Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2018 - 5 StR 229/18

bei uns veröffentlicht am24.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 229/18
vom
24. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:241018U5STR229.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshofs als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin A. , Rechtsanwalt M. als Verteidiger,
Rechtsanwalt F. als Vertreter der Nebenklägerin,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 9. Januar 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung schuldig ist und gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes des Tatertrages in Höhe von 36.568,70 Euro als Gesamtschuldner angeordnet ist; im Übrigen wird von der Einziehungsentscheidung gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Rau1 bes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Das auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts
gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt lediglich zu den tenorierten Änderungen.

I.


1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschlossen sich der An2 geklagte und die gesondert Verfolgten Sc. und Sh. Anfang November 2016, die 77-jährige Nebenklägerin auszurauben, wobei die Beute zu gleichen Teilen untereinander aufgeteilt werden sollte. In Umsetzung des Tatplans verschaffte sich der Angeklagte am Morgen des 4. November 2016 unter einem Vorwand Zutritt zu deren Haus, schlug sie nieder und hielt ihr ein Messer an den Hals, um ihren Widerstand zu überwinden. Nachdem er die Nebenklägerin mit Klebeband gefesselt und geknebelt hatte, ließ er die beiden Mittäter herein. Anschließend nötigten der Angeklagte und seine beiden Tatgenossen die Geschädigte dazu, ihnen den Tresor im ersten Stock des Hauses und den dazugehörigen Schlüssel zu zeigen. Aus dem Tresor nahmen sie 30.000 US-Dollar, 8.000 Euro, mehrere Schmuckstücke, drei Goldmünzen und eine Gaspistole. Darüber hinaus entwendeten sie Schmuckstücke und Armbanduhren aus dem Schlafzimmer, fünf EC-Karten aus der Handtasche der Nebenklägerin sowie eine Perlenkette und ein Perlenarmband, welche die Nebenklägerin angelegt hatte. Um unentdeckt flüchten zu können, schloss der Angeklagte die weiterhin gefesselte und geknebelte Nebenklägerin im Badezimmer ein. Anschließend verließen er und die beiden Mittäter den Tatort und teilten das Bargeld sowie die Goldmünzen untereinander auf. Die Schmuckstücke vergruben sie, weil sie befürchteten, über deren Verkauf entdeckt zu werden. Der Schmuck konnte nicht mehr aufgefunden werden.

II.


1. Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
3
Der Beschwerdeführer beanstandet, dass das Landgericht seine aus4 weislich des Sitzungsprotokolls abgegebene Äußerung „zur Sache“ in den Ur- teilsgründen nicht gewürdigt und damit § 261 StPO verletzt habe.
Die zulässig erhobene Ausschöpfungsrüge (§ 261 StPO) ist unbegrün5 det. Das Landgericht hat – was auch die Revision nicht verkennt – die Feststellungen zum Werdegang des Angeklagten (UA S. 2 ff.) auf dessen Angaben in der Hauptverhandlung gestützt (UA S. 10). Damit hat es Äußerungen zur Sache im Sinne des § 243 Abs. 5 Satz 2 StPO verwertet. Denn über die bloße Identitätsfeststellung hinausgehende Angaben eines Angeklagten zu seinem Werdegang , seinem Vorleben oder seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zu sonstigen Umständen, die für die Beurteilung der Tat und den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung sein können, gehören zu der von der Aussagefreiheit erfassten Vernehmung zur Sache im Sinne des § 243 Abs. 5 Satz 2 StPO und nicht – wie dies der Wortlaut des § 243 Abs. 2 Satz 2 StPO auf den ersten Blick nahezulegen scheint – zur Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1984 – 4 StR 742/83, StV 1984, 190, 192; OLG Köln, Urteil vom 20. September 1988 – Ss 346-351/88, NStZ 1989, 44; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 243 Rn. 12; KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 19; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 35, 69; MüKo-StPO/Arnoldi, § 243 Rn. 21). Wie in den Urteilsgründen ausgeführt, hat er sich lediglich „im Übrigen“ nicht zur Sache eingelassen (UA S. 19). Ob der Angeklagte sich im Rahmen seiner Sacheinlassung über andere, erörterungsbedürftige Umstände als zu seinem Werdegang geäußert hat, kann ohne eine – unzulässige – Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht festge-
stellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2016 – 5 StR 125/16; Beschluss vom 2. Februar 2017 – 4 StR 406/16, NStZ-RR 2017, 185).
2. Die Sachrüge ist hinsichtlich des auf einer rechtsfehlerfreien Beweis6 würdigung beruhenden Schuldspruchs wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung unbegründet. Hingegen kann – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat – die tateinheitliche Verurteilung wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung nicht bestehen bleiben, weil das erzwungene Verhalten der Nebenklägerin, nämlich die Preisgabe des Aufbewahrungsortes des Tresorschlüssels , lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme von Bargeld und Wertgegenständen aus dem Tresor eröffnete (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2013 – 4 StR 186/13; vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38). Der Senat kann ausschließen, dass der (auch) im Übrigen nicht zu beanstandende Strafausspruch darauf beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), weil das Landgericht das in Wegfall geratene Delikt bei der Strafzumessung nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat.
Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach
7
§ 64 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht jedenfalls den erforderlichen Symptomcharakter der Tat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, StV 2017, 672, 673) zutreffend verneint hat.
Im Hinblick auf die Entwendung der Goldmünzen und des Bargeldes
8
ordnet der Senat ergänzend zu der vom Landgericht – trotz unzutreffend herangezogenem Zeitpunkt der Wertbestimmung (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 569/17, Rn. 24 ff. zu § 73a Satz 1 StGB aF) – im Ergebnis rechtsfehlerfrei getroffenen Anordnung einer Einziehung des Wertes des Tater- trages von 36.568,70 Euro die gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten an (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17 mwN). Im Übrigen (Schmuckstücke, Armbanduhren, Gaspistole) sieht der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Wertersatzeinziehung ab (vgl. zur Zulässigkeit eines Teilabsehens BGH, Beschluss vom 2. August 2018 – 1 StR 311/18).
Mutzbauer Sander Berger
Mosbacher Köhler

