Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2016 - 1 StR 434/15

bei uns veröffentlicht am21.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 434/15
vom
21. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
ECLI:DE:BGH:2016:210116U1STR434.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizangestellte – in der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 23. April 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich mit der Sachrüge lediglich gegen die Anordnung der Maßregel.
2
Die wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkte und demnach zu Gunsten des Angeklagten eingelegte (vgl. BGH, Urteile vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11 und vom 7. Januar 2014 – 5 StR 511/13) Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
3
Vor dem Hintergrund der langjährigen massiven und auch durch entsprechende Vorstrafen belegten Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten hat das Landgericht – dem Sachverständigen folgend, der eine Vielzahl ärztlicher Berichte ausgewertet und den Angeklagten selbst untersucht hat – einen Hang des Angeklagten festgestellt, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Die zugrunde liegende Beweiswürdigung weist ersichtlich ebenso wenig einen Rechtsfehler auf wie die auf die Angaben des Angeklagten, des Sachverständigen und zahlreicher Zeugen gestützte Überzeugungsbildung der Kammer hinsichtlich der Feststellung, dass der Angeklagte die abgeurteilten Taten auch zur Finanzierung seines Drogenkonsums begangen hat, diese also symptomatisch auf den Hang zurückzuführen sind. Auf dieser Grundlage ist die im Einklang mit der Einschätzung des Sachverständigen getroffene Annahme des Tatgerichts, bei unverändertem Suchtverhalten des Angeklagten bestehe die Gefahr der Begehung ähnlicher Straftaten, naheliegend und nicht zu beanstanden. Schließlich hat die Strafkammer nach umfassender Würdigung aller dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte mit dem Sachverständigen eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel angenommen. Rechtsfehler weist diese Einschätzung ersichtlich nicht auf.
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Seine notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte selbst (Umkehrschluss aus § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. Senat, Urteil vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03; BGH, Urteile vom 28. Januar 1964 – 3 StR 55/63, BGHSt 19, 226, 228 f.; vom 12. August 1998 – 3 StR 196/98 und vom 25. Juni 2014 – 2 StR 333/13; BayObLG, Beschluss vom 13. Dezember 1985 – 1 Ob OWi 276/85, DAR 1986, 249 f. [LS]; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 473 Rn. 20; MeyerGoßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16; Gieg in KK-StPO, 7. Aufl., § 473 Rn. 5). Raum Jäger Radtke Mosbacher Fischer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2016 - 1 StR 434/15

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2016 - 1 StR 434/15 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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5 StR 511/13 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 7. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Januar 2014, an der teilgenommen haben: V

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 3 3 3 / 1 3 vom 25. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 25. Juni 2014, an der teilgenommen

