Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2017 - 3 StR 549/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:100817U3STR549.16.0
bei uns veröffentlicht am10.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 549/16
vom
10. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2017:100817U3STR549.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Dr. Berg als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 19. Juli 2016 wird verworfen. 2. Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und angeordnet, dass wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung sechs Monate der Strafe als vollstreckt gelten. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachbeschwerde gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war alleiniger Geschäftsführer und Mitgesellschafter der E. -Haustechnik GmbH (fortan: E. ), über deren Vermögen am 1. September 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Im Zeitraum vom 24. August 2007 bis zum 22. Dezember 2010 tätigte er für diese 22 Finanzierungsleasinggeschäfte wie folgt:
4
Die E. verkaufte Maschinen, EDV-Anlagen und Büroeinrichtungen an "Lieferanten" (Zwischenhändler) und kaufte sie von diesen zurück. Über die Gegenstände schloss der Angeklagte im Namen der E. mit diversen Leasinggesellschaften Leasingverträge, wonach die jeweilige Gesellschaft in den noch nicht abgewickelten Rückkaufvertrag eintrat und den Kaufpreis an den betreffenden "Lieferanten" zu entrichten hatte. Nach den Leasingverträgen sollten die der E. zur Nutzung zu überlassenden Gegenstände direkt an diese geliefert werden; im Gegenzug war die E. zur Zahlung monatlicher Leasingraten verpflichtet. Tatsächlich waren die von den Leasinggesellschaften erworbenen Gegenstände ganz überwiegend nicht existent; teils entsprachen ihr "tatsächlicher Wert und Umfang" nicht dem für die Leasinggesellschaft festgelegten Kaufpreis und teils waren sie bereits zuvor verleast worden oder von vornherein für ein mehrfaches Leasing vorgesehen. Keines der Leasingobjekte konnte dementsprechend später im Betrieb der E. aufgefunden und von einer der Leasinggesellschaften verwertet werden.
5
Im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem "Lieferanten" spiegelte der Angeklagte durch die Vorlage unzutreffend ausgestellter Rechnungen und wahrheitswidrig bestätigter Lieferungen den Leasinggesellschaften die Existenz der Leasingobjekte und/oder den Eintritt der den Leasingverträgen zugrundeliegenden Auszahlungsbedingungen vor und veranlasste sie auf diese Weise zur Kaufpreiszahlung an den betreffenden "Lieferanten". Nachdem dieser eine im Voraus vereinbarte Provision einbehalten hatte, leitete er jeweils den restlichen Betrag an die E. weiter.
6
Der Angeklagte handelte von Anfang an in der Absicht, der E. dauerhaft zur Unternehmensfortführung benötigtes Kapital zu beschaffen. Den Leasinggesellschaften entstanden Schäden in Höhe der Kaufpreiszahlungen ab- züglich der geleisteten Leasingraten und des Umsatzsteueranteils, insgesamt rund 360.450 €.
7
Im Zusammenhang mit den Leasinggeschäften gab der Angeklagte persönlich selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen ab, ohne jedoch über entsprechende finanzielle Mittel "an bereiter Stelle" für die Gläubiger zu verfügen. Aus den Bürgschaften wurde er nicht in Anspruch genommen.

II.


8
Der Generalbundesanwalt hat die Auffassung vertreten, das Landgericht sei sachlich nicht zuständig gewesen. Dem ist nicht zu folgen.
9
1. Die Strafkammer ist wie folgt mit der Sache befasst worden:
10
Am 23. Juli 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Verden Anklage zum Amtsgericht - Schöffengericht - Diepholz. Dem zum damaligen Zeitpunkt unbestraften Angeklagten wurden 26 Fälle des Betruges zum Nachteil von Leasinggesellschaften vorgeworfen, wobei er stets gewerbsmäßig gehandelt und viermal einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt habe. In der Begleitverfügung führte die Staatsanwaltschaft aus, dass im Hinblick auf den Zeitablauf seit Tatbegehung, auch mit Blick auf die Höhe des verursachten Schadens (nach dem Anklagesatz ca. 750.000 €) die Straferwartung "nicht über vier Jahre hinausgehen, aber im oberen Bereich (der amtsgerichtlichen Strafgewalt) anzusiedeln sein" dürfte.
11
Die Strafrichterin des Amtsgerichts Diepholz hatte in anderer Sache am 22. November 2012 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 20 Fällen über eine Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen (Einzelstrafen zwischen 10 und 50 Tagessätzen [davon sechsmal 40 bzw. 50 Tagessätze]) erlassen, gegen den er Einspruch eingelegt hatte. Mit Beschluss vom 16. September 2013 "gab" die Strafrichterin im Hinblick auf die vorliegende Sache das Strafbefehlsverfahren auf Anregung des Schöffengerichts und mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft an dieses "ab".
12
Das Amtsgericht Verden verurteilte den Angeklagten in einer dritten Sache am 26. September 2013 wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr (Einzelstrafen zwischen 30 Tagessätzen und 10 Monaten) und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Der Verurteilung lagen Umsatzsteuerverkürzungen des Angeklagten im Zeitraum April 2009 bis Februar 2010 zugrunde, die auf unzutreffenden Angaben im Zusammenhang mit den - im hiesigen Verfahren gegenständlichen - Finanzierungsleasinggeschäften beruhten. Nach Rechtsmitteleinlegung war in dieser Steuerstrafsache ein Berufungsverfahren beim Landgericht Verden anhängig.
13
Am 12. Dezember 2013 ließ das Amtsgericht Diepholz in der vorliegenden Sache die Anklage zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Verfahren vor dem Schöffengericht. Es führte in der Ladung für den ersten Hauptverhandlungstag am 16. Januar 2014 aus, es gehe von bis zu 30 weiteren Hauptverhandlungstagen bei "streitiger" Verhandlung aus. Überwiegend könne an Freitagen in der Zeit von 8:15 Uhr bis 9:45 Uhr verhandelt werden; die Dauer der weiteren Hauptverhandlungstermine - am ersten Hauptverhandlungstag sollte maximal 90 Minuten verhandelt werden - hänge vom Gesundheitszustand des Angeklagten ab.
14
In dem ersten Hauptverhandlungstermin und dem darauffolgenden Fortsetzungstermin am 22. Januar 2014 wurden sowohl das Strafbefehlsverfahren als auch die vorliegende Sache - ohne förmliche Verbindung - gleichzeitig verhandelt. Im Fortsetzungstermin beschränkte der Angeklagte seinen Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Tagessatzhöhe. Das danach verkündete Urteil, mit dem diese auf 5 € herabgesetzt wurde, wurde unmittelbar anschließend infolge beidseitigen Rechtsmittelverzichts rechtkräftig. In der vorliegenden Sache wurde ein Rechtsgespräch geführt. Der Verteidiger wies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin, wonach ein Berufungsverfahren mit einem bei demselben Landgericht anhängigen erstinstanzlichen Verfahren in entsprechender Anwendung des § 4 StPO verbunden werden könne. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft, das hiesige Verfahren zur erstinstanzlichen Verhandlung an das Landgericht Verden zu verweisen. Der Verteidiger schloss sich diesem Antrag an.
15
Sodann beschloss das Schöffengericht die Verweisung des Verfahrens an das Landgericht. Es begründete dies mit folgenden Erwägungen: Zunächst sprächen Gründe der Prozessökonomie und des Gesundheitszustands des Angeklagten dafür, das Verfahren an das Landgericht Verden abzugeben und mit dem dort anhängigen Berufungsverfahren zu verbinden, dem ein identischer Lebenssachverhalt zugrunde liege; eine solche Verbindung sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich möglich. Darüber hinaus begründe bereits der große Umfang des beim Amtsgericht anhängigen Verfahrens die Zuständigkeit des Landgerichts. Schließlich reiche die Strafgewalt des Schöffengerichts jedenfalls unter Berücksichtigung dessen nicht aus, dass eine Gesamtstrafenbildung gegebenenfalls mit den Strafen aus dem Berufungsverfahren sowie mit den Einzelstrafen aus dem - zwischenzeitlich rechtskräftigen - Strafbefehl in Betracht komme.
16
Mit Vorsitzendenverfügung vom 14. Februar 2014 "übernahm" die Strafkammer das hiesige Verfahren. Eine Verbindung mit dem beim Landgericht anhängigen Berufungsverfahren, in dem bis heute kein Urteil ergangen ist, nahm sie nicht vor und begründete dies im Wesentlichen damit, dass den beiden Verfahren "trotz gewisser Berührungspunkte" doch unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lägen.
17
Mit Beschlüssen vom 16. und 22. Juni 2016 stellte die Strafkammer das hiesige Verfahren hinsichtlich vier dem Angeklagten vorgeworfener Betrugstaten nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein, darunter die beiden Tatvorwürfe betreffend die höchsten Einzelschäden (185.373,17 € und 139.390,62 €).
18
2. Die Strafkammer hat zu Recht ihre sachliche Zuständigkeit angenommen , weil die Verweisung durch das Schöffengericht des Amtsgerichts Diepholz nicht auf objektiver Willkür beruhte. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung im Revisionsverfahren von Amts wegen (so - tragend - BGH, Urteile vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 59; vom 23. März 2006 - 3 StR 458/05, juris Rn. 2; Beschlüsse vom 24. April 1990 - 4 StR 159/90, BGHSt 37, 15, 16; vom 21. April 1994 - 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 123 f.; vgl. auch BGH, Urteile vom 27. Februar 1992 - 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212; vom 12. Februar 1998 - 4 StR 428/97, BGHSt 44, 34, 36; vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 376/08, NStZ 2009, 404, 405; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 4 StR 506/91, BGHSt 38, 172, 176; ferner KK-Greger, StPO, 7. Aufl., § 269 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 338 Rn. 32; MüKoStPO/Moldenhauer, 1. Aufl., § 269 Rn. 18; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 269 Rn. 14) oder nur auf Grund einer - hier nicht erhobenen - zulässigen Verfahrensrüge zu prüfen ist (so - nicht tragend - BGH, Urteile vom 10. Januar 1969 - 5 StR 682/68, GA 1970, 25; vom 8. De- zember 1992 - 1 StR 594/92, NJW 1993, 1607 f.; vom 22. April 1997 - 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 56 ff.; vgl. auch LR/Erb, StPO, 26. Aufl., § 6 Rn. 17; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 70; zur Sonderfrage eines Verstoßes gegen § 328 Abs. 2 StPO s. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 - 5 StR 288/95, BGHSt 42, 205).
19
a) Für den vom Senat anzulegenden Prüfungsmaßstab gilt:
20
Hat - wie hier - ein Gericht eine Sache gemäß § 270 StPO an ein Gericht höherer Ordnung verwiesen, so ist die Prüfung des Revisionsgerichts auf die Frage beschränkt, ob das höherrangige Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Recht auf den gesetzlichen Richter) objektiv willkürlich verletzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 - 3 StR 5/80 (S), BGHSt 29, 216, 219; Beschluss vom 6. Oktober 2016 - 2 StR 330/16, NJW 2017, 280; MüKoStPO/Moldenhauer aaO, § 270 Rn. 43, 47, 63).
21
Zwar ist das Gericht höherer Ordnung grundsätzlich an die Verweisung gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 - 3 StR 5/80 (S), aaO); der Zurückverweisung an ein Gericht niederer Ordnung steht prinzipiell § 269 StPO entgegen (vgl. LR/Stuckenberg aaO, § 270 Rn. 35). Das gilt auch in Fällen, in denen der Verweisungsbeschluss unvollständig, formell fehlerhaft oder sachlich falsch ist (vgl. BGH, Urteile vom 13. Februar 1980 - 3 StR 5/80 (S), aaO; vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 270 Rn. 19; MüKoStPO/Moldenhauer aaO, § 270 Rn. 41; LR/Stuckenberg aaO, § 270 Rn. 37).
22
Bei Vorliegen von objektiver Willkür entfällt indes die Bindungswirkung; denn es ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und den Grundsätzen rechtsstaat- licher Ordnung nicht vereinbar und mit einer Beschleunigung des Verfahrens nicht zu rechtfertigen, wenn die Verweisungsentscheidung dem Angeklagten den gesetzlichen Richter auf diese Weise entzieht (vgl. BGH, Urteile vom 13. Februar 1980 - 3 StR 5/80 (S), aaO; vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, aaO, S. 61; Beschluss vom 6. Oktober 2016 - 2 StR 330/16, aaO; Meyer-Goßner/ Schmitt aaO, § 270 Rn. 20; MüKoStPO/Moldenhauer aaO, § 270 Rn. 47; weitergehend SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 31a). In diesen Fällen ist eine der prozesswirtschaftlichen Zielsetzung der §§ 269, 270 StPO vorgehende Ausnahme von der grundsätzlich bindenden Wirkung der Verweisung zu machen (vgl. LR/Stuckenberg aaO, § 270 Rn. 37). Dann obliegt es dem Gericht höherer Ordnung, an das verwiesen worden ist, die Sache wegen eigener sachlicher Unzuständigkeit an das zuständige Gericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, aaO, S. 61 ff.).
23
Willkür liegt vor, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen; schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Allein die fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Dies ist erst dann der Fall, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird. Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2000 - 1 BvR 1684/99, NJW 2001, 1125 f.)
24
b) Gemessen hieran beruht die vom Schöffengericht beschlossene Verweisung nicht auf objektiver Willkür; insbesondere entbehrt sie nicht jedes sachlichen Grundes.
25
aa) Allerdings erweist sich die - auf die Anregung des Verteidigers zurückgehende - Begründung des Verweisungsbeschlusses damit, dass beim Landgericht eine Verbindung des hiesigen Verfahrens mit dem dort gegen den Angeklagten anhängigen Berufungsverfahren möglich und sinnvoll sei, als rechtlich unhaltbar.
26
Ein beim Amtsgericht anhängiges Verfahren mit einem Berufungsverfahren zu verbinden, ist unzulässig. Eine landgerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die beim Amtsgericht anhängige Sache kann über § 4 StPO nur dann begründet werden, wenn in einer anderen Sache, zu der ein Zusammenhang (§ 3 StPO) besteht, bereits eine originäre erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist. Durch die Verbindung analog § 4 Abs. 1 StPO kann zwar ein Berufungsverfahren mit einem bereits anhängigen erstinstanzlichen Verfahren verschmolzen werden; ein anhängiges Berufungsverfahren darf aber nicht dazu benutzt werden, ein erstinstanzliches Verfahren, für das das Landgericht keine Zuständigkeit besitzt, zu übernehmen, damit erst durch die Verbindung eine Zuständigkeit zu begründen und dann auf diese Weise das Berufungsverfahren zu einem erstinstanzlichen Verfahren umzugestalten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 1990 - 4 StR 159/90, BGHSt 37, 15, 18; LR/Erb aaO, § 4 Rn. 16).
27
bb) Der besondere Umfang des Falls (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Variante 2 GVG) stellt ebenso wenig einen sachlichen Grund für die Verweisung dar.
28
Die Zuständigkeitsprüfung im Hinblick auf die Merkmale des besonderen Umfangs und der besonderen Bedeutung des Falls gemäß § 24 Abs. 1Satz 1 Nr. 3 GVG ist prinzipiell auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens beschränkt. Bezüglich dieser Merkmale tritt mit der Annahme eigener Zustän- digkeit nachfolgend eine Perpetuierung ein; das Tatgericht bleibt hieran gebunden. Die Regeln der §§ 6, 270 StPO über die Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unterliegen insoweit einer teleologischen Reduktion. Grundsätzlich gestatten nur die Zuständigkeitsmerkmale der besonderen Deliktsart (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 GVG) oder der Straferwartung oberhalb des amtsgerichtlichen Strafbanns (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG) eine Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht, nicht aber die normativen Kriterien des besonderen Umfangs und der besonderen Bedeutung des Falls (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - 2 StR 330/16, NJW 2017, 280 f. mwN). Allenfalls wenn das Amtsgericht diese Merkmale offenkundig versehentlich oder objektiv willkürlich verneint hat, kann im Einzelfall Abweichendes gelten (zum Versehen [sog. korrigierende Verweisung] vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - 2 StR 330/16, aaO, S. 281; LR/Stuckenberg aaO, § 270 Rn. 16; zur Willkür s. LR/Siolek, StPO, 26. Aufl., § 24 GVG Rn. 29 aE; SKStPO /Degener, 5. Aufl., § 24 GVG Rn. 38).
29
Das Schöffengericht war im Rahmen der Eröffnungsentscheidung von einem Umfang der Sache ausgegangen, der noch in seine Zuständigkeit fiel. Dabei war ihm bekannt, dass sich der Angeklagte nicht zur Sache eingelassen hatte und der Anklageschrift zufolge in der Hauptverhandlung als Beweismittel acht Zeugen einzuvernehmen waren sowie eine Vielzahl von Urkunden einzuführen war. Das Schöffengericht ging infolgedessen - abhängig vom Gesundheitszustand des Angeklagten - von etwa 30 Hauptverhandlungstagen zu je 90 Minuten aus, was knapp sechs "vollen" Verhandlungstagen zu je acht Stunden entspricht. Vor diesem Hintergrund war die Annahme der Zuständigkeit des Amtsgerichts jedenfalls vertretbar. Nicht nachvollziehbar war indes die plötzliche , durch nicht fallbezogene Umstände veranlasste Kehrtwende des Schöf- fengerichts in der Beurteilung des Umfangs der vorliegenden Sache auf diesbezüglich unveränderter Tatsachengrundlage.
30
cc) Vertretbar ist die vom Schöffengericht gemäß § 270 StPO beschlossene Verweisung indes unter dem Gesichtspunkt der veränderten Straferwartung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG), soweit es sie auf die - zwischenzeitlich eingetretene - Möglichkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe (§ 55 StGB) mit den im Strafbefehlsverfahren rechtskräftig verhängten Einzelgeldstrafen gestützt hat. Insoweit gilt:
31
Eine Verweisung an ein Gericht höherer Ordnung wegen sich nachträglich herausstellender unzureichender Strafgewalt ist nach Beginn der Hauptverhandlung zum einen in den Fällen der sog. korrigierenden Verweisung möglich, in denen schon die Verlesung des Anklagesatzes ergibt, dass für die angeklagte Tat ein Gericht höherer Ordnung zuständig ist und das Verfahren nur aus Versehen vor dem Gericht niederer Ordnung eröffnet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60; LR/Stuckenberg aaO, § 270 Rn. 16). Zum anderen ist eine Verweisung dann zulässig, wenn das Gericht die Verhandlung soweit geführt hat, dass der Schuldspruch feststeht, und sich die von der Eröffnungsentscheidung abweichende Straferwartung soweit verfestigt hat, dass nicht mehr zu erwarten ist, eine mildere Beurteilung werde noch eine Strafe im Rahmen der Strafgewalt des Gerichts niederer Ordnung als ausreichend erscheinen lassen. Bei sonst unveränderter Sach- und Rechtslage bleibt das Gericht daher zunächst an seine vormalige Straferwartung gebunden, weil anderenfalls die für die geordnete Verfahrensabwicklung notwendige Kontinuität der einmal begründeten Zuständigkeit ständig in Frage gestellt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 59 f.; KK-Barthe, StPO, 7. Aufl., § 24 GVG Rn. 4; KK-Greger, StPO, 7. Aufl., § 270 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 270 Rn. 10; LR/Stuckenberg aaO, § 270 Rn. 19 mwN). Hat sich allerdings - wie hier - seit dem Eröffnungsbeschluss die Sach- und Rechtslage nur in Bezug auf außerhalb der angeklagten Tat liegende Umstände, jedoch in für die Straferwartung entscheidungserheblicher Weise geändert, so besteht für eine derartige Bindung unter dem Aspekt der willkürlichen Entziehung des gesetzlichen Richters grundsätzlich kein sachlicher Grund (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, aaO, S. 58, 60: [nur] bei "sonst unveränderter Sach- und Rechtslage"); denn in diesem Fall erübrigt sich eine zumindest bis zur Schuldspruchreife weiter durchzuführende Hauptverhandlung , weil unabhängig hiervon - im Hinblick auf die veränderten (verfahrensfremden ) Umstände - zu erwarten ist, dass die amtsgerichtliche Strafgewalt nicht ausreichen wird.
32
Hiernach durfte das Schöffengericht die im Strafbefehlsverfahren rechtskräftig verhängten Einzelgeldstrafen als für die Straferwartung erhebliche Nova berücksichtigen. Es war dagegen nicht gehalten, die Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafe einem späteren Beschlussverfahren nach § 460 Satz 1, § 462 StPO vorzubehalten, um dann bei geringerer Straferwartung selbst verurteilen zu können; denn grundsätzlich ist die Anwendung des § 55 StGB durch das Tatgericht in der Hauptverhandlung geboten. Hiervon wird zwar unter anderem dann eine Ausnahme gemacht, wenn das Gericht nicht über eine ausreichende Strafgewalt für die Gesamtstrafe verfügt. In diesen Fällen entfällt aber lediglich die Verpflichtung, nicht auch die Berechtigung zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 368/86, BGHSt 34, 204, 206 f.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch aaO, § 55 Rn. 72 mwN).
33
Im Hinblick auf die im Strafbefehlsverfahren verhängten zahlreichen Einzelstrafen und vor dem Hintergrund, dass auch die Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung - vertretbar - eine Gesamtstrafe im oberen Bereich der Strafgewalt des Schöffengerichts im Blick hatte, war es sachlich gerechtfertigt und damit nicht willkürlich, davon auszugehen, dass die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu einer Überschreitung des amtsgerichtlichen Strafbanns führen würde. Zwar hat das Landgericht letztlich "nur" auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Ungeachtet gewöhnlicher Prognoseunsicherheiten lässt sich dies aber darauf zurückführen, dass in der Hauptverhandlung von der Anklage umfasste unrechts- und schuldbestimmende Umstände in Wegfall geraten sind und bei der Verweisungsentscheidung gewichtige strafmildernde Gesichtspunkte noch nicht bekannt waren:
34
Zum einen waren noch weitere vier Betrugstaten angeklagt, hinsichtlich derer das Verfahren später eingestellt worden ist, darunter die beiden Taten mit den größten Einzelschäden. Die Anklage nahm noch einen gemessen an den Urteilsfeststellungen mehr als doppelt so hohen Gesamtschaden der Leasinggesellschaften (ca. 750.000 €) an. Das Regelbeispiel des Vermögensverlusts großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB) hat sich - trotz hinreichenden Tatverdachts in vier Fällen - in der späteren Hauptverhandlung nicht nachweisen lassen. Zum anderen hat sich der Angeklagte dort erstmals geständig eingelassen und die Aufklärung der Taten über seine eigenen Beiträge hinaus gefördert. Des Weiteren hat er erst nach der Verweisungsentscheidung gegenüber den geschädigten Leasinggesellschaften persönliche Schuldanerkenntnisse abgegeben. Außerdem sind seither weitere zweieinhalb Jahre vergangen, was die zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigende Gesamtverfahrensdauer beträchtlich erhöht hat.
35
Ohne Bedeutung ist indes, dass die im Strafbefehlsverfahren verhängte Gesamtgeldstrafe mittlerweile vollstreckt ist. Ebenso wenig kommt es unter den gegebenen Umständen darauf an, dass die vom Amtsgericht Verden in der Steuerstrafsache verhängten Einzelstrafen für die Beurteilung der Straferwartung außer Betracht zu bleiben hatten, weil sie nicht in Rechtskraft erwachsen, sondern noch Gegenstand des Berufungsverfahrens und mithin nicht gesamtstrafenfähig waren.

