Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08

bei uns veröffentlicht am26.05.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 597/08
vom
26. Mai 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
______________________
Zum Beweiswert einer mitochondrialen DNA-Analyse, ggf. in Kombination mit dem
Ergebnis der Analyse von Kern-DNA.
BGH, Urt. vom 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Mai 2009,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20. Juni 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des tateinheitlich mit Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung begangenen versuchten Mordes freigesprochen, weil es sich von seiner Täterschaft nicht hat überzeugen können. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen wurde die zum Tatzeitpunkt 75 Jahre alte M. K. am 24. Februar 1990 zwischen 5.15 Uhr und 5.30 Uhr (oder aber eine Stunde später) in der D. straße von einem Mann von hinten gepackt und auf dem Parkplatz der dortigen Firma Minimal in eine Nische zwischen Eingang und Einkaufswagenunterstand gezogen. Dort führte der die Geschädigte mit dem Tode bedrohende Mann gegen deren Willen stehend von hinten etwa fünf Minuten den vaginalen Geschlechtsverkehr aus, ohne zum Samenerguss zu kommen. Im Anschluss schlug er der Geschädigten, die daraufhin stark blutend zu Boden ging, mehrfach mit einer Eisenstange auf den Kopf, da er sie töten wollte, damit die zuvor begangene Vergewaltigung nicht entdeckt werde. Die bewusstlos gewordene M. K. erlitt durch die Tat eine offene Schädelimpressionsfraktur, mehrere Frakturen der rechten Hand sowie multiple Stich- und Schnittverletzungen. Sie erwachte erst drei Tage später im Krankenhaus, in dem sie noch etwa einen Monat stationär behandelt werden musste, und litt bis zu ihrem Tod am 12. Juni 2003 unter erheblichen Tatfolgen.
3
Die D. straße kreuzt die Straßen, in denen zur Tatzeit der Angeklagte und seine Freundin G. M. ihre jeweilige Wohnung hatten. Nach der Einschätzung der Geschädigten fühlte sich die Jacke des Täters nach Leder an. Dieser hatte sie „ziemlich sicher“ bereits kurz zuvor mit niederbayerischem Dialekt angesprochen, nachdem er an der nahe gelegenen DeltinTankstelle aus einem „vermutlich roten Auto mit flachem Heck“ ausgestiegen war. Der Mann war etwas größer als die Geschädigte und trug einen Oberlippenbart , braune Wildlederstiefel sowie eine blaue Jeans.
4
2. Der festgestellte Tatverlauf entspricht dem Anklagevorwurf. Das Landgericht hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass der in der Hauptverhandlung zur Person und zur Sache schweigende Angeklagte der Täter war.
5
a) Als auf dessen Täterschaft hindeutende Indizien hat es allerdings angesehen , dass - der Angeklagte zur Tatzeit wenige Gehminuten vom Tatort entfernt wohnte, - in der Regel Jeans sowie braune Stiefel und „immer wieder“ einen Oberlippenbart trug, - seine Arbeit in einer Diskothek häufig in den frühen Morgenstunden endete und er dann des Öfteren von seinem Freund C. G. in dessen rotem Ford Taunus mitgenommen sowie an der nahe dem Tatort gelegenen Deltin-Tankstelle abgesetzt wurde, - er während des Ermittlungsverfahrens darauf gedrängt hat, der Polizei zu erklären, dass eine ggf. von ihm stammende Blutspur durch den Täter eines zuvor auf ihn verübten Überfalls zum Tatort auf dem Gelände der Firma Minimal gelangt sein könnte, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt seitens des Vernehmungsbeamten von der dortigen tatsächlichen Spurenlage noch nichts mitgeteilt worden war, - er im Zusammenhang mit diesem Überfall wahrheitswidrig angegeben hat, seine Nase sei ihm durch C. G. wieder eingerenkt worden , - die „eher seltene“ mitochondriale DNA (mtDNA) des Angeklagten mit zwei an der Kleidung M. K. s gefundenen Schamhaaren des Täters übereinstimmt und - der Angeklagte u.a. wegen eines Gewaltdelikts (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub) vorbestraft ist.
6
b) Diese Umstände hat das Landgericht jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung als nicht ausreichend bewertet, eine Verurteilung des Angeklagten zu tragen, auch wenn „das Aussageverhalten bei der Polizei und die Entstellung des Sachverhalts bezüglich der Nasenverletzung … den Angeklagten natürlich“ belasteten. „Wohnort, Kleidung, Ausstiegsstelle und Autofarbe könnten auf bloßem zufälligem Zusammentreffen beruhen.“ Die Einschätzungen der Geschädigten zu Größe, Alter und Aussehen des Täters hätten „nicht überzeugend“ mit dem äußeren Erscheinungsbild des Angeklagten zur Tatzeit „in Einklang gebracht werden“ können. Die „Tatkonstellation inklusive der Lichtverhältnisse“ habe „eine Einschränkung des Wahrnehmungsvermögens“ bedingt. Der Angeklagte habe einen „fränkischen Zungenschlag“, während die Geschädigte einen niederbayerischen Dialekt beschrieben habe, der „vom Angeklagten nicht gebraucht“ worden sei. Darüber hinaus habe der Angeklagte „bei dem angeblichen Überfall auf ihn … wohl eine Jeansjacke“ getragen, „während M. K. eine Lederjacke ertastete“. Schließlich hat das Landgericht das Ergebnis der mitochondrialen DNA-Untersuchung als „nur begrenzt beweiswertig“ eingestuft.

II.


