Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - 5 StR 621/14

bei uns veröffentlicht am24.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR621/14
vom
24. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 1. August 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Brand1 stiftung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, auf dem
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Dachboden des auch von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses ein Feuer entzündet zu haben, das die Holzbalken des Dachstuhls ergriff und mit eigener Flamme weiter brannte. Das zur Evakuierung des Hauses führende Feuer wurde durch die Feuerwehr gelöscht; es entstand ein Sachschaden in Höhe von fast 26.000 €.
3
Das Landgericht hat in den Urteilsgründen nach dem Anklagevorwurf zunächst die bestreitende Einlassung des Angeklagten wiedergegeben und diese als nicht widerlegbar angesehen. Zu diesem Ergebnis ist es gelangt, nachdem es sich mit den Angaben der Belastungszeugen und den weiteren für die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Indizien Punkt für Punkt auseinanderge- setzt und zusammenfassend lediglich ausgeführt hat, dass in der „Gesamtwür- digung aller Indizien erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten“ (UA S. 17) verblieben.
2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sich
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die ihm zugrundeliegende Beweiswürdigung als nicht tragfähig erweist.

a) Es leidet bereits an einem durchgreifenden Darstellungsmangel. Wird
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ein Angeklagter aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen im Urteil regelmäßig zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht als erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten; nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220 mwN). Die erforderliche zusammenhängende Darstellung der getroffenen Feststellungen fehlt im angefochtenen Urteil gänzlich.

b) Die tatgerichtliche Beweiswürdigung selbst ist zudem lückenhaft. Die
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Urteilsgründe teilen insbesondere nicht mit, ob und gegebenenfalls wie der in der Hauptverhandlung vernommene Zeuge B. sich zu der von den Zeugen K. und Kö. übereinstimmend behaupteten Mitteilung des Angeklagten geäußert hat, der Zeuge B. habe ihm 500 € für die Brandlegung versprochen. Dies wäre jedoch – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – angesichts der auf das behauptete, vom Angeklagten bestrittene Gespräch mit ihm folgenden Textnachricht der Zeugin K. an den Zeugen B. geboten gewesen, in der die gegenüber den Zeugen Kö. und K. gemachten Angaben des Angeklagten bestätigt werden und zu der sich der Zeuge B. in der Hauptverhandlung geäußert hat (UA S. 6).

c) Den Urteilsgründen ist ferner nicht zu entnehmen, dass das Landge7 richt die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände tatsächlich vorgenommen hat. Abgesehen von dem einen genannten formelhaften Satz (UA S. 17) beschränkt sich die Beweiswürdigung darauf, die einzelnen Belastungsindizien – namentlich das Einräumen der Tat gegenüber den Zeugen K. und Kö. , die folgende Textnachricht der Zeugin K. an den Zeugen B. , die „ungenauen Angaben“ des Angeklagten zur Kenntnisnahme vom Brandort, seine früheren einschlägigen Verurteilungen sowie die Feststellung des Sachverständigen, dass „Zündeln“ zum Frustrationsabbau ein konditioniertes Bewältigungsschema des Angeklagten darstelle – jeweils gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne sie zueinander in Beziehung zu setzen. Damit hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige richterliche Überzeugung begründen können (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 mwN).
Sander Schneider Dölp
König Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - 5 StR 621/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - 5 StR 621/14

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - 5 StR 621/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2012 - 5 StR 322/12

bei uns veröffentlicht am 07.11.2012

5 StR 322/12 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 7. November 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten Totschlags u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2012, an der teilgenommen

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2014 - 1 StR 722/13

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 7 2 2 / 1 3 vom 8. Mai 2014 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzu
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - 5 StR 621/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Mai 2015 - 4 StR 577/14

bei uns veröffentlicht am 21.05.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 577/14 vom 21. Mai 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: versuchter Anstiftung zum Mord zu 2.: Verdachts des versuchten Mordes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sit

