Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2018 - III ZR 187/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:210618UIIIZR187.17.0
bei uns veröffentlicht am21.06.2018
vorgehend
Kammergericht, 7 SchH 3/12, 09.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 187/17
Verkündet am:
21. Juni 2018
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ÜGRG Art. 23 Satz 1; GVG §§ 198 ff; EMRK Art. 35 Abs. 1
Zur Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 ÜGRG
in so genannten "Rüge-Mischfällen", wenn der Entschädigungskläger bei einem
Altfall neben der Rüge überlanger Verfahrensdauer davon unabhängige
weitere Grundrechtsverstöße (hier: Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 103 Abs. 1 GG)
geltend macht (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 11. Juli
2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218).
BGH, Urteil vom 21. Juni 2018 - III ZR 187/17 - KG Berlin
ECLI:DE:BGH:2018:210618UIIIZR187.17.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Sorgerechtsverfahrens in Anspruch.
2
Der Kläger und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau stritten in der Zeit von November 2003 bis September 2009 vor dem Familiengericht und dem Kammergericht um das Sorgerecht für ihre im Jahr 2002 geborene, seit der Trennung Ende 2003 bei der Kindesmutter lebende gemeinsame Tochter. Die Ehe wurde am 7. Juni 2006 rechtskräftig geschieden.
3
Die Kindesmutter begehrte mit Antrag vom 25. November 2003 die Übertragung der alleinigen Sorge mit der Begründung, der Kläger habe die Tochter sexuell missbraucht. Das Familiengericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 11. Juni 2006 statt, wobei der Missbrauchsvorwurf ungeklärt blieb.
4
Auf die im Juli 2006 eingelegte Beschwerde des Klägers führte das Kammergericht am 23. Januar 2007 einen Anhörungstermin durch und gab in der Folgezeit ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern in Auftrag.
5
Im März 2008 verurteilte das Amtsgericht die Kindesmutter, nachdem sie gestanden hatte, die Missbrauchsvorwürfe gegen den Kläger nur erfunden zu haben, wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe.
6
Im Oktober 2008 wurde das vom Kammergericht beauftragte Gutachten vorgelegt. Mit Beschluss vom 24. September 2009 wies das Gericht die Beschwerde des Klägers zurück, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Gehörsrüge des Klägers wurde mit Beschluss vom 28. Oktober 2009 zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht , welches mit Beschluss vom 2. November 2010 diese nicht zur Entscheidung annahm. Die Entscheidung ging den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 8. November 2010 zu.
7
Am 6. Mai 2011 legte der Kläger Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein und rügte unter anderem die überlange Dauer des Sorgerechtsverfahrens.
8
Die vorliegende Entschädigungsklage, die dem Beklagten am 1. August 2012 zugestellt wurde, hat der Kläger am 23. Mai 2012 beim Kammergericht eingereicht.

9
Er hat geltend gemacht, dass das Sorgerechtsverfahren um vier Jahre verzögert sei. Durch unsachgemäße richterliche Verfahrensgestaltung und weitere unangemessene Verzögerungen seitens der Gerichte habe er einen immateriellen Nachteil erlitten. Angesichts der Eilbedürftigkeit eines Sorgerechtsstreits und der schon langen Verfahrensdauer seien die Bemühungen der Gerichte zur Aufklärung des Missbrauchsvorwurfs und zur Verfahrensbeschleunigung nicht ausreichend gewesen. Die lange Verfahrensdauer sei mitursächlich für die schließlich getroffene Sorgerechtsentscheidung.
10
Das Kammergericht hat die auf Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer sowie Zahlung einer angemessenen Entschädigung gerichtete Klage mit Urteil vom 26. April 2013 abgewiesen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin das Urteil mit Beschluss vom 16. Januar 2015 aufgehoben (veröffentlicht in BeckRS 2015, 42938). Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hat das Kammergericht die Klage erneut abgewiesen. Die dagegen gerichtete abermalige Verfassungsbeschwerde des Klägers zum Berliner Verfassungsgerichtshof hat mit der Rüge einer Verletzung des Justizgewährungsanspruchs Erfolg gehabt und zur Aufhebung des klageabweisenden Urteils durch Beschluss vom 9. November 2016 geführt (veröffentlicht in BeckRS 2016, 54454). Das Kammergericht hat den Beklagten daraufhin nach Zurückverweisung der Sache zur Zahlung von 1.200 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
11
Mit seiner vom Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und erstrebt einen Entschädigungsbetrag von insgesamt min- destens 6.000 €.

