Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 5 StR 465/17

bei uns veröffentlicht am10.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 465/17
vom
10. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2018:100118U5STR465.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Januar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 2. Juni 2017 im Ausspruch über den Verfall dahingehend abgeändert, dass Verfall von Wertersatz in Höhe von 11.745 Euro und erweiterter Verfall in Höhe von 17.935 Euro angeordnet werden.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen
1
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es den erweiterten Verfall von Wertersatz in Höhe von 10.745 Euro und den erweiterten Verfall in Höhe von 17.925 Euro angeordnet. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271) auf die Verfallsentscheidung beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel hat nur im tenorierten Umfang Erfolg; überwiegend ist es unbegründet.

I.


1. Soweit infolge der Revisionsbeschränkung von Bedeutung, hat das
2
Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Im Juli 2015 verkaufte der Angeklagte 200 Gramm Methamphetaminge3 misch (Crystal) an den anderweitig Verfolgten R. für 7.000 Euro, dem er im Januar und Februar 2016 noch in drei weiteren Fällen jeweils 20 Gramm Methamphetamingemisch für 35 Euro pro Gramm veräußerte. Etwa Anfang Juni 2016 verkaufte der Angeklagte dem gesondert Verfolgten M. 200 Gramm Marihuana für fünf Euro pro Gramm. Diesem lieferte er etwa zwei Wochen vor dem 10. November 2016 noch 35 Gramm Methamphetamingemisch zu einem Kaufpreis von 35 Euro je Gramm und bei einer anderen Gelegenheit sechs Gramm Kokain zu einem Grammpreis von 70 Euro. Bei einer am 10. November 2016 durchgeführten Durchsuchung seines Anwesens wurden außer diversen Betäubungsmitteln eine hochwertige Digitalkamera und über 120.000 Euro aufgefunden, die der Angeklagte an verschiedenen Orten überwiegend versteckt aufbewahrte. Davon lagen insgesamt 17.935 Euro verpackt in drei Cliptüten mit je 5.000 Euro sowie 2.935 Euro in losen Scheinen neben einem Glas mit Methamphetamingemisch bzw. in dessen unmittelbarer Nähe.
4
2. Das Landgericht hat sich bei seiner Anordnung des erweiterten Verfalls nur hinsichtlich des Geldbetrages von 17.935 Euro davon überzeugen können, dass das Geld aus weiteren Betäubungsmittelgeschäften oder anderen nicht konkretisierbaren Straftaten herrührt. Nur insoweit sei das Geld wegen seines Fundorts unmittelbar neben Betäubungsmitteln und angesichts seiner Stückelung unzweifelhaft einem Betäubungsmittelhandel zuzuordnen (UA S. 31). Hinsichtlich der übrigen Gelder komme zum einen in Betracht, dass sie aus konkretisierbaren Steuer- und Zoll- (Zigarettenschmuggel) sowie Betrugsvergehen (Sozialleistungsbezug) stammten und insoweit in gesonderten Strafverfahren ein Verfall von Wertersatz nach § 73 StGB möglich sei (UA S. 29). Außerdem habe der Angeklagte über legale Einkünfte in erheblicher Höhe verfügt , so dass bei seiner bescheidenen Lebensführung ein Teil des aufgefundenen Bargelds auch legal angespart worden sein könne.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft hat nur geringfügigen Erfolg.
5
1. Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kommt noch
6
das bis 30. Juni 2017 geltende Recht zur Anwendung, da nach der Übergangsregelung in Art. 316h Satz 2 EGStGB die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht in Verfahren anzuwenden sind, in denen – wie hier – bis 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.
7
2. Die Anordnung des erweiterten Verfalls von Wertersatz hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Vorschrift des § 73d StGB a.F. regelt lediglich den Fall, dass der Tä8 ter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts für oder aus anderen als den verfahrensgegenständlichen Taten erlangt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 StR 386/08, BGHR StGB § 73a Anwendungsbereich 2). Das Landgericht hätte deshalb anstelle von erweitertem Verfall von Wertersatz (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 73d Abs. 1 und 2 StGB a.F.) auf den Verfall von Wertersatz gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB a.F. erkennen müssen, da es ohne Rechtsfehler davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte den insoweit für verfallen erklärten Betrag aus den abgeurteilten Taten 1 bis 5 sowie 7 und 8 erlangt hat, die von ihm jeweils aus den Verkäufen herrührenden Geldscheine sich aber nicht mehr in seinem Besitz befanden.
Dem Landgericht ist bei der Berechnung des Verfallsbetrags in der an9 geordneten Höhe von 10.745 Euro zudem ein Additionsfehler unterlaufen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erzielte der Angeklagte aus den Betäubungsmittelgeschäften Verkaufserlöse von 7.000 Euro (Tat 1), 2.100 Euro (Taten 2 bis 4), 1.000 Euro (Tat 5), 1.225 Euro (Tat 7) und 420 Euro (Tat 8), so dass sich der Wertersatzverfall auf einen Betrag von insgesamt 11.745 Euro beläuft.