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 2 2 / 1 3
vom
8. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung -,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Vertreter für
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 7. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ sowie wegen „vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen eines Springmessers gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die wirksam auf den Freispruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, sich am 23. Juli 2011 gegen 14.00 Uhr gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten D. in eine Münchener Parkanlage begeben zu haben, um sich dort in den Besitz von Kokain- und Heroingemisch zu bringen. Die Betäubungsmittel seien zuvor von beiden gemeinschaftlich erworben und von den Vorbesitzern in der Parkanlage vergraben worden. Der Angeklagte habe um das Versteck gewusst und ein funktionsfähiges Springmesser mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern mit sich geführt. Es habe sich um 51,8 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,7 Gramm Heroinhydrochlorid und 303,2 Gramm Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 9 Gramm Kokainhydrochlorid gehandelt.
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2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, dass es den Angeklagten der Tat nicht mit der erforderlichen Sicherheit für überführt erachte. Hierzu stellt es die erhobenen Zeugenaussagen dar. So habe der gesondert Verfolgte D. bekundet, der Angeklagte habe mit dem vergrabenen Päckchen nichts zu tun. Der Angeklagte habe gesagt, er müsse urinieren und sei ihm - dem Zeugen - bei der Suche nach den vergrabenen Betäubungsmitteln gefolgt. Sofern er, der Zeuge, früher etwas anderes gesagt habe, nämlich dass das gesamte Kokain dem Angeklagten gehört habe, sei dies gelogen gewesen. Sodann werden noch die Angaben von zwei Polizeibeamten mitgeteilt, die den Angeklagten und D. in der Parkanlage beobachtet haben. Danach habe einer gegraben, während der andere daneben gestanden und geschaut habe, zuvor hätten beide mit den Füßen am Boden gescharrt. Uriniert habe keiner von beiden. Diese Angaben begründeten zwar „gewisse Zweifel“ an der Version des D. , dennoch sei der Nachweis der Tat nicht zu führen.

II.


