Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2016 - 5 StR 564/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:080616U5STR564.15.0
bei uns veröffentlicht am08.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 564/15
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616U5STR564.15.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G. als Verteidiger,
Rechtsanwalt Br. als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, während die ebenfalls auf die Sachrüge gestützte , zu Lasten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, erfolglos bleibt.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der nicht vorbestrafte Angeklagte verlor infolge erheblicher geschäftlicher Schulden seine Wohnung und lebte zur Tatzeit in einer Unterkunft für Wohnungslose. Im Nachbarzimmer wohnte der Nebenkläger. Der Angeklagte galt als ruhig und unauffällig. Er lebte sehr ungern in der Unterkunft und wollte mit den anderen Bewohnern möglichst wenig zu tun haben. Am Tatmorgen betrat der erheblich alkoholisierte Nebenkläger mit dem Zeugen T. das gemeinsame Zimmer des Angeklagten und des Zeugen. Der noch schlafende Angeklagte erwachte; es gab möglicherweise eine kurze verbale Auseinandersetzung zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten. Der Nebenkläger schlug dem noch im Bett liegenden Angeklagten unvermittelt und ohne, dass dieser dazu Anlass gegeben hätte, mit der Hand in das Gesicht. Der Angeklagte sprang auf, flüchtete aus seinem Zimmer und rief mit seinem Handy den polizeilichen Notruf an; er teilte der Einsatzzentrale mit, dass er geschlagen werde und Hilfe benötige. Als der Nebenkläger im Flur erschien, sagte ihm der Angeklagte , dass er die Polizei gerufen habe, und forderte den Nebenkläger auf, ihn in Ruhe zu lassen. Dieser ging unter Beschimpfungen auf den Angeklagten zu und versuchte, ihm eine „Kopfnuss“ zu versetzen; der Angeklagte konnte jedoch ausweichen. Der Nebenkläger ergriff den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit einiger Wucht gegen die Glasscheibe der Außentür des Flures.
Nachdem der Angeklagte zunächst vergeblich versucht hatte, den Nebenkläger abzuwehren, ließ dieser von ihm ab und ging zurück in Richtung seines Zimmers. Der Angeklagte folgte ihm, um in sein eigenes Zimmer zu gelangen. Der Nebenkläger bemerkte dies und wandte sich dem Angeklagten zu; dieser flüchtete in Richtung Außentür und rief abermals die Polizei an. Als der Nebenkläger sich wieder in Richtung seines Zimmers wandte, versuchte auch der Angeklagte erneut, sein eigenes Zimmer zu erreichen. Der Nebenkläger drehte sich abermals um und lief auf den Angeklagten zu, der versuchte, sich in der Küche der Unterkunft in Sicherheit zu bringen. Der Nebenkläger erreichte ihn jedoch, stieß ihn gegen den Türrahmen und verhinderte so, dass der Angeklagte die Tür schließen konnte. Der Angeklagte lief in den hinteren Teil der Küche und rief durch ein offenes Fenster um Hilfe. Als er bemerkte, dass der Nebenkläger weiter auf ihn zukam, schloss er das Fenster aus Angst, er könnte vom Neben- kläger hinausgestoßen werden. „Dieser packte nun den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit der rechten Seite mit Schwung gegen die Fensterscheibe. Anschließend presste er den Kopf mit starkem Druck gegen das Glas, so dass der Angeklagte befürchtete, das Glas könnte brechen. Er schlug panisch um sich, was den Nebenkläger aber nur veranlasste, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken“ (UA S. 8).
4
In dieser Situation ergriff der Angeklagte spontan ein neben ihm auf dem Herd liegendes Küchenschälmesser und stach ungezielt auf den Nebenkläger ein. Gleichzeitig versuchte er, den Nebenkläger von sich wegzudrücken. „Nach den ersten Stichen ließ der Nebenkläger den Kopf des Angeklagten los, schlug ihm aber mehrfach in den Hals- und Schulterbereich. Der Angeklagte stach weiter ungezielt ohne Unterlass auf den Nebenkläger ein. Dieser ging dabei schon rückwärts, bot dem Angeklagten aber noch Widerstand. Ein bis zwei Meter vor der Küchentür hörte der Nebenkläger auf zu schlagen und ließ sich ohne Wi- derstand durch den Angeklagten zurückschieben. Der Angeklagte bemerkte dies und hörte zu diesem Zeitpunkt auf zu stechen“ (UA S. 9). Der Nebenkläger kam rückwärts zu Fall; der Angeklagte stolperte hinterher und fixierte den Nebenkläger am Boden. Er schüttelte den Nebenkläger, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Dabei schrie der Angeklagte laut und weinte. „Er dachte zunächst, dass er den Nebenkläger getötet habe“ (UA S. 9).
5
Der Nebenkläger wurde durch zehn Stiche oder Schnitte getroffen und erheblich verletzt. Fünf der Messerstiche hatten den Bauchraum eröffnet, die Leber verletzt und den Dünndarm perforiert. Aufgrund zeitnaher medizinischer Versorgung befand er sich zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Die Verletzungen waren jedoch potentiell lebensbedrohlich. Der Angeklagte setzte die Messerstiche in Verteidigungsabsicht. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass der Nebenkläger durch die Stiche zu Tode kommen könnte. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war während der Tat nicht erheblich beeinträchtigt.
6
2. Die Schwurgerichtskammer hat hinsichtlich der Messerstiche eine objektive Notwehrlage angenommen. Jedoch fehle es an der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Der Angeklagte habe die Möglichkeit gehabt, den Nebenkläger durch Gesten oder jedenfalls verbal auf das Messer hinzuweisen und mit seinem Einsatz zu drohen oder zunächst in weniger gefährdete Körperbereiche , z. B. in die Extremitäten, zu stechen. Außerdem habe es innerhalb der Stichserie keine Unterbrechung gegeben, die dem Nebenkläger Gelegenheit geboten hätte, durch Beendigung seines Angriffs den Angeklagten von weiterer gefährlicher Gegenwehr abzuhalten.
7
Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des Totschlags sei nicht erfolgt. Es habe sich um einen beendeten Versuch gehandelt; seinen eigenen Angaben nach habe der Angeklagte geglaubt, dass er den Nebenkläger getötet habe.
8
Bei der Strafzumessung ist die Schwurgerichtskammer von einem minder schweren Fall des versuchten Totschlags gemäß § 213 2. Alt. StGB ausgegangen und hat dessen Strafrahmen gemäß §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB noch einmal gemildert. Im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falles hat sie insbesondere zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um eine Spontantat gehandelt und der Angeklagte mehrfach versucht habe , die von dem Nebenkläger ausgehende Gefahr durch normgerechtes Verhalten abzuwenden. Weiter hat sie ihm zugutegehalten, dass er die Tat in einer Notwehrsituation mit Verteidigungswillen begangen habe und sein Handeln deutlich affektiv geprägt gewesen sei. Aufgrund seiner furchtsamen Persönlichkeit habe sich der Angeklagte über das Normale hinaus bedrängt gefühlt und geängstigt. Dies habe seine überschießende Reaktion wesentlich mitveranlasst, auch wenn nicht das nach § 33 StGB erforderliche Maß erreicht worden sei. Bereits ohne Hinzuziehen des Aspekts des Versuchs sei daher eine Einordnung als minder schwerer Fall des Totschlags gerechtfertigt. Der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs rechtfertige es, den Strafrahmen des § 213 StGB „wegen der vorgenannten näheren Tatumstände erneut zu mildern“. Dabei hätten „nach einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Angeklagten insbesondere die der Tat vorangegangene Misshandlung des An- geklagten und die Notwehrlage den Ausschlag“ gegeben (UA S. 33).

II.