Entscheidungsgründe


12
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


13
Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
14
Hinsichtlich des sorgerechtlichen Verfahrens sei die Klage teilweise begründet. Dem Kläger stehe unter Berücksichtigung einer unangemessenen Verfahrensverzögerung von zwölf Monaten eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € gemäß § 198 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 GVG zu. Nach dem vom Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin bejahten erhöhten Beschleunigungsmaßstab in Kindschaftssachen, deren Verfahrensdauer bereits erheblich sei, sei es im Beschwerdeverfahren in vier Abschnitten zu insgesamt zwölf Monaten unangemessener Verfahrensverzögerung gekommen (verspäteter Anhörungstermin am 23. Januar 2007, verzögerte Aktenübersendung an die Gutachterin im Februar 2008 und verzögerte Gutachtenerstellung im Oktober 2008, unangemessen langer Zeitraum von der Vorlage des Gutachtens bis zum Erlass des Beschlusses vom 24. September 2009). Für diesen Zeitraum sei eine Entschädigung für den erlittenen immateriellen Nachteil in Höhe von 1.200 € gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG anzusetzen.
15
Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Das erstinstanzliche Sorgerechtsverfahren weise keine unangemessene Verfahrensverzögerung auf. Dies gelte auch, soweit das Familiengericht im Dezember 2003 einen Polygraphentest beauftragt habe, da diese Verfahrensweise aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht des zuständigen Richters der Aufklärung des Sachverhalts gedient habe. Es sei auch nicht unbillig, den vom Kläger erlittenen immateriellen Nachteil nicht gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG höher als mit dem Regelsatz festzusetzen. Der Senat könne insbesondere nicht feststellen, dass die im Beschwerdeverfahren eingetretene Verzögerung für die Sorgerechtsentscheidung entscheidungserhebliche Fakten geschaffen habe.

II.