III.


36
1. Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, die Strafkammer habe zu Unrecht den auf die Vernehmung eines Bankvorstands als Zeugen gerichteten Beweisantrag abgelehnt, dringt nicht durch.
37
a) Der Verteidiger hat am 18. Juli 2016, dem vorletzten Tag der Hauptverhandlung , die Vernehmung des Vorstandsvorsitzenden der seinerzeitigen "Hausbank" des Angeklagten dazu beantragt, dass dieser im Tatzeitraumüber - im Antrag näher beziffertes - ausreichendes Privatvermögen verfügt habe, um im Fall seiner Inanspruchnahme aus den mit ihm vereinbarten Bürgschaften die fälligen Forderungen der Leasinggesellschaften vollständig zu begleichen; daher sei deren Vermögen zu keiner Zeit gefährdet gewesen.
38
In demselben Termin hat die Strafkammer den Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit der Begründung abgelehnt, dass die "Beweistatsache... aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung" sei. Das behauptete frühere Privatvermögen habe der Angeklagte "jedenfalls nicht für die Gläubiger bereit gehalten" und es stehe ihm "heute nicht mehr zur Verfügung , so dass insoweit auch" ein Täter-Opfer-Ausgleich ausscheide.
39
b) Diese Ablehnungsbegründung trägt nicht die Behandlung der Beweisbehauptung als für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Tatsächlich bedeutungslos sind - allein - Indiz- bzw. Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will (vgl. BGH, Urteil vom 19. September2007 - 2 StR 248/07, StraFo 2008, 29, 30; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 244 Rn. 56 mwN).
40
Der Beweisantrag hat mit der Behauptung, das Vermögen der Leasinggesellschaften sei auf Grund der Bonität der Bürgschaften nicht gefährdet gewesen , ersichtlich auf das in § 263 Abs. 1 StGB normierte Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens gezielt. In der Tat kann es unter Umständen an einem Vermögensschaden, auch in Form des Gefährdungsschadens, fehlen, wenn der Vermögensabfluss damit einhergeht, dass der hiervon Betroffene im Gegenzug werthaltige Sicherheiten erhält (s. im Einzelnen MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 527 ff.).
41
Die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der behaupteten Bürgschaften bezogen auf den Vermögensschaden wird in den Gründen des Ablehnungsbeschlusses nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Die Erwägung, dass früheres, heute nicht mehr vorhandenes Privatvermögen des Angeklagten den Täter-OpferAusgleich nicht berührt, bezieht sich nicht auf dieses Tatbestandsmerkmal. Die weiteren Ausführungen in den Beschlussgründen bleiben unklar:
42
Möglicherweise ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit der selbstschuldnerischen Bürgschaften im Rahmen der Vermögenssaldierung davon abhängig ist, dass der Angeklagte einen entsprechenden Anteil seines behaupteten Privatvermögens - in einer besonderen, nicht näher beschriebenen Form - dauerhaft vorgehalten hätte, was allerdings die rechtliche, nicht die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache zur Folge hätte (s. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 217). Auf ein solches Verständnis deuten nicht nur die Gründe des Ablehnungsbeschlusses ("nicht für die Gläubiger bereit gehalten") hin, sondern auch die Urteilsfeststellungen, denen zufolge der Angeklagte im Tatzeitraum nicht über ausreichende finanzielle Mittel "an bereiter Stelle" für die Gläubiger verfügte. Indes kommt diese Auffassung in dem Beschluss nicht nur nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck; sie wäre auch rechtsirrig, falls damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass es auf ein "Bereithalten" zeitlich nach der jeweiligen Vermögensverfügung ankommt. Denn für den Fall einer gebotenen Saldierung wäre hinsichtlich der Werthaltigkeit der Sicherheiten einzig auf den Zeitpunkt der Vermögensverfügung abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54 mwN; Beschlüsse vom 6. Juni 2000 - 1 StR 161/00, NStZ-RR 2000, 331, 332; vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150, 151).
43
c) Jedoch beruht das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO).
44
aa) Die Beweisbehauptung war für die Entscheidung aus folgenden rechtlichen Gründen ohne Bedeutung:
45
Ein schadenshindernder kompensierender Vermögenszufluss, auch in Form werthaltiger Sicherheiten, liegt nur dann vor, wenn er unmittelbar aus der Vermögensverfügung resultiert (vgl. NK-StGB-Kindhäuser aaO, § 263 Rn. 254 mwN). Dem Vermögensabfluss, der täuschungsbedingt bei den Leasinggesellschaften auf Grund der Auszahlung des jeweiligen Kaufpreises an die Lieferanten eintrat, stand indes keine Gegenleistung gegenüber. Da die verkauften Gegenstände entweder nicht existierten oder der "Lieferant" diese den Leasinggesellschaften - mangels vorheriger Eigentumsübertragung durch die E. - nicht übereignen konnte, erwarben sie kein Eigentum und damit auch keine dem Vermögensabfluss gegenüberstehende Vermögensposition. Der Vermögensschaden trat somit in dem Kaufvertragsverhältnis zum "Lieferanten" ein, in das die jeweilige Leasinggesellschaft eingetreten war. Davon unabhängig ist das Leasingvertragsverhältnis zwischen der Leasinggesellschaft und der E. , im Rahmen dessen sich der Angeklagte verbürgte. Dieses für das Finanzierungsleasing typische Dreiecksverhältnis mit zwei verschiedenen Leistungsbeziehungen ist auch für die strafrechtliche Beurteilung maßgebend (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2017 - 1 StR 350/16, NStZ 2017, 413, 414 f.).
46
Hinzu kommt, dass aus Sicht eines informierten Dritten die Erfüllungsbereitschaft des Angeklagten nicht gewährleistet war. Beim Kreditbetrug ist anerkannt , dass für den (Darlehens-)Gläubiger Sicherheiten nur dann eine schadenshindernde Kompensation darstellen können, wenn sie ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des - betrügerisch handelnden - Schuldners, und ohne Gefährdung durch ihn sofort nach Fälligkeit realisiert werden können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 - 1 StR 437/15, NStZ 2016, 286, 287; Beschlüsse vom 1. September 1994 - 1 StR 468/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 43; vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150 f.; vom 5. März 2009 - 3 StR 559/08, NStZ-RR 2009, 206; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 162a; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 212 mwN). Soweit in der Rechtsprechung in solchen Fällen selbstschuldnerische Bürgschaften als kompensierend angesehen wurden, ging es um Bürgschaften unbeteiligter Dritter (vgl. RG, Urteil vom 18. März 1940 - 2 D 16/40, RGSt 74, 129, 130 f.; BGH, Urteile vom 3. Juni 1960 - 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 27 f.; vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 356; Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 559/08, aaO; ferner NK-StGB-Kindhäuser , 5. Aufl., § 263 Rn. 255). Übertragen auf den hiesigen Fall bedeutet dies, dass bei der Realisierung der Bürgschaften erforderliche Mitwirkungs- und zu besorgende Gefährdungshandlungen des zu Gunsten der E. dolos vorgehenden Angeklagten einer Kompensation entgegenstehen, zumal persönliche Sicherheiten ohnehin regelmäßig riskanter als dingliche Rechtspositionen - hier das vertragsgemäß zu erwerbende Eigentum - sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1986 - 1 StR 486/85, NJW 1986, 1183; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 530).
47
bb) Zwar muss der Beweisantragsteller grundsätzlich noch in der Hauptverhandlung Gelegenheit erhalten, sich bei der weiteren Verfolgung seiner Rechte nach der Ablehnung und ihren Gründen zu richten, so dass das Revisionsgericht grundsätzlich nur die Ablehnungsentscheidung zu überprüfen hat und es ihm verwehrt ist, den Beweisantrag selbst rechtlich zu beurteilen. Ist allerdings auszuschließen, dass der Antragsteller auch bei Kenntnis der zutreffenden , die Ablehnung rechtfertigenden Beurteilung seine Rechtsverfolgung abweichend hätte gestalten können, ist das Beruhen des Urteils auf dem fehlerhaften Ablehnungsbeschluss zu verneinen (vgl. LR/Becker aaO, § 244 Rn. 138, 377; ferner BGH, Urteile vom 5. Januar 1968 - 4 StR 365/67, VRS 34 [1968] 354; vom 12. Mai 1970 - 5 StR 194/70, bei Dallinger, MDR 1971, 18).
48
So liegt es hier. Die Bedeutungslosigkeit betrifft eine reine Rechtsfrage, keine auf die Beweiswürdigung bezogene Tatsachenfrage. Der Angeklagte hat sich zu den Tatvorwürfen vollumfänglich geständig eingelassen. Dem Ablehnungsbeschluss lässt sich nicht entnehmen, dass die Strafkammer die Auffassung des Beweisantragstellers zum geltend gemachten Nichteintritt von Vermögensschäden geteilt hätte. Vielmehr deuten die Ausführungen im Ablehnungsbeschluss darauf hin, dass die Kammer die vom Angeklagten vereinbarten selbstschuldnerischen Bürgschaften ohne ein Hinzutreten weiterer Umstände als für die schadenshindernde Kompensation nicht ausreichend angesehen hat; dies steht auch im Einklang mit seiner nicht gewährleisteten Erfüllungsbereitschaft. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Angeklagten im Fall einer rechtsfehlerfreien Verbescheidung des Antrags weitere Verteidigungsmöglichkeiten namentlich in Bezug auf die von ihm verursachten Vermögensschäden offen gestanden hätten und er mithin in seiner Prozessführung behindert worden sein könnte.
49
2. Auch die umfassende Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
50
Insbesondere hat das Landgericht auch die Konkurrenzen zutreffend bewertet. In den Fällen III. 2 Nr. 7, 8 und 9 der Urteilsgründe datieren die Leasingverträge zwar auf dieselben Tage ("17.07./24.07.2008") und betreffen dieselbe Leasinggesellschaft ("H. GmbH"). Der Angeklagte hätte diese drei Betrügereien als eine Tat im Rechtssinne tateinheitlich begangen , falls sie in natürlicher Handlungseinheit zueinander stünden. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (BGH, Beschluss vom 14. September 2010 - 4 StR 422/10, NStZ-RR 2010, 375; vgl. auch BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 31 ff. mwN). Jedoch geht aus den Urteilsfeststellungen nicht hervor, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit für die E. die Vertragsformulare in kurzzeitigem Abstand unterschrieben und/oder selbst zusammen versandt hätte. Das liegt auch weder auf der Hand, noch finden sich zureichende Anhaltspunkte hierfür. Daher liegt insoweit ein Erörterungsmangel nicht vor. Eine Aufklärungsrüge mit dem Ziel, festzustellen, dass die drei benannten Fälle - entgegen der rechtlichen Beurteilung auch in der Anklageschrift - in zeitlicher Hinsicht unmittelbar aufeinanderfolgten , ist nicht erhoben.
Becker Gericke Spaniol
Tiemann Berg

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2017 - 3 StR 549/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2017 - 3 StR 549/16

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2017 - 3 StR 549/16 zitiert 19 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

Strafprozeßordnung - StPO | § 4 Verbindung und Trennung rechtshängiger Strafsachen


(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 24


(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht 1. die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,2. im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre F

Strafprozeßordnung - StPO | § 3 Begriff des Zusammenhanges


Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 270 Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung


(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso is

Strafprozeßordnung - StPO | § 6 Prüfung der sachlichen Zuständigkeit


Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 328 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen. (2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungs

Strafprozeßordnung - StPO | § 269 Verbot der Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung


Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 1


Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2017 - 3 StR 549/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2017 - 3 StR 549/16 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2009 - 3 StR 559/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 559/08 vom 5. März 2009 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 5. März 2

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - 2 StR 248/07

bei uns veröffentlicht am 19.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 248/07 vom 19. September 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. September 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende R

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2008 - 4 StR 376/08

bei uns veröffentlicht am 11.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 376/08 vom 11. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Brandstiftung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Dezember 2008, an der teilgenommen

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2010 - 4 StR 422/10

bei uns veröffentlicht am 14.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 422/10 vom 14. September 2010 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. September 20

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - 1 StR 350/16

bei uns veröffentlicht am 09.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 350/16 vom 9. März 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges u.a. ECLI:DE:BGH:2017:090317B1STR350.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörun

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2016 - 2 StR 330/16

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 330/16 vom 6. Oktober 2016 Nachschlagewerk: ja BGHR: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja StPO § 270; GVG § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 103 Abs. 2 Eine Zuständigkeit des Landgerichts, welche z

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Feb. 2016 - 1 StR 437/15

bei uns veröffentlicht am 02.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 437/15 vom 2. Februar 2016 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. ECLI:DE:BGH:2016:020216U1STR437.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Januar

Referenzen

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 376/08
vom
11. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Brandstiftung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 5. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie beanstandet, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB verneint hat, und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten zu einer höheren Strafe.

I.


2
Nach den Feststellungen führte der Angeklagte seit Dezember 2002 "als alleinverantwortlicher Betreiber und zugleich als Geschäftsführer im Auftrag seiner Mutter", die Inhaberin der Konzession war, die Pizzeria "S. ". Mieterin der Geschäftsräume im Erdgeschoss eines freistehenden einstöckigen Mehrfamilien- und Geschäftshauses im Ortszentrum von A. war die Mutter des Angeklagten. In dem einstöckigen Haus der Eheleute F. sen. befanden sich mehrere abgeschlossene Wohnungen, die über einen separaten Eingang zu erreichen waren. Eine der Wohnungen im Obergeschoss hatte die Mutter des Angeklagten gemietet. Über den Räumen der Pizzeria lag das Schlafzimmer der Eheleute F. sen., deren Wohnung einen weiteren separaten Hauszugang hat. Im ersten Geschäftsjahr erwirtschaftete die Pizzeria gute Gewinne. Das war in den folgenden Jahren nicht mehr der Fall. Der Angeklagte fasste deshalb den Entschluss, in der Pizzeria "S. " einen Brand zu legen, um die mit dem Betrieb dieser Pizzeria zusammenhängenden Verbindlichkeiten mit den Leistungen aus der bestehenden, von seiner Mutter als Versicherungsnehmerin abgeschlossenen Inventarversicherung erfüllen zu können.
3
Am Abend des 2. Februar 2006 schloss der Angeklagte die Pizzeria und vergoss im gesamten Geschäftslokal großflächig Otto-Kraftstoff und Heiz- oder Dieselöl. Kurz nach 23.50 Uhr verließ der Angeklagte die Gaststätte und zündete von außen die ausgebrachten Brandbeschleuniger an. Er wollte in erster Linie das versicherte Inventar vollständig zerstören. Dabei nahm er ein Übergreifen des Feuers bzw. eine teilweise Zerstörung des Gebäudes billigend in Kauf. Der Angeklagte wusste, dass die über 80 Jahre alten Eheleute F. sen. in ihrem über der Pizzeria gelegenen Schlafzimmer schliefen. Er ging aber davon aus, dass sie auch bei einer weiteren Ausbreitung des Brandes nicht in konkre- te Todesgefahr kommen würden, weil die im Obergeschoss angebrachten Rauchmelder funktionsbereit waren und die Eheleute das Haus durch den separaten Zugang zu ihrer Wohnung rechtzeitig würden verlassen können.
4
Das Feuer ergriff Teile des Inventars. Durch die starke Rauchentwicklung setzten sich Rauch- und Russablagerungen im gesamten Geschäftslokal und in den Toilettenräumen fest, die eine spätere Renovierung der Räumlichkeiten erforderlich machten, ohne die die Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht möglich gewesen wäre.
5
Nachdem er das Feuer gelegt hatte, entfernte sich der Angeklagte mit seinem Pkw. Das Feuer in der Pizzeria wurde von dem Zeugen M. , der wenige Minuten nach Mitternacht an der Pizzeria vorbeifuhr, entdeckt. Dieser benachrichtigte um 0.07 Uhr die Feuerwehr und anschließend den in der Nähe seines Elternhauses wohnenden Sohn der Eheleute F. sen. Diese erwachten gegen 0.10 Uhr entweder durch das Klingeln des Zeugen M. oder durch den von dem Brandmelder in der von der Mutter des Angeklagten angemieteten Wohnung im ersten Obergeschoss ausgelösten Sirenenalarm. Sie waren irritiert und konnten die Situation nicht einordnen. Der Zeuge F. sen. ging ins Erdgeschoss, öffnete die Tür und wurde vom Zeugen M. über das Feuer im Erdgeschoss informiert und aufgefordert, umgehend das Haus zu verlassen. Die Eheleute F. waren damit zunächst nicht einverstanden. Einem der um 0.16 Uhr eingetroffenen Feuerwehrleute gelang es, die Eheleute zum Verlassen des Hauses zu bewegen. Wäre das Feuer nicht sogleich gelöscht worden, hätten die Flammen innerhalb weniger Minuten auf den gesamten Pizzeria-Bereich übergegriffen und nach spätestens 30 Minuten wäre die Zwischendecke zum ersten Obergeschoss durchgebrannt oder eingestürzt.

II.