9
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Der Schuldspruch hat keinen Bestand.
10
1. Die Prüfung der Notwehr geht nicht von zutreffenden rechtlichen Maßstäben aus; die Feststellungen weisen Lücken auf.
11
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Ab-wehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel han-delt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148, und vom 1. Juli 2014 – 5 StR 134/14, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 22 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 – 1 StR 741/88, NJW 1989, 3027, und vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; Beschlüsse vom 5. November 1982 – 3 StR 375/82, NStZ 1983, 117; vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106, und vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13, NJW 2014, 1121, 1122). Danach muss der Angegriffene auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann mithin durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers allerdings in der Regel anzudrohen (BGH, Urteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 f., und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschlüsse vom 11. August 2010 – 1 StR 351/10, NStZ-RR 2011, 238, und vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106).
12
b) Gemessen hieran waren die Stiche, die der Angeklagte dem Nebenkläger versetzte, während dieser den Kopf des Angeklagten unter starkem Druck gegen das Glas des Küchenfensters presste, durch Notwehr gerechtfertigt.
13
Angesichts der Unkalkulierbarkeit des Risikos einer ungeeigneten Verteidigungshandlung durften an die vom Angeklagten in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung über eine vorherige Androhung des Messereinsatzes oder eine weniger gefährliche Stichführung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Das Landgericht hat schon nicht erkennbar berücksichtigt , dass der Angeklagte mit seinem „panischen“ Umsichschlagen zunächst tatsächlich eine den Nebenkläger weniger gefährdende Abwehrhandlung vorgenommen hatte, die aber erfolglos blieb. Sie veranlasste den Nebenkläger vielmehr, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken. Aufgrund dessen befand sich der Angeklagte in einer höchst bedrängten Lage; eine weitere Eskalation des Geschehens war auch unter Berücksichtigung des Vorgeschehens bei einer erneut ungeeigneten Verteidigungshandlung objektiv zu befürchten. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, mit dem Messer zu drohen oder zunächst in weniger sensible Körperbereiche des Nebenklägers zu stechen, wird dieser Situation nicht gerecht.
14
Das Landgericht hat diese Annahme darauf gestützt, dass der Nebenkläger schon zweimal ohne Gegenwehr des Angeklagten von ihm abgelassen habe; außerdem habe der Nebenkläger gewusst, dass jederzeit mit dem Eintreffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, was ihn von einem Entwinden des Messers und dessen Einsatz gegen den Angeklagten abgehalten hätte (UA S. 28). Hierbei lässt das Landgericht außer Acht, dass die Information über die Verständigung der Polizei den Nebenkläger zuvor schon nicht abgeschreckt hatte, den Angeklagten weiter anzugreifen, sondern seine Aggression erkennbar noch gesteigert hatte. Auch das Umsichschlagen des Angeklagten hatte diese Wirkung gehabt. In dieser Lage war es für den Angeklagten höchst zweifelhaft , ob das Androhen des Messereinsatzes oder Stiche in weniger sensible Körperbereiche zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führen würden.
15
c) Trotz Fortbestehens der Notwehrlage war allerdings eine Entspannung der Bedrängnis des Angeklagten eingetreten, nachdem der Nebenkläger nach den ersten Stichen den Kopf des Angeklagten losgelassen hatte und (nur) noch auf den Hals- und Schulterbereich des Angeklagten einschlug. Es wäre deshalb zu prüfen gewesen, ob das weiterhin „ohne Unterlass“ erfolgende, ungezielte Einstechen des Angeklagten auf den Nebenkläger auch in dieser Situation noch durch Notwehr gerechtfertigt war.
16
Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht hinreichend entnehmen, wie sich die „Kampflage“ in dieser Phase des Geschehens objektiv darstellte. Diese ist aber bestimmend für die Frage der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung ; ihre Beurteilung muss – wie dargelegt – auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung erfolgen. Aus dem Urteil lässt sich weder ersehen, wie stark und wie gefährlich die von dem Nebenkläger ausgeführten Schläge waren, noch verhält es sich zum Kräfteverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Es ist auch nicht ersichtlich, ob der Nebenkläger in diesem Zeitpunkt bereits Verletzungen erlitten hatte, die ihn geschwächt hatten. Die bisherigen Feststellungen sind damit lückenhaft und ermöglichen keine zuverlässigen Rückschlüsse , ob dem Angeklagten in dieser Phase des Geschehens mildere Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
17
d) Nach den Feststellungen beendete der Angeklagte seine Stiche sofort, nachdem der Nebenkläger aufgehört hatte, ihn zu schlagen (UA S. 9, 30), also mit Beendigung der Notwehrlage.
18
e) Ohne Zweifel nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt ist das Schütteln des am Boden liegenden Nebenklägers, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Ob darin jedoch eine Körperverletzung, gegebenenfalls sogar mittels einer lebensgefährdenden Behandlung, zu sehen ist, kann den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnommen werden. Denn es ist nicht festgestellt, dass der Nebenkläger in diesem Zusammenhang Verletzungen oder Schmerzen erlitt.
19
2. Die Verneinung eines vom Landgericht konsequenterweise geprüften strafbefreienden Rücktritts ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
20
a) Die Schwurgerichtskammer geht von einem beendeten Versuch aus, so dass für einen strafbefreienden Rücktritt durch Ablassen von weiteren Angriffen kein Raum gewesen sei. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt, alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan zu haben (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1960 – 4 StR 501/59, BGHSt 14, 75, 79). Unbeendet ist der Versuch, wenn er glaubt, zur Vollendung des Tatbe- stands bedürfe es noch weiteren Handelns. Für die Abgrenzung kommt es dabei auf die Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGH, Urteile vom 3. Dezember 1982 – 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175, und vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306). Entscheidend ist, ob der Täter zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sogenannter Rücktrittshorizont, vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227).
21
b) Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts des Angeklagten ist also der Augenblick, in dem er aufhörte, auf den Nebenkläger einzustechen. Dies geschah, nachdem der Angeklagte bemerkt hatte, dass der Nebenkläger sich ohne weiteren Widerstand zurückschieben ließ. Aus den Feststellungen (UA S. 9) und der Beweiswürdigung (UA S. 22) ist nicht ersichtlich , dass der Angeklagte schon in diesem Zeitpunkt davon ausging, den Nebenkläger getötet zu haben. Vielmehr legen sie nahe, dass der Angeklagte diese Vorstellung erst entwickelte, als der Nebenkläger zu Fall kam. In diesem Zeitpunkt waren seine Messerangriffe jedoch bereits beendet.

III.


22
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos. Der Strafausspruch hält im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand.
23
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich dagegen, dass die Schwurgerichtskammer den Strafrahmen des § 213 StGB im Hinblick auf den vertypten Milderungsgrund des Versuchs erneut gemildert hat. Die Begründung der Milderung nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lasse nicht erkennen, dass bei der gebotenen Gesamtschau gerade den wesentlich versuchsbezogenen Umständen das ihnen zukommende besondere Gewicht bei der Ermessensaus- übung beigemessen worden sei. Vielmehr habe die Strafkammer bei der Prüfung der Strafrahmenverschiebung ihre zuvor zur Begründung eines sonstigen minder schweren Falls nach § 213 2. Alt. StGB angestellten Erwägungen noch einmal wiederholt.
24
Der Senat versteht die entsprechende – oben (I.2) wiedergegebene – Urteilspassage lediglich als zusätzliche Begründung dafür, weshalb der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs nicht bereits bei der Begründung des min- der schweren Falls „verbraucht“ war und eine weitere Strafmilderung nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB erfolgen konnte. Dass der Strafkammer dabei die Lebensgefährlichkeit des Vorgehens des Angeklagten aus dem Blick geraten sein könnte, erscheint bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe ausgeschlossen. Das Landgericht hat die Stichverletzungen des Angeklagten im Einzelnen dargelegt (UA S. 10); nach seinen Feststellungen befand sich der Nebenkläger allerdings aufgrund rascher medizinischer Versorgung zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Mit einer zeitnahen medizinischen Versorgung des Nebenklägers durfte auch der Angeklagte rechnen, da er bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen wiederholt die Polizei verständigt hatte, deren Eintreffen jederzeit zu erwarten war (UA S. 28).
25
b) Die Staatsanwaltschaft weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, ob der Strafzumessung der gegenüber § 213 StGB strengere Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen war. Der Senat vermag jedoch auszuschließen, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Selbst wenn die Strafkammer – was unter Berücksichtigung ihrer Strafzumessungserwägungen eher fern liegt – einen minder schweren Fall des § 224 StGB abgelehnt hätte, wäre angesichts der Vielzahl der für den Angeklagten sprechenden gewichtigen Milderungsgründe nicht davon auszugehen, dass sie zur Verhängung einer höheren Strafe gelangt wäre.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

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(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

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War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

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Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
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19. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beteiligung an einer Schlägerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung vom 5. Dezember 2013,
Staatsanwaltschaft bei der Verkündung am 19. Dezember
2013
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
vom 5. Dezember 2013
als Verteidiger,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
vom 5. Dezember 2013
als Vertreterin des Nebenklägers Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers Z. wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und beantragt Freispruch, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Der Nebenkläger Z. strebt eine Verurteilung wegen Totschlags (§ 212 StGB) an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen getroffen:
3
In der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 war der Angeklagte zusammen mit G. , M. und S. auf dem Weg zur Wohnung seines Vaters, wo sie von D. und Y. erwartet wurden. Kurz vor dem Erreichen der Wohnung trafen sie auf den später getöteten F. und die Zeugen Fe. , O. , Su. , Ga. und Gr. . Die Stimmung in der Gruppe um F. war alkoholbedingt ausgelassen bis gereizt. F. und Fe. beschimpften den Angeklagten und G. als „Hurensöhne“ und bezeichneten M. und S. als „Schlampen“. Dabei tat sich der eine körperliche Auseinandersetzung suchende F. besonders hervor. Während der Angeklagte und seine weiblichen Begleiterinnen auf die Provokationen nicht eingingen , reagierte G. mit Beleidigungen in Richtung des F. und seiner Begleiter und gab diesen zu verstehen, sie sollten weni- ge Minuten abwarten, „dann würden sie schon sehen“.
4
Sodann begaben sich der Angeklagte und seine Begleiter in die nahe gelegene Wohnung. Dort berichtete G. den wartenden D. und Y. , dass sie auf der Straße vor dem Haus „an- gemacht“ worden seien und draußen Leute warten würden, die auf eine Schlä- gerei aus seien. Man solle hinuntergehen, um die Sache zu klären. Der Angeklagte , der dieser Aufforderung nicht ausschließbar nur widerwillig nachkam, entnahm aus einer Schublade zwei Küchenmesser und übergab diese Y. , der sie an D. und G. weiterreichte.
Y. hatte zudem eine Shisha-Zange bei sich. Dem Angeklagten und seinen Begleitern war dabei bewusst, dass sie sich in eine alkoholbedingt aufgeladene Situation begeben würden, bei der auch mit Tätlichkeiten ernstlich zu rechnen war.
5
Als der Angeklagte und seine drei männlichen Begleiter unter der Führung von D. vor das Haus traten, wurden sie von der im Halbkreis aufgestellten Gruppe um F. erwartet. Während sich die als Wortführer auftretenden D. und F. zunächst ein Wortgefecht lieferten, trennten sich einzelne Personen aus den jeweiligen Gruppen heraus. Dabei kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen G. einerseits und Gr. und S. andererseits, bei der G. eines der Küchenmesser als Drohmittel einsetzte. Der Angeklagte und Fe. führten ein wenig abseits stehend ein Gespräch, bei dem sie übereinkamen, dass eine Schlägerei überflüssig sei und die Streitenden auseinandergebracht werden müssten. Nachdem es unterdessen zwischen einigen Mitgliedern der beiden Gruppen bereits zu Schubsereien gekommen war, wobei sowohl F. , als auch D. zu Boden gingen, trat der Angeklagte wieder hinzu, um D. von einer tätlichen Auseinandersetzung abzuhalten. Dies gelang ihm jedoch nicht. Statt- dessen kam es zu einer „heftigen Schlägerei“ zwischen D. und F. , bei der der Angeklagte daneben stand und das Geschehen beobachtete.
6
Weil sie möglicherweise der Mut verlassen hatte, ergriffen G. , D. und Y. die Flucht in Richtung eines nahe gelegenen Spielplatzes und ließen den Angeklagten alleine vor dem Wohnhaus zurück. Im Weglaufen drückte ihm D. noch mit dem Wort „hier“ eines der Küchenmesser in die Hand. Unterdessen flog eine zuvor von dem Angeklagten auf dem Boden abgestellte Wodkaflasche in Richtung der Gruppe um F. . Ob die Flasche von einem der Flüchtenden aus der Gruppe des Angeklagten geworfen wurde, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht. Die Gruppe um F. lief nun – von ihm angeführt – auf den allein auf einer Rasenfläche stehenden Angeklagten zu, um ihn anzugreifen. F. stürzte sich auf den Angeklagten und versetzte ihm ein bis zwei Schläge und Tritte. In dieser Situation führte der Angeklagte das Messer einmal „ziellos nach vorne“ in die Richtung des ihn angreifenden F. , um erwartete weitere Schläge und Tritte abzuwehren und sich zu verteidigen. Den Eintritt eines Verletzungserfolges nahm er dabei billigend in Kauf. Er traf F. mit dem Messer im Bereich des Halses und fügte ihm eine 11 cm tiefe Stichverletzung zu. Einen gezielten Stich in den Halsbereich und die billigende Inkaufnahme von für möglich gehaltenen tödlichen Verletzungen hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht. Auch hat es sich nicht davon überzeugen können, dass es dem Angeklagten in der konkreten Situation möglich gewesen wäre, sich befürchteten weiteren Tätlichkeiten des Getöteten durch mildere Mittel oder ein Weglaufen zu entziehen.
7
Nach dem Stich ließ F. von weiteren Tätlichkeiten ab. Der Angeklagte hob das zunächst fallengelassene Messer wieder auf und lief zu D. , G. und Y. , die sich auf dem Spielplatz gesammelt hatten. Nachdem er an dem Messer Blutantragungen bemerkt hatte, äußerte er auf der sich anschließenden gemeinsamen Flucht vom Tatort: “Ich hab wohl einen abgestochen“.
8
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 Abs. 1 StGB gewertet. Zwischen F. und den Zeugen D. , G. , Su. und Ga. sei es zu wechselseitigen Körperverletzungen, mithin zu einer Schlägerei i.S.d. § 231 Abs. 1 StGB gekommen. An dieser Schlägerei sei der Angeklagte beteiligt gewesen, obgleich er selbst nicht geschlagen habe. Der Angeklagte habe sich in Kenntnis der Tatsache, dass auf der Straße eine gewaltbereite, überzählige Gruppe wartete, mit seiner Gruppe dorthin begeben, um die Sache zu klären. Damit habe er sich wissentlich in eine Situation begeben, in der unmittelbar mit Tätlichkeiten zu rechnen gewesen sei. Dieses Gesamtgeschehen reiche aus, um eine psychische Beteiligung des Angeklagten von Beginn der Auseinandersetzung an zu begründen (UA 19).
9
Eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 Abs. 1 StGB scheide aus, weil die Tat durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei (§ 32 Abs. 2 StGB). Der Messerstich sei zur Abwehr des noch andauernden Angriffs des F. geeignet und erforderlich gewesen, da dem Angeklagten keine wirksameren Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Ob sein Notwehrrecht wegen eines zu missbilligenden Vorverhaltens eingeschränkt gewesen sei, könne dahinstehen, da er sich der Notwehrlage auch nicht durch ein Weglaufen habe entziehen können (UA 24). Das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes hat das Landgericht unter anderem mit der Erwägung verneint , dass der Angeklagte das Messer „ziellos“ nach vorne geführt habe und durch einen Verteidigungs- und nicht durch einen Tötungswillen motiviert gewesen sei (UA 21).

