Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2018 - 3 StR 37/18

bei uns veröffentlicht am18.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 37/18
vom
18. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2018:181018U3STR37.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Gericke als Vorsitzender, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter, Richter am Landgericht - in der Verhandlung -, Staatsanwältin - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin P. T. , Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers B. T. , Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 15. Juni 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richten sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Nebenkläger P. T. und B. T. , die geltend machen, dass das Landgericht den Angeklagten zu Unrecht nicht wegen Mordes verurteilt habe. Der Angeklagte wendet sich mit der allgemeinen Sachrüge gegen seine Verurteilung. Die Revisionen der Nebenkläger führen zur Aufhebung des Urteils; das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte befand sich seit Januar 2013 aufgrund einer früheren Verurteilung, mit der auch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden waren, im Maßregelvollzug in Rehburg-Loccum.
4
Am 12. September 2015 hatte er unbegleiteten Tagesausgang und traf spätestens gegen 15:00 Uhr an einem Waldstück südlich des Loccumer Klosters auf die später getötete J. T. . Ob die beiden sich bereits kannten und verabredet hatten oder ob sie einander zufällig begegneten, hat das Landgericht nicht feststellen können. Es ist jedenfalls zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass das Opfer ihm freiwillig zu einem im Wald gelegenen Platz folgte, der sich etwa 120 Meter abseits des befestigten Wegs befindet. Dort kam es zum Austausch sexueller Handlungen, wobeidas Landgericht wiederum zugunsten des Angeklagten angenommen hat, dass dies freiwillig geschah. Während des Zusammentreffens entschloss sich der Angeklagte, J. T. durch Erwürgen zu töten. Zugunsten des Angeklagten hat die Strafkammer unterstellt, dass er sich hierzu spontan entschloss; ein Motiv hat sie nicht festzustellen vermocht. Der Angeklagte würgte das Opfer so heftig und lange, dass es einen Zungenbiss erlitt und infolge des Angriffs gegen ihren Hals erstickte. Im Rahmen seiner Gegenwehr fügte es dem Angeklagten Kratzer an der linken Wange zu.
5
Nachdem der Angeklagte Frau T. getötet hatte, trug er ihren mit Ausnahme einer Socke am linken Fuß unbekleideten Leichnam ca. 30 Meter weiter in den Wald hinein und bedeckte ihn mit Stöcken und Ästen. Sodann entfernte er am Tatort die Spuren, übersah dabei jedoch zum einen die Brille des Opfers sowie zum anderen ein Kaugummipapier mit DNA-Anhaftungen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 14,5 Quadrillionen von ihm stammen. Anschließend fuhr er mit seinem Fahrrad zum Maßregelvollzugszentrum zurück.
6
2. Das Landgericht hat die Tat als Totschlag (§ 212 StGB) gewertet. Von der Verwirklichung eines Mordmerkmals gemäß § 211 Abs. 2 StGB hat es sich nicht zu überzeugen vermocht.
7
Hinsichtlich des Merkmals der Verdeckungsabsicht hat die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass eine Straftat, die hätte verdeckt werden sollen, nicht festzustellen gewesen sei. Zwar sei es "durchaus vorstellbar, dass der Angeklagte eine sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung zum Nachteil der J. T. begangen hat und nach dieser Tat befürchtete, J. T. werde ihn anzeigen" (UA S. 59 f.); ebenfalls sei denkbar, "dass sich der Angeklagte aus Angst vor einer Strafverfolgung entschloss, J. T. zu töten" (UA S. 60). Jedoch handle es sich bei dieser Annahme nur um ein mögliches, nicht aber um ein sicher feststehendes Geschehen (UA S. 60). Letztlich erscheine es auch möglich, "ohne dass dies… positiv festzustellen oder zu Gunsten des Angeklagten anzunehmen" sei, dass der Angeklagte und Frau T. aus einem nicht bekannten Grund in Streit geraten seien und er sich deshalb entschlossen habe, sie zu töten (UA S. 61).

II.