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 120/11
vom
20. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 26. November 2010 werden mit der Maßgabe verworfen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen Totschlags zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und bei Anordnung eines Vorwegvollzugs von zehn Jahren Strafe in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
2
Die mit der ausgeführten Sachrüge begründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten führen zum Wegfall der Unterbringung, bleiben aber im Übrigen erfolglos.
3
1. Dem Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
4
Der Angeklagte lebte mit der Freundin des inhaftierten L. zusammen und hatte deshalb mit dessen Freund K. Streit. Am späten Abend des 28. März 2009 stritten sie zunächst vor dem Wohnhaus des Angeklagten und entfernten sich dann zu Fuß. Ihnen folgten die Zeugen C. , Cu. - sie hatten zuvor mit dem Angeklagten gezecht - und F. , die den Angeklagten auf dessen Wunsch erforderlichenfalls bei einer tätlichen Auseinandersetzung unterstützen wollten. Obwohl höchstens 50 m entfernt, sahen sie den Angeklagten und K. nicht mehr, als diese in eine dunkle Hofeinfahrt gingen. Dort kam es auch zu Tätlichkeiten. Der Angeklagte bedrohte K. mit einem eigens wegen der bevorstehenden Auseinandersetzung mitgenommenen kleineren Messer. Auch K. hatte ein Messer und spottete über die geringe Größe des Messers des Angeklagten. Darauf versetzte ihm dieser spontan einen wuchtigen Stich „Richtung Herz“- an anderer Stelle des Urteils heißt es „zielgerichtet gegen den Oberkörper“; auch von einem Stich „in die Brust“ und „den Brustbereich“ ist die Rede - und traf ihn mitten ins Herz. K. brach zusammen, der Angeklagte sagte den hinzugekommenen C. , Cu. und F. , er habe K. in die Brust gestochen, sie sollten sich um ihn kümmern und ging fort. Er reinigte und versteckte das Tatmesser. Er wurde zu anderweitiger Strafvollstreckung noch in der Nacht in seiner Wohnung in einem Schrank versteckt festgenommen. Als Verantwortlicher für den nach einigen Tagen eingetretenen Tod K. s wurde er erst später ermittelt.
5
2. Hinsichtlich des Schuldspruchs wendet sich die Revision des Angeklagten im Wesentlichen gegen den (bedingten) Tötungsvorsatz.
6
a) Entgegen ihrer Auffassung ergeben sich insoweit keine Bedenken im Blick auf das nicht immer mit denselben Worten bezeichnete Ziel des Stiches.
Die Strafkammer hat näher begründet rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der An- geklagte wuchtig und gezielt jedenfalls in den „Brustbereich“ gestochen hat. Ein solcher Stich ist, wie auch die Strafkammer näher ausführt, eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, die regelmäßig für Tötungsvorsatz spricht. Eine Stelle im vorderen Bereich des Oberkörpers, die den Tötungsvorsatz deshalb in Frage stellte, weil ein wuchtiger Stich gerade hierhin zielte, ist kaum vorstellbar (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2006 - 1 StR 307/06), bei einem Stich in den Brustbereich ist dies jedenfalls nicht der Fall.
7
b) Auch sonst ist die nicht zuletzt auch auf den äußeren Geschehensablauf gestützte Annahme eines Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541 f.; hierzu Schneider in MüKomm-StGB, § 212 Rn. 9 jew. mwN). Die Annahme, dass die Aufforderungen des Angeklagten gegenüber C. , Cu. und F. , ihn zu begleiten bzw. (später), sich um den Verletzten zu kümmern, zwar gegen eine von langer Hand geplante Tat, aber nicht gegen einen spontanen Tatent- schluss sprächen, ist nicht zu beanstanden. Auch die festgestellte „affektive Erregung“ des Angeklagten bei der Tat spricht nichtgegen einen Tötungsvorsatz , da eine gewisse affektive Erregung bei einem tödlichen Angriff normal ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2006 - 2 StR 284/06). Außerdem ist rechtsfehlerfrei - auch die Revision macht insoweit nichts anderes geltend - die uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Dies spricht regelmäßig für eine realistische Wahrnehmung des Bedeutungsgehalts der Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09 Rn. 18 mwN), zumal hier die Bewertung eines wuchtigen Stichs in den Brustbereich keine komplizierten Überlegungen erfordert. Auch die planmäßige Spurenbeseitigung alsbald nach der Tat spricht gegen eine ungewöhnliche psychische Ausnahmesituation bei der Tat, die unter irgendeinem Gesichtspunkt eine breitere Erörterung des Vorsatzes gebieten könnte.
8
3. Ebenso wenig wie der Schuldspruch enthält der Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
9
4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung wegen heimtückisch begangenen Mordes. Ein Rechtsfehler liegt jedoch nicht vor.
10
a) Heimtücke ist verneint, weil der Angeklagte im Rahmen der vorangegangenen Auseinandersetzung K. das Messer gezeigt und ihn vonvorne ins Herz gestochen habe. Dies folgt den Angaben des Angeklagten, die insoweit von den maximal 50 m entfernten Begleitern bestätigt werden, als sie angeben , die tätliche Auseinandersetzung nicht gesehen, aber entsprechende Geräusche gehört zu haben. Auch hatte der Angeklagte bei seiner Festnahme kleinere Verletzungen, die auf die Auseinandersetzung zurückgehen können.
11
b) Die Staatsanwaltschaft hält insbesondere die tätliche Auseinandersetzung nicht für bewiesen.
12
(1) Mangels näherer Ausführungen dazu, was die Zeugen gehört haben, sei nicht überprüfbar, was mit „Geräuschen“ gemeint sei. Ein gängiger Begriff verdeutlicht aber auch ohne weitere Umschreibung, was gemeint ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Strafkammer unbekannt sei, welche Geräusche bei einer tätlichen Auseinandersetzung entstehen.
13
(2) Im Übrigen seien nur Schlussfolgerungen rechtsfehlerfrei, die „zwin- gend“ aus den Feststellungen folgten. Dem entsprechend ist eine Reihe- teil- weise untereinander unvereinbarer, teilweise nur abstrakter - Möglichkeiten aufgezählt, die im Ergebnis deshalb erörterungsbedürftig seien, weil sie denkgesetzlich nicht ausschließbar sind, z.B.
- die Geräusche könnten an (irgend)einem anderen Ort entstanden sein;
- selbst wenn sie aus dem Hof stammten, könnten sie (irgend)eine andere Ursache gehabt haben;
- es spräche gegen eine Auseinandersetzung, wenn K. keine hierauf hindeutenden Verletzungen gehabt hätte;
- die Verletzungen des Angeklagten könnten auch durch ihn selbst oder durch die Polizei bei seiner Verhaftung im Schrank verursacht worden sein.
14
Bei alledem ist verkannt, dass richterliche Überzeugung keine absolute, das Gegenteil zwingend ausschließende, letztlich mathematische Gewissheit erfordert (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08 und 7. November 2006 - 1 StR 307/06 mwN). Allein die Denkbarkeit eines Geschehensablaufs, für den die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte bieten , führt daher nicht dazu, dass er zu Gunsten (BGH aaO) oder gar zu Lasten des Angeklagten zu unterstellen oder auch nur erörterungsbedürftig wäre (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 mwN). Aufklärungsrügen zum Beleg der genannten Vermutungen sind nicht erhoben.
15
c) Im Übrigen ist kaum erkennbar, was hier - Streit; der tödliche Stich mit dem zuvor gezeigten Messer erfolgte von vorne; auch K. hatte ein Messer - noch tragfähig (innerpsychische) Arg- und darauf beruhend Wehrlosigkeit des Verstorbenen belegen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186, 188; BGH, Urteil vom 13. November 1985 - 3 StR 273/85, BGHSt 33, 363, 365).
16
d) Auch sonst sind weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler ersichtlich.
17
5. Die Staatsanwaltschaft hält die Unterbringungsanordnung mangels Erfolgsaussichten für rechtsfehlerhaft, der Angeklagte wendet sich gegen die Dauer des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe.
18
Im Ergebnis wird von beiden Revisionen übereinstimmend die Unterbringungsanordnung insgesamt angefochten, da sie sich beide gegen den Schuldspruch richten. Führten die behaupteten Mängel des Schuldspruchs zu Aufhebung und Zurückverweisung, entfiele auch eine Unterbringung. Sie könnte nicht allein auf der Grundlage einer Prognose des Senats Bestand haben, auch nach erneuter Verhandlung über den Schuldspruch werde diese Maßregel wieder geboten sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - 1 StR 268/95 zu § 63 StGB).
19
Hier haben sich allerdings weder zu Gunsten noch zu Lasten des Angeklagten Rechtsfehler im Schuld- oder Strafausspruch ergeben.
20