II.


10
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
11
1. Die Verurteilung wegen Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen.
12
Eine Schlägerei im Sinne des § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB ist eine mit gegenseitigen Tätlichkeiten verbundene Auseinandersetzung, an der mehr als zwei Personen aktiv mitwirken (BGH, Urteile vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; vom 21. Oktober 1982 – 4 StR 526/82, BGHSt 31, 124, 125; vom 21. Februar 1961 – 1 StR 624/60, BGHSt 15, 369, 370). Die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben nicht, dass es im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens zu Tätlichkeiten unter mindestens drei Personen gekommen ist.
13
a) Als eine für das Tatbestandsmerkmal Schlägerei konstitutive Tätlichkeit können neben zu vollendeten Körperverletzungen führenden Handlungen auch solche in Betracht kommen, die auf deren Herbeiführung abzielen (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1959 – 5 StR 289/59, GA 1960, 213; LK-StGB/ Hanack, 11. Aufl., § 231 Rn. 4; Schönke/Schröder/Stree, StGB, 27. Aufl., § 231 Rn. 3 mwN). Eine Tätlichkeit in diesem Sinn verübt auch, wer sich in Ausübung seines Notwehrrechts gegen einen Angriff in „Trutzwehr“ wendet (BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; Urteil vom 21. Februar 1961 – 1 StR 624/60, BGHSt 15, 369, 370 f.; Küper, Strafrecht BT, 5. Aufl., S. 246).
14
Daran gemessen begegnet die Annahme einer Schlägerei durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit die Strafkammer darauf abgestellt hat, dass es zu wechselseitigen Körperverletzungen zwischen F. und den Zeugen D. , G. , Su. und Ga. gekommen sei, findet sich dafür in den Feststellungen und der zuge- hörigen Beweiswürdigung nur in Bezug auf F. und D. („heftige Schlägerei“) ein ausreichender Beleg. Hinsichtlich G. und Su. ist lediglich eine „verbale Auseinandersetzung“ festgestellt, an der auch noch Gr. beteiligt war. Zudem drohte G. beiden mit einem Messer. Dass in diesem Zusammenhang auch Tätlichkeiten verübt wurden, lässt sich den Urteilsgründen nicht ent- nehmen. Die zu den „Schubsereien“ getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, ob es dabei zu Körperverletzungen oder darauf abzielenden Handlungen gekommen ist. Zudem bleibt offen, ob neben den dabei zu Boden gegangenen D. und F. noch weitere Personen beteiligt waren. Die Feststellungen zum Wurf der Wodkaflasche reichen für eine Beurteilung als tatbestandskonstitutive Tätlichkeit einer dritten Person nicht aus, da er nicht ausschließbar von D. ausgeführt worden sein kann.
15
b) Mit der Frage, ob es sich bei dem abschließenden Geschehen, bei dem es zu (weiteren) Tätlichkeiten zwischen F. (ein bis zwei Schläge und Tritte) und dem Angeklagten (Messerstich) kam, um einen Teilakt einer bereits zuvor begonnenen und noch fortdauernden einheitlichen tätlichen Auseinandersetzung handelte, hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Dies versteht sich indes nicht von selbst.
16
Die für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Schlägerei erforderlichen wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehr als zwei Personen müssen nicht gleichzeitig begangen werden (BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; RG, Urteil vom 15. Oktober 1940 – 1 D 464/40, HRR 1941 Nr. 369). Eine Schlägerei im Sinne des § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB kann vielmehr auch anzunehmen sein, wenn nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben, zwischen diesen Vorgän- gen aber ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass eine Aufspaltung in einzelne „Zweikämpfe“ nicht in Betracht kommt und die Annahme eines ein- heitlichen Gesamtgeschehens mit mehr als zwei aktiv Beteiligten gerechtfertigt ist (BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; RG, Urteil vom 15. Oktober 1940 – 1 D 464/40, HRR 1941 Nr. 369; vgl. RG, Urteil vom 24. Februar 1925 – I 61/25, RGSt 59, 107, 108 f. zum von mehreren verübten Angriff; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 231 Rn. 2; NK-StGB/Paeffgen, 3. Aufl., § 231 Rn. 5; Pichler, Beteiligung an einer Schlägerei, 2010, S. 47). Allerdings verliert eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mehr als zwei Personen den Charakter einer Schlägerei, wenn sich so viele Beteiligte entfernen,dass nur noch zwei Personen verbleiben, die aufeinander einschlagen oder in anderer Weise gegeneinander tätlich sind (RG, Urteil vom 27. September 1938 – 4 D 646/38, JW 1938, 3157; Eisele, ZStW 110 [1998], S. 69, 72; Henke, Jura 1985, 585, 586; Saal, Die Beteiligung an einer Schlägerei, 2005, S. 44).
17
Ob ein einheitliches Gesamtgeschehen bis zum Ende vorlag, hätte der Prüfung durch die Strafkammer bedurft. Daran fehlt es indes. Das Schwur- gericht hat in seiner rechtlichen Würdigung zwar darauf verwiesen, dass „eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen“ sei. Es hat dabei aber nicht – wie geboten – darauf abgestellt, ob in diese auch der Messerstich des Angeklagten einzube- ziehen ist, sondern allein darauf, ob „eine Beteiligung des Angeklagten … von Beginn der Tätlichkeiten an“ vorlag (UA 19).
18
2. Die Sache bedarf daher auf die Revision des Angeklagten neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass dabei Feststellungen getroffen werden können, die eine Bestrafung des Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei rechtfertigen.

III.


