Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2013 - 5 StR 152/13

bei uns veröffentlicht am04.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 152/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bestechlichkeit u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt I.
als Verteidiger für den Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt V.
als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. August 2012 in den Fällen 3 sowie 5 bis 8 der Anklage mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. vom Vorwurf der Bestechung in Tateinheit mit Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen (Fall 7 der Anklage) und des Verrats von Geschäftsgeheimnissen in fünf Fällen (Fälle 1, 3 bis 6 der Anklage) freigesprochen. Den Angeklagten K. hat es vom Vorwurf der Bestechlichkeit in Tateinheit mit Verletzung von Dienstgeheimnissen (Fall 7 der Anklage), der Verletzung von Dienstgeheimnissen (Fall 8 der Anklage) und der Beihilfe zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen in fünf Fällen (Fälle 1, 3 bis 6 der Anklage) freigesprochen. Mit ihren auf die Fälle 3 sowie 5 bis 8 der Anklage beschränkten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung des Landgerichts. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte dem Angeklagten K. zur Last, im Zeitraum vom 1. April 2005 bis zum 31. Januar 2007 in sieben Fällen vertrauliche Informationen aus dem Lenkungsausschuss der B. (B. ) – unter anderem zu Schätzkosten und Kostenrahmen – dem Angeklagten G. mitgeteilt zu haben, die dieser anschließend an Verantwortliche der M. GmbH (M. GmbH) und der L. GmbH weitergeleitet habe, um ihnen einen Wissensvorsprung vor Mitbewerbern in Bezug auf eine bevorstehende öffentliche Ausschreibung zu verschaffen. Rechtlich bewertet wurde dies bis zur Bestellung des Angeklagten K. zum InterimsGeschäftsführer der B. am 6. April 2006 als Verrat von Geschäftsgeheimnissen in fünf Fällen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Angeklagter G. ; Fälle 1, 3 bis 6) bzw. Beihilfe hierzu (Angeklagter K. ). Nach diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte K. als Amtsträger zu qualifizieren, so dass er sich der Verletzung von Dienstgeheimnissen gemäß § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB in zwei Fällen (Fälle 7 und 8), in einem Fall in Tateinheit mit Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB; Fall 7) strafbar gemacht habe, der Angeklagte G. der Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b Abs. 1 Nr. 1, § 26 StGB).
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die B. , eine Anstalt öffentlichen Rechts, plante ab 2004, die Müllverbrennungsanlage in R. (MVA R. ) zu sanieren. Ende 2004/Anfang 2005 wurde intern beschlossen, ein Sanierungskonzept zu erstellen, um eine Grundlage für eine spätere Entscheidung zu dessen Umsetzung zu schaffen. Zur Planung des Projekts gründete die B. einen Lenkungsausschuss , der die Steuerung der Planungsphase übernehmen sollte. Diesem Ausschuss gehörten 18 Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter aus dem kaufmännischen und technischen Bereich der B. sowie zwölf weitere externe Personen an, die in technischer, betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht beraten sollten. Der Angeklagte K. , der seit August 2003 für die B. aufgrund eines Beratervertrages als externer Berater bei der Umsetzung des Abfallwirtschaftsplanes tätig war, gehörte dem Lenkungsausschuss seit dessen Gründung an. Hierzu vereinbarte die B. mit dem Angeklagten am 1. Januar 2005 einen weiteren Beratervertrag, in dem wie schon zuvor eine Vertraulichkeitsklausel aufgenommen war. Am 6. April 2006 wurde der Angeklagte zum Interims-Geschäftsführer der B. bestellt und schließlich am 1. Februar 2007 zum Finanzvorstand der B. berufen.
5
b) Der Angeklagte G. , der den Angeklagten K. seit 2003/2004 persönlich kannte, war als selbständiger Agent für Firmen im Bereich Energie- und Umwelttechnik tätig. Er unterstützte privatwirtschaftliche Unternehmen als Industrievertreter und -berater, insbesondere bei der Akquirierung von Aufträgen, die in beschränkten Ausschreibungsverfahren vergeben wurden. Bei Auftragsvergabe beriet und begleitete er die Unternehmen bis zur Abnahme des Projekts durch den Auftraggeber.
6
c) Im Rahmen der von der B. geplanten Sanierung der MVA R. schloss der Angeklagte G. bereits am 23. April/12. Mai 2004 mit der Firma M. GmbH eine Vereinbarung, wonach er für die Sammlung und Weitergabe von projektbezogenen Informationen im Falle der Auftragsvergabe 1 % der Nettoprojektsumme erhalten solle. Eine entsprechende Provisionsvereinbarung traf er am 20. Februar/8. März 2005 auch mit der L. GmbH, die sich als Subunternehmerin für verschiedene Anlagebauer für das Bauteil Rauchgasreinigung an der Ausschreibung beteiligen wollte.
7
d) Der Angeklagte G. übersandte dem Angeklagten K. eine von ihm unter dem Datum 15. Mai 2004 unterzeichnete Vereinbarung, wonach er bei erfolgreicher Auftragsvermittlung/Beratung hinsichtlich des Projekts MVA R. einen Anteil von 50 % zuzüglich Umsatzsteuer von seiner möglichen Provisionsforderung gegen die M. GmbH an K.
abtrete. Eine Kopie der in Bezug genommenen Provisionsvereinbarung vom 23. April/12. Mai 2004 war der Abtretungsvereinbarung beigefügt.
8
Ferner übermittelte der Angeklagte G. dem Angeklagten K. eine weitere von ihm unterschriebene, undatierte Vereinbarung, die die Abtretung von 50 % seiner Provisionsansprüche an K. gegenüber der L. GmbH bei erfolgreicher Auftragsvermittlung zum Inhalt hatte. In einem Begleitschreiben – dem die Provisionsvereinbarung vom 20. Februar/8. März 2005 beigefügt war – wurde ausgeführt: „Habe bewusst, aus bekannten Gründen, in der Abtretungsvereinbarung kein Datum einge- tragen“.
9
e) Der Lenkungsausschuss der B. beschloss am 22. November 2005 die Modernisierung der Kessel 5 bis 8 der MVA R. bei ei- nem Investitionsvolumen von etwa 139 Mio. € (plus/minus 15 %) durchzufüh- ren; der Aufsichtsrat der B. stimmte am 21. Dezember 2005 der Entscheidung zu. Die öffentliche Ausschreibung erfolgte schließlich am 21. Dezember 2006. Es bewarben sich sechs Unternehmen, unter anderem die M. GmbH sowie die L. GmbH als Subunternehmerin dreier Firmen für das Bauteil Rauchgasreinigung. Die B. forderte vier der Unternehmen zur Angebotsabgabe auf. Die M. GmbH teilte mit Schreiben vom 7. Mai 2007 mit, dass sie kein Angebot abgeben wolle, so dass der Auftrag anderweitig – an ein später ebenfalls vom Angeklagten G. beratenes Unternehmen – vergeben wurde. Ob die L. GmbH als Subunternehmerin das Gewerk Rauchgasreinigung erstellt hat, wird im Urteil nicht erörtert.
10
3. Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen und „eng damit zusammenhängenden“ rechtlichen Gründen freigesprochen.
11
a) Die Wirtschaftsstrafkammer hat zwar die in der Anklage geschilderten äußeren Abläufe zur Sanierung der MVA R. und zu den Handlungen des Angeklagten G. als weitgehend bestätigt angesehen. Sie hat sich aber nicht zu überzeugen vermocht, dass es „in bestimmbaren Fällen zur Weitergabe bestimmter Informationen“ (UA S. 10) durch den Angeklagten K. an den Angeklagten G. kam. Das Landgericht referiert hierbei die die Angeklagten belastenden Umstände und stellt diese den entlastenden Umständen – so z. B., dass die Informationen „keineswegs von so besonderer Qualität und Aktualität“ (UA S. 24), sondern teilweise veraltet und fehlerhaft gewesen seien, als dass sie vom Angeklagten K. stammen könnten – gegenüber.
12
b) Des Weiteren hält das Landgericht es sogar für erwiesen, dass die Angeklagten eine Unrechtsvereinbarung im Sinne der §§ 332, 334 StGB nicht geschlossen haben. Zwar sprächen die von dem Angeklagten G. an den Angeklagten K. übermittelten Abtretungsvereinbarungen – dieletzterer jedoch nicht unterschrieben habe – und die engen Kommunikationsbeziehungen für eine solche Unrechtsvereinbarung. Maßgeblich sei jedoch, dass eine Einflussnahme des Angeklagten K. „in irgendeiner Art und Weise für die Vergabe des Auftrags an die M. GmbH oder mittelbar an die L. GmbH“ (UA S. 28/29) ebenso wenig festzustellen gewesen sei wie – im Hinblick auf dessen auskömmliche Vermögenslage – ein persönliches eigenes Interesse an einer Beteiligung an etwaigen Provisionszahlungen.
13
c) Schließlich sieht die Wirtschaftsstrafkammer durch die Handlungen der Angeklagten einen Verrat von Geschäftsgeheimnissen (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG) – und wohl auch eine Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB) – nicht als tatbestandlich verwirklicht an, weil die von dem Angeklagten G. an seine Auftraggeber weitergegebenen Informationen keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthielten. Denn es habe, mit Ausnahme der B. -internen Schätzpreise, insoweit bereits an einem Geheimhaltungswillen der Verantwortlichen der B. – ungeachtet etwaiger sachlicher Mängel – gefehlt. Hinsichtlich der Schätzpreise/Kostenrahmen erweise sich die Kenntnis der Anbieter von deren Höhe als „völlig ungeeig- net, um die B. als Ausschreibende wirtschaftlich zu schädigen oder zu ge- fährden“, denn ein „wirtschaftlicher Nachteil wäre allenfalls dann denkbar, wenn ein Anbieter aufgrund der Kenntnis eines Schätzpreises in der Lage wäre, ein weniger günstiges Angebot abzugeben, als er es ohne Kenntnis des Betrages würde, so dass der B. als Ausschreibender letztlich (möglicherweise ) ein weniger wirtschaftliches Angebot gemacht wird als in Un- kenntnis der Schätzsumme“ (UA S. 36). Da dieser Anbieter mit dem Wettbe- werb seiner Konkurrenten zu rechnen hat, müsste er bei seiner Angebotsabgabe jedoch zudem Kenntnis aller konkurrierenden Angebote haben, um sicher den Zuschlag zu bekommen.
14
4. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung schon deswegen nicht stand, weil es nicht den Anforderungen entspricht, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
15
a) Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen – worauf die Wirtschaftsstrafkammer in erster Linie abstellt – muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat das Tatgericht in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen , die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten.
16
b) In den Urteilsgründen fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Einlassungen der Angeklagten. Ausführungen dazu, ob überhaupt und gegebenenfalls wie sich der Angeklagte G. eingelassen hat, enthält das Urteil nicht. Das Verteidigungsvorbringen des Angeklagten K. , der sich ausweislich des Urteils zur Sache eingelassen hat (UA S. 29), ist lediglich punktuell und verstreut wiedergegeben; eine geschlossene Darstellung fehlt.
17
Zwar ist die Wiedergabe der Einlassung eines Angeklagten kein Selbstzweck (vgl. BGH, Urteile vom 23. Januar 1997 – 4 StR 526/96, NStZ-RR 1997, 172; und vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110); jedoch muss das Urteil den Aussageinhalt so darlegen, dass eine revisionsrechtliche Prüfung dahin erfolgen kann, ob das Tatgericht den Anklagevorwurf zu Recht für nicht nachweisbar erachtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 1 StR 320/12, NJW 2013, 1688). Insbesondere ist es unerlässlich , das Verteidigungsvorbringen eines Angeklagten zu einer zentralen Beweisfrage im Einzelnen darzustellen und sich mit diesem im Rahmen der Beweiswürdigung auseinanderzusetzen. Daran fehlt es vorliegend; die Beweiswürdigung ist daher insgesamt bezüglich beider Angeklagten lückenhaft.
18
Dies gilt vor allem für die Würdigung der beiden Abtretungserklärungen und der beigefügten Provisionsvereinbarungen des Angeklagten G. , die bei einer nach Begleitumständen in den Urteilsgründen nicht näher dargestellten Durchsuchung der Wohnräume des Angeklagten K. aufgefunden wurden. Ohne dass es auf eine beiderseitige Unterzeichnung etwa entscheidend ankäme, drängen die, zumal bei einer Ablage im Wohnbereich des Angeklagten K. , ohne vorangegangene Absprachen zwischen den Beteiligten inhaltlich schwer erklärbaren Abtretungserklärungen für sich vor dem Hintergrund der weiteren Kontakte der Angeklagten und ihrer damaligen Betätigungsfelder einen Rückschluss auf ein Angebot G. s an K. auf, ihm für nutzbar zu machende B. -interne Informationen einen Anteil an seinem Gewinn zukommen zu lassen. Welche Einlassungen die Angeklagten zu diesem schwerwiegenden Indiz in der Hauptverhandlung und etwa zuvor abgegeben haben, ist für die Beurteilung der Frage unerlässlich , ob eine abweichende harmlose Erklärung überhaupt zu finden ist.
19
Zudem stellt das Landgericht zahlreiche Kontakte zwischen den Angeklagten fest, die zeitlich teilweise mit den Sitzungen des Lenkungsausschusses und mit der anschließenden Weitergabe von Informationen durch den Angeklagten G. an seine Auftraggeber korrespondierten. Welchen Gesprächsinhalt die zahlreichen Kontakte zwischen den Angeklagten nach deren Einlassungen zum Gegenstand hatten, lässt das Landgericht ebenfalls unerörtert. Es fehlt auch jede Auseinandersetzung mit der Motivationslage des Angeklagten K. , weiterhin den Kontakt mit dem Angeklagten G. aufrechtzuerhalten, obwohl – wovon die Wirtschaftsstrafkammer ausgehen musste – er von diesem zwei finanzielle Angebote zur Zusammenarbeit erhalten hat, die seiner Stellung als Mitglied im Lenkungsausschuss der B. , ab Übernahme einer Vorstandsposition als Amtsträger, im Sinne einer Unrechtsvereinbarung entgegenstehen.
20
5. Die Wertung des Landgerichts, dass die Schätzkosten und der Kostenrahmen des Sanierungsvorhabens (Fälle 3, 5, 6 und 8 der Anklage) keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse im Sinne des § 17 Abs. 2 UWG – und offenbar auch keine Dienstgeheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB – darstellen würden, begegnet rechtlichen Bedenken.
21
Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Wirtschaftsstrafkammer davon aus, dass unter den Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (§ 17 Abs. 2 UWG) nur solche betriebsbezogene Tatsachen fallen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, die ferner nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber deshalb ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil die Aufdeckung der Tatsache geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 1995 – 1 StR 764/94, BGHSt 41, 140, 142 zu § 17 UWG aF, und vom 27. April 2006 – I ZR 126/03, NJW 2006, 3424). Die Bewertung , dass das Bekanntwerden der Schätzkosten und des Kostenrahmens ungeeignet sei, den Betriebsinhaber wirtschaftlich zu schädigen oder zu gefährden, ist nicht tragfähig.
22
Für den Ausschreibenden sind die Geheimhaltung seiner internen Kalkulationsgrundlagen und deren Ergebnis grundsätzlich entscheidend für einen offenen Wettbewerb der sich nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierenden Anbieter. Das Bekanntwerden eines Kostenrahmens führt dazu, dass die Anbieter sich bereits im öffentlichen Ausschreibungsverfahren bei ihrer Angebotsabgabe an dem Höchstpreis ausrichten und diesen ausschöpfen können. Auch wenn – wie das Landgericht meint – der Anbieter, der den Kostenrahmen des Ausschreibenden kennt, sich bei Abgabe eines sich dem Höchstpreis annähernden Angebots nicht sicher sein kann, den Zuschlag vor einem preisgünstigeren Wettbewerber zu erhalten, so besteht für den Ausschreibenden die Gefahr, dass der von ihm erwünschte Wettbewerb eingeschränkt und durch etwaige Preisabsprachen der Wettbewerber unterlaufen wird. Insofern wären auch die Aussagen der Zeugen aus dem verantwortlichen Geschäftsbereich der B. zu hinterfragen gewesen, dass die Veröffentlichung des internen Schätzpreises allein deswegen unterblie- ben sei, weil solche Angaben „erfahrungsgemäß zu lästigen Nachfragen führe , was genau in der Summe enthalten sei“ (UA S. 37).
23
Schließlich kann die Bewertung des Landgerichts nicht nachvollzogen werden, dass die Höhe des Kostenrahmens deshalb als nicht geheimhaltungsbedürftig anzusehen ist, weil der „nackte Betrag von 139 Millionen Eu- ro“ – entsprechend einer Zeugenaussage – ohne Angabe eines Sicherheits- zuschlags von 15 % und der Mitteilung, ob es sich um einen Brutto- oder Nettobetrag handeln würde, zumindest irreführend sei, wenn nicht gar eine Fehlinformation darstelle. Aus den Sachverhaltsfeststellungen ist zum Teil ersichtlich, dass diese Zusatzangaben den Anbietern vom Angeklagten G. mitgeteilt wurden.
24
6. Die Sache bedarf daher – soweit das Urteil von der Staatsanwaltschaft angefochten ist – insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Im Rahmen der Kognitionspflicht (§ 264 StPO) wird das neue Tatgericht hinsichtlich der Tatvorwürfe 3, 5 und 6 bei entsprechenden Feststellungen gehalten sein, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 und 2 StGB zu prüfen (vgl. BGH, Urteile vom 9. August 2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290, 3298; vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105 f.; vom 10. Juli 1957 – 4 StR 5/57, BGHSt 10, 358, 365 ff.; und vom 13. Mai 1952 – 1 StR 670/51, BGHSt 2, 396, 403 f.).
25
Der Senat weist allerdings darauf hin, dass das angefochtene Urteil stark darauf hindeutet, dass das Gewicht eines etwaigen Geheimnisverrats jedenfalls nicht beträchtlich wäre; zudem mag der Nachweis der Zurückführung auf die Kontakte zwischen den Angeklagten angesichts weiterer B. - naher Kontakte des Angeklagten G. schwierig sein. So erscheint keineswegs undenkbar, dass sich zwar korruptive Kontakte zwischen den Angeklagten nachweisen lassen, gleichwohl allenfalls eine Strafbarkeit nach §§ 331, 333 bzw. § 299 StGB, wenn diese nicht nachweislich auf Dienstpflichtverletzungen des Angeklagten K. zielten.
Basdorf Dölp König Berger Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2013 - 5 StR 152/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2013 - 5 StR 152/13

