagten ist bereits unzulässig. Der Vortrag der Revision genügt nicht den
Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rügt der Revisionsführer die Verletzung des Beweisantragsrechts,
muss er - neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbeschluss
- auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfahrenstatsachen
vollständig vortragen (BGHSt 37, 168, 174; Kuckein in Karlsruher
Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38, 43 mwN). Der Revisionsführer
hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag - bei identischem
Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut - unter Ziffer 6 eines Schriftsatzes
vom 3. September 2011 erneut gestellt und im Hauptverhandlungstermin
vom 5. September 2011 neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch
notwendig gewesen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten
Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil - anders
als beim Nachschieben von Ablehnungsgründen in den schriftlichen Urteilsgründen
(dazu BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2000, 437, 438) - der Angeklagte
seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann.
Unbeachtlich bleibt, dass der geschilderte Verfahrensablauf in der bezeichneten
Revisionsrechtfertigungsschrift den Gegenstand einer weiteren
- ihrerseits unzulässigen - Rüge bildet; auch ein Rückgriff auf das Revisionsvorbringen
des weiteren Verteidigers, Rechtsanwalt G. , scheidet aus. Es
ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag innerhalb
eines umfangreichen Revisionsvorbringens oder aus anderen Unterlagen zusammenzufügen
oder zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 25. September 1986
- 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1; Urteil vom
30. April 1999 - 3 StR 215/98; Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04,
NStZ 2005, 463).
2. Soweit der Verteidiger Rechtsanwalt H. die Nichteinhaltung einer
von der Kammer konstatierten Wahrunterstellung rügt, ist auch diese Rüge
unzulässig erhoben. Auch hier genügt der Vortrag nicht den Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil zwar der Ablehnungsbeschluss der Jugendschutzkammer
vom 5. September 2011 mitgeteilt wird, vom zugrunde liegenden
Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2011 jedoch nur Beweisbehauptung
und Beweismittel, nicht aber die zum Verständnis des Antrags
bedeutsame Antragsbegründung. Zwar kann der Umfang des notwendigen Vortrages
- insbesondere zum Beweisantrag - beim Vorwurf der Nichteinhaltung
einer Wahrunterstellung je nach Angriffsrichtung der Rüge divergieren; bei der
Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts ist die (vollständige) Mitteilung
des Beweisantrages jedoch erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1983
- 2 StR 222/83, BGHSt 32, 44, 46). Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung
hätte der Revisionsführer auch die Begründung des Beweisantrages bereits
deshalb vortragen müssen, weil sich allein aus der angegebenen Beweistatsache
keine sichere Zuordnung des Beweisbegehrens zu einem der verschiedenen
, gleichartigen Tatgeschehen - wiederholter Oralverkehr des Angeklagten
an einem Jugendlichen - treffen lässt. Auf dieser Basis kann das Revisionsgericht
nicht überprüfen, ob der behauptete Widerspruch der Wahrunterstellung
zu den späteren Urteilsfeststellungen tatsächlich besteht, zumal hinsichtlich der
unter Beweis gestellten Tatsache bei den einzelnen Fällen unterschiedliche
Feststellungen getroffen worden sind.
3. Die von beiden Verteidigern erhobenen Rügen betreffend die Ablehnung
mehrerer, auf eine psychologische Begutachtung der Zeugen
P. , S. und K. sowie auf eine psychiatrische Begutachtung
des Zeugen K. gerichteter Beweisanträge ist bereits deshalb
unzulässig, weil nicht mitgeteilt wird, ob die Zeugen oder gegebenenfalls
deren gesetzliche Vertreter (vgl. dazu Senge in Karlsruher Kommentar zur
StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 8) sich mit einer solchen Untersuchung einverstanden
erklärt haben. Ohne Einverständniserklärung wären die beantragten Untersuchungen
bereits wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen gewesen
(vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. September 1990 - 5 StR 184/90, BGHR
StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 5; Beschluss vom 25. September
1990 - 5 StR 401/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 6).
4. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen
des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. Januar 2012. Vor
dem Hintergrund mehrfach unrichtigen Vortrags in der Revisionsrechtfertigungsschrift
des Verteidigers Rechtsanwalt H. haben die mustergültige
Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (vgl. dazu Drescher, NStZ 2003, 296)
und die dienstliche Stellungnahme des Kammervorsitzenden zu den erhobenen
Verfahrensrügen mit Leseabschriften handschriftlicher Beschlüsse und dem
Hinweis auf unrichtig wiedergegebene Beschlüsse die revisionsgerichtliche Prüfung
deutlich erleichtert.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 534/11
vom
4. September 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Ein in Deutschland nicht zugelassenes Fertigarzneimittel wird durch Hinzugabe von
Kochsalzlösung, um eine Injektion vornehmen zu können, nicht zu einem zulassungsfreien
Rezepturarzneimittel.
BGH, Urteil vom 4. September 2012 - 1 StR 534/11 - LG München II
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
4. September 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 15. Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und ausgesprochen , dass er wegen der Durchsuchungen vom 14. Januar 2009 aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Die hiergegen gerichtete, auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
2
I. Dem Angeklagten lag zur Last, unerlaubt Fertigarzneimittel, die nicht über eine nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) für Deutschland erforderliche Zulassung verfügten, zur Versorgung krebskranker Patienten in den Verkehr gebracht zu haben (§ 96 Nr. 5 AMG). Weiter wurde ihm vorgeworfen, die wahre Herkunft der Arzneimittel und den tatsächlich erbrachten Einkaufspreis nicht offengelegt und dadurch - soweit privat versichert - die Patienten, im Übrigen die gesetzlichen Krankenkassen betrogen zu haben (§ 263 StGB).
3
Er habe statt des in Deutschland zugelassenen - ohne weiteres erhältlichen - Medikaments eine nur für einige ausländische Staaten zugelassene - deutlich preisgünstigere - stoffgleiche Herstellung erworben, aber diese - ohne es kenntlich zu machen - zum vollen Preis abgerechnet, um sich entsprechend zu bereichern.
4
Das Landgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt.
5
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Es ist der Rechtsansicht, dass der Angeklagte nicht nur gegen § 96 Nr. 5 AMG, sondern auch gegen § 96 Nr. 13 AMG verstoßen habe. Danach macht sich strafbar, wer Arzneimittel ohne entsprechende Verschreibung abgibt. Hinsichtlich des Betrugsschadens hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass dieser in voller Höhe des erlangten Betrages und nicht nur - wie in der Anklageschrift angenommen - in der „Differenz zum Einkaufspreis“ zu sehen sei.
6
1. Die Anklage ging von folgendem Sachverhalt aus:
7
Der Angeklagte betrieb in den Jahren 2006 und 2007 die A. Apotheke (vormals: ) in O. . In derenLabor, das der Angeklagte als „A. -GmbH“ gesondert führte, stellten unter seiner Aufsicht hierzu ausgebildete Mitarbeiter unter besonderen technischen Sicherheitsvorkehrungen Injektionslösungen zur Behandlung krebskranker Patienten her.
8
Die Zubereitung dieser Lösungen erfolgte auf der Basis des Zytostati- kums „Gemzar“, das auf dem Markt als Pulver zur Herstellung einer Injektions- lösung angeboten wird. Die Zubereitung erfolgte jeweils auf Rezept. Die Ärzte verordneten entweder „Gemzar“ oder dessen Wirkstoff „Gemcitabine“ sowie eine patientenindividuelle Konzentrationsvorgabe für die zu dem Pulver hinzuzugebende Kochsalzlösung. Der Angeklagte gab die nach diesen Vorgaben zubereitete Lösung zur baldigen Verabreichung an die Patienten ab.
9
Für die Zubereitung erwarb der Angeklagte jeweils vorab in unterschied- lichen Chargen „Gemzar“ aus Herstellungen der in Frankreich ansässigen Firma „L. “. Diese stellt „Gemzar“ sowohl für den deutschen Markt als auch für andere Märkte her. Der Angeklagte orderte jedoch nicht die für den deutschen Markt produzierten und zugelassenen, sondern andere, im Einkaufspreis günstigere Herstellungen, die u.a. für Tschechien, Ungarn, Ägypten, Kenia und Bangladesh vorgesehen waren und über keine in Deutschland gültige Arzneimittelzulassung verfügten. Die verschiedenen Herstellungen waren in ihrer inhaltlichen Zusammensetzung identisch, unterschieden sich jedoch durch die äußere Gestaltung, Etikettierung und Beschriftung der Verpackung.
10
Der Erwerb von in Deutschland zugelassenem „Gemzar“ wäre dem Angeklagten jederzeit möglich gewesen. Sein handlungsleitendes Motiv bestand darin, durch die Verwendung der in Deutschland nicht zugelassenen, preisgünstigeren Herstellung Einkaufsvorteile zu erwerben und dadurch seine Gewinnspanne zu vergrößern.
11
Im Jahr 2006 erwarb der Angeklagte auf die beschriebene Weise 26mal „Gemzar“, insgesamt 545 Packungen, zum Gesamtpreis von 106.273,50 Euro und ersparte hierbei gegenüber dem Einkauf des in Deutschland zugelassenen Arzneimittels Aufwendungen in Höhe von 37.485,85 Euro. Im Jahr 2007 nahm er 18 Bestellungen mit insgesamt 385 Packungen „Gemzar“ zum Preis von 81.182,50 Euro vor und ersparte sich Aufwendungen von insgesamt 21.274 Euro.
12
Für die gesetzlich versicherten Patienten rechnete der Angeklagte monatlich mit deren Krankenversicherungen ab, wobei er auf den eingereichten Rechnungen die als Kürzel für in Apotheken hergestellte Zytostatika-Lösungen gebräuchliche Pharmazentralnummer (PZN) 9999092 angab. Gegenüber den privat versicherten Patienten erfolgte jeweils ein direkter Verkauf. Stets legte der Angeklagte dabei die handelsüblichen Preise nach der sogenannten Hilfstaxe zur Lauer-Taxe zugrunde, die als Datenbank für die Abrechnung branchenüblich herangezogen wird. Dass er für die Zubereitung jeweils das wesent- lich günstigere, in Deutschland nicht zugelassene „Gemzar“ verwendet hatte, legte er dabei weder gegenüber den privat Versicherten noch den gesetzlichen Krankenkassen offen. Bei insgesamt 272 Abrechnungen in 2006 und 258 in 2007 gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen oder privat versicherten Patienten verursachte er Schäden in Höhe von163.423,04 Euro bzw. 169.895,12 Euro. Bei den Krankenkassen bzw. den von ihnen mit der Abrechnung betrauten Rechenzentren wurden die Abrechnungen nur stichprobenartig geprüft und mangels Auffälligkeit nicht beanstandet.
13
2. Das Landgericht hat „den angeklagten Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht weitgehend“ (UA S. 7) festgestellt und ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme - entgegen der Einlassung des Angeklagten, er habe mit den Vorgängen selbst nichts zu tun gehabt - von seiner Verantwortlichkeit für die Bestellungen und Lieferungen (UA S. 11, 14) überzeugt. Es hat den Angeklag- ten jedoch „primär aus Rechtsgründen“ (UA S. 3) freigesprochen.

14
Den Vorwurf des Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung (§ 96 Nr. 5 AMG) hat es mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe schon keine Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht. Vielmehr habe er aus dem erworbenen „Gemzar“ - das allerdings ein Fertigarzneimittel darstelle - in seiner Apotheke durch die Hinzugabe der jeweils patientenindividuell dosierten Kochsalzlösung ein Rezepturarzneimittel hergestellt. Rezepturarzneimittel bedürften jedoch keiner Arzneimittelzulassung.
15
Auch den Tatbestand der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Verschreibung (§ 96 Nr. 13 AMG) sieht das Landgericht nicht als erfüllt an. Die in § 48 AMG näher geregelte Verschreibungspflicht knüpfe nicht an die Zulassung oder Verkehrsbezeichnung des Medikaments an, sondern, wie sich aus der Anlage zur Arzneimittelverschreibungsverordnung ergebe, an die in den Arzneimitteln enthaltenen Wirkstoffe. Der Angeklagte habe, soweit „Gemzar“ verordnet worden sei, genau dieses, und, soweit der Wirkstoff „Gemcitabi- ne“ verordnet worden sei, „Gemzar“ als ein „Gemcitabine“ enthaltendes Arzneimittel abgegeben. Es sei kein Fertigarzneimittel, sondern eine in der Apotheke herzustellende Zubereitung verschrieben worden. Die Verschreibungspflicht diene nicht der Durchsetzung von Zulassungsvorschriften.
16
Hinsichtlich des verbleibenden Betrugsvorwurfs (§ 263 StGB) sieht die Strafkammer bereits keine Täuschung: Weder mangele es der vom Angeklagten abgerechneten Lösung an der Verkehrsfähigkeit, noch habe der Angeklagte über preisbildende Umstände getäuscht. Seine tatsächlichen Einkaufspreise habe er nicht offenlegen müssen, weil sich eine entsprechende Verpflichtung weder aus dem Gesetz noch aus den vertraglichen Preisbildungsregelungen zwischen Apotheker- und Krankenkassenverbänden ergäbe.

17
Wegen der bei ihm durchgeführten Durchsuchung hat das Landgericht dem Angeklagten einen Anspruch auf Entschädigung für zu Unrecht erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 StrEG) dem Grunde nach zuerkannt.
18
Mit den Ersatzkrankenkassen hat der Angeklagte einen Vergleich geschlossen , nach dem er - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - zur Abgeltung der aus dem Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens geltend gemachten Forderungen einen Betrag von 65.000 Euro bezahlt hat. Die AOKs und die Betriebskrankenkassen haben bis jetzt keine Forderungen gegen den Angeklagten erhoben.
19
II. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
20
1. Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand des unerlaubten Inverkehrbringens nicht zugelassener Fertigarzneimittel nicht verwirklicht (§ 96 Nr. 5 AMG), ist rechtsfehlerhaft. Die von der Strafkammer hierzu gefundene Begründung, der Angeklagte habe keine Fertigarzneimittel an seine Patienten abgegeben, sondern aus „Gemzar“ in seiner Apotheke ein neues, zulassungsfreies Rezepturarzneimittel hergestellt, ist nicht tragfähig.
21
Im Ansatz zutreffend ist die Strafkammer allerdings davon ausgegangen, dass „Gemzar“ ein Fertigarzneimittel i.S.v. § 4 Abs. 1 AMGdarstellt, das der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG bedarf. Denn „Gemzar“ weist bereits alle Eigenschaften eines Arzneimittels- und nicht nur eines Ausgangsstoffs - auf (zur Abgrenzung vgl. Müller in Kügel/Müller/ Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 2 Rn. 63 mwN; Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 2 Rn. 7 mwN) und ist einerseits mittels eines industriellen Verfahrens, andererseits im Voraus, also vor dem Vorliegen einer konkreten ärztlichen Verordnung, hergestellt worden.
22
Fehlerhaft ist indes die Wertung, der Angeklagte habe durch die Zubereitung der Injektionslösung ein Rezepturarzneimittel hergestellt, das keiner Zulassung bedürfe. Es fehlt bereits grundsätzlich an der Herstellung eines neuen Arzneimittels.