19
Die Revision des Nebenklägers Z. hat ebenfalls Erfolg.
20
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte könne nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB bestraft werden, weil der tödliche Stich zur Angriffsabwehr erforderlich und deshalb durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt gewesen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
21
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-anteBetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13 Rn. 6; Beschluss vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN). Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss der Angegriffene nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140; Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274). Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Da- bei geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers in der Regel anzudrohen ist (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN). Angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine vorherige Androhung des Messereinsatzes dabei jedoch keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274).
22
b) Diesen Grundsätzen werden die Erwägungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit des Messerstichs nicht gerecht. Für die Annahme, dem Angeklagten wäre eine erfolgversprechende Androhung des Messereinsatzes nicht möglich gewesen, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage.
23
Das Landgericht hat sich außerstande gesehen, konkrete Feststellungen zum Geschehen unmittelbar vor dem tödlichen Stich zu treffen und deshalb seiner Entscheidung die unwiderlegte Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt. Dieser – in einer gebilligten Verteidigererklärung liegenden – Einlassung lässt sich zum äußeren Geschehen jedoch lediglich entnehmen, dass F. dem Angeklagten vor dem tödlichen Stich mindestens zwei Schläge und einen Tritt versetzte, der Angeklagte das Messer zu diesem Zeitpunkt bereits in der Hand hielt und der tödliche Stich von ihm „ziellos“ nach vorne geführt wurde (UA 12). Eine nähere Beschreibung der „Kampflage“, die für eine objektive Bewertung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten herangezogen werden könnte, enthalten diese Angaben nicht.
24
Zwar darf sich das Fehlen von sicheren Feststellungen zu Einzelheiten des Geschehens nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken (BGH, Beschluss vom 15. November 1994 – 3 StR 393/94, NJW 1995, 973), doch hätte das Landgericht an dieser Stelle in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte auch behauptet hat, den tödlichen Stich nur geführt zu haben, „um sein Gegenüber zu erschrecken“ und dadurch von weiteren Tätlichkeiten abzuhalten (UA 12). Diese Einlassung deutet darauf hin, dass er selbst in der Androhung des Messereinsatzes eine realistische Verteidigungsmöglichkeit gesehen hat. Warum diese Einschätzung bei objektiver Betrachtung unzutreffend ist, obgleich die Auseinandersetzung bis dahin nur auf – offenkundig folgenlose – Schläge und Tritte begrenzt war, hätte näherer Darlegung bedurft. Die Feststellung, dass die gesamte Gruppe um F. in Angriffsabsicht auf den Angeklagten zugelaufen sei, findet in der zugehörigen Beweiswürdigung keine Stütze. Nach der zugrunde liegenden Einlassung des Angeklagten wurde nur F. tätlich. Auch hat er nur damit gerechnet, von diesem verprügelt zu werden (UA 12).
25
2. Dieser Rechtsfehler führt dazu, dass das angegriffene Urteil auch auf die Revision des Nebenklägers aufzuheben ist.
26
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
27
a) Sollte der neue Tatrichter zu der Feststellung gelangen, dass sich der Angeklagte auf eine einvernehmliche Prügelei eingelassen hat, bei der sich Angriffe und Abwehrhandlungen aneinanderreihen, wird er zu bedenken haben, dass sich in Ermangelung eines Verteidigungswillens nicht auf Notwehr berufen kann, wer dabei zum Messer greift und auf seinen Gegner einsticht, weil er den Kürzeren gezogen hat (BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 – 5 StR 106/90, NStZ 1990, 435; Urteil vom 25. August 1977 – 4 StR 229/77, bei Holtz, MDR 1978, 109 mwN). Allerdings kann sich auch für den Beteiligten an einer einvernehmlichen Prügelei eine Notwehrlage ergeben, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er den Kampf nicht fortsetzen will und danach zum allein Angegriffenen wird (BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 – 5 StR 106/90, NStZ 1990, 435; Urteil vom 6. Juli 1965 – 1 StR 204/65, bei Dallinger, MDR 1966, 23).
28
b) Ergeben die neuen Feststellungen, dass sich der Angeklagte bei der Ausführung des Messerstichs gegen einen rechtswidrigen Angriff verteidigt hat, wird zu prüfen sein, ob er mit Blick auf die Rechtsprechung zur Notwehrprovokation (vgl. BGH, Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333; vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 f.; vom 7. Februar 1991 – 4 StR 526/90, Rn. 22; vom 15. Mai 1975 – 4 StR 71/75, BGHSt 26, 143, 145) nur eingeschränkt von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen durfte. Hierzu wird dann Anlass bestehen, wenn sich (wiederum) ergibt, dass der Angeklagte seine Begleiter durch die Bereitstellung der Messer und seine Teilnahme an der Konfrontation mit der Gruppe um F. in ihrer Streitlust bestärkt hat und sich der spätere Angriff auf ihn als eine adäquate und voraussehbare Folge des von ihm mit ausgelösten Geschehens erweist.
29
c) Der neue Tatrichter wird auch zu bedenken haben, dass ein bedingter Tötungsvorsatz nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden kann, der Angeklagte sei durch einen Verteidigungs- und nicht durch einen Tötungswillen motiviert gewesen. Mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv, sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445; Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Absicht, sich verteidigen zu wollen, steht daher der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Hat der Täter – wie vom Angeklagten behauptet – „panische Angst“, kann dies sogar eher für als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechen. Ferner wird zu berücksichtigen sein, dass ein „ziellos“ geführter Messerstich zwar einendirekten, nicht aber ohne Weiteres einen bedingten Tötungsvorsatz ausschließt. Schließlich hat der in der Gesamtwürdigung enthaltene Hinweis auf die bei der Tötung eines anderen Menschen bestehende besondere Hemmschwelle – für sich genommen – kein argumentatives Gewicht (BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 31 ff.).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR134/14
vom
1. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin D.
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin O. ,
Rechtsanwalt W.
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. November 2013 im Strafausspruch aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat zum Schuldspruch – gegen den Antrag des Generalbundesanwalts – keinen Erfolg, führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnte der Angeklagte zur Tatzeit in einem Männerwohnheim. Dort hielt sich häufiger auch das dem Trinkermilieu zugehörige spätere Tatopfer R. auf, um mit Bekannten Alkohol zu trinken. Am Nachmittag des Tattages war es bereits zu einem Konflikt zwischen dem Angeklagten und dem ihm flüchtig bekannten R. gekommen, als dieser zweimal versucht hatte, in das Zimmer des Angeklagten zu gelangen. Der Angeklagte hatte dem aggressiv auftretenden und, wie er bemerkte, stark alkoholisierten R. jeweils den Zutritt zum Zimmer verwehrt. Dabei hatte der Angeklagte, als R. zum zweiten Mal und nunmehr gemeinsam mit einem ebenfalls stark angetrunkenen Freund in aggressiver Stimmung an der Tür erschienen war, einen im Zimmer liegenden Hammer ergriffen und ihn beiden drohend entgegen gehalten. Hierdurch eingeschüchtert hatten R. und sein Begleiter sogleich das Zimmer des Angeklagten verlassen.
3
Abends ging der Angeklagte gemeinsam mit einem Mitbewohner des Wohnheims zu einem nahe gelegenen Einkaufsmarkt, wo sie Getränke kauften. Der aidskranke, körperlich schwächliche Angeklagte war bewaffnet mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 13 cm, das er möglicherweise stets zu seinem Schutz bei sich zu tragen pflegte. Auf dem Rückweg kamen sie an einem Haus vorbei, in dem R. eine Wohnung im ersten Obergeschoss dazu nutzte, gelegentlich dort mit Freunden zu feiern und Alkohol zu trinken. Als der Angeklagte sich mit seinem Begleiter auf dem Gehweg dem Haus näherte, bemerkte ihn R. , der mit mehreren Personen auf dem Balkon stand. Die- ser rief ihm in aggressivem Ton zu, ob „er immer noch seinenHammer dabei habe“, was der Angeklagte verneinte. Daraufhin schrie ihmR. , der dem Angeklagten körperlich überlegen war, zu, dass er dann jetzt herunterkommen würde. Der Angeklagte, der nun damit rechnete, dass R. ihn verprügeln wolle, blieb trotzdem auf dem Gehweg stehen, weil er nicht als Feigling gelten und Widerstand leisten wollte. Sein Begleiter, der die Gefährlichkeit der Situation erkannt hatte und in die Auseinandersetzung nicht hineingezogen werden wollte, ging unterdessen weiter und forderte den Angeklagten auf, sich eben- falls zu entfernen. Dies lehnte der Angeklagte, der alkoholbedingt enthemmt, jedoch uneingeschränkt steuerungsfähig war, lautstark mit dem Zuruf ab, dass er die Angelegenheit „mal klären müsse“. Auch er war wütend auf R. und pöbelte zu den weiterhin auf dem Balkon stehenden Personen. Als R. , der eine Blutalkoholkonzentration von 2,76 Promille hatte, aus dem Haus auf ihn zugelaufen kam, erkannte der Angeklagte dessen hohe Alkoholisierung und fehlende Bewaffnung. R. versuchte ihm mit der Faust in das Gesicht zu schlagen. Aufgrund seiner Alkoholisierung kam er jedoch ins Straucheln und verfehlte den Angeklagten, der ihm hatte ausweichen können. Dann erhob er erneut die Faust zum Schlag. Nunmehr zog der Angeklagte sein in der Hosen- tasche verborgenes Messer hervor, „um sich nicht ausschließbar damit gegen einen weiteren Angriff zu wehren“. Obwohl ihm ein erneutes Ausweichenohne weiteres möglich gewesen wäre, stach der Angeklagte ohne Vorwarnung und mit bedingtem Tötungsvorsatz mit dem Messer in Richtung des Oberkörpers seines Kontrahenten, wobei er möglicherweise dessen Schlagfaust treffen wollte. Der Stich traf R. jedoch direkt in die Brust und verletzte dort die Hauptschlagader. Er brach infolge dieser Verletzung sofort zusammen und verstarb noch am Tatort, von dem der Angeklagte flüchtete.
4
Eine Rechtfertigung wegen Notwehr nach § 32 StGB hat das Landgericht verneint. Zwar habe objektiv eine Notwehrlage bestanden, da der Geschädigte erneut mit erhobener Faust auf den Angeklagten zugegangen sei; zudem habe der Angeklagte mit dem Messereinsatz unwiderlegt zumindest auch den Zweck verfolgt, sich gegen den weiterhin drohenden körperlichen Angriff zu verteidigen. Eine Rechtfertigung des Angeklagten scheitere jedoch an der fehlenden Erforderlichkeit des lebensgefährlichen Messereinsatzes. Außerdem sei dieser gegen den erheblich alkoholisierten Geschädigten nicht geboten gewesen; es wäre für den Angeklagten zumutbar gewesen, sich dem Angriff durch Auswei- chen oder Flucht zu entziehen, zumal er sich durch eigenes Verhalten in diese Situation gebracht habe.
5
Die Strafe hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 213 StGB entnommen. Es hat zwar die Voraussetzungen der ersten Alternative verneint, jedoch nach einer Gesamtabwägung die zweite Alternative des § 213 StGB zur Anwendung gebracht.
6
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
7
a) Zu Recht hat das Landgericht den tödlichen Stich nicht als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen, weil es an der Erforderlichkeit der Abwehrhandlung mangelte.
8
aa) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100, und vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (BGH, Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; Beschlüsse vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106, und vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13, NJW 2014, 1121, 1122). Danach muss der Angegriffene auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann mithin durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers allerdings in der Regel anzudrohen (BGH, Urteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN, vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 f., und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschlüsse vom 11. August 2010 – 1 StR 351/10, NStZ-RR 2011, 238, und vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106).
9
bb) Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dem Angeklagten erfolgversprechende mildere Mittel zur Angriffsabwehr zur Verfügung standen: Er hätte seinen Messereinsatz zunächst androhen müssen, zumal er bei der vorausgehenden Auseinandersetzung am Nachmittag die Erfahrung gemacht hatte, R. mit einer Waffe erfolgreich drohen und von sich fernhalten zu können. Dass einer Bewaffnung des Angeklagten für das Verhalten von R. weiterhin Bedeutung zukam, wird auch durch dessen unmittelbar vor Beginn der neuen Auseinandersetzung gestellte Frage nach einem fortdauernden Mitsichführen des Hammers belegt. Erst nach deren Verneinung durch den Angeklagten kündigte R. an, „dass er dann jetzt runterkommen würde“ (UA S. 11 f.).
10
Darüber hinaus hat das Landgericht eine Erforderlichkeit des lebensgefährlichen Messereinsatzes zu Recht auch deshalb verneint, weil der Angeklagte zumindest auf einen weniger sensiblen Körperteil des Angreifers hätte zielen müssen. Eine solche mildere Abwehrhandlung war dem Angeklagten nach den Feststellungen zur Kampfsituation ohne weiteres möglich, da er auch in der La- ge war, den gegen ihn geführten Schlagbewegungen des erheblich betrunkenen R. auszuweichen.
11
cc) Danach kann dahinstehen, ob hier das Notwehrrecht des Angeklagten außerdem unter dem Gesichtspunkt der Gebotenheit der Verteidigung eine Einschränkung erfahren musste, wie das Landgericht gemeint hat, ohne allerdings zu prüfen, ob das Vorverhalten des Angeklagten als sozialethisch verwerflich zu werten ist (vgl. zur Einschränkung der Notwehr nach Provokation BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 f.,vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 f. und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 118/10, NStZ 2011, 82, 83 mwN). Eine entsprechende Einschränkung liegt indes schon allein angesichts der dem Angeklagten bekannten massiven alkoholischen Beeinträchtigung des Opfers nahe (vgl. Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 32 Rn. 52; Rosenau in SSW-StGB, 2. Aufl., § 32 Rn. 32), und zwar trotz der eigenen Alkoholisierung des Angeklagten.
12
b) Den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten hat das Landgericht ungeachtet der Möglichkeit, dass der Angeklagte die Schlagfaust des Opfers treffen wollte, rechtsfehlerfrei aus der besonderen Gefährlichkeit des eingesetzten spitzen Messers, der Stichrichtung und der Dynamik der Bewegungsabläufe abgeleitet (UA S. 24 ff.).
13
3. Indes hat der Strafausspruch keinen Bestand.
14
a) Allerdings hat das Landgericht aus dem Leistungsverhalten des Angeklagten vor und nach der Tat mit sachverständiger Hilfe eine suchtmittelbedingte erhebliche Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (UA S. 26 ff.).
15
b) Die Gewichtung der im Urteil aufgeführten zahlreichen Strafmilderungsgründe (UA S. 32 f.) im Rahmen des im Ergebnis zutreffend gewählten Strafrahmens des § 213 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.
16
Es ist schon zweifelhaft, ob die erste Alternative des § 213 StGB verneint werden durfte. Angesichts der aggressiven Ansprache des Angeklagten durch das spätere Opfer vom Balkon unter Bezugnahme auf dessen vorangegangene Aggressionen am Nachmittag im Wohnheim und angesichts seines versuchten Faustangriffs auf den Angeklagten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 1. Alt. Misshandlung 5) ist die unter Verweisung auf das „Trinkermilieu“ vom Landgericht angenommene Verneinung einer Provokation im Sinne der Vorschrift fehlerhaft. Ein Verschulden des Angeklagten in seinem beharrlichen Verbleiben am Tatort zu sehen, ist angesichts der maßgeblich vom späteren Opfer ausgehenden Aggression gleichfalls bedenklich. Zweifelhaft bleibt freilich, ob der Umstand, dass der Angeklagte damit gerechnet hatte, angegriffen zu werden, ein „Hingerissensein“ zur Tat im Sinne der Norm hindert (vgl. dazu Fischer, StGB, 61. Aufl., § 213 Rn. 9a). Der Senat kann dies offenlassen.
17
Denn die Anwendung der zweiten Alternative des § 213 StGB war hier aufgrund der Notwehrlage und „einer Tötung im Grenzbereich der Notwehr“ (UA S. 31 f.) zwingend. Diese Problematik hat das Landgericht zwar erkannt, das in gleichem Maße wie beim Vorliegen der ersten Alternative anzuerkennende Gewicht dieses ausschlaggebenden Strafrahmenfaktors aber nicht ausreichend gewichtet, weil es ihn lediglich im Rahmen einer „Gesamtabwägung“ mit den sonstigen Strafmilderungsgründen für die Strafrahmenwahl herangezogen hat. Bei richtiger Bewertung hätten diese weiteren Milderungsgründe – namentlich die der Tat vorangegangenen Provokationen durch das Opfer und die Lebenssi- tuation des süchtigen, schwerkranken Angeklagten – bei der allgemeinen Strafzumessung stärkeres Gewicht erlangen müssen. Es liegt nicht fern, dass sie so – neben dem auch insoweit noch mitzubewertenden Mitverschulden des Opfers und ungeachtet der Vorbelastungen des Angeklagten – Anlass für die Verhängung einer milderen Strafe gegeben hätten.