7
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatgericht ge- troffene Feststellung „lebensfremd“ erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
9
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06 -; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371). Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206, 207; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11 und 24, Überzeugungsbildung 30; BGH NStZ 2000, 48).
10
2. Hieran gemessen, unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn das Landgericht hat nicht hinreichend dargelegt, weshalb als Ergebnis seiner Gesamtabwägung „die Anzeichen , die dem Angeklagten zugute kamen bzw. seine Täterschaft nicht zur Überzeugung der Kammer belegten“, überwogen. Es ist vielmehr zu besorgen, dass das Landgericht einigen entlastenden Umständen zu großes Gewicht (a. bis c.) und dem Ergebnis der mitochondrialen DNA-Untersuchung einen zu geringen Beweiswert (d.) zugemessen hat.
11
a) Das Landgericht hat bei den Erwägungen zur Täterbeschreibung durch die Geschädigte seine Bewertung, deren Angaben seien schon hinsicht- lich der Größe des Täters nicht genügend konstant gewesen, nicht belegt. Insoweit führt es aus, die Geschädigte habe den Täter in der Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin am 5. März 1990 auf ca. 1,70 m geschätzt, gegenüber ihrer Tochter, die sie im Krankenhaus mehrfach besucht hat, geäußert, der Täter habe die Größe des behandelnden Arztes (1,72 m) gehabt, und in einer polizeilichen Vernehmung am 27. März 1991 angegeben, der Täter sei etwas größer als sie selbst (1,60 m) gewesen. Eine relevante Abweichung der Größenangaben lässt sich dem nicht entnehmen. Dies gilt auch deshalb, weil die Geschädigte die Größe des Täters - wie das Landgericht ausdrücklich festgestellt hat - nach eigenem Bekunden nur geschätzt, sich also nicht auf eine genau bestimmte Körperlänge festgelegt hat.
12
In diesem Zusammenhang führt das Landgericht zudem aus, dass der etwa 1,78 m große Angeklagte - wäre er der Täter gewesen - die Geschädigte „deutlich, nämlich um fast einen Kopf überragt“ hätte, weil er „unter Berücksichtigung , dass der Täter auch noch Stiefeletten trug, die ihn um wenige Zentimeter erhöhten“, „wohl mehr als 1,80 m groß gewesen“ wäre. Bei dieser vergleichenden Berechnung bleibt außer Betracht, dass die sich auf dem Weg zur Kirche befindliche Geschädigte nahe liegend ebenfalls Schuhe trug.
13
b) Dem landgerichtlichen Ergebnis, der von der Geschädigten als „niederbayerisch“ , aber auch als „bayerisch“ beschriebene Dialekt des Täters sei „vom Angeklagten nicht gebraucht“ worden, liegt keine umfassende Beweiswürdigung zugrunde. Insoweit hat das Landgericht ausdrücklich auf das letzte Wort des Angeklagten abgestellt. Diesem sei „jedenfalls zu entnehmen“ gewesen , dass der Angeklagte „keine ausgeprägte niederbayerische Mundart spricht“. Diese Formulierung lässt die Deutung zu, dass es sich um eine Aussprache gehandelt hat, die zumindest Anklänge an den niederbayerischen Dia- lekt aufwies. Ob das letzte Wort insoweit überhaupt aussagekräftig gewesen ist, kann allerdings nicht beurteilt werden, da dessen Umfang nicht mitgeteilt wird. Außerdem verdeutlicht das Landgericht nicht, ob ihm bei seiner Einschätzung bewusst war, dass innerhalb der mehr als 18 Jahre, die seit der Tat bis zur Hauptverhandlung verstrichen sind, sprachliche Modifikationen erfolgt sein können. Schließlich bleibt bei der Gesamtwürdigung außer Betracht, dass die als glaubwürdig angesehene Zeugin G. M. bekundet hat, der Angeklagte „habe in der Zeit ihres Zusammenseins gemischt niederbayerisch, aber eher mehr fränkisch gesprochen“, und auch der Zeuge C. G. angegeben hat, die Sprachfärbung sei „ein bisschen bayerisch und ein bisschen fränkisch“ gewesen.
14
Zudem besorgt der Senat, dass das Landgericht bei der Würdigung der Angaben der Geschädigten zur Mundart des Täters von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Während es namentlich bei den Angaben zur Größe und zur Barttracht des Täters nachvollziehbar (vgl. BGHR StPO § 261 Identifizierung 16) als verständlich angesehen wird, dass die Geschädigte „während der Vergewaltigung auf derartige Details nicht achtete, sondern von der grauenvollen Situation gefangen war“, nimmt das Landgericht ohne Weiteres an, dass „Worte, vernommen in beängstigender Lage, … sehr wohl im Gedächtnis haften bleiben“ können. Einer Begründung dieser divergierenden Einschätzung hätte es bereits deshalb bedurft, weil Menschen generell zu auditiver Wahrnehmung geringer befähigt sind als zu visueller und speziell bei Dialektstimmen die Differenzierungsmöglichkeiten im Allgemeinen zusätzlich begrenzt sind (vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 1395, 1398).
15
c) Soweit das Landgericht in seiner zusammenfassenden Würdigung annimmt , der Angeklagte habe „bei dem angeblichen Überfall auf ihn … wohl eine Jeansjacke“ getragen, „während M. K. eine Lederjacke ertastete“, beruht dies ebenfalls nicht auf einer erschöpfenden Auswertung der maßgeblichen Umstände. Die angestellten Überlegungen, „Leder und Jeansstoff fühlen sich unterschiedlich an“, so dass „die als lebenstüchtig beschriebene M. K. diese Verschiedenheit bemerkt hätte“, lassen wiederum die beängstigende Tatsituation außer Acht. Abgesehen davon, dass nicht mitgeteilt wird, bei welcher Gelegenheit und wie lange die Geschädigte das Material der Jacke hat erfühlen können, hätte erörtert werden müssen, ob deren Wahrnehmungsfähigkeit auch insofern eingeschränkt gewesen sein könnte. Ferner hatte der Angeklagte gegenüber der Polizei zwar angegeben, er hätte „im Winter eine Jeansjacke besessen“, zugleich aber bestätigt, zu seiner Kleidung hätte auch eine schwarze Lederjacke gehört.
16
d) Soweit das Landgericht das Ergebnis der mitochondrialen DNAUntersuchung als „nur begrenzt beweiswertig“ eingestuft und es daher als „kein durchschlagendes Indiz für die Täterschaft des Angeklagten“ angesehen hat, genügen die Urteilsgründe den an die diesbez ügliche Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen ebenfalls nicht.
17
