Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2014 - 4 StR 445/13

bei uns veröffentlicht am13.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 445/13
vom
13. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 27. Juni 2013 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem anderen rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung von zwei Jahren festgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte eine Verletzung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO und macht mit der Sachrüge Rechtsfehler im Rahmen der Beweiswürdigung geltend. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, hat das Landgericht im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 24. November 2010 um 14:25 Uhr durchfuhr der Angeklagte mit seinem Pkw Marke Ford Mondeo die Straße in B. , um dort den Nebenkläger abzupassen und durch seine drei unbekannt gebliebenen Mitfahrer zusammenschlagen zu lassen. Als ihm der Nebenkläger auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig mit seinem Fahrrad entgegenkam, lenkte der Angeklagte seinen Pkw absichtlich auf den Gehweg und fuhr direkt auf ihn zu. Dabei war ihm bewusst, dass er den Nebenkläger konkret gefährdete. Mögliche Verletzungen , die durch ein Stürzen oder Anfahren des Nebenklägers entstehen konnten, nahm er billigend in Kauf. Tatsächlich touchierte der vordere Bereich seines Pkw das Vorderrad des Fahrrades des Nebenklägers, der neben einem geparkten Pkw der Marke Alfa Romeo zu Fall kam. Danach setzte der Angeklagte sein Fahrzeug ein kurzes Stück zurück. Der Nebenkläger, der den Angeklagten sofort erkannt hatte, rappelte sich auf und wollte mit seinem Fahrrad weiterfahren. In diesem Moment sprangen die drei Mitfahrer des Angeklagten – wievon vorneherein abgesprochen – aus dem Wagen. Einer von ihnen traktierte den Nebenkläger von hinten mit einem Baseballschläger oder einem ähnlichen Gegenstand. Anschließend traten und schlugen die drei Männer dem gemeinsamen Tatplan entsprechend auf den zu Boden gegangenen Nebenkläger ein, der sich erfolglos zu schützen versuchte. Schließlich zogen sie den Nebenkläger hoch, warfen ihn auf die Motorhaube des Alfa Romeo und schlugen weiter auf ihn ein. Dabei trafen mindestens zwei Schläge den linken Kotflügel des Fahrzeugs und verursachten tiefe Beulen. Als ein Nachbar, der auf das Geschehen aufmerksam geworden war, laut schrie, zogen sich die drei Männer in den in der Nähe haltenden Pkw des Angeklagten zurück, der nicht selbst ausgestiegen war. Sodann flohen alle vier gemeinsam vom Tatort.
4
Der Nebenkläger erlitt drei Kopfplatzwunden, eine Gesichtsprellung, eine Schürfwunde am linken Schienbein und eine Prellung am Übergang von Brust- und Lendenwirbel. Eine Kopfverletzung musste mit mehreren Stichen genäht werden. Das Vorderrad seines Fahrrades war eingeklemmt und ließ sich nicht mehr drehen. An dem geparkten Pkw Alfa Romeo entstand ein Schaden in Höhe von 2.500 Euro.
5
Das Landgericht hat das Anfahren des Nebenklägers als gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet und den Qualifikationstatbestand des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB für erfüllt angesehen. Hinsichtlich der in der Misshandlung des Nebenklägers liegenden gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) ist es von einem mittäterschaftlichen Handeln des Angeklagten und seiner drei Mitfahrer ausgegangen.

II.


6
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
7
1. Die Rüge, das Landgericht habe bei der auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützten Zurückweisung eines Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugin B. gegen Verfahrensrecht verstoßen, ist jedenfalls unbegründet.
8
a) Nach dem Revisionsvorbringen stellte der Verteidiger des Angeklagten am 14. Verhandlungstag den Antrag, die in C. /Tschechien zu ladende Zeugin B. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass sich der Angeklagte am 24. November 2010 um 14.30 Uhr in C. befunden habe. Die Zeugin werde bestätigen, dass sich der Angeklagte am angegebenen Tag, also auch zum Tatzeitpunkt, bei ihr aufgehalten habe. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Landgericht die beantragte Beweiserhebung gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ab und führte zur Begründung aus, dass es aufgrund des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt sei, dass der Angeklagte am Tattag in B. vor Ort und an dem Geschehen beteiligt war. Im Anschluss daran stellte das Landgericht das bisherige Beweisergebnis dar und führte abschließend aus, dass nach einer Gesamtwürdigung dieser Beweismittel keine Veranlassung bestehe, die erst jetzt benannte Auslandszeugin zu laden und zu hören, da ihre Vernehmung keinen Einfluss auf die Überzeugungsbildung haben könne.
9
b) Diese Verfahrensweise hält rechtlicher Überprüfung stand.
10
aa) Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein auf die Vernehmung eines Auslandszeugen gerichteter Beweisantrag abgelehnt werden, wenn die Beweiserhebung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist (§ 244 Abs. 2 StPO). Dabei ist das Gericht von dem Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnissezu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags, als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht zu beanstanden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 401/10, NStZ-RR 2011, 116, 117; Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, NStZ 2007, 349, 350; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; weitere Nachweise bei Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 356). In dem hierfür erforderlichen Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) müssen die maßgeblichen Erwägungen so umfassend dargelegt werden, dass es dem Antragsteller möglich wird, seine Verteidigung auf die neue Verfahrenslage einzustellen und das Revisionsgericht überprüfen kann, ob die Antragsablehnung auf einer rational nachvollziehbaren, die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles erkennbar berücksichtigenden Argumentation beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2010 – 1 StR 644/09, wistra 2010, 410, 411; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 63; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 359).
11
bb) Diesen Anforderungen wird der angegriffene Ablehnungsbeschluss gerecht.
12
(1) Ob das Gebot des § 244 Abs. 2 StPO, die Beweisaufnahme zur Erforschung der Wahrheit auf alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, es gebietet, dem Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen nachzukommen, kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles beurteilt werden. Allgemein gilt lediglich der Grundsatz, dass bei einem durch die bisherige Beweisaufnahme gesicherten Beweisergebnis auf breiter Beweisgrundlage eher von der Vernehmung des Auslandszeugen abgesehen werden kann. Dagegen wird die Vernehmung des Auslandszeugen umso eher notwendig sein, je ungesicherter das bisherige Beweisergebnis erscheint, je größer die Unwägbarkeiten sind und je mehr Zweifel hinsichtlich des Werts der bisher erhobenen Beweise überwunden werden müssen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Auslandszeuge Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, NStZ 2007, 349, 351; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 357 mwN).
13
(2) Daran gemessen hat das Landgericht hier die Grenzen zulässiger antizipatorischer Beurteilung nicht überschritten.
14
Das Landgericht, das ersichtlich davon ausgegangen ist, dass die Zeugin B. die in ihr Wissen gestellte Beweisbehauptung bestätigen werde, hat in den Beschlussgründen die von ihm bisher erhobenen Beweise im Einzelnen dargestellt, deren Aussagekraft ausführlich erörtert und auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung verdeutlicht, warum seine Überzeugung von der Anwesenheit des Angeklagten am Tatort soweit gesichert ist, dass sie durch eine gegenteilige – auf einen Alibibeweis abzielende – Zeugenaussage nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden kann. Dabei hat es nicht nur auf die Aussage des Nebenklägers abgestellt, sondern weitere Indizien von Gewicht (aufgezeichnetes Gespräch des Angeklagten mit dem Zeugen S. , spontane Angaben des Nebenklägers gegenüber der Polizei am Tatort, Verwendung des Pkw des Angeklagten zur Tatbegehung) herangezogen. Die dazu angestellten Erwägungen sind tragfähig und nachvollziehbar. Zwingend brauchen sie nicht zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NStZ 2005, 701 Rn. 12).