18
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem reinen Wertungsfehler nicht. Das neue Tatgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 213 StGB auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen, die allenfalls durch neue nicht widersprechende ergänzt werden dürfen, neu festzusetzen.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 311/12
vom
21. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, und des Beschwerdeführers am
21. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19. Januar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Nebenklägers H. gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. Der Nebenkläger H. hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision; der Nebenkläger H. begehrt mit der Sachrüge die Verurteilung des Ange- klagten wegen versuchten Totschlags. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung des Nebenklägers H. hat keinen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten ergeben, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Auf das Rechtsmittel des Angeklagten war das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen der zur Tatzeit 22 Jahre alte Angeklagte und sein Freund K. H. , die beide von dunklerer Hautfarbe sind, am 21. Mai 2011 gegen 0.30 Uhr auf dem Gelände der Fachhochschule W. auf die Geschädigten G. und H. . Der Angeklagte und K. H. saßen auf einer Bank und tranken Alkohol, G. und H. befanden sich auf dem Rückweg von einer Tankstelle, wo sie für eine in den nahe gelegenen Schrebergärten stattfindende Grillfeier Grillkohle und Bier gekauft hatten. Es entwickelte sich aus einer Distanz von etwa 10 Metern eine Diskussion zwischen G. und K. H. , in deren Verlauf G. zu diesem sagte "Du fühlst dich wohl cool, Nigger". Als K. H. "Verpisst Euch!" erwiderte, begab sich G. zu der Sitzbank. Während der verbalen Auseinandersetzung oder kurz zuvor hatte der Geschädigte H. einen Anruf von einem weiteren Partyteilnehmer erhalten, dem H. mitteilte, dass es noch Ärger mit zwei auf einer Bank sitzenden Personen geben könne, auf den sie sich aber nicht einlassen würden; Hilfe sei nicht nötig. K. H. und der Angeklagte missverstanden das Telefonat allerdings dahingehend, dass H. Hilfe herbeirief. Deshalb telefonierte K. H. mit einem Freund, um diesen als Verstärkung herbeizurufen. Noch während dieses Gespräches erhielt er von G. , der von großer Statur war (2,00 m, 100 kg), einen Schubs oder Stoß gegen die Brust. Nicht ausschließbar versetzte G. dem K. H. auch Faustschläge, die dieser erwiderte. Nunmehr schlug auch der Geschädigte H. auf K. H. ein, der sich zwar wehrte, jedoch bald zu Boden ging. Der Angeklagte, der seinem Freund helfen wollte, zog zu diesem Zweck aus seiner Bauchtasche ein Einhandmesser mit einer Klingenlänge von knapp 7 cm, das er für etwaige Auseinandersetzungen mit sich führte, klappte es auf und begab sich in Richtung der anderen Beteiligten. G. , der das Messer nicht bemerkt hatte, wendete sich nunmehr dem Angeklagten zu und schlug auch diesem ins Gesicht, während H. auf den am Boden liegenden K. H. eintrat. Als H. von dem inzwischen bewusstlosen K. H. abließ und sich zusammen mit G. dem Angeklagten zuwenden konnte, stach dieser, um den Angriff zu beenden, zunächst drei Mal mit Verletzungsvorsatz auf G. ein, der zwei Stiche in das rechte Bein und einen in die linke Gesäßrückseite erlitt. Unmittelbar darauf versetzte der Angeklagte dem Geschädig ten H. mit bedingtem Tötungsvorsatz einen Stich in die linke Brust. H. lief von dem Angeklagten weg und wählte um 0.40 Uhr einen Notruf. Der Angeklagte erkannte, dass er H. noch nicht tödlich verletzt hatte, setzte ihm aber trotz bestehender Möglichkeit nicht nach, da er mit der Abwehr der beiden Angreifer sein vorrangiges Ziel erreicht hatte.
3
G. erlitt durch die Stiche in den Oberschenkel eine Verletzung der großen Beinarterie und der großen Beinvene, die zu einer starken Blutung führte ; er verstarb wegen des Blutverlustes innerhalb weniger Minuten an Kreislaufversagen. H. erlitt eine lebensgefährliche Verletzung der Lunge, konnte aber durch eine Notoperation gerettet werden.
4
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr bzw. Nothilfe abgelehnt hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Das Landgericht ist der Ansicht, dass zwar eine Notwehr- bzw. Nothilfelage vorgelegen habe, das Vorgehen des Angeklagten aber keine erforderliche Verteidigung im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB gewesen sei. Der Angeklagte habe den Einsatz des Messers gegenüber den unbewaffneten Angreifern vorher androhen müssen. Bei der notwendigen Prüfung der konkreten Kampflage sei zwar zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich zwei Angreifern gegenüber gesehen habe, von denen ihm zumindest einer körperlich deutlich überlegen gewesen sei. Auch habe aus seiner Sicht nach dem Telefonat von H. in absehbarer Zeit das Hinzutreten weiterer Personen auf Seiten der Angreifer gedroht. Auf der anderen Seite sei aber zu bedenken, dass auch dem Angeklagten die Geringfügigkeit des Anlasses der Auseinandersetzung nicht entgangen sei und er deshalb keinen Anhaltspunkt für eine Steigerung der Aggressionen für den Fall des Androhens des Messereinsatzes gehabt habe, er insbesondere nicht mit einer Entwaffnung und der anschließenden Zufügung schwerwiegender Verletzungen habe rechnen müssen. Aus der Vorgeschichte, die sich allein zwischen K. H. und G. abgespielt habe, seien zudem keine Anzeichen für besondere Aggressionen der Geschädigten gerade gegen den Angeklagten erkennbar gewesen.
6
b) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2012 - 4 StR 197/12 mN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (BGH NJW 1989, 3027; NStZ 1983, 117). Wird eine Person rechtswidrig angegriffen, dann ist sie grundsätzlich berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet; der Angegriffene muss sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist (Senat NStZ 2012, 272, 274). Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines Messers kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauch eines Messers in der Regel anzudrohen ist (BGH NStZ 1996, 29 f.; BGHSt 26, 256, 258). Dies setzt aber voraus, dass eine solche Drohung unter den konkreten Umständen eine so hohe Erfolgsaussicht hat, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann (BGH, Beschluss vom 27. September 2012 - 4 StR 197/12 mwN); dabei ist auch zu berücksichtigen , ob dem Angegriffenen genügend Zeit zur Wahl des Abwehrmittels und zur Abschätzung der Lage zur Verfügung stand (vgl. BGH NStZ 2012, 272, 274). Dies ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen im Einzelnen darzulegen. Dabei dürfen angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen die Androhung eines Messereinsatzes keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschluss vom 27. September 2012 - 4 StR 197/12).
7
c) Diesen Grundsätzen werden die Erwägungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit der Messerstiche nicht gerecht. Für die Annahme des Landgerichts , dass der Angeklagte durch ein Androhen des Messereinsatzes seine Verteidigungsmöglichkeiten nicht verschlechtert hätte, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage.
8
Soweit dem Angeklagten von der Kammer entgegengehalten wird, wegen der von ihm erkannten Geringfügigkeit des Anlasses der Auseinandersetzung habe es aus seiner Sicht keinen Anhaltspunkt einer Eskalation für den Fall des Androhens des Messereinsatzes gegeben, lässt dies die gebotene Auseinandersetzung mit wesentlichen Umständen vermissen, die sich aus den Feststellungen ergeben. Die Geringfügigkeit des Anlasses sagt für sich bereits nichts darüber aus, wie bedrohlich die Situation für den Angeklagten im Zeitpunkt seiner Verteidigungshandlungen tatsächlich war. Sie ist hierfür aber vor allem angesichts der konkreten Kampflage ohne Aussagekraft. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Geschädigten, von denen die Tätlichkeiten ausgingen, den K. H. bereits so geschlagen und getreten hatten, dass dieser bewusstlos am Boden lag. Als sie sich nunmehr dem Angeklagten zuwandten , lag es bei einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse aus Sicht des Angeklagten nahe, dass sie nunmehr auch ihn durch Schläge und Tritte schwer verletzen würden. Das Landgericht hat nicht in seine Überlegungen aufgenommen, dass das trotz der Geringfügigkeit des Anlasses an den Tag gelegte, in hohem Maße aggressive Verhalten der Geschädigten gegen K. H. gegen die Annahme spricht, dass die vorherige Androhung des Messereinsatzes durch den Angeklagten dazu geeignet gewesen wäre, den Angriff auf ihn endgültig abzuwehren.
9
Dies gilt umso mehr, als der Geschädigte G. dem Angeklagten bereits einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hatte und der Angeklagte davon ausging, dass auf Seiten der Angreifer in absehbarer Zeit weitere Personen hinzutreten würden. Mit Rücksicht auf die körperliche Überlegenheit der Angreifer sowie ihre personelle, sich aus Sicht des Angeklagten alsbald verstärkende Übermacht fehlt es deshalb auch an einer hinreichenden Grundlage für die Auffassung der Kammer, der Angeklagte habe für den Fall der Androhung des Messereinsatzes nicht mit einer Entwaffnung und der anschließenden Zufügung schwerwiegender Verletzung rechnen müssen.
10
Darüber hinaus findet die Erwägung des Landgerichts, es seien keine Anzeichen für besondere Aggressionen der Geschädigten gerade gegen den Angeklagten erkennbar gewesen, in den Feststellungen keine hinreichende Grundlage. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass G. dem Angeklag- ten, ohne das Messer bemerkt zu haben, bereits vor den ersten mit Verteidigungswillen geführten Messerstichen mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte und sich die beiden Geschädigten dem Angeklagten zuwandten, nachdem sie zuvor bereits K. H. bis zur Bewusstlosigkeit traktiert hatten. Die genannten, vom Landgericht auch in diesem Zusammenhang nichterwogenen Umstände sprachen objektiv und aus der Perspektive des Angeklagten dafür, dass sich die Aggressionen der Geschädigten in gleicher Weise wie zuvor gegen K. H. nunmehr gegen ihn richten würden.
11
Unter diesen Umständen hatte die Drohung, das Messer einzusetzen, keine so hohe Erfolgsaussicht, dass dem Angeklagten das Risiko des Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zuzumuten war.
12
Letztlich hat das Landgericht den Aspekt, dass unabhängig davon, ob der nicht angedrohte Messereinsatz eine erforderliche Notwehrhandlung des Angeklagten zu seiner eigenen Verteidigung war, hierin eine erforderliche Nothilfehandlung zu Gunsten seines Freundes K. H. lag, überhaupt nicht in seine rechtlichen Erwägungen einbezogen.
13
3. Der Senat kann nicht nach § 354 Abs. 1 StPO durch Freispruch in der Sache selbst entscheiden. Mit Rücksicht auf die in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommende, nicht eindeutige Beweislage sowie dort erwogene Sachverhaltsalternativen kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine neue Ver- handlung noch weitere Feststellungen zu erbringen vermag, die einen Schuldspruch rechtfertigen.
Becker RiBGH Dr. Appl befindet sich im Schmitt Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 449/13
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 4. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, ausgenommen sind die Feststellungen zum Tatgeschehen; insoweit wird die weitergehende Revision verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils.
2
1. Am 22. Mai 2012 wollte der Geschädigte S. , 176 cm groß und ca. 72 kg schwer, der zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich alkoholisiert war, gegen 19:00 Uhr Sc. in K. besuchen. Er hatte eine Flasche Wodka besorgt, welche er mit Sc. zusammen trinken wollte. Als dieser die Wohnungstüre nicht öffnete, begab sich der Geschädigte S. im selben Haus ein Stockwerk höher zur Wohnung des Angeklagten, den er einige Tage zuvor in der Wohnung des Sc. kennengelernt hatte. Der Angeklagte, 180 cm groß und 80 kg schwer, ließ ihn ein und man trank zusammen Wodka mit Eistee, bis die Flasche leer war. Kurz vor 22:00 Uhr wollte der Angeklagte zu Bett gehen und bot dem erheblich betrunkenen Geschädigten S. an, er könne auf seiner Couch übernachten. Als er ins Schlafzimmer gehen wollte, zog der Geschädigte S., der zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2,76 Promille aufwies, den Angeklagten, der mit maximal 2,02 Promille ebenfalls nicht unerheblich alkoholisiert war, kräftig und ruckartig auf die Couch zurück. Gleichzeitig sagte der Geschädigte S., der nicht damit einverstanden war, dass der Abend nun beendet werden sollte, in strengem Ton: „Sitzen!“ Der An- geklagte wiederholte, dass er jetzt müde sei und schlafen gehen möchte. Er stand erneut von der Couch auf, wurde jedoch wiederum vom Geschädigten S. zurückgezogen. Zudem versetzte der Geschädigte S. dem Angeklagten einen kräftigen Schlag mit der Faust gegen den Kopf oberhalb des linken Ohres. Als er dann noch ein weiteres Mal auf den Gesichtsbereich des Angeklagten einschlagen wollte, konnte dieser dem Schlag reflexartig ausweichen. Obgleich der Angeklagte nun dem Geschädigten S. eindringlich sagte, dass er damit aufhören solle und dass jetzt Schluss sei, ließ dieser sich nicht beruhigen, war weiterhin aggressiv und wollte abermals mit den Fäusten auf den Angeklagten einschlagen. Diese Schlagversuche konnte der Angeklagte jedoch abwehren, wobei er den Geschädigten S. seinerseits mit der Faust und mit erheblicher Wucht im Gesicht traf. Obgleich er nun wiederholt äußerte, der Geschädigte S. solle aufhören, ließ sich dieser weder hiervon, noch von den eingesteckten Treffern abhalten. Er versuchte weiter, auf den Angeklagten einzuschlagen. Schließlich konnte der Angeklagte, welcher in jungen Jahren Judo und Karate als Wettkampfsport betrieben, allerdings seit langem nicht mehr aktiv trainiert hatte, bei dem Geschädigten S. einen Armhebel ansetzen und dessen rechte Hand rücklings auf den Rücken drehen. Solchermaßen fixiert wollte er ihn aus der Wohnung werfen, was aber nicht gelang, da der Geschädigte S. versuchte, sich aus dem Armhaltegriff herauszudrehen. Der Angeklagte befürchtete nun, dass der Geschädigte S., wenn er sich befreien könnte, erneut auf ihn losgehen und auf ihn einschlagen werde. Um dies zu verhindern, nahm er den Geschädigten S. von hinten stehend mit seinem linken Arm in den Schwitzkasten bzw. Würgegriff und drückte zu. Als der Geschädigte S. nach einer nicht genau feststellbaren Zeitspanne dadurch schwächer wurde, konnte der Angeklagte ihn immer noch im Schwitzkasten haltend zu Boden bringen. Um den Angriff zu beenden, hielt der Angeklagte den Geschädigten S. weiter über einen Zeitraum von jedenfalls einer Minute fest im Schwitzkasten, wobei er wusste, dass dies grundsätzlich eine das Leben gefährdende Behandlung darstellt und es etwa durch ein Abdrücken beider Halsschlagadern zu einer tödlich verlaufenden Sauerstoffunterversorgung des Gehirns kommen kann. Obwohl der Geschädigte S. sich nicht mehr wehrte, hielt ihn der Angeklagte weiter fest im Würgegriff, da er nicht sicher war, ob der Geschädigte S. lediglich simulierte. Noch während er den Geschädigten S. auf diese Weise hielt, rief der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt leicht schwerfällig atmete, den Notruf der Polizei an, um deren Hilfe herbeizurufen. Nachdem er diesen Anruf nach einer Minute und 19 Sekunden beendet hatte, bemerkte der Angeklagte, dass der Geschädigte S. nicht mehr atmete. Er rief daraufhin zunächst einen Bekannten an, um mit ihm zu besprechen , was er nun tun solle. Entsprechend dem Rat des Bekannten rief er dann die Rettungsleitstelle an, um weitere Hilfe herbeizurufen. Zu diesem Zeitpunkt trafen bereits die herbeigerufene Polizei und kurze Zeit später der Notarzt ein. Der Notarzt konnte den Geschädigten S. nicht mehr reanimieren. Dieser war aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns infolge eines beidseitigen Abdrückens der Halsschlagader bereits tot.
3
2. Die Strafkammer ist aufgrund dieser Feststellungen davon ausgegangen , dass der Angeklagte zunächst in Notwehr handelte, als er die Schläge des Geschädigten S. abwehrte, und es dabei auch noch von der Erforderlichkeit im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB gedeckt war, den Angreifer von hinten in den Würgegriff bzw. Schwitzkasten zu nehmen und zu Boden zu bringen. Nach Auffassung der Strafkammer sei jedoch aufgrund der konkreten Kampfsituation der fortdauernde Würgegriff am Boden nicht mehr erforderlich gewesen, um den Angriff zu beenden. Der Umstand, dass der Angeklagte befürchtete, der Angreifer könne simulieren, könne ihn nicht entlasten. Vielmehr habe der Angeklagte den am Boden liegenden Geschädigten S. nun lediglich in einen Haltegriff nehmen und am Boden fixieren können.