16
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
17
Der Kläger kann keine (weitere) Entschädigung wegen der Dauer des Sorgerechtsstreits verlangen. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) gelten die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Regelungen der §§ 198 bis 201 GVG für bereits abgeschlossene Verfahren ("Altfälle") nur dann, wenn deren Dauer bei Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist oder noch werden kann. Die bloße (formale) Erhebung einer Beschwerde vor Inkrafttreten der Entschädigungsregelung reicht nicht aus. Vielmehr muss sie innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK eingelegt worden sein (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 14). Daran fehlt es hier.
18
1. Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene Sorgerechtsverfahren wurde durch die Beschlüsse des Kammergerichts vom 24. September 2009 und 28. Oktober 2009, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen wurden, beendet und war damit bei Inkrafttreten des ÜGRG am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits abgeschlossen.
19
2. Zur Begründetheit eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG in Verbindung mit Art. 23 Satz 1 ÜGRG gehört, dass die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt ist (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 aaO).
20
Auch wenn der Wortlaut der Übergangsbestimmung des Art. 23 ÜGRG eine solche Einschränkung nicht enthält, folgt sie klar aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung und dem zugrunde liegenden gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass nur bei solchen abgeschlossenen überlangen Verfahren eine Entschädigung nach Maßgabe der §§ 198 ff GVG in Betracht kommen soll, bei denen - bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes - eine nach Art. 35 Abs. 1 EMRK zulässige Beschwerde beim EGMR bereits erhoben wurde oder noch erhoben werden kann. Denn mit der Übergangsregelung sollen weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland verhindert und der Gerichtshof entlastet werden (BT-Drucks. 17/3802, S. 31 zu Art. 22 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung = Art. 23 ÜGRG). Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, wenn es möglich wäre, allein durch die Einlegung einer verfristeten Individualbeschwerde den Weg für eine innerstaatliche Entschädigung wegen unangemessener Dauer bei längst abgeschlossenen Verfahren zu eröffnen (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 aaO Rn. 15). Dementsprechend wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Ausgangsverfahrens nicht länger als sechs Monate zurückliegen dürfe, da die Beschwerdefrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK sechs Monate betrage (BT-Drucks. 17/3802 aaO). Es sollen mithin diejenigen Altverfahren aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen, bei denen eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland auch nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage durch den EGMR ausgeschlossen war, weil die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK nicht eingehalten war (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 aaO).
21
3. Nach Art. 35 Abs. 1 EMRK kann sich der EGMR mit einerBeschwerde erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe und nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.
22
Die Frist beginnt mit Zustellung der oder Kenntnisnahmemöglichkeit von der die Rechtswegerschöpfung begründenden letztinstanzlichen Entscheidung (EGMR, NVwZ 1999, 1325 Rn. 30). Auch außerordentliche oder verfassungsrechtliche Rechtsbehelfe hat der Beschwerdeführer grundsätzlich einzulegen; allerdings muss er nur die Rechtsbehelfe ausschöpfen, die sich auf die gerügten Rechtsverstöße beziehen und zugleich verfügbar, angemessen und wirksam sind (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 aaO Rn. 11; s. auch EGMR, NVwZ 2013, 47 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des EGMR (grundlegend Urteile vom 8. Juni 2006, Beschwerde Nr. 75529/01, NJW 2006, 2389 Sürmeli/ Deutschland, Rn. 105 ff und vom 11. Januar 2007, Beschwerde Nr. 20027/02, NVwZ 2008, 289 Herbst/Deutschland, Rn. 63 ff) genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen von Art. 13 EMRK an einen effektiven (wirksamen ) Rechtsbehelf, wenn die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht wird. Denn im Wege der Verfassungsbeschwerde kann weder das Verfahren beschleunigt noch angemessene Wiedergutmachung erlangt werden. Ein Beschwerdeführer, der die überlange Dauer eines Gerichtsverfahrens rügen möchte, ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des EGMR dieserhalb eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen (Senatsurteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13, NJW 2014, 1816 Rn. 20; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 - III ZR 1/13, juris; s. auch EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 108 und NVwZ 2008, 289 Rn. 68).
23
