Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2013 - 5 StR 378/12

bei uns veröffentlicht am22.01.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 378/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt I.
als Verteidiger für den Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin E.
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 20. April 2012 aufgehoben, soweit dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das vorgenannte Urteil hinsichtlich des Angeklagten K. mit den Feststellungen aufgehoben.
Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten des (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten B.
darüber hinaus des damit tateinheitlich verwirklichten versuchten Mordes und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen. Jeweils unter Anrechnung erlittener Auslieferungshaft hat es gegen den Angeklagten B. eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und vier Monaten und gegen den Angeklagten K. eine solche von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Gegen die Verurteilung richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Mit gleichfalls auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen erstreben die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger die Verurteilung des Angeklagten K. auch wegen versuchten Mordes. Während die Rechtsmittel der Angeklagten jeweils einen Teilerfolg erzielen, führen die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers zur umfassenden Aufhebung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten K. .
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 25. April 2011 überquerten die Angeklagten zu Fuß die deutschtschechische Grenze. Sie wollten in Deutschland ein Auto aufbrechen. Gegen 18.00 Uhr trafen sie an einem Garagenkomplex in Ebersbach ein. Der 67 Jahre alte Nebenkläger belud dort gerade seinen VW Golf mit Sommerreifen , die er am nächsten Tag aufziehen lassen wollte. Die Angeklagten beschlossen , den Golf notfalls unter Einsatz von Gewalt zu entwenden. B. sprach den Nebenkläger an. Als dieser sich umdrehte, versetzte er ihm einen Faustschlag ins Gesicht, worauf der Nebenkläger zu Boden stürzte. B. zerrte ihn in die Garage neben den Wagen. K. schloss absprachegemäß von außen die Garagentore, damit etwaige Hilfeschreie nicht gehört werden könnten. In der Garage schlug B. auf den rücklings auf dem Boden liegenden Nebenkläger ein. Dessen Kleidung durchsuchte er nach dem Autoschlüssel. Nachdem er den Schlüssel gefunden hatte, wollte er in den Wagen einsteigen. Der Nebenkläger versuchte, dies zu verhindern. Um sich in den Besitz des Autos zu bringen, trat B. den Nebenkläger mit seinem mit fester Sohle beschuhten Fuß von oben heftig so lange gegen den Kopf und ins Gesicht, bis dieser besinnungslos wurde. Dann stieg er in den Wagen ein und startete den Motor.
4
K. hatte während des Geschehens draußen gewartet. Die Schläge und die Schmerzensschreie des Nebenklägers hatte er gehört. Er öffnete das Garagentor. B. fuhr rückwärts aus der Garage, K. setzte sich auf den Beifahrersitz. Die Angeklagten fuhren nach Tschechien. B. hatte wahrgenommen, dass der Nebenkläger lebensbedrohende Verletzungen erlitten hatte. K. wusste davon nichts. Den Golf verkaufte B. an einen Hehler. Den Erlös von 25.000 tschechischen Kronen (etwa 1.000 €) teilten die Angeklagten untereinander auf.
5
Der Nebenkläger erlitt schwerste multiple Knochenbrüche im Gesicht und am Schädel. Sein rechtes Auge löste sich ab und trat aus dem Schädel hervor. Zwar konnte das Gesicht nach zahlreichen Operationen wieder vollständig hergestellt werden. Jedoch verblieben irreversible Beeinträchtigungen des Sehvermögens.
6
2. Die Revision des Angeklagten B. führt zur Aufhebung des Urteils, soweit die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) betroffen ist. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keine durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufgedeckt.
7
a) Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Das Landgericht hat die Verurteilung auch wegen versuchten Mordes maßgebend auf das weitgehende Geständnis dieses Angeklagten gestützt, das in der Spurenlage und dem rechtsmedizinischen Gutachten unter anderem zu ausschließlich von diesem verursachten DNA-Spuren an der Kleidung des Nebenklägers seine Bestätigung gefunden hat. Die Einlassung des Angeklagten , er habe die schweren Verletzungen versehentlich verursacht, hat es – sachverständig beraten – schlüssig widerlegt. Durch Beweiswürdigungs- fehler in Bezug auf den Angeklagten K. wird der Bestand der Verurteilung demgemäß nicht in Frage gestellt.
