Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2012 - 4 StR 177/12

bei uns veröffentlicht am13.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 177/12
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 1. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das von dem Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. In der unverändert zugelassenen Anklage ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am frühen Morgen des 27. Juli 2011 den Geschädigten E. P. bei einer tätlichen Auseinandersetzung in der Wohnung der Zeugin S. absichtlich durch einen Messerstich in die Brust getötet und sich dadurch des Totschlags schuldig gemacht zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen hielten sich der Geschädigte P. , die Zeugin S. und der Angeklagte am frühen Morgen des Tattages gemein- sam in der Wohnung der Zeugin S. auf. Ab 3.30 Uhr kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten zu einem Streit, an dem sich möglicherweise auch die Zeugin S. beteiligte. Noch vor 4.40 Uhr schlug dieser Streit in eine tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und P. um. Möglicherweise mischte sich die Zeugin S. auch hier wieder in das Geschehen ein. Auf wessen Seite und wie weit ihre Beteiligung dabei ging, blieb „unklar“ (UA 7).Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurden dem Geschädigten neben einer Verletzung des Kehlkopfes und einer Schnittwunde am Kinn zwei Stiche mit einem Küchenmesser beigebracht. Ein Stich erfolgte in den Rücken und war für sich allein nicht tödlich. Der andere traf ihn von vorne ins Herz.
4
Wer welchen Stich setzte und in welcher Reihenfolge die Stiche und die übrigen Verletzungen beigebracht wurden, konnte nicht geklärt werden. Es steht jedoch fest, dass der Angeklagte einen von beiden Stichen gesetzt hat. Dabei ist das Landgericht in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen , dass es sich hierbei um den für sich allein nicht tödlichen Stich in den Rücken gehandelt hat. Dieser wurde durch den Angeklagten „wohl in liegender Position unter P. gesetzt“, nachdem er in dieser Lage das Küchenmesser erstmals zu fassen bekam (UA 8). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte in diesem Moment „begründeten Anlass für dieAnnahme hatte“, P. wolle ihn töten und sich ausweglos in die Enge gedrängt sah.
5
Nach der Rückenverletzung gelang es dem Angeklagten zumindest kurzfristig , die Oberhand zu gewinnen und P. im Flur auf dem Rücken liegend am Boden zu fixieren. Um 4.40 Uhr verließ der schwer verletzte Geschädigte die Wohnung. Nach einer Wegstrecke von ca. 70 Metern brach er zusammen und verstarb noch vor 5.00 Uhr an den Folgen des Herzstichs.
6
3. Das Landgericht hat sich aufgrund der Spurenlage und der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass dem Geschädigten beide Messerstiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden (UA 13). Seine Überzeugung, dass zumindest einer dieser Stiche von dem in der Hauptverhandlung jede Tatbeteiligung abstreitenden Angeklagten gesetzt worden ist, hat es aus einer Einlassung des Angeklagten vom 27. Juli 2011 gegenüber dem Polizeibeamten A. hergeleitet. Dort hatte der Angeklagte über eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten berichtet und angegeben, er habe in der Küche ein Messer zu fassen bekommen und damit einmal auf den Geschädigten eingestochen (UA 21). Die in diesem Zusammenhang von dem Angeklagten demonstrierte und von dem Polizeibeamten A. in der Hauptverhandlung nachgestellte Stichbewegung sei mit einem Stich in den Rücken eines direkt gegenüberstehenden Kontrahenten vereinbar (UA 22). Dass der Angeklagte ein zweites Mal zugestochen hat, vermochte das Landgericht nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, weil der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten A. nur einen Stich geschildert habe und das übrige Beweisergebnis einen zweiten Stich des Angeklagten nicht belege (UA 29). Die Zeugin S. habe keine verlässlichen Angaben zum Tatgeschehen gemacht und sei bemüht gewesen, ihr Wissen zu verbergen (UA 37). Das Spurenbild lasse keine sicheren Schlüsse zur zeitlichen Reihenfolge der Stiche und zur Körperposition der Beteiligten zu. Aus der Lage der Stichverletzungen (Brustvorderseite und Brustrückseite) sei zu schließen, dass die ursächlichen Stiche „nicht aus der zeitlich punktuell selben Kampfsituation heraus“ beigebracht wurden. Wären sie von derselben Person gesetzt worden, „hätte diese Person zwischen den Stichen wohl ihre relative Position zu seinem Gegenüber eher verändert. Gleichermaßen könnte allerdings auch ein Dritter, sei es die Zeugin S. , sei es der Angeklagte zu dem Geschehen nach dem ersten Stich durch den jeweils anderen hinzugetreten sein“ (UA 39). Ein gewis- ser Hinweis darauf, dass beide Stiche von derselben Person stammen könnten, ergebe sich allerdings daraus, dass ein aufgefundenes Küchenmesser mit Blutanhaftungen zu beiden Einstichen von der Größe her passe und ein weiteres Messer mit Blutanhaftungen nicht gefunden worden sei (UA 40).
7
Hinsichtlich des festgestellten Stichs in den Rücken hat das Landgericht eine durch einen rechtswidrigen Angriff des Geschädigten eingetretene und die Stichführung unter dem Gesichtspunkt der Notwehr „rechtfertigende Bedrängnis“ des Angeklagten nicht auszuschließen vermocht. Der Angeklagte habe ge- genüber der Polizei am Tattag in mehreren Varianten über einen Angriff des Geschädigten berichtet (UA 52 ff.). Dem wegen eines Tötungsdelikts vorbestraften P. seien derartige Angriffe nicht wesensfremd gewesen. Der Umstand , dass der Angeklagte von sich aus die Polizei verständigen wollte, spreche dafür, dass er sich im Recht fühlte (UA 55). Aus der Tatsache, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr auf eine Notwehrlage berufen habe, könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, weil es der Fall sein könne, dass er sich von einem völligen Bestreiten der Tat eine bessere Verteidigungsposition erhofft habe (UA 56). Dass der Stich in den Rücken erfolgt ist, schließe die Annahme einer Notwehrsituation nicht aus, da ein solcher Stich nicht notwendig auch „hinterrücks“ und damit ohne Androhung erfolgt sein müsse (UA 58).

II.