Der Senat hat daher in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1
10
StPO den Ausspruch über den Verfall von Wertersatz für die aus den Taten erlangten Vermögenswerte abgeändert.
11
3. Soweit die Strafkammer im Tenor des angefochtenen Urteils darüber hinaus – für sich genommen rechtsfehlerfrei gemäß § 33 Abs. 1 BtMG i.V.m. § 73d Abs. 1 StGB a.F. – den erweiterten Verfall von 17.925 Euro angeordnet hat, handelt es sich bei der Höhe des Betrags um ein offensichtliches Schreibversehen. Sowohl aus den Feststellungen (UA S. 6) als auch aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung (UA S. 8) und zur Verfallsanordnung (UA S. 31) ergibt sich, dass anlässlich der Durchsuchung bei dem Angeklagten neben einem Glas mit Methamphetamingemisch Geldscheine im Gesamtwert von insgesamt 17.935 Euro aufgefunden wurden, die das Landgericht dem erweiterten Verfall unterwerfen wollte. Der Senat hat daher den Ausspruch über die Höhe des erweiterten Verfalls entsprechend berichtigt.
4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begegnet es keinen
12
durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht von einer weitergehenden Anordnung eines erweiterten Verfalls abgesehen hat.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
13
„Die Anordnungdes erweiterten Verfalls gemäß §§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 73d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. kommt nur in Betracht , wenn das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, dass der Angeklagte die von der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt hat, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – 4 StR 516/94, BGHSt 40, 371, 373; Urteile vom 9. Mai 2001 – 3 StR 541/00, NStZ 2001, 531; vom 3. September 2009 – 5 StR 207/09, NStZ-RR 2009, 384 und vom 7. Juli 2011 – 3 StR 144/11, NStZ-RR 2012, 312, 313). Begründen dagegen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, steht dies der An- ordnung des erweiterten Verfalls der Gegenstände entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 – 4 StR 516/94 aaO, und vom 28. Juli 2004 – 2 StR 209/04, NStZ-RR 2004, 347; Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 33 Rn. 195). So lag der Fall hier. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der Angeklagte die übrigen bei ihm aufgefundenen Geldscheine auch aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber zumindest möglicherweise konkretisierbaren Straftaten erlangt haben könnte. Entscheidend ist, dass sich das Landgericht insgesamt nicht von der deliktischen Herkunft der beim Angeklagten unter der Hundehütte, in zwei Fahrzeugen und in einer Kommode aufgefundenen Geldscheine und einer Digitalkamera zu überzeugen vermochte. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Strafkammer hat nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb es keine tragfähige Beweisgrundlage erkennen konnte, die eine weitergehende Verfallsanordnung gerechtfertigt hätte. Sie hat sich hierzu sorgfältig und in aller Ausführlichkeit mit dem persönlichen und beruflichen Werdegang des Angeklagten auseinandergesetzt. Der Umstand, dass der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen sowohl in der Vergangenheit als auch gegenwärtig redliche Einnahmequellen hatte und daher auch über nicht unerhebliche legale Geldmittel verfügte, legte eine deliktische Herkunft der aufgefundenen Geldscheine jedenfalls nicht ohne weiteres nahe. Dagegen ließen der Fund von Betäubungsmitteln und unversteuerten Zigaretten sowie Hinweise auf zu Unrecht vereinnahmte Sozialleistungen die kriminelle Herkunft der Gelder lediglich als möglich erscheinen, ohne dass dieser Verdacht mit Blick auf die dagegen streitenden legalen Einkünfte des Angeklagten tatsachenfundiert erhärtet werden konnte. Soweit die Staatsanwaltschaft im Übrigen den Vorwurf erhebt, die Strafkammer habe nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände festgestellt und bedacht, wäre es ihre Sache gewesen, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat, § 261 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13).“ Dem folgt der Senat.
14
5. Einen durchgreifenden Rechtsfehler, der sich zum Nachteil des Ange15 klagten ausgewirkt hat, enthält das angefochtene Urteil nicht (§ 301 StPO). Insbesondere ist es rechtlich unbedenklich, dass das Landgericht nicht ausdrücklich eine Anwendung der hier fernliegenden Härtevorschrift des § 73c StGB a.F. erörtert hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. März 2011 – 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191, 195; vom 11. April 2013 – 4 StR 39/13, StV 2013, 610, und vom 29. September 2015 – 1 StR 187/15, NStZ 2016, 278, 279 mwN).
Mutzbauer Sander Schneider
König Berger