Ihnen lässt sich insoweit entnehmen, dass den beiden an der Kleidung der Geschädigten gesicherten Schamhaaren zum Zeitpunkt der aktuellen Untersuchung keine Wurzel mehr angehaftet und deshalb keine Kern-DNA zur Verfügung gestanden habe. Es sei daher auf die mitochondriale DNA zurückgegriffen worden. Die Untersuchung habe für beide Haare dieselbe Sequenz erbracht, die wiederum mit derjenigen des Angeklagten übereingestimmt habe. Eine Sequenz mitochondrialer DNA sei jedoch nicht einzigartig, sondern werde - von Mutationen abgesehen - in ihrer Gesamtheit von einer Mutter auf ihre Kinder und dann wiederum von den Töchtern weitergegeben. Die Häufigkeit einer Sequenz werde daher anders als bei der Kern-DNA durch einen Abgleich mit einer Datenbank bestimmt. Für die westeurasische Bevölkerung existiere eine Datenbank in Innsbruck, in der zum Zeitpunkt des Urteils 3.830 Individuen erfasst gewesen seien. Die vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat dargelegt, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Sequenz werde in der Datenbank vorhanden sein, umso geringer ist, je seltener sie in der Bevölkerung gegeben sei. Die Sequenz des Angeklagten sei in der Datenbank bislang nicht erfasst, weswegen sie „eher selten“ sei.
18
aa) Das Landgericht hat die Datenbank in Innsbruck, die „die gesamte westeurasische Bevölkerung erfassen, also eine Zielgruppe von vielen Millionen Individuen abbilden“ soll, als „nicht repräsentativ“ angesehen. Mit 3.830 Datensätzen lasse sich „keine Wahrscheinlichkeit herleiten, auf die … eine Verurteilung gestützt werden könnte“. Diese Einschätzung begegnet in zweifacher Hinsicht rechtlich erheblichen Einwänden:
19
Zum einen deutet die vom Landgericht gewählte Formulierung darauf hin, dass es an den Beweiswert, der einem belastenden Indiz zukommen muss, zu hohe Anforderungen gestellt hat. Insofern ist es nämlich nicht erforderlich, dass schon ein einzelnes Beweisanzeichen für sich allein dem Richter die volle Gewissheit verschafft, weil für die gerichtliche Überzeugung bei - wie hier - mehreren auf die entscheidungserhebliche Tatsache hindeutenden Indizien die Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände maßgebend ist (vgl. BGH NJW 2008, 2792, 2794). Für diese können aber auch Umstände, die nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine entscheidungserhebliche Tatsache begründen , herangezogen werden (vgl. BGH JR 1975, 34).
20
Das Urteil lässt zum anderen nicht erkennen, ob das Landgericht bei seiner Bewertung von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Dies gilt namentlich im Hinblick darauf, dass die Innsbrucker Datenbank nach den Angaben der Sachverständigen mit „Prüfungsmechanismen“ und „Sicherheitsregularien“ versehen ist und von mehreren Instituten getragen wird. Insofern wird aber vom Landgericht nichts Näheres mitgeteilt. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen. Zwar bedarf es bei ständig wiederkehrenden Sachverständigenfragen , die wegen ihrer Häufigkeit in der gerichtlichen Praxis allen Beteiligten geläufig sind, regelmäßig keiner näheren Erörterung, sofern - wie beispielsweise bei der Daktyloskopie, der Blutalkoholanalyse oder bei der Bestimmung von Blutgruppen - standardisierte Untersuchungsmethoden verwendet werden. Um eine solche handelt es sich aber bei der mitochondrialen DNA-Analyse bislang nicht, so dass die Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar hätten mitgeteilt werden müssen (vgl. BGH NStZ 2000, 106, 107 m.w.N.).
21
In diesem Zusammenhang wird zudem nicht deutlich, ob auch die Sachverständige die Repräsentativität der Datenbank skeptisch beurteilt hat. Hiergegen könnte sprechen, dass infolge der - grundsätzlich - unveränderten Vererbung der mitochondrialen Sequenzen in der weiblichen Linie die Erfassung einer relativ geringen Zahl von unterschiedlichen Datensätzen ausreichend sein könnte, um eine wesentlich größere Gesamtmenge von Individuen repräsentativ darzustellen. Sollte jedoch die Sachverständige, deren Kompetenz das Landgericht nicht in Zweifel gezogen hat und der es an anderer Stelle ausdrücklich gefolgt ist, die Datenbank als repräsentativ eingestuft haben, wäre dies in den Urteilsgründen näher darzulegen gewesen. Zwar ist es einem Tatgericht unbenommen, bei seiner Beweiswürdigung von der Ansicht eines Sachverständigen abzuweichen. Dann muss es aber die Argumente des Sachverständigen , dessen Rat es bei der Beauftragung für erforderlich hielt, so weit erörtern und mit eigenen Gründen so widerlegen, dass ersichtlich wird, dass es das von ihm nunmehr beanspruchte bessere Sachwissen auf dem zur Erörterung stehenden Teilbereich des fremden Wissensgebietes zu Recht für sich in Anspruch nimmt (vgl. BGH NStZ-RR 2006 242, 243; BGH, Urt. vom 20. März 2008 - 4 StR 5/08). Hieran würde es fehlen.
22
bb) Durchgreifenden Bedenken begegnet es auch, dass das Landgericht „die Maßgeblichkeit der Sammlung von mtDNA-Sequenzen“ durch das weibliche Vererbungsmuster als „getrübt“ angesehen hat. Zwar trifft die zur Begründung angeführte Überlegung, dass sich hierdurch bestimmte Sequenzen lokal konzentrieren können, grundsätzlich zu. Es wäre jedoch - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat - zu erörtern gewesen, ob dieser Einwand im konkreten Fall überhaupt bedeutsam sein kann. Dies wäre in Betracht gekommen, wenn die vom Landgericht erwogene Konzentration namentlich in Landshut und Umgebung hätte festgestellt werden können. Zum Lebenslauf der Mutter (oder früherer weiblicher Vorfahren) des im fränkischen Lauf a. d. Pegnitz geborenen Angeklagten enthält das Urteil jedoch keine Angaben. Ein Tatgericht ist aber nicht gehalten, einen Umstand zugunsten des Angeklagten zu unterstellen, für den ein realer Anknüpfungspunkt fehlt, bei dem es sich folglich nur um eine abstrakt-theoretische Möglichkeit handelt (vgl. BGH, Urt. vom 20. Oktober 2004 - 1 StR 232/04).
23
cc) Der Senat kann daher nicht prüfen, ob das Landgericht den Umstand, dass die mitochondriale DNA des Angeklagten mit derjenigen der gesicherten Schamhaare übereinstimmt und von der Sachverständigen als „eher selten“ angesehen wurde, mit dem zutreffenden Beweiswert in seine Gesamtwürdigung eingestellt hat. Dies erscheint zweifelhaft, zumal das Landgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, die Einschätzung der Sachverständigen beruhe „auf einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Für einen Schuldspruch“ wären - hier nach Ansicht des Landgerichts nicht gegebene - „andere Kriterien anzulegen , unter anderem eine Bevölkerungsabgrenzung und die Größe des Probandenkreises , die in ein charakteristisches Vergleichsmaterial Eingang finden“ müssten. Diese Erwägung ist schon für sich genommen ohne nähere Erläuterung , welche fehlt, kaum verständlich. Die vorgenommene Gegenüberstellung lässt zudem besorgen, das Landgericht könnte nicht hinreichend bedacht haben , dass es sich bei seiner Beweiswürdigung über gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nicht hinwegsetzen darf (vgl. BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 3 bis 5).