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2018 - 5 StR 229/18

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (
Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2018 - 5 StR 229/18 zitiert 7 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Strafprozeßordnung - StPO | § 421 Absehen von der Einziehung


(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn 1. das Erlangte nur einen geringen Wert hat,2. die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Be

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Referenzen

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 125/16
vom
14. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:140916U5STR125.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. September 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt D. als Verteidiger des Angeklagten K. B. ,
Rechtsanwalt Do. , Rechtsanwalt S. als Verteidiger des Angeklagten J. B. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 2015 im Ausspruch über den erweiterten Verfall des Wertersatzes aufgehoben, soweit das Landgericht von einer den Betrag von 415.800 Euro übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen hat. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen. Die Angeklagten haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner in Höhe von 14.000 Euro den Verfall des Wertersatzes und in Höhe von 415.800 Euro den erweiterten Verfall des Wertersatzes angeordnet, wobei es einzelne näher bezeichnete Ansprüche des Angeklagten K. B. sowie die gemeinsame Eigentumswohnung der Angeklagten von diesen Anordnungen ausgenommen hat. Gegen das Urteil wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft mit ihren auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und mit der Sachrüge begründeten Revisionen als auch die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Während die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, im Hinblick auf die Anordnung des erweiterten Verfalls des Wertersatzes einen Teilerfolg erzielen, bleiben die Revisionen der Angeklagten erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Die Angeklagten betrieben seit dem Jahr 2012 in Berlin-Schöneberg eine überwiegend von homosexuellen männlichen Paaren besuchte Pension. Aufgrund von Anfragen ihrer Gäste nach Potenz- und Aufputschmitteln sowie Crystal Meth und Ecstasy entschlossen sich die Angeklagten, sich entsprechende Mittel zu verschaffen und an ihre Gäste zu veräußern. Nach Schließung der Pension im Oktober 2014 verkauften sie Crystal Meth und Ecstasy aus ihrer gemeinsamen Wohnung heraus.
4
Im Zeitraum September 2014 bis Juli 2015 veräußerten die Angeklagten rund 99,5 g Crystal Meth und 216 Ecstasytabletten. Zudem bewahrten sie in ihrer eigenen sowie einer weiteren Wohnung einen Vorrat zum Verkauf bestimmter Betäubungsmittel auf. Dieser umfasste zum Zeitpunkt ihrer Festnahme im Juli 2015 rund 4.530 g Crystal Meth, die der Angeklagte J. B. im Ju- ni 2015 in der Tschechischen Republik für einen Kaufpreis von 200.000 Euro von einem Händler vietnamesischer Herkunft erworben hatte, sowie 314 Ecstasytabletten.
5
Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten aus dem Handel mit Crystal Meth, Ecstasy, Arzneimitteln und „sonstigen Hilfsmitteln“ insgesamt Einnahmen in Höhe von rund 680.000 Euro erzielten, von denen 70 Prozent (476.000 Euro) auf den Handel mit Crystal Meth und Ecstasy und die restlichen 30 Prozent auf den Verkauf anderer Substanzen wie „Poppers, GBL und SKAT“ entfielen (UA S. 28).
6
Von dem so ermittelten Verkaufserlös für Crystal Meth und Ecstasy in Höhe von 476.000 Euro hat die Strafkammer zunächst einen Betrag von 14.000 Euro wegen des in dieser Höhe angeordneten Verfalls des Wertersatzes sowie einen weiteren Betrag von 35.000 Euro aufgrund des Verzichts der Angeklagten auf bereits gepfändete Gegenstände und Bankguthaben abgezogen. Darüber hinaus hat sie „zum Ausgleich etwaiger Berechnungsungenauigkeiten“ einen Sicherheitsabschlag von zwei Prozent (8.540 Euro) vorgenommen und so einen dem erweiterten Verfall des Wertersatzes unterliegenden Betrag von 418.640 Euro errechnet (UA S. 32). Schließlich hat sie „aus Gründen des Ver- trauensschutzes“ die Anordnung über den erweiterten Verfall des Wertersatzes auf den von ihr „im Rahmen eines Hinweises in Aussicht gestelltenBetrag von 415.800 Euro beschränkt“ (UA S. 33).

II.