a) Daraus folgt hinsichtlich der Revision der Staatsanwaltschaft: Eine Unterbringung gemäß § 64 StGB beschwert den Angeklagten (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; v. Gemmeren in MüKommStGB , § 64 Rn. 101; vgl. auch § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Senat hatte daher - unbeschadet § 301 StPO - zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft den Wegfall der Unterbringung nur als notwendige Folge der von ihr wegen (behaupteter ) Fehlerhaftigkeit des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten angestrebten Urteilsaufhebung ansieht oder ob sie den Wegfall unabhängig vom Bestand des Schuldspruchs auf jeden Fall anstrebt. Insoweit läge eine gemäß § 296 Abs. 2 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten vor. Eine Revision der Staatsanwaltschaft kann hinsichtlich des Schuldspruchs einerseits und einer Maßregel andererseits von unterschiedlicher Zielrichtung sein, auch wenn hier die den Angeklagten begünstigende Anfechtung der Unterbringung nur bei Erfolglosigkeit der zu seinem Nachteil zum Schuldspruch eingelegten Revision eigenständige Bedeutung hat. Die Staatsanwaltschaft hat sich zu alledem entgegen Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV nicht geäußert (vgl. auch Hanack in LR-StPO, 25. Aufl., § 296 Rn. 10). Die Aufgabe des Senats, das Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der Rechtsmittelerklärungen zu ermitteln, ist davon jedoch unberührt (vgl. Hanack aaO; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 296 Rn. 14 jew. mwN). Diese ergibt hier angesichts der eingehenden Darlegung, warum die Unterbringung aus vom Schuldspruch unabhängigen Gründen fehlerhaft sei, dass die Staatsanwaltschaft die Unterbringung auch unabhängig vom Ergebnis ihrer Revision hinsichtlich des Schuldspruchs auf jeden Fall anfechten will.
21
b) Aus den dargelegten Gründen kann auch eine gegen den Schuldspruch gerichtete Revision des Angeklagten eine zugleich angeordnete Unterbringung nicht vom Rechtsmittelangriff ausnehmen. Daher kann offen bleiben, ob hier die Revision, die im Ergebnis geltend macht, dieUnterbringung müsse früher beginnen, hinsichtlich der Maßregel auf die Dauer des Vorwegvollzugs beschränkt sein soll; dies wäre wegen der gleichzeitigen Anfechtung des Schuldspruchs unwirksam.
22
6. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
23
a) Schon die Feststellungen zu einem Hang sind nicht klar. Der Angeklagte konsumiert seit Jahren Heroin und Haschisch. Wie seine näher geschil- derten zahlreichen Vorstrafen belegen, geriet er immer mehr „in den Teufelskreis von Drogen und Beschaffungskriminalität“, während etlicheTherapiever- suche erfolglos blieben. Die Strafkammer geht jedoch nicht davon aus, dass die Tat auf einem Hang zu Drogenmissbrauch beruht, sondern auf einem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum. Hierzu ergeben die Feststellungen zu Vorleben und Vorstrafen jedoch nichts. Mitgeteilt ist lediglich, dass der Sachverständige den Angeklagten für „trinkgewohnt“ hält, ohne dass die tatsächlichen Grundlagen dieser Bewertung erkennbar wären. Freilich treten Alkoholmissbrauch und Drogenmissbrauch nicht selten gleichzeitig auf (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 80; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 64 Rn. 7a mwN). Es ist jedoch fraglich, ob allein die unausgeführte Annahme, ein Drogenkonsument sei trinkgewohnt, einen Hang zu Alkoholmissbrauch tragfähig belegt.
24
b) Selbst wenn man aber von einem solchen Hang ausginge, fehlte es an den weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB. Erforderlich wäre, dass die rechtswidrige Tat entweder im Rausch begangen ist oder auf den Hang zurückgeht , wobei die erste dieser Alternativen ein Unterfall der zweiten Alternative ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN).
25
(1) „Im Rausch“ bedeutet, dass die Tat während des für das jeweilige Rauschmittel typischen, die geistig-psychischen Fähigkeiten beeinträchtigenden Intoxikationszustands begangen sein muss (Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 26). Wie viel Alkohol der Angeklagte getrunken hatte, bevor K. kam, war nicht feststellbar, Spuren einer „deutlichen Intoxikation“ gibt es nicht. We- der ein Zeuge, noch der Angeklagte selbst hat von „erheblicher Alkoholisierung“ berichtet, bei seiner Festnahme wirkte er „in keiner Weise alkoholisiert oder drogenbeeinflusst“, eine nachfolgende Untersuchung ergab keine Hinweise auf Restalkohol. Auch die Feststellungen zur Tat einschließlich Vor- und Nachtat- geschehen zeigen, so die Strafkammer, „schlüssige und sinnvolle Handlungsabläufe“. Nach alledem spricht nichts dafür, dass die Tat i.S.d. §64 StGB im Rausch begangen wurde, der Zweifelssatz gilt insoweit nicht (v. Gemmeren aaO Rn. 36 mwN).
26
(2) Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Tat, obwohl nicht im Rausch begangen , doch auf einen (etwaigen) Hang zum Alkohol- oder auch Drogenmissbrauch zurückginge, bestehen nicht. Dies setzte voraus, dass sie Symptomwert für den Hang hat, indem sich in ihr die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters äußert. Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN). Darum geht es hier nicht. Andere Delikte kommen als Hangtaten dann in Betracht, wenn hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen (BGH aaO). Bei Konflikttaten und (oder) Taten, denen eine Provokation des Täters durch das Opfer vorausging, liegt die Annahme eines Zusammenhangs mit einem Hang zum Missbrauch berauschender Mittel wenig nahe (v. Gemmeren aaO Rn. 37; vgl. auch Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 27). Anhaltspunkte , dass hier bei einer spontanen Gewalttat aus Ärger über Vorhalte eines Außenstehenden wegen der Beziehung zu einer Frau, nahe liegend in Verbindung mit dem Gefühl (wegen des nur kleinen Messers) verspottet und nicht ernst genommen zu werden, ausnahmsweise ein solcher Zusammenhang möglich sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der wenig klare Hinweis der Strafkammer , trotz nicht erkennbarer besonderer Alkoholisierung beruhe die Tat wegen der Enthemmung des Angeklagten auf seinem Hang zu Alkoholmissbrauch , ändert daran nichts.
27
c) Selbst wenn noch Feststellungen hinsichtlich eines generellen Hanges (auch) zu Alkoholmissbrauch möglich sein sollten, hält es der Senat für sicher ausgeschlossen, dass noch Feststellungen zu einem Rausch bei der Tat oder einem symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang zu Alkohol- oder auch Rauschgiftmissbrauch möglich sind. Daher erkennt er entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 167/08 mwN). Auf die für sich genommen zutreffenden Hinweise der Revisionen und des Generalbundesanwalts auf rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Strafkammer, die gegenwärtigen Zweifel am Erfolg einer Unterbringung könnten nach Ablauf des (mit § 67 Abs. 2 StGB nicht zu vereinbarenden) Vorwegvollzuges von zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgeräumt sein, kommt es daher nicht mehr an.
28
7. Der Senat hat geprüft, ob der Wegfall der Unterbringung den Bestand des für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafausspruchs (vgl. oben 3, 4d) gefährdet. Dies wäre der Fall, wenn ein Einfluss der Maßregel auf die Strafhöhe möglich erschiene. Grundsätzlich besteht entsprechend der „Zweispurigkeit“ von Strafe und Maßregel zwischen beiden Rechtsfolgen keine Wechselwirkung, sie sollen unabhängig voneinander bemessen bzw. verhängt werden (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 365 mwN). Freilich sind die für Strafe und Unterbringungsanordnung wesentlichen Gesichtspunkte nicht stets streng voneinander zu trennen, z.B. kann ein Rausch auf die Bestimmung des Maßes der Schuld Einfluss haben und, sofern er hangbedingt ist, zugleich Grundlage einer Unterbringung sein. Derartige Zusammenhänge können nicht nur je nach den Umständen des Einzelfalles für die (vorliegend wegen umfassender Anfechtung des Urteils auch im Schuldspruch nicht einschlägige ) Frage der weiteren Beschränkbarkeit eines nicht gegen den Schuldspruch gerichteten Rechtsmittels im Zusammenhang mit der Unterbringungsanordnung bedeutsam sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362; BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 2 StR 352/93, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 6), sondern auch im Blick auf eine die Unterbringung betreffende Entscheidung auf den Bestand des Strafausspruches Einfluss haben (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111). Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass die Urteilsgründe - auf diese kommt es an - konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Wechselwirkung zwischen der Entscheidung über die Höhe der Strafe und der Maßregel enthalten.
29
Dies ist hier in keiner Richtung der Fall.
30
8. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen waren der Staatskasse aufzuerlegen, auch soweit sie im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten erfolgreich war (vgl. zu den Kosten Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 473 Rn. 16 mwN); hinsichtlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten ergibt sich dies aus § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Kosten seiner Revision und die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat der Senat insgesamt dem Angeklagten auferlegt, § 473 Abs. 4 StPO. Nichts spricht dafür, dass er keine Revision eingelegt hätte, wenn seine Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht angeordnet worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 451/03 mwN).
Nack Wahl Rothfuß
Hebenstreit Sander
5 StR 511/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7. Januar 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 30. April 2013 werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft trägt die Staatskasse.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Die Revisionen sind offensichtlich unbegründet. Dies entspricht der Stellungnahme des Generalbundesanwalts, der die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Maßregelausspruch des § 64 StGB beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft nicht vertreten hat.
Basdorf Sander Schneider Berger Bellay