8
Die Revisionen der Nebenkläger, die die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB beanstanden, haben Erfolg.
9
Die Begründung, mit der das Landgericht die Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht abgelehnt hat, begegnet - auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11; Urteil vom 2. Februar 2017 - 4 StR 423/16, juris Rn. 8) - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich als lückenhaft, denn die Strafkammer hat nicht sämtliche Umstände, die dazu geeignet waren, die Entscheidung zu beeinflussen, in ihre Überlegungen einbezogen und einer umfassenden Gesamtwürdigung zugeführt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 - 4 StR 423/16, juris Rn. 8). Sie hat es insbesondere verabsäumt , das strafrechtlich relevante Vorleben des Angeklagten in den Blick zu nehmen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. September 2017 - 2 StR 146/17, NStZ-RR 2017, 383).
10
Den Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ist zu entnehmen, dass dieser in der Vergangenheit wiederholt wegen Sexualdelikten verurteilt worden ist, bei denen er Zufallsopfer auswählte und diese zur Durchsetzung seiner sexuellen Interessen gewaltsam am Hals würgte. So griff er in einem Fall in einem Waldstück die ihm nicht bekannte Geschädigte von hinten an, indem er ihr einen Arm um den Hals legte und so fest zudrückte, dass diese für kurze Zeit das Bewusstsein verlor. Sodann schleppte er sie einige Meter hinter einen Baum und versuchte, sexuelle Handlungen an ihr zu vollziehen, wobei er ihr mehrfach damit drohte, ihr die Kehle durchzuschneiden und sie umzubringen. In einem anderen Fall näherte sich der Angeklagte auf der Straße einer ihm fremden Geschädigten, umfasste mit einem Arm von hinten ihren Hals, drückte ihr mit der anderen Hand den Mund zu und nahm anschließend unter fortwährender Gewalteinwirkung sexuelle Handlungen an ihr vor. Und schließlich riss der Angeklagte in einem weiteren Fall eine ihm nicht bekannte Geschädigte auf einem Parkplatz von ihrem Auto weg, indem er einen Arm von hinten um ihren Hals legte und so fest zudrückte, dass sie keine Luft mehr bekam. Als die Geschädigte seiner Aufforderung, das Auto zu öffnen, nicht nachkam, drückte er fester zu. Im Fahrzeug umgriff er sodann mit seinen Händen ihren Hals und äußerte, dass sie tun solle, was er von ihr verlange, wenn sie nicht sterben wolle. Weil die Geschädigte sich weiter weigerte, drückte der Angeklagte ihr wieder mit der Hand den Hals, so dass sie keine Luft mehr bekam. Zudem sagte er zu ihr: "Entweder Du lässt locker, oder Du bist weg!".
11
In Anbetracht der erkennbaren Parallelen zwischen dem äußeren Erscheinungsbild des hier verfahrensgegenständlichen Geschehens und der in den aufgeführten Vortaten wiederholt zu Tage getretenen gleichartigen Vorgehensweise des Angeklagten hätte es sich aufgedrängt, das strafrechtliche Vorleben des Angeklagten im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Beweise und Indizien zu erörtern (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. September 2017 - 2 StR 146/17, NStZ-RR 2017, 383). Dies gilt insbesondere mit Blick auf diejenigen Sachverhaltsteile, zu denen die Strafkammer keine Feststellungen zu treffen vermocht hat und stattdessen von der jeweils für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit ausgegangen ist. Denn hinsichtlich dieser Aspekte war die Erkenntnisgrundlage ohne Berücksichtigung der Vorstrafentaten nicht vollständig ausgeschöpft. So hätte es etwa nahe gelegen, das bei diesen Taten gezeigte Verhalten des Angeklagten bei der Beurteilung der Fragen, ob der Angeklagte und die Geschädigte einander zufällig begegneten und die Geschädigte freiwillig sexuell mit dem Angeklagten verkehrte, zu erörtern und in die Gesamtwürdigung einzustellen.
12
In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass es nach der stetigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder aufgrund des Zweifelssatzes noch sonst geboten ist, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 10. Mai 2017 - 2 StR 258/16, juris Rn. 17; vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 158/17, juris Rn. 24 mwN).
13
Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer auch hinsichtlich eines möglichen Motivs für die Tötung die Frage stellen müssen, welchen Grund der Angeklagte gehabt haben sollte, die Geschädigte unmittelbar nach einem einvernehmlichen sexuellen Kontakt zu töten. Für die vom Landgericht hierzu angeführte Überlegung, dass der Angeklagte und die Geschädigte aus einem unbekannten Grund in Streit geraten sein könnten, und der Angeklagte sich deshalb dazu entschlossen haben könnte, die Geschädigte zu töten, lassen sich den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte entnehmen.