8
Diese Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn der Tatrichter die von ihm festgestellten Tatsachen nicht unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat oder über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggegangen ist (BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153). Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt es auch, ob überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 191/11; Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 Rn. 11; Urteil vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303). Hieran gemessen unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Zurechnung des zweiten Stichs für nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar gehalten hat, lassen besorgen, dass es bei der richterlichen Überzeugungsbildung von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Auch wurde das vorhandene Beweismaterial nicht erschöpfend gewürdigt.
11
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urteil vom 1. September 1993 – 2 StR 361/93, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22; vgl. Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243). Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind und sie deshalb nach den gesamten Umständen als möglich in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243; Beschluss vom 8. September 1989 – 2 StR 392/89, BGHR StGB § 213 Beweiswürdigung 1).
12
Vor dem Hintergrund der durch objektive Beweismittel abgesicherten Feststellung, dass dem Geschädigten beide Stiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden, dort zur Tatzeit neben dem Angeklagten und dem Geschädigten nur noch die Zeugin S. anwesend war, und angesichts der weiteren gegen den Angeklagten sprechenden Verdachtsmomente (tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten, im Ermittlungsverfahren eingeräumter Messereinsatz) konnte eine Zurechnung auch des zweiten Stichs nur noch dann zweifelhaft sein, wenn eine Stichbeibringung durch die Zeugin S. als alternativer Geschehensverlauf nach den Umständen in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Das Landgericht hat es dafür ausreichen lassen, dass die Stichverletzungen auch von zwei Tätern gesetzt worden sein können, die Zeugin S. unglaubhafte Angaben gemacht und der Angeklagte keinen eigenen zweiten Stich geschildert hat. Damit werden jedoch noch keine konkreten Umstände aufgezeigt, die für einen gegen den Geschädigten gerichteten Messerangriff der Zeugin S. sprechen könnten.
13
Hinzu kommt, dass sich das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht mit den Einlassungen des Angeklagten auseinandergesetzt hat, die dieser im Ermittlungsverfahren zur Rolle der Zeugin S. bei der Auseinandersetzung mit dem Geschädigten gemacht hat. So hat der Angeklagte noch am Tattag gegenüber dem Zeugen A. angegeben, die Zeugin habe versucht, ihn von dem Geschädigten wegzuziehen und sei deshalb von ihm geschlagen worden (UA 21). Gegenüber dem Polizeibeamten E. hat der Angeklagte ebenfalls noch am Tattag erklärt, dass die Zeugin S. gerufen habe, was sie da machen würden; sie habe an ihm gezerrt und er habe versucht, sie wegzustoßen. Dabei habe der Geschädigte weiter auf ihn eingeschlagen (UA 22). In diesem Zusammenhang berichtete der Angeklagte auch über eigene Wahrnehmungen zu der Herzstichverletzung, ohne einen Bezug zu dem Verhalten der Zeugin S. herzustellen. Stattdessen gab er auf Nachfrage an, dass es sein könne , „dass er das gewesen sei“ (UA 23). Beide Einlassungen enthalten keinen Hinweis auf einen Messerstich der Zeugin S. zum Nachteil des Geschädigten. Stattdessen legen sie nahe, dass die Zeugin lediglich schlichtend in die Auseinandersetzung eingegriffen hat. Hiermit stimmt überein, dass auch die (unbeteiligten) Zeugen Sa. und D. nur über einen lauten Streit zwischen zwei Männern berichtet haben.
14
Vor diesem Hintergrund ist zu besorgen, dass die Strafkammer verkannt hat, dass sie eine Einlassung des Angeklagten, für die es keine Anhaltspunkte gibt, nicht zu dessen Gunsten unterstellen muss, zumal der Angeklagte erst in der Hauptverhandlung von einer über Schlichtungsversuche hinausgehenden Beteiligung der Zeugin S. an dem Streit berichtet hat.
15
Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.
16
3. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass der an seinem bisherigen Verteidigungsverhalten festhaltende Angeklagte für einen oder beide Messerstiche verantwortlich ist, wird er zu beachten haben, dass dem Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen darf, dass er die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, zum Vorliegen einer Notwehrsituation vorzutragen. Sollten insoweit keine sicheren Feststellungen getroffen werden können , sind allerdings auch hier Unterstellungen zugunsten des Angeklagten nur gerechtfertigt, wenn es dafür reale Anknüpfungspunkte gibt (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Quentin Reiter

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2012 - 4 StR 177/12 zitiert 4 §§.

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Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 23. August 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren Raubes freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer hiergegen gerichteten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt:
3
Eine Tätergruppe um A. , Ak. und P. habe einen Überfall auf die Filiale der Sparkasse W. in O. geplant. Der Angeklagte habe als Fachkraft für Sicherheit bei dem Unternehmen Pr. zahlreiche Geldtransporte für die Sparkasse W. in O. vorgenommen und habe daher die örtlichen Gegebenheiten und Sicherheitslücken gut gekannt und gewusst, wann beson- ders hohe Geldbeträge an die Sparkasse geliefert wurden. Er sei über seinen Schwager T. angeheuert worden, den ausführenden Tätern Zutritt zu den Räumlichkeiten des Haupttresors im Untergeschoss der Sparkasse zu verschaffen. Am Morgen des 2. Dezember 2009 gegen 9.00 Uhr hätten der Angeklagte und sein Kollege Wi. einen Geldbetrag in Höhe von etwa 435.000 € an die Sparkasse ausgeliefert. Der Angeklagte habe entgegen der üblichen Vorgehensweise die Rolle des Beifahrers übernommen. Nach Auslieferung des Geldes habe er das Rolltor für den Geldtransporter geöffnet und dabei unauffällig eine Tür vom Tresorbereich zum Treppenhaus geöffnet, die vom Treppenhaus nur durch Eingabe einer PIN geöffnet werden konnte. Durch diese Tür hätten sich wenig später die beiden tatausführenden Mittäter Zugang zum Tresorraum verschafft. Die Mittäter hätten im Tresorraum den Kassierer überwältigt und mit Kabelbindern gefesselt und Scheingeld in Höhe von 697.000 € aus dem Tresor entwendet.
4
2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung bestritten, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Das Landgericht hat ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
5
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 5. November 2009 fassten der frühere Mitangeklagte P. und der gesondert verfolgte Ak. den Entschluss, die Sparkasse W. in O. zu überfallen. Am 2. Dezember 2009 gelang es den beiden angeworbenen unmittelbar tatausführenden Personen, deren Identität bislang nicht ermittelt werden konnte, den Kassierer im Tresorraum der Sparkasse zu über- wältigen und Geld im Wert von über 690.000 € zu erbeuten. Die Tat wurde ihnen dadurch ermöglicht, dass sie über Insiderwissen hinsichtlich der Abläufe innerhalb der Sparkasse bei Geldanlieferungen durch das Sicherheitsunter- nehmen Pr. aus verfügten. P. und Ak. hatten insbesondere davon Kenntnis erlangt, dass bei den Geldanlieferungen entgegen der geltenden Dienstanweisung sämtliche weiteren Türen auf dem Weg vom Sicherheitsbereich bis zum Tresorraum solange offen gehalten wurden, bis der Kassierer die gelieferten Geldmengen in den Tresor einsortiert hatte. Der Zugang zum Sicherheitsbereich war entweder über die Tiefgarage durch die Einfahrt für den Geldtransporter möglich oder vom Treppenhaus durch eine Tür zum Sicherheitsbereich, die vom Treppenhaus her nur mittels eines Zahlencodes , vom Sicherheitsbereich aus allerdings durch einen einfachen Drücker zu öffnen war. Welcher Zugangsweg tatsächlich genutzt worden ist, konnte das Landgericht nicht feststellen. P. fuhr die den Überfall unmittelbar ausführenden Täter von einem Parkplatz an der Autobahn A2 in G. nach O. und nach der Tat wieder zurück. Das Landgericht konnte sich keine Überzeugung davon verschaffen, dass der Angeklagte der Hinweisgeber für die Tätergruppe war.

II.