23
a) Nicht jeder denkbare Herstellungsschritt innerhalb eines mehrstufigen Herstellungsprozesses führt zur Entstehung eines neuen Arzneimittels.
24
Der Begriff des „Herstellens“ eines Arzneimittels ist in § 4 Abs. 14 AMG definiert. Danach ist Herstellen das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe des Arzneimittels (im Einzelnen dazu Krüger in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 4 Rn. 99 ff.). Der Herstellungsbegriff ist bewusst weit gefasst (Spickhoff, Medizinrecht, 1. Aufl., AMG § 4 Rn. 13); es soll sichergestellt werden, dass die nach dem AMG vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Überwachung der an der Arzneimittelherstellung beteiligten Personen (§ 13 AMG), lückenlos bleiben. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich ein Arzneimittel als das Ergebnis mehrerer aufei- nanderfolgender Herstellungstätigkeiten i.S.v. § 4 Abs. 14 AMG dar. Wann - erstmalig oder aus einem bereits bestehenden Arzneimittel (vgl. etwa § 11 Abs. 3 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO; zur Arzneimittelherstellung aus ihrerseits als Arzneimitteln zu bewertenden Zwischenprodukten vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. November 2007 - 1 StR 302/07, NStZ 2008, 530 f.) - ein eigenständiges Arzneimittel entsteht, ist eine Frage des Einzelfalls.
25
Aus einem pulverförmigen Fertigarzneimittel - hier: „Gemzar“ - zubereitete Zytostatika-Lösungen sind im Verhältnis zu diesem keine neuen, eigenständigen Arzneimittel, wenn lediglich Kochsalzlösung beigefügt wird.
26
Dem steht nicht entgegen, dass die Zubereitung bereits nach der Frei- gabe des ursprünglichen „Gemzar“ zum Inverkehrbringen direkt in der Apothe- ke und unmittelbar vor der Anwendung erfolgt. Auch nach der Freigabe eines Medikaments liegende Arbeitsschritte können im Hinblick auf den umfassenden Schutzgedanken des weiten Herstellungsbegriffs des § 4 Abs. 14 AMG noch Teil der Herstellung sein. Das gilt insbesondere für die Rekonstitution (§ 4 Abs. 31 AMG; vgl. hierzu die amtl. Begründung der 9. AMG-Novelle, BTDrucks. 16/12256, S. 42 zu Art. 1 Nr. 4g, s. a. LG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2007 - 406 O 8/07, PharmR 2007, 466 f.).
27
Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, dass durch die Zubereitung chemisch-pharmazeutisch auf das Arzneimittel eingewirkt wird oder dass, wie die Strafkammer (UA S. 17 f.) ausführt, ein weiterer Inhaltsstoff hinzutritt und sowohl Aggregatzustand als auch Haltbarkeitsdauer sich verändern. Die chemische Einwirkung auf das Arzneimittel bildet allenfalls ein Indiz für das Entstehen eines neuen Arzneimittels, da durch sie die arzneiliche Wirkung verändert werden kann. Erschöpft sich die Einwirkung aber in der Verbringung des ursprünglichen Arzneimittels in seine zur Anwendung am Patienten geeignete Darreichungsform, stellt das dadurch entstandene Erzeugnis auch dann gegenüber dem Ausgangsarzneimittel kein neues Arzneimittel dar, wenn es - was bei einem derartigen Arbeitsschritt regelmäßig der Fall sein wird - einen anderen Aggregatzustand, zusätzliche Inhaltsstoffe und gegebenenfalls weitere abweichende Eigenschaften, etwa eine kürzere Haltbarkeitsdauer, aufweist. Denn die Darreichungsform stellt lediglich die Verbindung der Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form, dar (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-106/01 , EuZW 2004, 408, 410, Nr. 37; Kortland in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 24b Rn. 68). Sie verändert die arzneiliche Wirkung nicht, sondern bewirkt, dass diese überhaupt erst an den Patienten herangetragen werden kann.
28
b) Handelt es sich bei dem vom Angeklagten in Verkehr gebrachten Arz- neimittel danach um „Gemzar“, so entfällt auch dessen Zulassungspflicht ge- mäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG nicht, nur weil ein Teil der Herstellung - die Zubereitung der Lösung - durch den Angeklagten in der Apotheke erfolgt ist.
29
Zur Einordnung eines Arzneimittels als Fertigarzneimittel oder Rezepturarzneimittel sind bei arbeitsteiligen Herstellungsverfahren, die zum Teil industriell oder im Voraus, zum Teil gewerblich in der Apotheke erfolgen, die unterschiedlichen Arbeitsschritte im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung gegeneinander zu gewichten. Je nach dem Schwerpunkt handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel oder um ein zulassungsfreies Rezepturarzneimittel. Die Vornahme einzelner Arbeitsschritte in der Apotheke macht ein Arzneimittel nicht ohne weiteres zu einem Rezepturarzneimittel.
30
Das ergibt sich aus Folgendem:
31
Der Gesetzgeber stellt die Gewährleistung der Verbrauchergesundheit bei der Arzneimittelherstellung je nach der Art der Herstellung auf unterschiedliche Weise sicher. Bei der Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken gelten nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) strenge Prüfungs- und Dokumentationspflichten hinsichtlich der Identität und Qualität der dazu verwendeten Stoffe und der Vorgehensweise im Herstellungsprozess (§§ 6 ff. ApBetrO). Bei der industriellen Arzneimittelherstellung liegt die Verantwortung für die Arzneimittelsicherheit demgegenüber beim pharmazeutischen Unternehmer (Brock/ Stoll in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 84 Rn. 18), der das Arzneimittel in den Verkehr bringt (§ 84 AMG), und beim Hersteller (Rehmann, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl., § 84 Rn. 2). Zum einen ist eine behördliche Zulassung für das Arzneimittel (§ 21 Abs. 1 AMG) einzuholen, zum anderen ist der konkrete Herstellungsprozess qualitativ abzusichern (zur Herstellerhaftung im Einzelnen vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB-OK, Ed. 23, § 823 Rn. 525 ff.). Dem belieferten Apotheker kommt Verantwortung nur noch insoweit zu, als er im Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels an den Patienten die (fortbestehende ) Qualität des Arzneimittels sicherstellen muss (Cyran/Rotta, ApBetrO, 12. Lieferung, § 12 Rn. 3). Seine Prüfungspflicht beschränkt sich in diesem Fall gemäß § 11 Abs. 3, § 12 AMG auf eine Sinnesprüfung (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Lieferung, § 12 ApBetrO Rn. 1); unbeschadet seiner zusätzlichen, besonderen Beratungsleistung unterscheidet sich diese Prüfungspflicht kaum von vergleichbaren Pflichten anderer Berufe, die fertig gelieferte Waren verkaufen.
32
Das Gesetz trifft keine gesonderte Regelung darüber, wem die Verantwortlichkeit für die Arzneimittelsicherheit bei komplexen, arbeitsteiligen Herstellungsverfahren zuwächst. Ein grundsätzlicher Vorrang der Apothekenherstellung , der dazu führen würde, dass die Vornahme einzelner Herstellungsschritte in der Apotheke (nurmehr) die umfassenden Prüfungspflichten des Apothekers nach der ApBetrO auslöst, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen und dem sie überspannenden Schutzzweck der Arzneimittelsicherheit darf eine arbeitsteilige Herstellung jedenfalls nicht dazu führen, dass die für die arzneiliche Wirksamkeit des Arzneimittels bestimmenden Herstellungsschritte keiner Qualitätskontrolle mehr unterliegen, weil der Verantwortliche diese Kontrolle (so) nicht (mehr) leisten kann.
33
Der Begriff des „Herstellens“ in § 4 Abs. 1 AMG ist deshalb so auszulegen , dass bei arbeitsteiligen Produktionsprozessen das Arzneimittel dort „hergestellt“ ist, wo der Schwerpunkt der Herstellungstätigkeiten liegt. Nur so wird dem überragenden Schutzzweck der Arzneimittelsicherheit hinreichend Rechnung getragen. Würde durch die Verlagerung einfachster Herstellungstätigkeiten in die Apotheke der für die industrielle Herstellung vorgesehene Schutzmechanismus obsolet, entstünde eine erhebliche Schutzlücke. Es wäre möglich, nicht zugelassene Arzneimittel oder sogar solche, deren Zulassung aufgrund schädlicher Wirkungen widerrufen wurde, durch bloßes Umfüllen oder Abpacken zur zulassungsfreien Apothekenrezeptur umzudeklarieren. Dies würde eine erhebliche Gefährdung der Arzneimittelsicherheit und der Gesundheit der Patienten bewirken.
34
Dem steht nicht entgegen, dass § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG, der die Zulassungsfreiheit sogenannter Defekturarzneimittel regelt, im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 AMG eine ausdrückliche Beschränkung auf Arzneimittel enthält, die „in den wesentlichen Schritten in der Apotheke“ erfolgt ist. Aus der Formulierung in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG lässt sich nicht - auch nicht im Umkehrschluss - ableiten , dass eine gewichtende Begrenzung für die Abgrenzung zwischen Fertigarzneimitteln und Rezepturarzneimitteln nicht in Betracht kommt. Defekturarzneimittel sind im Voraus hergestellte Fertigarzneimittel (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 21 Rn. 4). Auch für sie kommt es bei arbeitsteiligen Herstellungsverfahren bereits grundsätzlich für die Beurteilung, ob das Arzneimittel in der Apo- theke „hergestellt“ ist, auf eine wertende Gesamtbetrachtung des gesamten Herstellungsverlaufs an. Dementsprechend war bereits vor der Einfügung der Formulierung „in den wesentlichen Schritten“ durch das 4. Gesetz zur Änderung des AMG vom 11. April 1990 (BGBl I, S. 717) anerkannt, dass § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht zur Zulassungsfreiheit eines Fertigarzneimittels führt, wenn lediglich untergeordnete Herstellungsschritte in der Apotheke erfolgt waren (so bereits OLG Köln, Urteil vom 2. März 1990 - 6 U 161/89, GRUR 1990, 691). Dass der Gesetzesänderung über die Klarstellung dieser Beschränkung hinaus Bedeutung zukommen sollte, ist weder der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 11/5373, S. 13 zu § 21 AMG) noch sonstigen Umständen zu entnehmen (so bereits OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 U 18/91, bei Sander, Entscheidungssammlung zum Arzneimittelrecht , § 21 AMG Nr. 14; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265 ff.).
35
Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung kann die in der Apotheke durchgeführte Zubereitung einer Injektionslösung das im Voraus industriell hergestellte Pulver nicht zu einem Rezepturarzneimittel umwidmen.
36
Die Zubereitung bildet im Vergleich zum vorab erfolgten industriellen Herstellungsteil einen klar untergeordneten Arbeitsschritt. Die die arzneiliche Wirkung bestimmenden Herstellungstätigkeiten, etwa die pharmazeutische Verarbeitung des Wirkstoffs zu einer handelbaren, haltbaren Substanz, sind zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.
37
Für die Beurteilung, ob ein wesentlicher Herstellungsschritt vorliegt, kommt es zwar nicht entscheidend darauf an, ob auf das Arzneimittel chemisch eingewirkt wird. Allerdings sind Tätigkeiten ohne jede Einwirkung auf das Medikament , etwa das Abpacken oder das Umfüllen, schon aus diesem Grunde keine wesentlichen Herstellungsschritte (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 1991 - 2 U 18/91, bei Sander, Entscheidungssammlung zum Arzneimittelrecht , § 21 AMG Nr. 14). Ebenso stellt sich eine Zubereitung, die das Arzneimittel lediglich in eine anwendbare Darreichungsform versetzt, gegenüber dem vorausgegangenen Prozess nicht mehr als wesentlich dar. Das zeigt sich bereits daran, dass im Zulassungsverfahren für Fertigarzneimittel die spätere Darreichungsform bereits Gegenstand der Zulassungsprüfung ist (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 4 AMG). Schon aus diesem Grunde ist für die Bewertung des Landgerichts , der Zubereitungsprozess sei zulassungsfreie Apothekenrezeptur, kein Raum.
38
Auch der vom Landgericht betonten Gefährlichkeit des Umgangs mit „Gemzar“ und dem daraus resultierenden Sicherheitsaufwand kommt für die Zuordnung keine entscheidende Bedeutung zu. Nach den Feststellungen der Strafkammer handelt es sich um Eigenschaften, die das pulverisierte „Gemzar“ generell in sich trägt. Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Zubereitungsprozess eine im Vergleich zu den übrigen Herstellungsschritten besondere Vor- sicht und - daher - einen besonderen Sicherheitsaufwand erfordert, liegen nicht vor.
39
Auch der Gesetzgeber hat bis zuletzt deutlich gemacht, dass der Zubereitung von Zytostatika-Lösungen gegenüber dem vorausgehenden industriellen Herstellungsprozess des Zytostatikums keine wesentliche Bedeutung für die Arzneimittelsicherheit zukommt. So hat er noch im Jahr 2009 klargestellt, dass es sich bei der Zubereitung um eine nicht zulassungspflichtige Tätigkeit handelt, während das zugrunde liegende Zytostatikum jedoch uneingeschränkt der Zulassung bedarf (§ 21 Abs. 2 Nr. 1b Buchst. a AMG nF; vgl. BGBl. 2009/I, S. 1990 ff., Art. 1 Nr. 22 b, bb).
40
c) Der Tatbestand des § 96 Nr. 5 AMG entfällt schließlich auch nicht dadurch, dass das vom Angeklagten verwendete „Gemzar“ mit einem für Deutschland zugelassenen Alternativmedikament inhaltlich identisch ist. Die Gefahr des Fehlgebrauchs kann auch bei der Verwendung eines inhaltsgleichen Medikaments nicht ausgeschlossen werden. Selbst dann können sich insbesondere aus unterschiedlichen Herstellungsbedingungen und anderer Lagerung der Medikamente Qualitätsunterschiede ergeben.
41
Den Besonderheiten des Parallelimports wird bereits durch das Zulassungsverfahren selbst Rechnung getragen. Die behördliche Prüfung erfolgt zwar nicht umfassend, sondern in einem vereinfachten Verfahren, aber hierdurch soll gerade auch sichergestellt werden, dass es sich tatsächlich um identische Arzneimittel handelt. Auf diese Identitätsfeststellung kann nicht verzichtet werden. Beim Arzneimittelimport ist der Empfängerstaat zu beschränkenden Maßnahmen im Interesse des Gesundheitsschutzes der Verbraucher nicht nur befugt; er ist, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutref- fend hingewiesen hat, sogar gehalten, zur Gewährleistung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wenigstens ein solches, vereinfachtes Zulassungsverfahren durchzuführen (EuGH, Urteile vom 12. November 1996 - C-201/94, PharmR 1997, 92 ff.; vom 16. Dezember 1999 - C-94/98, GRUR Int. 2000, 349 ff.; Heinemann, PharmR 2001, 180, 180 f.).
42
Die in § 96 Nr. 5 AMG enthaltene formale Anknüpfung der Strafbarkeit an das Fehlen einer behördlichen Zulassung begegnet auch keinen Bedenken (vgl. zur Verwaltungsakzessorietät strafrechtlicher Normen BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87, BVerfGE 80, 244 ff., und vom 6. Mai1987 - 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329 ff.).