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Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 26 Anstiftung


Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Strafgesetzbuch - StGB | § 299 Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens 1. einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprech
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1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1.
bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

(2) Wer einem Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine richterliche Handlung

1.
vorgenommen und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder
2.
künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzen würde,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung anbietet, verspricht oder gewährt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er den anderen zu bestimmen versucht, daß dieser

1.
bei der Handlung seine Pflichten verletzt oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei der Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen läßt.

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1.
bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

(2) Wer einem Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine richterliche Handlung

1.
vorgenommen und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder
2.
künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzen würde,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung anbietet, verspricht oder gewährt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er den anderen zu bestimmen versucht, daß dieser

1.
bei der Handlung seine Pflichten verletzt oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei der Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen läßt.

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 320/12
vom
20. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten Dr. R. ,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kempten vom 18. Januar 2012 werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse zu drei Vierteln und die Nebenklägerin zu einem Viertel.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten Dr. S. und Dr. R. von den Vorwürfen der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Betruges freigesprochen.
2
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben keinen Erfolg.

A.


I.


3
Den Angeklagten lag zur Last, bei dem an einer Leberzirrhose leidenden Geschädigten im September 2006 im Klinikum L. bewusst ohne genügende Aufklärung eine sogenannte autologe Hepatozytentransplantation (im Weiteren : Leberzelltransplantation) durchgeführt und durch den Eingriff den Tod des Geschädigten verursacht zu haben. Dabei soll der Angeklagte Dr. S. als behandelnder Arzt dem Patienten, der ihm gegenüber in den Eingriff eingewilligt hatte, bewusst aufklärungsrelevante Umstände verschwiegen haben; der Angeklagte Dr. R. soll - z.T. unter Assistenz des Angeklagten Dr. S. - sodann in Kenntnis der unzureichenden Aufklärung den mehrstufigen Eingriff durchgeführt haben.
4
Darüber hinaus lag den Angeklagten zur Last, bei der Abrechnung des Klinikums mit der Krankenversicherung des Geschädigten durch die Nutzung eines für Krankenhausabrechnungen allgemein üblichen, standardisierten Codierungssystems bewusst wahrheitswidrig die Abrechenbarkeit ihrer Behandlung vorgespiegelt zu haben, obwohl sie wussten, dass diese nicht vom Leistungsspiegel der Krankenversicherung erfasst war. Infolge des dadurch erregten Irrtums soll die geschädigte Krankenversicherung - der Absicht der Angeklagten entsprechend - am 2. Januar 2007 einen Betrag von insgesamt 10.344,59 Euro an das Klinikum erstattet haben, der diesem mangels gültiger Vergütungsgrundlage nicht zustand.

II.


5
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte war nach langjährigem Alkoholmissbrauch an Leberzirrhose erkrankt und hatte bereits mehrere lebensbedrohliche Krankheitsschübe mit komatösen Phasen durchlitten. Die bei dieser Diagnose als Standardmethode übliche Lebertransplantation lehnte er ab: Zum einen missfiel ihm die Aussicht, ein fremdes Organ in sich tragen zu müssen; zum anderen wollte er nicht auf ein Spenderorgan warten und einem erneuten, möglicherweise tödlichen Schub seiner Erkrankung durch eine rasche Behandlung vorbeugen. Schließlich war ihm bei einem nur kurz zurückliegenden Krankenhausaufenthalt in Lü. auch seitens der dort praktizierenden Ärzte wegen seines reduzierten Allgemeinzustandes von einer Lebertransplantation abgeraten worden.
7
Auf der Suche nach alternativen Behandlungsmethoden stieß der Geschädigte im Frühjahr 2006 auf das von der Münchener Firma H. beworbene Verfahren der Leberzelltransplantation, das unter Leitung des Angeklagten Dr. S. im Klinikum L. angewendet wurde. Bei diesem Verfahren werden aus dem Leberzellgewebe des Patienten entnommene Leberzellen isoliert , kultiviert und auf eine Biomatrix aufgebracht, um sodann in das Dünndarmmesenterium implantiert zu werden, wo sie die Leberfunktion unterstützen sollen. Der Geschädigte, der sich für das Verfahren interessierte, übersandte dem Angeklagten Dr. S. daraufhin seine Befunde.
8
Am 16. Mai 2006 trat der Angeklagte Dr. S. mit dem Geschädigten telefonisch in Kontakt. Der Geschädigte berichtete von seiner Krankengeschichte und seiner Einstellung zur Lebertransplantation. In diesem Zusam- menhang bezeichnete er die Leberzelltransplantation als seinen „letzten Rettungsanker“ und betonte, dass er „es trotz der geringen Erfahrungswerte versuchen wolle“. Zwei weitere, persönlicheAufklärungsgespräche führte der Angeklagte Dr. S. mit dem Geschädigten am 20. Juli 2006 und am 18. September 2006 durch. Zudem erhielt der Geschädigte schriftliches Informationsmaterial zum Verfahren der Leberzelltransplantation. Im Ergebnis war er über Diagnose und Risiken der Behandlungsmethode in Kenntnis gesetzt, während einige für die Beurteilung deren medizinischen Nutzens relevante Faktoren nicht in ausreichender Tiefe erörtert worden waren. Subjektiv hielt der Angeklagte Dr. S. jedoch irrig seine Aufklärungsbemühungen für ausreichend.
9
Am 18. September 2006 erteilte der Geschädigte seine Einwilligung in die Operation. Dem Angeklagten Dr. R. erklärte er auf Nachfrage, er habe keine Fragen mehr zu dem Eingriff. Infolgedessen ging auch der Angeklagte Dr. R. von der Hinlänglichkeit der in der Patientenakte dokumentierten Aufklärung aus und nahm die operativen Teileingriffe am 19. September 2006 und - unter Assistenz des Angeklagten Dr. S. - am 26. September 2006 jeweils lege artis vor. Dazwischen wurde am 21. September 2006 eine arterielle Neublutung ordnungsgemäß operativ versorgt.
10
Ab dem 1. Oktober 2006 verschlechterte sich der Zustand des Geschädigten. Nach seiner Verlegung auf die Intensivstation des Klinikums in München verstarb er dort am 25. November 2006 an einem Multiorganversagen.
11
2. Als Grundlage der später erstellten Abrechnung des Klinikums gab der Angeklagte Dr. R. noch im Operationssaal die zutreffenden Codierungen der durchgeführten Operationsschritte in das hierzu wie üblich genutzte Com- puterprogramm ein. Dass diese Schritte ihrerseits Bestandteile der nicht von der Leistungspflicht der Krankenversicherung umfassten Leberzelltransplantation waren, wurde weder von ihm noch von dem die Behandlung leitenden Angeklagten Dr. S. offenbart. Eine fallbezogene Vergütungsvereinbarung war nicht getroffen worden. Der Angeklagte Dr. S. stellte jedoch zum 31. Oktober 2006 beim InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) einen Antrag auf Aufnahme der Leberzelltransplantation in die Richtlinien für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB), um eine Anerkennung der Vergütungsfähigkeit dieser Methode zu erreichen. Auf die Abrechnung des Klinikums erstattete die Krankenversicherung des Geschädigten am 2. Januar 2007 einen Betrag in Höhe von 10.344,59 Euro. Der Betrag wurde bis zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung von der Krankenkasse, trotz der Kenntnis , dass die drei Operationen im Rahmen einer autologen Hepatozytentransplantation durchgeführt wurden, nicht zurückgefordert. Der Antrag des Angeklagten Dr. S. beim InEK wurde am 31. Januar 2007 positiv verbeschieden.
12
3. Das Landgericht hat die Angeklagten von den Vorwürfen der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Betruges aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
13
Bezüglich der Körperverletzungsdelikte sei den Angeklagten vorsätzliches Handeln nicht nachzuweisen, weil sie die objektiv bestehenden Aufklärungsmängel nicht erkannt hätten und irrig von einer wirksamen Einwilligung des Geschädigten ausgegangen seien. Zudem sei das Handeln der Angeklagten aufgrund hypothetischer Einwilligung gerechtfertigt. Für den insoweit subsidiären Vorwurf der fahrlässigen Tötung fehle es infolge dessen am erforderlichen Pflichtwidrigkeitszusammenhang.
14
Ein Betrug gegenüber der Krankenversicherung liege bereits mangels Vermögensschadens bzw. konkreter Vermögensgefährdung nicht vor. Der Vorwurf des versuchten Betruges scheitere zudem jeweils am Fehlen einer bewussten Täuschungshandlung mit rechtswidriger Bereicherungsabsicht.

B.


15
Die auf die Sachrüge und - seitens der Staatsanwaltschaft - auch auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen bleiben erfolglos.

I.


16
Das Urteil genügt den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO, insbesondere enthält es einen zusammenhängenden, der Beweiswürdigung vorangestellten Abschnitt zu den Feststellungen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). Im Rahmen der Beweiswürdigung sind sodann die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht im Zusammenhang, sondern in Teilen jeweils an verschiedenen Stellen dargelegt worden (UA S. 13, 14, 15, 16, 21), was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Darstellungsmangel begründen kann (BGH, Urteile vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11; vom 1. April 1992 - 2 StR 614/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8 mwN; Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90). Gemessen am Zweck des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO liegt ein solcher Mangel aber nicht vor, wenn dem Revisionsgericht auch bei einer von diesen Maßstäben abweichenden Darstellung die Prüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung auf Rechtsfehler hinreichend möglich bleibt (BGH, Urteil vom 1. April 1992 - 2 StR 614/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8). Diesen Anforderungen wird das Urteil noch gerecht.

II.


17
Der Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
18
1. Ohne Rechtsfehler ist die Strafkammer - ausgehend von einer nicht zu beanstandenden Einordnung der Operation als ärztlicher Heileingriff - zu der Bewertung gelangt, dass die von dem Geschädigten abgegebene Einwilligungserklärung objektiv unwirksam war, weil er jedenfalls nicht hinreichend über den potenziellen Nutzen der „Neulandmethode“ aufgeklärt worden war.
19
2. Sodann hat die Strafkammer die Strafbarkeit des Vorgehens der Angeklagten wegen des Vorliegens einer hypothetischen Einwilligung verneint (zu dieser Rechtsfigur vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11, NStZ 2012, 205 f.; Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03, NStZ-RR 2004, 16 mwN; Urteile vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03, NStZ 2004, 442, und vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34 f.; weit. Nw. bei Sowada NStZ 2012, 1 ff.; vgl. auch BGH, Urteile vom 23. Oktober 2007 - 1 StR 238/07 und vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06, NStZ-RR 2007, 340, 341). Deren - strenge - Voraussetzungen hat sie im vorliegenden Einzelfall ohne revisiblen Rechtsfehler festgestellt.
20
Ihre Auffassung, der Geschädigte würde nicht ausschließbar auch bei vollständiger Aufklärung in den Eingriff eingewilligt haben, hat sie durch konkre- te Feststellungen untermauert: Der Geschädigte habe eine Lebertransplantation nicht mehr gewollt (UA S. 6, 16), weil ihm hiervon bereits 2006 abgeraten worden war (UA S. 6, 15), weil er das Tragen fremder Organe grundsätzlich ablehnte (UA S. 6, 10, 15), und weil er infolge seiner Furcht vor weiteren lebensbedrohlichen Schüben seiner Erkrankung die (erneute) Aufnahme in eine Warteliste für eine Lebertransplantation befürchtete (UA S. 6, 10). Seine unbe- dingte Bereitschaft, sich „trotz der geringen Erfahrungswerte“ der neuartigen Behandlungsmethode zu unterziehen („letzter Rettungsanker“), hatte der Ge- schädigte auch gegenüber dem Angeklagten Dr. S. klar und deutlich geäußert (UA S. 7).
21
Ihre Feststellungen hat die Strafkammer in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise neben der Einlassung des Angeklagten Dr. S. vor allem auf die Angaben der Witwe des Geschädigten gestützt (UA S. 13,

15).


22
Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer sich bei dieser besonderen, durch Tatsachen fundierten Sachlage keine Überzeugung dahingehend hat bilden können, dass der Geschädigte bei vollständiger Aufklärung die Einwilligung in den Eingriff verweigert hätte, oder dass die Angeklagten mit einer solchen Verweigerung gerechnet hätten (vgl. zur Anwendung des Zweifelssatzes BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11, NStZ 2012, 205; Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03, NStZ-RR 2004, 16, 17 mwN; Urteil vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34,

35).