6
Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände , die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung auch dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 a.a.O.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02 aaO und vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86).
8
Dem wird die Beweiswürdigung nicht gerecht.
9
1. Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb lückenhaft, weil das Urteil keinerlei Angaben dazu enthält, worauf die Feststellungen zum Ablauf des Überfalls und zu den daran beteiligten Mittätern beruhen. Der als Zeuge gehörte Nebenkläger, der die Tat als Kassierer im Tresorraum erlebt hat, konnte ersichtlich zu den Hintermännern und zu der An- und Abreise der unmittelbar tatausführenden Mittäter keine Angaben machen. Der im Urteil als früherer Mitangeklagter bezeichnete P. hat sich, wie sich aus der Erwähnung UA S. 18 ergibt, zur Sache eingelassen; was er zu seinem eigenen Tatbeitrag, zu seinen Kenntnissen von der Tatplanung und einem etwaigen Mitwirken des Angeklagten ausgesagt hat, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Als nach den Feststellungen an der Planung und der Tatausführung beteiligter Mittäter dürfte P. gewusst haben, von wem die für die Tatausführung benötigten InsiderInformationen stammten. Seine Einlassung hätte deshalb im Urteil dargelegt werden müssen, um dem Revisionsgericht die Prüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen.
10
2. Das Landgericht beschränkt sich rechtsfehlerhaft darauf, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen. Es setzt sich hingegen nicht damit auseinander, ob die Belastungsindizien , die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung hätten begründen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 StR 15/04, wistra 2004, 432 m.w.N.). Bei der Prüfung wesentlicher einzelner Belastungsindizien legt das Landgericht zudem Annahmen als nicht ausschließbar zugrunde, für die sich in der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte ergeben haben:
11
a) Der nach Auffassung des Landgerichts naheliegend in die Tat verwickelte Hinweisgeber Z. kann danach möglicherweise nicht gewusst haben, von wem der Tipp für den Banküberfall gekommen ist, und um an das ausgelobte Geld zu kommen, den ihm bekannten und bereits verhafteten Angeklagten benannt haben. Ob gerade die Benennung eines tatbeteiligten Geldtransportfahrers Voraussetzung für die Erlangung einer Belohnung war, teilt das Urteil jedoch nicht mit; möglicherweise wäre für eine Belohnung ausreichend gewesen , Hinweise auf die unmittelbar tatausführenden Täter zu geben – Z. hatte zwei Polen namentlich benannt.
12
b) Die Zeugin We. war sich sicher, den Angeklagten im Ho- tel „Holiday Inn“ in G. gesehenzu haben, ohne einen Zusammenhang mit dem gesondert verurteilten Tatbeteiligten P. herstellen zu können, an den sie sich ebenfalls erinnerte. Nach den Feststellungen hatte P. das Hotelzimmer angemietet, was für ein Wiedererkennen durch die Zeugin spricht. Das Landgericht hält es jedoch allein deshalb für möglich, dass sich die Zeugin bei dem Wiedererkennen des Angeklagten geirrt hat, weil das Hotel ca. 5.000 Gäste im Monat hat.
13
3. Das Landgericht geht im Übrigen auch von einem unzutreffenden Ansatzpunkt aus. Es würdigt die Einlassung des Angeklagten zu den einzelnen Belastungsindizien und hält sie für nicht widerlegt. Einlassungen des Angeklagten , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind aber nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zu Grunde zu legen. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen.
14
4. Schließlich ist die Beweiswürdigung auch in einem weiteren Punkt lückenhaft. Das Landgericht sieht es als wesentliches Entlastungsindiz an, dass der Angeklagte am Tattag nicht damit rechnen konnte, als Bote eingesetzt zu werden (UA S. 11 und 13). Sie hält die Aussage des Zeugen W. für glaubhaft , dass er den Angeklagten kurz vor Fahrtantritt für diesen überraschend gefragt habe, ob er die Tätigkeit des Boten übernehmen könne. Die Plausibilität dieser Schlussfolgerung lässt sich für das Revisionsgericht jedoch nicht nachprüfen , weil die Urteilsgründe keine Angaben dazu enthalten, wie die Aufteilung der Tätigkeiten als „Bote“ und „Fahrer“ zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen üblicherweise erfolgte. Die Urteilsgründe enthalten auch keine Angaben dazu, weshalb es am Tattag zu einem Tausch der Tätigkeiten gekommen sein soll. Nähere Darlegungen wären hier erforderlich gewesen, um die vom Landgericht bejahte Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage überprüfen zu können. Denn der Zeuge W. hatte sich nach den Feststellungen zunächst auch eine falsche Aussage zum tatsächlich vorschriftswidrigen Ablauf der Ausfahrt aus dem Sicherheitsbereich zurecht gelegt.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Quentin
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 600/10
vom
18. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 29. Juli 2010, soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
B. und S. waren des mittäterschaftlichen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt. Mit Urteil vom 29. Juli 2010 hat das Landgericht den Angeklagten S. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; den Angeklagten B. hat das Landgericht freigesprochen und ihm Haftentschädigung zugesprochen. Die Revision des Angeklagten S. gegen seine Verurteilung hat der Senat mit Beschluss vom 18. November 2010 verworfen. Gegen den Freispruch des Angeklagten B. wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Formalrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

I.


2
1. Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt:
3
S. nahm aus Geldnot das Angebot an, innerhalb Deutschlands Betäubungsmittel zu transportieren. Er sollte mit 1.500 € entlohnt werden. Am 3. Dezember 2009 traf er sich deshalb am Bahnhof in M. (Niederlande) mit einem Asiaten. Dieser erklärte ihm, es gehe um den Transport von einem Kilogramm Marihuana. Dazu übergab der Asiate S. Geld zum Erwerb eines Navigationsgeräts sowie für Benzin. Außerdem erhielt er einen Zettel, auf dem zwei Orte in Deutschland vermerkt waren, nämlich der Abholpunkt in H. in Sachsen sowie das Ziel der Fahrt, Sp. .
4
S. wollte es vermeiden, in Deutschland selbst mit dem Auto zu fahren. Er fragte deshalb den Angeklagten B. , ob er bereit sei, ihn nach Deutschland zu begleiten. Gemeinsam kauften sie ein Navigationsgerät. S. gab die Abholadresse ein.
5
Gegen Mittag des 3. Dezember 2009 machten sie sich mit einem zweitürigen VW Golf auf den Weg. Der Angeklagte B. steuerte das Fahrzeug in Deutschland bis nach H. . 400 bis 500 Meter vor dem eingegebenen Ziel ließ S. den Angeklagten B. aussteigen; er solle auf seine - des S. - Rückkehr warten. S. fuhr dann alleine weiter bis zur Zieladresse, nahe einer Marihuana-Indoorfarm. Am vereinbarten Treffpunkt wurde S. von einem Asiaten erwartet, der zustieg und den Weg zu einem nahe gelegenen Parkplatz wies. Dort trafen sie auf einen BMW mit einem weiteren Asiaten. Die beiden Asiaten, vermutlich die Vietnamesen T. und P. , luden vier große dunkle Müllsäcke in den PKW des S. , drei auf den Rücksitz der Beifahrerseite, einen hinter den Beifahrersitz. In diesen Säcken befanden sich insgesamt ca. zehn Kilogramm Marihuana. S. bemerkte, dass erheblich mehr Rauschgift eingeladen worden war, als das vereinbarte eine Kilogramm. Aus Angst widersprach er jedoch nicht. Er gab den Zielort Sp. ins Navigationsgerät ein, fuhr zurück zum Angeklagten B. und nahm ihn auf. Vor Erreichen der Autobahn übernahm dieser wieder das Steuer. Auf der Bundesautobahn A9 wurden sie im Bereich Mü. kontrolliert. Das Rauschgift wurde entdeckt und sichergestellt , insgesamt 9.420,80 Gramm Marihuana mit mindestens 1.110,90 Gramm Tetrahydrocannabinol. Bei der Kontrolle erklärte der Angeklagte B. auf die Frage, ob er etwas dabei habe: „ja Hundefutter“.
6
Dem Angeklagten B. war der Zweck der Fahrt, nämlich der Transport von Betäubungsmitteln, bis zum Zugriff der Polizei unbekannt.
7
2. Die Beweiswürdigung zum Freispruch des Angeklagten B. :
8
a) Die Feststellungen der Strafkammer beruhen insbesondere auf den Angaben des Verurteilten S. . Der Angeklagte B. habe, so die Strafkammer, die Einlassung des damaligen Mitangeklagten bestätigt. „Er hat die Geschehensabläufe detailliert geschildert.“
9
b) Die Strafkammer hat sich allerdings nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte B. Kenntnis vom Transport der Betäubungsmittel hatte.
10
aa) Der Angeklagte hat bestritten, den Grund der Fahrt nach Deutschland gekannt zu haben. Er habe nur S. helfen wollen, da dieser seinen Führerschein nicht habe finden können. Über das Angebot, mit nach Deutschland zu fahren, habe er sich sehr gefreut, da er auf diese Weise wieder einmal kostenlos habe dorthin reisen und dort Auto fahren können.
11
bb) Als Umstände, die gegen eine Kenntnis des Angeklagten B. vom Zweck der Reise sprechen, hat die Strafkammer angeführt: - Seine Abwesenheit bei der Übergabe der Betäubungsmittel, - Keine Entlohnung für die Fahrt, - Keine Kommunikation über die Betäubungsmittel während der Fahrt nach deren Übernahme, - Keine Wahrnehmung des Geruchs von Marihuana im Fahrzeug, - Die Müllsäcke habe der Angeklagte B. zwar irgendwann zur Kenntnis genommen, sich darüber aber keine Gedanken gemacht.
12
cc) Der Angeklagte B. ist allerdings durch den seinerzeit Mitangeklagten S. belastet worden. Er gab an, er habe dem Angeklagten B. - vor Antritt der Fahrt - gesagt, worum es gehe, nämlich um den Transport von einem Kilogramm Marihuana.
13
Dies stehe jedoch, so die sachverständig beratene Strafkammer, der Unkenntnis des Angeklagten B. vom wahren Zweck der Fahrt nicht ent- gegen. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass er aufgrund seiner Erkrankung diese Information nicht realisiert und verarbeitet habe. Der Angeklagte leide an einer hyperkinetischen Störung im Sinne der ICD 10 F 90.0 (Aufmerksamkeitsstörung [-defizit] mit Hyperaktivitätsstörung - ADHS). Dies führe bei ihm zu Konzentrationsstörungen mit „Gedankengedränge“. Der Angeklagte verfolge dann unter Umständen 10 bis 20 Gedanken gleichzeitig. Er nehme dann ihm gegenüber geäußerte Informationen zwar akustisch wahr. Diese würden jedoch wegen vieler anderer Gedanken verdrängt. Eine Abspeicherung der Informationen sei aufgrund dieser Denkstörung ausgeschlossen mit der Folge, dass sie innerhalb kürzester Zeit wieder verloren gingen.