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 25/03
vom
24. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - für den Angeklagten R. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Juli 2002 wird im Fall II. 13. der Urteilsgründe
a) das Verfahren, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO dahin beschränkt, daß ein Verstoß gegen das Waffengesetz von der Strafverfolgung ausgenommen wird,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte R. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte R. trägt die Kosten seines Rechtsmittels. II. 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 2. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft fallen der Staatskasse zur Last. Die den Angeklagten R. und N. insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen tragen sie selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall auch in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie (Fall II.13.) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Den Angeklagten N. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Im übrigen hat es ihn freigesprochen.

Die Unterbringung der Angeklagten R. und N. in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.
Gegen das Urteil haben der Angeklagte R. und die Staatsanwaltschaft - zugunsten beider Angeklagten - Revision eingelegt. Sie erheben die Sachbeschwerde.
Die Revision des Angeklagten R. richtet sich insbesondere gegen die Annahme bewaffneten Handeltreibens im Fall II. 13. der Urteilsgründe und rügt Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Anordnung der Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den erforderlichen Hang, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht positiv festgestellt, sondern den Zweifelssatz angewendet habe, indem es von den nicht zu widerlegenden Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen sei.
I. Die Revision des Angeklagten R.
Sie hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Fall II. 13. erwarb der Angeklagte R. in den Niederlanden 853 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 611,64 g Kokainhydrochlorid sowie 2.333 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 256,63 g Amphetaminbase und führte die Drogen über die deutsche Grenze ein. Sie waren im wesentlichen zum gewinnbringenden Wei-
terverkauf bestimmt. Nur ein geringer Teil des Kokains sollte dem Eigenkon- sum dienen. Bei der Fahrt führte der Angeklagte in dem zum Drogentransport benutzten Pkw einen Teleskopschlagstock mit, der teils in den Urteilsgründen auch als Teleskoptotschläger bezeichnet wird. Nach der Rückkehr wurde der Angeklagte kurz vor seiner Wohnung festgenommen. Die Betäubungsmittel befanden sich im Fußraum der Beifahrerseite. Der Teleskopschlagstock nebst Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw sowie ein Handy mit drei Handykarten wurden in einem Rucksack im Kofferraum aufgefunden und sichergestellt. Der Angeklagte hatte den Teleskopschlagstock auf die Drogenbeschaffungsfahrt mitgenommen, um bei etwaigen Problemen sich dessen bedienen und die Betäubungsmittel verteidigen zu können. Das Landgericht bewertet den mitgeführten Gegenstand als Totschläger im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 3 WaffG aF. Es hat für die Tat 13 eine Einzelstrafe von sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt.
2. Der Schuldspruch war in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang abzuändern. Die Änderung des Schuldspruchs hat keinen Einfluß auf den Rechtsfolgenausspruch. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die unerlaubte Einfuhr der Betäubungsmittel bei der Tat 13 würdigt das Landgericht als eine solche im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt. Diese Einfuhr ist aber ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens, wenn sie - wie hier - im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes erfolgt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt ...." (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02; BGH NStZ-RR 2000, 91). Der tateinheitliche Schuldspruch hatte insoweit zu entfallen.

b) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der vom Angeklagten R. im Pkw mitgeführte Gegenstand war - auch unter Berücksichtigung der Unklarheiten in der Bezeichnung - zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt, ohne daß es einer ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Sowohl bei einem Totschläger als auch bei einem Schlagstock handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn, nämlich eine Hieb- und Stoßwaffe gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 WaffG aF (Steindorf , Waffenrecht 7. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 38). Hieb- und Stoßwaffen fallen auch nach dem WaffRNeuRegG vom 11. Oktober 2002, in Kraft seit dem 1. April 2003, unter den Waffenbegriff gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nF i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, tragbare Gegenstände 1.1. Es liegt auf der Hand, daß derartige Gegenstände ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und vom Täter auch dazu bestimmt sind (BGHSt 43, 266, 269; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 (Teleskopschlagstock); Weber, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 167).
Ein Mitsichführen ist gegeben, wenn der Täter den betreffenden Gegenstand bei der Tat bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein Verwendungsvorsatz für die konkrete Tat ist entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich (BGHSt 43, 8, 14; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 1 und 2).
An diesem Maßstab gemessen, hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts die Waffe jedenfalls während einer bestimmten Phase des Handeltreibens - bei seiner Rückkehr und Festnahme - im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt. Auf die weitergehenden Schlußfolgerungen
des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung kommt es nicht an. Jederzeit griffbereit war die Waffe für den Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie sich im Kofferraum des Pkw's befand, während die Betäubungsmittel im Fußraum der Beifahrerseite lagerten. Der qualifikationsspezifische Gefahrenzusammenhang zwischen Bewaffnung und Handeltreiben ist objektiv gegeben, wenn der Täter im Pkw gleichzeitig die Waffe sowie die Betäubungsmittel aufbewahrt und sich damit auf einer Drogenverkaufsfahrt oder - wie hier - auf einer Drogenbeschaffungsfahrt befindet (BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 2 und 5; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 20). Bei Bedarf konnte der Angeklagte R. ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen.
Das Bewußtsein der Verfügbarkeit bedurfte hier angesichts der Tatsache , daß es sich um eine Waffe im technischen Sinne handelt und der Angeklagte diese gemeinsam mit dem Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw verstaut hatte, weder näherer Prüfung noch Darlegung (BGHSt 43, 8, 14). Danach kann entgegen der Auffassung der Revision von einem Transport "bei Gelegenheit" keine Rede sein.