23
Mit dem weiteren Vorbringen, es sei nicht ersichtlich, warum der Ge- schädigte „sich auf ein hochexperimentelles Verfahren hätte einlassen sollen“, zeigt die Revision lediglich eine abweichende Beweiswürdigung auf; hiermit kann sie indes im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
24
3. Eine andere Bewertung hätte sich ergeben können, wenn die Angeklagten den Geschädigten gezielt über die mangelnden validen Erfolgsaussichten der Behandlung getäuscht hätten (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 300/03, NStZ-RR 2004, 16, 17). Die Urteilsgründe ergeben hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. Die Verfahrensrügen, mit denen die Staatsanwaltschaft die Feststellung weiterer bzw. vertiefter Aufklärungsverstöße erstrebt, die im Ergebnis eine vorsätzliche Täuschung des Geschädigten durch die Angeklagten nahelegen und eine hypothetische Einwilligung ausschließen würden, haben keinen Erfolg.
25
a) Der Rüge, das Gericht habe „betreffend die Voraussetzungen der von den Angeklagten angewendeten Methode und insbesondere die Alternative einer Lebertransplantation“ weitere Zeugen, namentlich die Hausärztin des Ge- schädigten und diesen früher behandelnde Ärzte im Klinikum Lü. , nicht gehört, ist bereits unzulässig erhoben. Denn die Revision legt schon keine bestimmten Beweistatsachen und kein zu erwartendes, konkretes Beweisergebnis dar (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).
26
b) Auch die Rüge der Verletzung des § 261 StPO wegen unrichtiger Wiedergabe des Inhalts eines Arztbriefs vom 16. Mai 2006 in den schriftlichen Urteilsgründen versagt.
27
Die Strafkammer sieht die Einlassung des Angeklagten Dr. S. zum Inhalt des zwischen ihm und dem Geschädigten am 16. Mai 2006 geführten Telefonats - insbesondere seine Behauptung, eine alternative Lebertransplantation habe der Patient ihm gegenüber abgelehnt - durch den Inhalt des von ihm im Anschluss an das Telefonat gefertigten Arztbriefs bestätigt. Hierzu beruft sie sich auf die - eher unklare - Formulierung im Arztbrief, wonach eine Lebertransplantation „bisher nicht mehr erwogen“ worden sei (UA S. 15). Tatsäch- lich heißt es in dem Arztbrief jedoch, die Lebertransplantation sei „bisher noch nicht erwogen“ worden.
28
Es bestehen bereits Bedenken, dass die Rüge zulässig erhoben ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Hiergegen spricht, dass nur der betreffende Ausschnitt des zweiseitigen Arztbriefs, nicht jedoch dessen weiterer Inhalt vorgetragen wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 647/11; Urteile vom 12. Juli 1995 - 3 StR 366/93, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Besetzungsrüge 5; vom 28. Juni 1995 - 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; vom 21. Juli 1994 - 1 StR 83/94, BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Telefonüberwachung 1; Beschluss vom 16. Januar 1991 - 3 StR 414/90, BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 2).
29
Jedenfalls ist die Rüge aber unbegründet. Das Landgericht stützt sich bezüglich einzelner Inhalte der Aufklärungsgespräche - etwa bezüglich der Bewertung der neuen Methode als Alternative zur Lebertransplantation (UA S. 14) - neben dem Arztbrief auch auf die Aussage der Witwe des Geschädigten. Eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung zum Zwecke der Prüfung, ob sich die beanstandete Feststellung nur auf den Arztbrief oder auch auf die Aussage dieser Zeugin stützt, ist dem Revisionsgericht jedoch versagt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 21, und vom 3. September 1997 - 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 214 mwN).

III.


30
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Angeklagten auch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Es hat mit Blick auf die erteilte hypothetische Einwilligung des Geschädigten zu Recht den erforderlichen Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen den Aufklärungsverstößen und dem Tod des Geschädigten verneint (zur hypothetischen Einwilligung mit Blick auf den Maßstab der zudem erforderlichen Vorhersehbarkeit, vgl. auch BGH, Urteile vom 28. Oktober 1960 - 4 StR 375/60 und vom 28. Juni 1963 - 4 StR 202/63, JZ 1964, 231 f.).

IV.


31
Auch der Freispruch vom Vorwurf des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
32
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht eine objektive Täuschung der Krankenversicherung - naheliegend war hier eine Täuschung nicht durch Falschcodierung, sondern durch die gleichzeitige Behauptung der grundsätzlichen Abrechenbarkeit der Leistung (vgl. BGH, Urteile vom 4. September2012 - 1 StR 534/11, und vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388, 389; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11) - angenommen.
33
2. Ohne revisiblen Rechtsfehler hat die Strafkammer indes bei dem Angeklagten Dr. R. - unter Hinweis auf dessen gänzlich fehlende Vorstellungen über die weitere Abwicklung der Abrechnung - bereits den Täuschungsvorsatz verneint.
34
Auf der Basis der Feststellungen des Landgerichts fehlte den Angeklagten zudem jedenfalls der zur Tatbestandserfüllung erforderliche Vorsatz betreffend die Erregung eines Irrtums der Krankenkasse des Geschädigten. Die Angeklagten vertrauten auf die Vorlage der mit dem Vermerk „Leberzelltransplan- tation“ versehenen Einweisungsbescheinigung der Hausärztin (UA S. 22); zu- dem bestand ausweislich der Aussage des Zeugen Sch. eine offensichtliche und erhebliche Kostendifferenz zur Standardmethode der Lebertransplantation (UA S. 22).
35
Auf die hinzutretenden gewichtigen Bedenken, die auch gegen die Annahme einer von den Angeklagten erstrebten rechtswidrigen Bereicherung sprechen - etwa das parallel geführte InEK-Verfahren (UA S. 12, 22) und die bereits mehr als eineinhalb Jahre währende Dauer der Anwendung der Methode an 30 Patienten (UA S. 6, 9) - kommt es mithin nicht mehr an.

C.


36
Die Staatskasse hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1957 - 1 StR 33/57, BGHSt 11, 189 ff.). Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst. Die Kostenschuld bezüglich der gerichtlichen Auslagen obliegt beiden Beschwerdeführern (BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - 3 StR 130/03). Dabei hat der Senat wegen des geringeren Umfangs der Beteiligung der Nebenklägerin am Revisionsverfahren deren Verpflichtung gegenüber derjenigen der Staatskasse entsprechend herabgesetzt. VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Rothfuß Cirener Radtke

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 126/03 Verkündet am:
27. April 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kundendatenprogramm
UWG § 17 Abs. 1 und 2 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11

a) Eine Liste mit Kundendaten kann unabhängig davon ein Geschäftsgeheimnis
i.S. von § 17 Abs. 1 UWG darstellen, ob ihr ein bestimmter Vermögenswert
zukommt.

b) EinausgeschiedenerMitarbeiter, der ein Geschäftsgeheimnis seines früheren
Arbeitgebers schriftlichen Unterlagen entnimmt, die er während des früheren
Dienstverhältnisses zusammengestellt und im Rahmen seiner früheren Tätigkeit
befugtermaßen bei seinen privaten Unterlagen – etwa in einem privaten
Adressbuch oder auf einem privaten PC – aufbewahrt hat, verschafft sich damit
dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (im
Anschluss an BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453 = WRP
2003, 642 – Verwertung von Kundenlisten).
BGH, Urt. v. 27. April 2006 – I ZR 126/03 – OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. April 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist ein britisches Unternehmen, das ebenso wie die Beklagte europaweit Leiterplatten vertreibt. Die Klägerin unterhält seit Dezember 1999 in O. bei München eine Niederlassung. Die im April 2000 gegründete Beklagte ist ebenfalls in O. ansässig, und zwar im selben Gebäude wie die Niederlassung der Klägerin. Die später als Geschäftsführer der Beklagten fungierenden Miklos H. und Oskar S. (im Folgenden: Geschäftsführer der Beklagten) waren von Dezember 1999 bis März 2000 für die Klägerin tätig und dort u.a. mit der Bearbeitung des Kundenverwaltungsprogramms befasst. Zuvor waren sie bei der Ende 1999 liquidierten M. P. E. GmbH (im Folgenden: MPE) beschäftigt, die ihre Kundendaten im Dezember 1999 an die Klägerin verkauft hatte. Diese Daten entsprechen weitgehend der von der Klägerin als Anlage K 1 vorgelegten Kundenliste , die über 1.300 Eintragungen vor allem aus der Zeit zwischen Dezember 1996 und März 1999 enthält.
2
Die Klägerin hat behauptet, die beiden Geschäftsführer der Beklagten hätten sich während ihrer Tätigkeit für die Klägerin deren Kundenverwaltungsprogramm einschließlich der Kundendaten angeeignet. Die Beklagte verwende diese Kundenliste seitdem, um systematisch die Kunden der Klägerin abzuwerben. Die Beklagte habe Angebotsschreiben an Kunden der Klägerin versandt, die fast vollständig – auch hinsichtlich der Preise und des Wortlauts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – mit den Angebotsschreiben der Klägerin übereinstimmten. Die von der Beklagten verwendeten Bestellformulare, Auftragsbestätigungen und Angebote glichen ebenfalls weitgehend den entsprechenden Unterlagen der Klägerin. Dass die Beklagte in großem Stil Angebote an Kunden der Klägerin geschickt hat, entnimmt die Klägerin einer Telefonrechnung, die nach ihrer Darstellung versehentlich nicht der Beklagten, sondern ihr zugestellt worden ist. Den beigefügten Einzelgesprächsnachweisen sei zu entnehmen, dass vom Anschluss der Beklagten nacheinander Telefaxsendungen an 44 Kunden aus der Kundenliste der Klägerin geschickt worden seien.
3
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, auf Herausgabe oder Löschung des Datenbestands sowie auf Auskunft in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Den Besitz der Kundenliste hat sie bestritten. Im Übrigen hat sie die Ansicht vertreten, die Liste gehöre nicht der Klägerin und stelle auch nicht deren Geschäftsgeheimnis dar.
4
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die – vom Senat zugelassene – Revision der Klägerin, mit der sie ihre Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt , die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Berufungsgericht hat die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses der Klägerin durch die Beklagte verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
6
Ob es sich bei der Kundenliste um ein Geschäftsgeheimnis i.S. von § 17 Abs. 1 UWG (a.F.) handele, sei im Hinblick auf den von der Klägerin für den Erwerb der Liste gezahlten Preis zweifelhaft. Jedenfalls fehle es an einer Weitergabe des Geheimnisses an einen Dritten während der Dauer des mit der Klägerin bestehenden Dienstverhältnisses nach § 17 Abs. 1 UWG (a.F.). Der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.) sei schon deswegen nicht erfüllt, weil die Geschäftsführer der Beklagten im Laufe ihrer Tätigkeit für die Klägerin berechtigterweise Kenntnis vom Inhalt der Kundenliste erhalten hätten; außerdem stehe nicht fest, dass sie sich die Kundenliste angeeignet hätten. Auch ein Verstoß nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.) sei nicht dargetan, weil die nachfolgende Verwertung von Erkenntnissen nicht verboten sei, die ein Mitarbeiter während des Dienstverhältnisses redlich erlangt habe. Es könne nicht angenommen werden, dass die Beklagte ein Geschäftsgeheimnis verletzt habe, das dem Unternehmen zugestanden habe, von dem die Klägerin die Kundenliste erworben habe und für das die Geschäftsführer der Beklagten tätig gewesen seien. Insoweit fehle jeder Vortrag zu einer entsprechenden Tathandlung. Schließlich könne die Klägerin die Herausga- be oder Vernichtung der Kundenliste auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen.
7
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch der Klägerin auf Unterlassung, auf Herausgabe oder Löschung des Datenbestands sowie auf Auskunft und Schadensersatz nicht verneint werden.
8
1. Nach Erlass des Berufungsurteils ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in Kraft getreten. Die von der Klägerin geltend gemachten , in die Zukunft gerichteten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bestehen daher nur dann, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zu der Zeit, zu der es erfolgt ist, solche Ansprüche begründet hat und diese Ansprüche auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben sind. Die Frage, ob der Klägerin Schadensersatzansprüche und – als Hilfsansprüche zu deren Durchsetzung – Auskunftsansprüche zustehen, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlungen im Jahre 2000 geltenden früheren Recht (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2005 – I ZR 140/02, GRUR 2005, 603, 604 = WRP 2005, 874 – Kündigungshilfe, m.w.N.).
9
Die für diese Beurteilung maßgebliche Rechtslage hat sich allerdings inhaltlich durch das Inkrafttreten des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht geändert. Der Tatbestand des § 17 UWG n.F. entspricht inhaltlich weitgehend § 17 UWG a.F., so dass insofern im Folgenden nicht zwischen dem alten und dem neuen Recht unterschieden zu werden braucht.
10
2. Ob es sich bei den in der fraglichen Kundenliste gesammelten Kundendaten um Geschäftsgeheimnisse der Klägerin handelt, hat das Berufungsgericht als zweifelhaft angesehen, letztlich aber offen gelassen. Für die revisionsrechtliche Prüfung ist daher zugunsten der Klägerin von dem Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses auszugehen.
11
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Tatbestand der unbefugten Verwertung eines Geschäftsgeheimnisses nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG verneint hat. Ist von einem Geschäftsgeheimnis auszugehen , kann eine unbefugte Geheimnisverwertung nach dem Klagevorbringen nicht verneint werden.
12
a) Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, es fehle bereits daran, dass sich die Beklagte die Kundenliste unbefugt verschafft habe. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
13
aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derjenige, der von einem Geschäftsgeheimnis im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses Kenntnis erhält, sich dieses Geheimnis niemals unbefugt verschaffen könne. Daran ist zutreffend, dass ein ausgeschiedener Mitarbeiter die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden darf, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt (vgl. BGHZ 38, 391, 396 – Industrieböden ; BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91, 92 = WRP 2001, 1174 – Spritzgießwerkzeuge). Dies bezieht sich indessen nur auf Informationen, die der frühere Mitarbeiter in seinem Gedächtnis bewahrt (BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, GRUR 1999, 934, 935 = WRP 1999, 912 – Weinberater). Die Berechtigung , erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch be- kannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat (BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453, 454 = WRP 2003, 642 – Verwertung von Kundenlisten).
14
bb) Liegen dem ausgeschiedenen Mitarbeiter derartige schriftliche Unterlagen – beispielsweise in Form privater Aufzeichnungen oder in Form einer auf dem privaten Notebook abgespeicherten Datei – vor und entnimmt er ihnen ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, verschafft er sich damit dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (BGH GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten; Harte-Bavendamm in Harte/Henning, UWG, § 17 Rdn. 32 f.; vgl. ferner ders. in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts , 3. Aufl., § 48 Rdn. 49 ff.; Fezer/Rengier, UWG, § 17 Rdn. 70 ff.).
15
cc) Im Streitfall ist nach dem in der Revisionsinstanz mangels gegenteiliger Feststellungen zu unterstellenden Klagevorbringen davon auszugehen, dass sich einer der Geschäftsführer der Beklagten, deren Verhalten sie sich nach § 31 BGB anrechnen lassen muss, Daten aus der Kundenliste der Klägerin in diesem Sinne unbefugt beschafft hat. Nach dem Klagevorbringen sind von einem Telefonanschluss der Beklagten aus nacheinander 44 Kunden per Telefax unter Nummern angeschrieben worden, die den Nummern aus der Kundenliste der Klägerin entsprachen. Da es für diesen Umstand keine andere Erklärung gibt, hätte das Berufungsgericht von der nahe liegenden Möglichkeit ausgehen müssen, dass die Kundenliste der Klägerin im Besitz einer der Geschäftsführer der Beklagten ist und als Quelle für die Daten der angeschriebenen Kunden gedient hat (vgl. BGH GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten).
16
b) Ist davon auszugehen, dass sich die Beklagte das Geschäftsgeheimnis auf die beschriebene Weise unbefugt beschafft hat, kann auch eine unbefugte Verwertung i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht verneint werden. Soweit das Be- rufungsgericht in dieser Hinsicht ein schlüssiges Vorbringen der Klägerin vermisst, überspannt es die Anforderungen, die an den Vortrag eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu stellen sind.
17
4. Liegt ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor, ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/1487, S. 26 [zu § 16]; Köhler in Hefermehl /Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 17 UWG Rdn. 52; Schünemann in Harte/Henning, UWG, § 3 Rdn. 25; Harte-Bavendamm ebd. § 17 Rdn. 43). Die Schadensersatzverpflichtung folgt aus § 19 UWG a.F., ein vorbereitender Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 242 BGB. Soweit die Klägerin Herausgabe oder Vernichtung der im Besitz der Beklagten befindlichen Kundenliste beansprucht, kommt ein Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1958 – I ZR 73/57, GRUR 1958, 297, 298 – Petromax I; Köhler aaO § 17 UWG Rdn. 65).
18
III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Hierbei wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
19
1. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 111/53, GRUR 1955, 424, 425 – Möbelpaste ; Urt. v. 1.7.1960 – I ZR 72/59, GRUR 1961, 40, 43 = WRP 1960, 241 – Wurftaubenpresse; Urt. v. 7.11.2002 – I ZR 64/00, GRUR 2003, 356, 358 = WRP 2003, 500 – Präzisionsmessgeräte). Enthalten Kundenlisten die Daten von Kunden, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und die daher auch in Zukunft als Abnehmer der angebotenen Produkte in Frage kommen, stellen sie im Allgemeinen für das betreffende Unternehmen einen wichtigen Bestandteil seines „Good will“ dar, auf dessen Geheimhaltung von Seiten des Betriebsinhabers meist großer Wert gelegt wird (vgl. den der Entscheidung „Weinberater“ zugrunde liegenden Sachverhalt: BGH GRUR 1999, 934). Sofern die fragliche „Kundenliste“ derartige Daten enthält und es sich nicht lediglich um eine Adressenliste handelt, die jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erstellt werden kann, lässt sich der Charakter als Geschäftsgeheimnis auch nicht durch den günstigen Kaufpreis in Zweifel ziehen, zu dem die Klägerin die Kundenliste im Dezember 1999 von der MPE erworben hat. Ein Geschäftsgeheimnis braucht keinen bestimmten Vermögenswert zu besitzen; es reicht aus, dass es sich für die Klägerin nachteilig auswirken kann, wenn Dritte, insbesondere Wettbewerber, Kenntnis von den Daten erlangen (Köhler aaO § 17 UWG Rdn. 11). Es liegt in der Natur derartiger Kundenlisten, dass sie nicht in die Hand eines Wettbewerbers geraten dürfen und dass an ihnen daher ein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Dementsprechend dürfen an die Manifestation des Geheimhaltungswillens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, wenn sich dieser Wille aus der Natur der geheim zu haltenden Tatsache ergibt (BGHSt 41, 140, 142 zu Ausschreibungsunterlagen). Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass ein Geschäftsgeheimnis veräußert werden kann (BGHZ 16, 172, 175 – Dücko).
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2. Im weiteren Berufungsverfahren wird ferner zu klären sein, ob das Klagevorbringen , wonach von einem Telefonanschluss der Beklagten aus nacheinander 44 Kunden per Telefax unter Nummern angeschrieben wurden, die den Nummern aus der Kundenliste der Klägerin entsprechen, von der Beklagten bestritten wird. Auch wenn das Berufungsgericht dieses Klagevorbringen als streitigen Sachverhalt wiedergegeben hat, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht ohne weiteres entnehmen, dass sie die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Telefonrechnung vom 7. August 2000 bestreiten wollte. Nur wenn insoweit ein relevantes Bestreiten vorliegt, kommt es auf die weitere Frage an, ob die fragliche Telefonrechnung im vorliegenden Verfahren zu Beweiszwecken herangezogen werden kann.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.08.2002 - 9 HKO 24536/00 -
OLG München, Entscheidung vom 17.04.2003 - 6 U 4428/02 -