8
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Einen die Schuldfähigkeit relevant beeinträchtigenden Defekt des Angeklagten aufgrund akuter Drogenintoxikation hat die Schwurgerichtskammer zutreffend ausgeschlossen. Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit wegen der Auswirkungen eines Entzugssyndroms des nicht schwerstabhängigen Angeklagten (vgl. hierzu Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 11a mit zahlreichen Nachweisen) bieten die Urteilsgründe nicht. Dass das Landgericht irrtümlich eine hypothetische Gesamtstrafenlage mit Blick auf vor der verfahrensgegenständlichen Tat erfolgte Verurteilungen des Angeklagten in Tschechien angenommen und die an sich verwirkte Strafe deshalb um acht Monate vermindert hat, wirkt sich zu dessen Vorteil aus.
9
c) Zutreffend verweist der Generalbundesanwalt hingegen darauf, dass es die Schwurgerichtskammer rechtsfehlerhaft versäumt hat, die Voraussetzungen des § 64 StGB zu erörtern. Nach den Feststellungen missbraucht der Angeklagte B. seit seinem 15. Lebensjahr vor allem Cannabis und Crystal; mehrere Entzugsmaßnahmen sind ohne Erfolg geblieben (UA S. 4 f.). Die Tat wurde begangen, weil die Angeklagten Geld zur Beschaffung von Drogen benötigten (UA S. 16), wofür ein Teil des Erlöses dann auch eingesetzt wurde (UA S. 18). Unter solchen Vorzeichen war das Landgericht gehalten, sich mit der Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Einzelnen auseinanderzusetzen. Zwar bietet das Urteil Anhaltspunkte dafür , dass eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht besteht (namentlich mehrere erfolglose Behandlungen), sowie dafür, dass das Ermessen unter Umständen im negativen Sinne ausgeübt werden kann (womöglich fehlende deutsche Sprachkenntnisse des nicht in Deutschland wohnenden Angeklagten; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5 StR 255/11, StV 2012, 281 Rn. 10 f., sowie Basdorf/Schneider /König in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 59, 62 ff.). Jedoch ver- mag der Senat die erforderliche Prüfung nicht selbst durchzuführen. Das neue Tatgericht wird die Prüfung mithin unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) nachzuholen haben. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es insoweit nicht; das neue Tatgericht wird die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen haben. Dass die Strafe geringer ausgefallen wäre, wenn das Landgericht die Maßregel angeordnet hätte, schließt der Senat aus.
10
3. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers beanstanden im Ergebnis mit Recht die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts, derentwegen der Angeklagte K. nur wegen eines Raubund Körperverletzungsdelikts verurteilt worden ist. Zwar ist entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft schon wegen der weitgehenden Geständnisse der Angeklagten in Verbindung mit der Spurenlage keine Aussage-gegenAussage -Konstellation mit den dafür geltenden strengen Darlegungsanforderungen gegeben. Jedoch begegnen die sehr knappen Ausführungen der Schwurgerichtskammer betreffend die Beteiligung dieses Angeklagten an dem unmittelbar durch B. begangenen Mordversuch auch eingedenk des insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes durchgreifenden Rechtsbedenken.
11
a) Das Landgericht hat dem Angeklagten B. nicht geglaubt, dass sein Mittäter während der Tat in der Garage hinter dem VW Golf stand und im Kofferraum nach dem Fahrzeugschlüssel suchte. Zur Begründung stützt es sich maßgebend auf die Überlegung, die Anwesenheit des K. am Kofferraum ergebe keinen Sinn, weil von dort aus kein Zugriff auf den Schlüssel möglich gewesen sei; dass der Nebenkläger während des Beladens im Kofferraum den Schlüssel abgelegt habe, sei nicht lebensnah, weil er dann die Reifen wieder hätte herausholen müssen, um an den Schlüssel zu gelangen (UA S. 29).
12
Diese Ausführungen entbehren einer tatsächlichen Grundlage. Weder widerspricht es den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass Autoschlüssel während dort ausgeführter Arbeiten im Kofferraum abgelegt werden, noch wird der Kofferraum durch Reifen so weit abgedeckt, dass die Wiederaufnahme eines Schlüssels deren vorherige Entfernung erfordern würde. Darüber hinaus bezieht die Schwurgerichtskammer einen weiteren nachvollziehbaren Grund für den Standort des K. hinter dem Fahrzeug an dieser Stelle nicht hinreichend ein. Nach der Einlassung des Angeklagten B. zog K. die Garagentür von innen zu, weil der Nebenkläger um Hilfe gerufen hatte (UA S. 20). Dass sie zugezogen wurde, um die Schreie des Nebenklägers nicht nach draußen dringen zu lassen, nimmt auch die Schwurgerichtskammer an. Vor diesem Hintergrund ist zugleich der ausschließlich kriminalistischen Hypothese des Landgerichts, die „Verbrechervernunft“ lasse ein „Schmierestehen“ des – solches freilichbestreitenden – K. sinnvoll erscheinen, eine ebenso gut denkbare Sachverhaltsalternative gegenübergestellt , die eingehenderer Würdigung bedurft hätte.