II.


14
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils deckt durchgreifende Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung auf.
15
1. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen , ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechen- den Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 18; vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, Rn. 18 mwN).
16
Auch darf der Tatrichter entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, nicht ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden. Dies gilt umso mehr dann, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, Rn. 6 mwN).
17
2. Die Schilderung des Angeklagten B. über seine Motivation, S. auf der Fahrt nach Deutschland zu begleiten, nämlich nur touristisches Interesse und Freude am Autofahren, erscheint angesichts der näheren Umstände des „Ausflugs“ nicht nahe liegend. Dies kann für sich betrachtet den Bestand des Urteils allerdings noch nicht gefährden. Die Beweiswürdigung weist jedoch darüber hinaus Lücken auf und sie ist widersprüchlich.
18
a) Nach den Feststellungen der Strafkammer forderte S. den Angeklagten B. zur Mitfahrt auf, da er - S. - habe vermeiden wollen, in Deutschland Auto zu fahren, nach der Einlassung des Angeklagten B. , da S. seinen Führerschein nicht ge- funden habe. Tatsächlich setzte sich S. jedoch im Bereich von H. selbst ans Steuer. Mit diesem Widerspruch hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht damit, wie B. auf diesen Fahrerwechsel reagierte.
19
b) Bei diesem Fahrerwechsel ließ sich der Angeklagte B. abends im Dezember in einem ihm unbekannten Ort an einem Parkplatz absetzen , um auf die Rückkehr von S. zu warten. Ob und gegebenenfalls wie dieses Ansinnen dem Angeklagten erläutert wurde, bleibt unerwähnt. Damit hätte sich die Strafkammer aber auseinandersetzen müssen. Denn nahm der Angeklagte B. dies kommentarlos hin, könnte es nahe liegen, dass er von vorneherein darin eingeweiht und es ihm bewusst war, was während der Wartezeit geschehen sollte.
20
c) Das Landgericht hat einerseits festgestellt, das ADHS-bedingte „Gedankengedränge“ habe dazu führen können, dass der Angeklagte die entscheidende Mitteilung, wonach die Fahrt dem Transport von Betäubungsmitteln dienen sollte, nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat. Andererseits habe er jedoch die Geschehensabläufe - im Übrigen - glaubhaft detailliert geschildert. Dies ist widersprüchlich. Jedenfalls hätte es näherer Erörterung bedurft, auch mit dem Sachverständigen, weshalb die Konzentrationsschwäche des Angeklagten zwar die Information über den Zweck der Fahrt habe in Vergessenheit geraten lassen können, die Zuverlässigkeit der Erinnerung an Details der Reise der Strafkammer aber gleichwohl nicht fraglich erschienen ist.
21
d) Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer sollen die durch das ADHS-Syndrom verursachten Konzentrationsstörungen bei der gleichzeitigen Verarbeitung mehrerer Informationen zu Verdrängungen und Erinnerungsverlust führen. Da dies nicht substantiiert tatsachenfundiert belegt ist, bleibt auch unerörtert, inwieweit bei der Informationsverarbeitung dem Gewicht einer Mitteilung Bedeutung zukommt. Die Aufforderung, sich an einer Drogenkurierfahrt als Fahrer zu beteiligen, ist brisant. Eine Person, die mit dem Drogenmilieu bislang nichts zu tun hatte - davon ist beim Angeklagten B. nach den Urteilsgründen auszugehen -, muss dies geradezu „elektrisieren“. Es wäre einleuchtend, wenn dann alle anderen Gedanken in den Hintergrund träten. Dass aber die Euphorie des Angeklagten über die Gelegenheit eines kurzen, weitgehend nächtlichen Ausflugs nach Deutschland sowie die Erwartung des Autofahrens dort das „Gedankengedränge“ so sehr beherrschen und verstärken konnten, dass deshalb die Aufforderung zur Beihilfe zu einer Betäubungsmittelstraftat - die eigentlich dominante Information - vom Angeklagten zwar akustisch wahrgenommen, aber nicht ins Bewusstsein aufgenommen wurde, hätte näherer Erörterung bedurft.
22
e) Die Strafkammer folgt den Angaben des Angeklagten B. , wonach er die auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs befindlichen Säcke während der Fahrt zwar irgendwann bemerkt habe, er jedoch nicht mit Sicherheit sagen könne, ob sich die Säcke bereits bei der Abfahrt in Holland im Fahrzeug befunden hätten. Er habe sich über die Säcke keine Gedanken gemacht, da bei S. auf der Rückbank des Fahrzeugs öfters Säcke und Beutel gelegen hätten. Der damalige Mitangeklagte S. habe dazu angegeben, so die Strafkammer, er habe zu jener Zeit mit seinem gesamten Hab und Gut in seinem Fahrzeug gelebt. Die Behauptung des Angeklagten B. , er habe die in H. eingeladenen vier Müllsäcke nicht bemerkt, als er wieder abgeholt wurde, klingt wenig plausibel. Die Strafkammer hätte diese Einlassung daher nicht ohne weiteres hinnehmen und so ungeprüft ihren Feststellungen zugrunde legen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, Rn. 6). Die Strafkammer hätte sich - nach entsprechenden Feststellungen - mit dem tatsächlichen Beladungszustand des Fahrzeugs auf der Rückbank am Tattag auseinandersetzen müssen, wie auch mit der Größe der gefüllten Säcke und deren Positionierung in Beziehung zum Sichtfeld des Fahrers bei einem Blick nach hinten, sei es mittels des Innenrückspiegels oder durch Drehen des Kopfes. Oder das Landgericht hätte darlegen müssen, weshalb es Feststellungen hierzu nicht mehr hat treffen können.
23
3. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Vermeidung der aufgezeigten Rechtsfehler zu teilweise anderen oder zusätzlichen Feststellungen gekommen wäre und dann in der gebotenen Gesamtbetrachtung die Einlassung des Angeklagten über seine Unkenntnis des Zwecks der Fahrt nach Deutschland anders bewertet, in der Folge dann auch anders entschieden und den Angeklagten B. einer Betäubungsmittelstraftat für schuldig befunden hätte.

III.