III.


24
Auf diesen Beweiswürdigungsmängeln kann das Urteil beruhen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit führen sie deshalb dazu, dass die Sache erneut verhandelt und entschieden werden muss.
25
Dabei wird das für die Bestimmung des Beweiswertes der mitochondrialen DNA-Analyse maßgebliche Vergleichsmaterial einer sorgfältigen Bewertung bedürfen. Insofern wird sich die Beauftragung eines biostatistischen Sachverständigen empfehlen (vgl. BGH NStZ 2000, 106, 107; s. auch BGHSt 38, 320, 322 f.). Sollte dieser auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes keine statistisch verlässlich abgesicherte Quantifizierung vornehmen können, würde dies nicht dazu führen, dass dem Ergebnis der mitochondrialen Untersuchung jeglicher Beweiswert abzusprechen wäre. Dieses wäre vielmehr mit der ihm zukommenden Ungewissheit in die Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. BGH StV 1996, 251 zu untersuchten Faserspuren).
26
Ferner wird zu bedenken sein, dass - wie sich aus den Urteilsgründen ergibt - eines der beiden Schamhaare ursprünglich eine Wurzel hatte, die vom Bayerischen Landeskriminalamt zur Untersuchung der Kern-DNA verwendet, hierbei allerdings verbraucht wurde. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit zu der Prüfung haben, ob das dabei erzielte Ergebnis noch mit der Kern-DNA des Angeklagten verglichen werden kann, auch wenn das damals genutzte D1S80System seit mehr als elf Jahren nicht mehr verwendet und produziert wird. Insofern wird es nahe liegen, sich der Hilfe des Bundeskriminalamtes zu bedienen.

27
Sollte der genannte Vergleich durchgeführt werden können, wird der Frage nachzugehen sein, ob die Untersuchungsergebnisse der Kern-DNA einerseits und der mitochondrialen DNA andererseits im Sinne der Produktregel dergestalt voneinander unabhängig sind (vgl. hierzu BGHSt 38, 320, 323; BGH NStZ 1992, 601, 602), dass sie als Faktoren - mit der Folge eines ggf. deutlich gesteigerten Beweiswertes - miteinander kombiniert werden können. Nack Wahl Graf Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Referenzen

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 582/06
vom
22. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwältin
als Verteidigerinnen,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger H. C. , E. C. und
M. W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. M. ,
die Nebenklägerin M. W. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 21. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, am 7. Oktober 2004 die Sparkassenfiliale in S. ausgeraubt und dabei eine Sparkassenkundin erschossen und deren Ehemann sowie einen Sparkassenangestellten lebensgefährlich verletzt zu haben. Von seiner Täterschaft konnte sich das Landgericht nicht überzeugen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

I.