7
Revisionen der Staatsanwaltschaft:
8
1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung des Landgerichts wendet und insbesondere die gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen als zu niedrig beanstandet, bleiben ihre Rechtsmittel erfolglos.
9
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, und vom 29. Juni 2005 – 1 StR 149/05, NStZ 2006, 568; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
10
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne zeigen die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht auf. Die Strafzumessungserwägungen sind entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin weder lückenhaft noch widersprüchlich. Das Landgericht hat vielmehr alle für die Strafzumessung wesentlichen Gesichtspunkte bedacht und in seine Abwägung eingestellt. Insbesondere hat es er- sichtlich nicht verkannt, dass es sich bei der von den Angeklagten in ihren Wohnungen zum Verkauf vorgehaltenen Menge von etwa 4,5 kg Crystal Meth mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 3,454 kg Methamphetamin-Base um eine außerordentlich große Menge dieses Rauschgifts handelte; die Strafkammer hat insoweit ausdrücklich zu Ungunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass das von den Angeklagten vorgehaltene Crystal Meth den Grenzwert zur nicht geringen Menge „um ein hohes Vielfaches“ überstieg und es sich bei Meth- amphetamin um ein gefährliches Betäubungsmittel mit hohem Suchtpotential handelt (UA S. 31).
11
Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung der Beschwerdeführerin anzuschließen, dass die gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen von jeweils fünf Jahren und drei Monaten unvertretbar niedrig seien und sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach unten lösten. Dem stehen bereits – trotz der außerordentlich großen Menge des in Rede stehenden Rauschgifts – erhebliche zugunsten der Angeklagten sprechende Strafzumessungsgesichtspunkte entgegen. Dies sind namentlich die umfassenden Geständnisse der Angeklagten, die noch über den konkreten Tatvorwurf hinaus Angaben zu ihrem Handel mit Arzneimitteln und Betäubungsmitteln sowie zu ihren hierdurch erzielten Einnahmen gemacht haben, der Umstand, dass die bislang unbestraften Angeklagten aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch HIV-Infektionen besonders haftempfindlich sind, und die Sicherstellung eines wesentlichen Teils der Betäubungsmittel (UA S. 30 f.).
12
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben hingegen Erfolg, soweit sie beanstandet, das Landgericht hätte den erweiterten Verfall des Wertersatzes (§ 73d StGB) nicht lediglich in Höhe von 415.800 Euro anordnen dürfen.
13
a) Keinen Rechtsfehler lässt das Urteil zunächst insoweit erkennen, als die Strafkammer in Übereinstimmung mit den Einlassungen der Angeklagten davon ausgegangen ist, dass sie aus dem Handel mit Crystal Meth, Ecstasy, Arzneimitteln und sonstigen Hilfsmitteln insgesamt Einnahmen in Höhe von (abgerundet) 680.000 Euro erzielt haben und hiervon 70 Prozent auf den Handel mit Crystal Meth und Ecstasy und 30 Prozent auf den Verkauf von Arzneimitteln und sonstigen Hilfsmitteln entfielen (UA S. 14, 20). Auch soweit das Landgericht bei der Berechnung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes unterliegenden Betrages Abzüge von 14.000 Euro wegen des in dieser Höhe angeordneten Verfalls des Wertersatzes und weiterer 35.000 Euro für den Verzicht der Angeklagten auf bereits gepfändete Gegenstände und Bankguthaben vorgenommen hat (UA S. 32), begegnet dies keinen Bedenken.
14
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin jedoch, dass das Landgericht bei der Ermittlung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes unterliegenden Geldbetrages einen weiteren erheblichen Teil der von den Angeklagten erzielten Gesamteinnahmen von 680.000 Euro unberücksichtigt gelassen hat.
15
aa) Dies gilt zunächst für den auf den Verkauf von Arznei- und sonstigen Hilfsmitteln entfallenden Anteil von 30 Prozent der Gesamteinnahmen. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft von einer Prüfung abgesehen, inwieweit auch im Hinblick auf diesen Teil der Einnahmen die Voraussetzungen für die Anordnung des erweiterten Verfalls des Wertersatzes gemäß § 73d Abs. 2, § 73a StGB vorlagen.
16
Im Urteil ist festgestellt, dass die Angeklagten ihre über den Erlös aus dem Handel mit Crystal Meth und Ecstasy hinausgehenden Einnahmen durch den Verkauf von Potenz- und Aufputschmitteln – darunter Substanzen wie Pop- pers, GBL und SKAT (UA S. 5, 13, 28) – und damit jedenfalls in weitgehendem Umfang aus strafbarem gewerbsmäßigen Handel mit Arzneimitteln erzielt haben. Soweit es sich hierbei um nicht angeklagte und auch nicht hinreichend konkretisierbare Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz (u.a. nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG aF) handelt, unterliegen die von den Angeklagten erzielten Einnahmen dem erweiterten Verfall des Wertersatzes gemäß § 98a AMG i.V.m. § 73d Abs. 2, § 73a StGB.
17
Sofern die Angeklagten auch mit gefälschten Arzneimitteln gehandelt haben sollten, kann allerdings – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hinweist – die auch auf den erweiterten Verfall nach § 73d StGB anwendbare Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Verfallsanordnung entgegenstehen (vgl. Raum in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl., § 98a Rn. 5); dies wird das neue Tatgericht zu beachten haben.
18
bb) Darüber hinaus beanstandet die Beschwerdeführerin ebenfalls zu Recht, dass die Strafkammer bei der Berechnung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes unterliegenden Betrages einen „Sicherheitsabschlag“ in Höhe von zwei Prozent und „aus Gründen des Vertrauensschutzes“ einen weiteren Abzug von 2.660 Euro vorgenommen hat (UA S. 32 f.).
19
Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, warum sich die Strafkammer veranlasst sah, einen (nochmaligen) „Sicherheitsabschlag“ vorzunehmen , nachdem bereits bei der Ermittlung der Gesamteinnahmen von 680.000 Euro Abrundungen nach unten erfolgt waren (UA S. 20, 23). Auch eine sachliche Rechtfertigung für die von der Kammer aus „Vertrauensschutzgrün- den“ vorgenommene Begrenzung des dem erweiterten Verfall des Wertersatzes unterliegenden Betrages auf 415.800 Euro lässt sich dem Urteil nicht entnehmen ; der im Urteil erwähnte Hinweis der Kammer in der Hauptverhandlung, dass dieser Betrag „in Aussicht gestellt“ sei (UA S. 33), vermag eine Beschränkung des Verfallsbetrages wegen des – ungeachtet des § 73c StGB – zwingenden Charakters des erweiterten Verfalls gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB („ordnet … an“) nicht zu rechtfertigen.

III.