43
2. Der Frage, ob - was nach den Umständen naheliegt - auch der Tatbestand des § 96 Nr. 13 AMG verwirklicht ist, braucht der Senat nicht abschließend nachzugehen. § 96 Nr. 13 AMG wird jedenfalls im vorliegenden Fall durch § 96 Nr. 5 AMG konsumiert, denn die Verletzung der Verschreibungspflicht beruht hier allein auf der Missachtung von Zulassungsvorschriften. Dass die Verschreibungspflicht zwar ihren Grund in dem jeweils enthaltenen Wirkstoff findet, sich aber nominell auf ein Arzneimittel, nicht auf den Wirkstoff selbst bezieht, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 AMG. Dafür, dass der ärztliche Verordnungswille sich regelmäßig nur auf die Verabreichung zugelassener Medikamente erstreckt, sprechen schon die Risiken, denen sich der Arzt im Fall eines Fehlgebrauchs aussetzt, etwa das Risiko des Verlusts der Approbation gemäß § 5 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO (vgl. etwa OVG Saarlouis, Beschluss vom 29. Oktober 2004 - 1 Q 9/04, ArztR 2005, 162 ff.; Schelling in Spickhoff, Medizinrecht, 1. Aufl., BÄO § 5 Rn. 39 mwN).
44
3. Auch die Ablehnung des Betrugsvorwurfs hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
45
Weil die Strafkammer bereits keinen Verstoß gegen Zulassungspflichten gesehen hat (s. o. II. 1.), hat sie zu Unrecht angenommen, dass das Arzneimittel verkehrsfähig und damit erstattungsfähig sei. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nach § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (BSG, Urteile vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170 ff., vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R, BSGE 93, 1 mwN; und vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 19/96 R, BSGE 82, 233; zusammenfassend Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, OK, SGB V § 31 Rn. 11 mwN).
46
Mit der Übersendung der Rechnung an die gesetzlichen Krankenkassen oder deren Rechenzentren hat der Angeklagte einen sozialrechtlichen Erstattungsanspruch konkludent behauptet (zur parallelen Situation beim Arztabrechnungsbetrug vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388) bzw. durch den Verkauf an die privat versicherten Patienten einen entsprechenden , tatsächlich nicht existenten Kaufpreisanspruchs geltend gemacht (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 mwN).

47
Auf die vom Landgericht erörterte Frage, ob der Angeklagte zugleich über die Umstände seiner Preisbildung getäuscht hat, kommt es danach nicht mehr an.
48
III. Durch die Aufhebung des Urteils wird die Entscheidung über die Entschädigungspflicht für die erlittene Durchsuchungsmaßnahme gegenstandslos (vgl. BGH, Urteile vom 11. April 2002 - 4 StR 585/01; vom 22. März 2002 - 2 StR 569/01; vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00 mwN).
49
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
50
1. Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die im Einzelfall abgegebenen Arzneimittel aus größeren, im Voraus beschafften Arzneimittelvorräten stammen, die zudem zum Zwecke des Verkaufs vorrätig gehalten wurden , können die einzelnen Abgabehandlungen eine Bewertungseinheit mit der Folge bilden, dass jeweils nur ein einheitlicher Fall des unerlaubten Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung vorliegt (§ 4 Abs. 17 AMG; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09, BGHSt 54, 243 ff.).
51
2. Die neue Strafkammer wird im Hinblick auf die Feststellung eines infolge der Täuschung ausgelösten Irrtums bei den mit der Abrechnungsprüfung befassten Krankenkassen bzw. Rechnungszentren Gelegenheit haben, detaillierte Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit die Mitarbeiter konkret Kenntnis davon hatten, dass der Angeklagte und/oder andere Apotheker Zubereitungen aus nicht zugelassenen Importmedikamenten nach Listenpreis abrechneten (zur Möglichkeit eines Irrtums bei Zweifeln des Opfers vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198 ff.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 55 mwN).
52
3. Bei der betrügerischen Erschleichung nicht erstattungsfähiger Leistungen entfällt der Leistungsanspruch insgesamt; für die Bemessung des Schadens ist auf den gesamten zu Unrecht erlangten Betrag abzustellen (BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11, und vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85 ff. jew. mwN). Gleiches gilt hinsichtlich der privat versicherten Patienten: In dem Umfang, in dem die Rechtsordnung einer Leistung die Abrechenbarkeit versagt, weil etwa die für die Abrechenbarkeit vorgesehenen Qualifikations- und Leistungsmerkmale nicht eingehalten sind, kann ihr kein für den tatbestandlichen Schaden i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11; auch Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Führt die erbrachte Leistung mangels Abrechenbarkeit nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruchs, findet eine saldierende Kompensation nicht statt. Zahlt der in Anspruch Genommene irrtumsbedingt ein nicht geschuldetes Honorar, ist er in Höhe des zu Unrecht Gezahlten geschädigt (BGH aaO).
53
4. Bei einem monatlichen Abrechnungsrhythmus gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen wird zu prüfen sein, ob im Einzelnen festgestellte Ausführungshandlungen teilidentisch sind (§ 52 StGB).
54
5. Eine im Einzelfall festzustellende erhebliche Reduzierung oder gar der Ausschluss einer tatsächlichen Gefährdung der Patienten durch die Verwendung nicht zugelassenen „Gemzar“ kann im Bereich der Strafbemessung Be- rücksichtigung finden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 117/11).
Nack Rothfuß Jäger Sander Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 45/11
vom
25. Januar 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Zum Abrechnungsbetrug eines privatliquidierenden Arztes für nicht persönlich
erbrachte Leistungen.
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11 - LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2012 gemäß
§ 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27. August 2010 wird
a) die Verurteilung im Fall Nr. 71 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt;
b) der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betruges in 128 Fällen verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 129 Fällen (jeweils in einer unterschiedlichen Anzahl tateinheitlich begangener Einzeltaten, insgesamt 2.339) zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und ihm verboten, für die Dauer von drei Jahren als liquidationsberechtigter Arzt oder als angestellter Arzt mit eigenem Abrechnungsrecht tätig zu werden. Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte aus den Taten insgesamt Vermögen im Wert von 748.244,87 € erlangt hat, wobei auf die Taten vor dem 1. Januar 2007 ein Betrag in Höhe von 630.581,99 € und auf die Taten nach dem 1. Januar 2007 in Höhe von 117.662,88 € entfällt. Die „Fest- setzung von Wertersatz oder des Verfalls von Wertersatz“ unterbleibt, da Ansprüche geschädigter Dritter gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
2
Die hiergegen gerichtete, mit der Verletzung formellen und sachlichen Rechts begründete Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO, nachfolgend B.), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revision zeigt weder einen durchgreifenden Verfahrensfehler auf (C.) noch hat die umfassende sachrechtliche Nachprüfung des Urteils im Schuldspruch (D.) oder im Rechtsfolgenausspruch (E.) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

A.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
I. Der Angeklagte betrieb als Arzt für Allgemeinmedizin im Tatzeitraum (Oktober 2002 bis September 2007) eine mit der Erbringung von Naturheilverfahren , Homöopathie- und Osteopathieleistungen sowie Traditioneller Chinesischer Medizin beworbene Praxis, in der er grundsätzlich Privatpatienten behandelte ; eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung hatte er nicht. Zur Abrechnung gegenüber den Patienten bediente er sich der (gutgläubigen) M. GmbH, der er die - für die von ihm gewünschte Abrechnung erforderlichen - Daten übermittelte.
5
Um sich neben Honoraransprüchen „eine auf Dauer gerichtete Einnah- memöglichkeit zu verschaffen“ (UA S. 19) ließ der Angeklagte an 129 Tagen mehr als 2.300 „inhaltlich unrichtige Abrechnungen“ an seine Patienten schicken , um „unter Täuschung seiner Patienten über die Richtigkeit dieser Ab- rechnungen bei diesen Honorare für tatsächlich nicht erbrachte, tatsächlich nicht von ihm erbrachte und tatsächlich nicht so erbrachte Leistungen zu be- rechnen und entsprechende Erlöse einzunehmen“ (UA S.14). Der Angeklagte ging dabei wie folgt vor:
6
1. Der Angeklagte hat in Absprache mit sechs seiner Patienten Rechnungen , die angeblich erbrachte und erstattungsfähige Leistungen auswiesen, erstellen lassen, obwohl er keine Leistungen oder nicht erstattungsfähige Leistungen erbracht hat (Lieferung nicht erstattungsfähiger Medikamente bzw. Injektionen ; Behandlung einer nicht privat versicherten Tochter einer privatversi- cherten Patientin; fingierte Hausbesuche zur „Ersparung“ eines Selbstbehalts; fingierte Leistungen zur hälftigen Teilung des Erstattungsbetrags mit dem Patienten ). Die Patienten reichten diese Rechnungen - wovon der Angeklagte sicher ausging (UA S.112) - bei ihren jeweiligen Versicherungen, in einem Fall zusätzlich bei einer Beihilfestelle ein und erhielten so die in Rechnung gestellten Kosten des Angeklagten erstattet. Wäre den Sachbearbeitern bei den Versicherungen bzw. der Beihilfestelle der wahre Sachverhalt bekannt gewesen, wäre eine Erstattung unterblieben.
7
2. Ferner hat der Angeklagte, der Mitglied einer Laborgemeinschaft war, von dieser Laborleistungen der Klasse M II bezogen, welche er gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) selbst abrechnen konnte, wobei hierfür gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 GOÄ ein Standard-Steigerungsfaktor von 1,15 vorgesehen ist. Mit dem Hinweis auf eine „sehr umfangreiche und zeitintensive Leistung aufgrund persönlicher Befundung“ ließ der Angeklagte demgegenüber Laborleistungen der Klasse M II mit dem Höchst-Steigerungs- faktor (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GOÄ) von 1,3 abrechnen. Der Angeklagte wusste je- doch, „dass er keine einzige Befundung im Bereich M II selbst je durchgeführt hatte, sondern sämtliche Parameter bei der Laborgemeinschaft“ bezogen hatte (UA S. 109). Die Patienten „irrten entsprechend und bezahlten“ die um die Dif- ferenz zwischen dem 1,15- und dem 1,3-fachen „überhöhten Beträge“ (UA S. 24).
8
Zudem rechnete der Angeklagte die von der Laborgemeinschaft bezogenen Untersuchungen der Klasse M II als angeblich im eigenen Labor erbrachte Leistungen der Klasse M I ab, dies wiederum teilweise mit dem - unzutreffenden - Höchststeigerungsfaktor von 1,3. „Hätten die Patienten gewusst, dass es sich in Wirklichkeit um niedriger bewertete M II Leistungen gehandelt hat, hätten sie lediglich den Preis für M II Leistungen bezahlt“ (UA S. 27).
9
3. Darüber hinaus (und vor allem) hat der Angeklagte nicht persönlich erbrachte Leistungen abrechnen lassen.
10
a) Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) konnte der Angeklagte nur von einem hierzu befähigten und einzig gegenüber dem Patienten liquidationsberechtigten Laborarzt (Speziallabor) erbringen lassen. Um dennoch Gewinne aus der Erbringung von Speziallaborleistungen zu erzielen, profitierte der Angeklagte von einer von der Laborgruppe des Dr. Sch. (Augsburg) „seit vielen Jahren vielen tausend interessier- ten Ärzten im Bundesgebiet“ (UA S. 21) angebotenen Kooperation (Rahmen- vereinbarung), die sich in gleicher Weise auch bei zwei weiteren Laboren wie folgt gestaltete:
11
Der Angeklagte sandte, wenn er Untersuchungen der Klassen M III oder M IV benötigte, die dafür erforderlichen Proben an die im Urteil näher feststell- ten Labore/Laborgruppen (im Folgenden: Laborarzt), wo die Proben seinen Wünschen entsprechend fachlich und medizinisch korrekt untersucht (beprobt) wurden (UA S. 21). Die Ergebnisse wurden ihm per Datenfernübertragung übermittelt. Die erbrachten Leistungen des Laborarztes wurden von diesem „gegenüber dem Patienten nicht geltend gemacht“ (UA S. 22). Vielmehr wurden den jeweiligen Einsendeärzten - so auch dem Angeklagten - die Laborleistungen zu einem niedrigen, der Höhe nach vom Gesamtbeauftragungsumfang abhängigen Betrag in Rechnung gestellt. Der Angeklagte zahlte je nach Labor zwischen 0,32 (Rabattstufe für „gute Kunden“) und 1,0 des für die Leistung maßgeblichen jeweiligen GOÄ-Satzes. Der Angeklagte rechnete sodann gegenüber Privatpatienten die durchgeführten Untersuchungen als eigene ab, „regelmäßig unter Geltendmachung des Standard-Erhöhungsfaktors nach § 5 Abs. 4 GOÄ, d.h. mit einem Faktor von 1,15“ (UA S. 22).
12
In allen der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen waren die Laborleis- tungen „tatsächlich benötigt“ und wurden „fachlich und medizinisch korrekt“ er- bracht (UA S. 21). Nach den Feststellungen des Landgerichts wusste der An- geklagte, „dass er zur eigenen Liquidation dieser Laborleistungen nicht berech- tigt war. Hätten die Privatpatienten gewusst, dass der Angeklagte die Leistungen nicht selbst erbracht hat, zur Liquidation nicht berechtigt war, weil er nicht Inhaber der Forderung war und damit die Rechnung auch nicht erstattungsfähig war, hätten sie diese Leistung nicht auf die durch die M. GmbH erstellten Rechnungen hin auf das dort angegebene Konto bezahlt“ (UA S. 24).
13
b) Ferner ließ der Angeklagte Behandlungen als eigene abrechnen, die in seinen Praxisräumen tätige Therapeuten (ein Osteopath und ein aus China stammender Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin) erbrachten, die im Tat- zeitraum weder approbiert noch niedergelassen waren und „daher keine Be- rechtigung hatten, selbständig Leistungen an Patienten zu erbringen und abzu- rechnen“ (UA S. 27 f.). Tatsächlich erbrachten diese an Patienten des Angeklagten „in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht oder Kontrolle durch den Angeklagten“ (UA S. 28), aber fehlerfrei, osteopathische Leistungen und Akupunk- turleistungen. Der Angeklagte führte jeweils ein „Eingangsgespräch“ und ein „Abschlussgespräch“ mit den Patienten, er hatte aber nicht die fachlichen Kenntnisse, die Tätigkeit der Therapeuten zu überwachen. Diese erhielten vom Angeklagten zwischen 40 und 55 € für jede Behandlung. Der Angeklagte ließ diese („eingekauften“) Leistungen den Patienten sodann als selbst erbrachte ärztliche Leistung in Rechnung stellen: Leistungen des Osteopathen wurden meist mit 125,60 € berechnet, Leistungen des Akupunkteurs mit 71,17 € oder 83,76 €. Der Angeklagte verwendete zur Abrechnung jeweils eine „Kette“ ver- schiedener GOÄ-Ziffern, von denen einige Leistungen betreffen (Bsp: Injektionen gem. GOÄ-Ziffern 255 und 256), die tatsächlich nicht durchgeführt worden waren.