24
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Sander

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 585/01
vom
11. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kuckein,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanoviæ,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
die Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf, ihren schlafenden Ehemann B. P. heimtückisch getötet zu haben, freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen diesen Freispruch. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den - insoweit rechtsfehlerfrei - getroffenen Feststellungen tötete die Angeklagte in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.30 Uhr des folgenden Morgens im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung ihren Ehemann durch zwei Schüsse aus einer Kleinkaliberpistole. Jeder der beiden Schüsse, die das Opfer linksseitig vorne in den Oberkörper und in die rechte Hinterkopfseite getroffen hatten, war für sich genommen tödlich. Die Waffe hatte sich die Angeklagte tags zuvor für einige Tage in einem Schützenverein ausgeliehen. Zwei zugehörige Patronen hatte sie dort heimlich an sich genommen. Die Leiche,
sowie die mit Blut verschmierte Bettwäsche und eine Reisetasche verbrannte und vergrub die Angeklagte zwei Tage später in einem Waldstück.
2. Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, daß die Angeklagte , die bestreitet, ihren Ehemann getötet zu haben, in Notwehr gehandelt hat. Es hat sie deshalb aus Rechtsgründen freigesprochen.
Die Strafkammer geht davon aus, B. P. , der seit Jahren immer wieder aus nichtigen Anlässen gegen die Angeklagte gewalttätig geworden sei, habe diese auch in der Tatnacht angegriffen, um sie zu schlagen. Der Angeklagten sei es gelungen, die Tatwaffe, die sie in der Wohnung versteckt gehalten habe, zu ergreifen. Sie habe ihrem Ehemann zunächst damit gedroht. Als dieser sich ihr trotzdem bedrohlich genähert und versucht habe, ihr die Waffe wegzunehmen und sie zu "verprügeln", habe sie aus "Angst und Erregung" zweimal kurz hintereinander geschossen. Der erste Schuß habe das Opfer vorne in den Oberkörper getroffen. Als B. P. , "sich nach links unten drehend" (UA 10), auf sie gestürzt sei und versucht habe, sie an den Beinen oder am Rumpf zu packen, habe sie den zweiten Schuß abgegeben, der das Opfer in den Hinterkopf getroffen habe.
3. Die Erwägungen, auf die die Strafkammer das nicht ausschließbare Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr stützt, halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar darf der Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen, daß sie die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, ohne sich in Widerspruch zu ihrer Einlassung zu setzen, entlastende Umstände zum Vorliegen einer
Notwehrsituation vorzutragen. In einem solchen Fall ist von der für sie günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGH StV 1990, 9). Dabei sind jedoch nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte , zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten der Angeklagten (vgl. BGH aaO; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18, 22). Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, daû die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist (BGHR StPO § 261 Vermutung 11).
Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das angefochtene Urteil nicht.
Einziger Anhaltspunkt dafür, daû die Angeklagte in Notwehr gehandelt haben könnte, ist der Umstand, daûB. P. seine Ehefrau nicht nur seit Jahren betrog, sondern häufig auch schlug. Die Annahme, daû ein solcher körperlicher Übergriff durch B. P. auch in der Tatnacht stattgefunden und die Angeklagte zur Notwehr berechtigt hat, stützt die Strafkammer auf zwei Umstände, denen sie "erhebliches Gewicht" beimiût (UA 34): Gegen eine Tatplanung und für eine Notwehrsituation spreche zum einen der Zeitpunkt der Tatausführung. Wegen eines auf den Folgetag der Tat kurzfristig angekündigten Besuchs eines Verwandten ihres Ehemannes habe die Angeklagte mit einer alsbaldigen Nachfrage nach dessen Verbleib rechnen müssen. Wäre die Tat geplant gewesen, hätte es nahegelegen, diese zu verschieben, was möglich gewesen wäre, da die Angeklagte sich die Waffe erneut hätte verschaffen
können. Zum anderen spreche gegen eine geplante Tötung, daû die Angeklagte das Fahrzeug, mit welchem sie die Leiche abtransportiert habe, nicht bereits vor der Tat, sondern erst danach ausgeliehen habe.
Weder der Frage des Tatzeitpunkts, noch dem Umstand, daû die Angeklagte erst nach der Tat das Fahrzeug zum Abtransport der Leiche organisierte , kann jedoch der von der Strafkammer zugrundegelegte Beweiswert zugemessen werden.
aa) Das Landgericht legt nicht dar, weshalb es sich für die Angeklagte für den Fall einer Tatplanung ihres Ehemannes aufgedrängt haben könnte, sich schon im Rahmen der Tatvorbereitung um ein Fahrzeug für den Abtransport der Leiche zu bemühen. Vielmehr spricht die Feststellung, daû sich der Getötete häufig, auch über Nacht, auûer Haus aufhielt, ohne die Angeklagte hierüber zuvor zu informieren (UA 7) - dies war auch in der ersten Nacht nach Beschaffung der Tatwaffe der Fall (UA 8) - dafür, daû die Angeklagte selbst bei Planung der Tat wegen des für sie nicht vorhersehbaren Tatzeitpunkts jedenfalls keine bis ins einzelne gehende Vorkehrungen für die Spurenbeseitigung treffen konnte. Mit diesem Umstand setzt sich die Strafkammer nicht auseinander.
bb) Mit ihrer Annahme, der Zeitpunkt der Ausführung der Tat spreche wegen des erhöhten Entdeckungsrisikos gegen eine geplante Tat, trägt die Strafkammer den übrigen Urteilsfeststellungen nicht hinreichend Rechnung. Danach gelang es der Angeklagten nämlich am Morgen nach der Tötung ihres Ehemannes, ihrem Schwager, ohne bei diesem Miûtrauen zu erwecken, eine plausible Erklärung für die Abwesenheit ihres Ehemannes zu geben (UA 10).
Auch der Tatzeitpunkt ist deshalb kein geeignetes Argument, eine Notwehrlage "naheliegender erscheinen" zu lassen als eine auf einem spontanen Entschluû der Angeklagten beruhende, nicht gerechtfertigte Tötung ihres Ehemannes.