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Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 5 StR 465/17 zitiert 13 §§.

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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Strafgesetzbuch - StGB | § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung


(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden is

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 33 Einziehung


Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch - StGBEG | Art 316h Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung


Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73

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(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 386/08
vom
11. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 7. April 2008 aufgehoben, soweit die Anordnung des Verfalls von Wertersatz unterblieben ist. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 150 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6. November 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und wirksam (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 270; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 318 Rdn. 22) auf die Nichtanordnung von Wertersatzverfall beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet.

II.


2
1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte im Jahre 2003 in mindestens 150 Fällen an die anderweitig Verfolgte Katja S. jeweils mindestens 1,5 g Heroingemisch zu einem Preis von je 60.- €. Bei einer am 20. Juni 2007 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnte in einem Mantel und in einem Kleiderschrank Bargeld in Höhe von insgesamt 5.200.- € sichergestellt werden.
3
2. Das Landgericht hat von einer Verfallsanordnung abgesehen. Der Verfall des in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Geldes könne nicht angeordnet werden, „weil die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit §§ 73, 73 d Abs. 1 und 2, 73 a Satz 1 StGB“ nicht gegeben seien. Allein der Umstand, dass in der Wohnung des Angeklagten eine erhebliche Geldmenge gefunden worden sei, rechtfertige nicht die Annahme, dass dieses Geld aus Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten stamme. Die verfahrensgegenständlichen Straftaten seien im Jahre 2003 begangen worden. Der Angeklagte habe den Drogenhandel im Jahre 2004 auf gegeben. Ein Zusammenhang zwischen dem über drei Jahre danach vorgefundenen Bargeld und dem Erlös aus den Drogengeschäften im Jahr 2003 könne nicht festgestellt werden.
4
3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Sie lassen bereits besorgen, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung das Verhältnis zwischen § 73 StGB (Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NStZ&B=2003&S=422 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NStZ&B=2003&S=422&I=423 - 5 - Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73 d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73 d StGB ist dabei gegenüber der des § 73 StGB subsidiär (h.M.; vgl. nur W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 d Rn. 11; Fischer StGB 55. Aufl. § 73 d Rn. 9 jeweils m.w.N.). Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (vgl. BGH NStZRR 2003, 75; NStZ 2003, 422, 423; NStZ-RR 2006, 138, 139).
6
b) Jedenfalls hat die Strafkammer – wie die Revision zu Recht rügt – die Möglichkeit der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB nicht bedacht.
7
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte aus den Drogenverkäufen insgesamt 9.000 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Da davon auszugehen ist, dass die vom Angeklagten jeweils aus den Verkäufen erlangten Geldscheine sich nicht mehr in seinem Besitz befinden , ihr Verfall daher aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, kommt gemäß § 73 a Satz 1 StGB die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages in Betracht , der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Ob die bei dem Angeklagten sichergestellten 5.200 € aus den ausgeurteilten Straftaten oder aus sonstigen rechtswidrigen Taten stammen oder aber vom Angeklagten legal erworben worden sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Landgericht hätte daher – vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB – gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB auf den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 9.000 € erkennen müssen.
8
c) Das Urteil hat daher, soweit von der Anordnung des Verfalls abgesehen worden ist, keinen Bestand. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Subsumtionsfehler vorliegt, der sich auf die Sachverhaltsfeststellung nicht ausgewirkt hat. Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen bleiben möglich. Der neue Tatrichter wird nunmehr zu prüfen haben, ob nach § 73 c StGB ganz oder teilweise von der Anordnung von Wertersatzverfall abzusehen ist. Insoweit verweist der Senat auf die Grundsätze im Senatsurteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 371/13
vom
5. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. April 2013 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift legt dem Angeklagten fünf tateinheitlich zusammentreffende Fälle des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zur Last, wobei es in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung beim Versuch geblieben sei. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, die sich ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet und insbesondere deren Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit geltend macht. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