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 50/06
vom
9. August 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 8.
August 2006 in der Sitzung am 9. August 2006, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
1. Rechtsanwalt
2. Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 8. August 2006 -,
3. Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Mai 2005 werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision an. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

A.

2
Gegenstand des Verfahrens sind Zahlungen des Baukonzerns A. an den Angeklagten W. und den Mitangeklagten D. - der keine Revision eingelegt hat - im Zusammenhang mit dem Bau des Stadions "Allianz-Arena" in München. Das Landgericht hat zum Ausschreibungsverfahren und zu den Zahlungen des A. Konzerns an die Mitangeklagten folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Die Vereine FC Bayern München und TSV München von 1860 strebten den Bau eines fußballgerechten Stadions in München an, mit dem auch eine Bewerbung der Stadt München als Austragungsort für Spiele der Fußballweltmeisterschaft 2006 unterstützt werden sollte. Am 19. Juli 2001 wurde die europäische Ausschreibung des Bauprojekts im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens bekannt gegeben. Dabei wurden Planung und Bau gemeinsam ausgeschrieben. Zusammen mit Vertretern der Vereine wurde ein Lenkungsausschuss gebildet, der sich mit organisatorischen Fragen befasste. Diesem gehörte auch der Angeklagte an. Aus einer Vielzahl von Angeboten wählten die Vereine acht Bietergemeinschaften aus und gaben diese am 30. August 2001 bekannt. Ein aus mehreren Personen gebildetes Obergutachtergremium - bestehend aus Vertretern planender Berufe, aus der Politik und dem Fußball - sollte auf Basis der eingereichten und für den weiteren Wettbewerb ausgewählten Beiträge eine Empfehlung abgeben. Diesem Obergutachtergremium gehörte der Angeklagte ebenfalls an. Die abschließende Vergabeentscheidung behielten sich die beiden Fußballvereine vor. Nach einer Zusammenkunft am 29./30. November 2001 empfahl das Obergutachtergremium den Vereinen, das Verhandlungsverfahren nur noch mit zwei Bietern fortzusetzen. Die verbliebenen Bieter waren die Bietergemeinschaft A. Deutschland GmbH/ Architekturbüro H. sowie die Firma B. GmbH/ Architekturbüro G. , M. und P. (nachfolgend: B. ).
4
Am 12. Dezember 2001 gründeten die Vereine als Bauherren die Allianz Arena München Stadion GmbH (nachfolgend: Stadion GmbH). Die Stadion GmbH trat als Bauherrin des neuen Fußballstadions auf. Gesellschafter wurden je zur Hälfte die Kapitalgesellschaften der beiden Fußballvereine. Der Angeklagte war gleichrangig neben dem Zeugen Prof. S. vom 12. Dezember 2001 bis März 2004 Geschäftsführer der Stadion GmbH und damit umfassend verantwortlich für deren Vermögens- und Geschäftsinteressen. Darüber hinaus war der Angeklagte vom 28. Dezember 2001 bis März 2004 Geschäftsführer der TSV München 1860 Geschäftsführungs GmbH, d.h. der Komplementärin der vereinseigenen KG aA, welche ihrerseits Mitgesellschafterin der Stadion GmbH war. Für beide Funktionen erhielt er jeweils eine Vergütung von jährlich 200.000 € netto.
5
Am 31. Januar 2002 gaben die beiden verbliebenen Bieter A. Deutschland GmbH sowie B. ihre Letztangebote ab. Auf deren Grundlage sollte endgültig über den Zuschlag entschieden werden. Am 8. Februar 2002 entschieden die Kapitalgesellschaften der Vereine, den Auftrag an die A. Deutschland GmbH zu vergeben. Vorausgegangen war ein dahingehendes Votum des Obergutachtergremiums, welches einstimmig ausfiel. Der Vertrag zwischen der Stadion GmbH und der A. Deutschland GmbH zum Bau eines Stadions wurde am 25. Februar 2002 geschlossen. Die Auftragssumme betrug einschließlich optionaler Gewerke insgesamt 285.917.206,69 €.
6
Dem Zuschlag an die A. Deutschland GmbH ging Folgendes voraus:
7
2. Der Angeklagte war neben seinen Tätigkeiten für den TSV 1860 München und für die Gremien im Zusammenhang mit dem Neubau der Allianz Arena auch - gemeinsam mit seinem Vater K. W. - geschäftsführender Gesellschafter der "W. Hi. Immobilien GmbH" (nachfolgend: WHI). Geschäftsgegenstand der WHI, die ihren Sitz in Dresden hat und ein Büro in München unterhält, war u. a. der Handel mit Immobilien sowie die Verwaltung und Errichtung von Immobilien. Die Geschäfte in München betreute der Vater des Angeklagten, während dieser sich um das Dresdener Geschäft zu kümmern hatte.
8
Der Mitangeklagte war Inhaber der Firma "D. Immobilien-Consulting" mit Sitz in München und war Inhaber einer Maklerlizenz. Gegenüber der A. Deutschland GmbH, deren Geschäftsführer der anderweitig verfolgte Al. junior (nachfolgend: Al. jun.) war, hatte der Mitangeklagte erhebliche Schulden. Ab 1994 hatte er in Dresden auch geschäftlichen Kontakt mit der WHI und dem Angeklagten, mit dem er seit langem befreundet war. Gegenüber der WHI hatte D. rund 400.000 € Schulden.
9
3. Auf Betreiben des Mitangeklagten fand am 6. Juli 2001 in den Münchener Geschäftsräumen der WHI ein Gespräch der beiden Angeklagten mit Al. jun. statt. Dabei wurde auch über das Stadionprojekt gesprochen. Der Angeklagte riet, die A. Deutschland GmbH solle sich gemeinsam mit dem Architektenbüro H. bewerben. Al. junior kündigte an, den Tipp seinem Vater, dem in Salzburg residierenden Konzernchef Al. - O. (nachfolgend: Al. sen.) weiterzugeben. Der Angeklagte glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, dass der Mitangeklagte für Auftragsnachweise eine Maklerprovision von der A. Deutschland GmbH beanspruchen konnte, die zwischen ihnen beiden intern geteilt werden sollte. Aus dem Anteil des Mitangeklagten sollten die Schulden bei der WHI bezahlt werden.
10
Am 26. Juli 2001 übersandte der Mitangeklagte per Fax den veröffentlichten Mitteilungstext über das Verhandlungsverfahren bezüglich des Stadionneubaus an Al. jun.. Dieses Fax wurde in der Folgezeit der A. Deutschland GmbH zugeleitet, die sich an dem Ausschreibungsverfahren beteiligte.
11
4. Die Bemühungen des Mitangeklagten, für den Hinweis auf das Ausschreibungsverfahren eine Provisionszahlung zu erlangen, schlugen jedoch fehl.
12
Am 27. November 2001 traf sich der Mitangeklagte mit einem Angestellten der A. Deutschland GmbH mit dem Ziel, diesen zur Unterschrift unter eine von dem Mitangeklagten vorbereitete schriftliche Provisionsvereinbarung zu bewegen. Den Text hatte er dem Angeklagten gezeigt und mit diesem die verlangte Vergütung von 1,5 % der Auftragssumme abgestimmt. Der Angestellte der A. Deutschland GmbH machte jedoch eine wohlwollende Behandlung des "Provisionsthemas" vom Verrat von Insiderinformationen abhängig. In einem weiteren Treffen am 19. Dezember 2001 zeigte sich der Konzernchef Al. sen. dem von dem Mitangeklagten erhobenen Provisionsanspruch ablehnend gegenüber. Er erklärte, der Kostenrahmen sei zu eng, als dass er eine Maklerpro-vision - noch dazu in Höhe der verlangten 1,5 % der Auftragssumme - zusagen könne; allenfalls erscheine ihm eine Vergütung von 0,75 % denkbar, die er aber auch nur bezahlen könne, wenn in der Kalkulation dafür Raum durch Einsparungen geschaffen werde. Die dazu nötigen Informationen solle der Mitangeklagte über den Angeklagten beschaffen. Außerdem suche er - Al. sen. - bezüglich der Vergabe und für die Bauphase einen "Ansprechpartner". Dem Mitangeklagten wurde klar, dass Al. sen. nicht bereit war, ihm den Hinweis zu honorieren, welcher die Bewerbung der A. Deutschland GmbH um den Stadionauftrag ausgelöst hatte. Eine Zahlung seitens A. sollte vielmehr als Gegenleistung dafür erfolgen, dass der Angeklagte Auskünfte über geheime Daten aus dem Vergabeverfahren erteilte, die der A. Deutschland GmbH Einsparpotentiale aufzeigen würden. Gegenleistung für die Zahlung sollte auch die Vermittlung einer gewogenen Kontaktperson sein, welche eine Vergabe des Auftrags an die A. Deutschland GmbH erleichtern sollte.
13
5. Im Rahmen des Bietergesprächs vom 8. Januar 2002 präsentierten die beiden Bieter vor Vertretern der Bauherrenseite (u. a. dem Angeklagten) ihre Projekte. Die Präsentation der Bietergemeinschaft A. Deutschland GmbH misslang dabei völlig, da nach Auffassung aller Beteiligten erhebliche Defizite fortbestanden, die seit dem letzten Bietergespräch hätten abgearbeitet werden sollen. In mehreren gemeinsamen Treffen mit Vertretern des A. Konzerns im Hotel "Kempinski" am Flughafen München zwischen dem 9. und dem 15. Januar 2002 erkannte der Angeklagte, dass Al. sen. zwar auf den Bewerbungstipp immer noch nichts bezahlen würde, den Auftrag für die Konzerntochter A. Deutschland GmbH aber unbedingt anstrebte. Dabei zeigte sich dieser bereit, erhebliche Summen aufzuwenden, wenn sich der Angeklagte für eine Vergabe an die A. Deutschland GmbH einsetzen und als Ansprechpartner für die Bauphase zur Verfügung stehen würde. In einem weiteren Gespräch im Hotel "Bayerischer Hof" in München am 17. Januar 2002 fragte Al. sen. den Angeklagten, wie viel Geld der Mitangeklagte der WHI schulde. Der Angeklagte, der wusste, dass die Schulden sich auf rund 800.000 DM beliefen , antwortete wahrheitswidrig, sie betrügen 5,5 Millionen DM. Al. sen. sicherte die Zahlung von 5,5 Millionen DM für den Fall des Zuschlags mündlich zu, weil er den Angeklagten zunächst als Fürsprecher bei der Vergabe, später auch als gewogenen Ansprechpartner in der Bauphase, namentlich bezüglich weiterer Nachtragsaufträge brauchte. Darüber hinaus erwartete er, dass der Angeklagte die Konzerntochter weiter mit Informationen über das Angebot des Mietbieters versorgen würde. Beiden Angeklagten war klar, dass dies die Gegenleistung für die in Aussicht gestellte Zahlung war, diese also ein Schmiergeld darstellte; sie bezeichneten sie gleichwohl als "Provision".
14
6. Nachdem die A. Deutschland GmbH am 8. Februar 2002 den Zuschlag erhalten hatte, kam es zu einer Reihe von Treffen zwischen dem Mitangeklagten und Vertretern des A. Konzerns sowie einem Beauftragten der WHI. Es wurde vereinbart, die Gelder in drei Tranchen aufgrund von Scheinrechnungen und lediglich pro forma geschlossener Vereinbarungen zu zahlen. Der Angeklagte wollte mit Zahlungen im Zusammenhang mit dem Bauauftrag für das Stadion nicht in Verbindung gebracht werden.
15
Der A. Konzern zahlte in der Folge aufgrund der Schmiergeldvereinbarungen an den Mitangeklagten insgesamt 2.812.094,82 € (entsprechend 5.499.979,41 DM), was ungefähr 1 % der Auftragssumme für den Stadionbau ausmachte. Dieser leitete hiervon insgesamt 2.587.779,50 € an den Angeklagten weiter.

B.