15
Eine besondere Beweissituation, der durch die Anlegung eines strengeren Maßstabes an die Ablehnung des Beweisantrages Rechnung zu tragen gewesen wäre, lag nicht vor. Der den Angeklagten durch seine Angaben belastende Nebenkläger stand in der Hauptverhandlung für eine konfrontative Befragung (Art. 6 Abs. 3d MRK) zur Verfügung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 401/13, NStZ 2014, 51). Weder die verfahrensgegen- ständliche Tat noch die Beweisführung weisen einen die Verteidigung erschwerenden besonderen Auslandsbezug auf (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11 Rn. 37). Schließlich ist auch nicht von einer typischen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation auszugehen, bei der ein seine Schuld im Kern bestreitender Angeklagter allein durch die Aussage eines einzelnen Zeugen belastet wird und objektive Beweisumstände fehlen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. April 2003 – 3 StR 181/02, NStZ 2003, 498, 499; Beschluss vom 18. Juni 1997 – 2 StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 14; Beschluss vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1).
16
(3) Soweit das Landgericht in seinem Ablehnungsbeschluss berücksichtigt hat, dass der Beweisantrag zu einem späten Zeitpunkt („erst jetzt benannte Auslandszeugin“) gestellt worden ist, macht dies seine Entscheidung nicht rechtsfehlerhaft. Zwar hatte sich der Angeklagte – wie sich aus den auf die Sachrüge hin zu beachtenden Urteilsgründen ergibt – bis zur Antragstellung noch nicht zum Tatvorwurf geäußert, sodass aus dem Umstand, dass die dem Beweisbegehren zugrunde liegende Alibibehauptung nicht früher aufgestellt worden ist, keine Schlüsse zu seinem Nachteil gezogen werden durften (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 – 3 StR 80/09, NStZ 2009, 705; Beschluss vom 23. Oktober 2001 – 1 StR 415/01, NStZ 2002, 161, 162; Urteil vom 25. April 1989 – 1 StR 97/89, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 10; KK-StPO/Krehl, 7. Aufl., § 244 Rn. 213; Rose, NStZ 2012, 18, 24), doch vermag der Senat auszuschließen, dass es sich bei dieser Erwägung um einen die Ablehnungsentscheidung tragenden Gedanken handelt.
17
(4) Da das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass eine Einvernahme der Zeugin für die Sachaufklärung nicht notwendig ist, war es – ent- gegen der Auffassung des Revisionsführers – nicht gehalten, eine Ladung der Zeugin zu versuchen oder Vernehmungsalternativen zu prüfen. Denn mit der Ablehnung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO entfällt die Pflicht, sich um den Zeugen weiter zu bemühen. Der Tatrichter hat auch nicht mehr zu prüfen, ob eine Vernehmung im Wege der Rechtshilfe möglich ist. Es entfällt auch die Entscheidung , ob im Rahmen des erweiterten Erreichbarkeitsbegriffs (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 259 mwN) eine Vernehmung in der Hauptverhandlung durch eine Vernehmung im Ausland im Wege der Videokonferenz nach § 247a StPO ersetzt werden kann (BGH, Beschluss vom 5. September 2000 – 1 StR 325/00, BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 9; Beschluss vom 21. August 2007 – 3 StR 238/07, NStZ 2009, 168, 169).
18
2. Soweit sich der Beschwerdeführer mit der ausgeführten Sachrüge gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet, vermag er keine Rechtsfehler aufzuzeigen.
19
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 33/12, Rn. 10, wistra 2013, 195, 196; Beschluss vom 23. August 2012 – 4 StR 305/12, NStZ-RR 2012, 383, 384; Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN).
20
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nichtzu beanstanden.
21
aa) Die Wertung, es spreche gegen eine Falschbelastungsabsicht auf Seiten des Nebenklägers, dass er dem Angeklagten keine eigene Beteiligung an den eigentlichen Verletzungshandlungen zugeschrieben habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht gesichertem Erfahrungswissen, dass der Verzicht auf eine naheliegende Mehrbelastung ein Hinweis auf die Erlebnisbasis der Aussage sein kann (vgl. Jansen, Zeuge und Aussagepsychologie , 2012, Rn. 725 mwN).
22
bb) Der von der Revision behauptete Zirkelschluss bei der Bewertung der Angaben des Nebenklägers zu dem von den Tätern benutzten Pkw liegt nicht vor. Das Landgericht hat der zutreffenden Beschreibung des Pkw des Angeklagten durch den Nebenkläger unmittelbar nach dem Vorfall eine besondere Bedeutung beigemessen, weil es sich dabei um eine „spontane Erstbekundung“ gehandelt habe und nicht zu erwarten sei, dass ein soeben überfallener und noch unter dem Eindruck der Ereignisse stehender Zeuge die Geistesgegenwart besitze, diese Gelegenheit dazu auszunutzen, einen langjährigen Widersacher seines Sohnes mit stimmigen Angaben zu Unrecht zu belasten. Das Landgericht hat damit nicht aus der Aussage selbst auf ihre Glaubhaftigkeit geschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2004 – 2 StR 441/04, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 32; Urteil vom 9. März 1993 – 1 StR 870/92 [insoweit in BGHSt 39, 159 nicht abgedruckt]), sondern die besonderen äußeren Umstände bei der Entstehung der Erstaussage als Anzeichen für deren Erlebnisbezug gewertet.
23
cc) Soweit die Revision die Erörterung von Widersprüchen vermisst, die sich aus den Angaben des Nebenklägers zur Fahrtrichtung in früheren Vernehmungen ergeben sollen und dazu auch auf eine Karte Bezug nimmt, ist ihr Vorbringen urteilsfremd und deshalb im Rahmen der Prüfung auf eine Sachrüge hin unbeachtlich. Im Übrigen erschöpfen sich die Einwände der Revision in dem unzulässigen Versuch, die Wertungen des Landgerichts durch eigene zu ersetzen.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 401/10
vom
21. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 22. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen drang der Angeklagte in die Wohnung der als Prostituierte tätigen F. ein und erzwang durch Drohungen und Ausnutzen ihrer "schutz- und ausweglosen Lage" zweimal den vaginalen Geschlechtsverkehr. Dabei verwendete er jeweils ein Kondom. Er hat eingeräumt, mit der Geschädigten den Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben, sich jedoch dahin eingelassen, sie sei hiermit einverstanden gewesen. Er habe jeweils im voraus 80 € für Oral- und Vaginalverkehr gezahlt. Das Landgericht hat diese Einlassung als in sich unstimmig gewertet und aufgrund der Aussagen mehre- rer Zeugen als widerlegt angesehen; die Geschädigte selbst hat es in der Hauptverhandlung nicht vernommen.
3
2. Vor diesem Hintergrund beanstandet die Revision mit Recht, dass das Landgericht einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat.