3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
4
Am 7. Oktober 2004 versah in der Sparkassenfiliale S. der Bankkaufmann T. M. den Dienst. Während der von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr dauernden Mittagspause nahm T. M. eine Verabredung in N. mit Kollegen anderer Filialen wahr. Zwischen 13.46 Uhr und spätestens 13.54 Uhr kehrte er in die Filiale S. zurück. Unter nicht näher geklärten Umständen wurde er dort vor 13.56 Uhr von einem unmaskierten und mit einer Pistole bewaffneten Mann gezwungen, im Kassenraum den Banktresor zu öffnen und Geldscheine sowie Münzgeld im Werte von 33.514 € herauszugeben. Anschließend musste sich T. M. in dem benachbarten Beratungsraum hinknien und erhielt von dem Täter mit einem stumpfkantigen Gegenstand bis zu zwölf wuchtige Schläge auf den Kopf, die zu einem lebensgefährlichen Schädel-Hirn-Trauma mit einer handtellergroßen Trümmerfraktur des Schädeldachs und zu Trümmerfrakturen im Bereich der Augenhöhlen sowie Kontasionen des Hirngewebes führten.
5
Um 13.55 Uhr betraten die Eheleute C. die Sparkassenfiliale, um ein Bankgeschäft zu erledigen. Vom Kundenschalterraum aus hörten sie Stöhngeräusche , ohne jemand zu sehen. Mit den Worten "Schnell raus, hier stimmt was nicht" zog H. C. seine Ehefrau in den Windfang und wollte mit ihr die Bank verlassen. Noch bevor sie die Eingangstür erreicht hatten, kam ein Mann aus dem Beratungsraum und drängte sie mit vorgehaltener Pistole zurück in den Kundenschalterraum. Er drückte den Zeugen H. C. bäuchlings über die Sitzfläche eines Stuhles, setzte die Pistole im Nacken des Zeugen an und drückte ab. Das Projektil drang im linken Nackenbereich ein und trat unterhalb des linken Unterkiefers wieder aus. Nunmehr richtete der Täter die Waffe gegen G. C. und gab von vorn zwei Schüsse auf deren Kopf ab mit der Folge, dass G. C. innerhalb weniger Sekunden verstarb. Der Täter flüchtete mit der Beute. Die Verletzungen des T. M. und des H. C. waren lebensgefährlich. Beide überlebten nach Notoperationen, wobei T. M. bis zum 16. Oktober 2004 in ein künstliches Koma versetzt wurde.
6
2. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund folgender Erkenntnisse:
7
a) Die beiden die Tat überlebenden Geschädigten T. M. und H. C. haben den Angeklagten als Täter bezeichnet.
8
b) Der Angeklagte fuhr im Tatzeitraum mit seinem Kraftfahrzeug in der Nähe des Tatorts.
9
c) Der Angeklagte befand sich in finanziellen Schwierigkeiten. Am Nachmittag des Tattages zahlte er bei der Volksbankfiliale S. 10.000 € ein, darunter 14 Scheine im Wert von je 500 € - die Tatbeute enthielt 15 Scheine in diesem Wert. Am folgenden Tag zahlte seine Lebensgefährtin dort weitere 4.600 € ein. Bei Durchsuchungen seines Anwesens wurden ca. 20.000 € sichergestellt.
10
d) Im Kniekehlenbereich des Fahrersitzes des von dem Angeklagten benutzten Fahrzeugs wurde eine Blutantragung gesichert, deren molekulargenetische Untersuchung ein DNA-Teilmuster ergab, welches mit einem Häufigkeitswert von 1:10.130 mit den Merkmalen des Geschädigten M. übereinstimmt.
11
e) In einem alten Steinbruch von S. wurde im weiteren Verlauf des Tattages ein Feuer entzündet, das eine starke schwarze Rauchsäule entfaltete. Im Brandschutt dieser Feuerstelle wurden Adressaufkleber des Angeklag- ten, diesem zuzuordnende Rundhölzer und - etwa 13 Monate nach diesem Brand - eine Kautschukmischung aus einem Produkt des französischen Stiefelherstellers Le Chameau sichergestellt. Der Angeklagte hatte zweimal ein paar Gummistiefel dieser Marke gekauft und trug am Tattag Stiefel. Zwei am Tatort gesicherte Schuhabdruckfragmente wurden von einem Gummistiefel der Marke Le Chameau verursacht.
12
3. Das Landgericht hat sich gleichwohl von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht.
13
Hinsichtlich des Zeugen M. bestünden wegen der erheblichen Verletzungen im Gehirnbereich Bedenken an der Aussagetüchtigkeit. Der Zeuge C. habe unmittelbar nach der Tat gegenüber verschiedenen Zeugen lediglich geäußert, der Täter habe dem Angeklagten ähnlich gesehen. Die finanzielle Situation des Angeklagten sei nicht ganz aussichtslos gewesen. Hinsichtlich der Blutspur im Fahrzeug des Angeklagten liege das Analyseergebnis im Bereich der unteren Nachweisgrenze; insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass angesichts des äußerst blutigen Geschehens in der Sparkasse in dem nichtgereinigten Fahrzeug des Angeklagten keine weiteren Blutspuren gefunden wurden. Es bestünden aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran, dass es dem Angeklagten überhaupt möglich war, das Feuer in dem Steinbruch zu entzünden. Darüber hinaus lasse sich nicht feststellen, dass die im Brandschutt gefundenen Gegenstände auch tatsächlich aus dem Brand des Tattages stammen.
14
Im Übrigen bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass es dem Angeklagten in zeitlicher Hinsicht möglich war, die Tat zu begehen. Die Kammer hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten um genau 13.54 Uhr mit seinem Fahrzeug ca. 100 Meter von der Sparkasse entfernt in die H. straße einbiegen und ortsauswärts fahren sehen. Da die Eheleute C. die Sparkasse um 13.55 Uhr betreten hätten, hätte um 13.54 Uhr - auch wenn die Tat zum Nachteil des Zeugen M. in nicht mehr als eineinhalb Minuten begangen werden konnte - der Täter sich bereits in der Sparkasse befinden müssen.
15
Schließlich gebe es Hinweise auf andere Täter. Die Zeugin G. habe gegen 12.30 Uhr, als T. M. die Sparkasse bereits verlassen gehabt und der Angeklagte sich noch zuhause befunden hätte, eine männliche Stimme aus dem Bankinneren gehört. Im Tatzeitraum habe vor der Sparkasse ein dunkelfarbenes Fahrzeug gestanden, das keinem der in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen zugeordnet werden konnte.

II.