II.


4
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge nicht tragen. Denn das Schwurgericht hat sich nicht mit der Frage eines Erlaubnistatbestandsirrtums des Angeklagten auseinandergesetzt und diesbezüglich auch dessen Vorstellungsbild nicht umfassend geprüft.
5
1. Zutreffend geht allerdings das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte zunächst in Notwehr gehandelt hat, als er den Geschädigten S. in den "Schwitzkasten" genommen hat.
6
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996 - 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven exante -Betrachtung entschieden werden (BGH, Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 186/98, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 14). Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung an (BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 - 1 StR 741/88, NJW 1989, 3027; Beschluss vom 5. November 1982 - 3 StR 375/82, NStZ 1983, 117).
7
b) Für den Angeklagten gab es in der Situation hier zum - lediglich mit Körperverletzungswillen vorgenommenen - Anlegen des Würgegriffs (jedenfalls zunächst) keine mildere Handlungsalternative: Auf die mehrfache Aufforderung zu Beginn der auch vom Angeklagten gegenüber seinem gewaltbereiten Gegner mit bloßer Körperkraft ausgetragenen Auseinandersetzung, mit seinen Angriffen aufzuhören, ist dieser nämlich nicht eingegangen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. September 1995 - 4 StR 294/95, NStZ 1996, 29).
8
c) Die Notwehrsituation ist allerdings jedenfalls dann beendet gewesen, als der Geschädigte S. kampfunfähig zu Boden gebracht wurde. Die Rechtfertigung des Würgegriffs entfiel objektiv, als der Geschädigte S. am Boden liegend schwächer wurde, ruhig war und sich nicht mehr wehrte.
9
2. Demgegenüber begegnet die Annahme des Landgerichts, dass die weitere Aufrechterhaltung des "Schwitzkastens" eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne der §§ 223 ff. StGB darstellt, durchgreifenden Bedenken. Es übersieht, dass die Frage des Vorliegens einer vorsätzlichen Körperverletzung nach dem subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten zu entscheiden ist. Hätte der Angeklagte nämlich nicht erkannt, dass die Notwehrlage infolge der eingetretenen Kampfunfähigkeit des Geschädigten S. entfallen war, dann läge ein Irrtum im Sinne des § 16 StGB vor. Denn die irrige Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts wäre wie ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10. März 1983 - 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 286 f.; vom 10. Februar 2000 - 4 StR 558/99, BGHSt 45, 378, 383 f.; und vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34, 35), so dass der Vorwurf (vorsätzlicher) Körperverletzung mit Todesfolge entfiele.
10
a) Das Landgericht hat nicht mit Tatsachen belegt, weshalb der Angeklagte habe erkennen müssen, dass es ausreichte, den Geschädigten S. nur noch mit einem Haltegriff festzuhalten, als er mit dem Angeklagten auf dem Boden lag. Dies hätte besonderer Erörterung auch daher bedurft, weil der Geschädigte S. sich bereits zuvor aus einem solchen Haltegriff zu befreien versucht hatte (UA S. 7). Die Ausführungen des Schwurgerichts beschränken sich auf die Feststellung, dass in der gesamten Wohnung keine erheblichen Kampfspuren festgestellt wurden, was aber gerade deswegen wenig verwunderlich ist, weil sich das Geschehen letztlich im Wesentlichen nur dort zugetragen hat, wo die Kontrahenten zu Fall kamen.
11
b) Die getroffenen Feststellungen, insbesondere der Gesprächsablauf und die Äußerungen des Angeklagten beim ersten Notruf bei der Polizei, legen die Annahme nahe, dass der Angeklagte auch noch beim Fixieren des Geschädigten S. im „Schwitzkasten“ auf dem Boden liegend davon ausging, dass seine Handlung erforderlich sei, um zu verhindern, dass der Geschädigte S. erneut auf ihn losgeht und ihn schlägt. Das Schwurgericht hat hierzu festgestellt, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht sicher war, ob der Geschädigte S. lediglich simuliere. Wenn der Angeklagte tatsächlich glaubte, dass der Geschädigte S. sich nur deswegen nicht mehr wehrte, um freizukommen und seine unberechtigten Angriffe gegen den Angeklagten fortzusetzen, wäre der Angeklagte von einer noch andauernden Notwehrsituation ausgegangen, auch wenn diese tatsächlich nicht mehr gegeben war.
12
c) Soweit das Landgericht ohne weitere Begründung davon ausgegan- gen ist, es könne den Angeklagten nicht entlasten, dass er befürchtete, „der Angreifer könne simulieren“, legtdas nahe, dass es von unzutreffenden Anforderungen an eine Putativnotwehrlage ausgegangen ist. Denn auf der Grundlage der Feststellungen, dass sich der Angeklagte - nach dem rechtsfehlerfrei festgestellten vorausgegangenen provozierenden und aggressiven Verhalten des Geschädigten S. - beim Loslassen des Geschädigten S. einen erneut bevorstehenden Angriff vorstellte, wäre er einem entsprechenden Irrtum unterlegen.
13
Dieser Irrtum des Angeklagten könnte aber auf einer Außerachtlassung der gebotenen und ihm persönlich zuzumutenden Sorgfalt beruhen, so dass er wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen wäre (§ 16 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2000 - 4 StR 558/99, BGHSt 45, 378, 384 f.; und vom 18. September 1991 - 2 StR 288/91, NJW 1992, 516, 517), wobei in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen wäre, dass ihm die Gefährlichkeit des Würgegriffs bekannt war.
14
3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Raum Wahl Graf
RinBGH Cirener befindet sich auf Dienstreise und ist an der Unterschriftsleistung gehindert.
Jäger Raum