13
b) Die Schwurgerichtskammer hat ferner nicht erkennbar bedacht, dass alle von ihr angesprochenen tatsachenfundierten Umstände (an den Seiten enge Garage, keine Spuren des K. am Opfer und in der Garage , Bekundung der Nichtanwesenheit schon im Rahmen der ersten Vernehmung des K. ) mit den Angaben des Angeklagten B. ohne Weiteres vereinbar und demzufolge nicht geeignet sind, deren Glaubhaftigkeit zu erschüttern. Hinzu kommt, dass K. nach eigener Einlassung im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung in einem zentralen Punkt gelogen hatte, indem er behauptete, er sei nicht mit B. nach Tschechien zurückgefahren, sondern zu Fuß gegangen. Schließlich lassen die Urteilsgründe eine Erörterung vermissen, aus welchem Grund der seinen Mittäter keiner eigenhändigen Beteiligung an den Gewalttätigkeiten bezichtigende Angeklagte B. dessen Anwesenheit in der Garage statt eines nach Auffassung der Schwurge- richtskammer tatsächlich erfolgten „Schmierestehens“ behaupten sollte.
14
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung , und zwar ungeachtet dessen, dass ein mittäterschaftlicher Tötungsvorsatz des nicht selbst Gewalt anwendenden Angeklagten K. nicht überaus nahe liegt; dies gilt sogar für ein Erfassen der Schwere der Verletzungen des Nebenklägers bei Verlassen des Tatortes, das eine Handlungspflicht K. s ausgelöst und dessen Verurteilung wegen versuchten Mordes durch Unterlassen zur Folge hätte haben können.
15
Obgleich die Verurteilung des Angeklagten K. wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung letztlich frei von durchgreifenden Rechtsfehlern wäre (dazu Ziffer 4 Buchst. a), muss der Schuldspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben werden. Denn es steht eine natürliche Handlungseinheit in Frage, wobei die neue Hauptverhandlung in Bezug auf den Beitrag des Angeklagten K. einen anderen als den durch die Schwurgerichtskammer festgestellten Sachverhalt ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; siehe auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 4 StR 392/12 mwN). Dem neuen Tatgericht muss eine Beurteilung auf widerspruchsfreier Grundlage ermöglicht werden.
16
4. Die Revision des Angeklagten K. hat nur zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
17
a) Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
18
aa) Die Annahme des Landgerichts, die Ausübung körperlicher Gewalt sei Bestandteil des gemeinsamen Tatplans gewesen, ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht stellt darauf ab, dass beide Angeklagten nicht mit einer freiwilligen Herausgabe des Schlüssels rechnen konnten, zumal sie nicht wussten, wo sich jener befand. Deswegen habe (auch) der Angeklagte K. zumindest damit gerechnet, dass der Schlüssel womöglich nur durch direkte Gewaltanwendung erlangt werden könne. Dies hält sich im Rahmen zulässiger tatgerichtlicher Beurteilung.
19
bb) Dahingestellt bleiben kann, ob die Feststellungen für die Annahme des Qualifikationstatbestands der Verursachung einer Lebensgefahr (§ 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB) in subjektiver Hinsicht hinreichen würden. Denn das Landgericht hat sich vom Qualifikationstatbestand der schweren körperlichen Misshandlung nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB aufgrund der eigenen Einlassung des Angeklagten K. überzeugt, er habe die durch B. vollführten Schläge und das Jammern des Nebenklägers gehört. Deren Billigung ergibt sich spätestens aus dem gemeinsamen Wegfahren des geraubten VW Golf und der danach erfolgenden hälftigen Aufteilung der Beute. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
20
cc) Die Angriffe der Verteidigung gegen eine Heranziehung belastender Bekundungen des Angeklagten B. betreffend das angenommene „Schmierestehen“ gehen fehl. Zwar ist die Darlegung beider Einlassungen im angefochtenen Urteil denkbar knapp ausgefallen. Indessen hat die Schwurgerichtskammer die – zu eigenen Gewalthandlungen in Teilen widerlegte – Einlassung des Angeklagten B. nicht maßgebend zum Nachteil des Angeklagten K. verwertet. Vielmehr hat sie sich tragend auf die Angaben des Angeklagten K. selbst in Verbindung mit den äußeren Umständen gestützt und auf dieser Grundlage die durch diesen Angeklagten erhobene Behauptung eines „unbeteiligten“ Verweilens vor der Garage nachvollziehbar widerlegt. Der Wertungsfehler zum Ausschluss der Anwesenheit des K. in der Garage (Ziffer 3) wirkt sich dabei nicht zu dessen Nachteil aus.