4
a) Die Verteidigung hatte die Vernehmung der in Litauen befindlichen Geschädigten zum Beweis dafür beantragt, dass der Angeklagte ihr jeweils vor Durchführung des Geschlechtsverkehrs einen Geldbetrag in Höhe von 80 € übergeben habe. Diesen Antrag hat die Strafkammer gestützt auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt, "da aufgrund der bisherigen eindeutigen Beweisaufnahme eine Vernehmung der in Litauen aufhältigen Zeugin F. nicht zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist."
5
b) Diese Begründung trägt die Zurückweisung nicht.
6
aa) Der Antrag erfüllt die inhaltlichen Voraussetzungen eines Beweisantrags. Mit Blick auf die von der Revision vorgetragenen Umstände des vorliegenden Falles - etwa die in den Akten befindliche Kopie des litauischen Personalausweises der Geschädigten - ist die Angabe des Namens der Zeugin mit dem Zusatz "wohnhaft Litauen in der Gemeinde Jonava" als ausreichend bestimmte Bezeichnung des Beweismittels anzusehen.
7
bb) Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach pflichtgemäßer Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich somit nach der Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse mit rechtsfehlerfreier Begründung zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestätigen können oder dass ein Einfluss der Aussage auf seine - des Tatrichters - Überzeugungsbildung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 3 StR 374/06, BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13; Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2323 mwN).
8
cc) Die auf eine derartige antizipierende Würdigung gestützte Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen bedarf eines Gerichtsbeschlusses (§ 244 Abs. 6 StPO), der zu begründen ist. Diese Begründung hat die Funktion, den Antragsteller davon zu unterrichten, wie das Gericht den Antrag bewertet, damit er in der Lage ist, sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage einzustellen, die durch die Ablehnung entstanden ist. Zugleich soll durch die Gründe des Ablehnungsbeschlusses dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Entscheidung ermöglicht werden. Hieraus folgt, dass das Tatgericht in seinem Beschluss die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in ihrem wesentlichen Kern nachvollziehbar darlegen muss (BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 63; Beschluss vom 19. Januar 2010 - 3 StR 451/09, StraFo 2010, 155).
9
Diesen Anforderungen wird der genannte Beschluss nicht gerecht. Er enthält ausschließlich einen pauschalen Hinweis auf die "bisherige eindeutige Beweisaufnahme" und damit noch nicht einmal im Ansatz eine antizipierende Würdigung des zu erwartenden Beweisergebnisses vor dem Hintergrund der bis dahin erhobenen Beweise. Damit ließ er zum einen den Antragsteller über die Einschätzung der Beweislage durch die Strafkammer und die insoweit bestehende Verfahrenssituation im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen und ohne Rechtsfehler von einer Vernehmung der Geschädigten in der Hauptverhandlung abgesehen hat. Auf diese Rechtsprüfung ist der Senat beschränkt; er kann insbesondere die notwendige vorweggenommene Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht durch eine eigene Bewertung ersetzen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2323).
10
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer abweichenden Beweiswürdigung gelangt wäre, wenn es die benannte Zeugin vernommen und diese die Beweisbehauptungen bestätigt hätte.
11
4. Mit Blick auf die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
12
Die vom Landgericht in beiden Fällen ohne nähere Ausführungen angenommene Tatvariante des Ausnutzens einer Lage, in der das Opfer einer Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB), erfasst diejenigen Fälle, in denen zwar weder Gewalt ausgeübt noch mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und ihm Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Erforderlich ist dabei stets, dass sich das Opfer aus Angst vor körperlicher Beeinträchtigung, also vor Körperverletzungs- oder gar Tötungshandlungen, nicht gegen den Täter zur Wehr setzt; es genügt nicht, dass es dies aus Furcht vor der Zufügung anderer Übel unterlässt (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 3 StR 494/08, NStZ 2009, 443; Beschluss vom 7. Juli 2009 - 3 StR 223/09, NStZ 2010, 149 jeweils mwN).
13
Da der Angeklagte nach den Feststellungen in dem aufgehobenen Urteil die Geschädigte im ersten Fall auf das Bett drückte und im zweiten Fall zum Bett zerrte, könnte gegebenenfalls eine nähere Betrachtung dahin veranlasst sein, ob der Angeklagte die Geschädigte unter Einsatz von Gewalt nötigte (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 644/09
vom
29. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2010 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 18. August 2009 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 und der Abgabe inhaltlich unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis März 2008 verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe, die für die Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 verhängt wurde;
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1
Der Angeklagte wurde wie folgt verurteilt:
2
1. Steuerhinterziehung in fünf Fällen.
3
Diese - ohne klar auf die einzelne Tat bezogene weitere Untergliederung insgesamt in Abschnitt B II der Urteilsgründe geschilderten - Taten hängen nach den Feststellungen der Strafkammer mit dem vom Angeklagten als Gewerbe betriebenen Verkauf von Multimedia- und Internetdienstleistungen zusammen. Er setzte in großem Stil über die Plattform ebay Speichermedien ab, die er von der Großhandelsfirma M. GmbH erworben hatte. Im Anschluss an die Auktionen kam er seinen umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nach. Verurteilt wurde er, weil er in den Jahren 2006 und 2007 keine Umsatzsteuerjahreserklärung und für die Monate Januar bis März 2008 jeweils falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Die hierfür verhängten Strafen betrugen acht Monate (für 2006), ein Jahr und vier Monate (für 2007) und jeweils sechs Monate (für Januar bis März 2008).
4
2. Computerbetrug in 20 Fällen und versuchter Computerbetrug in 15 Fällen.
5
Insoweit hatte der Angeklagte im Zusammenhang mit der nicht ordnungsgemäßen Verwendung von „Labels“ in großem Umfang mit der wahrheitswidrigen Behauptung, von ihm aufgegebene Einschreibesendungen seien nicht zugestellt worden, von der Post Schadensersatzzahlungen erhalten oder zu erhalten versucht. Für diese Taten verhängte die Strafkammer vier Strafen von je einem Jahr und vier Monaten, 20 Strafen von je einem Jahr und zwei Monaten und elf Strafen von je einem Jahr.
6
Aus den genannten Einzelstrafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gebildet. Außerdem wurden näher bezeichnete Gegenstände (Computer und Zubehör) als Tatmittel des Computerbetruges eingezogen.

II.

7
Die Revision des Angeklagten ist auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützt. Eine der Verfahrensrügen führt zur Aufhebung der Schuldsprüche wegen der unterbliebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 und der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen in den ersten drei Monaten des Jahres 2008. Zugleich hat der Senat die Strafe wegen der unterbliebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 aufgehoben; außerdem war die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision blieb erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
8
1. Der Verfahrensrüge, mit der die Revision Erfolg hat, liegt Folgendes zu Grunde:
9
Neben anderweitigen, im Einzelnen von der Strafkammer geschilderten Maßnahmen zur Verdeckung seiner geschäftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Speichermedien ging der Angeklagte nach den Feststellungen der Strafkammer ab Herbst 2007 auch dazu über, die Bezugsquelle seiner Waren zu verschleiern. Er kaufte die Speichermedien bei der Großhandelsfirma nicht mehr unter seinem Namen ein, sondern unter dem Namen der Firma Il V. , K. (Litauen) mit deren Kundennummer, wobei er sich als der inländische Vertreter dieser Firma ausgab. Dadurch bezweckte der Angeklagte, die Artikel um 19 % billiger - weil umsatzsteuerbefreit - zu erhalten.