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 197/12
vom
27. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. September
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 27. Januar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Halle hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen traf der alkoholisierte Angeklagte (maximale Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit: 1,68 Promille) zusammen mit dem Zeugen V. am 15. April 2011 nach 22.00 Uhr im Stadtgebiet von Z. auf den ihm bis dahin unbekannten Geschädigten Z. und dessen Freund, den Zeugen D. . Z. und D. führten einen kleinen Terrier und einen 50 cm großen Labrador-Pitbull-Mischling mit sich. Beide Hunde waren angeleint und bellten. Der Abstand zwischen Z. und D. einerseits und dem Angeklagten und V. andererseits betrug 25 bis 30 Meter.
3
Aus nicht mehr aufklärbaren Gründen entwickelte sich zwischen dem Angeklagten auf der einen und Z. und D. auf der anderen Seite eine verbale Auseinandersetzung, bei der es auch zu beleidigenden Äußerungen („Wichser“) des Angeklagten kam. Als der Angeklagte und der sich an dem Wortwechsel nicht beteiligende V. ihren Weg fortsetzten, folgten ihnen Z. und D. nach, wobei sich der Abstand zwischen beiden Gruppen ständig verringerte, weil Z. und D. ihr Gehtempo erhöhten. Die verbale Auseinandersetzung wurde dabei fortgeführt. Einer Aufforderung von Z. stehen zu bleiben, kamen der Angeklagte und V. nicht nach. Als D. dem Angeklagten und V. ankündigte, dass man ihnen „beim nächsten dummen Wort hinterherkommen“ werde, reagierte der Angeklagte hierauf mit den Worten: „Na dann kommt doch her“. Der Wortwechsel wurde nun zunehmend aggressiver, wobei der Angeklagte seinen Kontrahenten Z. und D. zurief: „Passt auf, wenn ich euch auf offener Straße abschießen lasse“. Die Aufforderung einer Anwohnerin, „mit dem Krach aufzuhören“, blieb beiallen Beteiligten ohne Wirkung. Z. und D. erhöhten nun nochmals ihre Geschwindigkeit , sodass der Abstand zu dem Angeklagten und V. immer kürzer wurde. Dabei lief Z. voraus, während D. mit den beiden an der Leine geführten Hunden nachfolgte. V. , der die Annäherung bemerkte, befürchtete nun eine alsbaldige Konfrontation und redete auf den Angeklagten ein, dass sie beide dies besser lassen und nach Hause gehen sollten. Der Angeklagte ging hierauf nicht ein und führte stattdessen die verbale Auseinandersetzung mit Z. und D. lautstark fort.
4
Als der Abstand zu Z. und D. nur noch 10 bis 20 Meter betrug, nahm der Angeklagte ein von ihm ständig mitgeführtes Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm aus seiner Bauchtasche. Die Tasche mit dem übrigen Inhalt übergab er V. , um sie vor seinen Verfolgern zu sichern. V. bekam Angst vor den ihnen folgenden Personen und den bellenden Hunden, er wollte keinen Ärger und rannte davon. Z. lief nun auf den Angeklagten zu, der sich mit dem Rücken zu ihm befand und stehen blieb. Als Z. den Angeklagten erreichte, versuchte er, ihm einen Faustschlag gegen den Kopf zu versetzen. Der Schlag verfehlte den Angeklagten, weil sich dieser genau in dem Moment des Schlags erst zur Seite und dann umdrehte. Unmittelbar nach der Drehbewegung führte der Angeklagte mit dem zwischenzeitlich geöffneten Messer ohne weiteres Zögern einen wuchtigen Stich gegen den Oberkörper von Z. aus. Die Klinge drang 15 cm tief in den linken Unterbauch von Z. ein, führte zu einer dreifachen Durchsetzung des Dünndarms, einem Durchstich der unteren Hohlvene und einem Stichdefekt an der gemeinsamen rechten Beckenschlagader. Beide standen sich nun unmittelbar gegenüber. Der Angeklagte zog sein Messer wieder aus dem Körper von Z. heraus und behielt es in der Hand. Z. schlug nun ein zweites Mal mit der Faust nach dem Angeklagten , wobei er ihn im Gesicht traf. Der Angeklagte fiel zu Boden, blieb liegen und versuchte seinen Kopf mit den Händen zu schützen. Z. trat mindestens einmal gegen den Oberkörper des am Boden liegenden Angeklagten und lief dann zu dem in einer Entfernung von etwa 10 Metern mit den Hunden wartenden D. . Kurz darauf brach er zusammen; er verstarb trotz einer sofortigen Notoperation am frühen Morgen des Folgetags in einem Krankenhaus.
5
Bei der Ausführung des Stiches nahm der Angeklagte eine als möglich erkannte tödliche Verletzung von Z. billigend in Kauf. Dabei stand er unter dem Eindruck, von zwei Personen und deren bellenden Hunden verfolgt zu werden, wobei ihn ein Verfolger bereits eingeholt hatte. Aufgrund des zuvor genossenen Alkohols fühlte er sich „etwas enthemmt“, ohne dass es zu einer relevanten Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gekommen wäre.

II.