20
Revisionen der Angeklagten:
21
1. Die Verfahrensrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
22
a) Die Verfahrensbeanstandung, mit der die Beschwerdeführer gemäß § 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts geltend machen, weil mangels Überlastung die Ableitung des Verfahrens von der zunächst zuständig gewesenen 4. Großen Strafkammer auf die erkennende Hilfsstrafkammer 4a unzulässig gewesen sei, ist unbegründet. Denn schon aus der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden Richters der 4. Großen Strafkammer vom 11. September 2015 ergibt sich, dass die Strafkammer zumindest bis einschließlich Februar 2016 derart mit Hauptverhandlungsterminen ausgelastet war, dass das neu eingegangene Verfahren nicht vor Anfang März 2016 hätte verhandelt werden können. Die beanstandete Entlastungsmaßnahme durch das Präsidium des Landgerichts erwies sich auch als wirksam, denn mit der Hauptverhandlung konnte bereits am 16. November 2015 – nur etwa zwei Monate nach Anklageerhebung – begonnen werden, mithin mehr als drei Monate vor dem frühestmöglichen Hauptverhandlungsbeginn vor der 4. Großen Strafkammer.
23
b) Die auf eine Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21f Abs. 2 GVG gestützte Verfahrensrüge, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, die erkennende Hilfsstrafkammer habe in vorschriftswidriger Besetzung verhandelt – nämlichnicht unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht R. und mit den Richtern am Landgericht F. und L. als beisitzenden Richtern, sondern mit Richter am Landgericht F. als Vorsitzendem sowie Richter am Landgericht L. und Richterin am Landgericht K. als Beisitzern – ist in zulässiger Weise erhoben, jedoch unbegründet.
24
Die Vorsitzende Richterin am Landgericht R. war gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG an einer Teilnahme an der Hauptverhandlung verhindert, da sie während des hierfür vorgesehenen Zeitraums an einer ihr bewilligten einwöchigen dienstlichen Fortbildungsveranstaltung teilnahm. Dies stellt einen Verhinderungsgrund im Sinne des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG dar (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 21e Rn. 144 zur Dienstreise).
25
Die Strafkammervorsitzende war bei der Terminierung der Hauptverhandlung auch nicht gehalten, diese erst in die Zeit nach Ende ihrer Fortbildungsveranstaltung zu legen oder ausschließlich Hauptverhandlungstage außerhalb der Fortbildungswoche zu bestimmen. Dem steht bereits der Umstand entgegen, dass sich beide Angeklagte während der Dauer der Hauptverhandlung in Untersuchungshaft befanden und daher das Beschleunigungsgebot in Haftsachen eine besonders zügige Terminierung verlangte. Im Übrigen sind die Möglichkeiten eines Vorsitzenden zur Terminierung einer Hauptverhandlungssache schon faktisch durch die weiteren bei dem jeweiligen Spruchkörper anhängigen Verfahren und durch die nicht uneingeschränkte terminliche Verfügbarkeit der weiteren Verfahrensbeteiligten begrenzt.
26
Da der Verhinderungsgrund offensichtlich und unzweifelhaft war, bedurfte er auch keiner besonderen Feststellung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 1989 – 2 StR 39/89, BGHR StPO § 338 Nr. 1 Vertreter 2; Breidling in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 20). Infolge der Verhinderung der Vorsitzenden Richterin oblag es nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Berlin ihrem Vertreter Richter am Landgericht F. , in der Hauptverhandlung den Vorsitz zu führen, und Richterin am Landgericht K. , als weitere Beisitzerin neben Richter am Landgericht L. an dem Verfahren mitzuwirken.
27
c) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Verfahrensbeanstandung, mit der die Beschwerdeführer eine „Verletzung des § 31 BtMG i.V.m. §§ 261, 267 StPO und § 244 Abs. 2 StPO“ rügen. Die Beschwerdeführer machen insoweit geltend, das Landgericht habe den Inhalt von Schreiben ihrer Verteidiger vom 11. August 2015 und vom 16. September 2015 nicht im Wege der Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Bei Berücksichtigung insbesondere des Schreibens vom 16. September 2015 wäre die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass zeitlich noch vor dem Eröffnungsbeschluss vom 26. Oktober 2015 durch beide Angeklagte Aufklärungshilfe im Sinne des § 31 BtMG geleistet worden sei, was zur Folge gehabt hätte, dass die verhängten Strafen gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern gewesen wären.
28
Die Rüge ist bereits unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob das Vorbringen der Beschwerdeführer sich nicht schon in der Behauptung eines Widerspruchs zwischen dem Inhalt der Akten und dem Urteil und damit einer Rüge der Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe erschöpft, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht mit einer Verfahrensbeschwerde beanstandet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2006 – 2 StR 268/06, NStZ 2007, 115; Beschluss vom 7. August 2007 – 4 StR 142/07, Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 15a). Denn die Verfahrensbeanstandung ist auch bei getrennter Betrachtung eines etwaigen Verstoßes gegen § 261 StPO und einer möglichen Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO jeweils unzulässig.
29
Einen Verstoß gegen § 261 StPO können die Beschwerdeführer schon deshalb nicht geltend machen, weil der Senat die behauptete Unrichtigkeit der Urteilsgründe im Hinblick auf die Frage, ob die Angeklagten Aufklärungshilfe im Sinne des § 31 BtMG geleistet haben, ohne eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht überprüfen kann; eine solche Rekonstruktion widerspräche jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Ordnung des Revisionsverfahrens (BGH, Urteil vom 2. November 1982 – 5 StR 622/82, BGHSt 31, 139, 140; Beschlüsse vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, und vom 7. August 2007 – 4 StR 142/07).
30
Als Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO ist die Verfahrensbeanstandung ebenfalls unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil die Beschwerdeführer jedenfalls nicht den Vermerk des Polizeibeamten KOK St. vom 2. November 2015 vorgetragen haben, in welchem der Beamte die Plausibilität der Angaben des Angeklagten J. B. zu seinem Erwerb von 4,5 kg Crystal Meth von der durch ihn benannten Person „Ki. “ bewertet.
31
2. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil eines der Angeklagten ergeben.
32
Insbesondere ist gegen die Verneinung einer Strafmilderung bei den Angeklagten gemäß § 31 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB von Rechts wegen nichts zu erinnern. Denn nach der insoweit maßgeblichen und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe hinreichend begründeten Überzeugung des Tatgerichts haben die Angaben der Angeklagten – unabhängig von der Frage, ob die Angaben vor oder nach dem Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses erfolgt sind – insgesamt zu keinen nennenswerten oder gar wesentlichen Ermittlungsergebnissen geführt (UA S. 11 f., 18, 30).

IV.