16
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
17
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
18
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie wider- sprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
19
2. Das Landgericht hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen "zwingenden" Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c). Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlastender Beweismittel vor (Buchst. d).
20
a) Die Strafkammer hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überlebenden Opfer, H. C. und T. M. den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - jeweils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten "sicher" als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als letztlich nicht überzeugend erachtet. Der Zweifelssatz, der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. BGH NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend be- dacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeugung von der Täterschaft gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer "Auseinandersetzung mit allen für den Tathergang wesentlichen Umständen und Indizien" verblieben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
21
b) Das Landgericht lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb "allenfalls Indizwirkung" zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Kleidungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung (UA S. 97) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der Senat kann daher aufgrund dieser Lücke der Urteilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der Strafkammer selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren festgestellt wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefundenen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert.
22
Weiterhin hat das Landgericht den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke Le Chameau gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am Tattage Stiefel trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von einem Stiefel der Marke Le Chameau stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die Stiefelreste erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest (UA S. 166), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der Marke Le Chameau für das vorliegende Verfahren erfahren hatte.
23
c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf.
24
Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erüb- rigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher Belastungsindizien vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
25
Die Würdigung der Belastungsindizien erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als "Endtermin" angesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzahlen zu müssen.
26
Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung einbezogen, dass die Tatbeute 15 Scheine im Wert von je 500 € enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten Schwarzgeldgeschäften - Verkauf von Wild und Ausschlachtungsarbeiten auf einer staatlichen Liegenschaft - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat.
27
Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der Strafkammer erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute C. vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben.
28
d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. - dem zentralen Entlastungsbeweismittel - hat sich das Landgericht in einer für den Senat nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt.
29
aa) Das Landgericht hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr gesehen, als dieser - aus der L. gasse kommend - nach rechts stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so präzise machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die katholische Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das Landgericht ausgehend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewesen, vor dem Eintreffen der Eheleute C. um 13.55 Uhr die Bank zu betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte.
30
bb) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das Landgericht bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass "keine gravierenden Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung und bei seinen polizeilichen Vernehmungen" vorhanden seien.
31
Ob diese Bewertung zutrifft, kann der Senat anhand der Urteilsausführungen (vgl. UA S. 144 ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet , er sei "kurz vor zwei" losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ("Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen."). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten "fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr" gesehen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Vernehmungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr).
32
cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des Entlastungszeugen B. hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wiedergabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne (UA S. 147), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat.
33
Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der Senat, dass das Landgericht die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des Zeugen B. allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft , als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im Beweisgebäude angesehen hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des Zeugen B. zur Überzeugung des Landgerichts zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des Zeugen B. als nicht hinreichend zuverlässig eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu begehen.

III.

34
Da diese sachlich-rechtlichen Mängel bereits zur Aufhebung führen, kommt es auf die übrigen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger nicht an.

IV.

35
Mit der Aufhebung des Urteils entfällt der an den Freispruch anknüpfende Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen , sodass die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos ist.

V.