10
a) In diesem Zusammenhang stellte der Angeklagte unter Beifügung einer Reihe von im November 2007 und später im Detail ausgefüllter CMRFrachtbriefe den Antrag, „den Sachbearbeiter des Kreisfinanzamtes K. , zuständig für die Firma Il V. …. als Zeugen zu vernehmen.“ Er werde bekunden, dass die aus den Frachtbriefen ersichtlichen Waren von der genannten Firma ordnungsgemäß gemeldet und versteuert wurden. In der Begründung des Antrags ist ausgeführt, der Angeklagte habe die bei der Großhandelsfirma bestellten Waren lediglich als „Durchgangsposten“ angenommen und sodann einem Spediteur der litauischen Firma weitergegeben. Die Ware sei dann tatsächlich in Litauen eingeführt, angemeldet und versteuert worden. Eine Umsatzsteuerpflicht bestehe in Deutschland insoweit nicht.
11
Die Strafkammer hat den Antrag durch einen auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützten Beschluss zurückgewiesen.
12
b) Der Generalbundesanwalt hat geltend gemacht, auf die Einzelheiten der Begründung des Beschlusses der Strafkammer und des hiergegen gerichteten Vorbringens der Revision komme es nicht an. Es liege nämlich überhaupt kein Beweisantrag vor, da der genannte Zeuge nicht genügend individualisiert sei. Aus dem Kreis sämtlicher im fraglichen Zeitraum bei dem litauischen Finanzamt tätigen Sachbearbeiter müsse erst derjenige herausgefunden werden, der die behaupteten steuerlichen Vorgänge bearbeitet hat. Daher liege ein Beweisermittlungsantrag vor, über den nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht zu befinden sei. Diese sei, wie er näher darlegt, hier nicht verletzt.
13
c) Es trifft zu, dass die Zurückweisung eines Beweisermittlungsantrags nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Revision nur dann be- gründet, wenn dadurch die Aufklärungspflicht verletzt wurde. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Gericht den Antrag (zu Unrecht) für einen Beweisantrag hielt und ihn nach den hierfür geltenden Regeln beschieden hat (BGH StV 1996, 581; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23 jew. m.w.N.). Hier hat jedoch die Strafkammer rechtsfehlerfrei den in Rede stehenden Antrag als Beweisantrag angesehen.
14
Grundsätzlich sind bei einem auf die Vernehmung eines Zeugen gerichteten Beweisantrag Name und (hier unproblematisch) Anschrift des Zeugen zu nennen. Dies ist aber nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Es genügt vielmehr , wenn die zu vernehmende Person derart individualisiert ist, dass eine Verwechslung mit anderen nicht in Betracht kommt. Die Nennung eines Namens ist in diesem Zusammenhang dann entbehrlich, wenn der Zeuge unter Berücksichtigung des Beweisthemas über seine Tätigkeit insbesondere in einer Behörde zu individualisieren ist (vgl. BGH VRS 25, 426, 427; BayObLG b. Rüth DAR 1980, 269; OLG Köln NStZ-RR 2007, 150; einschränkend BGHSt 40, 3, 7; vgl. auch Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 244 Rdn. 105; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 21 jew. m.w.N.). Hier ist der Sachbearbeiter eines bestimmten Finanzamts für im Detail gekennzeichnete steuerrechtlich erhebliche Vorgänge im Geschäftsbetrieb einer bestimmten Firma als Zeuge benannt. Die Strafkammer hat durch die Behandlung dieses Antrags als Beweisantrag der Sache nach zum Ausdruck gebracht, den Anforderungen an die Kennzeichnung des Beweismittels in einem Beweisantrag sei hier Genüge getan. Dies ist jedenfalls vertretbar und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
15
d) Die Strafkammer hat die auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ablehnung des Beweisantrags damit begründet, dass „die Vernehmung des Zeugen nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nicht erforderlich erscheint.
Die Kammer unterstellt als wahr, dass ein Mitarbeiter des Finanzamtes K. die im Beweisantrag … genannten Angaben machen würde.“
16
Weitere Ausführungen enthält der Beschluss nicht. In den Urteilsgründen ist dann im Einzelnen dargelegt, warum die Strafkammer davon ausgeht, dass tatsächlich keine Lieferungen nach Litauen erfolgt sind.
17
2. Zu Recht rügt die Revision die Begründung des Beschlusses.
18
Über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinaus ergibt der genannte Beschluss, dass die Strafkammer offenbar erwartet, dass der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen zwar bestätigen werde, diese Angaben jedoch wahrheitswidrig seien. Eine solche Prognose hinsichtlich des Inhalts der zu erwartenden Aussage und dessen Bewertung als unwahr kann Grundlage der Ablehnung eines Beweisantrags gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO sein (vgl. BGHSt 40, 60, 62). Der hierfür erforderliche Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) muss jedoch die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in ihrem tatsächlichen Kern verdeutlichen. Die Begründung der Ablehnung eines Beweisantrages ist nicht nur gegebenenfalls Grundlage einer revisionsrechtlichen Überprüfung der Ablehnung, sondern sie hat auch die Funktion, den Antragsteller davon zu unterrichten, wie das Gericht den Antrag sieht, damit er sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage einstellen kann, die durch die Antragsablehnung entstanden ist (BGHSt 40, 60, 63 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der Beschluss der Strafkammer nicht gerecht , weil er nicht konkretisiert ist.
19
Allerdings ist in den Urteilsgründen näher dargelegt, warum nicht davon auszugehen ist, dass es die vom Angeklagten behaupteten Lieferungen nach Litauen gegeben hätte. Ohne dass dies hier im Detail nachzuzeichnen wäre, ergibt sich dies nach Auffassung der Strafkammer aus einer Gesamtschau von Versteigerungslisten, Kontoauszügen, Lieferadressen auf Rechnungen, fehlenden Hinweisen auf behördliche Bearbeitung auf den vorgelegten Frachtbriefen und näher ausgeführten steuerrechtlichen Überlegungen. Diese Ausführungen würden zwar für sich genommen rechtlicher Überprüfung standhalten. Der Aufgabe , dem Antragsteller zu ermöglichen, sein Prozessverhalten an die für die Ablehnung des Beweisantrags maßgeblichen Gründe anzupassen, werden jedoch solche Gründe nicht gerecht, von denen der Antragsteller erst durch das Urteil erfährt. Dementsprechend kann ein unzulänglich begründeter Beschluss zur Ablehnung eines Beweisantrags nicht anhand der Urteilsgründe ergänzt werden (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 42 m.w.N.). Anderes könnte im Ergebnis möglicherweise gelten, wenn den Urteilsgründen der Sache nach die Beweisbehauptungen zu Grunde gelegt wären. Hier ist die Strafkammer jedoch in den Urteilsgründen vom Gegenteil der Beweisbehauptungen ausgegangen. Sie hat lediglich - in dem Beschluss - als wahr unterstellt, dass der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen (wahrheitswidrig) bestätigen werde.
20
3. Der nach alledem fehlerhaft beschiedene Beweisantrag bezog sich auf Lieferscheine aus den Jahren 2007 und 2008, kann also nur im Zusammenhang mit den Steuererklärungen für diese Zeit stehen. Dementsprechend waren die hierauf bezogenen Schuldsprüche (unterlassene Umsatzsteuerjahreserklärung 2007, falsche Umsatzsteuervoranmeldungen Januar, Februar und März 2008) aufzuheben. Wegen eines nahe liegenden inneren Zusammenhangs hat der Senat zugleich die für die unterbliebene Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 verhängte Einzelstrafe aufgehoben. Zugleich muss über die Gesamtstrafe neu entschieden werden.