33
Mit Blick auf die neue Verhandlung und Entscheidung über die Anordnung des erweiterten Verfalls des Wertersatzes über einen Betrag von 415.800 Euro hinaus bedarf es nicht der Aufhebung der zugehörigen Feststellungen. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Der Senat weist auf die Möglichkeit einer Schätzung gemäß § 73d Abs. 2 i.V.m. § 73b StGB hin.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 186/13
vom
3. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Juli 2013 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. Februar 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Zu der Schuldspruchänderung bemerkt der Senat: Für die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgebend (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 48; Beschlüsse vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 4; vom 27. April 1993 – 4 StR 149/93, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 3). Da nach den Feststellungen die Mittäter des Angeklagten, nachdem die Spielhallenaufsicht unter Zwang die Registrierkasse durch Eingabe des PIN-Codes geöffnet hatte, das in der Kasse befindliche Geld an sich nahmen und in einer Tasche verstauten, hat sich der Angeklagte mittäterschaftlich nicht der räuberischen Erpressung, sondern des Raubes schuldig gemacht. Dass die Aufsicht der Spielhalle zur Preisgabe des PIN-Codes genötigt wurde, rechtfertigt entgegen der Ansicht des Landgerichts keine andere rechtliche Bewertung, weil das erzwungene Verhalten der Genötigten zu keiner Gewahrsamsübertragung führte, sondern lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme eröffnete (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 StR 251/11; Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09 aaO; vom 15. Dezember 1983 – 4 StR 640/83, bei Holtz, MDR 1984, 276; vgl. auch Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38).
Die von der Strafkammer zutreffend bejahte Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist in der Urteilsformel durch die Bezeichnung als besonders schwerer Raub zum Ausdruck zu bringen (st. Rspr.; vgl.BGH, Beschluss vom 3. September 2009 – 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101 mwN). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265 StPO steht nicht entgegen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Reiter
5 StR 366/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2005

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. Mai 2005 werden nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Angeklagten statt wegen versuchter räuberischer Erpressung wegen versuchten schweren Raubes verurteilt sind.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die AngeklagtenB und K wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundsanwalts unbegründet. Jedoch ist entsprechend seines Antrags der Schuldspruch abzuändern.
Nach den Feststellungen glaubten die Angeklagten und die drei Nichtrevidenten, der Geschädigte sei Mittäter eines Diebstahls und wisse, wo das dabei erbeutete Geld – 45.000 Euro in registrierten Scheinen – versteckt sei. Sie lockten den Geschädigten in eine Gartenlaube, fesselten ihn an einen Stuhl und zwangen ihn mit Schlägen und unter Todesdrohungen, die Lage des angeblichen Geldverstecks „unter den Wurzeln einer Eiche“ preiszugeben. Zwei der Täter fuhren mehrmals zwischen der Laube und der be- zeichneten Stelle hin und her, weil sie das Geldversteck nicht finden konnten und den Verdacht hegten, der Geschädigte habe ihnen den falschen Ort benannt. Nach weiteren Gewaltanwendungen und Bedrohungen beschrieb der Geschädigte das angebliche Versteck noch genauer, so dass die Täter hofften , die Beute anhand der ergänzten Angaben doch noch zu finden.
Die Tat stellt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts als versuchter schwerer Raub nach §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1b, 22, 23 StGB dar. Der Tatrichter hat bei der Annahme einer versuchten räuberischen Erpressung übersehen, dass die Angeklagten den Geschädigten allein deshalb gefesselt , geschlagen und bedroht haben, um die spätere Wegnahme des Geldes zu ermöglichen. Durch die erzwungene Preisgabe des Verstecks konnte für sich genommen noch kein Vermögensnachteil bewirkt werden. Auch der zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme erforderliche örtliche und zeitliche Zusammenhang ist gegeben, da ein Teil der Täter den Geschädigten bewachte, während zwei andere mehrfach zwischen dem Ort der Bewachung und dem Ort des vermuteten Verstecks hin- und herfuhren. Dementsprechend wird auch bei erzwungener Bekanntgabe der Zahlenkombination eines Tresorschlosses, die den Täter in die Lage versetzen soll, die Beute später selbst wegzunehmen, die Bemächtigungslage nicht zu einer Erpressung ausgenutzt (vgl. BGH bei Holtz MDR 1984, 276; Herdegen in LK 11. Aufl. § 253 Rdn. 11; Träger/Schluckebier in LK § 239a Rdn. 15; Günther in SK-StGB 5. Aufl. (Stand April 1998) § 249 Rdn. 32; Sander in MK-StGB 2003 § 249 Rdn. 27).
Die Schuldspruchänderung lässt die tateinheitliche Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs unberührt (vgl. Träger/Schluckebier aaO).
Harms Häger Gerhardt Raum Schaal