Weil dem Kläger nach Beendigung des Sorgerechtsverfahrens dementsprechend kein tauglicher (nationaler) Rechtsbehelf gegen die Dauer des Verfahrens zur Verfügung stand, ist für die Berechnung der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK allein auf den Abschluss des instanzgerichtlichen Verfahrens bereits im Jahr 2009 abzustellen. Die vom Kläger am 6. Mai 2011 eingelegte und auf die Dauer des Sorgerechtsverfahrens gerichtete Individualbeschwerde war somit offensichtlich verfristet und hatte auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Entschädigungsrechts keine Aussicht auf Erfolg. Auf die Bekanntgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 2. November 2010, durch den die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung angenommen wurde, kommt es - wie dargelegt - nicht an.
24
4. An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn der Entschädigungskläger bei einem Altfall (Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 ÜGRG) neben der Rüge überlanger Verfahrensdauer davon unabhängige (weitere) Grundrechtsverstöße (hier: Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend macht. Da hinsichtlich letzterer die Verfassungsbeschwerde einen wirksamen Rechtsbehelf darstellt, kommt es zu einer getrennten konventionsrechtlichen Behandlung der Rügen. Für diese Verfahrensweise sprechen zudem die Rechtsklarheit und insbesondere auch die Gleichbehandlung der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Längerüge. Dies bedeutet, dass die Beschwerde bezüglich der Verfahrenslänge innerhalb der Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK nach Abschluss des instanzgerichtlichen Verfahrens einzureichen ist, während der EGMR wegen der sonstigen Rügen erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann (Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 - III ZR 1/13, juris unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 21980/06, 26944/07, 36948/08, juris Rn. 73-77; s. auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2013, 2207, 2208; Schäfer in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 35 Rn. 57). Soweit die Auffassung vertreten wird, dass in "Rüge-Mischfällen" die Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise dann in die Berechnung der Frist nach Art. 35 Abs. 1 EMRK einzubeziehen sei, wenn zuvor der Instanzenzug voll ausgeschöpft worden sei (z.B. KG in den vom Verfassungsgerichtshof Berlin aufgehobenen Urteilen vom 26. April 2013 und 19. Mai 2015 in der vorliegenden Sache sowie in FamRZ 2013, 1503 Rn. 9) folgt dem der Senat aus den vorgenannten Gründen nicht.
25
5. Die Notwendigkeit der Einhaltung der Sechs-Monats-Frist entfällt auch nicht mit Blick auf Art. 23 Satz 6 ÜGRG. Danach muss die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG spätestens am 3. Juni 2012 erhoben werden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich nicht um eine gegenüber Art. 23 Satz 1 ÜGRG vorrangige Spezialregelung. Der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugefügte Satz 6 enthält nur eine Ergänzung für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann (BT-Drucks. 17/7217, S. 30). Der Sinn und Zweck der nachträglich angeordneten Klagefrist besteht darin, sicherzustellen, dass bei abgeschlossenen Verfahren, die nach Art. 23 Satz 1 ÜGRG dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen, für Betroffene ebenso wie im Fall des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine einheitliche Überlegungsfrist von sechs Monaten gilt, in der sie über die Erhebung einer Entschädigungsklage entscheiden können (BT-Drucks. 17/7217, S. 30 f). Keineswegs sollten damit die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde vor dem EGMR - insbesondere die Wahrung der Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK - als entbehrlich angesehen werden (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 16; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2014 - III ZR 253/13, BeckRS 2014, 05766 Rn. 2).
26
6. Die vom Senat vorgenommene Auslegung des Art. 23 ÜGRG wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der EGMR dem Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2012 mitgeteilt hat, seine Beschwerde sei wegen Nichterschöpfung des (neuen) innerstaatlichen Rechtsbehelfs (§§ 198 ff GVG) für unzulässig erklärt worden, und er könne, sobald der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft sei, eine neue Beschwerde beim Gerichtshof einlegen. Für die Auslegung des Art. 23 ÜGRG lässt sich daraus nichts herleiten. Es handelt sich um ein standardisiertes Schreiben, das keinen Rückschluss darauf zulässt, dass der EGMR die Anspruchsvoraussetzungen der neuen Entschädigungsregelung und insbesondere die Frage, wie Art. 23 ÜGRG zu verstehen ist, einer eingehenden Prüfung unterzogen hat (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 aaO Rn. 10 f). Dies gilt erst recht für das Informationsschreiben des EGMR vom 6. Januar 2012, in dem der Kläger auf die Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGRG aufmerksam gemacht wurde , ohne dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit deren Voraussetzungen stattfand.
27
7. Nach alledem vermag der Senat die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Auffassung der Revision nicht zu teilen, der Kläger werde bei Versagung einer (weiteren) Entschädigung unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zum "Objekt des Verfahrens" gemacht. Ebenso wenig besteht Anlass, im Hinblick auf die (informellen) Schreiben des EGMR vom 6. Januar 2012 und 19. Juli 2012 einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 8 ZPO anzunehmen.