I.


2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war als ausgebildeter Chemiker bei der Fa. F. GmbH in L. in der Qualitätssicherung angestellt. Am Morgen des 29. März 2010, einem Montag, tranken vier Mitarbeiter des Un- ternehmens Kaffee, den einer von ihnen nach 6.40 Uhr in einem Büro in einer von mehreren Angestellten genutzten Kaffeemaschine zubereitet hatte. Eine fünfte Mitarbeiterin hatte sich zwar von dem Kaffee eine Tasse eingeschenkt, kam aber nicht mehr dazu, davon zu trinken. Kurze Zeit nach dem Konsum des Kaffees litten die vier Mitarbeiter, die von dem Kaffee getrunken hatten, unter anderem an Schwindelanfällen, wurden bewusstlos und mussten notärztlich und anschließend in einem Krankenhaus versorgt werden.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde in dem in den Tassen der fünf Mitarbeiter verbliebenen Kaffee sowie im Filterrückstand der Giftstoff Scopolamin festgestellt; auch im Blut und Urin der vier Geschädigten wurde Scopolamin gefunden.
4
Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am Morgen des 29. März 2010 in den Wasserbehälter der Kaffeemaschine mindestens 193 mg Scopolamin geschüttet zu haben.
5
Zur Täterschaft hat das Schwurgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: - es ist "sehr wahrscheinlich", dass sich der Täter mit den Gegebenheiten in dem Unternehmen gut auskannte und deshalb aus dem Kreis dessen Mitarbeiter oder der dem Unternehmen nahe stehenden Personen kam; - der seit dem Jahr 2005 bei dem Unternehmen beschäftigte Angeklagte hatte ein Motiv dafür, den Mitarbeitern Schaden zuzufügen, denn er wurde unter anderem mit zwei Abmahnungen im Jahr 2009 massiv kritisiert und hegte einen "tiefen Groll" gegen den 2006 eingesetzten Geschäftsführer des Unternehmens; - der die Tatbegehung bestreitende Angeklagte hielt sich - was nicht ungewöhnlich war - am Tattag ab etwa 4.00 Uhr vorübergehend auf dem Betriebsgelände auf; zwei auf 5.50 und 5.53 Uhr dieses Tages datierte Messprotokolle aus dem Bereich der Qualitätssicherung, für die der Angeklagte zuständig ist, sind von ihm unterzeichnet; etwa ab 6.00 Uhr war er - anders als sonst - über mehrere Stunden hin telefonisch nicht mehr erreichbar; als sich eine Mitarbeiterin am späten Vormittag nach seinem Befinden erkundigte, benahm sich der Angeklagte aus deren Sicht ungewöhnlich (er habe "ironisch gelacht"); - in dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand, brannte etwa um 5.45 bzw. 5.50 Uhr Licht; kurze Zeit später war die Hoftür zu dem Büro abgeschlossen und es brannte in dem Büro kein Licht mehr; - der Angeklagte hatte Zugang zu dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand; - auf dem Wassertank an der Rückseite der Kaffeemaschine wurde ein Fingerabdruck des Angeklagten sichergestellt; - die Kaffeemaschine war von einer Reinigungskraft am Samstag, dem 27. März 2010, gereinigt worden, unter anderem hatte sie den Was- sertank feucht abgewischt; anschließend bereitete sich die Zeugin selbst Kaffee zu, ohne nach dessen Konsum zu erkranken; - auf der Festplatte des Computers eines in dem Unternehmen beschäftigten Praktikanten, den auch der Angeklagte benutzte, wurde ein am 18. September 2007 erstelltes "Browsercookie" aufgefunden, nach dem im Jahr 2007 unter dem Namen "k. " das Forum der Internetseite "www. .de" besucht wurde; in diesem Forum hatte ein (nicht ermittelter) Nutzer am 9. März 2007 nach der "Totalsynthese" , also der chemischen Zusammensetzung von Scopolamin gefragt; - an der Kaffeemaschine und der Kaffeekanne wurde DNA gesichert, die allerdings nicht für eine Typisierung ausreichte bzw. für die lediglich festgestellt werden konnte, dass sie von drei bzw. zwei Personen herrührt; - ein an einer anderen Stelle des Gehäuses der Kaffeemaschine gesicherter weiterer Fingerabdruck konnte keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden; - in dem vom Angeklagten und seiner Ehefrau bewohnten Haus wurde eine Vielzahl chemischer Substanzen - aber kein Scopolamin - aufgefunden.
6
Aufgrund dieser Feststellungen vermochte sich das Landgericht nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen.