36
Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 (2. Alt.) StPO an ein anderes Landgericht zurück. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 5/08
vom
20. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. März
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 7. September 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Anklagevorwurf, "in der Zeit von Anfang April 2005 bis zum 1. Dezember 2005 in elf Fällen sexuelle Handlungen an der am 7. Mai 1991 geborenen Selina F., die ihm zur Erziehung und zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut war, vorgenommen zu haben" , wobei es "auch zum vaginalen Geschlechtsverkehr gekommen" sei, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war der Angeklagte seit dem erfolgreichen Abschluss des Sozialpädagogik-Studiums im April 1999 Erzieher im -Kinderheim in P. . Ab Sommer 2005 wurde er mit der Funktion eines sog. Bezugserziehers für die seinerzeit 14jährige Nebenklägerin Selina F. betraut, die sich bereits seit ihrem 7. Lebensjahr in Kinderheimen befand und wegen ihrer Unbeherrschtheit ein "nicht einfa- ches" Kind war. Selina F. reagierte auf die Übernahme der Funktion ihres Bezugserziehers durch den sehr beliebten Angeklagten mit Freude. Der Angeklagte seinerseits empfand diese Aufgabe als echte Herausforderung und investierte in die Betreuung von Selina F. derart auffällig viel Zeit, dass sich seine Kollegen veranlasst sahen, ihm gegenüber mehr professionelle Distanz zu seinem Schützling anzumahnen. Des Weiteren teilt das Urteil in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen lediglich die Entstehung der von der Nebenklägerin gegenüber dem Angeklagten erhobenen Anschuldigung, sie "vergewaltigt" zu haben, mit. Zum Tatvorwurf selbst beschränkt sich das Landgericht vielmehr auf die pauschale Mitteilung, der Angeklagte habe von Anfang an abgestritten, die ihm zur Last gelegten Taten begangen zu haben. Objektive Beweise lägen nicht vor. Er werde allein durch die Aussage Selinas belastet, die angegeben habe, der Angeklagte habe ca. 15-mal den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr ausgeführt, immer in ihrem Hochbett, immer während seines Nachtdienstes - meist am Wochenende ; in drei bis vier Fällen habe sie ihn manuell befriedigt. Sodann erörtert das Urteil einige Widersprüche in den Aussagen der Nebenklägerin, die die Jugendschutzkammer als derart gravierend erachtet, dass demgegenüber das Gutachten der Sachverständigen Dr. U. nicht zu überzeugen vermöge, die zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Aussage Selinas mit hoher Wahrscheinlichkeit nur durch die Annahme eines realen Erlebnishintergrundes zu erklären sei.
3
2. Das angefochtene Urteil wird bereits den formellen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind, nicht gerecht und unterliegt schon deshalb der Aufhebung.
4
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1980, 2423; NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4, 10; BGH, Urteil vom 26. November 2003 - 2 StR 293/03).
5
Diese gebotene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil nicht. Schon der Tatvorwurf lässt sich dem Urteil nicht hinreichend deutlich entnehmen, zumal es keinerlei zusammenfassende Darstellung der Bekundungen der Nebenklägerin und der Einlassung des Angeklagten enthält. Diese war hier umso mehr erforderlich, als Selina bei ihrer ersten Offenbarung behauptet hatte, von dem Angeklagten "vergewaltigt" worden zu sein, während in ihrer jetzigen Aussage ersichtlich von einer Vergewaltigung nicht mehr die Rede ist. Auch bleibt unklar, worauf die - zudem in der Anklage und der jetzigen Aussage der Nebenklägerin unterschiedliche - Anzahl der dem Angeklagten angelasteten sexuellen Übergriffe beruht. Schließlich fällt auch auf, dass die Anklage von einem Tatzeitraum von April 2005 ausgeht, während nach den Feststellungen der Angeklagte erst seit dem Sommer 2005 Bezugserzieher der Nebenklägerin wurde.
6
Der Pflicht zur gebotenen geschlossenen Darstellung sowohl der Opferaussage als auch der Einlassung des Angeklagten zu den Tatvorwürfen konnte sich der Tatrichter auch nicht dadurch entziehen, dass er einige Argumente gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin angeführt hat. Denn die Widersprüche stellen nur einen Ausschnitt aus der gebotenen, aber fehlenden Gesamtwürdigung dar. In diesem Zusammenhang hätte es insbesondere auch einer eingehenderen Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten bedurft. Die knappen Ausführungen im angefochtenen Urteil dazu genügen nicht. Vielmehr muss der Tatrichter, der in einer schwierigen Frage den Rat ei- nes Sachverständigen in Anspruch genommen hat und der diese Frage in Widerspruch zu dem Gutachten lösen will, die Darlegungen des Sachverständigen im Einzelnen wiedergeben, insbesondere dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten , auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (st. Rspr.; BGHR StPO § 261 Sachverständiger 5 und 9 m.w.N.).
7
Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/04
vom
20. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 17. Februar 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung - durch Unterlassen - zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachbeschwerde. Sie rügt Mängel der Beweiswürdigung und erstrebt eine Verurteilung wegen Totschlags. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts sprachen der Angeklagte und seine LebensgefährtinE. S. dem Alkohol in starkem Maße
zu. Ihre Beziehung war gekennzeichnet durch häufige Streitereien im betrunkenen Zustand. Am 30. September 2002 kam der Angeklagte, der zuvor Alkohol zu sich genommen hatte, gegen 21.00 Uhr nach Hause. Seine Lebensgefährtin befand sich im "Alkoholdelirium". Sie lag bekleidet im Bett und hatte eingekotet. Seine Aufforderung, sich zu baden, lehnte sie ab. Er zog sie aus dem Bett, entfernte das verschmutzte Bettuch und schob sie ins Badezimmer. Sie füllte zwar die Wanne mit heißem Wasser, kam aber ungesäubert in die Küche. Der Angeklagte zerrte sie erneut ins Badezimmer. Als sie sich weigerte, sich auszuziehen und in die Wanne zu steigen, stieß er sie in diese. Möglicherweise schlug die Frau dabei mit dem Hinterkopf an der Kante der Badewanne auf, möglicherweise hatte sie sich aber auch die später festgestellte Hinterkopfverletzung zeitnah am selben Abend zuvor durch einen Sturz oder Anschlagen an einen anderen Gegenstand zugezogen. Als sich die Frau mit dem ganzen Körper in der gefüllten Wanne befand, versuchte sie aus dieser wieder herauszusteigen. Der Angeklagte drückte den Körper in das Wasser zurück. Er versuchte sie auszukleiden. Da sie sich heftig wehrte, gab er schließlich auf und sagte zu ihr: "Tu doch, was Du magst". Die Frau blieb bis zum halben Oberkörper im Wasser in der Wanne liegen. Der Angeklagte bereitete sich in der Küche ein Essen und sah fern, ohne sich weiter um die betrunkene Frau zu kümmern. Gegen 22.15 Uhr ging er zur Toilette. Die Frau lag immer noch bekleidet ruhig im Wasser. Er meinte, daß sie ihn anblinzelte. Er sprach sie aber nicht an, verrichtete seine Notdurft und ging ins Bett. Das Landgericht hat weiter festgestellt: Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 22.00 Uhr und 7.00 Uhr glitt die Frau aufgrund einer alkoholbedingten Bewußtseinsstörung mit dem Kopf unter Wasser, was zum Ertrinkungstod führte. Ein bis zwei Minu-
ten nach dem Untertauchen des Kopfes betrat der Angeklagte erneut das Badezimmer und zog nunmehr den Kopf der Frau so weit hoch, daß er wieder über die Wasseroberfläche kam und dort verblieb. Er erkannte möglicherweise nicht, daß sie bereits tot war. Gegen 6.45 Uhr stand er am nächsten Morgen auf und sah die Frau immer noch bekleidet in der Wanne liegen. Dieses Mal sprach er sie an, erhielt allerdings keine Antwort. Als sie auch auf Berührungen und "Betatschungen" nicht reagierte, geriet er in Sorge, ließ das Wasser aus und verständigte aus einer Telefonzelle den Notarzt. Dieser fand die Frau mit dem Kopf außerhalb der Wasserlinie vor und stellte um 7.53 Uhr deren Tod fest. Das Opfer hatte eine Blutalkoholkonzentration zwischen 2,78 und 3,95 o/oo. Die Tatzeit-BAK des Angeklagten betrug aufgrund der Trinkmengenangaben ca. 2 o/oo bei hoher Alkoholtoleranz. Die Obduktion der Leiche führte zu keiner eindeutig nachweisbaren Todesursache. Es wurden allerdings "Verkochungen" der Hautdecken am Rumpf, den Beinen und den Armen unter Aussparung der oberen Brustregion, des Halses und des Kopfes festgestellt. Die Einlaßtemperatur des Wassers ist unbekannt. Der gehörte gerichtsmedizinische Sachverständige hat ausgeführt, daß derartige Verbrühungen bei gleichmäßiger Einwirkung von 44° Celsius erst nach fünf Stunden eintreten, bei höheren Temperaturen aber bereits nach wenigen Minuten oder gar Sekunden. Erst die feingewebliche Untersuchung der Lungen des Opfers hat schließlich die eindeutige Todesursache durch Ertrinken ergeben. Der Todeszeitpunkt konnte nicht näher eingegrenzt werden. Für den Tod in den frühen Morgenstunden spreche - so der Sachverständige - die gemessene Raum- bzw. Rektaltemperatur, woraus geschlossen werden müsse, daß die Frau bis nicht allzu lange vor der Todesfeststellung noch im warmen
Badewasser gelegen haben müsse, da sie sonst stärker ausgekühlt wäre. Die Untersuchung des Mageninhalts spreche dagegen für einen früheren Todeseintritt. 2. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, seine Lebensgefährtin ertränkt zu haben. Dies bestreitet er und läßt sich dahin ein, der Kopf sei nie unter Wasser gewesen, er habe ihn auch zu keinem Zeitpunkt wieder herausgezogen. Als er die Frau in die Wanne verbracht habe, sei das Wasser gut warm gewesen; sie habe gern heiß gebadet. Er habe während der Nacht kein heißes Wasser nachgefüllt. 3. Die Strafkammer hat, sachverständig beraten, vier Sachverhaltsvarianten geprüft. Die Kammer hält es zwar für objektiv möglich, daß der Angeklagte seine Lebensgefährtin für die Dauer von ein bis zwei Minuten gewaltsam unter die Wasseroberfläche gedrückt hat, so daß sie dadurch ertrank, "einen zwingenden Beweis" dafür habe die Beweisaufnahme jedoch nicht erbracht. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zieht sie aus der Tatsache, daß keine "Verkochungen" im Kopfbereich eingetreten sind und nur geringe Ertrinkungsbefunde vorlagen, den Schluß, daß der Kopf der Frau sich zwar für einen für die Ertrinkung ausreichenden Zeitraum von ein bis zwei Minuten unter Wasser befunden habe, danach aber wieder oberhalb der Wasserfläche. Da die Ertrunkene nach Eintritt des Ertrinkungstodes den Kopf nicht aus eigenen Kräften wieder über Wasser gebracht haben kann, schließt die Kammer weiter, daß der Angeklagte dies getan haben müsse. Hinsichtlich des Zeitpunktes kann sie aber nicht ausschließen, daß das Opfer gegen 22.15 Uhr, als der Angeklagte seine Notdurft verrichtete, noch lebte und danach noch selber ein oder mehrmals heißes Wasser nachgefüllt hat, so daß gegen Morgen, als der Tod festgestellt wurde, der Körper noch nicht völlig ausgekühlt war.

