Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2011 - 2 StR 251/11

bei uns veröffentlicht am02.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 251/11
vom
2. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 26. Oktober 2011 in der Sitzung vom 2. November 2011, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 7. März 2011, soweit es ihn betrifft , im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 8.450 € angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teil- erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen konsumierte der einschlägig vorbestrafte Angeklagte S. seit Jahren Drogen, hauptsächlich Kokain und Amphetamin. Zwischen dem 2. Januar 2010 und dem 17. Februar 2010 handelte er in sieben Fällen mit Haschisch und Amphetamin in einer Größenmenge von jeweils zwischen 100 und 500 Gramm. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 8. Februar 2010 wurden 24,61 Gramm zum Weiterverkauf bestimmtes Kokain und ein Rest von 8,7 Gramm Amphetamin sichergestellt. Der Angeklagte handelte in der Absicht , sich durch den Handel mit Betäubungsmitteln eine fortlaufende Einnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts und zur Finanzierung seines eigenen Konsums von Amphetamin und Kokain zu verschaffen.

II.

3
Der Angeklagte hat mit Verteidigerschriftsatz vom 15. Juni 2011 nachträglich erklärt, er nehme die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff aus. Eine solche Revisionsbeschränkung ist grundsätzlich möglich und im vorliegenden Fall wirksam, weil sich hier weder den Urteilsgründen noch der Strafhöhe entnehmen lässt, dass die Strafe von dem Unterbleiben der Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB beeinflusst worden ist (vgl. BGHSt 38, 362 ff; Fischer, StGB 58. Aufl. § 64 Rn. 29 mwN). Die Senatsentscheidungen vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 und vom 22. Juni 2011 - 2 StR 139/11 stehen dem nicht entgegen. Soweit die Begründungen jener Einzelfallentscheidungen als zu weitgehend interpretiert werden könnten, stellt der Senat klar, dass eine Ausnahme der Nicht- Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB vom Revisionsangriff nur dann unwirksam ist, wenn sich im Einzelfall aus den Urteilsgründen eine unlösbare Verbindung von Straf- und Maßregelausspruch ergibt.

III.

4
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und daher gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
5
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die allgemeine Sachrüge hat im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6
Allein der Umstand, dass der Angeklagte seit Jahren selbst Rauschmittel konsumierte und u.a. auch zur Finanzierung seines eigenen Konsums mit Drogen handelte, drängte hier nicht zu einer näheren Erörterung des § 21 StGB. Eine Abhängigkeitserkrankung kann die Annahme von § 21 StGB nur dann begründen , wenn ein langjähriger Konsum zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder wenn starke Entzugserscheinungen bzw. die Angst vor solchen handlungsbestimmend sind (vgl. Fischer, aaO § 21 Rn. 13 mwN). Dafür gab es vorliegend keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil spricht hier die gut geplante und situationsangepasste Tatausführung in vielen Fällen über einen längeren Zeitraum entscheidend gegen eine verminderte Schuldfähigkeit.
7
3. Allerdings hat der Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes von 8.450 € keinen Bestand. Nach den Urteilsfeststellungen waren Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften wertmäßig nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden. Dies kann es rechtfertigen, von der Härteregelung des § 73c Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen. Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2011 - 2 StR 251/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2011 - 2 StR 251/11

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2011 - 2 StR 251/11 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Referenzen - Urteile

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Tenor Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der. 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. August 2017 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Ko