6
Revision des Angeklagten
7
Zwar weist das Urteil sachlichrechtlich keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Revision hat aber mit der zulässig erhobenen, auf die Verletzung des "§ 270 StPO i.V.m. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG" gestützten Verfahrensrüge Erfolg, denn das Schwurgericht hat zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO).
8
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
9
Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten mit der Anklage eine besonders schwere Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Last gelegt und beantragt, das Hauptverfahren vor der großen Strafkammer des Landgerichts zu eröffnen. Die zweite große Strafkammer des Landgerichts hat die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Der Brandsachverständige hat am 4. Hauptverhandlungstag eine vorläufige Stellungnahme zur Gefährlichkeit der bisher festgestellten Brandvorbereitung abgegeben. Zu Beginn des folgenden Hauptverhandlungstages hat der Vorsitzende der Kammer mitgeteilt, dass eine Abgabe des Verfahrens an das Schwurgericht erwogen werde. Nach dem Vorbringen der Revision haben die Verteidiger darauf hingewiesen, dass das Schwurgericht kein höherrangiges Gericht "im Sinne von § 270 StPO" sei und dass der Angeklagte die Unzuständigkeit der Strafkammer nicht gerügt habe. Die Strafkammer hat die Sache dennoch durch Beschluss vom gleichen Tage "gemäß § 270" (StPO) an das Landgericht - Schwurgericht - verwiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt , nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme sei der Angeklagte hinreichend verdächtig, neben dem angeklagten Brandstiftungsdelikt "zumindest einen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlag" begangen zu haben. In der neuen Hauptverhandlung hat der Verteidiger des Angeklagten vor dessen Vernehmung zur Sache die Zuständigkeit des Schwurgerichts gerügt und beantragt, die Sache an die zuständige allgemeine Strafkammer zurückzuverweisen. Diesen Antrag hat die Schwurgerichtskammer mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Verweisungsbeschluss der Strafkammer ungeachtet der Frage, ob die Verweisung wegen Verstoßes gegen § 6 a StPO rechtswidrig oder willkürlich erfolgt sei, jedenfalls nicht nichtig sei. Die eigene Zuständigkeitsprüfung habe ergeben, dass die Zuständigkeit des Schwurgerichts gegeben sei, denn aus den Gründen des Verweisungsbeschlusses ergebe sich ein hinreichender Tatverdacht eines versuchten Totschlags.
10
2. Die Verfahrensrüge ist begründet.
11
a) Zwar ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich wirksam und bindend , auch wenn er unvollständig, formell fehlerhaft oder sachlich falsch ist (vgl. BGHSt 45, 58, 60 f.). Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt jedoch dann, wenn die Verweisung gegen das aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Verbot willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters verstößt (vgl. BGHSt aaO S. 61 m.N.). Das ist hier der Fall, denn die Verweisung an die Schwurgerichtskammer ist offensichtlich gesetzeswidrig (vgl. dazu MeyerGoßner StPO 51. Aufl. § 270 Rdn. 20 m.N.), weil die Voraussetzungen des § 270 Abs. 1 Satz 2 StPO für eine Verweisung der Sache an das Schwurgericht nicht vorlagen.
12
Zwar hat das Gericht seine sachliche Zuständigkeit gemäß § 6 StPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und die Sache gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 StPO dann, wenn es die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet hält, durch Beschluss an das zuständige Gericht zu verweisen. Die Schwurgerichtskammer ist aber gegenüber der allgemeinen Strafkammer kein Gericht höherer Ordnung, sondern eine besondere Strafkammer im Sinne der Vorrangregelung des § 74 e GVG. Die Frage ihrer funktionellen Zuständigkeit (vgl. Fischer in KK-StPO 6. Aufl. § 6 a Rdn. 1) hat die Strafkammer, bei der Anklage erhoben worden ist, jedoch gemäß § 6 a Satz 1 StPO nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen zu prüfen. Danach darf sie nach Satz 2 dieser Vorschrift ihre Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten, der den Einwand nach Satz 3 dieser Vorschrift auch nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen kann. Hält die Strafkammer den rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten für begründet, hat sie die Sache gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 StPO entsprechend Satz 1 dieser Vorschrift durch Beschluss an die funktionell zuständige Strafkammer zu verweisen. Die funktionelle Zuständigkeit der allgemeinen und der besonderen Strafkammern hat demgemäß nur vorübergehend die Bedeutung einer von Amts wegen zu beachtenden Prozessvoraussetzung (vgl. Erb in Löwe/Rosenberg 26. Aufl. § 6 a Rdn. 3). Hat der Angeklagte - wie hier - bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung den Einwand der funktionellen Unzuständigkeit des Gerichts nicht erhoben, ist die an sich unzuständige Strafkammer damit von Rechts wegen (funktionell) zuständig geworden (vgl. Erb aaO Rdn. 4; Fischer in KK-StPO 6. Aufl. § 6 a Rdn. 3) und eine Verweisung gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 StPO ausgeschlossen. Ihre Zuständigkeit ist nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 8/976 S. 33) perpetuiert (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. § 270 Rdn. 22; Meyer-Goßner aaO § 6 a Rdn. 7) und schließt damit die funktionelle Zuständigkeit einer anderen Strafkammer sogar dann aus, wenn Umstände, die der Zuständigkeit der allgemeinen Strafkammer entgegenstehen, erst nach dem in § 6 a Satz 3 StPO bezeichneten Zeitpunkt hervortreten (vgl. BGHSt 30, 187).
13
b) Hier hat der Verweisungsbeschluss das Verfahren zwar bei der Schwurgerichtskammer rechtshängig gemacht (vgl. BGHSt 45, 58, 60 f.). Anders als im Falle einer willkürlichen Verweisung an ein höheres Gericht, dessen gemäß § 6 StPO von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende sachliche Zuständigkeit tatsächlich gegeben ist (vgl. BGH aaO S. 62 ff.), war die Schwurgerichtskammer aber nicht befugt, nach Prüfung der Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 GVG die eigene Zuständigkeit anzunehmen. Sie hatte vielmehr nur zu klären, ob die Vorraussetzungen des § 6 a Satz 2 StPO für eine erneute Prüfung der funktionellen Zuständigkeit durch die allgemeine Strafkammer und die Verweisung der Sache gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgelegen haben. Da das nicht der Fall war und die funktionelle Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer damit in dieser Sache ausgeschlossen war, kam es nicht (mehr) darauf an, ob eine Verurteilung des Angeklagten entsprechend den in § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 GVG genannten Straftatbeständen möglich erschien. Stattdessen hätte die Sache an die allgemeine Strafkammer zurückverwiesen werden müssen (vgl. BGH aaO S. 62; Meyer-Goßner aaO § 270 Rdn. 20 m. w. N.).
14
3. Das Urteil ist daher aufzuheben (§ 338 Nr. 4 StPO). Die Sache ist gemäß § 355 StPO an eine allgemeine Strafkammer zurückzuverweisen (vgl. Meyer-Goßner aaO § 355 Rdn. 1). Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurück.

III.


15
Revision der Staatsanwaltschaft
16
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hält auch die Verneinung einer vollendeten oder auch nur versuchten besonders schweren Brandstiftung i. S. des § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB rechtlicher Nachprüfung stand.
17
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte die Eheleute F. sen. durch die Brandstiftung (§ 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) nicht in die Gefahr des Todes gebracht. Nach § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB, der als Qualifikationstatbestand zu § 306 a StGB anzusehen ist (vgl. BGH NJW 1999, 3131), ist erforderlich, dass sich die durch die schwere Brandstiftung bewirkte abstrakte Gefahr für andere Menschen zu einer konkreten Todesgefahr verdichtet hat (vgl. BGHSt 48, 119, 122 [zu § 315 b StGB], BGH NStZ 1999, 32 f. [zu § 306 a Abs. 2 StGB] ). Dazu muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut geführt haben. In dieser Situation muss – was nach der Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das geschützte Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden, genügt noch nicht zur Annahme einer konkreten Todesgefahr (vgl. BGH NStZ 1999, 32 f. m. N.). Gemessen an diesen Grundsätzen befanden sich die Eheleute F. sen. nicht in konkreter Todesgefahr , denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen konnten sie durch den zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres zugänglichen Nebeneingang das Haus verlassen. Eine konkrete Todesgefahr hätte für sie, wären sie in dem Haus verblieben, erst zu einem späteren Zeitpunkt bestanden, wenn sich das Feuer ungehindert hätte ausbreiten können.
18
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass dieser bei der Brandlegung billigend in Kauf genommen hat, dass dadurch eine Gefahr für das Leben der Eheleute F. sen. entstehen würde (vgl. BGH NJW 1999, 3131). Dies hat das Landgericht jedoch rechtsfehlerfrei verneint. Die Erwägungen , mit denen es sowohl einen bedingten Tötungsvorsatz als auch einen bedingten Gefährdungsvorsatz verneint hat, lassen entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht besorgen, dass das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Feststellung eines bedingten Gefährdungsvorsatzes gestellt hat. Soweit es in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes sei zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass der Angeklagte nicht mit der Möglichkeit „eines tödlichen Ausgangs“ gerechnet hat, handelt es sich lediglich um eine missverständliche Formulierung. Nach dem Gesamtzusammenhang der Erwägungen hat sich dass Landgericht vielmehr auch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte mit der Möglichkeit gerechnet hat, die Eheleute F. sen. könnten trotz des alsbald zu erwartenden Sirenenalarms das Haus nicht rechtzeitig verlassen, so dass ihr Leben bei ungehindertem Brandverlauf gefährdet worden wäre. Soweit das Landgericht seine insoweit bestehenden Zweifel nicht hat überwinden können , ist dies unter den hier gegeben Umständen rechtlich nicht zu beanstanden.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen.

(2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 330/16
vom
6. Oktober 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Abs. 2
Eine Zuständigkeit des Landgerichts, welche zur Verweisung gemäß § 270
StPO führt, ergibt sich nicht daraus, dass nach Scheitern von Verständigungsgesprächen
beim Amtsgericht (Schöffengericht) dieses einen besonderen Umfang
der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) annimmt.
BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 330/16 – LG Bonn
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:061016B2STR330.16.0


wegen strafbarer Kennzeichenverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 7. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht – Schöffengericht – Bonn zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen – jeweils gewerbsmäßig begangener – strafbarer Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in 32 Fällen, davon bei drei Taten in jeweils drei tateinheitlichen Fällen und bei acht Taten in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen, ferner bei drei Taten in Tateinheit mit strafbarer Kennzeichenverletzung sowie wegen strafbarer Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bonn.
2
Der Angeklagte veranlasste nach den Feststellungen des Landgerichts in den Jahren 2011 bis 2014 in 33 Fällen die Einfuhr von insgesamt 29.032 Original -Markenuhren ohne Zustimmung des Inhabers des Markenrechts. Die Revi- sion macht zutreffend das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts geltend.

I.

3
Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
4
Der Angeklagte befindet sich seit dem 15. November 2014 in Untersuchungshaft. Am 29. Juli 2015 wurde der Haftbefehl gegen ihn durch die Haftrichterin , die zugleich Vorsitzende des Schöffengerichts war, in neuer Fassung verkündet. Die Staatsanwaltschaft, die eine erste Anklage zurückgenommen hatte, erhob am 30. Juli 2015 erneut Anklage zum Schöffengericht bei dem Amtsgericht Bonn. Die Vorsitzende ging im Hinblick auf vorausgegangene Gespräche zwischen Verteidiger und Staatsanwalt von der Möglichkeit aus, dass im Fall eines Geständnisses des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung neben einer zusätzlichen Geldstrafe in Betracht komme. Am 31. Juli 2015 eröffnete sie das Hauptverfahren. In der Hauptverhandlung am 26. August 2015 schlug der Verteidiger vor, eine Verständigung durchzuführen. Staatsanwaltschaft und Gericht waren damit im Wesentlichen einverstanden, jedoch drängte der Staatsanwalt darauf, dass die Zahlung der Geldstrafe sichergestellt sein müsse. Der Verteidiger erklärte, dass der Angeklagte eine Unterbrechung der Hauptverhandlung nutzen wolle, um die Mittel bereitzustellen. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung am 14. September 2015 erklärte der Verteidiger, dass der Angeklagte versucht habe , 200.000 Euro auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überweisen zu lassen, was er wegen der Untersuchungshaft nicht selbst erledigen könne. Deshalb habe er seine Ehefrau darum gebeten. Diese habe Einblick in seine Kontounterlagen genommen und festgestellt, dass er einer anderen Frau eine Eigentumswoh- nung gekauft habe. Deshalb weigere sich die Ehefrau nun, die Überweisung auszuführen.
5
In einem Fortsetzungstermin am 21. September 2015 erklärte der Angeklagte bei seiner Vernehmung gemäß § 243 Abs. 5 StPO, dass er keine Angaben zur Sache mache. Der Verteidiger widersprach der Verwertung von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung. Sodann wurden die Verfahrensbeteiligten vom Schöffengericht zur Frage einer Verweisung der Sache an das Landgericht angehört. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er der erörterten Verständigung nicht zustimmen könne. Das Schöffengericht verkündete danach einen Beschluss über die Verweisung der Sache gemäß § 270 StPO an das Landgericht. Dieser wurde damit begründet, dass nach Ausbleiben der Verständigung eine umfassende Beweisaufnahme durchzuführen sei. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG sei wegen des besonderen Umfangs der Sache das Landgericht zuständig.
6
Nach Übersendung der Akten ging der Vorsitzende der Strafkammer davon aus, dass die Zuständigkeit des Landgerichts eingetreten sei. Auf Überprüfungsbitte der Verteidigung bestätigte die Strafkammer dies durch Beschluss vom 26. November 2015. Sie führte aus, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts sei nicht willkürlich erfolgt. In der Literatur werde zum Teil auch die Ansicht vertreten, dass eine geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens zum Anlass für eine Verweisung genommen werden dürfe. Insoweit sei die Ansicht des Amtsgerichts vertretbar. Dasselbe gelte für die Auffassung, der Umfang der Sache sei bei einer Verständigung anders einzuschätzen als im Fall ihres Ausbleibens. Die Zuständigkeit des Landgerichts sei schließlich tatsächlich begründet. Dies ergebe sich auch aus einer Straferwartung, die den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten könne.

II.

7
Diese Entscheidungen verkennen die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht.
8
1. Die Frage, ob die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung im Revisionsverfahren nur aufgrund einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 – 5 StR 288/95, BGHSt 42, 205, 212 ff.; Urteil vom 22. April 1997 – 1 StR 701/96,BGHSt 43, 53, 56) oder gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – 4 StR 506/91, BGHSt 38, 172, 176; Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212; Beschluss vom 21. April 1994 – 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 122 ff.; Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 StR 376/08, NStZ 2009, 404 f.), kann offenbleiben. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls eine zulässige Verfahrensrüge erhoben.
9
2. Die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 270 StPO beschränkt die Prüfung des Revisionsgerichts auf die Frage , ob höherrangiges Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 – 3 StR 57/80, BGHSt 29, 216, 219; Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60; krit. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 31a). Dafür genügt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten bei der Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen gezogenen Grenzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992 – 1 BvR 137/92, BVerfGE 87, 282,284). Eine Verletzung der Garantie des ge- setzlichen Richters liegt aber unter anderem vor, wenn ein Gericht, das über die Zuständigkeitsfrage entscheidet, die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung grundlegend verkannt hat (vgl. BVerfG, Be- schluss vom 20. Juni 2012 – 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268, 312; Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64, 87). Das ist hier der Fall.
10
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 GVG sind für Strafsachen in erster Instanz grundsätzlich die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GVG eingreift. Die Bestimmung der Zuständigkeit des Amtsgerichts durch den Eröffnungsbeschluss war insoweit nicht zu beanstanden. Die spätere Annahme einer Zuständigkeit des Landgerichts war nicht gerechtfertigt.
11
aa) Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ist grundsätzlich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 251). Sie bleibt im weiteren Verfahrensgang regelmäßig konstant (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2012 – 3 StR 335/12, NStZ 2013, 181 f.). Der Umfang der Sache als relativ unbestimmtes Zuständigkeitskriterium (vgl. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S. 562 ff.) kann nicht laufend der aktuellen Prozesslage angepasst werden. Deshalb tritt mit der Zuständigkeitsentscheidung beim Eröffnungsbeschluss insoweit eine Perpetuierung ein. Die Regeln der §§ 6, 270 StPO über die Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unterliegen insoweit einer teleologischen Reduktion. Nur die Zuständigkeitsmerkmale der besonderen Deliktsart (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG) oder einer Straferwartung oberhalb des Strafbanns der Amtsgerichte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG) gestatten eine Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht, nicht aber die normativen Kriterien der Bedeutung und des Umfangs der Sache (vgl. Rieß GA 1977, 1, 12).
12
bb) Die Frage, ob in der Hauptverhandlung eine Verständigung erfolgt, ist für die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit unerheblich.
13
Zurzeit des Eröffnungsbeschlusses sind das Zustandekommen einer Verständigung in der Hauptverhandlung (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) und deren spätere Auflösung (§ 257c Abs. 4 StPO) ungewiss. Auf die vorherigen Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemäß § 202a StPO kommt es nicht an. Das Gericht darf bei seiner Eröffnungsentscheidung für die Einschätzung des Umfangs der Sache als Kriterium der sachlichen Gerichtszuständigkeit nicht die Erwartung einer Abkürzung der Hauptverhandlung aufgrund einer Verständigung zu Grunde legen. Andernfalls könnte ein Gericht niedriger Ordnung umfangreiche Verfahren nach verständigungsbezogenen Vorgesprächen wegen eines vermeintlich geringen Verhandlungsaufwands an sich ziehen und diese bei Nichtzustandekommen oder Widerruf einer Verständigung an das Gericht höherer Ordnung verweisen. Das wäre mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
14
Deshalb kann nur eine vollständige Sachaufklärung den Prüfungsmaßstab bilden, wenn es für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit auf den Umfang der Sache ankommt. Schließlich bleibt die Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO durch eine Verständigung unberührt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch ein verständigungsbasiertes Geständnis bedarf der Überprüfung im Strengbeweisverfahren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 209 f.; Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom 5. November 2013 – 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170), namentlich bei komplexen Fallgestaltungen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2013 – 3 StR 35/13, NStZ 2014, 53 f.; Senat, Beschluss vom 3. März 2016 – 2 StR 360/15, NStZ 2016, 489 f.). Nicht geständnisfähige Tatsachen müssen durch weitere Beweiserhe- bungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Zusätzliche Beweiserhebungen können für die Prüfung von Strafzumessungstatsachen erforderlich werden. Insgesamt ändert die zurzeit des Eröffnungsbeschlusses bestehende Möglichkeit einer Verständigung die Beurteilungsgrundlagen für die Zuständigkeitsbestimmung nicht grundlegend.
15
b) Durch die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffengericht war hinsichtlich der Zuständigkeitsannahme im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 GVG eine Perpetuierung eingetreten. Eine Verweisung der Sache in der Hauptverhandlung an das Landgericht durfte nicht aufgrund einer nachträglich geänderten Einschätzung des Verhandlungsumfangs ausgesprochen werden, erst recht nicht wegen Ausbleibens einer erwarteten Verständigung.
16
aa) Eine die Zuständigkeitsbestimmung im Eröffnungsbeschluss „korri- gierende Verweisung“ ist nur zulässig, wenn sich schon aus dem Anklagesatz eindeutig ergibt, dass die ursprüngliche Zuständigkeitsannahme im Eröffnungsbeschluss rechtsirrig war (vgl. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 7; Glaser, Aktuelle Probleme im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte, insbesondere die Folgen fehlerhafter Verweisungsbeschlüsse, 2002, S. 54 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
17
bb) Die Zuständigkeitsprüfung im Hinblick auf die Merkmale gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ist auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens beschränkt; das Tatgericht bleibt anschließend an seine Zuständigkeitsannahme gebunden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18. Mai 2016 – 1 Ws 244/16; Glaser aaO S. 57; Rieß GA 1977, 1, 12; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 GVG Rn. 9; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 270 Rn. 8; AK-StPO/Wassermann,1993, § 270 Rn. 4; aA SK-StPO/Degener, 4. Aufl., § 24 GVG Rn. 38). Der Gesetzgeber des 19. Strafverfahrensänderungsgesetzes ist auch davon ausgegangen, es bedürfe keines ausdrücklichen Hinweises im Gesetzestext darauf, dass die Zuständigkeit eines Gerichts gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG nur bis zum Eröffnungsbeschluss zu prüfen ist (BT-Drucks. 8/976, S. 22). Die Verweisungsnorm des § 270 StPO ist deshalb auf Fälle einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GVG beschränkt. Sie konnte die Zuständigkeitskriterien gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG auch noch nicht erfassen, weil diese erst später in das Gesetz eingefügt wurden.
18
Dem Fall einer Änderung der rechtlichen Bewertung der Sache dahin, dass ein Straftatbestand erfüllt sein kann, welcher eine ausschließliche Zuständigkeit eines Spruchkörpers beim Landgericht begründet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG), oder die Annahme, dass die Strafe den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten werde, weshalb es nicht zur Sachentscheidung berufen ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), steht eine Neubewertung des Umfangs der Sache in der Hauptverhandlung nicht gleich. Das Amtsgericht kann die Sache auch nach einer unvorhergesehen langen Hauptverhandlung entscheiden. Zuständigkeitsverschiebungen aufgrund einer geänderten Einschätzung der Sachoder Rechtslage sind daher auf Fälle zu beschränken, in denen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung unverzichtbar ist. Mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind dagegen Zuständigkeitsverschiebungen nur wegen Veränderung der Prognose des Verhandlungsaufwands unvereinbar.
19
c) Allerdings geht die jüngere Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie davon aus, dass selbst objektive Willkür bei einer Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht gemäß § 270 StPO nicht zur Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses, sondern nur zum Wegfall seiner Bindungswirkung führt. Eine Rückgabe der Sache kommt trotz willkürlicher Verweisung nicht in Frage, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts tatsächlich eindeutig gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60 f.; KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 270 Rn. 26; MünchKommStPO /Moldenhauer, 2016, § 270 Rn. 49; aA SSW/Güntge, StPO, 2. Aufl., § 270 Rn. 15; KMR/Voll, StPO, § 270 Rn. 31; AK-StPO/Wassermann, § 270 Rn. 8). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
20
Die geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) ist wegen der Zuständigkeitsperpetuierung unerheblich. War insoweit schon § 270 StPO nicht anwendbar (vgl. Rieß GA 1976, 1, 16), so ist nach einer gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßenden Verweisung der Umfang der Sache auch für eine weitere Prüfung unerheblich, ob die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist.
21
Die vom Landgericht zur Zuständigkeitsbegründung angeführte Straferwartung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), die den Strafbann des Amtsgerichts (§ 24 Abs. 2 GVG) überschreiten würde, ist ersichtlich nicht gerechtfertigt.
22
Die Strafobergrenze für jede der angeklagten Taten beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Auch bei einer Gesamtstrafe war auf dieser Grundlage im vorliegenden Fall keine Überschreitung des Strafbanns des Amtsgerichts von vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe zu erwarten. Eine hohe Freiheitsstrafe wegen strafbarer Kennzeichenverletzung wäre nur bei Verursachung eines Schadens für den Inhaber des Markenrechts zu erwarten gewesen (vgl. Kaiser in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 209. Lfg., § 143 MarkenG Rn. 45), der hier aber nicht festzustellen ist. Zwar kann auch die Einfuhr von Originalwaren, insbesondere bei Reimporten, Kennzeichenrechte verletzen (vgl. Maske-Reiche in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 143 MarkenG Rn. 39). Es lag aber kein besonders strafwürdiger Fall der Markenpiraterie vor. Die Herkunftsfunktion der Marke als strafrechtlich geschütztes Rechtsgut (krit. gegenüber der Strafdrohung Böxler, Markenstrafrecht. Geschichte – Akzessorietät – Legitimation – Perspektiven, 2013, S. 485) wurde durch das Inverkehrbringen der Original -Markenuhren nicht konkret beeinträchtigt. Auch deshalb war selbst unter Berücksichtigung von Zahl und Umfang der Einfuhren eine Gesamtfreiheitsstrafe , welche den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten würde, offensichtlich nicht zu erwarten. Sie war zu recht auch vom Amtsgericht nicht in Betracht gezogen worden. Fischer Krehl Eschelbach Bartel Wimmer

Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 330/16
vom
6. Oktober 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Abs. 2
Eine Zuständigkeit des Landgerichts, welche zur Verweisung gemäß § 270
StPO führt, ergibt sich nicht daraus, dass nach Scheitern von Verständigungsgesprächen
beim Amtsgericht (Schöffengericht) dieses einen besonderen Umfang
der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) annimmt.
BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 330/16 – LG Bonn
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:061016B2STR330.16.0


wegen strafbarer Kennzeichenverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 7. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht – Schöffengericht – Bonn zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen – jeweils gewerbsmäßig begangener – strafbarer Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in 32 Fällen, davon bei drei Taten in jeweils drei tateinheitlichen Fällen und bei acht Taten in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen, ferner bei drei Taten in Tateinheit mit strafbarer Kennzeichenverletzung sowie wegen strafbarer Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bonn.
2
Der Angeklagte veranlasste nach den Feststellungen des Landgerichts in den Jahren 2011 bis 2014 in 33 Fällen die Einfuhr von insgesamt 29.032 Original -Markenuhren ohne Zustimmung des Inhabers des Markenrechts. Die Revi- sion macht zutreffend das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts geltend.

I.

3
Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
4
Der Angeklagte befindet sich seit dem 15. November 2014 in Untersuchungshaft. Am 29. Juli 2015 wurde der Haftbefehl gegen ihn durch die Haftrichterin , die zugleich Vorsitzende des Schöffengerichts war, in neuer Fassung verkündet. Die Staatsanwaltschaft, die eine erste Anklage zurückgenommen hatte, erhob am 30. Juli 2015 erneut Anklage zum Schöffengericht bei dem Amtsgericht Bonn. Die Vorsitzende ging im Hinblick auf vorausgegangene Gespräche zwischen Verteidiger und Staatsanwalt von der Möglichkeit aus, dass im Fall eines Geständnisses des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung neben einer zusätzlichen Geldstrafe in Betracht komme. Am 31. Juli 2015 eröffnete sie das Hauptverfahren. In der Hauptverhandlung am 26. August 2015 schlug der Verteidiger vor, eine Verständigung durchzuführen. Staatsanwaltschaft und Gericht waren damit im Wesentlichen einverstanden, jedoch drängte der Staatsanwalt darauf, dass die Zahlung der Geldstrafe sichergestellt sein müsse. Der Verteidiger erklärte, dass der Angeklagte eine Unterbrechung der Hauptverhandlung nutzen wolle, um die Mittel bereitzustellen. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung am 14. September 2015 erklärte der Verteidiger, dass der Angeklagte versucht habe , 200.000 Euro auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überweisen zu lassen, was er wegen der Untersuchungshaft nicht selbst erledigen könne. Deshalb habe er seine Ehefrau darum gebeten. Diese habe Einblick in seine Kontounterlagen genommen und festgestellt, dass er einer anderen Frau eine Eigentumswoh- nung gekauft habe. Deshalb weigere sich die Ehefrau nun, die Überweisung auszuführen.
5
In einem Fortsetzungstermin am 21. September 2015 erklärte der Angeklagte bei seiner Vernehmung gemäß § 243 Abs. 5 StPO, dass er keine Angaben zur Sache mache. Der Verteidiger widersprach der Verwertung von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung. Sodann wurden die Verfahrensbeteiligten vom Schöffengericht zur Frage einer Verweisung der Sache an das Landgericht angehört. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er der erörterten Verständigung nicht zustimmen könne. Das Schöffengericht verkündete danach einen Beschluss über die Verweisung der Sache gemäß § 270 StPO an das Landgericht. Dieser wurde damit begründet, dass nach Ausbleiben der Verständigung eine umfassende Beweisaufnahme durchzuführen sei. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG sei wegen des besonderen Umfangs der Sache das Landgericht zuständig.
6
Nach Übersendung der Akten ging der Vorsitzende der Strafkammer davon aus, dass die Zuständigkeit des Landgerichts eingetreten sei. Auf Überprüfungsbitte der Verteidigung bestätigte die Strafkammer dies durch Beschluss vom 26. November 2015. Sie führte aus, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts sei nicht willkürlich erfolgt. In der Literatur werde zum Teil auch die Ansicht vertreten, dass eine geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens zum Anlass für eine Verweisung genommen werden dürfe. Insoweit sei die Ansicht des Amtsgerichts vertretbar. Dasselbe gelte für die Auffassung, der Umfang der Sache sei bei einer Verständigung anders einzuschätzen als im Fall ihres Ausbleibens. Die Zuständigkeit des Landgerichts sei schließlich tatsächlich begründet. Dies ergebe sich auch aus einer Straferwartung, die den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten könne.

II.

7
Diese Entscheidungen verkennen die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht.
8
1. Die Frage, ob die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung im Revisionsverfahren nur aufgrund einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 – 5 StR 288/95, BGHSt 42, 205, 212 ff.; Urteil vom 22. April 1997 – 1 StR 701/96,BGHSt 43, 53, 56) oder gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – 4 StR 506/91, BGHSt 38, 172, 176; Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212; Beschluss vom 21. April 1994 – 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 122 ff.; Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 StR 376/08, NStZ 2009, 404 f.), kann offenbleiben. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls eine zulässige Verfahrensrüge erhoben.
9
2. Die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 270 StPO beschränkt die Prüfung des Revisionsgerichts auf die Frage , ob höherrangiges Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 – 3 StR 57/80, BGHSt 29, 216, 219; Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60; krit. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 31a). Dafür genügt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten bei der Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen gezogenen Grenzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992 – 1 BvR 137/92, BVerfGE 87, 282,284). Eine Verletzung der Garantie des ge- setzlichen Richters liegt aber unter anderem vor, wenn ein Gericht, das über die Zuständigkeitsfrage entscheidet, die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung grundlegend verkannt hat (vgl. BVerfG, Be- schluss vom 20. Juni 2012 – 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268, 312; Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64, 87). Das ist hier der Fall.
10
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 GVG sind für Strafsachen in erster Instanz grundsätzlich die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GVG eingreift. Die Bestimmung der Zuständigkeit des Amtsgerichts durch den Eröffnungsbeschluss war insoweit nicht zu beanstanden. Die spätere Annahme einer Zuständigkeit des Landgerichts war nicht gerechtfertigt.
11
aa) Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ist grundsätzlich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 251). Sie bleibt im weiteren Verfahrensgang regelmäßig konstant (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2012 – 3 StR 335/12, NStZ 2013, 181 f.). Der Umfang der Sache als relativ unbestimmtes Zuständigkeitskriterium (vgl. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S. 562 ff.) kann nicht laufend der aktuellen Prozesslage angepasst werden. Deshalb tritt mit der Zuständigkeitsentscheidung beim Eröffnungsbeschluss insoweit eine Perpetuierung ein. Die Regeln der §§ 6, 270 StPO über die Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unterliegen insoweit einer teleologischen Reduktion. Nur die Zuständigkeitsmerkmale der besonderen Deliktsart (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG) oder einer Straferwartung oberhalb des Strafbanns der Amtsgerichte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG) gestatten eine Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht, nicht aber die normativen Kriterien der Bedeutung und des Umfangs der Sache (vgl. Rieß GA 1977, 1, 12).
12
bb) Die Frage, ob in der Hauptverhandlung eine Verständigung erfolgt, ist für die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit unerheblich.
13
Zurzeit des Eröffnungsbeschlusses sind das Zustandekommen einer Verständigung in der Hauptverhandlung (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) und deren spätere Auflösung (§ 257c Abs. 4 StPO) ungewiss. Auf die vorherigen Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemäß § 202a StPO kommt es nicht an. Das Gericht darf bei seiner Eröffnungsentscheidung für die Einschätzung des Umfangs der Sache als Kriterium der sachlichen Gerichtszuständigkeit nicht die Erwartung einer Abkürzung der Hauptverhandlung aufgrund einer Verständigung zu Grunde legen. Andernfalls könnte ein Gericht niedriger Ordnung umfangreiche Verfahren nach verständigungsbezogenen Vorgesprächen wegen eines vermeintlich geringen Verhandlungsaufwands an sich ziehen und diese bei Nichtzustandekommen oder Widerruf einer Verständigung an das Gericht höherer Ordnung verweisen. Das wäre mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
14
Deshalb kann nur eine vollständige Sachaufklärung den Prüfungsmaßstab bilden, wenn es für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit auf den Umfang der Sache ankommt. Schließlich bleibt die Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO durch eine Verständigung unberührt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch ein verständigungsbasiertes Geständnis bedarf der Überprüfung im Strengbeweisverfahren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 209 f.; Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom 5. November 2013 – 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170), namentlich bei komplexen Fallgestaltungen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2013 – 3 StR 35/13, NStZ 2014, 53 f.; Senat, Beschluss vom 3. März 2016 – 2 StR 360/15, NStZ 2016, 489 f.). Nicht geständnisfähige Tatsachen müssen durch weitere Beweiserhe- bungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Zusätzliche Beweiserhebungen können für die Prüfung von Strafzumessungstatsachen erforderlich werden. Insgesamt ändert die zurzeit des Eröffnungsbeschlusses bestehende Möglichkeit einer Verständigung die Beurteilungsgrundlagen für die Zuständigkeitsbestimmung nicht grundlegend.
15
b) Durch die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffengericht war hinsichtlich der Zuständigkeitsannahme im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 GVG eine Perpetuierung eingetreten. Eine Verweisung der Sache in der Hauptverhandlung an das Landgericht durfte nicht aufgrund einer nachträglich geänderten Einschätzung des Verhandlungsumfangs ausgesprochen werden, erst recht nicht wegen Ausbleibens einer erwarteten Verständigung.
16
aa) Eine die Zuständigkeitsbestimmung im Eröffnungsbeschluss „korri- gierende Verweisung“ ist nur zulässig, wenn sich schon aus dem Anklagesatz eindeutig ergibt, dass die ursprüngliche Zuständigkeitsannahme im Eröffnungsbeschluss rechtsirrig war (vgl. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 7; Glaser, Aktuelle Probleme im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte, insbesondere die Folgen fehlerhafter Verweisungsbeschlüsse, 2002, S. 54 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
17
bb) Die Zuständigkeitsprüfung im Hinblick auf die Merkmale gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ist auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens beschränkt; das Tatgericht bleibt anschließend an seine Zuständigkeitsannahme gebunden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18. Mai 2016 – 1 Ws 244/16; Glaser aaO S. 57; Rieß GA 1977, 1, 12; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 GVG Rn. 9; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 270 Rn. 8; AK-StPO/Wassermann,1993, § 270 Rn. 4; aA SK-StPO/Degener, 4. Aufl., § 24 GVG Rn. 38). Der Gesetzgeber des 19. Strafverfahrensänderungsgesetzes ist auch davon ausgegangen, es bedürfe keines ausdrücklichen Hinweises im Gesetzestext darauf, dass die Zuständigkeit eines Gerichts gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG nur bis zum Eröffnungsbeschluss zu prüfen ist (BT-Drucks. 8/976, S. 22). Die Verweisungsnorm des § 270 StPO ist deshalb auf Fälle einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GVG beschränkt. Sie konnte die Zuständigkeitskriterien gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG auch noch nicht erfassen, weil diese erst später in das Gesetz eingefügt wurden.
18
Dem Fall einer Änderung der rechtlichen Bewertung der Sache dahin, dass ein Straftatbestand erfüllt sein kann, welcher eine ausschließliche Zuständigkeit eines Spruchkörpers beim Landgericht begründet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG), oder die Annahme, dass die Strafe den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten werde, weshalb es nicht zur Sachentscheidung berufen ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), steht eine Neubewertung des Umfangs der Sache in der Hauptverhandlung nicht gleich. Das Amtsgericht kann die Sache auch nach einer unvorhergesehen langen Hauptverhandlung entscheiden. Zuständigkeitsverschiebungen aufgrund einer geänderten Einschätzung der Sachoder Rechtslage sind daher auf Fälle zu beschränken, in denen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung unverzichtbar ist. Mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind dagegen Zuständigkeitsverschiebungen nur wegen Veränderung der Prognose des Verhandlungsaufwands unvereinbar.
19
c) Allerdings geht die jüngere Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie davon aus, dass selbst objektive Willkür bei einer Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht gemäß § 270 StPO nicht zur Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses, sondern nur zum Wegfall seiner Bindungswirkung führt. Eine Rückgabe der Sache kommt trotz willkürlicher Verweisung nicht in Frage, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts tatsächlich eindeutig gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60 f.; KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 270 Rn. 26; MünchKommStPO /Moldenhauer, 2016, § 270 Rn. 49; aA SSW/Güntge, StPO, 2. Aufl., § 270 Rn. 15; KMR/Voll, StPO, § 270 Rn. 31; AK-StPO/Wassermann, § 270 Rn. 8). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
20
Die geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) ist wegen der Zuständigkeitsperpetuierung unerheblich. War insoweit schon § 270 StPO nicht anwendbar (vgl. Rieß GA 1976, 1, 16), so ist nach einer gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßenden Verweisung der Umfang der Sache auch für eine weitere Prüfung unerheblich, ob die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist.
21
Die vom Landgericht zur Zuständigkeitsbegründung angeführte Straferwartung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), die den Strafbann des Amtsgerichts (§ 24 Abs. 2 GVG) überschreiten würde, ist ersichtlich nicht gerechtfertigt.
22
Die Strafobergrenze für jede der angeklagten Taten beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Auch bei einer Gesamtstrafe war auf dieser Grundlage im vorliegenden Fall keine Überschreitung des Strafbanns des Amtsgerichts von vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe zu erwarten. Eine hohe Freiheitsstrafe wegen strafbarer Kennzeichenverletzung wäre nur bei Verursachung eines Schadens für den Inhaber des Markenrechts zu erwarten gewesen (vgl. Kaiser in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 209. Lfg., § 143 MarkenG Rn. 45), der hier aber nicht festzustellen ist. Zwar kann auch die Einfuhr von Originalwaren, insbesondere bei Reimporten, Kennzeichenrechte verletzen (vgl. Maske-Reiche in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 143 MarkenG Rn. 39). Es lag aber kein besonders strafwürdiger Fall der Markenpiraterie vor. Die Herkunftsfunktion der Marke als strafrechtlich geschütztes Rechtsgut (krit. gegenüber der Strafdrohung Böxler, Markenstrafrecht. Geschichte – Akzessorietät – Legitimation – Perspektiven, 2013, S. 485) wurde durch das Inverkehrbringen der Original -Markenuhren nicht konkret beeinträchtigt. Auch deshalb war selbst unter Berücksichtigung von Zahl und Umfang der Einfuhren eine Gesamtfreiheitsstrafe , welche den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten würde, offensichtlich nicht zu erwarten. Sie war zu recht auch vom Amtsgericht nicht in Betracht gezogen worden. Fischer Krehl Eschelbach Bartel Wimmer

Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht

1.
die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,
2.
im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b des Strafgesetzbuches) zu erwarten ist oder
3.
die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt.

Eine besondere Schutzbedürftigkeit nach Satz 1 Nummer 3 liegt insbesondere vor, wenn zu erwarten ist, dass die Vernehmung für den Verletzten mit einer besonderen Belastung verbunden sein wird, und deshalb mehrfache Vernehmungen vermieden werden sollten.

(2) Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe und nicht auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung erkennen.

Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt.

Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht

1.
die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,
2.
im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b des Strafgesetzbuches) zu erwarten ist oder
3.
die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt.

Eine besondere Schutzbedürftigkeit nach Satz 1 Nummer 3 liegt insbesondere vor, wenn zu erwarten ist, dass die Vernehmung für den Verletzten mit einer besonderen Belastung verbunden sein wird, und deshalb mehrfache Vernehmungen vermieden werden sollten.

(2) Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe und nicht auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 330/16
vom
6. Oktober 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Abs. 2
Eine Zuständigkeit des Landgerichts, welche zur Verweisung gemäß § 270
StPO führt, ergibt sich nicht daraus, dass nach Scheitern von Verständigungsgesprächen
beim Amtsgericht (Schöffengericht) dieses einen besonderen Umfang
der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) annimmt.
BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 330/16 – LG Bonn
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:061016B2STR330.16.0


wegen strafbarer Kennzeichenverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 7. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht – Schöffengericht – Bonn zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen – jeweils gewerbsmäßig begangener – strafbarer Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in 32 Fällen, davon bei drei Taten in jeweils drei tateinheitlichen Fällen und bei acht Taten in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen, ferner bei drei Taten in Tateinheit mit strafbarer Kennzeichenverletzung sowie wegen strafbarer Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bonn.
2
Der Angeklagte veranlasste nach den Feststellungen des Landgerichts in den Jahren 2011 bis 2014 in 33 Fällen die Einfuhr von insgesamt 29.032 Original -Markenuhren ohne Zustimmung des Inhabers des Markenrechts. Die Revi- sion macht zutreffend das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts geltend.

I.

3
Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
4
Der Angeklagte befindet sich seit dem 15. November 2014 in Untersuchungshaft. Am 29. Juli 2015 wurde der Haftbefehl gegen ihn durch die Haftrichterin , die zugleich Vorsitzende des Schöffengerichts war, in neuer Fassung verkündet. Die Staatsanwaltschaft, die eine erste Anklage zurückgenommen hatte, erhob am 30. Juli 2015 erneut Anklage zum Schöffengericht bei dem Amtsgericht Bonn. Die Vorsitzende ging im Hinblick auf vorausgegangene Gespräche zwischen Verteidiger und Staatsanwalt von der Möglichkeit aus, dass im Fall eines Geständnisses des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung neben einer zusätzlichen Geldstrafe in Betracht komme. Am 31. Juli 2015 eröffnete sie das Hauptverfahren. In der Hauptverhandlung am 26. August 2015 schlug der Verteidiger vor, eine Verständigung durchzuführen. Staatsanwaltschaft und Gericht waren damit im Wesentlichen einverstanden, jedoch drängte der Staatsanwalt darauf, dass die Zahlung der Geldstrafe sichergestellt sein müsse. Der Verteidiger erklärte, dass der Angeklagte eine Unterbrechung der Hauptverhandlung nutzen wolle, um die Mittel bereitzustellen. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung am 14. September 2015 erklärte der Verteidiger, dass der Angeklagte versucht habe , 200.000 Euro auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überweisen zu lassen, was er wegen der Untersuchungshaft nicht selbst erledigen könne. Deshalb habe er seine Ehefrau darum gebeten. Diese habe Einblick in seine Kontounterlagen genommen und festgestellt, dass er einer anderen Frau eine Eigentumswoh- nung gekauft habe. Deshalb weigere sich die Ehefrau nun, die Überweisung auszuführen.
5
In einem Fortsetzungstermin am 21. September 2015 erklärte der Angeklagte bei seiner Vernehmung gemäß § 243 Abs. 5 StPO, dass er keine Angaben zur Sache mache. Der Verteidiger widersprach der Verwertung von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung. Sodann wurden die Verfahrensbeteiligten vom Schöffengericht zur Frage einer Verweisung der Sache an das Landgericht angehört. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er der erörterten Verständigung nicht zustimmen könne. Das Schöffengericht verkündete danach einen Beschluss über die Verweisung der Sache gemäß § 270 StPO an das Landgericht. Dieser wurde damit begründet, dass nach Ausbleiben der Verständigung eine umfassende Beweisaufnahme durchzuführen sei. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG sei wegen des besonderen Umfangs der Sache das Landgericht zuständig.
6
Nach Übersendung der Akten ging der Vorsitzende der Strafkammer davon aus, dass die Zuständigkeit des Landgerichts eingetreten sei. Auf Überprüfungsbitte der Verteidigung bestätigte die Strafkammer dies durch Beschluss vom 26. November 2015. Sie führte aus, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts sei nicht willkürlich erfolgt. In der Literatur werde zum Teil auch die Ansicht vertreten, dass eine geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens zum Anlass für eine Verweisung genommen werden dürfe. Insoweit sei die Ansicht des Amtsgerichts vertretbar. Dasselbe gelte für die Auffassung, der Umfang der Sache sei bei einer Verständigung anders einzuschätzen als im Fall ihres Ausbleibens. Die Zuständigkeit des Landgerichts sei schließlich tatsächlich begründet. Dies ergebe sich auch aus einer Straferwartung, die den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten könne.