16
Die Revision des Angeklagten
17
I. Die Verfahrensrügen sind unbegründet. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, an dem Urteil habe in der Person der VRinLG Dr. Kn. eine Richterin mitgewirkt, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden sei (Verstoß gegen § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 338 Nr. 3 StPO).
18
Dem Ablehnungsgesuch liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
19
1. Zu Prozessbeginn am 30. November 2004 erschien in der Münchener Abendzeitung (nachfolgend: AZ) auf Seite eins ein Artikel mit einer auf die Vorsitzende gemünzten Schlagzeile: "Heute Münchens größter Schmiergeldprozess: W. zittert vor Frau Gnadenlos", Unterzeile: "Richterin Kn. verknackte schon Boris Be. ."
20
Aufgrund von Leserbeschwerden richtete der Chefredakteur der AZ am 1. Dezember 2004 ein Schreiben an die Vorsitzende, in dem er bedauerte, dass mit der Schlagzeile "eine Assoziation zu dem damaligen Hamburger Richter Sch. , dem sog. Richter Gnadenlos hergestellt" worden sei. Dies sei nicht die Absicht der AZ gewesen: "er bedauere dies und entschuldige sich dafür".
21
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 wandte sich die Präsidentin des Landgerichts München I an den Chefredakteur der AZ und schrieb u.a.: Schon allein durch den Bezug zu dem ehemaligen Hamburger Richter Sch. (jedenfalls nach dessen Bild in der Öffentlichkeit) stelle die Schlagzeile im Artikel vom 30. November 2004 eine ehrverletzende Äußerung dar. Der Vergleich sei "nicht nachvollziehbar" und könne so nicht stehen bleiben: "Frau Kn. ist als besonders integre Richterpersönlichkeit anerkannt, in ihrer Verhandlungsführung ist sie höflich und fair. Sie berücksichtigt dabei auch immer die menschlichen Aspekte. Ich gehe davon aus, dass die Abendzeitung in ihrer weiteren Berichterstattung über den W. -Prozess von ihrer anfänglichen Entgleisung deutlich abrückt."
22
Die Präsidentin des Landgerichts brachte dieses Schreiben der Vorsitzenden und der Staatsanwaltschaft München I zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 wandte sich der Chefredakteur der AZ an die Präsidentin des Landgerichts: "Niemals war es die Absicht der Abendzeitung, Frau Dr. Kn. mit Herrn Sch. zu vergleichen. Wenn dieser Eindruck entstanden ist, bedauern wir das. Ich habe dies auch bereits Frau Dr. Kn. versichert." Die Präsidentin des Landgerichts brachte auch dieses Schreiben der Vorsitzenden am 10. Dezember 2004 zur Kenntnis.
23
2. Die Vorsitzende hatte sich ihrerseits schon am 6. Dezember 2004 direkt an die Chefredaktion der AZ gewandt und mit Bezug auf das Entschuldigungsschreiben vom 1. Dezember 2004 eine öffentliche Entschuldigung verlangt : "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich trotz Ihrer Entschuldigung den Vorfall so nicht auf sich beruhen lassen kann. Der Grund ist nicht etwa, dass ich mich selbst so wichtig nehme, sondern dass ich auch heute noch - fast eine Woche nach Ihrer ehrverletzenden Schlagzeile - ständig damit konfrontiert werde und keine Lust habe, diese Beleidigungen fortdauern zu lassen. … Abgesehen von dem sich aufdrängenden Vergleich mit Herrn Sch. , der für sich bereits eine Beleidigung darstellt, habe ich mir in meiner fünfzehnjährigen Zugehörigkeit zur Münchner Strafjustiz bei Staatsanwaltschaft und besonders bei Verteidigern den Ruf erworben , eben gerade nicht gnadenlos zu sein. Ein gnadenloser Richter stellt darüber hinaus eine Fehlbesetzung dar, wodurch Sie mit Ihrer Schlagzeile außer meiner Person auch meine Behörde beleidigen. Diesen guten Ruf haben Sie einer Schlagzeile willen angegriffen, ob ruiniert, wird sich zeigen. Es kann daher nicht angehen, dass Sie mich öffentlich beleidigen und diskriminieren, um sich dann "im stillen Kämmerlein" zu entschuldigen. … Suchen Sie daher nach einem anderen Weg, um Ihr Unrecht wieder gutzumachen; dieses lapidare Schreiben jedenfalls kann dies nicht erreichen."
24
3. Die Hauptverhandlung wurde an vier weiteren Verhandlungstagen fortgesetzt. Am Morgen des fünften Verhandlungstages, dem 21. Dezember 2004, erschien folgender Artikel in der AZ, der im Zentrum der Verfahrensrüge steht: "Gesteht W. alles?" Unterzeile: "Die geschickte Verhandlungsstrategie der Richterin könnte Prozess abkürzen." "München. "Als Richter hat man gegenüber einem Angeklagten auch eine Fürsorgepflicht“ erklärt Kn. , die Vorsitzende der 4. Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München I, ihren persönlichen Verhandlungsstil. Vor der TopJuristin wird am heutigen Dienstag wieder W. jun. wegen der Stadion -Schmiergelder auf der Anklagebank Platz nehmen. Dessen Anwalt Dr. Ga. hatte am vergangenen Verhandlungstag eine herbe Niederlage einstecken müssen. Ga. wollte, dass gegen die Vertreter der Baufirma A. nicht in einem späteren Prozess allein verhandelt wird, sondern dass sich die mutmaßlichen Bestecher zusammen mit W. rechtfertigen müssen. Eine solche Aussetzung hätte den Prozess aber auf unbestimmte Zeit verzögert, was wiederum die U-Haft für W. jun. verlängert hätte. "Wollen Sie das wirklich?“ fragte Richterin Kn. den Angeklagten. Und als W. kleinlaut “Nein, eigentlich nicht, aber … “ sagte, war das juristische Waterloo für Ga. perfekt. Boris Be. war da klüger. Als der einstige Tennisstar wegen Steuerhinterziehung vor Kn. stand, akzeptierte er ohne wenn und aber seine Bewährungsstrafe. Auch hier hatte die Strafkammer, die aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besteht, ein Urteil gefällt, das in Justizkreisen als angemessen und fair bewertet wurde.
Lehrgeld mussten dagegen T. und F. Ha. bezahlen. Als die Kammer die einstigen Börsenstars "wegen vorsätzlich falscher Darstellung der Vermögensverhältnisse der Firma EM-TV“ zu 240 Tagessätzen verurteilte, gingen die Ha. -Brüder in Revision und kassierten prompt vor dem Bundesgerichtshof die nächste Schlappe. ... Der Münchner Anwalt [Dr. Bo. ] hat die Erfahrung gemacht, dass durch den menschlichen Umgang der Richter mit den Angeklagten viele Verfahren sogar deutlich schneller abgeschlossen werden konnten. Bo. : "Viele Angeklagte fassen geradezu zu der Vorsitzenden Kn. regelrecht Vertrauen, erkennen ihre faire Verhandlungsführung. Häufig erleichtert dies Geständnisse der Angeklagten oder gar den Verzicht auf eine teuere Revision beim Bundesgerichtshof , die keiner Seite nützt.“ Gut möglich also, dass W. jun. heute oder an einem der anderen Verhandlungstage seine Verteidigungsstrategie ändert und alles gesteht. Vorteil für ihn: In der Regel fällt nach einem Geständnis das Urteil um bis zu einem Drittel niedriger aus.“
25
Nach der Sitzung am 21. Dezember 2004 sprach die Vorsitzende den Artikel gegenüber dem Verteidiger Prof. Dr. Bu. an und schlug vor, ein von ihr zuvor angebotenes Rechtsgespräch in nicht öffentlicher Sitzung stattfinden zu lassen, um der Presse "keine weitere Munition" zu geben.
26
4. Am 22. Dezember 2004 erhielt die Verteidigung einen Hinweis, dass die Vorsitzende am Entstehen des Artikels vom 21. Dezember 2004 beteiligt gewesen sei. Um genauere Informationen hierüber zu erhalten, bat die Verteidigung des Angeklagten die Vorsitzende in einem Schreiben vom 23. Dezember 2004 um eine unverzügliche Stellungnahme: "Sehr geehrte Frau Vorsitzende, die Unterzeichner bedauern, Sie mit dem im Betreff genannten Artikel (Anlage) befassen zu müssen. Uns ist gestern - nach Ende der Hauptverhandlung - mitgeteilt worden, dass der nämliche Artikel vom Rechtsanwalt der Abendzeitung, Herrn Dr. Bo. , mit Ihnen besprochen worden sein soll. Rechtsanwalt Bo. soll mit Ihnen wegen einer Beschwerde der Landgerichtspräsidentin über die Berichterstattung der Abendzeitung zu Ihrer Person im Zusammenhang mit dem W. -Prozess geredet und mit Ihnen einen neuen "günstigeren“ Artikel abgesprochen haben. Darüber hinaus soll Ihnen der Inhalt zumindest in Teilen vor Veröffentlichung bekannt geworden sein. Sie wissen, dass die Verteidiger einem derart konkreten Hinweis nachgehen müssen und bitten Sie daher um eine kurzfristige Stellungnahme.“
27
Die Vorsitzende antwortete mit einem Schreiben vom selben Tag u.a.: "Der Artikel in der Abendzeitung ist mir am Dienstagvormittag von einem Kollegen auf den Schreibtisch gelegt worden, und er hat mich alles andere als begeistert, da er mich sehr unter Druck gesetzt hat. … Es ist richtig, dass Herr Rechtsanwalt Bo. mit einem Entwurf eines Artikels bei mir war, allerdings hat dieser Artikel mit dem, was später von der Redaktion daraus gemacht wurde, nicht mehr so sehr viel gemeinsam. Vor allem war in dem mir vorab überlassenen Artikel nicht die Rede von einem Geständnis des Herrn W. , noch von meiner geschickten Verhandlungsführung oder sonstigem, es war vielmehr das Thema, ob ich in meinen Entscheidungen gnadenlos, streng oder milde bin."
28
Die Verteidigung ersuchte die Vorsitzende in einem zweiten Schreiben, ebenfalls noch vom 23. Dezember 2004, um genauere Auskunft über den Inhalt des Gesprächs mit dem Anwalt der AZ, Rechtsanwalt Dr. Bo. : "Ihr Schreiben vom 23. Dezember 2004 hat uns hinsichtlich der Genese Ihrer Mitwirkung an dem in Rede stehenden Artikel der Abendzeitung – „Gesteht W. alles? Die geschickte Verhandlungsstrategie der Richterin könnte Prozess abkürzen“ - verunsichert, da wir nun von Ihnen bestätigt erhalten, dass der Entwurf für diesen Zeitungsartikel abgestimmt wurde. Sie teilen uns mit, dass der auf der Basis dieses Entwurfs und ihres Gesprächs mit Rechtsanwalt Dr. Bo. von der Abendzeitung veröffentlichte Artikel „nicht mehr so sehr viel gemeinsam“ mit dem Ihnen vorgelegten Text habe und beziehen sich auf Passagen des Artikels vom 21. Dezember 2004, der die Empfehlung an den Angeklagten enthält, ein „Geständnis“ abzulegen. Wir bitten um Auskunft, ob diese Empfehlung - oder sonstige Sachverhalte unseres Prozesses - Gegenstand Ihres Gespräches mit dem Beauftragten der Abendzeitung war. Ihrem Schreiben können wir allerdings nicht entnehmen, ob die in dem AZ-Artikel wiedergegebenen Wertungen des Verteidigungsverhaltens sowie einer - sinnentstellt zitierten - Äußerung des Herrn W. zum Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bereits in dem mit Ihnen abgestimmten Entwurf enthalten war. Wir müssen Sie deshalb ersuchen, den von Ihnen von Rechtsanwalt Dr. Bo. zur Abstimmung vorgelegten Entwurf (sowie eventuelle, bei ihrem Gespräch vereinbarte Korrekturen) zu den Gerichtsakten und der Verteidigung zur Einsicht zu geben , damit feststellbar ist, welche Passagen und Formulierungen mit Ihnen tatsächlich abgestimmt sind bzw. waren. Ebenso bitten wir Sie, mit den in Ihrem Schreiben an uns vom 23. Dezember 2004 angesprochenen schriftlichen Mitteilungen zu verfahren, welche die Frau Landgerichtspräsidentin und Sie selbst an die Abendzeitung gerichtet haben. Diese Mitteilungen beinhalten eine gerichtspräsidiale und richterliche Kritik an der Berichterstattung des Blattes zum Auftakt des W. -Prozesses und betreffen somit das Verfahren 4 KLs … .
Der Vollständigkeit halber fügen wir zu Ihren weiteren Hinweisen in Ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2004 noch an, dass Sie „am Dienstag nach der Sitzung mit Herrn Prof. Bu. “ zwar den in Rede stehenden AZ-Artikel in allgemeinen Formulierungen angesprochen, mit keinem Wort aber erwähnt haben, dass ein Entwurf zu diesem Artikel von der Abendzeitung mit Ihnen vorbesprochen war. Die Verteidigung wurde über diese Vorgeschichte ohne jede Kenntnis gehalten. Ebenso wurden wir erst durch Ihr Schreiben vom 23. Dezember 2004 unterrichtet, warum Sie - entgegen Ihrem Angebot an uns - das Rechtsgespräch am 22. Dezember 2004 in öffentlicher Sitzung haben stattfinden lassen. Die Verteidigung bittet, ihr die erbetenen Unterlagen bzw. eventuelle Rückäußerungen rechtzeitig vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag, den 11. Januar 2005, zur Verfügung zu stellen."
29
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2004 antwortete die Vorsitzende: "Es trifft nicht zu, dass der von ihnen angesprochene Artikel in der Abendzeitung mit mir abgestimmt oder in sonstiger Weise mit mir abgesprochen war. Richtig ist, dass ich einen Tag vor Erscheinen des Artikels einen Entwurf hiervon zur Kenntnis erhielt. … Herr Rechtsanwalt Dr. Bo. war am Tag vor dem Erscheinen des schließlich veröffentlichten Artikels einige Minuten bei mir im Büro. Unmittelbar vorher hatte er mir per Fax den neuen Artikel im Entwurf übermittelt. Dazu bemerkte er, dass die Redaktion halt alles geändert hatte. … Soweit die Abendzeitung in dem Artikel und im - schließlich auch realisierten - Titelvorschlag ein mögliches umfassendes Geständnis Ihres Mandanten ansprach, überraschte mich dies ebenso wie Sie. Herr Rechtsanwalt Dr. Bo. erklärte mir dazu sinngemäß, das beruhe auf der Entschließung, die die Redaktion aufgrund des bisher beobachteten Prozessverlaufs gefasst habe. … Selbstverständlich befindet sich der gesamte Vorgang bei den Akten.“
30
Die Verteidigung nahm am 30. Dezember 2004 Einsicht in die Verfahrensakten. Hieraus wurde ersichtlich, dass der gesamte mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 eingeleitete Vorgang am 27. Dezember 2004 zu den Akten genommen worden war.
31
5. Am 4. Januar 2005 reichte der Angeklagte ein Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende ein. Darin brachte er unter anderem vor:
32
a) Die abgelehnte Vorsitzende habe die Verfolgung eigener Ansprüche mit dem von ihr dienstlich betreuten und als Vorsitzende Richterin auch noch geleite- ten Strafverfahren gegen den Angeklagten verbunden. Sie habe dabei ihrer Anspruchsgegnerin - der AZ - gesetzlich nicht vorgesehene Wege der Informationssammlung eröffnet. Sie habe an einem veröffentlichten Presseartikel mitgewirkt , der den Angeklagten in sinnentstellender Weise zitiere und die Entscheidung über einen noch nicht verbeschiedenen hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag vorwegnehme. Die abgelehnte Vorsitzende habe entgegen ihrer Fürsorgepflicht weder den Angeklagten noch die Verteidigung vor dem Erscheinen dieses Artikels informiert, obwohl die Veröffentlichung den Angeklagten in seinen Rechten verletze. Sie habe den Vorgang vor den Prozessbeteiligten verborgen und dadurch das faire Verfahren verletzt, indem sie diesen nicht rechtzeitig zur Akte gegeben habe; darüber hinaus habe sie die Verteidigung mit irreführenden Angaben bedient. Die abgelehnte Vorsitzende habe schließlich den anwaltlichen Vertreter ihrer Anspruchsgegnerin vom Inhalt des von ihr beabsichtigten Rechtsgesprächs informiert. Um Ihrer geschickten Prozessstrategie, die den Prozess verkürzen sollte, Nachdruck zu verleihen, habe sie dem Angeklagten eine höhere Strafe für den Fall angedroht, dass der Prozess länger dauere und er nicht freigesprochen werde.
33