14
c) Des Weiteren ließ der Angeklagte bestimmte Untersuchungen der Klasse M III, die in einem Speziallabor hätten erbracht werden müssen, in der oben 2. genannten Laborgemeinschaft durchführen. Diese Laborleistungen ließ der Angeklagte sodann wie eigene Untersuchungen der Klasse M II gegenüber den Patienten abrechnen.
15
II. Die Strafkammer hat die Fälle oben 1. als mittäterschaftlich begangenen Betrug zum Nachteil der jeweiligen Versicherungen/Beihilfestellen gewertet , alle anderen Fälle als Betrugstaten zum Nachteil der jeweiligen Patienten.
16
In den Fällen oben 3.a. (Abrechnung von Speziallaborleistungen) sieht die Strafkammer einen Schaden beim Patienten darin, dass der Rechnung des Angeklagten keine durch die Zahlung erlöschende Forderung zugrunde liege.
Der Angeklagte selbst habe keine Leistung erbracht und könne auch keine Forderung des Laborarztes geltend machen. Eine im Verfahren vom Angeklagten behauptete Abtretung einer solchen Forderung im Rahmen eines FactoringGeschäfts sei mangels ausdrücklicher Einwilligung des Patienten nichtig, im Übrigen „ersichtlich vorgeschoben“ (UA S. 107); in Wahrheit handele es sich um eine gegen Art. 31 Musterberufsordnung für Ärzte verstoßende Zuwendung. Auch eine Forderung des Laborarztes werde nicht erfüllt, so dass die Gefahr einer weiteren Inanspruchnahme des Patienten durch diesen bestehe.
17
Das Erbringen der Laborleistungen stelle keine vollständige, unmittelbar mit der Verfügung des Patienten verbundene Kompensation dar. Überdies sei (1.) der Patient hinsichtlich einer Rückforderung bezahlter Beträge mit einem bereits konkretisierten Insolvenzrisiko des Angeklagten belastet, (2.) der tatsächliche Leistungserbringer, obgleich für den Patienten von besonderer Be- deutung, nicht erkennbar, was „ein zusätzliches Risiko bzw. eine Minderleistung , welches nicht kompensiert werden kann“ (UA S. 102) unter dem Ge- sichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlages für den Patienten begründe und (3.) der Patient bei Bekanntwerden der wahren Verhältnisse dem Risiko einer von Versicherungen oder Beihilfestellen versagten Kostenerstattung oder einer Rückforderung gezahlter Beträge durch diese ausgesetzt.
18
III. Die vom Angeklagten geltend gemachte Spielsucht hat die Strafkammer - gestützt auf ein Sachverständigengutachten - als nicht krankheitswertiges Verhalten bewertet, das sich im normalpsychologischen Spektrum wie bei jedem Menschen mit einem ausgeprägten Hobby bewege, und daher uneingeschränkte Schuldfähigkeit bejaht.

B.


19
Hinsichtlich des Falles Nr. 71 der Urteilsgründe besteht ein zur Einstellung des Verfahrens führendes Verfahrenshindernis.
20
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: „Fall Nr. 71 der Urteilsgründe betrifft eine Rechnung vom 19. Juli 2005 (…). Hinsichtlich dieser Tat ist das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2010 (…) gemäß § 154 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden; eine Wiedereinbeziehung dieses Tatvorwurfs ist nicht erfolgt. Die Verurteilung wegen Betruges wegen dieser Tat muss daher entfallen.“
21
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Mit der Einstellung durch einen Gerichtsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO entsteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 - 2 StR 144/07; BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 2 StR 534/05 mwN). Einen solchen Beschluss hat das Landgericht nicht erlassen.

C.


22
Die Revision zeigt - auch soweit sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt - keinen durchgreifenden Verfahrensfehler auf.
23
I. Mit zulässig erhobener Verfahrensrüge macht die Revision einen Verstoß gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO geltend, den sie darin sieht, dass eine die einzelnen Taten auflistende (mehrere Ordner umfassende) Tabelle nicht im Anklagesatz aufgenommen und dementsprechend nicht verlesen worden war.
24
Der Rüge bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen der Erfolg versagt. Der vom Großen Senat für Strafsachen (vgl. Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10) für unerlässlich erachtete Teil des Anklagesatzes wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Trotz der gerügten Lückenhaftigkeit des Anklagesatzes erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion hinreichend, wenn der Angeklagte - wie hier - die einzelnen Tatvorwürfe dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen kann. Die Informationsfunktion , die der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung zukommt, wird durch die unvollständige Fassung des Anklagesatzesebenfalls nicht berührt; die die Einzeltaten näher individualisierenden tatsächlichen Umstände müssen nicht in der Hauptverhandlung verlesen werden. Daher stellt der Umstand, dass die näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte in Tabellen enthalten waren, die zwar Teil der Anklageschrift, aber nicht Teil des Anklagesatzes i.S.v. § 243 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 200 Abs. 1 StPO waren, keinen Verfahrensfehler dar, auf dem das Urteil beruht (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 260/09).
25
II. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO hat keinen Erfolg. Ihr liegt folgendes prozessuales Geschehen zugrunde:
26
In der Hauptverhandlung stellte der Angeklagte einen Antrag auf Zeugenvernehmung mit den Behauptungen, dass die Patienten wegen der vom Angeklagten abgerechneten Laborleistungen der Klassen M I, M III oder M IV keinem „latenten Rückforderungsanspruch einer Beihilfestelle oder eines privaten Versicherungsunternehmens ausgesetzt“ seien, weil sie entweder dieLeis- tungen nicht bezahlt hätten, oder sie im Zeitpunkt der jeweiligen Behandlung weder beihilfeberechtigt noch privat versichert gewesen seien, oder die Laborleistungen nicht vom Versicherungstarif umfasst seien, oder die Rechnungen nicht zur Erstattung bei Versicherung oder Beihilfestelle geltend gemacht worden seien oder weil die Erstattung der Laborleistungen abgelehnt worden sei. Ferner sollte bewiesen werden, dass keiner der Patienten tatsächlich auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei.
27
Dem Antrag war eine Tabelle beigefügt, in der der jeweilige Zeuge mit ladungsfähiger Anschrift sowie zugehöriger Rechnungsnummer und die jeweils ihn betreffenden GOÄ-Ziffern der Leistungsgruppen M I, M III und M IV aufgeführt waren. Nach Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit dieser Anlage, legte die Verteidigung zwei Leitzordner vor, die nunmehr als Anlage zum Beweisantrag genommen wurden. Hinsichtlich dieser wurde, ebenso wie zu einer vom nach Antragstellung gehörten Zeugen S. übergebenen Ausbuchungsliste der M. GmbH vom 2. August 2010 das Selbstleseverfahren angeordnet. Der Staatsanwalt gab eine Erklärung zum Beweisantrag ab und übergab sodann die Stellungnahme in schriftlicher Form zu den Akten (HV-Protokoll S. 58). Unter Bezugnahme auf die Aussagen des Zeugen S. erklärte der Verteidiger, eine Zeugeneinvernahme dazu „welche Rechnungen nicht bzw. nicht in voller Höhe bezahlt wurden“ werde nicht beantragt bzw. zurückgenommen (HV-Protokoll S. 59). Im Folgenden wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und unter Bezugnahme auf vorerwähnte Ausbuchungsliste das Verfahren durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 154a StPO beschränkt (HV-Protokoll S. 60). Ferner wurde ein „Schriftsatz des Verteidigers vom 20.08.2010 über die bisher geltend gemachten Rückforderungsansprüche der Krankenkassen und Beihil- festellen besprochen“ (HV-Protokoll S. 62).
28
Die Strafkammer hat den Antrag sodann durch Beschluss vom 26. August 2010 „gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO abgelehnt, soweit er sich nicht durch die (teilweise) Rücknahme vom 12.08.2010“ erledigt hat. Es komme nicht darauf an, ob ein Geschädigter seinen Schaden von einer Versicherung ersetzt erhalten hat. Rechtlich entscheidend für die Annahme eines vollendeten Betruges sei, ob der Patient auf eine tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe bestehende Forderung des Arztes gezahlt habe; ein Ausgleich durch eine Versicherung führe nur zu einer Schadensverlagerung nach Schadenseintritt.
29
1. Die Rüge ist bereits unzulässig.
30
Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung einer Verfahrensrüge die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen vollständig und zutreffend so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09 mwN; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Dem genügt der Revisionsvortrag nicht.
31
a) Der Revisionsvortrag ist unvollständig. Die Revision legt schon nicht die im mitgeteilten Beweisantrag in Bezug genommenen Anlagen in ihrer jeweiligen Fassung vor. Auch werden weder der Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme zum Beweisantrag, noch der Schriftsatz der Verteidigung vom 20. August 2010 mitgeteilt, auf die das Revisionsvorbringen Bezug nimmt. Ebenso wenig trägt die Revision die für die Beurteilung des Beweisbegehrens erforderliche, auch im Teileinstellungsbeschluss in Bezug genommene „Ausbuchungsliste der M. “ vor, und auch nicht den sich „durch die heutige Einvernahme des Zeugen S. “ ergebenden Umfang, in dem die Beweisaufnahme „nicht beantragt bzw. zurückgenommen“ worden war. Dem Senat wird soins- besondere nicht die Überprüfung ermöglicht, in welchem Umfang und auf welcher Grundlage über den Beweisantrag nach dessen teilweiser Rücknahme und einer erfolgten Teileinstellung des Verfahrens noch zu entscheiden war.
32
b) Die Revision bleibt durch widersprüchliches Vorbringen auch die erforderliche klare Bezeichnung der Angriffsrichtung schuldig, mithin werden die den Mangel begründenden Tatsachen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise dargetan (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10).
33
Zum einen beruft sich die Revision darauf, die von der Strafkammer erörterte Gefahr der Inanspruchnahme der Patienten auf Rückzahlung von Versicherungen geleisteter Beträge könne nicht gegeben sein, wenn - wie im Antrag behauptet - ein Versicherungsschutz nicht bestehe, so dass diese Behauptung nicht bedeutungslos sei. Zum anderen macht die Revision geltend, bei der Strafzumessung hätte berücksichtigt werden müssen, dass kein einziger Patient auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei, und insinuiert damit (anderes wäre offenkundig bedeutungslos), eine Rückforderung sei trotz bestehenden Versicherungsschutzes unterblieben. Damit aber macht die Revision zum einen geltend, der Beweisantrag sei von Bedeutung, weil kein Versicherungsschutz bestehe, zum anderen sei er deswegen nicht bedeutungslos, weil trotz bestehenden Versicherungsschutzes und erfolgter Erstattungen Rückforderungsansprüche nicht geltend gemacht worden waren. Nach dem Revisionsvortrag bleiben also mehrere Möglichkeiten, warum der Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt worden sein könnte.
34
2. Die Rüge wäre überdies auch unbegründet.
35
Die Strafkammer hat - wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt - den Antrag ohne durchgreifenden Rechtsfehler als bedeutungslos abgelehnt. Das Bestehen eines Versicherungsschutzes ist für den Schuldspruch (was auch nachfolgend noch aufgezeigt wird) ohne Bedeutung. Die nachträglichen Leistungen eines Versicherers sind für die Feststellung eines strafrechtlich relevanten Schadens bedeutungslos (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 155; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 Fn. 9). Gleiches gilt für den Strafausspruch. Eine Erstattung des vom Patienten bereits an den Angeklagten bezahlten Betrages durch Versicherung und/oder Beihilfe führt lediglich zu einer Schadensverlagerung; sie entlastet den Angeklagten ebenso wenig, wie es einen Autodieb entlasten könnte, dass die Versicherung des Bestohlenen diesem den Schaden ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.Oktober 2010 - 1 StR 400/10 mwN).
36
Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob der rügegenständliche Antrag nicht ohnedies lediglich als Beweisermittlungsantrag zu qualifizieren wäre. Soll eine begehrte Beweisaufnahme erst ergeben, welche der als möglich hingestellten , sich gegenseitig aber ausschließenden Tatsachen vorliegen, fehlt es an einer für einen Beweisantrag erforderlichen bestimmten Beweisbehauptung, mögen auch beide Behauptungen nach dem Willen des Antragstellers auf das gleiche Ziel gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97). Auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nötigte das Gericht nicht zur Einvernahme der mehr als 2.300 Zeugen zu der unklaren Fragestellung. Schon gar nicht drängte die Aufklärungspflicht zur Beweisaufnahme über im Ergebnis bedeutungslose Tatsachen.
37
III. Der Rüge eines Verstoßes „gegen § 265 Abs. 1 StPO analog“, den die Revision darin sieht, dass die Kammer den Schuldspruch ohne vorherigen Hinweis auf eine im Vergleich zur Anklage (dort „Gefährdungsschaden“) andere tatsächliche Grundlage („auch Realschaden“) gestützt habe- die Revision vermisst einen Hinweis dahingehend, dass auch in der Nichterkennbarkeit des Leistungserbringers ein Schaden liegen könne - bleibt der Erfolg versagt.
38
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob es hier überhaupt eines ausdrücklichen Hinweises entsprechend § 265 StPO bedurft hätte (mit beachtlichen Argumenten verneinend der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ). Denn der Angeklagte konnte aus dem Gang der Hauptverhandlung die von der Kammer in den Blick genommene tatsächliche und rechtliche Bewertung in einem für sein Verteidigungsverhalten ausreichenden Umfang erkennen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10, Rn. 16 mwN) in der vom Generalbundesanwalt in Bezug genommenen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (inhaltsgleich zu einer dienstlichen Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft) wurde „die Frage des Schadensbegriffs, insbesondere die Frage des möglichen Vorliegens eines Schadens in der Form eines Gefährdungs - oder Realschadens“ von Beginn der Sitzung an „vielfach vom Gericht mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft erörtert und diskutiert“. Die Strafkammer hat (auch) in der Begründung des von der Revision im Rahmen vorstehender Rüge angeführten Beschlusses zur Ablehnung eines Beweisantrags unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie der Sache nach auf einen „Realschaden“abstellt (Patient zahlt auf tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe bestehende Forderung). Bei dieser Sachlage kann der Senat - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - jedenfalls ausschließen , dass sich der Angeklagte, wäre der von der Revision vermisste Hin- weis ausdrücklich erteilt worden, anders, insbesondere erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 265 Rn. 48 mwN). Es kommt überdies - wie nachfolgend dargelegt wird - zur Schadensbestimmung nicht, worauf sich aber nach dem Revisionsvorbringen der Hinweis beziehen sollte, auf die Erkennbarkeit des Leistungserbringers an.

D.



39
In dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang hält der Schuldspruch revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die unter anderem auf dem Geständnis und einer früheren Einlassung des Angeklagten beruhenden, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen in allen Fällen sowohl einen täuschungsbedingten Irrtum (I.) und den Eintritt eines dadurch verursachten, mit dem Vorteil des Angeklagten stoffgleichen Schadens i.S.v. § 263 StGB (II.) als auch die betrugsrelevante subjektive Tatseite (III.). Die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht ist ebenfalls rechtsfehlerfrei (IV.).