b) Dagegen hat das Landgericht eine Vielzahl von Umständen festgestellt , die dafür sprechen, daû die Angeklagte nicht gehandelt hat, um einen gegenwärtigen Angriff von sich abzuwenden, sondern um sich ihres Ehemannes , dessen Demütigungen und Gewalttätigkeiten sie nicht länger hinnehmen wollte, auf Dauer zu entledigen.
aa) Soweit das Landgericht jedes dieser Indizien einzeln in seiner Beweisbedeutung untersucht hat und dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, daû auch eine die Angeklagte nicht belastende Deutung möglich erscheint, läût diese Vorgehensweise besorgen, daû die Strafkammer den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und sich so den Blick dafür verstellt hat, daû mehrdeutige Indizien mit der ihnen zukommenden Ungewiûheit in die erforderliche Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24). So gelangt das sachverständig beratene Landgericht beispielsweise in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, die Reihenfolge der Schuûabgabe könne nicht mehr festgestellt werden (UA 28). Es durfte dieses "non liquet" jedoch nicht, wie geschehen , zum Anlaû nehmen, auûerhalb der gebotenen Gesamtabwägung zu Gunsten der Angeklagten davon auszugehen, daû das Tatopfer zuerst in die linke vordere Oberkörperhälfte getroffen wurde und der Schuû in den Hinterkopf erst erfolgte, als B. P. in Richtung der Angeklagten stürzte, sie zu packen versuchte und sich dabei nach links unten drehte. Es läût sich nicht ausschlieûen , daû die isolierte Bewertung dieser und weiterer Indiztatsachen sich im
Rahmen der Gesamtabwägung rechtsfehlerhaft zum Vorteil der Angeklagten ausgewirkt hat.
bb) Hinzu kommt, daû die Strafkammer einem vom Zeugen R. geschilderten Gespräch mit der Angeklagten (UA 31 f.) in rechtlich zu beanstandender Weise keine entscheidende Aussagekraft zugebilligt hat. Diese Schluûfolgerung beruht auf einer unzureichenden Beweiswürdigung. Der Zeuge hat angegeben, mit der Angeklagten ca. zwei bis drei Monate vor der Tat ein Gespräch über "genau die Art der Tötung und Leichenbeseitigung" geführt zu haben, wie sie beim Tatopfer "später angewandt" worden sei. Die Strafkammer hat zwar nicht ausgeschlossen, daû es ein Gespräch dieses Inhalts gab, hat aber nicht festzustellen vermocht, daû die Angeklagte dieses Gespräch mit dem ihr "in keiner Weise nahestehenden" Mitschüler suchte, um sich bei diesem gezielt nach Möglichkeiten, einen Menschen zu töten und die Spuren einer solchen Tat zu beseitigen, zu erkundigen. Das Landgericht ist deshalb der Auffassung, daû dieses Gespräch mit einer Tatplanung ebenso vereinbar sei, wie mit der Möglichkeit, daû sich die Angeklagte erst nach der gerechtfertigten Tötung ihres Ehemannes dieses Gesprächs erinnerte und ihre Erkenntnisse daraus für die Beseitigung der Leiche nutzte. Hiermit nicht in Einklang zu bringen ist die Aussage des Zeugen bei der Polizei, er sei von der Angeklagten angesprochen worden. Die Strafkammer berücksichtigt bei ihrer Würdigung auch nicht, daû das Gespräch mit dem Zeugen R. nicht nur die Spurenbeseitigung, sondern auch die "Art der Tötung" eines Menschen betraf. Ihre Schluûfolgerung, die Angeklagte habe ihre Erkenntnisse aus dem Gespräch nur für die Beseitigung der Leiche genutzt, schöpft den Beweiswert der Zeugenaussage daher nicht vollständig aus. Um die dem Gespräch beigemessene Bedeutung nachvollziehen zu können, hätte es deshalb der näheren
Darlegung der Aussage des Zeugen zum Zustandekommen, Verlauf und Inhalt seiner Unterhaltung mit der Angeklagten bedurft.
cc) Daû keiner der Wohnungsnachbarn die beiden Schüsse akustisch wahrgenommen hat, bewertet die Strafkammer ebenfalls als "mehrdeutiges" Indiz (UA 27). Die fehlende Wahrnehmung der Schüsse läût sich nach Auffassung des Landgerichts sowohl auf eine mögliche Geräuschabdeckung bei Abgabe der Schüsse unter Zuhilfenahme des später von der Angeklagten verbrannten Kopfkissens als auch auf den alltäglich herrschenden Lärm in der Hochhaussiedlung, in der sich die eheliche Wohnung der Angeklagten befand, zurückführen. Auch hier weist die Beweiswürdigung Lücken auf. Die Strafkammer setzt sich - trotz erfolgter Tatrekonstruktion - weder mit der Tatsache auseinander , daû in den späten Abend- bzw. Nachtstunden auch in einem Hochhaus die Intensität von Alltagsgeräuschen nachläût, noch damit, daû die Schüsse nach den getroffenen Feststellungen nicht unmittelbar nacheinander abgegeben wurden, sondern ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen den Schüssen liegen muûte, was bei fehlender Schalldämpfung zusätzlich zu einer besseren Wahrnehmbarkeit führen konnte.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
4. Mit der Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die Haftentschädigung im angefochtenen Urteil gegenstandslos.
Tepperwien Kuckein Athing
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanoviæ ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tepperwien Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 585/01
vom
11. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kuckein,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanoviæ,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
die Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf, ihren schlafenden Ehemann B. P. heimtückisch getötet zu haben, freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen diesen Freispruch. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den - insoweit rechtsfehlerfrei - getroffenen Feststellungen tötete die Angeklagte in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.30 Uhr des folgenden Morgens im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung ihren Ehemann durch zwei Schüsse aus einer Kleinkaliberpistole. Jeder der beiden Schüsse, die das Opfer linksseitig vorne in den Oberkörper und in die rechte Hinterkopfseite getroffen hatten, war für sich genommen tödlich. Die Waffe hatte sich die Angeklagte tags zuvor für einige Tage in einem Schützenverein ausgeliehen. Zwei zugehörige Patronen hatte sie dort heimlich an sich genommen. Die Leiche,
sowie die mit Blut verschmierte Bettwäsche und eine Reisetasche verbrannte und vergrub die Angeklagte zwei Tage später in einem Waldstück.
2. Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, daß die Angeklagte , die bestreitet, ihren Ehemann getötet zu haben, in Notwehr gehandelt hat. Es hat sie deshalb aus Rechtsgründen freigesprochen.
Die Strafkammer geht davon aus, B. P. , der seit Jahren immer wieder aus nichtigen Anlässen gegen die Angeklagte gewalttätig geworden sei, habe diese auch in der Tatnacht angegriffen, um sie zu schlagen. Der Angeklagten sei es gelungen, die Tatwaffe, die sie in der Wohnung versteckt gehalten habe, zu ergreifen. Sie habe ihrem Ehemann zunächst damit gedroht. Als dieser sich ihr trotzdem bedrohlich genähert und versucht habe, ihr die Waffe wegzunehmen und sie zu "verprügeln", habe sie aus "Angst und Erregung" zweimal kurz hintereinander geschossen. Der erste Schuß habe das Opfer vorne in den Oberkörper getroffen. Als B. P. , "sich nach links unten drehend" (UA 10), auf sie gestürzt sei und versucht habe, sie an den Beinen oder am Rumpf zu packen, habe sie den zweiten Schuß abgegeben, der das Opfer in den Hinterkopf getroffen habe.
3. Die Erwägungen, auf die die Strafkammer das nicht ausschließbare Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr stützt, halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar darf der Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen, daß sie die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, ohne sich in Widerspruch zu ihrer Einlassung zu setzen, entlastende Umstände zum Vorliegen einer
Notwehrsituation vorzutragen. In einem solchen Fall ist von der für sie günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGH StV 1990, 9). Dabei sind jedoch nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte , zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten der Angeklagten (vgl. BGH aaO; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18, 22). Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, daû die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist (BGHR StPO § 261 Vermutung 11).
Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das angefochtene Urteil nicht.
Einziger Anhaltspunkt dafür, daû die Angeklagte in Notwehr gehandelt haben könnte, ist der Umstand, daûB. P. seine Ehefrau nicht nur seit Jahren betrog, sondern häufig auch schlug. Die Annahme, daû ein solcher körperlicher Übergriff durch B. P. auch in der Tatnacht stattgefunden und die Angeklagte zur Notwehr berechtigt hat, stützt die Strafkammer auf zwei Umstände, denen sie "erhebliches Gewicht" beimiût (UA 34): Gegen eine Tatplanung und für eine Notwehrsituation spreche zum einen der Zeitpunkt der Tatausführung. Wegen eines auf den Folgetag der Tat kurzfristig angekündigten Besuchs eines Verwandten ihres Ehemannes habe die Angeklagte mit einer alsbaldigen Nachfrage nach dessen Verbleib rechnen müssen. Wäre die Tat geplant gewesen, hätte es nahegelegen, diese zu verschieben, was möglich gewesen wäre, da die Angeklagte sich die Waffe erneut hätte verschaffen
können. Zum anderen spreche gegen eine geplante Tötung, daû die Angeklagte das Fahrzeug, mit welchem sie die Leiche abtransportiert habe, nicht bereits vor der Tat, sondern erst danach ausgeliehen habe.
Weder der Frage des Tatzeitpunkts, noch dem Umstand, daû die Angeklagte erst nach der Tat das Fahrzeug zum Abtransport der Leiche organisierte , kann jedoch der von der Strafkammer zugrundegelegte Beweiswert zugemessen werden.
aa) Das Landgericht legt nicht dar, weshalb es sich für die Angeklagte für den Fall einer Tatplanung ihres Ehemannes aufgedrängt haben könnte, sich schon im Rahmen der Tatvorbereitung um ein Fahrzeug für den Abtransport der Leiche zu bemühen. Vielmehr spricht die Feststellung, daû sich der Getötete häufig, auch über Nacht, auûer Haus aufhielt, ohne die Angeklagte hierüber zuvor zu informieren (UA 7) - dies war auch in der ersten Nacht nach Beschaffung der Tatwaffe der Fall (UA 8) - dafür, daû die Angeklagte selbst bei Planung der Tat wegen des für sie nicht vorhersehbaren Tatzeitpunkts jedenfalls keine bis ins einzelne gehende Vorkehrungen für die Spurenbeseitigung treffen konnte. Mit diesem Umstand setzt sich die Strafkammer nicht auseinander.
bb) Mit ihrer Annahme, der Zeitpunkt der Ausführung der Tat spreche wegen des erhöhten Entdeckungsrisikos gegen eine geplante Tat, trägt die Strafkammer den übrigen Urteilsfeststellungen nicht hinreichend Rechnung. Danach gelang es der Angeklagten nämlich am Morgen nach der Tötung ihres Ehemannes, ihrem Schwager, ohne bei diesem Miûtrauen zu erwecken, eine plausible Erklärung für die Abwesenheit ihres Ehemannes zu geben (UA 10).
Auch der Tatzeitpunkt ist deshalb kein geeignetes Argument, eine Notwehrlage "naheliegender erscheinen" zu lassen als eine auf einem spontanen Entschluû der Angeklagten beruhende, nicht gerechtfertigte Tötung ihres Ehemannes.