III.

14
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufgedeckt. Das Landgericht hat sich mit einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Auch die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dem steht nicht entgegen, dass bereits das Landgericht Aurich mit Urteil vom 19. November 2012 diese Maßregel gegen den Angeklagten verhängt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 31. August 1995 - 4 StR 292/95, BGHR StGB § 66 Vollzug 1; LK/Rissing-van Saan/Peglau, StGB, 12. Aufl., § 66 Rn. 225). Die Voraussetzungen für die (zweite) Anordnung der Sicherungsverwahrung sind erfüllt. Es handelt sich um einen Fall der obligatorischen Anordnung nach § 66 Abs. 1 StGB. Dabei hat das Landgericht auch dem für den Ausspruch einer zweiten Sicherungsverwahrung in besonderem Maße geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen , indem es die Regelung des § 67d StGB in den Blick genommen hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. September 1998 - 5 StR 404/98, juris Rn. 3 f.).
Gericke Spaniol Tiemann Berg Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt
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Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

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(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

11
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 462/15, juris). Daran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrunde liegt, dass die Zweckrichtung der AN GP auch die Begehung von Straftaten nach dem Versammlungsgesetz sowie Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikten umfasst habe, als lückenhaft.
8
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Fe- bruar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16 mwN). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, insofern nicht abgedruckt in BGHSt 52, 314). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, insofern nicht abgedruckt in BGHSt 52, 314). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238, 239). Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforder- liche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 – 1 StR 607/15).

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts suchte der mehrfach wegen Sexualdelikten vorbestrafte Angeklagte am Abend des 1. August 2015 ein Bordell im Frankfurter Bahnhofsviertel auf, in dem sich die Geschädigte Y.      aufhielt. Er fragte nach dem Preis für eine Stunde und erkundigte sich zudem, ob sie auch „besondere Sachen“ machen würde. Er bat sie, Sportstrümpfe und Schuhe sowie weiße Kleidung anzuziehen. Zudem wollte er sich nach einer weiteren Frau umschauen, die hinzukommen sollte. Er fragte nach „Poppers“, einem Suchtmittel, dem sexualstimulierende Wirkung nachgesagt wird, und bat, Handschellen bereitzulegen. Zur Besprechung des weiteren Vorgehens tauschten beide die Handynummern aus. Nachdem der Angeklagte die Räumlichkeit verlassen hatte, kam es zum Austausch verschiedener Whats-App-Nachrichten. Die Geschädigte teilte mit, dass sie sich umgezogen habe. Der Angeklagte fragte unter anderem, ob sie Pornos habe und bat sie, Kokain bereitzulegen (UA S. 20, 21). Schließlich wurde die Geschädigte Y.      ungeduldig und wollte das Treffen absagen. Daraufhin teilte der Angeklagte mit, er sei in einer Minute bei ihr.

3

Der Angeklagte kehrte am 2. August 2015 gegen 0.14 Uhr in das Zimmer der Geschädigten zurück, die die Sportschuhe inzwischen wieder ausgezogen hatte. Er forderte sie auf, diese wieder anzuziehen; da er ihr dabei nicht zusehen wollte, drehte er sich zur Wand und stellte den mitgeführten Rucksack ab. Er bat um eine Zigarette, die er hektisch und schnell rauchte. Er sagte ihr, es ginge gleich los, sie solle sich schon einmal auf das Bett setzen. Als sie erwiderte, dass er erst mal bezahlen müsse, wiederholte er, dass sie sich hinsetzen solle. Sie kam der Aufforderung nach und fragte erneut nach der Bezahlung. Der Angeklagte gab der Geschädigten sein Portemonnaie mit dem Bemerken, sie solle sich so viel nehmen, wie sie wolle. Daraufhin öffnete sie den Geldbeutel und sah, dass sich darin kein Geld befand. Als sie zu ihm aufschaute, kam er mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca. 12 cm in der Hand auf sie zu und hielt es mit der scharfen Seite an ihre Kehle. Die Geschädigte schrie „Oh Gott, nein“, griff mit der Hand in die Klinge, ließ sie wieder los und trat nach dem Angeklagten, wobei sie weiter um Hilfe schrie. Der Angeklagte forderte sie auf, ruhig zu sein. Es gelang ihr, ihm mit weiteren Tritten das Messer aus der Hand zu schlagen. Der Angeklagte hielt ihr sodann mit der einen Hand den Mund zu; mit der anderen versuchte er, hinter seinen Rücken zu greifen. Die Geschädigte wehrte sich und biss ihn, während der Angeklagte sie weiter aufforderte, ruhig zu sein. In diesem Moment stürmten der „Wirtschafter“ des Bordells, der Zeuge R.  , und eine andere Prostituierte in das Zimmer. Die Geschädigte nutzte die Gelegenheit zur Flucht. Ihre Kollegin ergriff das am Boden liegende Messer und rannte mit der Geschädigten zusammen in ihr eigenes Zimmer. Dem Zeugen gelang es, den Angeklagten zu überwältigen und ihn später an die Polizei zu übergeben.