III.

21
Im Übrigen (Schuldspruch wegen der unterbliebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2006; Schuldsprüche und Einzelstrafen wegen Computerbetruges und versuchten Computerbetruges; Einziehungsentscheidung) ist die Revision unbegründet. Für sich genommen hat insoweit die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben, wie dies auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat. Darüber hinaus gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die wenigen in Rede stehenden Strafen wegen Umsatzsteuerhinterziehung auf die Höhe der zahlreichen Strafen wegen der anders gelagerten Taten wegen Computerbetruges und versuchten Computerbetruges ausgewirkt haben. Nack Wahl Hebenstreit Herr RiBGH Prof. Dr. Jäger befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Sander

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 401/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2013

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. November 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen, in sechs Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen; ferner hat es einen Geldbetrag für verfallen erklärt sowie ein Faustmesser und Betäubungsmittel eingezogen. Daneben hat es den Mitangeklagten K. vor allem wegen mit dem Angeklagten getätigter Betäubungsmittelgeschäfte ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Revision rügt zu Recht, das Landgericht habe gegen § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO verstoßen. Dem liegt folgendes zugrunde:
3
a) Nach den landgerichtlichen Feststellungen, die im Wesentlichen auf den Angaben des Mitangeklagten K. beruhen, verkaufte diesem der – die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitende – Angeklagte seit Mai 2008 „Speed“ zunächst zum Eigenverbrauch. Um seine hierdurch alsbald entstan- denen Schulden zu tilgen, erhielt K. bereits seit Juni 2008 mehrfach „Speed“ vom Angeklagten, um es für ihn weiter zu verkaufen. Im Zeitraum von August 2008 bis Januar 2009 transportierte K. darüber hinaus sechs Mal jeweils mehrere Kilogramm Amphetamin nach Deutschland; dieses hatte er zuvor in Polen von B. und G. erhalten. Diese Lieferanten des Angeklagten W. sind u.a. deswegen von der Staatsanwaltschaft W. beim Bezirksgericht P. angeklagt worden, haben die Vorwürfe in ihrer jeweiligen polnischen Beschuldigtenvernehmung jedoch bestritten bzw. hierzu geschwiegen.
4
Am 17. von insgesamt 45 Hauptverhandlungstagen stellte die Verteidigung des Angeklagten den Beweisantrag, B. und G. als Zeugen insbesondere dazu zu vernehmen, dass sie mit dem Angeklagten ausschließlich über Goldgeschäfte gesprochen, ihn aber nicht mit Amphetamin versorgt hätten. Am 25. Verhandlungstag lehnte das Landgericht die beantragten Beweiserhebungen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ab. Selbst wenn die genannten Zeugen von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) keinen Gebrauch machen und die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bekunden sollten, würde es nicht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte durch den Mitangeklagten K. zu Unrecht belastet worden sei.
5
b) Diese Verfahrensweise hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Zwar hat das Landgericht bei seiner ablehnenden Entscheidung zutreffend als maßgebendes Kriterium angesehen, ob die Aufklärungspflicht die Erhebung der beantragten Beweise erfordert; es war bei dieser Prüfung vom Verbot der Beweisantizipation befreit (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60). Es durfte daher den zu erwartenden Be- weiswert der beiden Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses würdigen und hierbei auch berücksichtigen, dass ihnen jeweils ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zustehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2000 – 1 StR 325/00, NJW 2001, 695). Es hat aber der vorliegend besonders schwierigen Beweislage bei seiner Abwägung nicht im notwendigen Maße Rechnung getragen:
7
Das Landgericht hätte berücksichtigen müssen, dass nicht nur die gegen den Angeklagten generell, sondern auch die wegen ihrer Lieferantenstellung bei den sechs Einfuhrtaten gegen die benannten Zeugen in Polen erhobenen Vorwürfe im Wesentlichen auf den Angaben des Mitangeklagten K. beruhten und sonstige, namentlich „objektive“ Indizien gerade für die am schwersten wiegenden Taten des Angeklagten fehlten. Dies gilt auch deshalb , weil sich die Zeugen zwar in Polen zunächst in Untersuchungshaft befanden , dann aber aus Gründen entlassen wurden, die ungeklärt geblieben sind und die das Landgericht zu ermitteln unterlassen hat. Darüber hinaus hätte das Landgericht dem Umstand größere Bedeutung zumessen müssen, dass sich der Mitangeklagte K. lediglich im Ermittlungsverfahren ausführlich zu den Taten und den beiderseits der deutsch-polnischen Grenze Beteiligten , in der Hauptverhandlung jedoch nur noch über eine durch seine Verteidigung verlesene Erklärung geäußert hat. Dieser lag im Übrigen eine Verständigung zugrunde, deren Grundlage aber nachträglich entfiel, weil der Mitangeklagte K. „entgegen seiner vorherigen Zusage nicht mehr bereit war, Fragen des Gerichts zu seiner schriftlichen Einlassung zu beantworten“ (UA S. 13). In der Folge konnte insbesondere auch die Verteidigung ihn nicht mehr „konfrontativ“ befragen (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK). Angesichts des sich daraus ergebenden Beweiswertdefizites, auf das auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. August 2013 maßgeblich abgestellt hat, war die Beweislage nicht derart sicher (vgl. zu dieser Konstellation BGH, Urteil vom 5. Februar 1997 – 2 StR 551/96, NStZ 1997, 286), dass es zum Versuch weiterer Aufklärung durch eine zeugenschaftliche Einvernahme B. s und G. ‘ nicht gedrängt hätte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 23).
8
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Würdigung der Beweise gelangt wäre, wenn die beiden Zeugen die in ihr Wissen gestellten Umstände bestätigt hätten. Es hebt das angefochte- ne Urteil daher im vollen Umfang der Verurteilung des Beschwerdeführers auf, und zwar auch bezüglich des waffenrechtlichen Verstoßes, da dieser in engem Zusammenhang mit den übrigen Delikten stehen würde.
9
2. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
10
Sollte die neue Hauptverhandlung wiederum ergeben, dass der Angeklagte vom 30. Juni bis 7. August 2008 dem Mitangeklagten K. in fünf Fällen Speed veräußert hat, das jeweils aus einer zuvor zu diesem Zweck beschafften Gesamtmenge stammte, so würden die einzelnen Akte des Betäubungsmittelumsatzes ein einheitliches Handeltreiben darstellen (sog. Bewertungseinheit ; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1995 – 5 StR 469/95, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 7 – Sukzessivlieferungen entsprechend Absprache). Sollte erneut eine Verfallsentscheidung getroffen werden, so bedürfte es zunächst der Feststellung, was der Angeklagte tatsächlich erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB).