b) Dagegen hat das Landgericht eine Vielzahl von Umständen festgestellt , die dafür sprechen, daû die Angeklagte nicht gehandelt hat, um einen gegenwärtigen Angriff von sich abzuwenden, sondern um sich ihres Ehemannes , dessen Demütigungen und Gewalttätigkeiten sie nicht länger hinnehmen wollte, auf Dauer zu entledigen.
aa) Soweit das Landgericht jedes dieser Indizien einzeln in seiner Beweisbedeutung untersucht hat und dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, daû auch eine die Angeklagte nicht belastende Deutung möglich erscheint, läût diese Vorgehensweise besorgen, daû die Strafkammer den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und sich so den Blick dafür verstellt hat, daû mehrdeutige Indizien mit der ihnen zukommenden Ungewiûheit in die erforderliche Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24). So gelangt das sachverständig beratene Landgericht beispielsweise in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, die Reihenfolge der Schuûabgabe könne nicht mehr festgestellt werden (UA 28). Es durfte dieses "non liquet" jedoch nicht, wie geschehen , zum Anlaû nehmen, auûerhalb der gebotenen Gesamtabwägung zu Gunsten der Angeklagten davon auszugehen, daû das Tatopfer zuerst in die linke vordere Oberkörperhälfte getroffen wurde und der Schuû in den Hinterkopf erst erfolgte, als B. P. in Richtung der Angeklagten stürzte, sie zu packen versuchte und sich dabei nach links unten drehte. Es läût sich nicht ausschlieûen , daû die isolierte Bewertung dieser und weiterer Indiztatsachen sich im
Rahmen der Gesamtabwägung rechtsfehlerhaft zum Vorteil der Angeklagten ausgewirkt hat.
bb) Hinzu kommt, daû die Strafkammer einem vom Zeugen R. geschilderten Gespräch mit der Angeklagten (UA 31 f.) in rechtlich zu beanstandender Weise keine entscheidende Aussagekraft zugebilligt hat. Diese Schluûfolgerung beruht auf einer unzureichenden Beweiswürdigung. Der Zeuge hat angegeben, mit der Angeklagten ca. zwei bis drei Monate vor der Tat ein Gespräch über "genau die Art der Tötung und Leichenbeseitigung" geführt zu haben, wie sie beim Tatopfer "später angewandt" worden sei. Die Strafkammer hat zwar nicht ausgeschlossen, daû es ein Gespräch dieses Inhalts gab, hat aber nicht festzustellen vermocht, daû die Angeklagte dieses Gespräch mit dem ihr "in keiner Weise nahestehenden" Mitschüler suchte, um sich bei diesem gezielt nach Möglichkeiten, einen Menschen zu töten und die Spuren einer solchen Tat zu beseitigen, zu erkundigen. Das Landgericht ist deshalb der Auffassung, daû dieses Gespräch mit einer Tatplanung ebenso vereinbar sei, wie mit der Möglichkeit, daû sich die Angeklagte erst nach der gerechtfertigten Tötung ihres Ehemannes dieses Gesprächs erinnerte und ihre Erkenntnisse daraus für die Beseitigung der Leiche nutzte. Hiermit nicht in Einklang zu bringen ist die Aussage des Zeugen bei der Polizei, er sei von der Angeklagten angesprochen worden. Die Strafkammer berücksichtigt bei ihrer Würdigung auch nicht, daû das Gespräch mit dem Zeugen R. nicht nur die Spurenbeseitigung, sondern auch die "Art der Tötung" eines Menschen betraf. Ihre Schluûfolgerung, die Angeklagte habe ihre Erkenntnisse aus dem Gespräch nur für die Beseitigung der Leiche genutzt, schöpft den Beweiswert der Zeugenaussage daher nicht vollständig aus. Um die dem Gespräch beigemessene Bedeutung nachvollziehen zu können, hätte es deshalb der näheren
Darlegung der Aussage des Zeugen zum Zustandekommen, Verlauf und Inhalt seiner Unterhaltung mit der Angeklagten bedurft.
cc) Daû keiner der Wohnungsnachbarn die beiden Schüsse akustisch wahrgenommen hat, bewertet die Strafkammer ebenfalls als "mehrdeutiges" Indiz (UA 27). Die fehlende Wahrnehmung der Schüsse läût sich nach Auffassung des Landgerichts sowohl auf eine mögliche Geräuschabdeckung bei Abgabe der Schüsse unter Zuhilfenahme des später von der Angeklagten verbrannten Kopfkissens als auch auf den alltäglich herrschenden Lärm in der Hochhaussiedlung, in der sich die eheliche Wohnung der Angeklagten befand, zurückführen. Auch hier weist die Beweiswürdigung Lücken auf. Die Strafkammer setzt sich - trotz erfolgter Tatrekonstruktion - weder mit der Tatsache auseinander , daû in den späten Abend- bzw. Nachtstunden auch in einem Hochhaus die Intensität von Alltagsgeräuschen nachläût, noch damit, daû die Schüsse nach den getroffenen Feststellungen nicht unmittelbar nacheinander abgegeben wurden, sondern ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen den Schüssen liegen muûte, was bei fehlender Schalldämpfung zusätzlich zu einer besseren Wahrnehmbarkeit führen konnte.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
4. Mit der Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die Haftentschädigung im angefochtenen Urteil gegenstandslos.
Tepperwien Kuckein Athing
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanoviæ ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tepperwien Sost-Scheible

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 585/01
vom
11. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kuckein,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanoviæ,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
die Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf, ihren schlafenden Ehemann B. P. heimtückisch getötet zu haben, freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen diesen Freispruch. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den - insoweit rechtsfehlerfrei - getroffenen Feststellungen tötete die Angeklagte in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.30 Uhr des folgenden Morgens im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung ihren Ehemann durch zwei Schüsse aus einer Kleinkaliberpistole. Jeder der beiden Schüsse, die das Opfer linksseitig vorne in den Oberkörper und in die rechte Hinterkopfseite getroffen hatten, war für sich genommen tödlich. Die Waffe hatte sich die Angeklagte tags zuvor für einige Tage in einem Schützenverein ausgeliehen. Zwei zugehörige Patronen hatte sie dort heimlich an sich genommen. Die Leiche,
sowie die mit Blut verschmierte Bettwäsche und eine Reisetasche verbrannte und vergrub die Angeklagte zwei Tage später in einem Waldstück.
2. Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, daß die Angeklagte , die bestreitet, ihren Ehemann getötet zu haben, in Notwehr gehandelt hat. Es hat sie deshalb aus Rechtsgründen freigesprochen.
Die Strafkammer geht davon aus, B. P. , der seit Jahren immer wieder aus nichtigen Anlässen gegen die Angeklagte gewalttätig geworden sei, habe diese auch in der Tatnacht angegriffen, um sie zu schlagen. Der Angeklagten sei es gelungen, die Tatwaffe, die sie in der Wohnung versteckt gehalten habe, zu ergreifen. Sie habe ihrem Ehemann zunächst damit gedroht. Als dieser sich ihr trotzdem bedrohlich genähert und versucht habe, ihr die Waffe wegzunehmen und sie zu "verprügeln", habe sie aus "Angst und Erregung" zweimal kurz hintereinander geschossen. Der erste Schuß habe das Opfer vorne in den Oberkörper getroffen. Als B. P. , "sich nach links unten drehend" (UA 10), auf sie gestürzt sei und versucht habe, sie an den Beinen oder am Rumpf zu packen, habe sie den zweiten Schuß abgegeben, der das Opfer in den Hinterkopf getroffen habe.
3. Die Erwägungen, auf die die Strafkammer das nicht ausschließbare Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr stützt, halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar darf der Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen, daß sie die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, ohne sich in Widerspruch zu ihrer Einlassung zu setzen, entlastende Umstände zum Vorliegen einer
Notwehrsituation vorzutragen. In einem solchen Fall ist von der für sie günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGH StV 1990, 9). Dabei sind jedoch nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte , zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten der Angeklagten (vgl. BGH aaO; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18, 22). Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, daû die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist (BGHR StPO § 261 Vermutung 11).
Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das angefochtene Urteil nicht.
Einziger Anhaltspunkt dafür, daû die Angeklagte in Notwehr gehandelt haben könnte, ist der Umstand, daûB. P. seine Ehefrau nicht nur seit Jahren betrog, sondern häufig auch schlug. Die Annahme, daû ein solcher körperlicher Übergriff durch B. P. auch in der Tatnacht stattgefunden und die Angeklagte zur Notwehr berechtigt hat, stützt die Strafkammer auf zwei Umstände, denen sie "erhebliches Gewicht" beimiût (UA 34): Gegen eine Tatplanung und für eine Notwehrsituation spreche zum einen der Zeitpunkt der Tatausführung. Wegen eines auf den Folgetag der Tat kurzfristig angekündigten Besuchs eines Verwandten ihres Ehemannes habe die Angeklagte mit einer alsbaldigen Nachfrage nach dessen Verbleib rechnen müssen. Wäre die Tat geplant gewesen, hätte es nahegelegen, diese zu verschieben, was möglich gewesen wäre, da die Angeklagte sich die Waffe erneut hätte verschaffen
können. Zum anderen spreche gegen eine geplante Tötung, daû die Angeklagte das Fahrzeug, mit welchem sie die Leiche abtransportiert habe, nicht bereits vor der Tat, sondern erst danach ausgeliehen habe.
Weder der Frage des Tatzeitpunkts, noch dem Umstand, daû die Angeklagte erst nach der Tat das Fahrzeug zum Abtransport der Leiche organisierte , kann jedoch der von der Strafkammer zugrundegelegte Beweiswert zugemessen werden.
aa) Das Landgericht legt nicht dar, weshalb es sich für die Angeklagte für den Fall einer Tatplanung ihres Ehemannes aufgedrängt haben könnte, sich schon im Rahmen der Tatvorbereitung um ein Fahrzeug für den Abtransport der Leiche zu bemühen. Vielmehr spricht die Feststellung, daû sich der Getötete häufig, auch über Nacht, auûer Haus aufhielt, ohne die Angeklagte hierüber zuvor zu informieren (UA 7) - dies war auch in der ersten Nacht nach Beschaffung der Tatwaffe der Fall (UA 8) - dafür, daû die Angeklagte selbst bei Planung der Tat wegen des für sie nicht vorhersehbaren Tatzeitpunkts jedenfalls keine bis ins einzelne gehende Vorkehrungen für die Spurenbeseitigung treffen konnte. Mit diesem Umstand setzt sich die Strafkammer nicht auseinander.
bb) Mit ihrer Annahme, der Zeitpunkt der Ausführung der Tat spreche wegen des erhöhten Entdeckungsrisikos gegen eine geplante Tat, trägt die Strafkammer den übrigen Urteilsfeststellungen nicht hinreichend Rechnung. Danach gelang es der Angeklagten nämlich am Morgen nach der Tötung ihres Ehemannes, ihrem Schwager, ohne bei diesem Miûtrauen zu erwecken, eine plausible Erklärung für die Abwesenheit ihres Ehemannes zu geben (UA 10).
Auch der Tatzeitpunkt ist deshalb kein geeignetes Argument, eine Notwehrlage "naheliegender erscheinen" zu lassen als eine auf einem spontanen Entschluû der Angeklagten beruhende, nicht gerechtfertigte Tötung ihres Ehemannes.