II.

7
Diese Entscheidungen verkennen die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht.
8
1. Die Frage, ob die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung im Revisionsverfahren nur aufgrund einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 – 5 StR 288/95, BGHSt 42, 205, 212 ff.; Urteil vom 22. April 1997 – 1 StR 701/96,BGHSt 43, 53, 56) oder gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – 4 StR 506/91, BGHSt 38, 172, 176; Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212; Beschluss vom 21. April 1994 – 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 122 ff.; Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 StR 376/08, NStZ 2009, 404 f.), kann offenbleiben. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls eine zulässige Verfahrensrüge erhoben.
9
2. Die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 270 StPO beschränkt die Prüfung des Revisionsgerichts auf die Frage , ob höherrangiges Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 – 3 StR 57/80, BGHSt 29, 216, 219; Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60; krit. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 31a). Dafür genügt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten bei der Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen gezogenen Grenzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992 – 1 BvR 137/92, BVerfGE 87, 282,284). Eine Verletzung der Garantie des ge- setzlichen Richters liegt aber unter anderem vor, wenn ein Gericht, das über die Zuständigkeitsfrage entscheidet, die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung grundlegend verkannt hat (vgl. BVerfG, Be- schluss vom 20. Juni 2012 – 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268, 312; Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64, 87). Das ist hier der Fall.
10
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 GVG sind für Strafsachen in erster Instanz grundsätzlich die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GVG eingreift. Die Bestimmung der Zuständigkeit des Amtsgerichts durch den Eröffnungsbeschluss war insoweit nicht zu beanstanden. Die spätere Annahme einer Zuständigkeit des Landgerichts war nicht gerechtfertigt.
11
aa) Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ist grundsätzlich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 251). Sie bleibt im weiteren Verfahrensgang regelmäßig konstant (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2012 – 3 StR 335/12, NStZ 2013, 181 f.). Der Umfang der Sache als relativ unbestimmtes Zuständigkeitskriterium (vgl. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S. 562 ff.) kann nicht laufend der aktuellen Prozesslage angepasst werden. Deshalb tritt mit der Zuständigkeitsentscheidung beim Eröffnungsbeschluss insoweit eine Perpetuierung ein. Die Regeln der §§ 6, 270 StPO über die Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unterliegen insoweit einer teleologischen Reduktion. Nur die Zuständigkeitsmerkmale der besonderen Deliktsart (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG) oder einer Straferwartung oberhalb des Strafbanns der Amtsgerichte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG) gestatten eine Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht, nicht aber die normativen Kriterien der Bedeutung und des Umfangs der Sache (vgl. Rieß GA 1977, 1, 12).
12
bb) Die Frage, ob in der Hauptverhandlung eine Verständigung erfolgt, ist für die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit unerheblich.
13
Zurzeit des Eröffnungsbeschlusses sind das Zustandekommen einer Verständigung in der Hauptverhandlung (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) und deren spätere Auflösung (§ 257c Abs. 4 StPO) ungewiss. Auf die vorherigen Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemäß § 202a StPO kommt es nicht an. Das Gericht darf bei seiner Eröffnungsentscheidung für die Einschätzung des Umfangs der Sache als Kriterium der sachlichen Gerichtszuständigkeit nicht die Erwartung einer Abkürzung der Hauptverhandlung aufgrund einer Verständigung zu Grunde legen. Andernfalls könnte ein Gericht niedriger Ordnung umfangreiche Verfahren nach verständigungsbezogenen Vorgesprächen wegen eines vermeintlich geringen Verhandlungsaufwands an sich ziehen und diese bei Nichtzustandekommen oder Widerruf einer Verständigung an das Gericht höherer Ordnung verweisen. Das wäre mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
14
Deshalb kann nur eine vollständige Sachaufklärung den Prüfungsmaßstab bilden, wenn es für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit auf den Umfang der Sache ankommt. Schließlich bleibt die Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO durch eine Verständigung unberührt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch ein verständigungsbasiertes Geständnis bedarf der Überprüfung im Strengbeweisverfahren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 209 f.; Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom 5. November 2013 – 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170), namentlich bei komplexen Fallgestaltungen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2013 – 3 StR 35/13, NStZ 2014, 53 f.; Senat, Beschluss vom 3. März 2016 – 2 StR 360/15, NStZ 2016, 489 f.). Nicht geständnisfähige Tatsachen müssen durch weitere Beweiserhe- bungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Zusätzliche Beweiserhebungen können für die Prüfung von Strafzumessungstatsachen erforderlich werden. Insgesamt ändert die zurzeit des Eröffnungsbeschlusses bestehende Möglichkeit einer Verständigung die Beurteilungsgrundlagen für die Zuständigkeitsbestimmung nicht grundlegend.
15
b) Durch die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffengericht war hinsichtlich der Zuständigkeitsannahme im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 GVG eine Perpetuierung eingetreten. Eine Verweisung der Sache in der Hauptverhandlung an das Landgericht durfte nicht aufgrund einer nachträglich geänderten Einschätzung des Verhandlungsumfangs ausgesprochen werden, erst recht nicht wegen Ausbleibens einer erwarteten Verständigung.
16
aa) Eine die Zuständigkeitsbestimmung im Eröffnungsbeschluss „korri- gierende Verweisung“ ist nur zulässig, wenn sich schon aus dem Anklagesatz eindeutig ergibt, dass die ursprüngliche Zuständigkeitsannahme im Eröffnungsbeschluss rechtsirrig war (vgl. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 7; Glaser, Aktuelle Probleme im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte, insbesondere die Folgen fehlerhafter Verweisungsbeschlüsse, 2002, S. 54 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
17
bb) Die Zuständigkeitsprüfung im Hinblick auf die Merkmale gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ist auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens beschränkt; das Tatgericht bleibt anschließend an seine Zuständigkeitsannahme gebunden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18. Mai 2016 – 1 Ws 244/16; Glaser aaO S. 57; Rieß GA 1977, 1, 12; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 GVG Rn. 9; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 270 Rn. 8; AK-StPO/Wassermann,1993, § 270 Rn. 4; aA SK-StPO/Degener, 4. Aufl., § 24 GVG Rn. 38). Der Gesetzgeber des 19. Strafverfahrensänderungsgesetzes ist auch davon ausgegangen, es bedürfe keines ausdrücklichen Hinweises im Gesetzestext darauf, dass die Zuständigkeit eines Gerichts gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG nur bis zum Eröffnungsbeschluss zu prüfen ist (BT-Drucks. 8/976, S. 22). Die Verweisungsnorm des § 270 StPO ist deshalb auf Fälle einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GVG beschränkt. Sie konnte die Zuständigkeitskriterien gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG auch noch nicht erfassen, weil diese erst später in das Gesetz eingefügt wurden.
18
Dem Fall einer Änderung der rechtlichen Bewertung der Sache dahin, dass ein Straftatbestand erfüllt sein kann, welcher eine ausschließliche Zuständigkeit eines Spruchkörpers beim Landgericht begründet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG), oder die Annahme, dass die Strafe den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten werde, weshalb es nicht zur Sachentscheidung berufen ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), steht eine Neubewertung des Umfangs der Sache in der Hauptverhandlung nicht gleich. Das Amtsgericht kann die Sache auch nach einer unvorhergesehen langen Hauptverhandlung entscheiden. Zuständigkeitsverschiebungen aufgrund einer geänderten Einschätzung der Sachoder Rechtslage sind daher auf Fälle zu beschränken, in denen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung unverzichtbar ist. Mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind dagegen Zuständigkeitsverschiebungen nur wegen Veränderung der Prognose des Verhandlungsaufwands unvereinbar.
19
c) Allerdings geht die jüngere Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie davon aus, dass selbst objektive Willkür bei einer Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht gemäß § 270 StPO nicht zur Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses, sondern nur zum Wegfall seiner Bindungswirkung führt. Eine Rückgabe der Sache kommt trotz willkürlicher Verweisung nicht in Frage, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts tatsächlich eindeutig gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60 f.; KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 270 Rn. 26; MünchKommStPO /Moldenhauer, 2016, § 270 Rn. 49; aA SSW/Güntge, StPO, 2. Aufl., § 270 Rn. 15; KMR/Voll, StPO, § 270 Rn. 31; AK-StPO/Wassermann, § 270 Rn. 8). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
20
Die geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) ist wegen der Zuständigkeitsperpetuierung unerheblich. War insoweit schon § 270 StPO nicht anwendbar (vgl. Rieß GA 1976, 1, 16), so ist nach einer gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßenden Verweisung der Umfang der Sache auch für eine weitere Prüfung unerheblich, ob die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist.
21
Die vom Landgericht zur Zuständigkeitsbegründung angeführte Straferwartung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), die den Strafbann des Amtsgerichts (§ 24 Abs. 2 GVG) überschreiten würde, ist ersichtlich nicht gerechtfertigt.
22
Die Strafobergrenze für jede der angeklagten Taten beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Auch bei einer Gesamtstrafe war auf dieser Grundlage im vorliegenden Fall keine Überschreitung des Strafbanns des Amtsgerichts von vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe zu erwarten. Eine hohe Freiheitsstrafe wegen strafbarer Kennzeichenverletzung wäre nur bei Verursachung eines Schadens für den Inhaber des Markenrechts zu erwarten gewesen (vgl. Kaiser in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 209. Lfg., § 143 MarkenG Rn. 45), der hier aber nicht festzustellen ist. Zwar kann auch die Einfuhr von Originalwaren, insbesondere bei Reimporten, Kennzeichenrechte verletzen (vgl. Maske-Reiche in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 143 MarkenG Rn. 39). Es lag aber kein besonders strafwürdiger Fall der Markenpiraterie vor. Die Herkunftsfunktion der Marke als strafrechtlich geschütztes Rechtsgut (krit. gegenüber der Strafdrohung Böxler, Markenstrafrecht. Geschichte – Akzessorietät – Legitimation – Perspektiven, 2013, S. 485) wurde durch das Inverkehrbringen der Original -Markenuhren nicht konkret beeinträchtigt. Auch deshalb war selbst unter Berücksichtigung von Zahl und Umfang der Einfuhren eine Gesamtfreiheitsstrafe , welche den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten würde, offensichtlich nicht zu erwarten. Sie war zu recht auch vom Amtsgericht nicht in Betracht gezogen worden. Fischer Krehl Eschelbach Bartel Wimmer

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht

1.
die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,
2.
im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b des Strafgesetzbuches) zu erwarten ist oder
3.
die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt.

Eine besondere Schutzbedürftigkeit nach Satz 1 Nummer 3 liegt insbesondere vor, wenn zu erwarten ist, dass die Vernehmung für den Verletzten mit einer besonderen Belastung verbunden sein wird, und deshalb mehrfache Vernehmungen vermieden werden sollten.

(2) Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe und nicht auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung erkennen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 248/07
vom
19. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. September
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Dezember 2006 werden verworfen. Die Angeklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels; die durch die Revision der Staatsanwaltschaft verursachten Kosten und die hierdurch der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten , mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft hat zu Ungunsten der Angeklagten Revision eingelegt und rügt die Verletzung sachlichen Rechtes. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
3
Am 28. Juli 2003 brachte eine Freundin der Angeklagten in Kamerun das spätere Tatopfer B. zur Welt. Im Januar 2005 nahm die Angeklagte im Ein- verständnis mit ihrer Freundin das Mädchen mit nach Deutschland und gab es dort als ihre Tochter aus. Im Oktober/November 2005 kam es zu einer ersten Verletzung von B. . Bei einer oder mehreren Gelegenheiten kam das Mädchen mit kochendem Wasser oder einer chemisch aggressiven Substanz in Kontakt und zog sich Verbrühungen oder Verätzungen an der Haut zu. Eine angemessene medizinische Behandlung ließ die Angeklagte dem Kind nicht zukommen. Etwa Mitte November 2005 kam es zu einem oder mehreren Übergriffen der Angeklagten auf B. . Durch Schleudern gegen eine scharfkantige Struktur brachte die Angeklagte B. drei Striemen im Rückenbereich bei. Ein anderes Mal wirkte die Angeklagte bei einer oder mehreren Gelegenheiten auf B. mit einem Gegenstand, etwa einem Stock, ein und verursachte hierdurch am Rücken mittig links zwei (weitere) parallel zueinander verlaufende Streifen. Des Weiteren brachte sie dem Kind im gleichen Zeitfenster unter Anwendung scharfer oder halbscharfer Gewalt kleinflächige kreuz- bzw. schlitzförmige Verletzungen im Gesichtsbereich bei und wirkte ferner an der Stirn dergestalt auf das Kind ein, dass dabei ein ca. zweimal 3 cm großes Hämatom entstand, das sich im weiteren Verlauf in Form einer blassvioletten, unscharf geränderten Verfärbung zeigte. In allen Fällen wusste und wollte die Angeklagte , dass B. in Folge ihres Tuns Schmerzen erlitt. Um den 19./20. November 2005 erkrankte B. an einer von Fieber begleiteten Lungenentzündung. Eine Behandlung der Krankheit wurde in der Folge nicht eingeleitet. In der Zeit zwischen Montag, dem 21. November 2005 und 4.00 Uhr früh des 22. November 2005 kam es auf Grund zuvor gefassten Tötungsentschlusses in der Wohnung der Angeklagten zu folgendem Tatgeschehen, wobei weder der exakte jeweilige Tatzeitpunkt innerhalb des oben angegebenen Zeitfensters, noch die exakte Reihenfolge aller Einzelakte bestimmt werden konnte: Die Angeklagte wandte Minuten bis Stunden vor Eintritt des Todes des Kindes unter Einsatz übermäßig hohen Kraftaufwandes stumpfe oder halbscharfe Gewalt gegen den Schädel von B. an und schleuderte das Kind mit dem Kopf gegen einen festen Gegenstand. Hierbei wusste sie, dass ihr Tun möglicherweise tödliche Folgen für das Mädchen haben könne und nahm dies zumindest billigend auch in Kauf. Infolge der Gewalteinwirkung kam es auf der dem Anstoßpunkt gegenüberliegende Seite des Kopfes des Kindes zu einem sog. indirekten Schädelbruch, der - wenngleich als solcher nicht tödlich - unmittelbar zum Eintritt von Bewusstlosigkeit führte. Zeitnah hierzu, nicht ausschließbar erst nach dem Eintreten der Bewusstlosigkeit, verdrehte die Angeklagte den linken Arm des Kindes mit der Folge eines Spiralbruches. Des Weiteren - wiederum nicht ausschließbar erst nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit - schnitt bzw. "stanzte" sie im Bereich der Hände und Füße des Mädchens mit Hilfe zweier zuvor beschaffter Werkzeuge, einer (kleinen) Haushaltsschere sowie einer Nagelschere , eine Mehrzahl halbwegs eckig geformter (kleinflächiger) Hautstücke aus. Betroffen waren insbesondere die - von der Großzehe aus betrachtet - ersten drei Zehen des rechten Fußes, an rechter und linker Hand jeweils die Handinnenseiten und an der rechten Hand zusätzlich der Handrücken sowie der Zeigefinger. Ferner biss die Angeklagte das Mädchen jeweils einmal in den linken und rechten Arm, in die linke Kniebeuge, in die rechte Brust sowie mittig in den Rückenbereich; an den betroffenen Stellen zeichneten sich in der Folge ringförmig-violette, mit dem Gebiss der Angeklagten korrespondierende Hämatome ab. Schließlich brachte sie dem unter Umständen bereits bewusstlosen Mädchen unter Anwendung scharfer oder halbscharfer Gewalt (ein weiteres Mal) kreuz- sowie schlitzförmige Verletzungen im Unterkieferbereich bei und wirkte auf den Schädel mit stumpfer oder halbscharfer - "oberflächlich schleifender" - Gewalt ein, so dass dort unter Verlust eines Teils des Kopfhaares eine kreisförmig ausgestaltete, scharfrandig begrenzte ca. 1 qcm große Schürfung entstand. Zeitnah zur Beibringung der Wunden an Händen, Füßen und Gesicht entkleidete die Angeklagte B. und verbrachte das an den voranstehend benannten Körperteilen blutende Kind ins Badezimmer und legte oder setzte es dort in die Badewanne. Mit dem Ziel, hierdurch den Tod des Kindes nun sicher herbeizuführen, beließ die Angeklagte daraufhin Teile des Körpers, insbesondere die (weiterhin blutenden) Füße und Hände des Mädchens sowie zumindest zeitweise auch Mund oder Nase über einen längeren Zeitraum von einer halben bis maximal zwei Stunden hinweg in der Badewanne unter Wasser. Infolge des hierdurch bedingten Aussetzens der Blutgerinnung verlor B. im weiteren Verlauf in erheblichem Umfange (mindestens einen halben Liter) Blut und atmete überdies zeitweise Wasser ein. Zugleich bildete sich an den Fingern und Zehen des Kindes eine sog. Waschhaut, zuletzt darüber hinaus vor dem Mund ein Schaumpilz aus weißem Sekret. Schließlich verstarb das Kind zeitnah an den Folgen akuter Blutarmut. Anschließend nahm die Angeklagte verschiedene Verschleierungshandlungen vor.

II.

4
Das Landgericht ist der Überzeugung, dass nur die Angeklagte, die sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, als Täterin in Betracht komme.
5
Das Landgericht hat Tötungsvorsatz bejaht, das Vorliegen von Mordmerkmalen aber verneint. Das Mordmerkmal Grausamkeit wurde abgelehnt, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass B. im Zeitpunkt "des todesursächlichen Geschehens" bereits bewusstlos gewesen sei. Auch Heimtücke oder sonst ein niedriger Beweggrund seien nicht nachzuweisen.

III.