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 604/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:120117B1STR604.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 12. Januar 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte gehörte zu einer aus ca. 10 - 15 Personen bestehenden Clique von gleichaltrigen Heranwachsenden bzw. jungen Erwachsenen aus dem Gebiet der Stadt L. („L. er Gruppe“), die teilweise in Kon- flikt mit der ebenfalls aus ca. 10 - 15 gleichaltrigen Personen bestehenden Clique aus dem Gebiet der Gemeinde B. („B. er Gruppe“) geriet. Nachdem beide Gruppen bereits am 19. Oktober 2015 aufeinander getroffen waren, sollte am Abend des 23. Oktober 2015 ein weiteres Treffen erfolgen. Vor diesem Treffen hatte sich der Angeklagte ein von ihm verliehenes Springmesser mit einer ca. 10 cm langen einschneidigen und spitz zulaufenden Klinge zurückgeben lassen, das er ab diesem Zeitpunkt mit sich führte, um es ggf. einsetzen zu können.
4
Nachdem sich die beiden Gruppen zunächst erfolglos im Gemeindegebiet von B. gesucht hatten, trafen sie gegen ca. 23.30 Uhr in der Ortsmitte beim Rathaus sukzessive aufeinander, wobei sich zwischen einzelnen Mitgliedern der beiden Gruppen eine Schlägerei entwickelte. Dabei griff der Angeklagte zunächst W. an und es entwickelte sich eine körperliche Auseinandersetzung. In das Geschehen griff der mit einer AnonymousGesichtsmaske maskierte La. schlichtend ein. Dem körperlich überlegenen Angeklagten gelang es, La. an der Kapuze zu packen und gegen einen Pfeiler zu drücken, bevor beide schließlich in einem anschließenden Gerangel das Gleichgewicht verloren und in einen Busch fielen, wobei La. auf dem Angeklagten zum Liegen kam. In dieser Situation zog der Angeklagte das von ihm mitgeführte Springmesser, ließ die Klinge herausfahren und stach La. sinngemäß mit den Worten „Ich stech dir das Messer in die Seite“ in die rechte Brustseite, wo- bei dem Angeklagten bewusst war, dass dieser Stich geeignet war, den Tod des Opfers herbei zu führen, was er billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurde in lebensgefährlicher Weise der obere rechte Lungenlappen verletzt und der Herzbeutel nur um ca. 1 cm verfehlt. Trotz der Stichverletzung gelang es La. , der vom Angeklagten nach dem Stich am Boden festgehalten wurde, sich loszureißen, aufzustehen und weg zu rennen, bevor er entkräftet zusammenbrach.
5
Wenige Augenblicke danach wollte der mit einer Sturmhaube maskierte E. , der aus einigen Metern Entfernung zwar den Sturz des Angeklagten , nicht aber den Messerangriff beobachtet hatte, den Angeklagten mit einem Pfefferspray angreifen, das aber nicht funktionsfähig war, weswegen er die Dose dem Angeklagten entgegen schleuderte, der nun auf ihn zustürmte. Nachdem der Angeklagte den ihm körperlich unterlegenen und nunmehr unbewaffneten E. erreicht hatte, packte er diesen mit der linken Hand am rechten Oberarm, holte mit der rechten Hand aus und stach mit dem Springmesser in der Hand mit nicht unerheblicher Wucht auf E. ein, der sich in diesem Moment selbst nicht zur Wehr setzte. Der Stich durchdrang das Bauchfell und verursachte bei E. vier Perforationen des Dünndarms auf einer Länge von 6 cm, wobei große Blutgefäße und die Hauptschlagader nur knapp verfehlt wurden. Anschließend versetzte der Angeklagte E. noch zwei weitere schmerzhafte Stiche in beide Oberarme, bevor es diesem gelang, sich mit einer Rechtsdrehung aus dem Griff des Angeklagten zu winden, in Panik davon zu rennen und bis zu einer Bushaltestelle zu flüchten, wo er schließlich zusammenbrach.
6
2. Das Landgericht geht bei den zum Nachteil der Geschädigten La. und E. ausgeführten Messerstichen jeweils von einem versuchten Totschlag aus, wobei beide Taten auf Grund der zeitlichen Zäsur zwischen den Verletzungen in Tatmehrheit zueinander stehen. Angesichts der hochgradigen Gefährlichkeit der durch den Angeklagten geführten Messerstiche habe dieser jeweils mit dem Tod des Opfers gerechnet. Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint das Landgericht. Es geht jeweils von einem beendeten Versuch aus, da der Angeklagte nach seiner Vorstellung das Versterben der beiden Geschädigten allein auf Grund der äußerst schweren Verletzungen zumindest für möglich hielt. Unabhängig davon habe der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von möglichen weiteren Messerattacken Abstand genommen, da er die beiden Geschädigten auch nach den Stichen weiter festgehalten habe und es beiden erst gelungen sei, wegzurennen, nachdem sie sich losgerissen hatten.

II.


7
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei jeweils vom beendeten Versuch eines Tötungsdelikts nicht strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN) nicht beachtet, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten.
9
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein unbeendeter Versuch auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seinem Handeln den Erfolgseintritt zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg doch nicht herbeiführen und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Herbeiführung des Erfolges absieht (st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19. Juli 1987 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Beschlüsse vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 und vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mit zahlr. Nachw.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (BGH jeweils aaO).
10
b) Diese Grundsätze hat das Landgericht in beiden Fällen des versuchten Totschlags nicht erörtert, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten. Beiden Geschädigten war es nach den letzten vom Angeklagten ausgeführten Stichen gelungen, sich noch aus eigener Kraft vom Angeklagten loszureißen und wegzurennen, bevor sie letztlich entkräftet zusammenbrachen. Konkrete Feststellungen dazu, wel- che Distanz die beiden Geschädigten bis zu ihrem Zusammenbruch zurückgelegt hatten und ob der Angeklagte dies beobachtet und wahrgenommen hat, werden vom Landgericht nicht getroffen. Die bisherigen Feststellungen lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte, sofern er das Verhalten der Geschädigten alsbald nach der letzten Tathandlung beobachtet hat, nicht mehr davon ausging, diese tödlich verletzt zu haben. Das gilt auch für die Tat zum Nachteil des Geschädigten La. . Trotz des sehr knappen Zeitraums bis zum Beginn der Auseinandersetzung mit dem GeschädigtenE. (UA S. 16), ist nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte das Weglaufen des Geschädigten La. wahrgenommen hat. Damit kann der Senat auf Grund dieses Erörterungsmangels das Vorliegen eines unbeendeten Versuchs nicht ausschließen.
11
3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f. und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
12
4. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten , da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat jedoch zusätzliche Feststellungen zur Frage des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

III.