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Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Es unterliegt der Aufhebung, weil es an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leidet. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; Urteil vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZRR 2010, 182). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
7
Denn das Landgericht stellt nicht dar, von welchem Geschehensablauf es sich aufgrund einer würdigenden Gesamtschau des dargestellten Beweisertrags überzeugt hat. Dass die Beweisaufnahme hierzu Erkenntnisse erbracht hat, belegen die sich auf eine Darstellung der Zeugenaussagen beschränkenden Urteilsausführungen.
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Indem es das Landgericht unterlässt, diese Erkenntnisse dahingehend zu würdigen, was sich in der Parkanlage zugetragen hat und wie sich der Angeklagte dort verhalten hat, ist dem Revisionsgericht keine Nachprüfung möglich , ob es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Freispruch gelangt ist. Denn das genaue, über die Angaben im mitgeteilten Anklagesatz hinausgehend präzisierte Verhalten des Angeklagten vor Ort wäre ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Frage einer Tatbeteiligung.
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Dass eine würdigende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Angaben des D. erforderlich gewesen wäre, wird durch das unaufgelöste Spannungsverhältnis zwischen dessen Angaben und den für glaubhaft erachteten Angaben der Polizeibeamten belegt. Auf dieser Grundlage hat das Landge- richt selbst erkannt, dass „Zweifel“ an den entlastenden Angaben „begründet“ sind. Dies lässt sich zum einen schon schwerlich mit der an anderer Stelle des Urteils gemachten Wertung, die Angaben des D. seien glaubhaft, vereinbaren ; zum anderen hätte es aber Anlass sein müssen, sich eine Überzeugung vom genauen Geschehensablauf im Park zu verschaffen, anstatt die Zeugenaussagen unaufgelöst nebeneinander stehen zu lassen. Bei dieser Würdigung wäre auch der Wechsel des Einlassungsverhaltens des D. zu bewerten gewesen , der nach den Feststellungen ursprünglich den wegen Kokainhandels verurteilten Angeklagten als Verantwortlichen für das Kokain benannt hat. Raum Wahl Rothfuß Jäger Cirener
5 StR 322/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. November 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin Ha. ,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Januar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags sowie der gefährlichen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Der Angeklagte H. war zur Tatzeit Mitglied der Rockergruppierung „Bandidos“, der Angeklagte F. war mit Mitgliedern dieser Gruppierung befreundet.
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In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2009 besuchten Mitglieder und Sympathisanten der mit den „Bandidos“ rivalisierenden Rockergruppierung „Hells Angels“ein Dorffest in Falkenberg. Gegen 2.00 Uhr traten mehrere dieser Personen in einem aus drei Pkw bestehenden Konvoi die Heimfahrt über Eberswalde nach Berlin an. Sie wurden von mindestens zwei Pkw ver- folgt. Die Verfolger brachten den Konvoi durch „Ausbremsen“ zum Stillstand. Mehrere schwarz gekleidete und mit Sturmhauben vermummte Personen liefen auf die Fahrzeuge zu und schlugen mit Hieb- und Schlagwaffen zumindest auf ein Fahrzeug ein, bei dem die Seitenscheibe hinten links zersplitterte. Nach kurzer Zeit konnten die angehaltenen Fahrzeuge weiterfahren. Die Angreifer eilten zu ihren Fahrzeugen zurück und setzten die Verfolgung fort. Im Zuge der Verfolgung kollidierte der auf den Angeklagten F. zugelassene und „offenbar auf Seiten der Angreifer agierende“ rote Opel Ast- ra in einer Rechtskurve mit einem der verfolgten Fahrzeuge (Pkw Kia Sephia). Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.
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Während der weiteren Verfolgungsjagd trennten sich die Wege der Verfolgten. Gegen 2.45 Uhr kam der allein zurückgebliebene Kia bei einem Wendevorgang wegen eines Schaltproblems mittig auf der Fahrbahn zum Stehen. Es näherten sich mindestens zwei, höchstens drei „Täterfahrzeuge”, deren Typ und Kennzeichen nicht ermittelt werden konnten. Ein Fahrzeug wurde mit aufgeblendetem Licht vor den Kia gestellt, um diesen an der Weiterfahrt zu hindern. Der oder die anderen Pkw hielten zehn bis zwanzig Meter entfernt an. Mindestens drei, höchstens acht schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen verließen die Fahrzeuge und schlugen laut schreiend mit Schlagwaffen auf den Kia und dessen vier Insassen ein. Zwei Täter sprangen auf die Motorhaube und schlugen mit Baseballschlägern sowie Macheten gegen die Frontscheibe und das Dach des Kia. Weitere Täter zerschlugen mit Baseballschlägern die Heckscheibe und alle Seitenscheiben. Ein Versuch, zumindest die hinteren Türen zu öffnen, misslang. Nunmehr an beiden Seiten des Kia stehend schlugen die Täter mit Baseballschlägern und stachen mit Macheten sowie Messern äußerst brutal auf die Insassen des Kia ein.
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Einige Minuten später näherte sich ein Pkw. Die Täter verließen fluchtartig den Tatort, wobei zwei der Fahrzeuge eine rote Lackierung aufwiesen. Im vorderen Innenraum des Kia wurde von einem Täter eine Machete mit einer Klingenlänge von 34 Zentimetern zurückgelassen, auf deren Klinge sich eine vom Angeklagten H. herrührende DNA-Spur befand.