c) Wegen der Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Ein Schlagstock ist kein Totschläger (Steindorf, aaO § 37 WaffG Rdn. 15). Die Beschränkung des Verfahrens hatte den Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zur Folge.

d) Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch über die Einzelstrafe für den Fall II.13. und auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe
unberührt. Soweit die Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens bewertet wird, ändert sich dadurch das Tatunrecht nicht (BGH, Beschluß vom 23. Mai 2000 - 1 StR 200/00 - und Beschluß vom 11. März 2003 - 1 StR 50/03). Das weggefallene Waffendelikt hat das Landgericht bei der Zumessung der Einzel- und der Gesamtstrafe nicht strafschärfend berücksichtigt.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Sie sind nicht ausdrücklich beschränkt. Eine Beschränkung allein auf die Maßregelanordnung gemäß § 64 StPO, deren Aufhebung beantragt wird, wäre insoweit unwirksam, als diese nach den Urteilsgründen bei beiden Angeklagten Einfluß auf die Strafzumessung genommen hat (BGHSt 38, 362, 365). Unter Berücksichtigung der Angriffsrichtung ist dem Revisionsvorbringen jedoch eine zulässige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 13). Diese Beschränkung führt dazu, daß auf die Revision der Staatsanwaltschaft keine Schuldspruchänderung zugunsten des Angeklagten R. auszusprechen war.
2. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. Sie wurden zugunsten der Angeklagten R. und N. eingelegt, denn die Maßregelanordnung beschwert die Angeklagten (BGHSt 38, 4, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 1). Die angeordnete Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten in der Hauptverhandlung Angaben zu ihrem Drogenkonsum gemacht, die das Landgericht als "letztlich nicht zu widerlegen" bezeichnet hat. Diese Formulierung - isoliert ge-
sehen - könnte zwar besorgen lassen, daß das Landgericht einen Hang der Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen als Grundlage der Taten nicht positiv festgestellt habe. Eine solche positive Feststellung ist aber Voraussetzung für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (BGH NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschluß vom 6. November 2002 - 1 StR 382/02). Die Beweiswürdigung zum Hang in ihrer Gesamtheit läßt jedoch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß das Landgericht - trotz mißverständlicher Formulierung - den Zweifelssatz nicht in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat, sondern von der Richtigkeit der Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen ist (UA S. 238 bis 243 R. , 249 bis 250 N. ). Diese Überzeugung des Landgerichts ist revisionsrechtlich hinzunehmen, auch wenn die Annahme eines Hanges hier nicht nahegelegen hat.
Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs im übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft den Angeklagten R. und N. erwachsenen notwendigen Auslagen tragen diese gemäß § 473 Abs. 1 und 2 StPO selbst, weil die zu ihren Gunsten eingelegten Rechtsmittel erfolglos blieben (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 473 Rdn. 16).
Nack Boetticher Schluckebier
Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 3 3 3 / 1 3
vom
25. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 25. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft hat die Staatskasse zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten sowie die zu seinen Gunsten eingelegte und vom Gene- ralbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