6
Die Revision der Angeklagten ist unbegründet. Einer Erörterung bedarf allein die Rüge, mit der ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltend gemacht wird.
7
1. Die Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Vernehmung ihrer Mutter und ihrer Schwester beantragt u.a. zum Beweise dafür, dass sie am 21. November 2005 ohne B. von ihrer Schwester um 17.00 Uhr in der Nähe des G. Bahnhofs abgeholt worden, mit Mutter und Schwester bis ca. 20.30 Uhr zusammengewesen und von der Schwester bis ca. 21.00 Uhr zum Bahnhof begleitet worden und anschließend nach Hause gefahren sei.
8
Diesen Antrag hat das Gericht durch Beschluss vom 20. Oktober 2006 mit folgender Begründung zurückgewiesen: "Der Antrag auf Vernehmung der Zeuginnen A. S. und S. A. vom 08.09.2006 wird zurückgewiesen, da die in das Wissen der Zeuginnen gestellte Beweistatsache - sollten diese nunmehr insoweit tatsächlich zur Aussage bereit sein - für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ist. Ob die Angeklagte sich am 21. November 2005 vom späten Nachmittag an bis längstens 22.32 Uhr - so wie in das Wissen der Zeuginnen gestellt - nicht in der Wohnung in L. , sondern in Bi. bzw. auf dem Weg zwischen den beiden Ortschaften befunden hat, kann die Entscheidung nicht beeinflussen, selbst wenn die Zeuginnen die Beweisbehauptung bestätigen sollten. Der Todeszeitpunkt des Tatopfers ist lediglich insoweit einzugrenzen, als er vor 5.03 Uhr des 22. November 2005 (Eintreffen der Rettungssanitäter) angenommen werden muss. Angesichts des Ergebnisses des rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens - insbesondere der Schädelbruchverletzung und des Ausblutungsvorgangs - können die todesursächlichen Verletzungen dem Opfer auch innerhalb des Zeitraums 21. November 05, 22.32 Uhr und 22. November 05, 5.03 Uhr beigebracht worden sein. Das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung kann mithin - weder zu Gunsten noch zu Ungunsten der Angeklagten - zu zwingenden Schlussfolgerungen führen …".
9
2. Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Das Gericht beurteilt das auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses. Es darf aber die Beweiswürdigung nicht in der Weise vorwegnehmen, dass es die Beweiserheblichkeit der Indiztatsache mit der Begründung verneint, das Gegenteil sei bereits erwiesen oder erklärt, auch wenn der Zeuge die Behauptung bestätige, müsse dies nicht richtig sein. Im Urteil darf sich das Gericht mit der Ablehnungsbegründung nicht in Widerspruch setzen, insbesondere die Urteilsgründe nicht auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen (vgl. u.a. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22).
10
Gegen diesen Grundsatz hat das Landgericht verstoßen. Es hat die Täterschaft der Angeklagten auch damit begründet, dass diese - insoweit glaubhaft - bei früheren Vernehmungen angegeben hat, jedenfalls ab dem Nachmittag des 21. November 2005 mit B. allein gewesen zu sein und die Wohnung nicht verlassen zu haben (UA S. 47/48). Diese Feststellung widerspricht der als bedeutungslos angesehenen Beweisbehauptung, die Angeklagte habe B. am 21. November 2005 von ca. 17.00 Uhr bis nach 22.00 Uhr alleine gelassen.
11
Indem die Strafkammer die Feststellung des Gegenteils der unter Beweis gestellten Tatsache zur Begründung des Schuldspruchs zum Nachteil der Angeklagte herangezogen hat und so von der Beurteilung jener Tatsachen als bedeutungslos in dem den Beweisantrag ablehnenden Beschluss abgewichen ist, hat sie § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verletzt (vgl. u.a. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 18 m.w.N.).
12
Auf diesem Fehler beruht das Urteil jedoch nicht. Der Senat kann nach den Urteilsausführungen in ihrer Gesamtheit sicher ausschließen, dass der Tatrichter , wenn er von einer Abwesenheit der Angeklagten in dem behaupteten Zeitraum ausgegangen wäre, Zweifel an deren Täterschaft gehabt hätte. Den Urteilsgründen lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Täterschaft einer anderen Person entnehmen. Vielmehr liegen ganz erhebliche Indizien für die Täterschaft der Angeklagten vor. Das Opfer weist fünf eindeutig von der Angeklagten stammende Bisswunden auf. An den Kleidungsstücken der Angeklagten befinden sich die DNS des Kindes enthaltende Blutspuren. Alle Erklärungsversuche der Angeklagten wurden widerlegt, insbesondere konnten behauptete "Sturzverletzungen" des Opfers mit Hilfe von Sachverständigen sicher ausgeschlossen werden.
13
Danach war für die Strafkammer der Umstand, dass die Angeklagte möglicherweise vor der Tötung des Kindes einige Stunden abwesend war, ersichtlich ohne Bedeutung. Das Landgericht hat den Beweisantrag daher im Übrigen - abgesehen von dem Widerspruch in den Urteilsgründen - rechtsfehlerfrei wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit zurückgewiesen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 3 StR 184/07).

IV.

14
Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt keinen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten auf.
15
1. Die Mordmerkmale Verdeckungsabsicht und Mordlust lagen nicht nahe , so dass sachlich-rechtlich eine Erörterung in den Urteilsgründen nicht geboten war.
16
2. Auch die Verneinung des Mordmerkmals Grausamkeit weist keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass B. schon durch die erste Gewaltanwendung gegen ihren Kopf bewusstlos war; denn es konnte - sachverständig beraten - die Reihenfolge der Verletzungshandlungen nicht sicher feststellen. Es hat daher nach dem Zweifelssatz angenommen, dass die zur Bewusstlosigkeit von B. führende Verletzung gleich zu Beginn der Verletzungshandlungen erfolgte und das Kind deshalb keine starken Schmerzen verspürt hat. Da die Angeklagte aber von Anfang an Tötungsvorsatz hatte (UA S. 20) und B. bereits beim ersten Tötungsakt der Angeklagten bewusstlos wurde, konnte das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass die Angeklagte B. nicht grausam töten wollte; denn B. konnte wegen ihrer Bewusstlosigkeit keine Schmerzen empfinden. Es liegt auch auf der Hand und bedurfte deshalb keiner ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen , dass die Angeklagte die Bewusstlosigkeit des Kindes bemerkte, so dass auch ein versuchter Mord (Merkmal Grausamkeit) nicht in Betracht kommt.
17
3. Das Landgericht hat die Verneinung des Mordmerkmals "sonst aus niedrigen Beweggründen" nicht näher begründet und auch nicht ausdrücklich erörtert, dass ein Mord aus niedrigen Beweggründen auch dann vorliegen kann, wenn der Täter in dem Bewusstsein handelt, keinen Grund für eine Tötung zu haben oder zu brauchen, oder wenn er bewusst seine frustrationsbedingten Aggressionen an einem unbeteiligten Opfer abreagiert (vgl. BGHSt 47, 128 ff.). Eine diesbezügliche Erörterung drängte sich nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht auf, da keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Angeklagte mit einer derartigen Motivation handelte.
18
4. Die knappe Verneinung eines besonders schweren Falles des Totschlags (§ 212 Abs. 2 StGB) erfolgte im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Denn das Landgericht hat ohne Rechtsfehler gesehen, dass es nicht genügt, wenn die Tatumstände den Mordmerkmalen nur nahe kommen, sondern es müssen zusätzliche schulderhöhende Momente hinzutreten, durch die das Verschulden des Täters ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders (vgl. u.a. BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 1). Solche sind hier nicht festgestellt. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Rothfuß Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift verhindert. Rothfuß Roggenbuck Appl

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 350/16
vom
9. März 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:090317B1STR350.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 9. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Februar 2016 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Betruges in siebzehn Fällen , den Angeklagten J. dabei in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung , in Tatmehrheit mit sechs Fällen des Kreditbetruges jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung überlange Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass hiervon jeweils drei Monate als vollstreckt gelten. Im Übrigen hat das Landgericht das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Mit ihren auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen wenden sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilung. Die Rechtsmittel sind aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich die Bestimmung der Höhe des durch die Betrugstaten der Angeklagten im „Tatkomplex Leasinggeschäfte“ be- wirkten Vermögensschadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts im „Tatkomplex Leasinggeschäfte“ führten die Angeklagten als Geschäftsführer der Komplementär- GmbH gemeinsam die Geschäfte der S. E. GmbH & Co. KG (im Folgenden: S. KG), einem mittelständischen Familienunternehmen. Bereits im Jahr 2004 war die S. KG bei schlechter Ertragslage hoch verschuldet. Die Angeklagten wussten, dass sie deshalb die für den Betrieb eines geplanten Online-Shops erforderlichen Bankdarlehen nicht erhalten würden (UA S. 18). Im Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Situation der Gesellschaft begannen sie schon zu diesem Zeitpunkt, diesem Unternehmen , das ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage darstellte, durch betrügerische Leasinggeschäfte Liquidität zu verschaffen (UA S. 18 ff.). Im dritten Quartal 2005 war die wirtschaftliche Situation der S. KG bereits so schlecht, dass deren Eigenkapital vollständig aufgezehrt war und sie dringend frische Liquidität benötigte, um zahlungsfähig zu bleiben und ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können (UA S. 20, 141). Die Angeklagten beschlossen daher, der S. KG weitere finanzielle Mittel durch die wiederholte Begehung betrügerischer Leasinggeschäfte zu verschaffen und ihr dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle erheblichen Umfangs zu erschließen (UA S. 20).
3
In Ausführung dieses Tatplans behaupteten die Angeklagten im Rahmen der von der Verurteilung erfassten 17 Leasinggeschäfte im Zeitraum von Juli 2006 bis März 2010 jeweils bewusst wahrheitswidrig gegenüber Leasinggesellschaften , die S. KG benötige für ihren laufenden Geschäftsbetrieb Hardund Software, die sie von der M. GmbH – einem weiteren von ihnen kontrollierten Unternehmen, das weder über Angestellte noch über eigene Geschäftsräume verfügte (UA S. 6) – beschaffen wollten. Diese Hard- und Soft- ware sollten die verschiedenen Leasinggesellschaften erwerben und anschließend an die S. KG verleasen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Behauptungen erwarben die Leasinggesellschaften die (angeblich vorhandene) Hard- und Software und zahlten den vereinbarten Kaufpreis an die M. GmbH. Tatsächlich existierte die Hard- und Software nicht; ihre Anschaffung war von den Angeklagten auch nie beabsichtigt. Der größte Teil der Kaufpreiszahlungen wurde auf Veranlassung der Angeklagten an die S. KG weitergeleitet (UA S. 25). Im Fall Nr. 3 der Urteilsgründe wurde nicht nur der Leasingvertrag , sondern auch der Kaufvertrag mit der S. KG geschlossen (UA S. 30 f.). Zur Verschleierung wurden die Zuflüsse aus den Leasinggeschäften in der Buchführung der S. KG falsch erfasst und als Umsatzerlöse gebucht (UA S. 26 f.). Alle Leasinggeschäfte dienten ausschließlich der Beschaffung von Liquidität für die S. KG und damit mittelbar auch der Finanzierung des Lebensunterhalts der Angeklagten (UA S. 24).
4
Die vereinbarten Leasingraten wurden von der S. KG bis zur Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft im März 2010 gezahlt, wobei die Zahlungen im Wesentlichen durch finanzielle Mittel ermöglicht wurden, die der S. KG aus neuen betrügerischen Leasinggeschäften bzw. aus Bankgeschäften zuflossen, bei denen wirtschaftliche Unterlagen mit falschen Zahlen vorgelegt wurden. Diese Zahlungen waren mithin nur durch den Zufluss finanzieller Mittel aus weiteren Straftaten möglich und auch notwendig, um das durch die Straftaten aufgebaute Schneeballsystem „am Laufen zu halten“ (UA S. 5, 25). Eine Einstellung der Zahlungen hätte zur Kün- digung der Leasingverträge, zur Insolvenz der S. KG und zum Wegfall der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Angeklagten geführt (UA S. 25).
5
2. Nach Auffassung des Landgerichts entstand den Leasinggesellschaften durch die Betrugstaten jeweils ein Schaden in Höhe des gesamten gezahlten Kaufpreises (UA S. 140); denn sie erhielten plangemäß in keinem Fall für den Kaufpreis eine Gegenleistung (UA S. 24 f.). Vereinbarte Gegenleistung war die Übertragung des Eigentums bzw. des Nutzungsrechts an der Hard- und Software auf die jeweilige Leasinggesellschaft (UA S. 167). Insgesamt sei den Leasinggesellschaften durch die 17 Betrugstaten ein Schaden von 3.473.925,23 Euro entstanden (UA S. 26). Die bis zur Insolvenz der S. KG gezahlten Leasingraten hat das Landgericht jeweils als Schadenswiedergutmachung gewertet (UA S. 140).
6
Als für die Entscheidung ohne Bedeutung sah es das Landgericht an, in welcher Höhe den Leasinggesellschaften auch durch die Leasingverträge mit der S. KG, welche neben den Kaufverträgen abgeschlossen worden sind, ein Schaden entstanden sei. Auch insoweit sei allerdings in Betracht gekommen , ebenfalls einen Schaden in Höhe der Kaufpreiszahlungen anzunehmen, weil der Anspruch auf Zahlung der Leasingraten von vornherein wertlos gewesen sei, da er nur durch die Begehung neuer Straftaten habe erfüllt werden können. Ohne die Begehung immer neuer Straftaten wäre die S. KG von Anfang an zahlungsunfähig gewesen (UA S. 168).

II.