Basdorf Sander Schneider Berger Bellay
37
Diese besondere Beweislage durfte bei der Bescheidung des von den Angeklagten gestellten Beweisantrags nicht unbeachtet bleiben. Denn es darf einem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass dem Verfahren eine Auslandstat zugrunde liegt oder die Tat jedenfalls - wie hier - einen starken Auslandsbezug aufweist und die Beweisführung infolge dessen im Wesentlichen auf ausländische Beweismittel zurückgreifen muss. In einem solchen Fall ist dem legitimen Anliegen eines Angeklagten, sich gegen die aus dem Ausland stammenden und ihn belastenden Beweismittel durch die Benennung von im Ausland ansässigen Entlastungszeugen zu verteidigen, in der Weise Rechnung zu tragen, dass an die Ablehnung eines solchen Beweisantrags strengere Maßstäbe anzulegen sind (vgl. für die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO: BGH wistra 2006, 426, 428; Fischer in KK 6. Aufl. § 244 Rdn. 213). Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit sowie völliger Ungeeignetheit eines offenkundig wichtigen Entlastungszeugen wird daher in diesen Fallkonstellationen allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beweiswert einer lediglich kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung des Zeugen vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme und des zeitlichen und organisatorischen Aufwands der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens in einer Weise zurücktritt, dass jeglicher Erkenntniswert für die Sachaufklärung sicher ausgeschlossen werden kann. Ein - etwa wegen des fehlenden persönlichen Eindrucks des Zeugen in der Hauptverhandlung oder wegen der eingeschränkten Möglichkeit, ihm Vorhalte zu machen - lediglich geminderter oder zweifelhafter Beweiswert einer so gewonnenen Aussage darf bei einer Sachverhaltsgestaltung wie der vorliegenden hingegen regelmäßig nicht mit einer völligen Untauglichkeit des Beweismittels gleichgesetzt werden. Die Beurteilung hat sich daher bei einer derartigen Fallgestaltung eher an den strengen Maßstäben auszurichten, die sonst allgemein für die Bewertung eines Beweismittels als völlig ungeeignet anerkannt sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 58 m. w. N.).

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 80/09
vom
28. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 22. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zu fünf Fällen sowie wegen Beihilfe zu drei Fällen des jeweils bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Das Urteil muss aufgehoben werden, weil das Landgericht einen Beweisantrag unter Verletzung des Nemo-tenetur-Grundsatzes abgelehnt hat.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts baute der Angeklagte im März 2005 zusammen mit weiteren Hilfskräften eine Halle in P. zu einer industriell ausgestatteten Cannabis-Plantage um. Die Arbeiten nahmen insgesamt etwa einen Monat bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis zehn Stunden in Anspruch. In gleicher Weise errichtete der Angeklagte "im Frühjahr 2005" eine Cannabis-Plantage in einem Keller in K. , in der sodann "in der Zeit von Mai 2005 an" mindestens zwei Ernten erzielt wurden.
4
Der Angeklagte, der wegen des Tatvorwurfs im Oktober 2007 festgenommen worden war und sich seither in Untersuchungshaft befand, beantragte im Hauptverhandlungstermin vom 6. August 2008, seinen in Polen wohnenden Bruder M. S. als Zeugen zu vernehmen zu der Behauptung, er - der Angeklagte - habe sich "im Mai 2005" sowie "in der Zeit von März 2005 durchgehend bis zum 12.4.2005" täglich bei seinem Bruder aufgehalten, sei dort durchgehend als Aushilfe in dessen landwirtschaftlichem Betrieb beschäftigt gewesen, habe dort gearbeitet und übernachtet und Polen zu keinem Tag während der tatrelevanten Zeiträume verlassen. Das Landgericht hat den Beweisantrag abgelehnt, weil es die Vernehmung des Bruders des Angeklagten zur Erforschung der Wahrheit nicht für geboten hielt. Zur Begründung hat es unter näherer Darstellung der Aussagen von drei gehörten Zeugen ausgeführt, nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme sprächen mehrere Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten; die Aussage des Bruders könnte unter diesen Umständen keinen Einfluss auf die Überzeugungsbildung der Kammer haben, ihr käme "kein Beweiswert" zu. "Die Kammer ist nämlich davon überzeugt : Träfen die unter Beweis gestellten Behauptungen tatsächlich zu, so wären sie vom Angeklagten beziehungsweise dem Verteidiger durch einen Beweisantrag früher in das Verfahren eingeführt worden. Das gilt umso mehr, als der Angeklagte … seit nun mehr als neun Monaten inhaftiert ist. Der Angeklagte hat mit einem Haftprüfungsantrag sowie einer Haftbeschwerde seine Haftentlassung erreichen wollen, dabei aber zu keinem Zeitpunkt seinen Bruder als Alibizeugen benannt. Dass der - angeblich - entscheidende Entlastungsbeweis erst in dem jetzigen Verfahrensstadium vorgebracht worden ist, spricht mithin wesentlich gegen ihn."
5
Die Ablehnung des Beweisantrags beanstandet die Revision zu Recht als ermessensfehlerhaft. Bei der Entscheidung, ob die Vernehmung des Auslandszeugen zur Erforschung der Wahrheit erforderlich war (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO), durfte das Landgericht nur solche Erwägungen anstellen, die auch im Rahmen der Würdigung erhobener Beweise rechtlich zulässig gewesen wären. Die freie richterliche Beweiswürdigung nach § 261 StPO findet indes ihre Grenze an dem Recht eines jeden Menschen, nicht gegen seinen Willen zu seiner Überführung beitragen zu müssen (Grundsatz des "Nemo tenetur se ipsum prodere"). Danach ist ein Angeklagter im Strafverfahren grundsätzlich nicht verpflichtet , aktiv zur Sachaufklärung beizutragen. So steht es ihm frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, § 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Macht er von seinem Aussageverweigerungsrecht umfassend Gebrauch, so ist allgemein anerkannt, dass daraus für ihn keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürfen (BGHSt 45, 363 m. w. N.).
6
Hiergegen hat das Landgericht verstoßen. Der Angeklagte hatte sich im Verfahren bis dahin nicht zur Sache eingelassen. Er hat lediglich bei der Verkündung des Haftbefehls behauptet, unschuldig zu sein. Hierin ist eine Teileinlassung , die als solche der Beweiswürdigung zugänglich gewesen wäre (vgl. BGHSt 20, 298), nicht zu sehen (BGHSt 25, 365; 38, 302; BGH NStZ 2007, 417).
7
Nachdem das Landgericht den Zeitpunkt der Alibibehauptung als für seine Würdigung "wesentlich" herausgestellt hat, kann der Senat nicht ausschließen , dass das Urteil auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht.
8
2. Auf die Rüge, dem Angeklagten sei für den Fall, "dass er weiterhin keine Angaben zur Sache macht", eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als vier Jahren und sechs Monaten zugesichert worden, weshalb mit der Verhängung einer fünfjährigen Freiheitsstrafe der Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung verletzt worden sei, kommt es nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch Anlass zu dem Hinweis, dass die Rüge ohne Erfolg geblieben wäre.
9
Es ist bereits nicht erwiesen, dass das Gericht dem Angeklagten eine Höchststrafe für den Fall weiteren Schweigens zugesagt hat. Die Behauptung der Revision findet weder im Protokoll der Hauptverhandlung (vgl. hierzu BGH NStZ 2004, 342; 2007, 355) noch in den dienstlichen Erklärungen der beiden Berufsrichter vom 7. Januar 2009 (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2007, 245) eine Bestätigung. Danach hatte der Verteidiger am ersten Sitzungstag außerhalb der Hauptverhandlung ein "Rechtsgespräch" erbeten, bei dem die Strafkammer angekündigt hatte, für den Fall eines glaubhaften Geständnisses eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten nicht zu überschreiten. Für den Fall der Überführung des Angeklagten ohne Geständnis war eine Strafe von vier Jahren und sechs Monaten prognostiziert worden. Soweit nach den dienstlichen Erklärungen diese Strafe "in Aussicht gestellt" worden bzw. ein entsprechendes "Angebot" gemacht worden ist, ergibt sich daraus eine "Zusage" nicht.