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Drei der vier Insassen des Kia wurden bei der Tat sehr schwer verletzt. Einer von ihnen erlitt einen akut lebensgefährlichen Stich in die Brust und konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Er leidet an Lähmungserscheinungen und Sensibilitätsstörungen im Arm- und Schulterbereich.
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b) Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass die beiden Angeklagten im roten Opel Astra des Angeklagten F. am Tatort gewesen und an dem gewalttätigen Überfall beteiligt waren. Für eine Beteiligung der Angeklagten spreche zwar eine Reihe von Indizien. Die Beweisanzeichen reichten jedoch auch in der Gesamtschau nicht aus, um eine Überzeugung von deren Beteiligung zu gewinnen.
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2. Der Freispruch leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
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a) Allerdings hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109, vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15 und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9).
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b) Nach diesen Maßstäben hält die durch die Schwurgerichtskammer vorgenommene Beweiswürdigung rechtlicher Prüfung nicht stand.
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aa) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur für sich genommen gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat (BGH, Urteil vom 27. April 2010, aaO, mwN). Dem wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht.
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Das Landgericht hat sich mit den die Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen , dass hiermit der Beweis für deren Beteiligung nicht zu führen sei (un- ter anderem: Verbundenheit beider Angeklagter mit den „Bandidos“, inhaltlich auf eine Beteiligung hindeutende Telefonkontakte beider Angeklagter etwa eine Stunde vor der Tat untereinander sowie mit einem Mitglied der „Bandi- dos“, Abschalten der Mobiltelefone beider Angeklagter eine knappe Stunde vor der Tat, Wiedereinschalten dieser Mobiltelefone etwa zwei Stunden nach der Tat, Beteiligung des roten Opel Astra des Angeklagten F. an der ersten Kollision mit dem Kia, rotes Fahrzeug am Tatort, womöglich vom Kia herrührende Glassplitter im Opel Astra des Angeklagten F. , DNASpuren und ein Teilfingerabdruck des Angeklagten H. an der im Kia gefundenen Machete, DNA-Spuren und Fingerabdruckspuren dieses Angeklagten am Fenster des Opel Astra und an im Fahrzeug befindlichen Gegenständen ). Diese Vorgehensweise in Verbindung mit der äußerst knapp aus- gefallenen Gesamtschau, im Rahmen derer die Vielzahl der vorhandenen Beweisanzeichen nicht erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt und gegeneinander abgewogen werden (UA S. 39), lässt besorgen, dass die Schwurgerichtskammer den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln für sich betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen , doch in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. Mai1999 – 3StR 110/99, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 – 1 StR 491/09).
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bb) Überdies durfte das Landgericht mangels in diese Richtung zielender objektiver Anhaltspunkte (vgl. etwa BGH, Urteile vom 14. Januar 2009 – 1 StR 554/08 Rn. 78 mwN, und vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453, 2454) nicht zugunsten des – in der Hauptverhandlung schweigenden – Angeklagten F. unterstellen, dieser habe entgegen sonst festzustellender Übung sein Fahrzeug in der Tatnacht einem Unbekannten geborgt (UA S. 23, 28). Dies gilt zumal vor dem Hintergrund einer nach dem Inhalt der Telefongespräche naheliegend unmittelbar zuvor und danach erfolgten Fahrzeugbenutzung durch F. (UA S. 29 ff.).
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3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Schwurgerichtskammer bei fehlerfreier Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Entlastungserwägungen des Tatgerichts zur zweifelhaften Kenntnis der Angeklagten von einer zeitlich zu bewältigenden Fahrstrecke der Verfolger zum Tatort (UA S. 27, 39) sind angesichts möglicher nicht kontrollierter Kommunikationswege nicht etwa derart gewichtig, dass sie die Freisprüche ungeachtet aller aufgezeigten Mängel allein tragen könnten. Nichts anderes gilt erst recht für vom Landgericht gar nicht entlastend gedeutete Inhalte nach der Tat geführter Telefonate (UA S. 31, 34).
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Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Auch soweit die die freigesprochenen Angeklagten belastenden Feststellun- gen rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie keinen Bestand haben, weil die Angeklagten sie revisionsrechtlich bislang nicht anzugreifen vermochten.
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4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
18
Soweit im angefochtenen Urteil beiläufig eine strafbare Beteiligung des Angeklagten F. sogar bei dessen erwiesener Anwesenheit im Fahrzeug am Tatort in Zweifel gezogen worden ist (UA S. 28), wird sich das neue Tatgericht gegebenenfalls damit auseinanderzusetzen haben, dass der Opel Astra bereits beim ersten Angriff auf den Kia eingesetzt worden ist und es danach ganz fernliegt, dass er im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Tat ohne unterstützende Funktion gewesen ist.
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Gegen eine Verwertbarkeit der abgehörten Telefongespräche sind nach bisherigem Stand keine durchgreifenden Bedenken ersichtlich.
Basdorf Schneider Dölp König Bellay