b) Dagegen hat das Landgericht eine Vielzahl von Umständen festgestellt , die dafür sprechen, daû die Angeklagte nicht gehandelt hat, um einen gegenwärtigen Angriff von sich abzuwenden, sondern um sich ihres Ehemannes , dessen Demütigungen und Gewalttätigkeiten sie nicht länger hinnehmen wollte, auf Dauer zu entledigen.
aa) Soweit das Landgericht jedes dieser Indizien einzeln in seiner Beweisbedeutung untersucht hat und dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, daû auch eine die Angeklagte nicht belastende Deutung möglich erscheint, läût diese Vorgehensweise besorgen, daû die Strafkammer den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und sich so den Blick dafür verstellt hat, daû mehrdeutige Indizien mit der ihnen zukommenden Ungewiûheit in die erforderliche Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24). So gelangt das sachverständig beratene Landgericht beispielsweise in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, die Reihenfolge der Schuûabgabe könne nicht mehr festgestellt werden (UA 28). Es durfte dieses "non liquet" jedoch nicht, wie geschehen , zum Anlaû nehmen, auûerhalb der gebotenen Gesamtabwägung zu Gunsten der Angeklagten davon auszugehen, daû das Tatopfer zuerst in die linke vordere Oberkörperhälfte getroffen wurde und der Schuû in den Hinterkopf erst erfolgte, als B. P. in Richtung der Angeklagten stürzte, sie zu packen versuchte und sich dabei nach links unten drehte. Es läût sich nicht ausschlieûen , daû die isolierte Bewertung dieser und weiterer Indiztatsachen sich im
Rahmen der Gesamtabwägung rechtsfehlerhaft zum Vorteil der Angeklagten ausgewirkt hat.
bb) Hinzu kommt, daû die Strafkammer einem vom Zeugen R. geschilderten Gespräch mit der Angeklagten (UA 31 f.) in rechtlich zu beanstandender Weise keine entscheidende Aussagekraft zugebilligt hat. Diese Schluûfolgerung beruht auf einer unzureichenden Beweiswürdigung. Der Zeuge hat angegeben, mit der Angeklagten ca. zwei bis drei Monate vor der Tat ein Gespräch über "genau die Art der Tötung und Leichenbeseitigung" geführt zu haben, wie sie beim Tatopfer "später angewandt" worden sei. Die Strafkammer hat zwar nicht ausgeschlossen, daû es ein Gespräch dieses Inhalts gab, hat aber nicht festzustellen vermocht, daû die Angeklagte dieses Gespräch mit dem ihr "in keiner Weise nahestehenden" Mitschüler suchte, um sich bei diesem gezielt nach Möglichkeiten, einen Menschen zu töten und die Spuren einer solchen Tat zu beseitigen, zu erkundigen. Das Landgericht ist deshalb der Auffassung, daû dieses Gespräch mit einer Tatplanung ebenso vereinbar sei, wie mit der Möglichkeit, daû sich die Angeklagte erst nach der gerechtfertigten Tötung ihres Ehemannes dieses Gesprächs erinnerte und ihre Erkenntnisse daraus für die Beseitigung der Leiche nutzte. Hiermit nicht in Einklang zu bringen ist die Aussage des Zeugen bei der Polizei, er sei von der Angeklagten angesprochen worden. Die Strafkammer berücksichtigt bei ihrer Würdigung auch nicht, daû das Gespräch mit dem Zeugen R. nicht nur die Spurenbeseitigung, sondern auch die "Art der Tötung" eines Menschen betraf. Ihre Schluûfolgerung, die Angeklagte habe ihre Erkenntnisse aus dem Gespräch nur für die Beseitigung der Leiche genutzt, schöpft den Beweiswert der Zeugenaussage daher nicht vollständig aus. Um die dem Gespräch beigemessene Bedeutung nachvollziehen zu können, hätte es deshalb der näheren
Darlegung der Aussage des Zeugen zum Zustandekommen, Verlauf und Inhalt seiner Unterhaltung mit der Angeklagten bedurft.
cc) Daû keiner der Wohnungsnachbarn die beiden Schüsse akustisch wahrgenommen hat, bewertet die Strafkammer ebenfalls als "mehrdeutiges" Indiz (UA 27). Die fehlende Wahrnehmung der Schüsse läût sich nach Auffassung des Landgerichts sowohl auf eine mögliche Geräuschabdeckung bei Abgabe der Schüsse unter Zuhilfenahme des später von der Angeklagten verbrannten Kopfkissens als auch auf den alltäglich herrschenden Lärm in der Hochhaussiedlung, in der sich die eheliche Wohnung der Angeklagten befand, zurückführen. Auch hier weist die Beweiswürdigung Lücken auf. Die Strafkammer setzt sich - trotz erfolgter Tatrekonstruktion - weder mit der Tatsache auseinander , daû in den späten Abend- bzw. Nachtstunden auch in einem Hochhaus die Intensität von Alltagsgeräuschen nachläût, noch damit, daû die Schüsse nach den getroffenen Feststellungen nicht unmittelbar nacheinander abgegeben wurden, sondern ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen den Schüssen liegen muûte, was bei fehlender Schalldämpfung zusätzlich zu einer besseren Wahrnehmbarkeit führen konnte.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
4. Mit der Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die Haftentschädigung im angefochtenen Urteil gegenstandslos.
Tepperwien Kuckein Athing
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanoviæ ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tepperwien Sost-Scheible