40
I. Der Angeklagte täuschte - vermittels der nach den Feststellungen gutgläubigen Mitarbeiter der M. GmbH und teils im Zusammenwirken mit den Patienten - über Tatsachen und erregte dadurch einen entsprechenden Irrtum.
41
1. In den Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten unterlagen die zuständigen Sachbearbeiter der Versicherungen / der Beihilfestelle im vorliegenden Fall einem mit Wissen und Wollen des Angeklagten herbeigeführten Irrtum über das tatsächliche Vorliegen eines zur Kostenerstattung ver- pflichtenden Versicherungsfalles. Bei Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist nicht erforderlich, dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung”. Daher setzt ein Irrtum nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde (BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05).
42
2. In allen anderen Fällen täuschte der Angeklagte die Patienten über das Vorliegen der den geltend gemachten Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen (a.). Eine damit zugleich behauptete Zahlungspflicht bestand indes nicht (b.). Die Patienten irrten entsprechend (c.).
43
a) Bei der hier in Rede stehenden privatärztlichen Liquidation wird dem Patienten eine gemäß § 12 GOÄ zu spezifizierende Rechnung übersandt, in der - neben dem Steigerungsfaktor, § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ - die erbrachte Leistung mit einer kurzen Bezeichnung anzugeben ist. Hierüber täuscht der Angeklagte ausdrücklich, wenn er - wie etwa im Fall nicht erbrachter Laborleistungen der Klasse M I oder im Fall der Abrechnung von Osteopathie- und Akupunkturleistungen durch tatsächliche nicht durchgeführte ärztliche Leistungen - in Rechnung gestellte Leistungen tatsächlich nicht erbracht hat. Gleiches gilt, soweit der Angeklagte zu der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ erforderlichen Begründung eines erhöhten Steigerungsfaktors eine in Wahrheit nie durchgeführte eigene Befundung angeben lässt (vgl. auch Freitag, Ärztlicher und zahnärztlicher Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen, 2008, S. 154; Hellmann/Herffs, Der ärztliche Abrechnungsbetrug, Rn. 348 - 351).
44
Auch soweit der Angeklagte - wie in den Fällen der Speziallaborleistungen sowie der Abrechnung von Osteopathie- und Akupunkturleistungen - nicht selbst erbrachte ärztliche Leistungen als eigene hat abrechnen lassen, behauptete er nicht lediglich, zu deren Abrechnung berechtigt zu sein, sondern auch (zumindest konkludent, was vom möglichen Wortsinn des § 263 Abs. 1 StGB umfasst ist, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR2500/09, 2 BvR 1857/10 Rn. 168), dass die Voraussetzungen der der Abrechnung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften eingehalten worden seien. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung zum Abrechnungsbetrug bei Vertragsärzten (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 1993 - 2 StR 258/93; BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92; BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 - 4 StR 577/91; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91), für privatliquidierende Ärzte gilt nichts anderes. Wer eine Leistung einfordert, bringt damit zugleich das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11. Juli 1996 - 3 Ws 164/96, NStZ 1997, 130 mwN), hier also die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistung zum Ausdruck (vgl. auch Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rn. 16; Schubert, ZRP 2001, 154, 155; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 263 StGB Rn. 182 ff.). Zutreffend wird in dem von der Revision vorgelegten Rechtsgutachten darauf hingewiesen, dass der wertende Rückgriff auf die in der Abrechnung in Bezug genommene GOÄ die für den Rechnungsempfänger maßgebende Verkehrsauffassung vom Inhalt der mit der Rechnung abgegebenen Erklärung prägt (schon Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 30 mwN).
45
b) Die tatsächlichen Voraussetzungen zur Geltendmachung der behaupteten Zahlungsansprüche lagen auch in Fällen nicht persönlich erbrachter Leistungen nicht vor. Unbeschadet des jeweiligen Erklärungsgehalts der Rechnun- gen ergibt sich dies vorliegend schon daraus, dass ein Zahlungsanspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bestand.
46
aa) Der Angeklagte konnte für die in Rechnung gestellten Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Patienten weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht geltend machen.
47
(1.) Der Angeklagte hat mit jedem seiner Patienten einen wirksamen, als Dienstleistungsvertrag zu qualifizierenden (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1986 - VI ZR 90/85; BGH, Urteil vom 18. März 1980 - VI ZR 247/78; Müller-Glöge in MüKomm-BGB, 5. Aufl., § 611 Rn. 79; OLG Stuttgart, VersR 2003, 992; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 jew. mwN) Behandlungsvertrag geschlossen. Dieser begründet selbst noch keine Zahlungspflicht für den Patienten ; der genaue Vertragsinhalt wird nicht im Vorhinein festgelegt, weil erst die Untersuchungen den Umfang der zu erbringenden Leistungen bestimmen (Kern, in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 42 Rn. 1). Der Angeklagte wird aber berechtigt (vgl. § 612 Abs. 1, Abs. 2 BGB), die sodann erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber dem Patienten unabhängig vom etwaigen Bestehen eines Versicherungsschutzes abzurechnen. Grundlage hierfür ist - von hier nicht gegebenen Sonderfällen (z.B. § 85 Abs. 1 SGB V, § 18c IV BVG u.a.) abgesehen - ausschließlich und abschließend die den Honoraranspruch inhaltlich ausfüllende Gebührenordnung.
48
Nach dieser ist dem Angeklagten die Abrechnung delegierter Laborleistungen nach den Abschnitten M III und M IV versagt, die er - wie hier - nicht selbst erbracht hat (§ 4 Abs. 2 GOÄ i.V.m. Nr. 3 der Allgemeinen Bestimmungen zur Anlage M, die als Bestandteil der GOÄ an deren normativen Charakter teilnehmen; vgl. Griebau in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl., § 11 Rn. 81 mwN; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl., § 4 GOÄ Rn. 3). Mit der durch die 4. Änderungsverordnung zur GOÄ vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, 1861) eingeführten Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ sollte zielgerichtet verhindert werden, dass Ärzte Laborleistungen von darauf spezialisierten (und entsprechend preisgünstiger arbeitenden) Laborärzten beziehen und aus der Differenz zwi- schen dem Preis der „eingekauften“ Laborleistungen und den dafür nach GOÄ in Rechnung gestellten Gebühren erhebliche Gewinne erzielen. Um der damit verbundenen Ausweitung medizinisch nicht indizierter Laborleistungen entgegen zu wirken, sollte dem (Einsende)Arzt jeglicher finanzieller Anreiz im Zusammenhang mit nicht selbst erbrachten Speziallaborleistungen genommen sein (vgl. BR-Drucks. 211/94 S. 88f, 91 f, 94; BR-Drucks. 688/95; Uleer/ Miebach/Patt, aaO, GOÄ § 4 Rn. 7; Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 20 f.).
49
(2.) Der Angeklagte kann auch - unabhängig von der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ - nicht die nach den Feststellungen an die Laborärzte gezahlten Beträge als Aufwendungen geltend machen. Gemäß § 10 GOÄ abrechenbare Versand- und Portokosten sind dem Angeklagten (wie Einsendeärzten regelmäßig, vgl. Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 10 GOÄ Rn. 24) nach den Urteilsfeststellungen nicht entstanden, vielmehr wurden die „Proben mittels des Fahr- dienstes der Laborgruppe“ (UA S. 21) zum Laborarzt gebracht und die Befunde „oft per Datenfernübertragung an den Arzt übermittelt“ (UA S. 22).
50
Ein darüber hinausgehender Aufwendungsersatz besteht nicht. § 10 GOÄ regelt den Ersatz von Auslagen im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Leistungen abschließend. Die GOÄ stellt - verfassungsrechtlich unbedenklich - ein für alle Ärzte verbindliches zwingendes Preisrecht dar (BGH, Urteil vom 23. März 2006 - III ZR 223/05, Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. Novem- ber 2009 - III ZR 110/09 Rn. 7 jew. mwN; vgl. auch Griebau, aaO, § 11 Rn. 10, 14), und regelt abschließend die berechenbaren Leistungen, die Höhe des zu entrichtenden Entgelts und die Art und Weise der Abrechnung (Griebau, aaO, § 11 Rn. 15, 41 mwN). Ein Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB, der ohnehin nur einen Ersatz erforderlicher Aufwendungen ermöglichte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 2 StR 411/02), kommt lediglich für andere als ärztliche Leistungen in Betracht (vgl. Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 3 GOÄ Rn. 1, § 10 GOÄ Rn. 4; Spickhoff, aaO, § 10 GOÄ Rn. 2; Brück u.a., Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., § 10 Rn. 1; Kiesecker in Prütting, Medizinrecht, § 10 GOÄ Rn. 4; Schmatz/Goetz/Matzke, GOÄ, 2. Aufl., § 10 Vorbem.). Das ist nach dem Willen des Gesetzgebers etwa der Fall, wenn „Laborleistungen von Nichtärzten“ bezogen oder Aufwendungen geltend gemacht werden, „die durch nichtärztliche Leistungen bedingt sind“ (vgl. BR-Drucks.295/82, S. 15). Daher ist für die im Rahmen des Behandlungsvertrages vom Angeklagten beauftragten und - wie hier - von einem Laborarzt erbrachten Laborleistungen kein Raum für eine Anwendung des § 670 BGB neben der GOÄ (vgl. auch Brück u.a., aaO, § 10 Rn. 1).
51
(3.) Vertragliche Ansprüche des Laborarztes gegenüber den Patienten, die der Angeklagte aus abgetretenem Recht hätte geltend machen können, bestanden hier nicht. Die von der Strafkammer vertretene Auffassung, aus den Laborleistungen könne vorliegend „eine Forderung der Gemeinschaftspraxis Dr. Sch. gegen den Patienten“ (UA S. 22) resultieren, teilt der Senat nicht. Für einen zu einer solchen Forderung führenden Vertrag zwischen Laborarzt und Patient wäre jedenfalls erforderlich gewesen, dass der Angeklagte - wie dies bei regelkonform verlaufenden Fällen vermutet werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - III ZR 173/09; BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - III ZR 188/09; BGH, Urteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 24/98 jew. mwN) - bei Beauftragung des Laborarztes als Stellvertreter des Patienten im Rahmen seiner Vertretungsmacht und mit dem Willen handelte, hierbei den Patienten zu vertreten; dies ist hier jedoch nicht der Fall. Ob darüber hinaus der Annahme eines Vertrages zwischen Patient und Laborarzt bereits das Fehlen eines Hinweises nach § 4 Abs. 5 GOÄ (Unterrichtung des Patienten über das Hinzuziehen eines seinerseits liquidationsberechtigten Dritten) entgegen steht (so die h.M., z.B. LG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 1995 - 20 S 58/95; Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 4 GOÄ Rn. 115 mwN; Schmatz/Goetz/Matzke, aaO, § 4 Anm. 11; Brück u.a., aaO, § 4 Rn. 21; in diesem Sinn auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 1995 - III ZR 233/94, NJW 1996, 781; a.A. Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 47; Griebaum, aaO, § 11 Rn. 95), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.
52
Der Angeklagte wollte hier jedenfalls nicht als Stellvertreter des jeweiligen Patienten mit dem Laborarzt kontrahieren; es fehlt nach dem festgestellten Sachverhalt schon - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - an einem Vertretungswillen. Nach den Feststellungen der Strafkammer beruht die Beauftragung des Laborarztes nämlich in jedem Einzelfall auf einer „zur Förderung einer dauerhaften Kooperation“ (UA S. 22) geschlossenen besonde- ren „Rahmenvereinbarung“, deren wesentliches Element darin bestand, dass - wie die Revision in anderem Zusammenhang konzediert - der Laborarzt keinen eigenen Anspruch gegenüber dem Patienten soll geltend machen können (UA S. 105). Die Abrechnung der Laborleistung sollte ausschließlich im Verhältnis zwischen Laborarzt und Angeklagtem erfolgen. Gegenüber dem Patienten soll ausschließlich der vereinbarungsgemäß nach außen als Leistungserbringer in Erscheinung tretende Angeklagte abrechnen. Schon dies belegt, dass nach übereinstimmendem Willen von Angeklagtem und Laborarzt nicht der Patient berechtigt und verpflichtet werden sollte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. März 1998 - 13 U 75/97). Dementsprechend wäre hier sogar (wie sonst üblich, vgl. Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695) eine „förmliche“ Überweisung der Patienten entbehrlich; auch liegt der von der Revision in anderem Zusammenhang gezogene Schluss nahe, Auskunfts- und Herausgabeansprüche betreffend die Laborleistungen richteten sich allenfalls gegen den Angeklagten. Der Angeklagte handelte - anders als in regelkonform verlaufenden Fällen - auch nicht im ausschließlichen Interesse der Patienten, sondern in erster Linie um sich aus dem „Weiterverkauf“ von Laborleistungen „eine auf Dauer gerich- tete Einnahmemöglichkeit“ (UA S. 19) zu verschaffen. In der Behauptung des Angeklagten, es sei ein „Factoring“ vereinbart, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ein lediglich „vorgeschobenes“ Argument gesehen, um eine in Wahrheit gewollte Zuwendung zu verdecken (UA S. 22, 107 f.). Daher hat der Angeklagte nach den Feststellungen die Leistungen vom Labor selbst bezogen, hierfür „Einkaufskosten“ gehabt und dann „weiterverrechnet“ (vgl. UA S. 23).
53
Der Annahme fehlenden Vertretungswillens steht nicht entgegen, dass sowohl die „Rahmenvereinbarung“ als auch jede darauf fußende Einzelbeauftragung , mit der sich der Angeklagte in Abhängigkeit zur Zuweisung von Patienten stehende Vorteile vom Laborarzt hat versprechen lassen, als Koppelungsgeschäft gegen § 31 BayBOÄ verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - I ZR 120/87, MedR 1990, 77; OLG Koblenz, MedR 2003, 580; Wigge in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auf., § 2 Rn. 44; Scholz in Spickhoff, Medizinrecht, § 31 MBO Rn. 4 mwN; Taupitz, MedR 1993, 365, 372) und deswegen (§ 31 BayBOÄ ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 - VIII ZR 10/85; BayObLG, Urteil vom 6. November 2000 - 1Z RR 612/98; OLG Hamm, Urteil vom 22. Oktober 1984 - 2 U 172/83; a.A. Taupitz, MedR 1992, 272) ihrem gesamten Umfang nach nichtig sind und Angeklagter und Laborarzt dies erkannten.
54
Wirtschaftlich stellt die Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und dem Laborarzt nichts anderes dar als die Vereinbarung einer umsatzabhängi- gen „kick-back“ Zahlung. Ob die Beauftragung des Laborarztes (deswegen) sogar als nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig anzusehen ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 3. Juni 2002 - 11 W 13/02, MedR 2003, 460), bedarf keiner Entscheidung. Die Hypothese der Revision, Laborarzt und Angeklagter hätten im Zweifel einen wirksamen Honoraranspruch gewollt (§ 140 BGB), ist urteilsfremd und übersieht, dass nach den Feststellungen Zweifel am tatsächlichen Willen des Angeklagten nicht verbleiben. Für die Anwendung einer Auslegungsregel, Vertragsparteien wollen sich gesetzeskonform verhalten und nichts Unredliches anstreben (dazu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 86/03, NJW 2004, 1240; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333), ist kein Raum, wenn - wie hier festgestellt - Angeklagter und Laborarzt übereinkamen, unter „Verzicht auf die rechtlich gebotene Direktabrechnung“ gegenüber dem Patienten dem Laborarzt „eine stetige und möglichst umfang- reiche Weiterbeauftragung durch die Einsendeärzte, die ihrerseits an Honoraren beteiligt werden, auf die sie keinen Anspruch haben“, zu sichern (UA S. 22 f.).