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 140/11
vom
15. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 25. Oktober 2010, soweit es den Angeklagten K. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Anordnung der Sicherungsverwahrung unterblieben ist,
b) zu Gunsten des Angeklagten hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie im Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den mehrfach und auch einschlägig vorbestraften Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet, hat mit der Sachrüge Erfolg; sie führt zugleich zur Aufhebung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt sowie des Strafausspruchs zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am frühen Abend des 17. Mai 2010 zu einem Treffen des Nebenklägers mit der Verlobten des Angeklagten K. in deren Wohnung. Hintergrund waren ausstehende Zahlungen in Höhe von 1.500,- € für vorausgegangene Drogenlieferungen des Nebenklägers , der nicht damit rechnete, dort auf andere Personen zu treffen. Tatsächlich waren außerdem der Angeklagte K. und der Zeuge Ke. anwesend , die beide untereinander verabredet hatten, den Nebenkläger durch Gewalt einzuschüchtern.
3
Nachdem die Verlobte des Angeklagten K. die Tür geöffnet und auf Nachfrage bestätigt hatte, dass sie allein in der Wohnung sei, betrat der Nebenkläger die Wohnung und folgte ihr über den Flur in Richtung Wohnzimmer. Auf der Schwelle zur Wohnstube stand plötzlich der Zeuge Ke. , der ohne Ankündigung dem Nebenkläger einen Schlag ins Gesicht versetzte. Sodann trat der Angeklagte K. hinzu, der ein Messer in der Hand hielt. Der Zeuge Ke. schlug auf Aufforderung des Angeklagten weiter auf den Nebenkläger ein, der versuchte, in Richtung Wohnungstür zu entkommen. Beim Versuch der Flucht wurde der Nebenkläger von dem Angeklagten niedergestochen , der ihm mehrere Messerstiche in Arm, Hüfte und Wade versetzte. Der Nebenkläger, der stark blutete, wurde auf Anweisung des Angeklagten vom Zeugen Ke. notdürftig verbunden und durfte sodann die Wohnung verlassen. Er fuhr zur notfallmäßigen Versorgung selbst ins Krankenhaus. Dort wurden u.a. Schädelprellungen und mehrere offene Wunden an Oberarm, Ober- schenkel, Wade und rechter Hand festgestellt. Die Verletzungen sind, abgesehen von der Stichverletzung am Arm, die zu einer Durchtrennung des Nervs und zu einer andauernden Bewegungseinschränkung der linken Hand geführt hat, komplikationslos verheilt.
4
2. Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StPO) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und zur Begründung ausgeführt, es liege bei dem seit mehr als 25 Jahren drogenabhängigen Angeklagten ein Hang vor, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen; insbesondere das von ihm regelmäßig konsumierte Testosteron erhöhe die Aggressivität des Angeklagten enorm. Es bestehe so die Gefahr, dass er infolge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Der Angeklagte verfüge über Krankheitseinsicht und Therapiemotivation, so dass vorliegend die Unterbringung nach § 64 StGB anzuordnen sei.
5
Von einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat die Kammer abgesehen. Zwar habe der Angeklagte ohne eine erfolgreiche Therapie eine ungünstige Sozialprognose. Es habe bisher jedoch keine Therapieversuche beim krankheitseinsichtigen Angeklagten gegeben, so dass begründete Aussicht bestehe, dass der von ihm ausgehenden Gefahr durch die Anordnung der Maßnahme nach § 64 StGB begegnet werden könne. Gemäß § 72 Abs. 1 StGB sei für eine zusätzliche Anordnung von § 66 StGB kein Raum. Allein die Tatsache, dass zusätzlich auch eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorhanden sei, die ebenfalls eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründe , lasse den Vorrang von § 64 StGB nicht entfallen.

II.