7
1. Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2016 – 1 StR 435/15, NStZ 2016, 283 Rn. 20 und vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1, 9 Rn. 31; Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 StR 21/14, NStZ 2014, 640 Rn. 24; vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13, NStZ 2014, 318, 319; vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711; vom 25. Januar 2011 – 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, 113 Rn. 75 und vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 Rn. 10, jeweils mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 StR 437/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 86 Rn. 33; Beschluss vom 21. April 2016 – 1 StR 456/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 89 Rn. 15, jeweils mwN).
8
Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines Vertrages verleitet, sind bei der für die Schadensbestimmung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen (Eingehungsschaden ). Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1, 9, 10 Rn. 31 mwN). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollem wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1, 10 Rn. 31 mwN). Wenn und soweit in der wirtschaftlichen Praxis geeignete Methoden zur Bewertung von Vermögenspositionen entwickelt worden sind, müssen die Ge- richte diese auch ihrer Beurteilung zugrunde legen. Soweit Unsicherheiten verbleiben , ist unter Beachtung des Zweifelssatzes der (Mindest-)Schaden durch Schätzung zu ermitteln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 211 f. Rn. 113 mwN).
9
Spätere Entwicklungen, wie Schadensvertiefung oder Schadenswiedergutmachung , berühren den tatbestandlichen Schaden nicht. Sie haben lediglich für die Strafzumessung Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 – 1 StR 456/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 89 Rn. 15 mwN).
10
2. Ausgehend von diesen Maßstäben hält die Würdigung des Landgerichts , dass den Leasinggesellschaften durch die Vortäuschung der Existenz der Hard- und Software und die Vorspiegelung der Absicht der Angeklagten, diese Gegenstände an die Leasinggesellschaften zu veräußern, jeweils ein Vermögensschaden mindestens in Höhe des ausgezahlten Kaufpreises entstanden ist, rechtlicher Nachprüfung stand.
11
a) Dem täuschungsbedingt aufgrund der Auszahlung des jeweiligen Kaufpreises an die M. GmbH, im Fall Nr. 3 der Urteilsgründe an die S. KG, bei den Leasinggesellschaften eingetretenen Vermögensabfluss stand keine Gegenleistung gegenüber. Den Leasinggesellschaften ist daher ein entsprechender Vermögensschaden entstanden. Da die verkauften Gegenstände nicht existierten, konnten die Leasinggesellschaften an ihnen auch kein Eigentum und damit auch keine dem Vermögensabfluss gegenüberstehende Vermögensposition erwerben.
12
b) Der Umstand, dass es sich bei den vorliegenden Leasing- und Kaufgeschäften um wirtschaftlich und rechtlich aufeinander bezogene Geschäfte handelte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – VIII ZR 178/13, NJW 2014, 1519), führte hier nicht zu einem niedrigeren Vermögensschaden.
13
aa) Mit Ausnahme des Falles Nr. 3 der Urteilsgründe schlossen die Leasinggesellschaften im Rahmen eines Finanzierungsleasings die Kaufverträge nicht mit der S. KG als Leasingnehmerin, sondern mit der M. GmbH als Verkäuferin der angeblich vorhandenen Hard- und Software. Damit lag insoweit kein „Sale-and-lease-back-Geschäft“ zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer vor. Vielmehr bestand ein Dreiecksverhältnis, bei dem die jeweilige Leasinggesellschaft einen Kaufvertrag mit einem vom Leasingnehmer unterschiedlichen Verkäufer schloss, um den Leasinggegenstand zu erwerben, den sie benötigte, damit sie ihre durch den Leasingvertrag begründete Gebrauchsüberlassungspflicht erfüllen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – VIII ZR 178/13, NJW 2014, 1519).
14
Dieses leasingtypische Dreiecksverhältnis mit zwei verschiedenen Leistungsbeziehungen ist auch bei der strafrechtlichen Beurteilung zu beachten. Es ist nicht deswegen bedeutungslos, weil Finanzierungsleasingverträgen das Vollamortisationsprinzip bezüglich der erworbenen Gegenstände zugrunde liegt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 241/13, ZMR 2014, 966) und der Eigentumserwerb letztlich nur der Verschaffung eines Sicherungsmittels dient. Auch die Umstände, dass die Angeklagten bei Täuschung der Leasinggesellschaften nicht nur für die S. KG als Leasingnehmerin, sondern auch für die M. GmbH als Verkäuferin tätig wurden, dass der Abschluss von Leasingund Kaufvertrag jeweils im zeitlichen Zusammenhang erfolgte, sowie, dass die Kaufpreiszahlungen weitgehend an die S. KG weitergeleitet wurden, führen nicht dazu, dass beide mit unterschiedlichen Vertragspartnern geschlossenen Verträge für die Schadensberechnung als einheitlicher Vertrag zu behandeln wären.
15
bb) Selbst wenn man aber trotz der Unterschiede gegenüber einem „Sale -and-lease-back-Geschäft“ den Leasingvertrag mit der S. KG und den Kaufvertrag mit der M. GmbH als für die Schadensbestimmung gemäß § 263 Abs. 1 StGB maßgebliche wirtschaftliche Einheit werten und hieran anknüpfend für erforderlich halten würde, jeweils den gesamten Geschäftsabschluss in die Schadensbestimmung einzubeziehen, ergäbe sich hinsichtlich des den Leasinggesellschaften entstandenen Vermögensschadens kein anderes Ergebnis. Auch dann läge ein Schaden mindestens in Höhe der für die nicht existierende Hard- und Software ausgezahlten Kaufpreise vor.
16
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind dann, wenn der Geschädigte zum Abschluss eines Leasingvertrages verleitet wurde, bei der für die Schadensbestimmung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen (Eingehungsschaden; vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 – 1 StR 456/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 89 Rn. 15). Verlangt man in der vorliegenden Fallkonstellation für die Bestimmung des Vermögensschadens des Leasinggebers, dass neben dem Kaufvertrag auch der Leasingvertrag in die Gesamtsaldierung einbezogen wird, muss auch der Anspruch auf Zahlung der Leasingraten und dessen Wert bei der Gesamtsaldierung zum Verfügungszeitpunkt berücksichtigt und der Kaufpreiszahlung gegenübergestellt werden. Hierzu ist das Ausfallrisiko in Bezug auf die vertraglich vereinbarten Leasingraten zu den jeweiligen Zeitpunkten der Kaufpreiszahlungen zu ermitteln (vgl. BGH aaO Rn. 18).
17
(2) Dies hat das Landgericht auch erkannt. Seine Wertung, der Anspruch der Leasinggesellschaften auf Zahlung der Leasingraten sei von vornherein wertlos gewesen, weil er nur durch die Begehung neuer Straftaten habe erfüllt werden können (UA S. 167), hält rechtlicher Nachprüfung stand.
18
(a) Das Landgericht nimmt an, den Angeklagten sei die Zahlung der Leasingraten nur deshalb gelungen, weil sie immer neue Straftaten begingen, nämlich weitere betrügerische Leasinggeschäfte und die Vorlage unrichtiger wirtschaftlicher Unterlagen zur Erlangung von Bankdarlehen; ohne solche Straftaten wäre die S. KG von Anfang an zahlungsunfähig gewesen (UA S. 167 f.).
19
Diese Wertung wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen getragen. Danach war die S. KG bereits im Jahr 2004 bei eher schwacher Ertragslage hoch verschuldet (UA S. 18). Im dritten Quartal des Jahres 2005, also noch vor den verfahrensgegenständlichen Betrugstaten zum Nachteil der Leasinggesellschaften, war die wirtschaftliche Lage der S. KG „so schlecht, dass ihr Eigenkapital völlig aufgezehrt war und sie dringend frische Liquidität benötigte, um zahlungsfähig zu bleiben“ (UA S. 20). Dies war den Angeklagten bekannt, was sie in ihren Geständnissen auch einräumten (UA S. 141, 143). Sie räumten insbesondere ein, dass die S. KG nur mittels neuer betrügerischer Geschäfte zur Zahlung von Leasingraten in der Lage war und ohne diese zahlungsunfähig gewesen wäre. Die Verweigerung der Unterschrift unter neue Verträge hätte nach der Einlassung des Angeklagten H. „schlichtweg das Ende“ bedeutet (UA S. 143).
20
Der Umstand, dass bis zur Insolvenz der S. KG im März 2010 „alle vereinbarten Leasingraten“ bezahltwurden (UA S. 25), steht der Annahme eines Vermögensschadens in der Höhe der erbrachten Kaufpreiszahlungen nicht entgegen; denn hierin lagen lediglich Schadenswiedergutmachungen, die den tatbestandlichen Schaden nicht berührten. Im Rahmen der Strafzumessung wurden sie vom Landgericht rechtsfehlerfrei berücksichtigt.
21
(b) Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten H. liegt kein Fall vor, in dem die Leasingzahlungen aus dem laufenden, „legalen Geschäftsbetrieb“ der Gesellschaft geleistet werden konnten. Vielmehr konnte nach den Urteilsfeststellungen der Geschäftsbetrieb der S. KG überhaupt nur aufrechterhalten werden, weil ihm ständig neue betrügerisch erlangte Gelder zugeführt wurden. Ansonsten wäre sofort die Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Das Eigenkapital war aufgebraucht, es bestanden Verbindlichkeiten in Millionenhöhe, die Gesellschaft erwirtschaftete Verluste (UA S. 48). In einer solchen Situation stellt es für die Frage der Werthaltigkeit des Anspruchs auf Zahlung der Leasingraten keinen rechtlich bedeutsamen Unterschied dar, ob die Möglichkeit zur Zahlung der Verbindlichkeiten ausschließlich unter unmittelbarer Verwendung betrügerisch erlangter Geldbeträge besteht oder – wie hier – auch dann, wenn laufend neue Beträge in den Geschäftsbetrieb eingespeist werden, die dann wieder zur Zahlung von Leasingraten verwendet werden können. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Leasingraten auch ohne Einsatz betrügerisch erlangter Geldbeträge gezahlt werden könnten. Dies war hier nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Der Geschäftsbetrieb der S. KG konnte überhaupt nur mit betrügerisch erlangten Geldern fortgeführt werden und erwirtschaftete selbst unter Einsatz dieser Mittel keinen Gewinn, aus dem die Leasingraten hätten gezahlt werden können. Im Hinblick darauf, dass die Möglichkeit einer Besserung der wirtschaftlichen Situation der S. KG im gesamten Tatzeitraum „nicht mehr als eine vage Hoffnung“ (UA S. 141) war, führt somit auch der Umstand, dass der Geschäftsbetrieb – unter fortlaufender Zuführung betrügerisch erlangter Gelder – weitergeführt wurde, nicht dazu, dass der Anspruch der Leasinggesellschaften auf Zahlung der Leasingraten zum jeweiligen Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung als werthaltig anzusehen wäre. Ausgehend von den Urteilsfeststellungen hat das Landgericht den Anspruch auf Zahlung der Leasingraten damit rechtsfehlerfrei als wertlos eingestuft.
22
(3) Soweit sich die Angeklagten in einzelnen Fällen für die Zahlung der Leasingraten verbürgt hatten, ergibt sich aus der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten (insbesondere UA S. 9 ff., 13 ff., 62, 178 aE), dass diese Sicherheiten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 StR 437/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 86 sowie Beschlüsse vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711 und vom 13. April 2012 – 5 StR 442/11, BGHR § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76 Rn. 8, jeweils mwN) bereits im Zeitpunkt der Vornahme der Vermögensverfügungen nicht werthaltig waren, mithin bei der Gesamtsaldierung keinen Abzugsposten bildeten.
23
c) Die Bestimmung der Höhe des Vermögensschadens im Fall Nr. 3 der Urteilsgründe, in dem neben dem Leasingvertrag auch der Kaufvertrag mit der S. KG geschlossen wurde (sog. „Sale-and-lease-back-Verfahren“), hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Auch in diesem Fall hat das Landgericht den Anspruch der Leasinggesellschaft auf die Leasingzahlungen rechtsfehlerfrei als wertlos eingestuft.
Graf Jäger Bellay Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 437/15
vom
2. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:020216U1STR437.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Januar 2016, in der Sitzung am 2. Februar 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 19. Januar 2016 –, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung vom 2. Februar 2016 – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 19. Januar 2016 – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Tatkomplex III der Urteilsgründe wegen Betruges zum Nachteil der S. -B. verurteilt worden ist und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in sieben Fällen und wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt; als Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer hat es davon vier Monate für vollstreckt erklärt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts ge- stützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
a) Tatkomplex I der Urteilsgründe („ F. “)
4
Im Juni 2007 bezog der Angeklagte mit seiner Familie eine vom Zeugen L. vermietete Penthousewohnung in der H. straße in Fü. . Obwohl er bereits zuvor die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, kaufte er bei der Firma F. GmbH in He. aufgrund von vier im Juni und Juli 2007 unter Eigentumsvorbehalt geschlossenen Kaufverträgen diverse Möbelstücke für insgesamt 85.000 Euro. Gegenüber den für die F. GmbH tätigen Verkäufern trat der Angeklagte dabei aufgrund eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses zur Täuschung über seine Zahlungswilligkeit als solventer Kunde auf. Er äußerte dabei, sich die Möbel leisten zu können und hierzu auch nicht auf eine Finanzierung angewiesen zu sein.
5
Der Angeklagte hatte von Beginn an die Absicht, möglichst keine oder nur geringe Anzahlungen zu leisten und sich die bestellten Möbel liefern zu lassen , ohne diese zu bezahlen. Außer einer Anzahlung für die bestellte Küche von 10.000 Euro erbrachte er weder die vereinbarten Anzahlungen noch sonstige Zahlungen.
6
Die Mitarbeiter der F. GmbH schlossen die Kaufverträge im Vertrauen auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Angeklagten.
Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätten sie die Verträge nicht geschlossen und die Möbel nicht liefern lassen.
7
Aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen konnte die F. GmbH im Februar 2011 einen Betrag von 24.500 Euro beitreiben; die schließlich im Jahr 2014 zurückerlangten, erheblich abgenutzten Möbel waren für sie nahezu wertlos.
8
b) Tatkomplex II der Urteilsgründe („Eidesstattliche Versicherung“)
9
Am 27. November 2007 gab der Angeklagte vor einem Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts Schwabach erneut eine eidesstattliche Versicherung ab. Trotz entsprechender Hinweise in dem Formular über die für die Vermögensauskunft abzugebenden Erklärungen gab der Angeklagte der Wahrheit zuwider an, keinerlei Forderungen aus Kaufverträgen zu haben und keine auf Abzahlung gekauften und noch nicht gelieferten Gegenstände „zu besitzen“. Er wusste dabei, dass er für die von der F. GmbH unter Eigentumsvorbehalt gekauften Möbel eine Anzahlung von 10.000 Euro geleistet hatte und zudem für weitere neun Kaufverträge mit der Firma Ne. bereits 28.000 Euro angezahlt hatte.
10
c) Tatkomplex III der Urteilsgründe („H. straße / S. -B. “)
11
aa) Im Juli oder August 2008 entschlossen sich der Angeklagte und seine Mutter P. , das gesamte mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Anwesen „H. straße “ in Fü. von dem Eigentümer L. zu erwerben. In dem Haus befanden sich außer der von dem Angeklagten bewohnten Penthousewohnung noch weitere sechs Luxuswohnungen, die an andere Personen vermietet waren. Dem Angeklagten und seiner Mutter war dabei bekannt, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Situation zu einer Bezahlung oder Finanzierung des Kaufpreises nicht in der Lage waren.
12
Um den Veräußerer gleichwohl von der Zahlungsfähigkeit seiner Mutter zu überzeugen, legte ihm der Angeklagte ein „Gesamtengagement“ der R. bank Ro. eG vom 28. Dezember 2008 vor, welches ihr ein Gesamtvermögen von mehr als 2,1 Mio. Euro bescheinigte. Wie der Angeklag- te wusste, handelte es sich bei der Vermögensaufstellung um eine „Totalfälschung“. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben schloss L. mit P. am 6. Februar 2009 einen notariellen Kaufver- trag über das Anwesen „H. straße “ für einen Kaufpreis von 1,7 Mio. Euro (der später auf 1,4 Mio. Euro verringert wurde). In dem Vertrag war als Vorleistung des Veräußerers vereinbart, dass die Besitzübergabe für das gesamte Anwesen unabhängig von der Kaufpreiszahlung rückwirkend zum 1. Januar 2009 erfolgt und P. bereits zu diesem Zeitpunkt in die Mietverhältnisse für die Wohnungen des Anwesens eintritt. Ein am 22. Juli 2009 von einem Sachverständigen erstelltes Verkehrswertgutachten ermittelte für das Anwesen „H. straße “ zum 6. Februar2009 einen Verkehrswert von lediglich 772.000 Euro.
13
Nachdem es entgegen einer entsprechenden Vereinbarung mit Ausnahme einer Finanzierungssumme von 800.000 Euro aus einem nachfolgend näher dargestellten Darlehen der S. -B. zu keinen Zahlungen auf die Kaufpreisforderung kam, erklärte der Verkäufer L. am 10. August 2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte er den Kaufvertrag nicht geschlossen und den Besitz an dem Grundstück nicht übergeben.
14
Der Angeklagte stellte nach Abschluss des Kaufvertrages vom 6. Februar 2009 umgehend die Mietzahlungen für die von ihm und seiner Ehefrau angemietete Penthousewohnung ein und wohnte von März 2009 bis Juni 2013 dort mietfrei. Hierdurch ersparte er sich Mietkosten in Höhe von mindestens 112.600 Euro. Die restlichen Mietparteien leisteten ihre Mietzahlungen für die Monate März bis Dezember 2009 über insgesamt 46.000 Euro an P. . Die unentgeltliche Besitzerlangung an dem Anwesen verbunden mit der Vereinnahmung der Mieten der übrigen Mieter und der Einsparung der eigenen Miete war von vornherein Zweck des Vorgehens des Angeklagten und seiner Mutter. Nach Auffassung des Landgerichts ist dem Eigentümer L. durch das geschilderte Verhalten ein Vermögensschaden in Höhe der entgangenen Mieteinnahmen von mindestens 158.600 Euro entstanden.
15
bb) Für die Finanzierung des Objekts begab sich der Angeklagte bereits Anfang November 2008 zur S. -B. und beantragte in Vertretung seiner Mutter ein Darlehen. Zur Vortäuschung ihrer Bonität legte er ein ausgefülltes Formular der Finanzvermittlung „C. “ vor, ausweislich des- sen sie als Steuerberaterin tätig war und über erhebliche Bank- und Sparguthaben sowie Wertpapiere und Immobilienvermögen verfügte. Zur Untermauerung der darin enthaltenen unzutreffenden Angaben legte er wieder das bereits genannte „Gesamtengagement“ sowie diverse weitere Unterlagen vor, die P. beträchtliche Einkünfte und Vermögenswerte bescheinigten. Bei sämtlichen in Kopie übergebenen Unterlagen handelte es sich, wie der An- geklagte wusste, um „Totalfälschungen“. Tatsächlich war seine Mutter nicht Steuerberaterin und besaß auch kein nennenswertes Vermögen.
16
Zweck dieses Vorgehens war, die zuständigen Sachbearbeiter der S. -B. über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse und die Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit von P. zu täuschen und auf diese Weise einen Kredit zu erhalten. Sie trat nach außen als Darlehensnehmerin auf, weil der Angeklagte aufgrund der von ihm in den Jahren 2006 und 2007 abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen kein Darlehen erhalten hätte.
17
Im Vertrauen auf ihre Kreditwürdigkeit gewährte die S. -B. P. am 12. März 2009 einen Kredit über 800.000 Euro und zahlte ihr diesen Betrag durch Verrechnung mit einem Konto des L. als Anzahlung auf die erste Kaufpreisrate aus. Als Sicherheit für die S. - B. wurde für das Grundstück in der „H. straße “ eineGrundschuld in Höhe von 800.000 Euro vereinbart und im Grundbuch eingetragen. Wie der Angeklagte wusste, erfolgte die Eintragung der Grundschuld lediglich an zweiter Rangstelle, weil an erster Rangstelle bereits eine Grundschuld über 1,5 Mio. DM (ca. 767.000 Euro) eingetragen war. Zu deren zunächst beabsichtigter Löschung kam es – wie der Angeklagte billigend in Kauf nahm – in der Folge nicht, weil der Restkaufpreis von P. nie erbracht und der Kaufvertrag schließlich rückabgewickelt wurde. Auf die Darlehenssumme leisteten weder der Angeklagte noch P. Zahlungen.
18
Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätte die S. -B. das Darlehen nicht gewährt. Nach Auffassung des Landgerichts entstand ihr hierdurch ein Schaden von zumindest 795.000 Euro.
19
cc) Ab Januar 2010 gelang es dem Eigentümer L. im Wege der Zwangsvollstreckung, die Zahlung der Mieten der sechs übrigen Wohnungen des Anwesens „H. straße “ an sich zu erreichen. Demgegenüber gelang es ihm erst im Juli 2013, den Besitz über die von dem Angeklagten ohne Zahlung von Miete genutzte Penthousewohnung wieder zu erlangen. Zudem kam es zwischen L. und der S. -B. zu einer Vereinbarung, wonach dieser die erhaltenen 800.000 Euro an die S. -B. zurückzahlte, damit die zweitrangige Grundschuld gelöscht werden und aus ihr nicht mehr in das Grundstück vollstreckt werden konnte. Die Löschung erfolgte am 5. August 2011.
20
d) Tatkomplex IV der Urteilsgründe („La. “)
21
Im Juli 2011 entschloss sich der Angeklagte, das durch die Maklerfirma La. e.K. inserierte und im Eigentum des Ehepaars G. stehende Villengrundstück „Sp. straße “ in Fü. zuerwerben. Er forderte deshalb von dem Maklerbüro ein Exposé des Villengrundstücks an. In diesem war das Grundstück mit einer Größe von 2.000 qm bei einem Quadratmeterpreis von 400 Euro angegeben. Zudem enthielt das Exposé den Hinweis, dass das Objekt hierdurch als erstmals nachgewiesen gilt und bei Abschluss eines notariellen Kaufvertrags 3,57 % des Kaufpreises als Maklerprovision anfallen.
22
Obwohl der Angeklagte auch in diesem Fall nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügte, nahm er unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit die Maklerleistungen des Maklerbüros in Anspruch und schloss dann aufgrund dessen Vermittlungstätigkeit am 5. August 2011 einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück zu einem Kaufpreis von 800.000 Euro. In dem Kaufvertrag erklärten die Vertragsparteien übereinstimmend, dass der Vertrag durch die Vermittlung der Firma La. zustande gekommen und der Käufer verpflichtet sei, an den Vermittler eine Vermittlungsprovision von 3,57 % des Kaufpreises zu zahlen, welche mit Abschluss des Vertrages entstanden und acht Tage nach Vertragsschluss fällig sei. Mangels entsprechender Zahlung wurde der Vertrag später rückabgewickelt. Trotz der erbrachten Maklertätigkeiten bezahlte der Angeklagte die vereinbarte Maklergebühr in Höhe von 28.560 Euro nicht.
23
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten im Tatkomplex I der Urteilsgründe als vier tatmehrheitliche Fälle des (Eingehungs-)Betruges (§ 263 StGB) angesehen, im Tatkomplex II der Urteilsgründe als falsche Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) und in den Tatkomplexen III und IV der Urteilsgründe jeweils als Betrug (§ 263 StGB), im Tatkomplex III der Urteilsgründe in Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) mit P. begangen.

II.