b) Der Angeklagte führte weiter aus, im Auftrag der AZ habe Rechtsanwalt Dr. Bo. die Vorsitzende am 17. Dezember 2004 in ihrem Dienstzimmer aufgesucht und ihr einen ersten Entwurf eines "Wiedergutmachungsartikels" vorgelegt: "Die Vorsitzende der (XXX?) 4. Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht München I, Kn. , ist eine erfahrene Juristin, bei der schon Boris Be. (Steuern) und auch die Ha. -Brüder (EM-TV) „Kunden“ gewesen seien. Boris hatte ihr Urteil sofort akzeptiert. Die Ha. -Brüder wollten es nicht glauben. Der Bundesgerichtshof hat sie jetzt eines besseren belehrt und das Urteil der Strafkammer und die Fairness des Verfahrens bestätigt. … Daneben zeichnet sich die Vorsitzende dadurch aus, dass sie den Angeklagten als Menschen nie aus den Augen verliert. So durften sich die Eheleute W. in Sitzungspausen - natürlich unter polizeilicher Aufsicht - miteinander unterhalten oder gar umarmen. Dem Vater W. erlaubte sie, seinen Sohn in Ruhe zu besuchen , ohne dass dies die Medien erfuhren. Solche Zugeständnisse sind keine Selbstverständlichkeiten in Prozessen, in denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen. Ihre Art der Prozessleitung führt nicht selten dazu, dass die Angeklagten zur Vorsitzenden regelrecht Vertrauen fassen, weil sie die besonders faire Verhandlungsführung erkennen. Häufig erleichtert dies Geständnisse der Angeklagten oder gar den Verzicht auf teure Revisionen beim Bundesgerichtshof. Gerade für die Kombination aus Fachkompetenz und Menschlichkeit ist die Vorsitzende in Justizkreisen und Anwaltschaft bekannt. Ihre Prozessführung und Urteile haben Frau Kn. den Ruf einer hervorragenden Spitzenjuristin eingebracht. Herr W. darf bei ihr mit Fug und Recht Gerechtigkeit mit menschlichem Augenmaß erwarten."
34
Die Vorsitzende habe den Entwurf des Artikels handschriftlich kommentiert : "Bitte irgendwo erwähnen, dass sich AZ entschuldigt hat".
35
Am 20. Dezember 2004 habe Rechtsanwalt Dr. Bo. der Vorsitzenden per Telefax einen zweiten Entwurf mit dem handschriftlichen Vermerk übersandt : „Die AZ musste den Text aus redaktionellen Gründen - Aktualität - ändern" , "Sind Sie mit diesem Text auch einverstanden?"
36
In diesem zweiten Entwurf, der dem am 21. Dezember 2004 erschienenen Artikel sehr nahe komme, habe die Vorsitzende dem Text über die "kleinlaute" Antwort des Angeklagten auf ihre Frage "Wollen Sie das wirklich?" den Kommentar "So nicht richtig" angefügt. Den Absatz im Entwurf: "Gerne bedienen die Betroffenen dann nach einem strengen Urteilsspruch das Klischee der "Frau Gnadenlos", um eine Niederlage zu erklären" habe die Vorsitzende ebenso durchgestrichen wie den Vorschlag für die dann doch erschienene Überschrift: "Gesteht W. alles? Die geschickte Verhandlungsstrategie der Richterin könnte Prozess abkürzen."
37
6. Am 5. Januar 2005 gab die Vorsitzende zu dem Ablehnungsgesuch folgende dienstliche Stellungnahme ab. Darin heißt es u.a.: "Der Vorwurf, dass ich an dem genannten Artikel mitgewirkt hätte, liegt aus meiner Sicht neben der Sache. Ich habe mich um die Wahrung meiner Rechte gekümmert , um zu vermeiden, dass ich nochmals beleidigt werde. Wie man das als "Mitwirkung“ meinerseits (oder auch "Abstimmung" mit mir) bezeichnen oder den Standpunkt vertreten kann, ich hätte redaktionell mitgearbeitet, ist mir unerklärlich. Nebenbei habe ich Herrn Dr. Bo. , wie Ihnen bekannt ist, auf das fehlerhafte Zitat aufmerksam gemacht. Wie die Redaktion diesen Hinweis umsetzt, war deren Sache. Genauso wenig habe ich mich in die Entscheidung der Redaktion darüber eingemischt, wie die Abendzeitung den bisherigen Verfahrensverlauf beurteilt und welche Spekulationen sie über den weiteren Verfahrensgang anstellen will und welche Worte sie dabei im Einzelnen wählt. Für die Berichterstattung der Abendzeitung , die wegen des Artikels auf mich zukam und nicht umgekehrt, trage ich keine Verantwortung. … Ebenso wenig habe ich eine Verpflichtung übernommen, den Angeklagten oder seine Verteidiger über beabsichtigte Abendzeitungsartikel vorab zu informieren. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der Angeklagte sich mit der Abendzeitung selbst auseinandersetzen muss, wenn er sich durch deren Berichterstattung in seinen Rechten verletzt fühlt. … Dass ich die Abendzeitung vom Inhalt des beabsichtigten Rechtsgesprächs vorab informiert hätte, trifft nicht zu. Insbesondere habe ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Bo. gegenüber mit keinem Wort erwähnt, dass, wann und wie beabsichtigt sei, mit den Prozessbeteiligten in ein Rechtsgespräch einzutreten. Dass ein solches sich anbieten könnte, hatten wir bereits am vierten Sitzungstag öffentlich erörtert. Wenn meine Äußerungen im Gespräch vom 22. Dezember 2004 als Drohung bezeichnet werden, so liegt das aus meiner Sicht neben der Sache. Ich habe nicht mit einer "höheren Strafe gedroht", sondern versucht, insbesondere dem nicht gerichtserfahrenen Angeklagten W. die Vorzüge eines Geständnisses darzulegen , sofern es etwas zu gestehen gebe. Über ein konkret denkbares Strafmaß wurde nicht gesprochen." In einem weiteren Schreiben vom 5. Januar 2005 an die Verteidiger teilte die Vorsitzende u.a. mit: "Das erste Gespräch mit Herrn Dr. Bo. habe ich alleine geführt. Beim zweiten Gespräch war der Kollege We. mit anwesend, weil er zufällig gleichzeitig zu mir ins Zimmer kam. Gemeinsam mit mir hat der Kollege We. Herrn Dr. Bo. den zutreffenden Wortlaut der Erklärung Ihres Mandanten zur Aussetzungsfrage aus dem Gedächtnis zu vermitteln versucht. … Ob und wie bisher der Richter oder die Richterin eingebunden war, welche/-r die Aufgaben eines Pressereferenten des Landgerichts München I wahrnimmt, ist mir nicht bekannt. Mir ist auch nicht bekannt, dass beim Landgericht München I für Strafsachen überhaupt ein Richter/eine Richterin Pressereferent(in) ist."
38
7. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2005 erstreckte der Angeklagte sein Befangenheitsgesuch auf Ausführungen der abgelehnten Vorsitzenden aus der dienstlichen Stellungnahme. Sie habe erneut unwahre Behauptungen aufge- stellt und erklärt, dass sie sich nach wie vor nicht dem Gebot der Fürsorge für den Angeklagten verpflichtet fühle, wenn gegenüber diesem unsachliche Angriffe durch die Presse erfolgten und sie vor Erscheinen dieser Artikel eine Einflussmöglichkeit gehabt habe. Schließlich habe sie in Zweifel gezogen, ob der Vorgang um die Berichterstattung der AZ überhaupt in die Akten gehört habe.
39
8. Die Strafkammer des Landgerichts München I forderte am 10. Januar 2005 telefonisch eine Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Bo. zu dem Befangenheitsgesuch gegen die Vorsitzende an, die per Fax am selben Tag beim Landgericht einging.
40
Darin legte Rechtsanwalt Dr. Bo. dar, dass er nach Erscheinen des Artikels vom 30. November 2004 mit der Überschrift „W. zittert vor Frau Gnadenlos“ vom Chefredakteur der AZ gebeten worden sei, einen tagesaktuellen Wiedergutmachungsartikel zu entwerfen. Da zu diesem Zeitpunkt gerade die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Zurückweisung der Revisionen der Ha. -Brüder gegen ein Urteil der 4. Strafkammer veröffentlicht worden sei, habe er über die Vorteile eines Geständnisses berichten wollen; diese Grundidee habe allein aus seiner Feder gestammt und sei weder von der Redaktion noch von Frau Kn. in irgendeiner Form angeregt worden. Mit diesem Textentwurf sei er dann am 17. Dezember 2004 zu Frau Kn. gefahren , um ihr den Entwurf zu zeigen. "Wir diskutierten inhaltlich lediglich, dass ein besonderer Absatz in den Textentwurf eingefügt werden sollte, der noch einmal ausdrücklich auf die ursprüngliche Berichterstattung der Abendzeitung mit dem Begriff "Frau Gnadenlos" eingehen sollte. Am darauf folgenden Montag erhielt ich dann von der Redaktion der Abendzeitung einen ganz erheblich geänderten Artikelentwurf, in dem sich zwar einige Passagen meines Ursprungsartikels befanden, der aber sehr viel stärker auf das aktuelle Verfahren gegen Herrn W. junior Bezug nahm und insbesondere Spekulationen über ein mögliches Geständnis von Herrn W. enthielt. In diesem Entwurf der Redaktion war erstmals diese Passage enthalten, dass Herr W.
selbst seine Verteidigungsstrategie ändern und alles gestehen könnte. Diesen Entwurf überarbeitete ich im direkten Kontakt mit der AZ-Redaktion ohne Information oder Beteiligung von Frau Kn. . Mit dieser überarbeiteten Version, die gleichzeitig einen Überschriftenvorschlag formuliert hatte: "Gesteht W. alles ?“ mit der Unterzeile "Die geschickte Verhandlungsstrategie der Richterin könnte Prozess abkürzen“, begab ich mich dann erneut zu Frau Kn. . Dort teilte mir Frau Kn. mit, dass Herr W. auf die Frage, ob er die Konsequenz einer Verfahrensaussetzung wirklich wolle, nicht mit einem „Nein,“ sondern mit einer differenzierten Antwort reagiert hatte. Dies notierte ich mir handschriftlich mit: "Eigentlich nicht … andererseits“. ... Außerdem bat sie schlussendlich darum, den auf ihren Wunsch eingefügten Absatz mit dem Begriff "Frau Gnadenlos" nun doch ganz wegzulassen, weil sie nach meiner Einschätzung nun eine Wiederholung dieses Begriffes doch nicht mehr für ihr Anliegen förderlich hielt. Auch dies habe ich schriftlich notiert. ... Die Streichungen im Zusammenhang mit meiner Person erfolgten erst nach diesem Gespräch ohne Veranlassung oder Information von Frau Kn. . ... Frau Kn. teilte mir in den Besprechungen keine Interna des Verfahrens W. mit und kommentierte die Entwürfe auch nicht in den Teilen, die nicht verändert wurden. Sie äußerte sich auch nicht zur geplanten und später gedruckten Überschrift. Ein oder zweimal sagte sie sinngemäß, dass sie nicht in den redaktionellen Text der AZ eingreifen wolle und dies die Redaktion auch sicherlich nicht zulasse. Ich persönlich hatte den Eindruck, dass es Frau Kn. nur darum gegangen war, dass der negative und nach ihrer Ansicht unberechtigte Eindruck einer "gnadenlosen" Person in der Zeitung korrigiert wurde. Der Textaufhänger "W. prozess" wurde von ihr als redaktionelle Notwendigkeit akzeptiert, spielte aber nach meiner Einschätzung für ihr eigenes Anliegen überhaupt keine Rolle.“
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9. Die Strafkammer berücksichtigte das Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Bo. in ihrer Entscheidung nicht mehr, brachte es aber der Verteidigung am 12. Januar 2005 zur Kenntnis. Mit Beschluss vom 11. Januar 2005 wies die Strafkammer den Befangenheitsantrag vom 4. Januar 2005 zurück. Soweit der Antrag nicht bereits unzulässig sei, wurde er als unbegründet zurückgewiesen, da die vorgebrachten Gründe bei verständiger Würdigung nicht geeignet seien, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Vorsitzenden zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
42
10. Am 11. Januar 2005 erschien in der AZ folgende Stellungnahme: "Am 30. November 2004 erschien die Abendzeitung mit der Schlagzeile "Heute Münchens größter Schmiergeldprozess: W. zittert vor Frau Gnadenlos.“ Leider konnte durch diese Schlagzeile der Eindruck entstehen, die Prozessführung der Vorsitzenden Richterin Kn. ähnle dem bundesweit als Rechtspopulisten bekannten "Richter Gnadenlos" Sch. . Diese Assoziation war von der Redaktion nicht beabsichtigt. Die Abendzeitung hat sich deshalb bei Frau Kn. entschuldigt. Um diese Entschuldigung auch öffentlich deutlich zu machen, verfasste der Anwalt der Abendzeitung, Dr. Bo. , Mitte Dezember einen eigenen Artikel über Frau Kn. . Die Redaktion der Abendzeitung lehnte aber aus journalistischen Gründen ab, diesen Text zu drucken. Stattdessen wurde von der Redaktion im Vorfeld des Verhandlungstages vom 21. Dezember ein neuer Artikel über den Fall W. verfasst – und zwar ohne jedes Zutun von Frau Kn. und nach allgemein-journalistischen Maßstäben. In diesem Artikel kommt auch Dr. Bo. als Zeitzeuge zu Wort, der die Prozessführung von Frau Kn. seit Jahren kennt. Aus diesem Grund wurde dieser Text mit Herrn Dr. Bo. besprochen. Und mit ein paar unwesentlichen Änderungen in der Ausgabe vom 21. Dezember 2004 veröffentlicht. Die Redaktion“.
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II. Die Revision hat zur Begründung ihrer Verfahrensbeschwerde ausgeführt , die Strafkammer habe das Gesuch zu Unrecht zurückgewiesen. Die Vorsitzende habe über die niveaulose Schlagzeile "W. zittert vor Frau Gnadenlos" zu Recht empört gewesen sein können. Nicht diese Empörung führe zur Besorgnis ihrer Befangenheit, sondern die Besorgnis der Befangenheit werde begründet mit der unglücklichen Reaktion der Vorsitzenden auf den empörenden Artikel und vollends durch ihr nachträgliches Vertuschungsbemühen.
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1. Es erscheine ausgeschlossen, dass ein Richter, der darauf hingewirkt habe, dass seine richterliche Tätigkeit in einer Rechtssache in der Presse in einer bestimmten Weise beschrieben werde, in dieser Sache weiter als Richter tätig sein könne. Die Vorsitzende habe selbst dazu beigetragen und daran mitgewirkt , dass die AZ gewissermaßen als Ausgleich und Wiedergutmachung für die Charakterisierung "Richterin Gnadenlos" ihre richterliche Tätigkeit "in ganz ungewöhnlicher Weise rühmend hervorgehoben" habe. Die Vorsitzende dürfe sich um ihrer Unabhängigkeit willen mit einer solchen überhöhenden Darstellung nicht einverstanden erklären, erst recht nicht dadurch, dass sie den ent- sprechenden Presseartikel im Vorhinein "redigiere" und "absegne". Nachdem ihr der von Rechtsanwalt Dr. Bo. verfasste "Wiedergutmachungsartikel" zur Billigung vorgelegen habe, sei die Vorsitzende unbedingt gehalten gewesen, sich gegen "das barocke Übermaß des Lobpreises" zu verwahren. Ein Richter, der aktiv dazu beitrage, dass er in dieser Weise in einem laufenden Verfahren als praktisch das Verfahren "allein entscheidender richterlicher Übermensch" öffentlich charakterisiert werde, sei in seiner Entscheidung nicht mehr frei.
45
2. Aber selbst wenn man der Vorsitzenden zugestehen wollte, dass sie sich in ihrer Empörung auch persönlich an die AZ wenden durfte, so habe dies unter allen Umständen außerhalb des Strafverfahrens gegen den Angeklagten geschehen müssen. Dies habe die Vorsitzende auch ersichtlich bald erkannt und deshalb versucht, ihre Bemühungen um Wiedergutmachung zu vertuschen. Diese Vertuschungs- und Verdrängungsbemühungen hätten zu den unwahren Äußerungen vom 23. Dezember 2004 geführt, in denen eine Kenntnis vom Entwurf des schließlich erschienenen Artikels in Abrede gestellt worden sei, und vom 29. Dezember 2004 zur gerade eben hergestellten Aktenvollständigkeit. Gerade der letzte Punkt sei bezeichnend. Die Äußerung vom 29. Dezember 2004 "selbstverständlich befindet sich der gesamte Vorgang bei den Akten" sei nicht mehr vertretbar. Sie suggeriere, dass dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit "selbstverständlich" Rechnung getragen werde. In Wahrheit sei das Gegenteil der Fall, wenn die mit dem 1. Dezember 2004 beginnenden Vorgänge geschlossen erst nach dem 27. Dezember 2004 auf die Nachfrage der Verteidigung vom 23. Dezember 2004 zu den Akten gelangt seien. Unwahrheiten und Vertuschungen eines Richters im Umgang mit Verfahrensbeteiligten führten unweigerlich zur begründeten Besorgnis der Befangenheit.