III.


28
Weitere Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachte Entschädigung sind nicht ersichtlich. Ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG kann im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht geltend gemacht werden, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand handeln würde, für den erstinstanzlich das Landgericht ausschließlich zuständig wäre (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2014 aaO Rn. 4 mwN).
Herrmann Remmert Reiter
Arend Böttcher
Vorinstanz:
KG Berlin, Entscheidung vom 09.05.2017 - 7 SchH 3/12 .EntV -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2018 - III ZR 187/17

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

14
b) Die bloße (formale) Erhebung einer Beschwerde bei dem EGMR reicht aber nicht aus, um nach §§ 198, 199 GVG in Verbindung mit Art. 23 ÜGRG einen Entschädigungsanspruch für die lange Dauer abgeschlossener Verfahren zu begründen; vielmehr muss die Beschwerde innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK eingelegt worden sein.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

20
Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene familiengerichtliche Verfahren wurde durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010 und 17. Februar 2011, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen wurden, beendet. Damit war der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft (Art. 35 Abs. 1 EMRK). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auf die Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 nicht an. Wird die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht, stellt die Verfassungsbeschwerde keinen effektiven Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK dar. Ein Beschwerdeführer ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des EGMR eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen (EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 105 ff und NVwZ 2008, 289 Rn. 64 ff; Schäfer in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 35 Rn. 34, 57; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 13 Rn. 38, Art. 35 Rn. 19). Da der Kläger die Verfahrensdauer bereits mit Individualbeschwerde vom 4. November 2010 gerügt hatte, wurde die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt. Dem steht nicht entgegen, dass der innerstaatliche Rechtsweg zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschöpft war (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 3, 35, 52 ff). Die nach Fristablauf eingelegte (erneute) Beschwerde vom 13. Oktober 2011 ist lediglich als jederzeit mögliche Ergänzung der bereits zulässig erhobenen Beschwerde anzusehen (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 17). Dementsprechend wurde sie beim EGMR unter demselben Aktenzeichen geführt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

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b) Die bloße (formale) Erhebung einer Beschwerde bei dem EGMR reicht aber nicht aus, um nach §§ 198, 199 GVG in Verbindung mit Art. 23 ÜGRG einen Entschädigungsanspruch für die lange Dauer abgeschlossener Verfahren zu begründen; vielmehr muss die Beschwerde innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK eingelegt worden sein.
2
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Art. 23 Satz 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) keine gegenüber Art. 23 Satz 1 ÜGRG vorrangige Spezialregelung darstellt. Der im Laufe des Gesetz- gebungsverfahrens hinzugefügte Satz 6 enthält nur eine Ergänzung für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist oder noch werden kann (BT-Drucks. 17/7217 S. 30). Der Sinn und Zweck der nachträglich angeordneten Klagefrist besteht darin, sicherzustellen , dass bei abgeschlossenen Verfahren, die nach Art. 23 Satz 1 ÜGRG dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen, für Betroffene ebenso wie im Fall des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine einheitliche Überlegungsfrist von sechs Monaten gilt, in der sie über die Erhebung einer Entschädigungsklage entscheiden können (BT-Drucks. 17/7217 S. 30 f). Keineswegs sollten damit die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde vor dem EGMR - insbesondere die Wahrung der Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK - als entbehrlich angesehen werden (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 16).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind.

(2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig

1.
für die Ansprüche, die auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden;
2.
für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen;
3.
für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden;
4.
für Verfahren nach
a)
(weggefallen)
b)
den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes,
c)
§ 26 des SE-Ausführungsgesetzes,
d)
§ 10 des Umwandlungsgesetzes,
e)
dem Spruchverfahrensgesetz,
f)
den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes;
5.
in Streitigkeiten
a)
über das Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
b)
über die Höhe des Vergütungsanspruchs infolge einer Anordnung des Bestellers (§ 650c des Bürgerlichen Gesetzbuchs);
6.
für Ansprüche aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz.

(3) Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, Ansprüche gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sowie Ansprüche wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten ausschließlich zuzuweisen.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidungen in Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e und Nummer 5 einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu übertragen. In Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e darf die Übertragung nur erfolgen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.