21
b) Hingegen verfällt der Rechtsfolgenausspruch der Aufhebung. Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts hat die Schwurgerichtskammer trotz von ihr angenommener Aufklärungshilfe (UA S. 40) die sich danach aufdrängenden Voraussetzungen des § 46b StGB nicht erörtert.
Ferner war auch für den Angeklagten K. aus im Wesentlichen gleichen Gründen wie beim Angeklagten B. die Prüfung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unabdingbar. Die Feststellungen betreffend K. sind auf die Revision der Staatsanwaltschaft ohnehin umfassend aufgehoben.
Basdorf Raum Schneider Dölp König

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2013 - 5 StR 378/12

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2013 - 5 StR 378/12 zitiert 6 §§.

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10
a) Dem Sachverständigen folgend hat die Schwurgerichtskammer bei dem Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB und den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat festgestellt. Von der Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB hat sie gleichwohl im Hinblick auf ungenügende Sprachkenntnisse des Angeklagten abgesehen. Mangels konstruktiver Kommunikationsmöglichkeiten könne keine Erfolg versprechende Therapie durchgeführt werden. In derartigen Fällen sehe die derzeitige Fassung des § 64 StGB vor, von einer Unterbringung Abstand zu nehmen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 392/12
vom
24. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 4. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Geldschulden in Höhe von 1.000 Euro bei seinem Bekannten D. . Um diese nicht in bar zurückzah- len zu müssen, transportierte er am 7. Oktober 2011 für diesen zwei Kilogramm Marihuana von H. nach O. . Auf eine telefonische Bitte des D. unterbrach er seine Fahrt in L. und übernahm dort zwei weitere Kilogramm Marihuana, die er für 500 Euro zu einer Adresse inG. verbrachte. Das in H. übernommene Marihuana händigte der Angeklagte zunächst seinem Auftraggeber D. in O. aus. Eines der beiden Kilos kaufte er ihm auf Kommission ab und veräußerte es anschließend mit einem Aufschlag von zwei Euro pro Gramm an eigene Abnehmer weiter. Das Marihuana hatte einen THC-Anteil von 1 %. Mit dem erzielten Gewinn wollte der Angeklagte Schulden bezahlen und seinen Lebensunterhalt bestreiten. 1.000 Euro zahlte er als Vorkasse für den Erwerb einer größeren Menge Amphetamin an einen Rauschgifthändler in den Niederlanden (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
3
Am 28. Oktober 2011 fuhr der Angeklagte nach Ha. , um dort von seinem niederländischen Lieferanten verabredungsgemäß Amphetamin für sich und D. in Empfang zu nehmen. Die Fahrt wurde von der Polizeiüberwacht. Nachdem seine niederländischen Geschäftspartner nicht an dem abgesprochenen Treffpunkt erschienen waren, nahm der Angeklagte Kontakt zu ihnen auf und vereinbarte ein Treffen in R. . Dort übernahm er am 29. Oktober 2011 insgesamt 7.231 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Amph-HClAnteil von 419,28 Gramm. Das Rauschgift verbaute er anschließend in seinem Fahrzeug und überquerte damit die niederländisch-deutsche Grenze. Nach seiner Einreise wurde er festgenommen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
4
Das Landgericht hat die Vorgänge vom 7. Oktober 2011 als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Tat vom 28./29. Oktober 2011 als unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.

II.


5
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
6
1. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil dem Landgericht bei der Bestimmung der Strafe ein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen ist und eine neue Strafzumessung nur bei gleichzeitiger Aufhebung des Schuldspruchs möglich ist.
7
a) Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er „nicht aus einer Abhängigkeit heraus Handel trieb und das Handeltreiben unterstützte“ (UA 9). Diese Erwägung ist – wie sich aus der allgemeinen Bezugnahme ergibt (UA 10) – auch in die Bemessung der dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. den §§ 27, 49 StGB entnommenen Strafe mit gleicher Bewertungsrichtung eingeflossen (UA 10). Da die vorhandene Gewinnorientierung des Angeklagten zusätzlich straferschwerend berücksichtigt worden ist, handelt es sich bei dieser Formulierung nicht lediglich um die negative Beschreibung der festgestellten Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350), sondern um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung. Dabei beschränkt sich das Landgericht nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen, sondern misst die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; vom 20. August 1982 – 3 StR 283/82, NStZ 1982, 463; vom 19. November 1992 – 4 StR 549/92, StV 1993, 132; vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Aus den gleichen Gründen ist es auch bedenklich, dass das Landgericht mit negativer Bewertungsrichtung angeführt hat, dass der Angeklagte dem zweiten von ihm unterstützten Auftraggeber „keinen Gefallen“ schuldete (UA 10).