55
Einer von der Revision erstrebten Umdeutung steht - abgesehen von der beiderseitigen Kenntnis der Nichtigkeit (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 8) - überdies entgegen, dass jedes andere Rechtsgeschäft, das auf die Erreichung des von § 31 BayBOÄ untersagten wirtschaftlichen Ziels gerichtet ist (sei es als Forderungsabtretung im Rahmen des behaupteten „Factoring“ , sei es als Erfüllung der Patientenschuld durch Zahlung des Angeklagten mit notwendigerweise gleichzeitigem Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB), ebenfalls nichtig wäre. § 31 BayBOÄ missbilligt den vom Angeklagten und dem Laborarzt erstrebten Erfolg, nicht lediglich das hier gewählte Mittel zu dessen Erreichen.
Das Rechtsgeschäft kann nicht in ein solches mit einem anderen, nach den Urteilsfeststellungen tatsächlich aber nicht gewollten wirtschaftlichen Ziel (etwa dahingehend, der Angeklagte wolle eine Schuld des Patienten nur teilweise tilgen) umgedeutet werden.
56
(4.) Ebenso wenig sind sonstige Ansprüche des Laborarztes gegen die Patienten gegeben, die der Angeklagte aus abgetretenem Recht hätte geltend machen können. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) bestehen nicht. Der Laborarzt erbrachte die Laborunterleistungen - wenngleich aufgrund eines nichtigen, als solches erkannten aber gleichwohl in seiner Durchführung gewollten Rechtsgeschäfts - ausschließlich an den Angeklagten und handelte nach den Urteilsfeststellungen - unbeschadet einer naheliegender Weise anonymisierten Übersendung des Untersuchungsmaterials - nicht mit dem Willen, ein auch dem Patienten zugutekommendes Geschäft zu besorgen (vgl. §§ 687, 684 BGB). Vielmehr sollte allein der Angeklagte als vermeintlicher Leistungserbringer auftreten können. Auch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB gestützte Ansprüche - eine Nichtleistungskondiktion findet wegen deren Subsidiarität nicht statt (Schwab in MüKomm-BGB, 5. Aufl., § 812 Rn. 57 mwN) - kann der Laborarzt allenfalls (vgl. § 817 Satz 2 BGB) im Leistungsverhältnis gegenüber dem Angeklagten geltend machen; auch ein Anspruch nach § 822 BGB besteht nicht.
57
(5.) Der Verstoß gegen das Verbot aus § 31 BayBOÄ, das sich - wie auch das von der Revision vorgelegte Gutachten ausführt - nach Inhalt und Zweck gleichermaßen gegen Verpflichtungs- wie Verfügungsgeschäft richtet, würde überdies zu einem Abtretungsverbot (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 134 Rn. 13; Wendtland in BeckOK-BGB, § 134 Rn. 22) und zur Unwirksamkeit der von der Revision geltend gemachten Einziehungsermächtigung führen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - IX ZR 57/91; Bayreuther in MüKomm-BGB, 6. Aufl., § 185 Rn. 36; Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 398 Rn. 37).
58
(6.) Der Angeklagte kann gegen die Patienten auch keine (eigenen) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) geltend machen. Für die im Rahmen und nicht nur gelegentlich des mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages erbrachten Leistungen bestimmen die Regelungen der GOÄ mögliche Aufwendungsersatzansprüche wie aufgezeigt abschließend. Überdies resultieren die zur „Beschaffung“ der Laborleistungen getätigten „Aufwendungen“ allein aus einervom Gesetz verbotenen Tätigkeit. Der Angeklagte durfte sie also nicht für erforderlich i.S.v. § 670 BGB halten (gefestigte Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 48/10 mwN). Wegen grundsätzlicher Vorrangigkeit der vertraglichen Ansprüche scheiden auch bereicherungsrechtliche Ansprüche aus (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - XII ZR 253/90 mwN; Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., vor § 812 Rn. 6 mwN). Überdies ist es, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt und was auch für den - hier nicht gegebenen - Fall des von der Verteidigung geltend gemachten aber unwirksamen „Factoringgeschäfts“ gilt, „nicht Aufgabe des Bereicherungsrechts, Vermögensnachteile auszugleichen, die sich Ärzte durch eine bewusst den Vorschriften der GOÄ zuwiderlaufende Abrechnungsweise selbst einhandeln.“ Die von § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ und § 31 BayBOÄ dem Angeklagten untersagte Vermögensmehrung kann diesem nicht auf dem Umweg des Bereicherungsrechts zufließen (vgl. §§ 814, 817 BGB).
59
bb) Dem Angeklagten steht gegen den Patienten auch kein Zahlungsanspruch hinsichtlich der in seinen Praxisräumen erbrachten Akupunktur- und Osteopathieleistungen zu.
60
(1.) Nach den Urteilsfeststellungen haben die Patienten allein mit dem Angeklagten einen Behandlungsvertrag geschlossen. Danach ist ihm die Abrechnung der nicht selbst erbrachten Leistungen verwehrt.
61
(a.) Die Therapeuten haben ihre Leistungen „aufgrund vorheriger Ver- schreibung entsprechender Leistungen durch den Angeklagten“ erbracht (UA S. 28), teilweise habe es auch „eine Art ‚Abschlussgespräch‘ mit dem Ange- klagten nach Durchführung der empfohlenen Behandlung durch B. /D. ge- geben“ (UA S. 74). Der Angeklagte hat die „eingekauften Leistungen“als eige- ne den Patienten verkaufen wollen (UA S. 50). Schon daraus ergibt sich, dass die Patienten, die sich „über die arbeitsrechtliche Einordnung der Herren B. und D. innerhalb der Praxis des Angeklagten keine näheren Gedanken ge- macht“ haben (UA S. 74), nicht mit dem Willen handelten, mit den Therapeuten einen Vertrag abzuschließen; in der schlichten (widerspruchslosen) Hinnahme der Vertreterleistung kann ein dahingehender Rechtsgeschäftswille nicht erblickt werden (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1987, 1489; Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 18 mwN; Kuhla, NJW 2000, 841, 846 mwN).
62
Auch der Angeklagte handelte nach diesen Feststellungen nicht mit dem Willen, die Patienten bei einem solchen Vertragsschluss zu vertreten. Hinzu kommt, dass nach den Urteilsfeststellungen die Therapeuten nicht über eine Approbation oder Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde verfügten (UA S. 27 f.). Ohne eine solche sowohl für die Erbringung von Akupunkturleistungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. März 2011 - 8 ME 8/11; VG Trier, Urteil vom 18. August 2010 - 5 K 221/10.TR, 5 K 221/10 ) als auch für osteopathische Behandlungen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Dezember 2008 - 7 K 967/07) erforderliche Erlaubnis nach § 1 HeilPrG, würde im Übrigen auch die Wirksamkeit eines mit den Therapeuten geschlossenen Behandlungsvertrages durchgreifenden Bedenken begegnen (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1988, 2308; OLG München NJW 1984, 1826; Armbrüster in MüKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 134 Rn. 89 mwN).
63
(b.) Umfang und Höhe des für die Akupunktur- und der Osteopathieleistungen Abrechenbaren werden - wiederum ausschließlich und abschließend - durch die Regelungen der GOÄ bestimmt. Diese finden für alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ i.S.v. § 1 Abs. 1 GOÄ Anwendung, also alle Tätigkeiten, die sich auf die Ausübung der Heilkunde beziehen (Diagnose und Therapie) oder die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Maßnahmen (Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, GOÄ-Kommentar, 2. Aufl., § 1 Rn. 4), wozu auch Sonderleistungen der Alternativmedizin rechnen (vgl. § 6 Abs. 2 GOÄ und Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 1 Rn. 16; Hoffmann, GOÄ, 3. Aufl., § 6 GOÄ Rn. 7). Die Hypothese der Revision, die Geltung der GOÄ sei hier - wenn auch nicht wirksam (§§ 125, 126 BGB) - abbedungen worden, wird von den Feststellungen nicht getragen. Vielmehr belegt das Fehlen einer sich auf konkret bestimmte einzelne Leistungen beziehenden (vgl. Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 2 Rn. 8), schriftlichen Honorarvereinbarung (vgl. § 2 Abs. 2 GOÄ) und die nachfolgende Abrechnung unter Bezugnahme auf die GOÄ, dass ein Rechtsgeschäftswille zum Abschluss einer gesonderten Honorarvereinbarung nicht bestand.
64
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, der als Einschränkung der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung eng auszulegen ist (AG München, Urteil vom 9. Juni 1993 - 232 C 4391/93; Hübner in Prütting, Medizinrecht, § 4 GOÄ Rn. 4), kann der Angeklagte Gebühren (also Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen) für die nicht selbst erbrachten Therapieleistungen nur abrechnen, wenn sie unter seiner Aufsicht und nach fachlicher Weisung erbracht worden wären (vgl. auch Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 4 Rn. 6, 39 ff.). Nach den Feststellungen haben die Therapeuten indes ihre Leistungen „in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht und Kontrolle durch den Angeklagten“ (UA S. 28) erbracht. Der Angeklagte hatdie Therapeuten nicht „persönlich überwacht“, teils war er ortsabwesend und auch wenn er zeitgleich mit den Therapeuten in den Praxisräumen anwesend war, hat er diesen keine Weisungen erteilt. Hierzu fehlte ihm auch „die fachliche Qualifikation“ (UA S. 51). Damit liegen die Voraussetzungen für eine Abrechenbarkeit der Thera- pieleistungen durch den Angeklagten nicht vor. Als nach „fachlicher“ Weisung erbracht können Leistungen schon nicht angesehen werden, die der Arzt selbst mangels entsprechender Ausbildung nicht fachgerecht durchführen kann (vgl. Brück u.a., aaO, Einl. u § 4; Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 4 Rn. 6; Uleer/ Miebach/Patt, aaO, § 4 Rn. 40; Cramer/Henkel, MedR 2004, 593, 596). Der Hinweis der Revision auf § 5 Abs. 2 GOÄ verfängt nicht. Der Angeklagte hätte die Therapieleistungen - abgesehen davon, dass er nach den Urteilsfeststellungen auch nicht delegationsfähige, vom Arzt selbst zu erbringende Kernleistungen (Untersuchung, Beratung, Entscheidung über therapeutische Maßnahmen ) den Therapeuten übertragen hat - auch nicht an die dadurch gegen § 5 HeilPrG verstoßenden Therapeuten delegieren dürfen.
65
(2.) Im Hinblick auf den wirksamen Behandlungsvertrag mit den Patienten kann der Angeklagte - in gleicher Weise wie im Zusammenhang mit den „eingekauften“ Speziallaborleistungen - auch keine anderen als vertragliche Ansprüche (aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht) geltend machen. Einem Aufwendungsersatz hinsichtlich der an die Therapeuten gezahlten Beträge steht die auch solche Ansprüche hier abschließend regelnde GOÄ entgegen. Für eine Anwendung des § 670 BGB besteht für die hier im Rahmen des Behandlungsvertrages erbrachten Osteopathie- und Akupunktur- leistungen kein Raum. Die Zahlungen des Angeklagten an die mangels Approbation oder Erlaubnis nach HeilPrG nicht zu Therapieleistungen befugten Therapeuten waren überdies wiederum nicht erforderlich i.S.v. § 670 BGB.
66
(3.) Der Angeklagte konnte auch keine von den Therapeuten abgetretenen Ansprüche, die diesen gegenüber den Patienten zustünden, geltend machen. Vertragliche Ansprüche der Therapeuten bestehen - wie aufgezeigt - nicht. Sonstige Ansprüche könnten sie - unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung - allenfalls im Verhältnis zum Angeklagten geltend machen.
67
cc) Ein Zahlungsanspruch des Angeklagten - sei es aus eigenem oder abgetretenem Recht - besteht auch nicht hinsichtlich der als Leistungen der Klasse M II abgerechneten Laborleistungen der Klasse M III, die weder vom Angeklagten selbst noch unter seiner Aufsicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 GOÄ) noch von einem einzig zur Leistungserbringung und -abrechnung ermächtigten Speziallabor erbracht wurden (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anlage M zur GOÄ). Aufgrund der Gesetzwidrigkeit der Vereinbarung zwischen Laborarzt und der die Leistung tatsächlich erbringenden Laborgemeinschaft (vgl. auch LG Duisburg , Urteil vom 18. Juni 1996 - 1 O 139/96), konnte der Angeklagte in diesem Zusammenhang erbrachte Aufwendungen wiederum auch nicht für erforderlich i.S.d. § 670 BGB erachten.
68
c) Das Vorliegen eines durch die dargestellte Täuschung bei den Patienten hervorgerufenen Irrtums i.S.d. § 263 StGB - was Tatfrage ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05 mwN) - hat die Strafkammer (wie in Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten, siehe oben unter 1.) ohne Rechtsfehler bejaht. Nach den durch Zeugenaussagen gestützten, rechtsfehlerfreien Feststellungen unterlagen die Patienten, wie der Generalbundes- anwalt zutreffend ausführt, einer mit der Täuschung korrelierenden, der Wirklichkeit nicht entsprechenden Fehlvorstellung.
69
Ein Irrtum i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB setzt grundsätzlich nicht voraus (zu Einschränkungen vgl. Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, aaO, § 263 StGB Rn. 61), dass sich der Adressat einer auf einer Gebührenordnung basierenden (Ab)Rechnung eine konkrete Vorstellung über die Berechnung und die in Ansatz gebrachten Bemessungsgrundlagen macht. Entscheidend - aber auch ausreichend - ist das gedankliche Mitbewusstsein über die Ordnungsgemäßheit der Rechnungsstellung und sei es nur - wie es die Strafkammer hier feststellt - als „allgemein gehaltene Vorstellung, die Abrechnung sei in Ordnung“ (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08 mwN; Tiedemann in LKStGB , 11. Aufl., § 263 Rn. 79, 91 mwN; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 37 ff.; Beukelmann in BeckOK-StGB, § 263 Rn. 25).
70
Nach den Urteilsfeststellungen mussten die Patienten - soweit die Straf- kammer nicht ohnehin ausdrücklich feststellt, dass „die Patientenirrten“ (UA S. 24) - in allen Fällen mangels hinreichender eigener Fachkenntnisse („Die gebührenrechtlichen Einzelheiten waren ihnen gänzlich unbekannt“, UA S. 103) auf die sachliche Richtigkeit der Rechnungen vertrauen und haben dies auch. Sie haben „darauf vertraut, dass die Rechnungen von dem Angeklagten korrekt erstellt werden“ (UA S. 103) und „an die Rechtmäßigkeit der Abrechnung geglaubt“ (UA S.109).