13
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 6/7) liegt bei dem Angeklagten spätestens seit Mitte 2015 ein polytoxikomaner Substanzmissbrauch vor, wobei der Angeklagte seit Juli 2015 seinen Konsum auf täglich 1,5 g Kokain steigerte und zum „Runterkommen“ und Entspannen auch seinen Cannabiskonsum zumindest am Wochenende aufrecht erhielt. Weiter konsumierte der Angeklagte in erheblichem Umfang auch Alkohol, wobei sich dies bei regelmäßigen „Feiern“ am Wochenende auf bis zu einer halben Fla- sche Wodka (0,7 l) steigerte. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geht das Landgericht (UA S. 53/54) davon aus, dass bei dem Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln oder Alkohol vorliegt, aber weder eine körperliche noch ein psychische Abhängigkeit gegeben ist, so dass es bereits an einem Hang fehlt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, weil der Angeklagte seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum in seinen Alltag „eingepasst“ und dieser keine wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen und sozialen Lebensbereichs bewirkt hat. Auch bestünden „erhebliche Zweifel“ am Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Tat und Hang im Sinne des § 64 StGB, obwohl das Landgericht feststellt, dass beim Angeklagten ein sein Gehalt übersteigender Finanzbedarf bestand, den er durch Einnahmen illegaler Art und Weise zu steigern suchte (UA S. 9) und die vom Angeklagten gegenüber der B. er Gruppe geforderte „Schutzgeldzahlung“ von 5.000 Euro(UA S. 12) letztlich Auslöser für die körperlichen Auseinandersetzungen war.
15
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
16
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15; vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15).
17
b) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mit- hin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Raum Bellay Radtke Fischer Bär
24
b) Zudem erweist sich die Anordnung des Wertersatzverfalls der Höhe nach insoweit als rechtsfehlerhaft, als das Landgericht die Wertsteigerung der Bitcoins bis kurz vor Ende der erstinstanzlichen Hauptverhandlung berücksichtigt hat, obwohl der Angeklagte die Bitcoins bereits zum Zeitpunkt seiner Festnahme zum weit überwiegenden Teil nicht mehr innehatte.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 645/17
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:180718U5STR645.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juli 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21. September 2017 aufgehoben ,
a) soweit das Landgericht davon abgesehen hat, gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen; insoweit wird gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 54.700 Euro als Gesamtschuldner angeordnet ;
b) soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Einziehung von Tatmitteln anzuordnen; insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit besonders schwerem Raub sowie mit gefährlicher Köperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung zu erlittener Auslieferungshaft getroffen. Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Die ebenfalls auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich allein gegen die Entscheidungen des Landgerichts, von einer Einziehung des Wertes der Taterträge und von Tatmitteln abzusehen. Während das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, ist dasjenige des Angeklagten unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts drangen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte Ma. gemeinsam mit zwei weiteren Mittätern am Abend des 14. September 2012 in das von J. und Y. H. bewohnte Haus ein. Sie überwältigten und fesselten die beiden Bewohner. Der Angeklagte, der in seinem Rucksack zwei mit scharfer Munition geladene Pistolen mit sich führte, mit denen er und Ma. etwaigen Widerstand der Bewohner brechen und diese zur Herausgabe von Wertgegenständen zwingen wollten, packte die Waffen aus und gab eine davon Ma. . Unter Vorhalt der Pistolen zwangen sie den Geschädigten Y. H. , sie zu dem Tresorraum des Hauses zu führen. Aus Angst um sein Leben und das seines Lebens- gefährten öffnete Y. H. den Tresorraum und händigte dem Angeklagten , Ma. und einem der Mittäter 41.500 Euro Bargeld sowie eine Halskette im Wert von 3.750 Euro, 18 Armbanduhren mit einem durchschnittlichen Wert von jeweils 500 Euro, die der Angeklagte noch im Tresorraum aus ihrer Verpackung entnahm, und eine weitere Uhr im Wert von 1.950 Euro aus. Sie verstauten die Beute in mitgebrachten Rucksäcken, um sie dem Tatplan entsprechend für sich zu behalten. Vor ihrer Flucht riss der Angeklagte dem Geschädigten J. H. eine goldene Halskette vom Hals, die er noch vor dem Verlassen des Grundstücks wieder verlor. Außerdem verloren der Angeklagte und seine beiden Mittäter dort drei der 18 Armbanduhren, die an die Geschädigten zurückgelangten.
3
2. Das Landgericht hat von der Anordnung einer Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB abgesehen, weil ein dem Angeklagten zuzurechnender Tatertrag nicht sicher habe festgestellt werden können. Im Hinblick auf die von den beiden Geschädigten geschilderte Hierarchie zwischen Ma. als „Bandenboss“ bzw. „Wortführer“ und den weiteren Mittätern einschließlich des Angeklagten könne nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Tatbeute bei der Übergabe durch den Geschädigten Y. H. in die (Mit-)Verfügungsgewalt des Angeklagten übergegangen sei. Vielmehr sei es möglich, dass Ma. als Planer und Wortführer des Überfalls auch über die Beuteteilung allein habe entscheiden sollen, sodass die gesamte Tatbeute bis zu einer solchen Teilung unter den Mittätern seiner alleinigen Verfügungsgewalt unterlegen habe. Anhaltspunkte für vom Angeklagten bei einer etwaigen späteren Beuteteilung konkret Erlangtes fehlten.
4
Eine Einziehung von Tatwerkzeugen habe nach § 74 Abs. 3 StGB unterbleiben müssen, da die am Tatort zurückgelassenen Einbruchswerkzeuge nicht hinreichend sicher dem Angeklagten hätten zugerechnet werden können.

II.