8
b) Der Schuldspruch war mitaufzuheben, weil es das Landgericht unterlassen hat, eine Strafbarkeit des Angeklagten unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2000 – 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2). Nach den bisherigen Fest- stellungen drängte es sich auf, die Frage zu erörtern, ob sich der Angeklagte auch des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht hat (zum Konkurrenzverhältnis : Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29a Rn. 173 mwN). Soweit der Angeklagte selbst ein Kilogramm Marihuana erworben und gewinnbringend weiterverkauft hat, erfüllt dies die Voraussetzungen eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Insofern hat sowohl für das Konkurrenzverhältnis als auch die Frage, ob es sich um dieselbe prozessuale Tat handelt, die nicht eindeutig festgestellte zeitliche Abfolge zwischen dem Transport des Marihuanas für D. und dem anschließenden Ankauf Bedeutung. Eine nur auf den Strafausspruch beschränkte Aufhebung könnte unter Umständen dazu führen, dass der neue Tatrichter gehindert ist, durch widerspruchsfreie Feststellungen den richtigen Ausgangspunkt für eine unter Beachtung des Verschlechterungsgebots (§ 358 Abs. 2 StPO) schuldangemessene Ahndung der Tat zu finden (BGH, Urteil vom 3. März 2000 – 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2; Beschluss vom 11. November 1981 – 3 StR 342/81, zitiert bei Holtz MDR 1982, 281, 283). Eine Schuldspruchberichtigung kommt nicht in Betracht, weil die bisherigen Feststellungen nicht vollständig sind und deshalb den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht hinreichend erkennen lassen.
9
2. Die Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 2 der Urteilsgründe ist aufzuheben , weil die getroffenen Feststellungen ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht belegen.
10
a) Der Senat entnimmt den Feststellungen, dass die von dem Angeklagten in R. übernommene und auf das Bundesgebiet verbrachte Amphetaminzubereitung teilweise für ihn selbst und teilweise für D. bestimmt war. Bei dieser Sachlage kommt eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nur dann in Betracht, wenn in der auf ihn entfallenden und zur Weiterveräußerung bestimmten Teilmenge ein den Grenzwert zur nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (10 Gramm Amphetaminbase) überschreitender Wirkstoffanteil enthalten war oder aber eine Zurechnung der Gesamtmenge nach den Grundsätzen über die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) erfolgen kann. Letztere setzt dabei auch hier eine wertende Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände voraus, wobei dem jeweiligen Interesse am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung und dem Vorhandensein von Tatherrschaft eine indizielle Bedeutung zukommen (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 131/12, Rn. 5; vom 14. August 2002 – 2 StR 249/02, NStZ 2003, 90, 91). Dabei kann ein mittäterschaftliches Handeltreiben anzu- nehmen sein, wenn der gemeinsame Ankauf der Kostenreduktion und der Erzielung eines günstigen Einkaufpreises dienen sollte (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 1 StR 137/02, NStZ-RR 2003, 57, 58). Das Urteil enthält weder Feststellungen zu dem Anteil des Angeklagten an der Gesamtmenge, noch eine revisionsrechtlicher Überprüfung zugängliche wertende Betrachtung der jeweiligen Tatbeiträge. Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.
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b) Der neue Tatrichter wird dabei zu beachten haben, dass es bei Amphetaminzubereitungen für die Bestimmung der nicht geringen Menge auf den Amphetaminbase-Anteil ankommt (BGH, Urteil vom 11. April 1985 – 1 StR 507/84, NStZ 1986, 33). Das Landgericht hat sich bei seiner Bewertung an dem nicht maßgeblichen Amph-HCl-Gewichtsanteil orientiert, ohne die gebotene Umrechnung in Amphetaminbase vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 2 StR 157/11, Rn. 3; vom 19. Juli 2007 – 3 StR 257/07, Rn. 2 zur Umrechnung bei Amphetaminsulfat).
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Der Senat lässt offen, ob es sich bei Amphetamin um eine „harte Droge“ handelt, deren Gefährlichkeit unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Wirkstoffkonzentration straferschwerend berücksichtigt werden darf (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1997 – 2 BvR 509/96 u.a., NJW 1998, 669, 671).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.