II.

Die Beweiswürdigung begegnet rechtlichen Bedenken. 1. Das Revisionsgericht hat die Entscheidung des Tatrichters grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten. Diese sind nur dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt oder an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 m.w.Nachw.). An diesen Maßstäben gemessen hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. 2. Der Tatrichter hat hier nicht alle wesentlichen Umstände in seine Überlegungen einbezogen, durch die er Zweifel an einer vorsätzlich begangenen Tat (§§ 212, 227 StGB) hätte überwinden können. Die Würdigung leidet an Erörterungsmängeln und ist deshalb schon nicht tragfähig.
a) Die Mindestwassertemperatur, die zu den vorgefundenen Verkochungen führen konnte, ist mit 44° Celsius festgestellt, setzt aber eine gleichmäßige Einwirkung von mehr als fünf Stunden voraus. Es liegt schon nicht nahe, daß auch Menschen, die ein heißes Bad bevorzugen, sich freiwillig solche Verbrühungen zufügen, wie sie beim Opfer festgestellt wurden, sei es durch freiwilliges Verbleiben in dem zu heißen Wasser nach dem Hineinstoßen oder sei es durch Nachfüllen eines solchen. Das Landgericht hätte sich daher sowohl mit der menschlichen Reaktion auf eine solche Temperatur des Badewassers als auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, auf welche konkrete Weise diese Temperatur über fünf Stunden gehalten werden kann und auch gehalten
wurde. Das Zusammenspiel beider Faktoren kann hier zu einer sogar noch höheren Ausgangstemperatur führen.
b) Im Hinblick darauf, daß nach den Ausführungen des Sachverständigen der Körper der Frau bis in den frühen Morgenstunden im warmen Wasser gelegen haben muß, weil er sonst stärker ausgekühlt wäre, andererseits der Mageninhalt für einen früheren Todeseintritt spreche, und unter weiterer Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten, der Kopf der Frau sei nie unter Wasser gewesen, hätte die Strafkammer nicht nur ein Nachfüllen durch das noch lebende Opfer selbst in Erwägung ziehen dürfen. Erörterungsbedürftig wäre gewesen, daß auch der Angeklagte die Verbrühungen an der schon toten Frau herbeigeführt haben könnte - sei es durch Nachfüllen oder durch erneutes Befüllen mit heißem Wasser -, um möglicherweise eine andere Todesursache vorzutäuschen. 3. Die Formulierung des Landgerichts, es sei objektiv möglich, daß der Angeklagte seine Lebensgefährtin gewaltsam unter die Wasseroberfläche für die Dauer von ein bis zwei Minuten gedrückt habe, so daß sie dadurch ertrank, dafür jedoch die Beweisaufnahme keinen "zwingenden Beweis" erbracht habe, läßt zudem besorgen, daß das Landgericht an die richterliche Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen gestellt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung dafür, daß sich der Tatrichter vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts überzeugt, nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und damit von niemandem anzweifelbare Gewißheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen läßt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die
Annahme einer bloß gedanklich, abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5). So liegt der Fall hier. Das Landgericht geht ohne reale Anknüpfungspunkte von der denktheoretisch, abstrakten Möglichkeit aus, der Angeklagte sei ein bis zwei Minuten nach dem durch alkoholbedingte Bewußtseinsstörung eingetretenen Untertauchen des Kopfes und dadurch herbeigeführten Ertrinkungstod aufgewacht und im Badezimmer zur Stelle gewesen, um den unter Wasser befindlichen Kopf der Frau wieder herauszuziehen. Eine Grundlage für diesen eher fernliegenden Geschehensablauf gibt die Kammer nicht an. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.