24
Das Urteil hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Betruges zum Nachteil der S. -B. verurteilt worden ist; dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Im Übrigen hat die Revision des Angeklagten keinen Erfolg. Sie zeigt keinen Verfahrensfehler auf; auch hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen weitergehenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
25
1. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 257c StPO dringt nicht durch.
26
a) Die Revision beanstandet, das Landgericht habe die Verurteilung unter Verstoß gegen § 257c StPO auf ein nach einer Verständigung im Sinne dieser Vorschrift abgegebenes Geständnis des Angeklagten gestützt. Das Geständnis sei unverwertbar, weil es nach einer unvollständig protokollierten Absprache erfolgt sei. Darin sei ein im Hinblick auf eine Vorverurteilung zu gewährender Härteausgleich nicht enthalten, der im Rahmen des Verständigungsgesprächs in die Erörterungen einbezogen worden sei. Der Umstand, dass die Absprache nach einer qualifizierten Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 StPO, das Geständnis sei nicht verwertbar, „noviert“ und zutreffend pro- tokolliert worden sei, ändere daran nichts. Denn der Angeklagte habe sein Geständnis anschließend nicht wiederholt.
27
b) Die Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet, weil ein Verstoß gegen § 257c Abs. 4 oder Abs. 5 StPO nicht gegeben ist. Denn das Landgericht hat sich nicht von der Verständigung gelöst.
28
c) Die Revision hat klargestellt, dass sich die Angriffsrichtung dieser Rüge weder auf eine Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO noch auf eine fehlerhafte Protokollierung erstreckt.
29
2. Die Verurteilung des Angeklagten im Tatkomplex III der Urteilsgründe wegen Betruges zum Nachteil der S. -B. hat keinen Bestand. Zwar werden die Urteilsfeststellungen von der rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen. Die Feststellungen des Landgerichts sind jedoch lückenhaft; ihnen ist nicht zu entnehmen, ob der S. -B. ein Vermögensschaden entstanden ist und ob gegebenenfalls der Angeklagte insoweit mit Vorsatz gehandelt hat.
30
a) Allerdings tragen die Feststellungen des Landgerichts die Wertung, in der Gewährung des Darlehens liege eine täuschungsbedingte Vermögensverfügung zum Nachteil der Bank.
31
Nach diesen Feststellungen veranlasste der Angeklagte den Bankangestellten M. durch Täuschung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmerin P. unter Vorlage gefälschter Unterlagen zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung in Form einer Darlehensgewährung in Höhe von 800.000 Euro seitens der S. -B. .
32
b) Die Urteilsfeststellungen bieten jedoch keine ausreichende Grundlage für die Wertung des Landgerichts, der S. -B. sei hierdurch ein Vermögensschaden entstanden.
33
aa) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr.; siehe BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13, Rn. 31, BGHSt 60, 1 ff.; BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 StR 21/14 Rn. 24; vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13, NStZ 2014, 318, 319; vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711; vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 75, BGHSt 57, 95, 113 und vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201, jeweils mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung , also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639). Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist daher durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht daher nur, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711 mwN; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 263 StGB Rn. 235 f.; Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., Kapitel 4 Rn. 87).
34
Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach kein Schaden, wenn und soweit der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und – ohne dass der Schuldner dies vereiteln kann – mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150). Ein Minderwert des Rückzahlungsanspruchs, etwa infolge einer Täuschung über die Bonität , kann mithin durch den Wert hinreichend werthaltiger und liquider Sicherheiten kompensiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12, wistra 2013, 268 mwN).
35
bb) Nach den Urteilsfeststellungen ist es nicht ausgeschlossen, dass die für die S. -B. im Grundbuch eingetragene Grundschuld voll werthaltig war und der Bank daher kein Vermögensschaden entstanden ist.
36
Das Landgericht geht davon aus, dass der Rückzahlungsanspruch der S. -B. gegen P. mangels Zahlungsfähigkeit nicht werthaltig gewesen sei. Auch die im Kaufvertrag vereinbarte und an zwei- ter Rangstelle eingetragene Grundschuld sei nicht geeignet gewesen, „die konkrete Vermögensgefährdung auszuräumen“, da diese Absicherung keinen aus- reichenden Wert aufgewiesen und das Ausfallrisiko nicht vollständig abgedeckt habe. Die Grundschuld sei nämlich wegen vorrangig eingetragener Rechte, welche dem festgestellten Wert des Grundstücks von 772.000 Euro – unter Annahme einer vollständigen Realisierung dieses Werts im Falle der Zwangsversteigerung – bis auf 5.000 Euro entsprochen hätten, im Ergebnis wertlos (UA S. 28 f.).
37
Die Urteilsfeststellungen enthalten nur den Hinweis darauf, dass an erster Rangstelle eine Grundschuld über 1,5 Mio. DM (767.000 Euro) eingetragen war. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Grundschuld zur Absicherung welcher Forderungen (noch) valutiert war, bleibt jedoch offen. Der Senat kann anhand der Urteilsgründe nicht prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Rückzahlungsforderung der S. -B. durch die an zweiter Rangstelle zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld gesichert und damit werthaltig war. Auch der festgestellte Umstand, dass der Eigentümer L. die erhaltenen 800.000 Euro an die S. -B. zurückzahlte, damit aus der an zweiter Rangstelle eingetragenen Grundschuld nicht mehr vollstreckt werden kann (UA S. 20), schafft keine hinreichende Klarheit.
38
cc) Wegen der Lückenhaftigkeit der Feststellungen kann bereits der Schuldspruch keinen Bestand haben. Zwar übersteigt der Darlehensbetrag von 800.000 Euro den vom Landgericht – gestützt auf ein Verkehrswertgutachten – ermittelten Wert des Grundstücks von 772.000 Euro (UA S. 17, 28), so dass jedenfalls ein nicht durch die Grundschuld abgesicherter Restbetrag von 28.000 Euro verbliebe. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte hinsichtlich des Vermögensschadens aufgrund nicht ausreichender Sicherheiten überhaupt Tatvorsatz hatte (§ 16 StGB). Denn das Sachverständigengutachten zum Verkehrswert des Grundstücks wurde erst am 22. Juli 2009 erstellt. Das Landgericht verhält sich nicht dazu, ob der Angeklagte den am 6. Februar 2009 in den notariellen Kaufvertrag aufgenommenen Preis von 1,7 Mio. Euro (der am 23. Februar 2009 auf 1,4 Mio. Euro vermindert wurde) als dem Wert des Grundstücks entsprechend angesehen hat oder ob er lediglich – ohne die Absicht der Bezahlung – deshalb einen hohen Kaufpreis vorgeschlagen oder akzeptiert hat, um die von ihm angestrebte Besitzübergabe an dem Mehrfamilienhaus zu erreichen. Bei einem Verkehrswert von 1,7 Mio. Euro wäre die Darlehenssumme auch im Falle der Valutierung der an erster Rangstelle eingetragenen Grundschuld noch durch die für die S. -B. eingetragene Grundschuld abgesichert gewesen.
39
dd) Der Senat hebt die Urteilsfeststellungen zu diesem Tatvorwurf insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht neue, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
40
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen sachlichrechtlichen Mangel zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
41
a) Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen des Landgerichts, die sich auch auf das vollumfängliche Geständnis des Angeklagten stützen, tragen hinsichtlich aller weiteren dem Angeklagten zur Last liegenden Tatvorwürfe den Schuldspruch. Insbesondere hält auch die Verurteilung wegen Betruges in den verbleibenden sechs Fällen rechtlicher Nachprüfung stand.
42
aa) Die Verurteilung des Angeklagten im Tatkomplex I der Urteilsgründe wegen Betruges in vier Fällen zum Nachteil der F. GmbH wird von den Feststellungen getragen.
43
(1) Entgegen der Auffassung der Revision belegen die Feststellungen des Landgerichts bei allen Taten zum Nachteil der F. GmbH eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung der getäuschten Mitarbeiter des Möbelhauses.
44
Nach den Urteilsfeststellungen täuschte der Angeklagte bei jedem der vier Kaufverträge gegenüber den für die F. GmbH tätigen Mitarbeitern , dem Zeugen Bi. und einem für Küchenmöbel zuständigen weiteren Berater , seine Zahlungsbereitschaft vor, indem er als solventer Kunde auftrat und einen zahlungswilligen Eindruck erweckte (UA S. 10, 11). Gegenüber dem Zeugen Bi. äußerte er dabei jeweils, „sich die Möbel in finanzieller Hinsicht leisten zu können und hierzu auch nicht auf eine Finanzierung angewiesen zu sein“ (UA S. 10). Tatsächlich hatte der Angeklagte aber von Beginn an die Ab- sicht, sich die bestellten Möbel allenfalls gegen eine geringe Anzahlung liefern zu lassen, sie aber im Übrigen nicht zu bezahlen (UA S. 12). Die Mitarbeiter der F. GmbH irrten sich über die fehlende Zahlungswilligkeit des Angeklagten und schlossen die Kaufverträge mit dem Angeklagten allein im Vertrau- en darauf, „einen zahlungskräftigen und zahlungswilligen Kunden vor sich zu haben“ (UA S. 12). Der F. GmbH ist auch ein irrtumsbedingter Vermögensschaden entstanden, weil ihre über die Zahlungswilligkeit getäuschten Mitarbeiter bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Verträge nicht geschlossen und die bestellten Waren auch nicht hätten ausliefern lassen (UA S. 12).
45
Die Urteilsfeststellungen hierzu sind entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht den Namen des beim Abschluss des Kaufvertrages über die Kücheneinrichtung für die F. GmbH tätigen Mitarbeiters nicht festgestellt hat. Da der Betrugstatbestand des § 263 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, muss der Tatrichter zwar mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98, Rn. 19 mwN). Es bedarf dabei aber nicht stets der namentlichen Benennung oder gar Vernehmung der getäuschten Person. Vielmehr entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Gericht auch lediglich aus Indizien auf einen Irrtum schließen kann (BGH aaO Rn. 22 mwN). So verhält es sich auch hier. Das Landgericht durfte aus der Schilderung des Zeugen Bi. über das Auftreten des Angeklagten und die weiteren Umstände bei Vertragsschluss (UA S. 23) nicht nur auf eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung dieses Zeugen schließen, sondern auch auf eine solche des für die Küchenmöbel zuständigen Mitarbeiters, an den der Ange- klagte durch den Zeugen Bi. persönlich unter Hinweis auf zwei bereits zuvor abgeschlossene Verträge „übergeben“ wurde (UA S. 11). Verfahrensrügen im Hinblick auf das Vorstellungsbild der getäuschten Mitarbeiter der F. GmbH wurden nicht erhoben.
46
(2) Die Urteilsfeststellungen belegen insoweit jeweils auch einen kausalen Vermögensschaden bei der F. GmbH. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise führten die für diese Gesellschaft vorgenommenen Vermögensverfügungen unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens der GmbH (Prinzip der Gesamtsaldierung , s.o.). Es stand jeweils bereits bei Abschluss der Kaufverträge fest, dass der F. GmbH wegen der fehlenden Zahlungsbereitschaft des Angeklagten mit dem Anspruch auf Bezahlung kein wirtschaftlich gleichwertiges Äquivalent für die durch die Vermögensverfügungen herbeigeführte Vermögensminderung zuwächst (vgl. dazu Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 176 mwN; vgl. auch Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 263 StGB Rn. 224).
47
(3) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die vier Erwerbsgeschäfte rechtsfehlerfrei als tatmehrheitlich (§ 53 StGB) begangene Betrugstaten gemäß § 263 StGB gewertet. Denn nach den auch insoweit ohne Rechtsfehler getroffenen Urteilsfeststellungen schloss der Angeklagte alle vier Verträge aufgrund eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses (UA S. 11).
48
bb) Der Schuldspruch im Tatkomplex III der Urteilsgründe wegen Betru- ges bei Verkauf des Grundstücks „H. straße “ zum Nachteil des Veräu- ßerers L. wird ebenfalls von den Feststellungen des Landgerichts getragen.
49
Durch Vorlage gefälschter Unterlagen über die Vermögensverhältnisse seiner als Erwerberin auftretenden Mutter P. veranlasste der Angeklagte den Eigentümer L. mit Abschluss eines notariellen Kaufvertrags, der mit dem sofortigen Besitzübergang des Grundstücks verbunden war, zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung. L. ist hierdurch auch ein Vermögensschaden entstanden, weil er sofort den Besitz aufgab, im Hinblick auf die fehlende Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Angeklagten und seiner Mutter mit dem Rückzahlungsanspruch hierfür aber nur einen minderwertigen Gegenwert erlangte.
50
cc) Schließlich hält auch der Schuldspruch im Tatkomplex IV der Urteilsgründe wegen Betruges zum Nachteil der Maklerfirma La. e.K. rechtlicher Nachprüfung stand.
51
(1) Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte die Maklerfirma unter Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zu einer Vermittlungstätigkeit, die letztlich zu einem Kaufvertrag über das Villengrundstück „Sp. straße “ in Fü. führte. Hierin lag eine täuschungsbedingte Vermögensverfügung der Maklerfirma (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178). Denn der Vermittlungsauftrag erfolgte unter zumindest konkludenter Bezugnahme auf den im von dem Angeklagten bei der Maklerfirma angeforderten Exposé enthaltenen Hinweis auf die anfallende Maklerprovision in Höhe von 3,57 % des notariellen Kaufpreises.
52
(2) Der Maklerfirma ist hierdurch auch ein Vermögensschaden entstanden. Zwar fallen Anwartschaften nur dann unter den Schutz des § 263 StGB, wenn sie sich rechtlich zu einem Anwartschaftsrecht oder Rechtsanspruch verdichtet haben. Dies ist indes bei der Vermittlungstätigkeit eines Maklers der Fall, auch wenn nach § 652 BGB der Vergütungsanspruch erst mit Abschluss des Vertrages über das vermittelte Objekt entsteht (vgl. BGH aaO, BGHSt 31, 178; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1975 – IV ZR 73/74, WM 1976, 503; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 263 StGB, Rn. 361; Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2016, § 652 Rn. 54). Bereits vom Abschluss des Maklervertrages an besteht für den Makler eine rechtlich geschützte Anwartschaft auf den Vergütungsanspruch, den er sodann durch die von ihm ausgeübte Tätigkeit verdient, wenngleich er ihn erst endgültig mit dem Eintritt des Erfolges, nämlich dem Abschluss des Vertrages über das vermittelte oder nachgewiesene Objekt, erwirbt (BGH, Urteil vom 3. März 1965 – VIII ZR 266/63, NJW 1965, 964).
53
Im Hinblick auf die vom Angeklagten lediglich vorgespiegelte Zahlungswilligkeit blieb der Wert des deswegen minderwertigen Vergütungsanspruchs der Maklerfirma hinter dem Wert der Vermittlungsleistung zurück.
54
Entgegen der Auffassung der Revision lässt ein späterer Rücktritt vom Vertrag die Provisionspflicht unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – III ZR 104/08, NJW 2009, 2810, Rn. 8). Eine Ausnahme besteht lediglich für den hier nicht vorliegenden Fall eines im Hauptvertrag vereinbarten zeitlich befristeten und an keine Voraussetzungen gebundenen Rücktrittsrechts (BGH aaO NJW 2009, 2810).
55
b) Die getroffenen Feststellungen tragen in den nicht von der Aufhebung erfassten Fällen auch die jeweiligen Strafaussprüche.
56
aa) Im Tatkomplex I der Urteilsgründe hat das Landgericht die Höhe der eingetretenen Vermögensschäden anhand des jeweils vereinbarten aber durch den Angeklagten nicht erfüllten Kaufpreisanspruchs der F. GmbH bestimmt. Dieses Vorgehen zur Feststellung des Vermögensschadens ist rechtsfehlerfrei.
57
War – wie hier – die verfügende Person zunächst durch Täuschung zu dem Abschluss eines Vertrages verleitet worden und erbringt diese später die versprochene Leistung, so bemisst sich die Höhe des Vermögensschadens nach deren vollem wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13 Rn. 31 mwN, BGHSt 60, 1). Den Wert der jeweils erbrachten Leistung in Form der Überlassung des Besitzes an den bestellten Möbelstücken konnte das Landgericht rechtsfehlerfrei unter Zugrundelegung des jeweils vereinbarten Kaufpreises bestimmen. Aus der nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmenden Schadensbestimmung folgt, den Wert der erbrachten Leistung und – soweit erbracht – den der Gegenleistung nach ihrem Verkehrs- bzw. Marktwert zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, 115; BGH, Urteile vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13 Rn. 33 mwN, BGHSt 60, 1 und vom 19. November 2015 – 4 StR 115/15 Rn. 30 mwN).
58
Welche Umstände der Tatrichter der Bestimmung des Markt- bzw. Verkehrswerts zugrunde zu legen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. dazu auch BGH, Urteile vom 20. März 2013 – 5 StR 344/12, BGHSt 58, 205 und vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 359/13 Rn. 31, BGHSt 60, 1 sowie Beschlüsse vom 19. August 2015 – 1 StR 334/15 und vom 2. September 2015 – 5 StR 186/15, NStZ-RR 2015, 374 Rn. 7 mwN). Schon wegen der Vielfalt der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse lässt sich dies nicht für sämtliche denkbaren Konstellationen eines betrugsrelevanten Vermögensschadens einheitlich festlegen. Angesichts der Notwendigkeit, den objektiven Wert eines Vermögensbestandteils zu bewerten, einerseits und der Vielfalt möglicher Lebenssachverhalte andererseits hat der Senat bereits entschieden, dass in Konstellationen der Festlegung des Werts einer Leistung, bei denen lediglich ein einziger Nachfrager auf dem relevanten Markt vorhanden ist, sich dann nach dem von den Vertragsparteien vereinbarten Preis unter Berücksichtigung der für die Parteien des fraglichen Geschäfts maßgeblichen preisbildenden Faktoren bestimmt (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2010, 700). Maßgeblich ist allerdings stets, dass der Tatrichter bei den im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) berücksichtigungsfähigen und berücksichtigten Umständen der Wertbestimmung der gebotenen vorrangig wirtschaftlichen Betrachtung hinreichend Rechnung trägt. Ausgehend von diesen Maßstäben ist es jedenfalls dann, wenn vergleichbare Produkte von einer größeren Zahl von Marktteilnehmern angeboten werden, rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Tatgericht einen unter diesen Bedingungen – regelmäßig ohne Preisverhandlungen auf der Basis der Preisliste des Anbieters – zustande gekommenen Kaufpreis als dem Marktwert entsprechend ansieht.
59
So verhält es sich auch hier. Bei der F. GmbH handelt es sich um eine mit Konkurrenzunternehmen im Wettbewerb stehende Gesellschaft. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kaufpreise der vom Angeklagten dort erworbenen neuen Möbelstücke nicht unter Marktbedingungen entstanden sein könnten.
60
bb) Im Tatkomplex III der Urteilsgründe betreffend die Veräußerung des Anwesens „H. straße “ hat das Landgericht den dem Zeugen L. entstandenen Vermögensschaden ebenfalls ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten bestimmt.
61
Die Höhe des Vermögensschadens war durch Vergleich des Werts der Vermögensverfügung des Getäuschten mit dem Wert des hierfür erlangten Zahlungsanspruchs zu vergleichen (Prinzip der Gesamtsaldierung, s.o.). Täu- schungsbedingte Vermögensverfügung war hier die Übertragung des Besitzes am gesamten Anwesen bei Vertragsschluss, verbunden mit der Befugnis der Vereinnahmung anfallender Mieten. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Wert der Vermögensverfügung mindestens den dem Veräußerer aufgrund der Besitzübertragung entgangenen Mieten entsprach. Das Landgericht durfte dabei die Konditionen der Mietverträge aus den im Anwesen „H. straße “ zu diesem Zeitpunkt bestehenden Mietverhält- nissen zugrunde legen, weil die Rechte und Pflichten aus diesen Mietverhältnissen durch die Veräußerung der Mietsache nicht aufgehoben wurden (vgl. § 566 Abs. 1 BGB).
62
cc) Entgegen der Auffassung der Revision begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Tatkomplex IV der Urteilsgrün- de den Vermögensschaden der Maklerfirma „La. “ anhand der vereinbarten Höhe der Maklercourtage von 3,57 % des Kaufpreises bestimmt hat. Bei diesem Prozentsatz handelt es sich um eine marktübliche Vergütung. Der Vergütungsanspruch ist nach § 652 Abs. 1 BGB allein erfolgsbedingt. Die Maklertätigkeit wird entgolten, wenn die nachgewiesene oder vermittelte Möglichkeit eines Vertragsabschlusses tatsächlich genutzt wird; auf Art und Umfang der vom Makler hierfür entfalteten Handlungen kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178 und vom 3. März 1965 – VIII ZR 266/63, NJW 1965, 964). Sie sind daher auch nicht Maßstab für die Höhe der Vergütung. Anknüpfungspunkt sind allein die Konditionen des aufgrund der Vermittlungstätigkeit des Maklers zustande gekommenen Vertrages.
63
dd) Auch im Übrigen enthalten die Aussprüche über die Einzelstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Die Annahme gewerbsmä- ßigen Handelns im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB wird von den Feststellungen des Landgerichts getragen.
64
4. Die Aufhebung der Einsatzstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die übrigen Einzelstrafen werden hiervon ebenso wenig berührt wie der Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09; BGHSt 54, 135; BGH, Beschluss vom 24. November 2015 – 1 StR 366/15 mwN). Raum Graf Jäger Radtke Fischer

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 559/08
vom
5. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 5. März
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 18. Juli 2008 im Ausspruch über
a) die Einzelstrafe im Fall II. C. 39 der Urteilsgründe und
b) die Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 51 Fällen nach dem Urteilstenor zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in Bezug auf den Einzelstrafausspruch im Fall II. C. 39 der Urteils- gründe und den Ausspruch über die Gesamtstrafe Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen im Fall II. C. 39 der Urteilsgründe täuschten der Angeklagte und seine Ehefrau unter anderem die Verantwortlichen der I. bank S. (im Folgenden: IB) und der Gesellschaft für M. B. G. (im Folgenden: MBG) über die wirtschaftlichen Verhältnisse der von ihnen geführten G. GmbH, indem sie eine Forderung der Deutsche F. Bank gegen die G. GmbH in Höhe von etwa 1,5 Millionen € verschwiegen. Aufgrund des dadurch entstandenen Irrtums beteiligte sich die MBG in Höhe von 400.000 € an der G. GmbH; die IB bewilligte unter anderem ein Sonderdarlehen in Höhe von 500.000 €, das in Höhe von 280.000 € ausgezahlt wurde. Dieses Darlehen war in Höhe von 50% durch eine Bürgschaft des Landes S. abgesichert.
3
Das Landgericht hat einen Vermögensschaden in Höhe von insgesamt 680.000 € angenommen und mit der Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren in diesem Fall die Einsatzstrafe verhängt. Nach seinen Ausführungen setzt sich der Schaden aus der Höhe der Beteiligung der MBG und dem ausgezahlten Teil des Sonderdarlehens der IB zusammen. Die Landesbürgschaft, zu der die Urteilsgründe keine weiteren Einzelheiten enthalten, hat das Landgericht bei der Schadensberechnung nicht berücksichtigt.
4
2. Diese Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens und damit des Schuldumfangs hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
5
Der Umfang des Vermögensschadens ist durch einen umfassenden Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten vor und nach der Verfügung festzustellen (vgl. zu den Einzelheiten beim Kreditbetrug Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 212 ff.; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 162 ff.). Daher liegt im Falle eines Kreditbetruges auch dann, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch infolge der Leistungsunfähigkeit des Darlehensnehmers wertlos ist, ein Vermögensschaden nicht vor, soweit dem Kreditgeber werthaltige Sicherheiten gegeben worden sind, die sein Ausfallrisiko abdecken und die er ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne Gefährdung durch ihn, sofort nach Fälligkeit realisieren kann (vgl. BGH NStZ 1999, 353, 354; NJW 1986, 1183). Als derartige Sicherheit kommt unter anderem eine Bürgschaft in Betracht (vgl. BGH GA 1966, 51; Tiedemann aaO Rdn. 212; Cramer/Perron aaO Rdn. 162 a). Deshalb lässt sich ohne Darlegung der näheren die Landesbürgschaft betreffenden Umstände nicht beurteilen, in welchem Umfang der IB tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Von Belang ist dabei insbesondere, ob die Bürgschaft das auf der Täuschung des Angeklagten beruhende Ausfallrisiko der IB dem Grunde nach und gegebenenfalls in welcher Höhe abdeckt. So kann den Urteilsgründen etwa nicht entnommen werden, ob die Bürgschaft gegebenenfalls in Höhe von 50% der gesamten Kreditsumme - und damit in Höhe von 250.000 € - oder lediglich in Höhe von 50% des ausgezahlten Kreditbetrages - und damit in Höhe von 140.000 € - greift.
6
Die rechtsfehlerhafte Bestimmung der Schadenshöhe berührt den Schuldspruch nicht; denn auch bei voller Berücksichtigung der Landesbürgschaft verbleibt ein restlicher Schaden. Die verhängte Einzelstrafe kann jedoch nicht bestehen bleiben. Der Wegfall der Einsatzstrafe bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.
7
3. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass der tenorierte Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten auch deshalb keinen Bestand hätte haben können, weil er im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht. Dort hat das Landgericht ausgeführt, es habe eine tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten gebildet. Es ist nicht zu erkennen, worauf diese Diskrepanz beruht; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass insoweit lediglich ein scheinbarer Widerspruch vorliegt , etwa weil die vom Urteilstenor abweichende Angabe auf einem Schreibversehen beruht (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 267 Rdn. 39 a; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 20, jeweils m. w. N.).
Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 422/10
vom
14. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. September 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 26. März 2010 dahin geändert , dass der Angeklagte wegen Betruges in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt ist. Die Einzelstrafe von neun Monaten im Fall II. 4 der Urteilsgründe entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. August 2010 keinen Erfolg.

II.


3
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen die Fälle II. 3 und 4 der Urteilsgründe nicht in Realkonkurrenz.
4
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen reichte der Angeklagte am 10. Juli 2006 bei der Volks- und Raiffeisenbank unberechtigt zwei Lastschriften ein, mit denen er von einem bei der Kreissparkasse geführten Konto des Zeugen D. 25.000 Euro und weitere 56.780 Euro einzog. Vor Eingang der durch den Widerspruch des Zeugen veranlassten Rücklastschriften verfügte er in Höhe von insgesamt 51.578,53 Euro über das auf seinem Konto verbuchte Guthaben. Er hatte den Widerspruch vorausgesehen und war zum Ausgleich des verbliebenen Minussaldos nicht in der Lage.
5
b) Danach stehen die beiden am selben Tag eingereichten Lastschriften jedenfalls in natürlicher Handlungseinheit. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 1. September 1994 - 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46). Diese Voraussetzungen sind hier, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, gegeben (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 4 StR 182/10).
6
2. Auch unter Berücksichtigung von § 265 StPO kann der Senat die erforderliche Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen, da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
7
Danach entfällt die Einzelstrafe von neun Monaten im Fall II. 4 der Urteilsgründe ; die im Fall II. 3 verhängte weitere Einzelstrafe in gleicher Höhe hat der Senat aufrecht erhalten. Ausgehend von der Einsatzstrafe von drei Jahren und im Blick auf Zahl und Summe der weiteren Einzelstrafen kann sicher ausgeschlossen werden, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses niedriger ausgefallen wäre.

III.


8
Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Cierniak Franke