4

2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als versuchte Nötigung bewertet. Dass der Angeklagte die Geschädigte nach einem konkreten Tatplan vergewaltigen oder sexuell nötigen wollte und ihr deshalb das Messer an den Hals hielt, hat das Landgericht nicht feststellen können. Ebenso wenig hat es sich die Überzeugung verschaffen können, er habe sie ihrer Einnahmen oder des bei ihr vorhandenen Kokains berauben wollen. Im Hinblick auf die ihr beim Gerangel zugefügte schmerzhafte Prellung und Schwellung des linken Daumens hat die Strafkammer eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung ausgeschlossen, weil der Angeklagte nicht damit gerechnet habe, dass sich die Geschädigte zur Wehr setzen würde, und er deshalb die Verletzung nicht billigend in Kauf genommen habe.

II.

5

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage, welchem Zweck die Nötigungshandlung des Angeklagten dienen sollte, hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.

6

1. Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters; das Revisionsgericht kann nicht eigene Würdigungen an die Stelle von dessen Bewertungen setzen, und kann nur eingreifen, wenn sie Rechtsfehler aufweist. Solche Rechtsfehler liegen vor, wenn die Beweiswürdigung des Tatrichters lückenhaft, unklar oder widersprüchlich ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind. Insbesondere ist es insoweit weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH NStZ-RR 2015, 255). Das Urteil muss außerdem erkennen lassen, dass das Tatgericht sämtliche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein.

7

2. Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

8

a) Die knappe Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft. Es hat nicht sämtliche Umstände berücksichtigt, die für die Frage von Bedeutung sein können, ob der Angeklagte die Geschädigte mit dem Messer bedroht hat, um sie sexuell zu nötigen oder zu vergewaltigen. Entgegen der Ansicht der Revision fehlt es zwar nicht grundsätzlich an der Berücksichtigung der Vorstrafen des Angeklagten und der diesen zugrunde liegenden Tatmuster. Die Strafkammer hat erkannt, dass die „Vorgeschichte“ des Angeklagten einen sexuellen Hintergrund der Tat vermuten lassen könnte, ohne dies jedoch im erforderlichen Umfang in seine Erwägungen einzubeziehen. Es hätte sich aufgedrängt, angesichts der zahlreichen Vorkommnisse aus der Vergangenheit, sich mit Einzelheiten der Tatbegehung auseinanderzusetzen und diese im Hinblick auf Tatopfer und Begehungsweise eingehend in die Würdigung einzubeziehen. Das Landgericht hat es zudem versäumt, ausdrücklich zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten, der bei der Geschädigten zuvor den Preis für Dienstleistungen erfragt und sich mit ihr über mögliche Sexualpraktiken ausgetauscht hatte, kein Geld zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen zur Verfügung stand und der Angriff mit dem Messer in dem Moment erfolgte, als die Geschädigte, die von einer bevorstehenden Erbringung sexueller Dienstleistungen ausging, vorherige Bezahlung verlangte. Dabei hätte sich das Landgericht der Frage stellen müssen, welchen Zweck aus Sicht des Angeklagten, der zudem nach Pornos, Handschellen, Drogen und dem sexualstimulierenden Suchtmittel „Poppers“ gefragt hatte, der Besuch einer Prostituierten dienen sollte, ohne dass ihm für die Begleichung von Dienstleistungen Geld zur Verfügung stand. Insbesondere der Umstand, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Übergabe des leeren Portemonnaies das Messer ergriff und an den Hals des Tatopfers setzte, hätte bei der Frage, welche Zwecke er damit verfolgte, erörtert werden müssen. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang im Übrigen darauf hin, dass darin nicht – wie vom Landgericht angenommen – der Versuch gesehen werden kann, die Geschädigte, die bis dahin noch gar nicht reagiert hatte, ruhig zu stellen. Das Verhalten des Angeklagten weist vielmehr – was das Landgericht in den Blick hätte nehmen müssen – darauf hin, dass er einen anderen Zweck damit verfolgte.