71
Demzufolge trifft die Auffassung hier jedenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht zu, in Fällen nicht oder nicht selbst erbrachter Leistungen fehle es „in aller Regel“ wegen der Erkennbarkeit des tatsächlichen Leistungsumfangs und des tatsächlichen Leistungserbringers sowie der gemäß § 12 GOÄ spezifizierten Rechnung an einem Irrtum (Dahm, MedR 2003, 268, 269; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, aaO, § 263 StGB Rn. 185; Schuhr in Spickhoff, aaO, § 263 Rn. 25; Tsambikakis in Prütting, Medizinrecht, § 263 StGB Rn. 32).
72
Ein Patient kann nicht wissen, ob in seiner Abwesenheit vom Angeklagten - wie behauptet - Laboruntersuchungen selbst durchgeführt oder eine eigene Befundung vorgenommen werden. Patienten, denen - wie hier - die „gebüh- renrechtlichen Einzelheiten gänzlich unbekannt“ sind, kennen weder die Diffe- renzierung nach unterschiedlichen Laborleistungen, noch die Voraussetzungen, unter denen in der Praxis eines Arztes von Dritten erbrachte Leistungen (etwa bei der Blutentnahme) oder Osteopathieleistungen im Wege einer Analogbewertung gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ vom Arzt abgerechnet werden können. Auch weiß ein solcher Patient nicht, ob der Angeklagte Labor- oder sonstige ärztliche oder heilkundliche Leistungen im gebührenrechtlichen Sinn selbst erbracht hat. Soweit die Patienten von anderen als dem Angeklagten, aber in dessen Praxis und nach einer Eingangsuntersuchung durch diesen behandelt wurden, haben sie „die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen“ nicht erkannt (UA S. 30), sie gingen vielmehr davon aus, dass die Rechnungen „inhaltlich richtig und den Abrech- nungsvorschriften entsprechend erstellt worden waren“ (UA S. 74).
73
Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass die Patienten Zweifel an der Richtigkeit der von der M. GmbH erstellten Rechnungen gehabt haben, die ohnedies einen Irrtum grundsätzlich nicht entfallen ließen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 - 1 StR 144/90; Satzger in SSW-StGB, § 263 Rn. 78 jew. mwN). Eine etwaige Leichtgläubigkeit der Patienten stünde der Annahme eines Irrtums ebenso wenig entgegen, wie die Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91 mwN). Weiter ist unerheblich, dass oder ob der Patient die Abrechnung bereits einer Versicherung oder Beihilfestelle vorgelegt hat (Schubert, ZRP 2001, 154, 155).
74
II. Auch die Annahme eines Schadens i.S.v. § 263 StGB wird von den Feststellungen belegt.
75
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB - gleichermaßen wie unter Nachteil i.S.d. § 266 StGB - jede durch die Tat verursachte Vermögensminderung zu verstehen, wobei diese nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung auf Grund eines Vergleichs des Vermögensstandes vor und nach der Tat bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise festzustellen ist (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 - 5 StR 168/96; Fischer, aaO, § 263 Rn. 110 ff. mwN). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 1857/10 Rn. 176). Ein Schaden liegt nicht vor, wenn zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird. Ein solcher Vermögenszuwachs tritt beispielsweise ein, soweit das Vermögen von einer Verbindlichkeit in Höhe des Verlustes befreit wird (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10 mwN). Eine solche Kompensation scheidet hingegen regelmäßig dann aus, wenn sich die Vermögensmehrung nicht aus der Verfügung selbst ergibt, sondern durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung hervorgebracht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98).
76
Maßgeblich für den Vermögensvergleich ist der Zeitpunkt der täuschungsbedingten Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögens- werts unmittelbar vor und nach der hier in der Zahlung an den Angeklagten liegenden Vermögensverfügung; spätere Entwicklungen, wie Schadensvertiefung oder Schadensausgleich, berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98 jew. mwN).
77
2. Gemessen hieran hält die Annahme eines Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen revisionsrechtlicher Prüfung stand.
78
a) In Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten zahlten die Versicherungen / die Beihilfestelle, ohne zur Zahlung verpflichtet zu sein, ohne also durch die Zahlung eine gleichwertige Forderung des beihilfeberechtigten Versicherungsnehmers zum Erlöschen zu bringen. Das Entstehen eines Rückforderungs - oder Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Arzt kann - wie auch sonst bei durch die Tat entstehenden Schadens- und Gewährleistungsansprüchen (vgl. Satzger in aaO, § 263 Rn. 152; Fischer, aaO, § 263 Rn. 155) - nicht zu einer schadensausschließenden Kompensation führen.
79
b) In gleicher Weise stand in allen anderen Fällen den Zahlungen der Patienten kein äquivalenter Vermögensausgleich gegenüber. Dies gilt auch in den insoweit einzig näher zu erörternden (vgl. Schuhr, aaO, § 263 StGB Rn. 43) Fällen, in denen der Angeklagte nicht selbst erbrachte Leistungen abrechnete. Durch die irrtumsbedingte Zahlung der Patienten (nach den Feststellungen zahlten die Patienten in allen Fällen jeweils unmittelbar selbst nach Erhalt der Rechnung an die zum Einzug berechtigte M. GmbH vollständig „die jeweils in den Rechnungen ersichtlichen Beträge“; UA S. 15, auch S. 24, 25, 26) wird deren Vermögen gemindert, ohne dass dem ein äquivalenter Vermö- genszufluss gegenübersteht. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung war das Vermögen der Patienten - unbeschadet der Frage der Fälligkeit, vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10 - nicht mit einem Zahlungsanspruch belastet; ohne diesen hat die erbrachte ärztliche Leistung hier keinen eigenen, zur Bestimmung des tatbestandlichen Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB maßgeblichen wirtschaftlichen Wert.
80
aa) Die Bewertung des Vermögens bzw. Schadens erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Auf die subjektive Einschätzung des Patienten , ob er sich wegen der von einem anderen als dem Angeklagten erbrachten Leistung nicht geschädigt fühlt, kommt es nicht an. Maßgebend für den Vergleich von Leistung und Gegenleistung ist regelmäßig der Verkehrswert (vgl. Cramer/ Perron in Schönke/Schröder, aaO, § 263 Rn. 109 ff. mwN) oder ein an Angebot und Nachfrage orientierter Marktpreis, der auch nach dem von den Vertragsparteien vereinbarten Preis unter Berücksichtigung der für die Parteien des fraglichen Geschäfts maßgeblichen preisbildenden Faktoren bestimmt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 StR 245/09).
81
Für privatärztliche Leistungen, für die es weder einen Verkehrswert noch einen (objektiven) Markt oder einen von den Vertragsparteien frei zu vereinbarenden Preis gibt, bestimmen die materiell-rechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit der Leistung, namentlich der GOÄ, zugleich deren wirtschaftlichen Wert. Ist etwa eine Behandlungsleistung zwar erbracht, gilt sie aber als mit einer anderen Leistung abgegolten (vgl. z.B. § 4 Abs. 2a GOÄ), kommt ihr kein eigener wirtschaftlicher Wert zu, mag auch der Patient, hätte er die Leistung alleine bezogen , daraus resultierende Aufwendungen gehabt haben. In dem Umfang, in dem die Rechtsordnung einer privatärztlichen Leistung die Abrechenbarkeit versagt, weil etwa die für die Abrechenbarkeit vorgesehenen Qualifikations- und Leistungsmerkmale nicht eingehalten sind, kann ihr kein für den tatbestandlichen Schaden i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden (vgl. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316; für wahlärztliche Leistungen: Hellmann/Herffs, aaO, Rn. 391 ff.; Freitag, aaO, S. 175 f.). Führt die erbrachte ärztliche Leistung mangels Abrechenbarkeit nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruchs, findet eine saldierende Kompensation nicht statt. Zahlt der in Anspruch Genommene irrtumsbedingt ein nicht geschuldetes Honorar, ist er in Höhe des zu Unrecht Gezahlten geschädigt. Wer eine Leistung unter den jeweils gegebenen Umständen unentgeltlich erlangen oder bereits dafür Geleistetes zurückfordern kann, ohne hierfür Wertersatz leisten zu müssen, ist in Höhe desjenigen Betrages geschädigt, den er täuschungsbedingt gleichwohl hierfür aufgewandt hat.
82
Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum vertragsärztlichen Abrechnungsbetrug (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94; BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. September 1997 - 2 BvR 2414/97), deren zugrunde liegendeWertung - unbeschadet sozialrechtlicher Besonderheiten - auf den Bereich privatärztlicher Leistungserbringung und Abrechnung übertragbar ist (vgl. auch Peickert, MedR 2000, 352, 354; a.A. Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695).
83
Für privatärztliche Leistungen bestimmt die GOÄ den Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und deren taxmäßige (standardisierte) Honorierbarkeit abschließend. Die Anspruchsvoraussetzungen sind jeweils - dort nach Sozialrecht, hier nach den materiell-rechtlichen Vorschriften der GOÄ - fest umschrieben, eine tatbestandliche Schadenskompensation allein mit erbrachter ärztlicher Leistung ist dadurch ausgeschlossen (zutreffend Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 267). Der Leistende wird nicht von einer Verpflichtung gegenüber dem Arzt befreit, eine wirtschaftliche Vermögenssaldierung ergibt daher ein Minus (Hellmann, NStZ 1995, 232; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316).
84
Dass der Arzt durch Leistungserbringung von einer Leistungspflicht be- freit wird, eine erneute Behandlung „wirtschaftlich unsinnig“ wäre (Gaizik, wistra 1998, 329, 332, ebenso Idler, JUS 2004, 1037, 1040; Stein, MedR 2001, 124, 127), ist für die Schadensbestimmung unbeachtlich. Auch eine von einem Laien durchgeführte und zufällig erfolgreiche Behandlung würde erneute Leistungserbringung „unsinnig“ machen (vgl. Grunst, NStZ 2004, 533, 535), ohne dass ihr ein wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden könnte.
85
Im Bereich privatärztlicher Liquidation, bei der der behauptete Honoraranspruch nicht schon aus dem Behandlungsvertrag, sondern erst aufgrund der erbrachten Leistungen entsteht, kann eine Zahlung für die Leistungserbringung nicht kausal werden; die Zahlung ist ohne eigenen Vermögenswert, wenn nicht die Rechtsordnung durch Ansprüche eine Korrespondenzbeziehung herstellt (Schuhr, aaO, § 263 StGB, Rn. 44). Lediglich formalrechtliche „Leistungsge- währungsvoraussetzungen“, wie sie als Einschränkungen der zum Vertragsarztrecht entwickelten „streng formalen Betrachtungsweise“ diskutiert werden (vgl. Volk, NJW 2000, 3385, 3386) oder wie sie im Bereich des Subventionsbetruges zum Tragen kommen können (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05; Fischer, aaO, § 263 Rn. 142 mwN), sind der Abrechnung privatärztlicher Leistungen auf der Grundlage der an die Person des Leistungserbringers (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ) oder an die Art und Weise der Leistungserbringung (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ) anknüpfenden GOÄ fremd; auch wenn der zahlende Patient die Art der Leistungserbringung oder die Art der Ab- rechnung genehmigen wollte, bestünde dem Grunde nach ein materieller Anspruch nicht.
86
Auch sonst bestimmt sich der wirtschaftliche Wert einer Arbeitsleistung nach deren Abrechenbarkeit; die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen, hat Vermögenswert nur, soweit sie üblicher Weise gegen Entgelt erbracht wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 - 4 StR 315/00 mwN zu durch Betrug erlangter Arbeitsleistung). Indes wird gesetzeswidrigen Handlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - 2 StR 421/08; BGH, Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01) oder Leistungen , die verboten sind oder unsittlichen Zwecken dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 1987 - 5 StR 566/86; BGH, Beschluss vom 20. Dezember1988 - 1 StR 654/88), mögen sie auch „üblicherweise“ nur gegen Entgelt (z.B. „Killer- lohn“) erbracht werden, kein Vermögenswert zuerkannt, da sich das Strafrecht ansonsten in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung setzen würde, wenn es im Rahmen des Betrugstatbestandes nichtigen - weil gesetzeswidrigen - Ansprüchen Schutz gewährte (vgl. auch Eckstein JZ 2012, 101, 104). Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, wirtschaftliche Vorteile aus rechtsmissbräuchlichen Gestaltungen zu versagen (vgl. z.B. §§ 814, 817 S. 2 BGB, §§ 41, 42 AO); in Verbotenes Investiertes soll unwiederbringlich verloren sein (vgl. BT-Drucks. 11/1134, S.12 zum Verfall). Ebenso wird einer Arbeitsleistung ein wirtschaftlicher Wert abgesprochen, wenn Gesetz oder Verwaltungsvorschriften einer zu deren Entlohnung führenden Anstellung entgegenstanden, selbst wenn fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbracht wurden (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1999 - 5 StR 193/98 mwN). Im Übrigen ist auch zur Frage der Rechtswidrigkeit des erlangten Vermögensvorteils allein das materiell-rechtliche Bestehen eines Anspruchs maßgeblich (vgl. BGH, Be- schluss vom 20. November 1981 - 2 StR 586/81; BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1994 - 2St RR 118/94).
87
Es kann nicht eingewandt werden, der Patient habe sich durch den Erhalt der Leistungen ansonsten erforderliche Aufwendungen erspart, er hätte die Leistungen auch vom Laborarzt (direkt) beziehen können und müssen. Die gegenteilige Ansicht (vgl. Gaizik, wistra 1998, 329, 331 ff. mwN, der allerdings zutreffend darauf hinweist, dass diese ersparten Aufwendungen kein unmittelbar aus der Zahlung fließendes Äquivalent darstellen) bezieht in unzulässiger Weise einen zwar anspruchsbegründenden, tatsächlich aber nicht gegebenen (und überdies nicht vorhersehbaren, vgl. Freitag, aaO, S. 139) Sachverhalt und somit hypothetische Reserveursachen ein, und überspielt damit im Wege einer Gesamtbetrachtung das Fehlen eines Anspruchs auf die durch Täuschung erlangte Leistung (zutreffend Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 267; ebenso Schuhr, aaO, § 263 StGB, Rn. 44; Fischer, aaO, § 263 Rn. 155; Grunst, NStZ 2004, 533, 537 jew. mwN).
88
bb) Dies zugrunde gelegt hat die Strafkammer im Ergebnis rechtsfehler- frei die „lege artis“ (Laborleistungen) bzw. „fehlerfrei“ (Akupunktur- undOsteo- pathieleistungen) erbrachten Leistungen nicht zur Verneinung des tatbestandlichen Schadens i.S.v. § 263 StGB herangezogen. Die erbrachten Leistungen haben das Vermögen des Patienten zum Zeitpunkt der Zahlung nicht mit einem Zahlungsanspruch in Höhe des Rechnungsbetrages belastet.
89
Wie bereits aufgezeigt, steht im Fall abgerechneter Speziallaborleistungen dem Angeklagten kein Zahlungsanspruch gegen den Patienten zu. Ebenso wenig ist das Vermögen des Patienten - wie auch die Revision in anderem Zusammenhang ausführt - mit einem Zahlungsanspruch des Laborarztes belastet.