6
Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Rechtfertigung durch Notwehr abgelehnt hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
1. Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe rechtswidrig gehandelt , weil ihm in der konkreten Situation andere Möglichkeiten für eine Abwehr des Angriffs zur Verfügung standen und der tödliche Messerstich deshalb nicht das nach § 32 Abs. 2 StGB erforderliche Verteidigungsmittel war (UA 33). So habe der Angeklagte während des Wortwechsels und der Verlagerung des Geschehens bis zum Tatort genügend Zeit gehabt, um auf den Besitz des Messers hinzuweisen und dessen Einsatz anzudrohen. Zu diesem Zeitpunkt sei Z. lediglich hinter ihm hergelaufen und habe noch nicht damit begonnen , auf den Angeklagten einzuschlagen. Ebenso hätte der Angeklagte versuchen können, mit Worten deeskalierend auf die ihn verfolgende Gruppe einzuwirken. Auch wäre es ihm in der konkreten Verteidigungssituation möglich gewesen, das Messer als Schlagwerkzeug zu benutzen oder seine Fäuste einzusetzen. Dabei hätte der Angeklagte gute Erfolgsaussichten gehabt, weil er aufgrund seiner Körperlänge von 187 cm dem nur 160 cm großen Z. überlegen gewesen sei und eine situationsbedingte körperliche Schwächung nicht vorgelegen habe. Zudem hätte der Angeklagte nicht mit einer derartigen Wucht auf eine so sensible Körperregion einstechen müssen (UA 10 und 34). Schließlich dürfe auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Angeklagte wegen seiner aggressiven Äußerungen im Vorfeld eine Mitschuld an der Gemütsver- fassung des Geschädigten trage, auch wenn die Voraussetzungen einer Notwehrprovokation dadurch noch nicht erfüllt seien (UA 34 f.).
8
2. Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung entschieden werden (BGH, Urteil vom 24. Juni 1998 – 3 StR 186/98, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 14). Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung an (BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 – 1 StR 741/88, NJW 1989, 3027; Beschluss vom 5. November 1982 – 3 StR 375/82, NStZ 1983, 117). Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss der Angegriffene nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (BGH, Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274; Urteil vom 14. Juni 1972 – 2 StR 679/71, BGHSt 24, 356, 358). Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers in der Regel anzudrohen ist (BGH, Urteil vom 11. September 1995 – 4 StR 294/95, NStZ 1996, 29 f.; Beschluss vom 12. Dezember 1975 – 2 StR 451/75, BGHSt 26, 256, 258) und, sofern dies nicht ausreicht, der Versuch unternommen werden muss, auf weniger sensible Körperpartien einzustechen (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2001 – 4 StR 256/01), doch stehen diese Einschränkungen unter dem Vorbehalt, dass beide Einsatzformen im konkreten Fall eine so hohe Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2003 – 3 StR 458/02, NStZ 2004, 615, 616; Beschluss vom 21. März 2001 – 1 StR 48/01, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 15; Urteil vom 24. Juni 1998 – 3 StR 186/98, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 14). Dies ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen im Einzelnen darzulegen. Angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine vorherige Androhung des Messereinsatzes oder eine weniger gefährliche Stichführung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274). Können keine sicheren Feststellungen zu Einzelheiten des Geschehens getroffen werden, darf sich das nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken (BGH, Beschluss vom 15. November 1994 – 3 StR 393/94, NJW 1995, 973).
9
3. Diesen Grundsätzen werden die Erwägungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit des Messerstichs nicht gerecht.
10
a) Soweit dem Angeklagten entgegenhalten wird, den Einsatz des Messers während des Wortwechsels und der Verlagerung des Geschehens bis zum Tatort nicht angedroht und es in diesem Zeitraum auch versäumt zu haben, durch Worte deeskalierend auf seine Kontrahenten einzuwirken, handelt es sich um mögliche Verhaltensweisen im Vorfeld und nicht um im Zeitpunkt des Messereinsatzes noch verfügbare alternative Abwehrmittel.
11
b) Für die Annahme, dass es dem Angeklagten möglich war, den Angriff von Z. mit den bloßen Fäusten abzuwehren, ohne dabei ein unvertretbar hohes Fehlschlagrisiko oder eine Eigengefährdung in Kauf nehmen zu müssen, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang lediglich auf die Größenverhältnisse zwischen den Kontrahenten abgehoben und daraus eine körperliche Überlegenheit des Angeklagten abgeleitet. Dies reicht nicht aus, um einen sicheren Erfolg des Angeklagten bei einem Faustkampf mit Z. zu belegen. Ob eine körperliche Auseinandersetzung ohne eigene Verletzungen mit Erfolg bestanden werden kann, hängt nur zu einem geringen Teil von der Statur der Kontrahenten ab. Weitere Feststellungen – etwa zu möglichen Erfahrungen des Angeklagten mit derartigen Auseinandersetzungen oder besonderen Fertigkeiten in diesem Bereich – die eine derartige Aussage gestatten könnten, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Den Vorstrafen wegen Körperverletzung aus dem Jahr 2008 zum Nachteil deutlich jüngerer Kinder hat der Tatrichter in diesem Zusammenhang keine Bedeutung beigemessen und sie nur bei der Ahndung berücksichtigt.
12
c) Das Landgericht hat auch nicht hinreichend dargelegt, warum der Angeklagte gehalten gewesen sein sollte, das Messer als Schlagwerkzeug einzusetzen. Bei dem Tatmesser handelte es sich um ein Klappmesser mit einer feststehenden 10 cm langen Klinge. Wie ein solches Messer in einer effektiven Weise als Schlagwerkzeug eingesetzt werden kann, erschließt sich nicht von selbst.
13
d) Schließlich hat das Landgericht auch nicht mit Tatsachen belegt, dass es dem Angeklagten möglich war, den Angriff von Z. durch einen weniger wuchtigen Stich gegen eine nicht so sensible Körperregion endgültig abzuwehren. Die hierzu gemachten Ausführungen beschränken sich auf die bloße Behauptung, dass ihm diese Handlungsmöglichkeit zur Verfügungstand (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2001 – 4 StR 256/01).

III.


14
Der Senat kann nicht nach § 354 Abs. 1 StPO durch Freispruch in der Sache selbst entscheiden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine neue Verhandlung noch weitere Feststellungen zu erbringen vermag, die einen Schuldspruch rechtfertigen (BGH, Urteil vom 22. April 2004 – 5 StR 534/02, NStZ-RR 2004, 270, 271). Dabei wird auch zu erörtern sein, ob die Notwehrbefugnisse des Angeklagten wegen einer ihm zuzurechnenden Angriffsprovokation beschränkt waren. Auch kommt gegebenenfalls die Annahme eines Erlaubnistatbestandsirrtums in Betracht.
15
1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich nicht auf ein Notwehrrecht berufen kann, wer den gegen ihn geführten Angriff herausgefordert hat, um den Angreifer unter dem Deckmantel einer äußerlich gegebenen Notwehrlage an seinen Rechtsgütern zu verletzen (BGH, Urteil vom 22. November 2000 – 3 StR 331/00, NStZ 2001, 143; Urteil vom 7. Juni 1983 – 4 StR 703/82, NJW 1983, 2267). Einschränkungen der Notwehrbefugnis können sich aber auch dann ergeben, wenn der Täter den Angriff durch ein rechtswidriges Verhalten im Vorfeld (z.B. Beleidigungen des Angreifers) mindestens leichtfertig provoziert hat. In einem solchen Fall ist es dem Täter zuzumuten, dem Angriff nach Möglichkeit auszuweichen (BGH, Beschluss vom 14. Februar 1992 – 2 StR 28/92, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 9; Beschluss vom 17. Januar 1989 – 4 StR 2/89, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 4; Urteil vom 14. Juni 1972 – 2 StR 679/71, BGHSt 24, 356, 359). Vermag er dies nicht, kann er – je nach der Stärke der ihm anzulastenden Provokation und dem Gewicht des beein- trächtigten Rechtsguts – auch Beschränkungen bei der Auswahl der Abwehrmittel unterliegen (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333). War die Provokation besonders stark, muss der Verteidiger unter Umständen auf eine einen sicheren Erfolg versprechende Verteidigung verzichten und das Risiko hinnehmen, dass ein milderes Abwehrmittel keine gleichwertigen Erfolgschancen bietet (BGH, Urteil vom 22. November 2000 – 3 StR 331/00, NStZ 2001, 143, 144; Urteil vom 26. Oktober 1993 – 5 StR 493/93, BGHSt 39, 374, 379). Regelmäßig wird er zu einer Trutzwehr mit einer lebensgefährlichen Waffe erst dann übergehen können, wenn er alle sich ihm bietenden Möglichkeiten zur Schutzwehr ausgeschöpft hat (BGH, Urteil vom 11. Juni 1991 – 1 StR 242/91, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 8; Urteil vom 18. August 1988 – 4 StR 297/88, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 3; Urteil vom 14. Juni 1972 – 2 StR 679/71, BGHSt 24, 356, 359; vgl. Beschluss vom 12. Dezember 1975 – 2 StR 451/75, BGHSt 26, 256). Kann der Verteidiger dem von ihm leichtfertig provozierten Angriff nicht ausweichen und stehen ihm auch keine milderen Abwehrmittel zur Verfügung, ist ein Einsatz von lebensgefährlichen Verteidigungsmitteln gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1989 – 4 StR 2/89, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 4).
16
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte den später getöteten Z. und den Zeugen D. im Vorfeld des Angriffs unter anderem als „Wichser“ bezeichnet und dadurch beleidigt. Konkrete Feststellungen dazu, ob und inwieweit diese und weitere Äußerungen („na dann kommt doch her“) dazu beigetragen haben, dass Z. und D. die Verfolgung des Angeklagten und des Zeugen V. aufnahmen und inwieweit eine solche Entwicklung vorhersehbar war, hat das Landgericht nicht getroffen. Das Gesamtgeschehen legt einen derartigen motivationalen Zusammenhang nahe. Für den Fall, dass eine leichtfertige Angriffsprovokation festge- stellt werden kann, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, inwieweit es dem Angeklagten möglich war, dem Angriff auszuweichen und inwieweit er wegen der vorausgegangenen Provokation Einschränkungen bei der Notwehrausübung hinnehmen musste.
17
2. Ein analog § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zum Vorsatzausschluss führender Erlaubnistatbestandsirrtum kann gegeben sein, wenn der rechtswidrig Angegriffene zu einem objektiv nicht erforderlichen Verteidigungsmittel greift, weil er irrig annimmt, der bereits laufende Angriff werde in Kürze durch das Hinzutreten eines weiteren Angreifers verstärkt werden; das gewählte Verteidigungsmittel aber in der von ihm angenommenen Situation zur endgültigen Abwehr des Angriffs erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2011 – 3 StR 450/10, NStZ 2011, 630). Konnte der Angegriffene den Irrtum vermeiden , kommt nach § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB eine Bestrafung wegen einer Fahrlässigkeitstat in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2001 – 3 StR 542/00, NStZ 2001, 530 f.).
18
Nach den Feststellungen des Landgerichts sah sich der Angeklagte von zwei Personen mit bellenden Hunden verfolgt, von denen ihn eine ( Z. ) bereits eingeholt hatte. Diese Annahme entsprach jedenfalls insoweit nicht den Tatsachen, als D. „eher an einer Deeskalation“ interessiert war und – so seine für „plausibel“ erachtete Aussage in der Hauptverhandlung – Z. sogar an dem Faustschlag gehindert hätte, wenn er zeitgleich mit ihm auf den Angeklagten getroffen wäre. Ob der Angeklagte bei der Ausführung des Stiches irrig davon ausging, dass der laufende Angriff von Z. in Kürze eine Verstärkung durch D. erfahren würde, lässt sich anhand dieser Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Sollte der neue Tatrichter zu entsprechenden Feststellungen gelangen, wird er zu erörtern haben, ob der tödliche Messerstich erforderlich gewesen wäre, um einen Angriff abzuwehren, wie ihn der Angeklagte befürchtete.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.