46
III. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Das Ablehnungsgesuch vom 4. Januar 2005 wurde nicht mit Unrecht verworfen.
Dies hat die nach Beschwerdegrundsätzen durchgeführte Prüfung des Senats ergeben.
47
1. Die Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen bedeutet, dass der Senat den Sachverhalt im Wege des Freibeweises selbst feststellt. Der der Vorsitzenden zum Vorwurf gemachte Sachverhalt muss bewiesen sein. Der Senat ist dabei auch nicht an die Begründung der Strafkammer gebunden.
48
2. Der Senat hält den Sachverhalt für bewiesen, den der Rechtsanwalt der AZ Dr. Bo. in seinem Schreiben vom 10. Januar 2005 dargestellt und wie ihn die Redaktion der AZ in ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2005 öffentlich gemacht hat. Er beurteilt das Verhalten der Vorsitzenden deshalb nicht nach dem davon abweichenden Sachverhalt, den die Revision ihrer Bewertung zugrunde legt; diese geht auf die beiden Stellungnahmen nicht hinreichend ein.
49
3. Für die rechtliche Bewertung des danach erwiesenen Sachverhalts gilt zunächst:
50
a) Für die Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob die Bemühungen der Vorsitzenden nach öffentlicher und nachhaltiger Wiedergutmachung hier angemessen waren (vgl. Ziffer III. 2.1 der Richtlinien für die Zusammenarbeit der bayerischen Justiz mit der Presse vom 26. Oktober 1978 (BayJMBl. 1978 S.188)). Insoweit hätte sie zu bedenken gehabt, dass die Vorgänge während einer laufenden Hauptverhandlung erfolgten und daher den ungestörten Ablauf des Verfahrens gefährden konnten (vgl. zur Ermahnung von Schöffen durch den Vorsitzenden zur Verhinderung von Befangenheitsanträgen durch Äußerungen gegenüber der Presse BGH, Beschl. vom 18. Oktober 2005 - 1 StR 114/05). Ob auch - wie von der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung behauptet wurde - die Grenzen dienstlicher Pflichten überschritten wurden, muss der Senat ebenfalls nicht entscheiden.
51
Denn allein der Umgang eines erkennenden Richters mit der Presse begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit, selbst dann nicht, wenn das Verhalten des Richters persönlich motiviert oder sogar unüberlegt war.
52
b) Maßstab für die Besorgnis der Befangenheit ist vielmehr, ob er den Eindruck erweckt, er habe sich in der Schuld- und Straffrage bereits festgelegt (vgl. BGH wistra 2002, 267, 268). Dies ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten aus zu beurteilen. Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen ist nach umfassender Information über den zugrunde liegenden Vorgang möglicherweise gegenstandslos (vgl. BGHSt 4, 264, 269 f.; BGH wistra 2002, 267; NStZ-RR 2004, 208 jeweils m.w.N.).
53
4. Die nach diesen Maßstäben vorgenommene Prüfung des Sachverhalts durch den Senat ergibt, dass weder der Inhalt und die Umstände des Zustandekommens des AZ-Artikels vom 21. Dezember 2004 noch die Kommunikation der Vorsitzenden mit der AZ und der Verteidigung einem verständigen Angeklagten Anlass geben konnten, an der Unvoreingenommenheit der Richterin zu zweifeln.
54
a) Schon der Inhalt des Artikels vom 21. Dezember 2004 gab dem Angeklagten keinen Grund, an der Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden zu zweifeln. Der Artikel enthält journalistische Beschreibungen und Wertungen der Person der Vorsitzenden. Die Redaktion der AZ berichtet - anders als in ihrem Artikel vom 30. November 2004 mit dem Titel "W. zittert vor Frau Gnadenlos" - nunmehr über den "menschlichen Umgang" der Vorsitzenden in der bisherigen Hauptverhandlung. Sie sei "für ihre manchmal strengen Urteile bekannt , aber sie verliere dabei nie den Menschen aus dem Auge". Der Artikel enthält keinerlei Hinweise darauf, dass der Angeklagte befürchten musste, im weiteren Verlauf seines Prozesses von der Richterin nicht fair behandelt zu werden. Die Revision behauptet auch nicht, dass die Vorsitzende in ihrer Verhandlungsführung oder einer Äußerung gegenüber dem Angeklagten Anlass für eine Ablehnung wegen Befangenheit gegeben hätte. Soweit der Artikel die Strategie beim Antrag auf Aussetzung des Verfahrens als "juristisches Waterloo des Verteidigers" kommentiert - die Äußerung des Angeklagten in der Hauptverhandlung über die Folgen einer längeren Untersuchungshaft belegen, dass er mit einem solchen Antrag nicht einverstanden war - und die AZ spekuliert, dass der Angeklagte „seine Verteidigungsstrategie ändert und alles gesteht", sind dies ebenfalls erkennbar journalistische Wertungen aufgrund eigener Beobachtungen des Prozesses. Sie gehen weder auf Äußerungen der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung zurück noch beruft sich die Redaktion auf Gespräche mit der Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung.
55
Dies belegen - neben den Schreiben der Vo rsitzenden an die Verteidiger und der dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden - das Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Bo. vom 10. Januar 2005 sowie die Stellungnahme der Redaktion der AZ am 11. Januar 2005, in der öffentlich gemacht wurde, Dr. Bo. habe Mitte Dezember 2004 einen eigenen Artikel über Frau Kn. verfasst. Die Redaktion habe es aber aus "journalistischen Gründen" abgelehnt , diesen Text zu drucken. Die Redaktion habe im Vorfeld des Verhandlungstages vom 21. Dezember 2004 einen neuen Artikel zum Fall W. verfasst - "und zwar ohne jedes Zutun von Frau Kn. und nach allgemeinjournalistischen Maßstäben".
56
b) Der Senat sieht aber auch nach genauer Analyse aller einzelnen Umstände , unter denen die Vorsitzende durch die Redaktion der AZ in die Entstehung des Artikels einbezogen wurde, keinen Grund, weshalb bei einem verständigen Angeklagten Misstrauen gegen die Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden entstehen sollte.
57
aa) Der Senat kann schon entgegen dem Vorbringen der Revision nicht feststellen, dass die Vorsitzende auf eine Berichterstattung "hingewirkt" hat, die "ihre richterliche Tätigkeit in ganz ungewöhnlicher Weise rühmend hervorhob". Zwar verfolgte die Vorsitzende mit dem Schreiben vom 6. Dezember 2004 das Ziel einer angemessenen und öffentlichen Wiedergutmachung weiter. Entgegen dem Ablehnungsgesuch vom 4. Januar 2005 stellte sie in ihrem Schreiben aber weder einen Strafantrag wegen Beleidigung noch machte sie Schadensersatzansprüche oder formale presserechtliche Ansprüche gegen die AZ geltend. Die Idee eines "Wiedergutmachungsartikels" beruhte nach dem Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Bo. vom 10. Januar 2005 - unabhängig vom Schreiben der Vorsitzenden vom 6. Dezember 2004 - auf Bemühungen der Chefredaktion der AZ, nachdem es auf die Schlagzeile "Frau Gnadenlos" Reaktionen aus der Leserschaft gegeben hatte. Nach dem ersten Entschuldigungsschreiben vom 1. Dezember 2004 - das für die Vorsitzende nicht ausreichend war - beauftragte der Chefredakteur der AZ Rechtsanwalt Dr. Bo. persönlich, einen Artikel über die Vorsitzende zu veröffentlichen, "der ihre bekannte menschliche Art der Prozessführung deutlich betonen sollte". Den ersten Textentwurf erstellte Herr Dr. Bo. ohne jede Beteiligung der Vorsitzenden. Er be-stätigte auch, dass in dem ersten Entwurf für einen vom ihm konzipierten Wiedergutmachungsartikel auf Anregung der Vorsitzenden eine Passage aufgenommen werden sollte, in der "noch einmal ausdrücklich klargestellt wurde, dass der Begriff "Frau Gnadenlos" nicht gerechtfertigt gewesen war".
58
Der von Dr. Bo. dargestellte Ablauf hat dem Senat die Gewissheit verschafft , dass ein "Hinwirken" oder ein qualitativer Einfluss auf die Gestaltung des ersten Entwurfes vom 17. Dezember 2004, den die Revision als "Redigieren" oder "Absegnen" ansieht, gerade nicht vorlag. Soweit sich aus dem Schreiben von Dr. Bo. eine Kommunikation mit der Vorsitzenden über den ersten Entwurf ergibt, stand diese nicht in einem von ihr hergestellten Bezug zu ihrer richterlichen Tätigkeit im laufenden W. -Verfahren.
59
bb) Die Vorsitzende hat aber auch nicht auf den zweiten Entwurf vom 20. Dezember 2004 "hingewirkt". Dr. Bo. hat überzeugend dargelegt, dass der von ihm persönlich verfasste erste Entwurf vom 17. Dezember 2004 aus "Aktualitätsgründen" von der Redaktion der AZ ganz erheblich verändert worden sei. Der Artikel der AZ vom 11. Januar 2005 belegt dies. Die Redaktion hatte es "aus journalistischen Gründen" abgelehnt, den "Wiedergutmachungsartikel" in der Fassung des ersten Entwurfs vom 17. Dezember 2004 als öffentliche Entschuldigung zu drucken. Dies lässt allein den Schluss auf Veränderungen im Meinungsbildungsprozess innerhalb der Redaktion der AZ zu. Jedenfalls überarbeitete Dr. Bo. den Entwurf in Kontakt mit der Redaktion und ohne Information oder Beteiligung der Vorsitzenden. Er betonte ausdrücklich, dass die "Grundidee - Vorteile eines Geständnisses - allein aus seiner Feder stammte". Der zweite Entwurf erhielt damit eine andere Zielrichtung und stellte den laufenden W. -Prozess und die Ereignisse des letzten Hauptverhandlungstages in den Mittelpunkt, ohne dass die Vorsitzende darauf Einfluss hatte.
60
Dr. Bo. übersandte den zweiten Entwurf per Fax mit der Frage, ob sie "auch mit diesem Entwurf" einverstanden sei und suchte die Vorsitzende wiederum in ihrem Dienstzimmer auf, um ihr Einverständnis mit den von der Redaktion bewirkten Änderungen zu erlangen. Bei dem kurzen Gespräch war diesmal auch ein Beisitzer der Strafkammer anwesend. Beide wandten gegen- über dem Entwurf - und zwar um den Angeklagten vor einer objektiv unrichtigen , für ihn nachteiligen Darstellung zu bewahren - ein, dieser habe auf die von der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gestellte Frage nach den Konsequenzen einer Aussetzung des Verfahrens nicht nur mit einem schlichten "Nein" geantwortet, sondern habe eine differenziertere Antwort gegeben. Im Übrigen wünschte die Vorsitzende nur die Streichung des Absatzes mit dem Begriff "Frau Gnadenlos", damit dieser nicht noch einmal in einem Artikel - selbst in dem Sinn einer Entschuldigung - erschien. Schließlich stellte Dr. Bo. klar, dass sich die Vorsitzende zu den gegenüber dem später erschienenen Artikel nicht veränderten Teilen des Entwurfs weder äußerte noch diese kommentierte, weil sie nicht in den redaktionellen Text der AZ eingreifen wollte und der - offensichtlich von ihm geteilten - Meinung war, dass dies die Redaktion auch sicherlich nicht zulasse.
61
cc) Die Revision trägt zusätzlich vor, eine Befangenheit der Vorsitzenden ergebe sich auch daraus, dass sie sich "um ihrer Unabhängigkeit willen" nicht mit einer überhöhenden Darstellung ihrer Person als Richterin habe "einverstanden erklären" dürfen; auch habe sie sich nicht "gegen das barocke Übermaß des Lobpreises" "verwahrt". Dieses Vorbringen lässt nicht auf die Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden schließen. Soweit die Revision damit meint, die Vorsitzende sei aufgrund der Kontakte zur AZ verpflichtet gewesen, gegen den Artikel vom 21. Dezember 2004 aktiv vorzugehen, ist ihr Vorbringen widersprüchlich , denn damit verlangt sie ein Verhalten, das sie der Vorsitzenden zuvor noch zum Vorwurf gemacht hat.
62
dd) Darüber hinaus führt die Revision an, die Vorsitzende habe entgegen ihrer Fürsorgepflicht weder den Angeklagten noch seine Verteidiger vor dem Erscheinen des Artikels vom 21. Dezember 2004 informiert, obwohl die Veröffentlichung den Angeklagten in seinen Rechten verletzt habe.
63
Der Senat vermag einen Rechtsgrund für eine solche Verpflichtung der Vorsitzenden nicht zu erkennen. Der Senat hat erwogen, ob die Bemühungen um einen Wiedergutmachungsartikel und der Kontakt zu Rechtsanwalt Dr. Bo. der Vorsitzenden gegenüber dem Angeklagten aufgrund der Vorgeschichte eine solche Verpflichtung auferlegen konnten. Eine derartige Pflicht traf die Vorsitzende nicht, auch nicht aufgrund des Grundsatzes des fairen Verfahrens.
64
Allerdings gebietet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dem Angeklagten Zugang zu dem verfahrensbezogenen Tatsachen- und Beweismaterial zu ermöglichen, das die Strafverfolgungsorgane im Rahmen der gegen ihn gerichteten Ermittlungen gesammelt haben, damit er zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss nehmen kann (BVerfGE 63, 45, 61 m.w.Nachw.). Dazu gehören auch die Ergebnisse von Ermittlungen , die das Gericht während der Hauptverhandlung ohne Wissen des Angeklagten und der Verteidigung veranlasst und die dann zu den Akten gelangen (BGHSt 36, 305, 308 ff.).
65
Ein damit vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Rechtsanwalt Dr. Bo. hat ausdrücklich hervorgehoben, dass die Vorsitzende in den beiden Gesprächen keine Interna des laufenden Verfahrens preisgegeben hat. Damit enthielten die beiden Entwürfe für den Artikel vom 21. Dezember 2004 keine von der Vorsitzenden offenbarten verfahrensbezogenen Tatsachen (mit Ausnahme der oben genannten Richtigstellung zugunsten des Angeklagten), noch hatte der Inhalt des Artikels Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses.
66
ee) Nach allem steht für den Senat fest, dass die Vorsitzende mit ihren Kontakten zur AZ allein das Ziel der öffentlichen Wiedergutmachung verfolgt hat. Einen darüber hinaus gehenden Einfluss auf die Entwürfe für den Artikel vom 21. Dezember 2004 hat er nicht festgestellt.
67
b) Der Senat geht auch nicht davon aus, dass die Vorsitzende Teile der Vorgänge um die Entstehung des Artikels vom 21. Dezember 2004 gegenüber den Verteidigern "vertuscht" hat.
68
aa) Die Revision meint unter Bezugnahme auf das Urteil des 5. Strafsenats vom 30. September 1992 - 5 StR 169/92-, wistra 1993, 19, 20 f., unabhängig von dem "Hinwirken" auf den Artikel in der AZ liege eine Befangenheit auch deshalb vor, weil der Angeklagte eine dienstliche Äußerung eines Richters "nicht nur für unklar, sondern auch für objektiv falsch halten" konnte.
69
Dem Schreiben der Vorsitzenden vom 23. Dezember 2004 an die Verteidiger "Es ist richtig, dass Herr Rechtsanwalt Bo. mit einem Entwurf eines Artikels bei mir war, allerdings hat dieser Artikel mit dem, was später von der Redaktion daraus gemacht wurde, nicht mehr sehr viel gemeinsam. Vor allem war in dem von mir vorab überlassenen Artikel nicht die Rede von einem Geständnis des Herrn