9

b) Das Landgericht hat zudem übertriebene Anforderungen an eine zur Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Denn die Strafkammer hat zu Gunsten des Angeklagten Annahmen für den von ihm mit seinem Messereinsatz verfolgten Zweck in Betracht gezogen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat. Zwar begegnet es insoweit keinen Bedenken, dass es die Strafkammer als eine denkbare Möglichkeit in Betracht gezogen hat, der Angeklagte könnte die Absicht gehabt haben, Kokain zu rauben. Der Umstand, dass er die Geschädigte aufgefordert hatte, „Koks“ bereitzustellen (UA S. 20), gibt einen konkreten Anhalt, mit dem sich die Strafkammer im Rahmen ihrer erforderlichen Gesamtwürdigung auseinander zu setzen hatte. Hingegen fehlt es für die vom Landgericht weiter in Betracht gezogene Alternative, der Angeklagte habe die Geschädigte lediglich zu einem nicht sexualbezogenen Rollenspiel nötigen wollen, an tragfähigen Anhaltspunkten. Er hatte sie zwar gebeten, eine besondere Kleidung anzulegen; dies ist aber im Zusammenhang mit der Erörterung spezieller sexueller Praktiken geschehen. Anhaltspunkte dafür, dass er bei seinem Vorgehen allein nicht sexualbezogene Rollenspiele im Auge hatte und letztlich auch – mangels verfügbarer Barmittel – erzwingen wollte, ergeben sich daraus aber nicht. Auch für die weiter erörterte Möglichkeit, der Angeklagte habe womöglich die Einnahmen der Geschädigten rauben wollen, lassen sich in den Urteilsgründen keine Hinweise finden, die eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen könnten. Der Umstand allein, dass er über keinerlei Barmittel verfügte, ist allein insoweit keine tragfähige Grundlage.

10

c) Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung und Zurückverweisung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der bisher nicht in die Abwägung einbezogenen Umstände und unter Außerachtlassung bisher in Betracht gezogener Alternativen die Überzeugung von einer beabsichtigten Erzwingung sexueller Handlungen oder einer gewaltsamen Wegnahme des Kokains gewonnen hätte.

11

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Angeklagte – sollte sich das Landgericht die Überzeugung von einem auf die Erzwingung von sexuellen Handlungen gerichteten Messereinsatz verschaffen – mit dem Beginn der Nötigungshandlung auch unmittelbar zur Verwirklichung einer sexuellen Nötigung angesetzt hätte. Ergänzend ist zu bemerken, dass das Landgericht sich eingehender als bisher mit der Frage einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung, im Hinblick auf den Messereinsatz, gegebenenfalls auch einer gefährlichen Körperverletzung, durch den Angeklagten zu befassen haben wird.

Appl     

        

Krehl     

        

RiBGH Zeng ist
wegen Urlaubs an
der Unterschrift
gehindert.

                                   

Appl   

        

Grube     

        

Schmidt     

        
17
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen , für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
24
aa) Gegen die vom Schwurgericht "in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte" gewonnene Überzeugung, dass es sich bei sämtlichen vom Angeklagten ausgeführten Gewalthandlungen am Tatabend um ein zusammenhängendes , nur einige Minuten dauerndes Tatgeschehen handelte, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 23. Januar 2014 - 3 StR 373/13, aaO, Rn. 7; vom 3. Juni 2015 - 5 StR 55/15, aaO, S. 255 f.).

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.