90
Der Laborarzt, wiewohl er seine Leistung üblicherweise nur gegen Entgelt erbringt, leistet hier nicht an den Patienten, sondern erbringt seine Leistung - die Befundung, die sich in einem dem Angeklagten direkt übermittelten Datenwerk niederschlägt - ausschließlich im Verhältnis zum Angeklagten. Von diesem erhält er auch (bei „Verzicht auf die Abrechnung gegenüber dem Patienten“ ) das hierfür geforderte, der Höhe nach umsatzabhängige Entgelt. Erst aus dem Tätigwerden des Angeklagten, nämlich dessen „Weiterverkauf“ dieser Laborleistungen, erlangt der Patient etwas. Nach den abschließenden Regelungen der GOÄ erwachsen hieraus aber keine Zahlungsansprüche gegen den Patienten; der Angeklagte wird so gestellt, als habe er eine mit anderen Gebührenziffern bereits abgegoltene Leistung erbracht. Durch die materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 4 Abs. 2 und 10 GOÄ wird - der gesetzgeberischen Intention entsprechend - unterbunden, dass der Angeklagte aus dem Bezug erbrachter und sodann „weiterverkaufter“ Speziallaborleistungen einen wirtschaftlichen Wert schöpfen kann.
91
In gleicher Weise stehen die den taxmäßigen Wert der Akupunktur- und Osteopathieleistungen bestimmenden Regelungen der GOÄ deren Abrechnung durch den Angeklagten oder die Therapeuten entgegen. Die Leistungserbringung kann nicht zu einem das Vermögen des Patienten belastenden Zahlungsanspruch führen. Der auch mangels Approbation oder Erlaubnis nach HeilPrG nicht abrechenbaren Leistung kann ein zur Bestimmung des tatbestandsmäßigen Schadens i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert nicht beigemessen werden. Dies gilt auch für Leistungen der nicht zur Erbringung von Laborleistungen der Klasse M III qualifizierten Laborgemeinschaft.
92
III. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte auch vorsätzlich gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es für den Betrugsvor- satz, dass der Täter die schadensbegründenden Umstände kannte (BGH, Urteil vom 3. November 1987 - 1 StR 292/87 mwN). Entscheidend ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, eine Zahlung in der geltend gemachten Höhe beanspruchen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91 mwN).
93
Nach den Urteilsfeststellungen war dem Angeklagten in allen Fällen - auch in den Fällen abgerechneter Speziallaborleistungen - bewusst, dass er zur Liquidation nicht berechtigt war und sich durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht bestehenden Zahlungsanspruchs zu Unrecht bereicherte. Er handelte gleichwohl.
94
Der Einlassung des Angeklagten, er habe sein „Abrechnungsverhalten überwiegend als legal angesehen“ (UA S. 51), hat die Strafkammer auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung keinen Glauben geschenkt. Die Strafkammer konnte sich dabei auch auf eine frühere Einlassung des Angeklagten stützen, in der er einräumte, dass er die Abrechnungspraxis in Kenntnis ihrer Unrechtmäßigkeit beibehielt, „weil er das Geld benötigte“ (UA S. 69). „Er sei sich des wirtschaftlichen Vorteils durchaus bewusst gewesen und habe trotz zuletzt positiver Kenntnis von der Illegalität dieser Abrechnungen bis zuletzt daran festgehalten, da ihm ansonsten der Praxisumsatz zu abrupt ein- gebrochen wäre“ (UA S. 53).
95
Dies korreliert mit den Angaben einer Außendienstmitarbeiterin eines involvierten Labors, wonach die „veränderten gesetzlichen Vorgaben in der GOÄ“ nicht nur in internen Schulungen erörtert, sondern auch „mit den Ärzten die Möglichkeiten der Gebührenordnung“ besprochen worden waren, und der Angeklagte „sehr daran interessiert gewesen“ sei, „die wirtschaftlichen Vorteile der Direktabrechnung von Laborleistungen nicht zu verlieren“ (UA S. 66); seitens des Angeklagten habe „eine gewisse Erwartungshaltung bestanden“ (UA S. 68).
96
Die Einlassung des Angeklagten, er habe in der Annahme gehandelt, den Patienten entstehe wegen der erbrachten Leistungen kein Schaden, steht der Annahme eines Vorsatzes nicht entgegen. Derjenige, der weiß, dass er sich auf Kosten eines anderen durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht gegebenen Zahlungsanspruchs bereichert, weiß oder nimmt zumindest billigend in Kauf, dass er trotz erbrachter Leistungen keinerlei Zahlungsanspruch hat, der Zahlende also rechtsgrundlos leistet und dadurch in Höhe des Gezahlten geschädigt ist.
97
IV. Rechtsfehlerfrei geht die Strafkammer bei Rechnungen gleichen Datums von Tateinheit aus, auch soweit dabei mittäterschaftliche Begehung - zum Nachteil der Versicherungen - und mittelbare Täterschaft - zum Nachteil der Patienten - zusammentreffen. Da der Angeklagte die zur Abrechnung erforderlichen Daten an den entsprechenden Tagen „einheitlich an die M. GmbH übermittelt“ hat (UA S.15), liegt eine zu Tateinheit führende Teilidentität der Ausführungshandlung vor (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10; BGH, Beschluss vom 24. November 2010 - 2 StR 519/10; BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09; BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - 3 StR 148/09; v. Heintschel-Heinegg in MüKomm-StGB, § 52 Rn. 86 ff. mwN).
98
V. Eines Eingehens auf die von der Strafkammer zur Begründung des Schadens zusätzlich herangezogenen weiteren Gesichtspunkte bedarf es nicht. Hierauf hatte der Generalbundesanwalt in seinem Antrag, auf den die Revision mit einem Rechtsgutachten umfassend erwidert hat, bereits zutreffend hingewiesen. Es kann hier auch dahinstehen, ob vom Revisionsgericht analog § 265 StPO ein Hinweis auf die rechtlich etwas von der Auffassung des Landgerichts abweichende Begründung des Schadens zu erteilen wäre. Denn der Senat schließt im vorliegenden konkreten Einzelfall, in dem die maßgeblichen Rechtsfragen auch von der Verteidigung erörtert worden sind, aus, dass sich der Angeklagte anders, insbesondere erfolgreicher gegen den ihm gemachten Vorwurf hätte verteidigen können.

E.



99
Die Nachprüfung des Urteils hat auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
100
I. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
101
1. Die Strafkammer legt der Strafzumessung einen jeweils zutreffenden Strafrahmen zugrunde.
102
a) Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 21, 20 StGB „bei Begehung der Tat“ hat die insoweit sachkundig beratene Strafkammer rechtsfehler- frei verneint (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 1 StR 122/11).
103
b) Die Strafkammer musste auch - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - ungeachtet der Annahme eines „überschießenden Geständ- nisses“ (UA S. 115) in den Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patien- ten den - hier bereits anwendbaren - § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht aus- drücklich erörtern. Denn durch die Benennung der an den Taten beteiligten Patienten deckt der Angeklagte keine Katalogtat i.S.d. § 46b Abs. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO auf.
104
Die vom Angeklagten benannten Patienten handelten weder selbst gewerbsmäßig , noch kann ihnen die Gewerbsmäßigkeit im Handeln des Angeklagten , ein strafschärfendes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 2 StGB, zugerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 3 StR 193/08 (zu § 260 StGB); BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 1 StR 547/04 (zu § 152a Abs. 2 StGB); BGH, Beschluss vom 21. September 1995 - 1 StR 316/95 (zu § 243 Abs. 2 StGB); Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rn. 24). Sie können also „nur“ wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) bestraft werden.
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Für eine Anwendbarkeit des § 46b Abs. 1 StGB reicht indes nicht aus, dass lediglich eine Nichtkatalogtat aufgedeckt wird, mag diese auch - wie hier - mit einer Katalogtat im Zusammenhang stehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 46b Abs. 1 Satz 3 StGB. Der Täter einer Katalogtat soll nicht durch die Offenbarung einer Bagatelltat (nachgeordnete Beihilfehandlung zu einer vom Täter mitverwirklichten geringeren Tat) in den Genuss einer Strafrahmenverschiebung kommen können. Andernfalls würde sich überdies ein Wertungswiderspruch zu Fällen ergeben, in denen die offenbarte Tat als eigenständiges Delikt verfolgbar wäre, und in denen demzufolge eine Strafmilderung nur bei Aufdeckung einer als Katalogtat verfolgbaren Tat in Betracht kommt.
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c) Grundsätzlich rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte rund 30 % seines gesamten Praxisumsatzes mit den ihm zur Last liegenden (und nicht gemäß §§ 154, 154a StPO ausgeschiedenen) manipulierten Abrechnungen erwirtschaftete , sowohl das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (Ge- werbsmäßigkeit) als auch des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB (große Anzahl) bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11). Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang, die Strafkammer habe in den Fällen mit festgestellten Schadenssummen unter 50 € (Fälle 16, 42, 66, 71, 108 und 117 der Urteilsgründe) die Regelung des § 263 Abs. 4 i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB verkannt. Denn die Strafkammer geht in diesen, wie in allen Fällen mit Schadensbeträgen bis 2.500 € vom Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB aus, so dass es auf die Verwirklichung der Regelbeispiele insoweit nicht ankommt. Dass sie in allen anderen Fällen die Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB unter anderem mit der Verwirklichung zweier Regelbeispiele bejaht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 401).
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2. Die Bemessung der Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens ist ebenfalls frei von den Angeklagten belastenden Rechtsfehlern.
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In den unter Verstoß gegen § 5 HeilPrG erbrachten Osteopathie- und Akupunkturleistungen, zu denen der Angeklagte angestiftet hat, musste die Strafkammer ebenso wenig einen bestimmenden Milderungsgrund sehen, wie in dem Umstand, dass die Laborleistungen bei einem anderen als dem tatsächlichen - also hypothetischen - Sachverhalt anders hätten abgerechnet werden können.
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Ob darüber hinaus bei der Strafzumessung in Fällen zu Unrecht abgerechneter ärztlicher Leistungen der Umstand tatsächlich erbrachter Leistungen und hierzu entstandener Aufwendungen strafmildernd berücksichtigt werden muss (vgl. für vertragsärztliche Abrechnungen BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94), oder ob - wozu der Senat neigt - sich dies im Bereich privatärztlicher Liquidation schon deswegen verbietet, weil hier die “Bereicherung” des Opfers dessen Schaden gerade nicht kompensiert und der Täter eigenmächtig und auf strafbare Weise den Ausgleich, den er materiell-rechtlich nicht beanspruchen kann, herbeiführt (vgl. Hellmann NStZ 1995, 232, 233), bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
110
Nach der ausdrücklichen Hervorhebung in den Urteilsgründen ist nicht zu besorgen, die Strafkammer könnte bei der Strafzumessung nicht auch im Blick gehabt haben, dass die Speziallaborleistungen - nach der allgemeinen Handhabe und ohne dass dies für jeden Einzelfall festgestellt wurde - „tatsächlich benötigt“ und von einem dazu befähigten Laborarzt „fachlich und medizinisch korrekt“ erbracht wurden (UA S. 21). Auf UA S. 110 werden die Untersuchungsergebnisse erneut als „medizinisch korrekt“ bezeichnet und auf UA S. 122 wird generell festgestellt, dass die „Patienten mit der ärztlichen Leistung des Angeklagten ganz überwiegend sehr zufrieden waren“. Dass in den Straf- zumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 413/11 mwN). Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass eine fehlerhafte Behandlung durch die nicht abrechnungsbefugten Leistungserbringer nicht bekannt geworden sind (UA S. 28) und dass der Angeklagte zu deren „Beschaffung“ jeweils eigene, von der Strafkammer zu den jeweiligen Fallgruppen spezifizierte Aufwendungen hatte. Beleg für eine entsprechende Berücksichtigung sind auch die Annahme eines besonders schweren Falles erst ab Rechnungsbeträgen über 2.500 € und die gemessen an der von der Strafkammer festgestellten kriminellen Energie des Angeklagten und dem gesamten Tatbild geringen Einzelstrafen sowie die ebenfalls milde Gesamtfreiheitsstrafe.
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3. Die Gesamtstrafe hat ebenfalls Bestand. Soweit die Teileinstellung des Verfahrens (oben B.) zum Wegfall der bezüglich Fall Nr. 71 der Urteils- gründe verhängten Einzelgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 € führt, schließt der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts angesichts der Vielzahl der verbleibenden Fälle und der dafür verhängten Einzelstrafen bis zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe aus, dass die Strafkammer auf eine noch mildere als die verhängte Gesamtfreiheitstrafe erkannt hätte.
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II. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen das auf die Ausübung als selbständig liquidierender oder liquidationsberechtigter Arzt beschränkte Berufsverbot (§ 70 Abs. 1 StGB) auf eine Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten gestützt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2011 - 2 StR 609/10; BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89) und ebenso ohne Rechtsfehler im Rahmen ihres Ermessens (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 - 1 StR 164/07) die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bejaht.
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Es kann dahinstehen, ob das Verhalten eines Angeklagten nach der Tat stets im Rahmen der für § 70 Abs. 1 StGB erforderlichen Gefahrprognose zu berücksichtigen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. August 2009 - 5 StR 248/09). Denn hier hätte sich dabei ungeachtet der festgestellten Teilschadenswiedergutmachung Günstiges für den Angeklagten deswegen nicht ergeben können, da er - wie das Landgericht ebenfalls feststellt - nach der Durchsuchung seiner Praxisräume in diesem Verfahren weiterhin gegen § 31 BayBOÄ verstoßen hat, indem er nunmehr mit einem anderen Labor Beraterverträge abschloss, die ihm zukünftig umsatzabhängige (Rück)Vergütungen sichern sollten (UA S. 108).
114
III. Der vom Generalbundesanwalt angeregten Berichtigung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO bedarf es nicht.
115
Zwar hat für vor dem 1. Januar 2007 beendete Taten ein Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO zu unterbleiben. Einer Anwendung der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Regelung des § 111i Abs. 2 StPO auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07 mwN). Letzteres hat die Strafkammer indes gesehen und auch ausgeführt (UA S. 114), so dass nicht zu besorgen ist, ein Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 StPO sollte oder könnte auf den im Tenor für Taten vor dem 1. Januar 2007 festgestellten Betrag erstreckt werden.
116
Durch die vom Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigte, rechtsfehlerhafte Annahme eines vorzeitigen Beendigungszeitpunktes und daraus resultierend einer zu geringen Bemessung des nach dem 1. Januar 2007 Erlangten ist der Angeklagte gerade nicht beschwert.
117
IV. Anhaltspunkte für eine - zu Kompensation nötigende, von der Verteidigung aber ohnehin nicht mit einer entsprechenden Verfahrensrüge geltend gemachte - rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung liegen nicht vor. Gemessen an Umfang, Bedeutung (vgl. Graf in BeckOK-StPO, § 198 GVG Rn. 8) und Schwierigkeit der Sache (Beleg hierfür ist u.a. das von der Revision in Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts nachgereichte weitere Rechtsgutachten) wurde das Verfahren insgesamt innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK) abgeschlossen; dies gilt auch für das Revisionsverfahren , in dem die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zur Veröffentlichung vorgesehen ist.
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