Es wäre zudem nicht zulässig (und darüber hinaus auch nicht sinnvoll) gewesen , dem Angeklagten eine Höchststrafe zuzusagen allein für den Fall, dass er weiterhin zum Tatvorwurf schweigt.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). Insbesondere sind Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Be- weiswürdigung auch dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO, und vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten , zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vor- liegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02 aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 305/12
vom
23. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Angeklagten am 23. August 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 7. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 3. Mai 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Die der Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger zu Grunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen lebte der Angeklagte mit der Nebenklägerin und deren Lebensgefährten, einem Halbbruder des Angeklagten, in einer Wohnung. Im Dezember 2009 suchte die Nebenklägerin den Angeklagten in seinem Zimmer auf, weil sie nicht schlafen konnte. Zuvor hatte sie ein ihr verschriebenes Antidepressivum in einer überhöhten Dosis eingenommen, das eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung hatte. Beide setzten sich auf das Bett des Angeklagten und sahen sich eine DVD an. Nachdem die Nebenklägerin auf dem Bett liegend eingeschlafen war, entkleidete der Angeklagte ihren Unterleib und führte an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Als die Nebenklägerin erwachte, stieß sie den Angeklagten von sich, der daraufhin außerhalb ihres Körpers zur Ejakulation kam (UA 10). Die schockierte Nebenklägerin verließ das Zimmer und begab sich weinend ins Bad, um sich zu waschen. Anschließend kehrte sie zu ihrem schlafenden Lebensgefährten zurück, ohne ihm etwas von dem Geschehenen zu berichten. Als die Nebenklägerin den Angeklagten am nächsten Tag auf den Vorfall ansprach, erklärte dieser, dass er von einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ausgegangen sei. Am 17. Dezember 2009 erfuhr die Nebenklägerin von ihrer Frauenärztin, dass sie schwanger ist. Daraufhin erklärte sie dem Angeklagten, dass sie den Vorfall nun ihrem Lebensgefährten offenbaren werde, weil sie sich des genauen Zeitpunkts des Geschlechtsverkehrs mit ihm nicht mehr sicher war und deshalb befürchtete, er könnte der Vater des Kindes sein (UA 11).
4
Der Angeklagte hat angegeben, dass ihn die Nebenklägerin in seinem Zimmer aufgesucht habe und es in der Folge zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen sei. Bereits zuvor habe es bei zwei Gelegenheiten sexuelle Kontakte (Handverkehr) zwischen ihm und der Nebenklägerin gegeben. Drei bis vier Tage nach dem Vorfall habe die Nebenklägerin einen Schwangerschaftstest durchgeführt, der positiv verlaufen sei. Daraufhin habe sie ihm vorgeworfen, dass er der Vater sei und angekündigt, ihrem Lebensgefährten von dem Vorfall zu erzählen. Er habe sie daraufhin eindringlich gebeten , dabei die Wahrheit zu sagen. Dies habe die Nebenklägerin mit der Begründung abgelehnt, dass dann ihr Lebensgefährte die Beziehung zu ihr beenden würde. Sie werde deshalb behaupten, der Angeklagte habe sie vergewaltigt, nachdem sie unter dem Einfluss eingenommener Medikamente eingeschlafen sei (UA 15).
5
Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten auf die für glaubhaft erachtete Einlassung der Nebenklägerin gestützt. Dabei ist das Landgericht dem aussagepsychologischen Gutachten der Sachverständigen O. gefolgt, die zu dem Schluss gelangt ist, dass die Angaben der Nebenklägerin ausschließlich mit der Erlebnishypothese in Einklang zu bringen sind (UA 21 f.).
6
2. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, 149; Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). In einem Fall in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten beeinflussen können (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, 149; Beschluss vom 15. Januar 2008 – 4 StR 533/07; Beschluss vom 22. Januar 2002 – 5 StR 549/01, NStZ-RR 2002, 146; Beschluss vom 23. Mai 2000 – 1 StR 156/00, NStZ 2000, 496, 497). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
7
a) Die Ausführungen des Landgerichts zu den Angaben der Nebenklägerin in Bezug auf frühere sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten lassen besorgen , dass nahe liegende Gesichtspunkte nicht in Betracht gezogen worden sind, deren Berücksichtigung zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis führen könnte.
8
Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung (UA 18) und bei ihrer zweiten polizeilichen Einvernahme im Ermittlungsverfahren angegeben (UA 26, 31), an sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten im Vorfeld des Tatgeschehens keine Erinnerung zu haben. Das Landgericht hat darin kein gegen die Glaubhaf- tigkeit ihrer Angaben sprechendes Indiz gesehen, weil bei einer „konstruierten Aussage“ eine „komplikationslose Verneinung“ dieser Frage zu erwarten gewe- sen wäre. Zudem habe die Nebenklägerin die ihr verordneten Medikamente schon vor dem Tatgeschehen in eigenmächtig überhöhter Dosierung eingenommen , sodass aus ihrer Sicht zumindest die Möglichkeit bestanden habe, dass sich der Angeklagte ihr zuvor schon in ähnlicher Weise genähert und sexuelle Handlungen an ihr begangen haben könnte (UA 32).
9
Macht ein Zeuge in Bezug auf ein wenig vergessensanfälliges Erleben eine unter normalen Bedingungen nicht erklärbare Erinnerungslücke geltend, besteht Grund zu der Annahme, dass er dieses Thema meiden will und sein Aussageverhalten auch im Übrigen einer entsprechenden Steuerung unterliegt. Das Landgericht hätte daher erörtern müssen, ob die Nebenklägerin der Frage nach weiteren, insbesondere einvernehmlichen sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten ausweichen wollte und – bejahendenfalls – inwieweit sich daraus Schlüsse auf eine entsprechende Steuerung ihrer Aussage auch in Bezug auf die Schilderung des Tatgeschehens ziehen lassen.
10
Die Erwägung, dass bei einer erfundenen Aussage eine „komplikationslose Verneinung“ der Frage nach einvernehmlichen sexuellen Handlungen zu erwarten gewesen wäre, vermag die glaubwürdigkeitskritische Bedeutung der geltend gemachten Erinnerungslücke nicht zu entkräften. Zwar trifft es zu, dass ein falsche Anschuldigungen erhebender Zeuge häufig darauf bedacht sein wird, seine Einlassung von Schwächen freizuhalten (vgl. Niehaus in Volbert/ Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, S. 314), sodass in dem Zugeständnis von Erinnerungslücken ein motivationsbezogenes Glaubhaftigkeitsmerkmal gesehen werden kann (vgl. Jansen, Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. Rn. 732), doch kann dies nur für Erinnerungslücken gelten, die mit allgemeinen Gedächtnisgesetzmäßigkeiten erklärbar sind und deshalb auf eine ungesteuerte Aussageweise hindeuten. So liegt es hier aber gerade nicht.