II.


7
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
9
Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).
10
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
11
a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
12
aa) Auch im Fall eines Freispruchs muss der Tatrichter die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen (BGH, Urteile vom 2. April 2008 - 2 StR 19/08; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05). Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; ähnlich Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 375/05, NStZ-RR 2006, 82, 83).
13
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.).
14
bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
15
Sie erschöpfen sich zum einen in einer anderen Bewertung von Tatsachen , die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat, etwa dass der Angeklagte - insbesondere zeitlich und räumlich - Gelegenheit zur Tatbegehung hatte, er sich nach der Tat auffällig verhielt und keine konkreten Hinweise dafür vorliegen, welche andere Person Täter sein könnte. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
16
Zum anderen sehen Revisionsführerin und Generalbundesanwalt Lücken in einer nicht hinreichenden Aufklärung etwa zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten oder zu der Frage, ob andere Firmenangehörige mit chemischen Kenntnissen Zugang zu dem Büro und ein ebenso starkes Motiv für die Vergiftung hatten. Da Grundlage der materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht allein das tatrichterliche Urteil ist, liegt hierin angesichts der im Übrigen getroffenen Feststellungen kein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler, sondern ein Mangel, der mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden musste (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 8. August 2001 - 5 StR 252/01; zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen in einer anders gearteten Konstellation auch BGH, Urteil vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13).
17
b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
18
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt (hier z.B. zur - gründlichen - Reinigung der Kaffeemaschine am 27. März), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass dann der Fingerabdruck des Angeklagten nicht am Tag zuvor an die Kaffeemaschine gelangt sein kann).
Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber , welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
19
c) Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
20
Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; ferner BVerfG, NStZ-RR 2007, 381, 382).
21
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass - wie der Generalbundesanwalt anführt - das Schwurgericht nach der im letzten Wort erfolgten Einlassung des bis dahin schweigenden Angeklagten weder Vorhalte gemacht noch Nachfragen gestellt oder erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist auf die allein erhobene Sachrüge hin unbeachtlich.
22
d) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstän- de unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
23
Eine Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer dabei die für ihre Überzeugungsbildung maßgeblichen Beweisanzeichen weiter gehend oder noch detaillierter hätte erörtern können. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder nahe liegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen , noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 39/13
vom
11. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. April 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. September 2012 aufgehoben, soweit dort festgestellt ist, "dass der Angeklagte Vermögenswerte in Höhe von mindestens 51.600,- € aus den Taten erlangt hat". Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen schwerer räuberischer Erpressung in 5 Fällen, wobei es in 2 Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und 6 Monaten verurteilt"; ferner hat es festgestellt , "dass der Angeklagte Vermögenswerte in Höhe von mindestens 51.600,- € aus den Taten erlangt hat". Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die ersichtlich auf § 111i Abs. 2 Sätze 1 und 3 StPO gestützte Feststellung (vgl. zur Tenorierung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 51) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen. Es entspricht jedoch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, aaO S. 44 mwN). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung bedürfen der Erörterung , wenn nahe liegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 75/11, NJW 2011, 2529, 2530). So liegt es hier:
3
Das Landgericht hat den Wert des im Fall II.5 der Urteilsgründe erbeuteten Schmucks ersichtlich in voller Höhe in die Wertberechnung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO eingestellt. Es hat aber selbst festgestellt, dass der Angeklagte den Schmuck später bei einem An- und Verkaufsgeschäft zum Preis von 2.400 € veräußert hat (UA 13). Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich damit eine weitgehende Entreicherung im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Daran anknüpfend hätte das Tatgericht die Voraussetzungen dieser Härtevorschrift erörtern müssen (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234).
4
2. Die vom Landgericht getroffene Feststellung kann daher nicht bestehen bleiben. Einer Aufhebung der zugehörigen tatsächlichen Feststellungen bedarf es nicht. Der Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen, etwa zur Aufteilung der erlösten 2.400 €, zu treffen.
5
3. Zur Fassung der Urteilsformel weist der Senat darauf hin, dass Anordnung und Aufrechterhaltung der Beschlagnahme einzelner Gegenstände oder des dinglichen Arrests gemäß § 111i Abs. 3 StPO im Beschlusswege zu erfolgen haben (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, BGHSt 55, 62, 64).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 8 7 / 1 5
vom
29. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. Juli 2014 - soweit es ihn betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 1.213.703,29 Euro die Ansprüche Verletzter der Anordnung des (Wertersatz-)Verfalls entgegenstehen (§ 111i Abs. 2 StPO).
II. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt , dass lediglich deshalb nicht auf (Wertersatz-)Verfall in Höhe von 1.213.703,29 Euro erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Es hat weiterhin ausgesprochen, dass die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

3
Die vom Landgericht getroffene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen.
4
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 4 StR 173/15; vom 18. März 2015 - 3 StR 644/14, wistra 2015, 270; vom 12. März 2015 - 2 StR 322/14, NStZ-RR 2015, 171 f. und vom 6. November 2014 - 4 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 44). Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB ganz oder teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge, dass der in der Entscheidungsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem Erlangten bzw. dessen Wert zurückbleibt (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2013 - 4 StR 208/13, wistra 2013, 386; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 f.). Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB sind zu erörtern, wenn naheliegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind (BGH, Beschlüsse vom 12. März 2015 - 2 StR 322/14, NStZ-RR 2015, 171 f.; vom 17. Juli 2013 - 4 StR 208/13, wistra 2013, 386 und vom 11. April 2013 - 4 StR 39/13, StV 2013, 610). So verhält es sich hier.

5
Das Landgericht hat die im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionszahlungen ersichtlich in voller Höhe in die Wertberechnung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO eingestellt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Angeklagte die erhaltenen Zahlungen für seinen Lebensunterhalt, Alkohol und Glücksspiel aufgewendet hat, weiterhin unterstützte er Freunde und Verwandte (UA S. 9). Danach ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Daran anknüpfend hätte sich das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung der Härtevorschrift auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen BGH, Urteile vom 26. März 2015 - 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 178 und vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234 f.).
6
Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO. Der Senat hebt - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen - insbesondere zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten - zu ermöglichen.
Rothfuß Jäger Cirener
Radtke Fischer