6
Die Nichtanordnung einer Sicherungsverwahrung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand; dies führt zugleich zu Gunsten des Angeklagten zur Aufhebung der Anordnung nach § 64 StGB sowie des Strafausspruchs.
7
1. Eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung auf die Frage der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung sowie den Maßregelausspruch nach § 64 StGB ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht erfolgt. Insbesondere die Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist regelmäßig nicht losgelöst vom Strafausspruch überprüfbar. Der Hang, i.S.v. § 64 StGB alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, stellt zugleich eine Betäubungsmittelabhängigkeit dar, die – auch wenn sie nicht zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.v. § 21 StGB führt – einen bestimmenden Strafzumessungsgrund darstellt, der Einfluss auf den Strafausspruch hat. Dieser innere Zusammenhang lässt eine gleichwohl erteilte Rechtsmittelbeschränkung unbeachtlich sein.
8
2. Die Begründung, mit der das Landgericht mit Blick auf die von ihm verhängte Maßregel nach § 64 StGB von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die begründete Aussicht allein, dass der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr schon durch die Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB und eine erfolgreiche Therapie begegnet werden könne, rechtfertigt auch angesichts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß § 72 StGB nicht den Verzicht auf eine zusätzliche Maßnahme nach § 66 StGB.
9
Das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung in der Entziehungsanstalt verlangt vielmehr ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit, dass allein mit der Maßregel nach § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. BGH NStZ 2009, 442, 443 mwN). Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel führen demnach zur kumulativen Anordnung der Maßregeln (BGH NStZ-RR 2008, 336). Die danach für einen Verzicht auf die Anordnung nach § 66 StGB erforderliche Überzeugung lässt sich der landgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen. Hinreichende, das erforderliche Maß an Überzeugung begründende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine vielfältigen Drogenabhängigkeiten mit Hilfe einer Therapie wirksam bekämpfen könne , benennt das Landgericht nicht. Allein der Umstand, dass er sich noch nicht einer Therapie unterzogen hat, reicht hierfür noch nicht aus; hierdurch wird lediglich belegt, dass überhaupt eine Erfolgsaussicht besteht, nicht aber, mit welcher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist.
10
Die zur Entscheidung berufene Kammer wird sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das angesichts der Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung deren Anordnung von einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung abhängig macht und dabei in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten an konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen verlangt (BVerfG NJW 2011, 1931, 1946), mit dieser Frage erneut befassen müssen. Sie hat dabei unter sachverständiger Hilfe auch zu prüfen, welche Gefahren von der festgestellten dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten ausgehen und ob und in welchem Umfang diese im Rahmen der angestrebten Therapie gegebenenfalls auch reduziert werden können. Im Hinblick auf die Therapiebereitschaft des Angeklagten und den möglichen Grad der Erfolgsaussicht einer solchen Behandlung könnte bei Annahme der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen im Übrigen auch zu prüfen sein, ob eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 66a StGB) in Betracht kommt (vgl. BGH NStZ 2007, 464).
11
3. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zu Gunsten des Angeklagten zur Aufhebung der Anordnung nach § 64 StGB und auch des Strafausspruchs.
12
a) Das Landgericht hat bei seinem Maßregelausspruch nicht hinreichend dargetan, dass die Tat, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, tatsächlich auf den Hang zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Die Kammer begnügt sich mit dem allgemeinen Hinweis auf eine Äußerung des Sachverständigen, zwischen dem festgestellten Hang, Amphetamine , Crystal und Testosteron zu sich zu nehmen, und "seinen Delikten" sei ein sicherer Zusammenhang anzunehmen. Ob das auch für die jetzt abgeurteilte Tat gilt, stellt das Landgericht nicht ausdrücklich fest. Dies ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Kammer davon ausgeht, dass das am Morgen des Tattags konsumierte 1 Gramm Crystal in seiner Wirkung bereits im Laufe des Nachmittags nachgelassen habe. Darüber hinaus fehlen Ausführungen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise Testosteron, ein Sexualhormon, das im Bodybuilding und im Kraftsport zum Muskelaufbau eingesetzt wird, überhaupt ein "berauschendes Mittel" sein kann, dessen übermäßige Zusichnahme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zur Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB berechtigen könnte.
13
b) Auch der Strafausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern zu Lasten des Angeklagten. Die Kammer ist im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 64 StGB vom Vorliegen einer Suchterkrankung und auch vom Gegebensein einer Symptomtat ausgegangen. Dass sie darin - insoweit dem Sachverständigen folgend - eine schwere seelische Abartigkeit erkannt hat, die allerdings nicht zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit geführt habe, ist zwar nicht zu beanstanden.
14
Wäre die Tat allerdings - wovon das Landgericht ausgegangen ist - Folge einer Betäubungsmittelabhängigkeit, hätte es - auch wenn die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht vorgelegen hätten - nahe gelegen, die Suchterkrankung des Angeklagten als bestimmenden Strafzumessungsgrund bei der Festsetzung der Strafe zu berücksichtigen. Insoweit war auch der Strafausspruch aufzuheben, da nicht zu erkennen ist, ob die Kammer diesen Umstand bei ihrer Strafzumessung berücksichtigt hat, und im Übrigen auch nicht auszuschließen ist, dass die Strafe bei möglicher Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre. Der neue Tatrichter erhält so auf der Grundlage aktueller gutachterlicher Einschätzung Gelegenheit , die Rechtsfolgen insgesamt neu festzusetzen. Fischer Appl Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 139/11
vom
22. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 22. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 10. Dezember 2010, soweit es ihn betrifft, im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 2. Die Revisionen der Angeklagten M. und R. werden als unbegründet verworfen. Von der Auferlegung der Kosten des Rechtsmittels auf den Angeklagten M. wird abgesehen. Der Angeklagte R. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten M. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen zugleich in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung eines früheren Urteils eine Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Es hat ferner den Angeklagten F. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neu Monaten verurteilt und einen Geldbetrag in Höhe von 500 Euro für verfallen erklärt. Schließlich hat es den Angeklagten R. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel der Angeklagten M. und R. sind insgesamt, die
2
Revision des Angeklagten F. ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 6. April 2011 Bezug genommen.
3
Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch zum Nachteil des Angeklagten F. keinen Bestand haben. Das Landgericht hat dessen Drogenabhängigkeit festgestellt. Es hat aber versäumt, diesen Aspekt unter dem Blickwinkel eines minderschweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG beziehungsweise § 30 Abs. 2 BtMG oder unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit im Sinne von § 21 StGB sowie auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu erörtern. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass diese Prüfung eine dem Angeklagten günstigere Entscheidung im Straf- und Maßregelausspruch ergeben hätte. Der Angeklagte hat zwar mit Verteidigerschriftsatz vom 30. April 2011 er4 klärt, er nehme die Nichtanordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff aus. Diese Revisionsbeschränkung ist jedoch unwirksam, weil zugleich der Schuldspruch mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde angegriffen wurde, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann (BGH NStZ-RR 2010, 171 f.), ferner weil die Entscheidung über den Strafund den Maßregelausspruch untrennbar erscheint.
5
Nicht begründet ist die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages gegen den Angeklagten F. , da die Urteilsfeststellungen nur ergeben, dass dieser als Gegenleistung für seine Tatbeiträge zehn Gramm Amphetamin erhalten hat.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.