11
Die Annahme des Landgerichts, die Nebenklägerin könnte im Unklaren darüber gewesen sein, ob sie schon zuvor von dem Angeklagten ohne ihr Wissen in ähnlicher Weise sexuell angegangen worden ist, findet in den Urteilsgründen keine Stütze und ist eine bloße Vermutung. Sie ist zudem unbehelflich, weil ein solcher sexueller Kontakt unfreiwillig gewesen wäre und es an dieser Stelle vornehmlich um die Frage ging, ob die Nebenklägerin freiwillig sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten vorgenommen hat.
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b) Die Wertung des Landgerichts, wonach sich „gerade auch in den be- stehenden Erinnerungslücken“ eine Konstanz in der Aussage der Nebenkläge- rin gezeigt habe (UA 30, 31), korrespondiert nicht in jeder Hinsicht mit allgemeinen Erfahrungssätzen.
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Der Annahme, dass in der Übereinstimmung von Aussageinhalten in aufeinanderfolgenden Vernehmungen ein Indiz für das Vorliegen einer erlebnisbegründeten Aussage gesehen werden kann, liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Beobachtungen realer Vorgänge und eigene Erlebnisse zuverlässiger gespeichert werden, als aus dem Allgemeinwissen zusammengesetzte oder von Dritten vorgegebene Inhalte (vgl. Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl., S. 51). Eine für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung bedeutsame Konstanz kann sich daher nur in Bezug auf hinreichend komplexe Sachverhaltsschilderungen ergeben (Greuel, Wirklichkeit-Erinnerung-Aussage, S. 38; Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl., S. 53 ff.). Sie lässt sich dagegen nur mit Einschränkungen auf die wiederholte Äußerung stützen, zu einem bestimmten Geschehen nichts mehr zu wissen.
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c) Die Bewertung der Abweichungen in den Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen weist einen Erörterungsmangel auf.
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Die Nebenklägerin hat im Ermittlungsverfahren angegeben, bei dem Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten auf der rechten Seite mit etwa rechtwinklig angewinkelten Beinen gelegen zu haben, während der Angeklagte auf dem Bett hinter ihr kniete und von hinten in sie eingedrungen sei. Ob sie tatsächlich auf der rechten Seite gelegen habe, könne sie nicht mehr mit Bestimmtheit sagen (UA 25). Bei der drei Wochen später erfolgten Exploration durch die Sachverständige war sich die Nebenklägerin hinsichtlich ihrer Lage auf dem Bett nicht mehr sicher. Sie gab an, dass sich „vor ihren Augen ein Bild entwickelt“ habe, nach dem sie auf dem Rücken gelegen und der Angeklagte sich über ihr befunden habe (UA 27). In der Hauptverhandlung erklärte die Nebenklägerin hierzu „dass sie gelegen und sich der Angeklagte über ihr be- funden habe. Ob sie dabei auf der rechten Seite gelegen habe, könne sie nicht mehr sagen“ (UA 19). Die vom Landgericht angehörte Sachverständige hat die- se Abweichungen für unbedenklich gehalten, weil die polizeiliche Aussage nicht zeitnah zu dem Tatgeschehen erfolgt und die Zeugin bestrebt gewesen sei, den Vorfall zu verdrängen (UA 29). Dem hat sich das Landgericht angeschlossen (UA 30) und weiter ausgeführt, dass bei einer Aussagekonstruktion zu erwarten gewesen wäre, dass die Nebenklägerin bestehende Unsicherheiten im Lauf der Vernehmungen ausräumt (UA 31).
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Eine Inkonstanz in den Bekundungen eines Zeugen stellt einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar, wenn sie nicht mehr mit natürlichen Gedächtnisunsicherheiten erklärt werden kann (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Bei der Schilderung von körpernahen Ereignissen ist im Allgemeinen zu erwarten, dass der Zeuge globale Körperpositionen bei der Haupthandlung auch über längere Intervalle in Erinnerung behält (Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl., S. 53; Greuel, Wirklichkeit-Erinnerung-Aussage, S. 38 f.). Das Landgericht hätte sich daher näher damit auseinandersetzen müssen, dass die Nebenklägerin ihre eigene Gesamtkörperposition bei zwei kurz aufeinanderfolgenden Vernehmungen abweichend geschildert hat. Mit einem Bemühen um Verdrängung ist dies nicht ohne Weiteres erklärbar.
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d) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Falschaussagemotiv ausgeschlossen hat, stehen nicht im Einklang mit dem übrigen Beweisergebnis.
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Das Landgericht hat in Betracht gezogen, dass die Nebenklägerin aufgrund der bei ihr festgestellten Schwangerschaft gegenüber ihrem Lebensgefährten ein schlechtes Gewissen bekommen und sich daraufhin zu rechtfertigen versucht haben könnte. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass für die Nebenklägerin im Fall einvernehmlicher sexueller Handlungen nicht die Not- wendigkeit bestanden hätte, sich ihrem Lebensgefährten anzuvertrauen. Sie habe sich nicht in einer Rechtfertigungssituation befunden, da die Vaterschaft ihres Lebensgefährten von keiner Seite angezweifelt worden sei. Die Offenbarung des Vorfalls habe vielmehr nur die Funktion gehabt, sich durch eine Aussprache von einem innerlich belastenden Erleben zu befreien. Ein einvernehmliches sexuelles Erleben mit dem Angeklagten hätte sie hingegen verschweigen können. Insofern deuteten die gewichtigeren Umstände darauf hin, dass ein sich stetig steigernder innerer Druck, der durch die Schwangerschaft entscheidend verstärkt worden sei, dazu geführt habe, dass sie sich ihrem Lebensgefährten habe anvertrauen müssen (UA 39).
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Nach den Feststellungen hat die Nebenklägerin ihrem Lebensgefährten den Vorfall unmittelbar nach dem positiv verlaufenen Schwangerschaftstest offengelegt und dies gegenüber dem Angeklagten damit begründet, dass sie sich des genauen Zeitpunkts des Geschlechtsverkehrs mit ihm, dem Angeklagten , nicht mehr sicher sei und deshalb befürchte, er könne der Vater des Kindes sein (UA 11). Nichts anderes ergibt sich aus der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung (UA 20). Anlass für die Offenbarung war danach allein die konkrete Angst, infolge des Geschlechtsverkehrs mit dem Angeklagten schwanger geworden zu sein und nicht ein sich stetig steigernder innerer Druck. Die Erwägung, dass für die Nebenklägerin bei einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr kein Grund bestanden hätte, sich ihrem Lebenspartner anzuvertrauen , geht vor diesem Hintergrund ebenso ins Leere, wie die Annahme, dass sie sich nicht in einer Rechtfertigungssituation befunden habe, weil bisher noch keine Zweifel in Bezug auf die Vaterschaft angemeldet worden seien.
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Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Dazu wird es sich empfehlen, einen anderen Sachverständigen zu Rate zu ziehen.

II.


21
Sollte das Landgericht wieder zu einer Verurteilung gelangen, wird erneut eine nachträgliche Gesamtstrafe (§ 55 Abs. 1 StGB) gebildet werden müssen. Dazu sind die in dem früheren Urteil verhängten Einzelstrafen festzustellen , da allein sie in die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe einfließen und die Gesamtstrafe aus dem früheren Urteil aufgelöst wird (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1958 – 1 StR 312/58, BGHSt 12, 99; SSW-StGB/Eschelbach, § 55 Rn. 24).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.