W.

, noch von meiner geschickten Verhandlungsführung oder sonstigem, es war vielmehr das Thema, ob ich in meinen Entscheidungen gnadenlos, streng oder milde bin“ entnimmt die Revision, die Vorsitzende habe in ihrer Antwort an die Verteidiger bewusst nur den ersten Entwurf vom 17. Dezember 2004 angesprochen, in der Absicht, das zweite Gespräch mit Dr. Bo. über den zweiten Entwurf für den Artikel vom 21. Dezember 2004 zu verschweigen. Da ihr schon am 23. Dezember 2004 alle Einzelheiten bekannt gewesen se ien, sie aber erst in dem Schreiben vom 29. Dezember 2004 den gesamten Sachverhalt offenbart und sich darüber hinaus nicht entschuldigt habe, habe die Vorsitzende "vertuschen" wollen.
70
Diese Auslegung des Schriftwechsels durch die Revision steht unter der Prämisse, die Vorsitzende habe die Absicht gehabt, ihre Beteiligung an dem Artikel in der Form des "Hinwirkens", "Redigierens" oder "Absegnens" zu ver- heimlichen. Die Revision unterstellt, die Vorsitzende sei nach ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2004 aufgrund des zweiten Schreibens der Verteidiger vom 23. Dezember 2004, mit dem diese weitere Einzelheiten erfragten und Akteneinsicht bis zum 11. Januar 2005 beantragten, unter einen "Druck" geraten und "gezwungen" gewesen, im Schreiben vom 29. Dezember 2004 das zweite Treffen mit Dr. Bo. und den zweiten Entwurf für den Artikel zu offenbaren.
71
Dieser Bewertung des Sachverhalts folgt der Senat nicht (siehe oben unter III. 4. b)):
72
Das zweite Schreiben der Verteidiger vom 23. Dezember 2004 enthält über den Wortlaut ihres ersten Schreibens vom selben Tag, ihnen "sei mitgeteilt worden", der Artikel sei mit der Vorsitzenden besprochen worden, und über den Antrag auf Akteneinsicht bis zum 11. Januar 2005 hinaus keine konkreteren Hinweise oder Vorhalte, aufgrund derer sich die Vorsitzende "entdeckt" fühlen musste, bisher "Verschwiegenes" zu offenbaren. Der Wortlaut des zweiten Schreibens der Verteidiger musste bei der Vorsitzenden auch nicht den Eindruck erwecken, sie hätten sie nochmals angeschrieben, weil sie über weitergehende Detailinformationen zur Entstehung des Artikels vom 21. Dezember 2004 verfügten.
73
Auch unabhängig vom Inhalt der beiden Schreiben der Verteidiger gab es keinen Grund für die Unterstellung der Revision, die Vorsitzende habe sich insoweit unter Druck gesetzt fühlen müssen. Die Vorsitzende machte in dem Schriftwechsel konsequent ihre Haltung deutlich, sie habe nur eine Wiedergutmachung gegenüber der AZ verlangt und habe mit dem Artikel vom 21. Dezember 2004 nichts zu tun. So berichtete sie in ihrem ersten Schreiben vom 23. Dezember 2004, dass Rechtsanwalt Dr. Bo. wegen eines "Wiedergutmachungsartikels" bei ihr gewesen sei. Sie machte ebenso in diesem Schreiben deutlich, dass sie die weitere Entwicklung dieses Artikels, so wie er - "wohl um einer Schlagzeile willen" - am 21. Dezember 2004 erschienen sei, nicht zu verantworten habe.
74
Auch ihr Schreiben vom 29. Dezember 2004 leitete die Vorsitzende mit den Feststellungen ein: "Es trifft nicht zu, dass der von Ihnen angesprochene Artikel in der Abendzeitung mit mir abgestimmt oder in sonstiger Weise mit mir abgesprochen war." "Richtig ist, dass ich einen Tag vor Erscheinen des Artikels einen Entwurf hiervon zur Kenntnis erhielt." Aus ihrer Sicht begründete das "zur Kenntnis erhalten" entgegen der Unterstellung der Revision keinen "Druck" oder "Zwang", in dem Schreiben eine "aktive Beteiligung" an dem Artikel zu offenbaren.
75
Diese Sichtweise bestätigt die Vorsitzende in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 5. Januar 2005 zum Ablehnungsgesuch vom 4. Januar 2005. Zum Antrag auf Akteneinsicht hat sie nachvollziehbar dargelegt, sie habe erst aufgrund des zweiten Schreibens der Verteidigung vom 23. Dezember 2004 erkennen können, dass die Verteidigung sich für den Vorgang interessiert habe. Sie habe Verständnis dafür, dass ihr erstes - unter Zeitdruck zustande gekommenes - Antwortschreiben aus Sicht der Verteidigung Fragen offen gelassen habe. Darum habe sie im Schreiben vom 29. Dezember 2004 zu einer chronologischen Darstellung der Einzelheiten gegriffen.
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Gegen eine Vertuschungsabsicht spricht schließlich, dass die Vorsitzende die beantragte Akteneinsicht - die bis zum nächsten Verhandlungstag am 11. Januar 2005 erfolgen sollte - bereits am 30. Dezember 2004 gewährte und der Verteidigung sämtliche Vorgänge zur Nachprüfung zur Verfügung stellte.
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Selbst wenn man das Schreiben der Vorsitzenden vom 23. Dezember 2004 als unvollständig ansieht, hat sie mit ihrem Schreiben vom 29. Dezember 2004 - ohne dem von der Revision behaupteten erhöhten Druck ausgesetzt gewesen zu sein - von sich aus der Verteidigung alle ihr bekannten Einzelheiten über das Zustandekommen des am 21. Dezember 2004 tatsächlich erschienenen Artikels mitgeteilt. Dies widerlegt den von der Revision erhobenen Vorwurf der Vertuschung.
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bb) Schließlich ist die Erklärung in dem Schreiben an die Verteidiger vom 29. Dezember 2004 "Selbstverständlich befindet sich der gesamte Vorgang bei den Akten" kein Beleg für weitere "Unwahrheiten und Vertuschungen eines Richters im Umgang mit Verfahrensbeteiligten".
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Die Vorsitzende hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 5. Januar 2005 dargelegt, sie habe es als zweifelhaft angesehen, ob die Vorgänge über die Entstehung des Artikels vom 21. Dezember 2004 überhaupt in die Strafakten gehörten und was aus Sicht der Verteidigung "rechtzeitig" sei. Unbeschadet der Frage, ob die Vorgänge Bestandteile der Strafakten sind, erscheint es dem Senat nachvollziehbar, dass die Vorsitzende vor der - ohnehin erst - am 23. Dezember 2004 beantragten Akteneinsicht dem Vorgang zunächst keine derartige Bedeutung zugemessen hat, zumal sie auch dargelegt hat, sie sei am letzten Tag vor der Weihnachtspause mit der Haftbeschwerde des Angeklagten beschäftigt gewesen. Jedenfalls konnte sich die Verteidigung bei der Akteneinsicht vom 30. Dezember 2004 ein vollständiges Bild über die Entwürfe für den AZ-Artikel vom 21. Dezember 2004 verschaffen. Dass die Vorsitzende jeweils von sich aus die Vorgänge um den Artikel nicht schnellstens zu den Akten gebracht hat, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit.
80
Soweit der Angeklagte die Vorsitzende deshalb nicht für innerlich unabhängig hält, weil sie in Vertuschungsabsicht habe "suggerieren" wollen, sie habe dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit seit Erscheinen des ersten Artikels vom 30. November 2004 unverzüglich Rechnung getragen, erweist sich dieses Vorbringen als reine Spekulation über innere Vorstellungen.
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IV. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
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1. Die Strafkammer hat den Angeklagten zu Recht wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB verurteilt. Er hatte als Mitgeschäftsführer der Stadion GmbH eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht. Zu seinem Aufgaben- und Pflichtenkreis gehörte es, im Vergabeverfahren darauf hinzuwirken, dass der Stadionneubau allen qualitativen Anforderungen entsprach und dass dabei ein möglichst günstiger Preis erzielt wurde. Wenn er in Erfüllung der Vereinbarung mit dem A. Konzern in der Person von Al. sen. Informationen über Einsparpotenziale bei seinem Wettbewerber herausgab, trug der Angeklagte dazu bei, dass bei der Vergabe dennoch der höhere Preis akzeptiert wurde, damit aus den bei der A. Deutschland GmbH erzielten Einsparungen das Schmiergeld an den Mitangeklagten gezahlt werden konnte. Insoweit hat der Angeklagte treuwidrig gehandelt, weil die erzielbaren Minderkosten nicht der Stadion GmbH zugute kamen, die nach dem Zuschlag den höheren Werklohn zu zahlen hatte (BGHSt 47, 295, 298 f.). Dadurch hat er die Stadion GmbH geschädigt.
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2. Das Landgericht hat aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung den Angeklagten auch der in Tateinheit mit der Untreue begangenen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es bis zum Zuschlag am 8. Februar 2002 einen echten Wettbewerb gab. Als Geschäftsführer der Stadion GmbH war der Angeklagte im Januar 2002 deren Beauftragter. Beauftragter ist, wer befugtermaßen für den Geschäftsbetrieb tätig werden kann, ohne Angestellter zu sein. Bei seinen Ab- sprachen bezüglich einer Vergabe des Auftrags an die A. Deutschland GmbH betätigte sich der Angeklagte im geschäftlichen Verkehr. Es ging auch um gewerbliche Leistungen. Der von ihm erstrebte Vorteil bestand darin, dass der A. Konzern, geführt von Al. sen. in Salzburg, über den Mitangeklagten seiner Firma WHI rund 2,59 Millionen € zahlte. Die Zuwendung ließ sich der Angeklagte im Januar 2002 versprechen und nahm sie an in einem Zeitraum, in welchem er Geschäftsführer der Stadion GmbH und der Komplementärin der KG aA war. Auf diese Zuwendung des A. Konzerns hatte weder er selbst einen Anspruch noch seine Firmengruppe WHI.
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Der Vorteil war auch Bestandteil einer Unrechtsvereinbarung. Der Betrag wurde – auch das hat das Landgericht überzeugend und rechtsfehlerfrei festgestellt - nicht auf eine Provisionsforderung des Mitangeklagten bezahlt, sondern als Schmiergeld. Er wurde gewährt aufgrund der konkludent gezeigten Bereitschaft des Angeklagten, sich für eine Vergabe an die A. Deutschland GmbH einzusetzen und für Nachtragsaufträge und -forderungen ein gewogener Ansprechpartner zu sein sowie auch weiterhin geheime Informationen über das Angebot des Mitbieters zu liefern. Durch all dies sollte die A. Deutschland GmbH nach der Vorstellung von Al. senior, die der Angeklagte erkannte, im Vergabeverfahren bevorzugt werden. Bevorzugung bedeutet dabei die sachfremde Entscheidung zwischen zumindest zwei Bewerbern, setzt also Wettbewerb und Benachteiligung eines Konkurrenten voraus. Hierbei genügt es, wenn die zum Zwecke des Wettbewerbs vorgenommenen Handlungen nach der Vorstellung des Täters geeignet sind, seine eigene Bevorzugung oder die eines Dritten im Wettbewerb zu veranlassen (BGHSt 49, 214, 228; BGH NJW 2003, 2996, 2997; BGHSt 10, 358, 367 zu § 12 UWG aF). Zur Erfüllung des Tatbestandes braucht die vereinbarte Bevorzugung tatsächlich nicht eingetreten zu sein. Es muss auch keine objektive Schädigung eines Mitbewerbers eingetreten sein. Schutzgut des § 299 StGB ist die strafwürdige Störung des Wettbewerbs sowie die abstrakte Gefahr sachwidriger Entscheidungen (Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 2).
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Die Bevorzugung war hier unlauter, weil sich der Angeklagte am 17. Januar 2002 bereit zeigte, geheime Informationen über das Angebot des Mitbieters zu beschaffen. Er lieferte diese auch am 28. Januar 2002, indem er Al. sen. über Einsparpotenziale beim Mitbieter B. aufklärte. Er handelte dabei in der Absicht, über Al. sen. die A. Deutschland GmbH ebenfalls zu Einsparungen zu veranlassen, aus denen das Schmiergeld gezahlt werden sollte. Mithin handelte es sich um einen geradezu klassischen Fall der Bestechung im geschäftlichen Verkehr durch eine Schmiergeldzahlung.
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Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Landgericht eine Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in einem besonders schweren Fall angenommen hat. Die Vereinbarung mit Al. sen. bezog sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes im Sinne von § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGHSt 48, 360).

C.

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Die Revision der Staatsanwaltschaft
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Es kann hier offen bleiben, ob das Landgericht rechtsfehlerhaft keinen besonders schweren Fall der Untreue nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 StGB angenommen hat und deshalb bei der Strafzumessung von einem zu niedrigen Strafrahmen ausgegangen ist.
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Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob hier das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB des Vermögensverlustes großen Ausmaßes vorgelegen hat (vgl. dazu BGHSt 48, 354) oder ob im Hinblick auf die außerordentliche Höhe des Schadens und die Verschleierung der Zahlungsvorgänge mittels Scheinrechnungen ein besonders schwerer Fall im Sinne eines unbenannten Regelbeispiels vorgelegen hat.
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Die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten erscheint nämlich angemessen. Das Landgericht ist im Kern von dem zutreffenden Schuldumfang ausgegangen, indem es die Strafe dem oberen Bereich des Strafrahmens aus § 300 StGB entnommen hat. Auch im Übrigen kann der Senat die Angemessenheit der Strafe selbst beurteilen, weil alle für die Strafzumessung erforderlichen Tatsachen vom Landgericht mitgeteilt worden sind und es keiner weiteren Feststellungen bedarf. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.