Die wirksam auf die Nichtanordnungen der Einziehung des Wertes der
5
Taterträge (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175 f. mwN) und der sicherungsweisen Einziehung von Tatmitteln (vgl. Quentin in MüKo-StPO, § 318 Rn. 68; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 318 Rn. 22 mwN) beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
6
1. Die Entscheidung des Landgerichts, von einer Einziehung des Wertes der Taterträge gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB abzusehen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f., und vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17 mwN). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können.
Faktische Mitverfügungsgewalt kann aber – jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden , Teile der Beute in den Händen haltenden Mittäter – auch dann vorliegen , wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (vgl. zur Zurechnung bei Mittäterschaft und in einem Ausnahmefall auch BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18 mwN).
8
b) Nach diesem Maßstab hatte der Angeklagte jedenfalls gemeinsam mit seinen im Tresorraum anwesenden Mittätern tatsächliche (Mit-)Verfügungsgewalt über die Gesamtbeute bereits dort erlangt.
9
Sie gingen bei der unmittelbaren Tatausführung arbeitsteilig vor, ließen sich gemeinsam die im Tresorraum aufbewahrten Gelder und Wertgegenstände aushändigen und verstauten die Beute in zu deren Abtransport mitgebrachten Rucksäcken, um sie „für sich“ zu behalten (UA S. 12). Wollte und hatte damit jeder der vor Ort anwesenden Tatbeteiligten die Beute „für sich“ behalten, so hat jeder von ihnen Verfügungsmacht über sie beansprucht und auch innegehabt. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise , ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beteiligte eine unmittelbar durch die Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, aaO S. 46, und vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17, jeweils mwN). Die vom Landgericht als maßgeblich erachtete Erwägung, eine alleinige Verfügungsge- walt des „Bandenbosses“ergäbe sich aus dessen überragender hierarchischer Stellung, geht deshalb im Ansatz fehl.

c) Der Angeklagte hat danach – unter Nichtberücksichtigung der noch
10
beim Tatort verlorenen Wertgegenstände – eine Beute im Gesamtwert von 54.700 Euro durch die Tat erlangt. Da diese selbst nach § 73 Abs. 1 StGB nicht mehr eingezogen werden kann, unterliegt der deren Wert entsprechende Geldbetrag gemäß § 73c Abs. 1 StGB der Einziehung.
Der Senat bestimmt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen
11
Urteilsfeststellungen und in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Wert des von dem Angeklagten Erlangten selbst und ordnet insoweit auch dessen gesamtschuldnerische Haftung an (vgl. zur klarstellenden Tenorierung einer im Urteilszeitpunkt bekannten gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Tatbeteiligter BGH, Urteile vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17; vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18; Beschlüsse vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12, NStZ 2013, 401; vom 18. Juli 2013 – 4 StR 171/13; vom 20. Februar 2018 – 2 StR 12/18).
2. Auch die Entscheidung des Landgerichts, von einer Einziehung si12 chergestellter Tatmittel abzusehen, hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Insoweit hat es die Vorschrift des § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB aF unberücksichtigt gelassen, wonach im Eigentum Dritter stehende Gegenstände eingezogen werden können, wenn die Gefahr besteht, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden.
13
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt: „Eine solche individuelle Gefährlichkeit ist nicht bereits dann zu be- jahen, wenn die bloße gedankliche Möglichkeit einer rechtswidrigen Verwendung vorliegt, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte diese nahelegen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 1991 – 3StR 284/90, BGHR StGB § 74 Abs. 2 Nr. 2 Gefahr 2). Ob die Umstände eine nahe Wahrscheinlichkeit für eine Verwendung unter Missachtung der Rechtsordnung begründen, ist im Wesentlichen Tatfrage. Bei Gegenständen, die praktisch nicht anders als auf rechtswidrige Weise verwendet werden können, kann eine konkrete Gefahr ohne weiteres anzunehmen sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 1988 – 1 StR 257/88, BGHR StGB §74 Abs. 2 Nr. 2 Gefahr

1).

Hiervon ausgehend drängt sich eine konkrete Gefahr für die im vorliegenden Fall sichergestellten Einbruchswerkzeuge (vgl. Fischer, StGB 65. Aufl. § 74b Rn. 6) in Form eines Brecheisens, eines Multitools , eines Bolzenschneiders und eines Nothammers auf, während sich dies für das sichergestellte Fesselmaterial (Kabelbinder und Paketklebeband) nicht von selbst versteht. Die Entscheidung über die Einziehung bedarf deshalb weiterer Feststellungen durch das mit der Sache neu zu befassende Tatgericht.“
14
Dem schließt sich der Senat an.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, weil die Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat. Insbesondere genügt die Darstellung des DNA-Gutachtens den Anforderungen, die die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490; Beschlüsse vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 und vom 18. Januar 2018 – 4 StR 377/17 jeweils mwN). Nähere Darlegungen im Urteil zur vom Sachverständigen herangezogenen Vergleichs-Datenbank verlangt sie bei dem inzwischen in weiten Teilen standardisiertem Verfahren nicht. Ob solche Ausführungen im Sachverständigen- gutachten geboten sind – worauf die von der Revision angeführten Zitate hindeuten könnten – bedarf keiner Entscheidung, da auf die Sachrüge hin nur das Urteil der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Köhler

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 311/18
vom
2. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:020818B1STR311.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Zustimmung und auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2, § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO am 2. August 2018 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. März 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Ausspruch über die Einziehung des Haschischgrinders entfällt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in sechs Fällen, wegen versuchten Diebstahlsin Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung verschiedener am 4. November 2017 beim Angeklagten sichergestellter Gegenstände angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
2
Der Senat beschränkt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Verfolgung der Taten auf die vom Landgericht mit Ausnahme der angeordneten Einziehung des Haschischgrinders festgesetzten Rechtsfolgen (§ 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO), da die Einziehung des Haschischgrinders neben den übrigen Rechtsfolgen nicht ins Gewicht fällt.
3
Die darin enthaltene Teilbeschränkung innerhalb der Einziehungsentscheidung ist zulässig. Die Gegenauffassung, die auf den Gesetzeswortlaut „wenn“ im Gegensatz zu dem „soweit“ in der früheren Vorschrift des § 430 StPO aF verweist (Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 421 Rn. 2), überzeugt nicht, da die Teilbeschränkung als „Minus“ vom Gesetzeswortlaut ebenso erfasst wird und verfahrensökonomische Gründe gerade auch für eine Teilbeschränkung sprechen können. Zudem sollte nach dem Willen des Gesetzgebers insoweit mit der neuen Regelung keine Änderung verbunden sein (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 87: „Die Regelung entspricht weitgehend dem geltenden Recht. … Neu ist lediglich, dass von der Einziehung auch abgesehen werden kann, wenn das Erlangte lediglich einen geringen Wert hat.“).
4
Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Raum Fischer Bär
Hohoff Pernice