I.


2
Dem Angeklagten war auf seinen zulässigen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, da ihn kein Verschulden daran trifft, dass seine Verteidigerin die Frist zur rechtzeitigen Begründung des Rechtmittels versäumt hat.

II.


3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der später geschädigte M. und sein früherer Arbeitgeber C. am Abend des 8. Januar 2010 im Café S. in F. verabredet. C. hatte M. dorthin bestellt, um vorgeblich dessen noch offene Lohnforderungen zu begleichen.
4
Im Café angekommen, erwarteten den Geschädigten sowohl C. als auch der Angeklagte. Auf ein Zeichen des Angeklagten begab sich der Geschädigte mit diesem nach draußen. Dort warteten zwei weitere, ihm unbekannte Männer. Der Angeklagte zog ein Messer, hielt es dem Geschädigten vor und forderte ihn auf, keine Forderungen mehr gegen C. zu stellen. Er versetzte dem Geschädigten einen Schnitt unterhalb des linken Auges und drohte ihm, das Auge auszustechen. Im Anschluss nahm der Angeklagte das Handy des Geschädigten an sich, und die beiden unbekannten Personen schlugen mit Fäusten auf dessen Kopf und Oberkörper ein.
5
Dem flüchtenden Geschädigten rief der Angeklagte hinterher, er werde ihn und seine Kinder „kaputt machen“, wenn er Strafanzeigeerstatte. Der Geschädigte erschien gleichwohl um 19.20 Uhr zitternd und verängstigt auf der Polizeiwache und erstattete Anzeige. Er schilderte dem Polizeibeamten W. „radebrechend“ das Tatgeschehen unter Beteiligung des Angeklagten und brach dabei mehrfach in Tränen aus.
6
Am 27. September 2010 erfolgte eine Wahllichtbildvorlage durch die Polizeibeamtin K. , bei der der Geschädigte den Angeklagten wiedererkannte und zusätzlich angab, dies sei der Mann, den er seit vielen Jahren aus seiner Heimat kenne und der ihm im Januar mit einem Messer das Auge verletzt sowie sein Handy mitgenommen habe. Der Geschädigte begann sofort zu weinen. Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt hatte er die Geltendmachung seiner Lohnforderung unterlassen.
7
2. Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten und angegeben, er habe sich zum Tatzeitpunkt zusammen mit seiner in H. lebenden Lebensgefährtin , der Zeugin Me. , auf einem Geburtstag in O. aufgehalten.
8
Die Strafkammer hat ihre Überzeugung vom Tatgeschehen und der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf die Angaben der Polizeibeamten W. und K. gestützt und ist davon ausgegangen, dass der Geschädigte den Beamten gegenüber wahrheitsgemäß ausgesagt hatte. Dies auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Geschädigte bei seiner Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung zwar das Tatgeschehen bestätigt, indes seine Angaben zur Täterschaft des Angeklagten nicht mehr aufrechterhalten hatte, was er damit begründete, er sei bei der Anzeigenaufnahme offenkundig miss- verstanden worden, denn er habe den Namen des Angeklagten nur erwähnt, weil dieser ihm als Freund habe helfen sollen, den wahren Täter zu finden.

III.


9
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Dies gilt auch hinsichtlich der von den Revisionen beanstandeten Beweiswürdigung des Landgerichts , aufgrund derer es sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hat.
10
1. Die Urteilsgründe lassen noch hinreichend erkennen, dass sich das Landgericht den besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung bewusst war, die aus der bestreitenden Einlassung des Angeklagten und der in der Hauptverhandlung von der Strafanzeige abweichenden Aussage des Geschädigten resultieren. Dies gilt auch, soweit es sich auf die Aussage des anzeigenaufnehmenden Polizeibeamten gestützt hat, insoweit hat die Strafkammer entsprechend der obergerichtlichen Rechtsprechung zusätzliche wichtige Gesichtspunkte herangezogen, die diese Angaben bestätigt haben.
11
So hat das Landgericht im Hinblick auf die Täterschaft des Angeklagten berücksichtigt, dass der Geschädigte den Angeklagte bei Anzeigeerstattung nicht nur namentlich erwähnt, sondern - was gegen ein Missverständnis seitens des Beamten spricht - auch auf eine gemeinsame Tätigkeit als Gerüstbauer hingewiesen und angegeben hatte, dass es sich um einen irakischen Landsmann gehandelt habe, der - was sich als zutreffend erwies - wegen Körperverletzung in der JVA Ma. eingesessen habe. Darüber hinaus hat das Landgericht in die Beweiswürdigung eingestellt, dass der Geschädigte nach Angaben der Polizeibeamtin K. den Angeklagten rund neun Monate nach der Tat auf einer Wahllichtbildvorlage noch als Täter erkannt und zudem angegeben hatte, dass dies der Mann gewesen sei, der ihm im Januar mit einem Messer am Auge verletzt und das Handy abgenommen habe.
12
In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch mit rechtsfehlerfreien Erwägungen ein Falschbelastungsmotiv des Geschädigten ausgeschlossen und sich mit möglichen Gründen für einen Aussagewechsel auseinandergesetzt.
13
2. Die Beweiswürdigung lässt auch im Übrigen keinen Rechtsfehler erkennen. Dass sich das Landgericht nicht von dem vom Angeklagten behaupteten Alibi hat überzeugen können, begegnet unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs keinen Bedenken.
14
Wie für jede andere entlastende Indiztatsache gilt der Grundsatz „in du- bio pro reo“ nicht für den zweifelhaft gebliebenen Alibibeweis, d.h. das behaup- tete und weder widerlegte noch nachgewiesene Alibi findet wie jedes andere unsichere Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung seine Berücksichtigung (BGH, NStZ 1999, 523; vgl. StV 2001, 665). Das Tatgericht ist nicht schon auf die für sich genommen unwiderlegt gebliebene Alibibehauptung hin gehalten, einen Angeklagten freizusprechen, wenn es im Übrigen aufgrund der vorhandenen Beweismittel von dessen Täterschaft überzeugt ist (Senat, Urteil vom 13. Februar 1972 - 2 StR 552/73, BGHSt 25, 285, 286 f.).
15
Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer die Alibibehauptung als nicht erwiesen angesehen. Zum einen hat das Landgericht darauf abgestellt, dass sowohl die Lebensgefährtin des Angeklagten, die Zeugin Me. , als auch de- ren Freund, der Zeuge Co. , jedenfalls im Hinblick auf die Uhrzeit, zu welcher der Angeklagte am Abend der Tat bei seiner Lebensgefährtin in H. angekommen sei bzw. wann der Zeuge Co. beide zu einer Feier in O. abgeholt habe, widersprüchliche und erkennbar vom eigenen Interesse am Verfahrensausgang geprägte Aussagen gemacht haben. So hat die Zeugin Me. bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 3. August 2010 angegeben , sie könne sich an die genaue Uhrzeit nicht erinnern, der Angeklagte sei aber nicht später als 20 Uhr bei ihr in H. eingetroffen, während sie in der Hauptverhandlung bekundet hat, der Angeklagte sei vor 19 Uhr bei ihr eingetroffen. Entsprechend hat auch der Zeuge Co. noch bei seiner polizeilichen Vernehmung bekundet, er habe den Angeklagten und die ZeuginMe. „gegen 20 Uhr“ in der Wohnung abgeholt, in der Hauptverhandlung aber ange- geben, er sei sich nur sicher, dass es „nach 19 Uhr“ gewesen sei.
16
Zum anderen hat das Landgericht berücksichtigt, dass die genaue Tatzeit nicht festgestellt werden konnte. Der Geschädigte ist zwar nachweislich um 19.20 Uhr auf dem Polizeirevier erschienen. Zur Tatzeit hatte er aber lediglich mitgeteilt, der Vorfall habe sich „gegen 19 Uhr“ zugetragen, gleichzeitig aber angegeben, er sei aufgrund des Vorfalls „bewusstlos“ gewesen.Insofern be- gegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass der Strafkammer die Angaben des Geschädigten zur Tatzeit nicht belastbar erschienen sind.
17
Wenn das Landgericht vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Unsicherheiten und unter Berücksichtigung einer Fahrtzeit mit einem PKW von rund eineinhalb Stunden vom Tatort nach H. schließlich davon ausgegangen ist, dass - jedenfalls bei einer Fahrt mit dem PKW - „die Zeitpunkte zwischen der Aufnahme der Strafanzeige [gemeint ist offenkundig die Tatzeit] und der Ge- burtstagseinladung korrelieren“ und deshalb das Alibi des Angeklagten als nicht belegt angesehen hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.


18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der Angeklagte trägt seine notwendigen Auslagen auch insoweit, als sie durch die zu seinen Gunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft entstanden sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 473 Rdn. 16).
Appl Schmitt Krehl
Eschelbach Ott