Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2013 - IV ZR 98/12

bei uns veröffentlicht am23.10.2013
vorgehend
Landgericht Memmingen, 34 O 255/11, 19.05.2011
Oberlandesgericht München, 14 U 2523/11, 01.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 98/12 Verkündet am:
23. Oktober 2013
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 178 Abs. 2; AVB Unfallversicherung (hier Nr. 1.3 GUB 99, entspricht
Nr. 1.3 AUB 2008, und Nr. 3 GUB 99, entspricht Nr. 3 AUB 2008)
1. Der Verzehr nusshaltiger Schokolade, in dessen Folge ein an einer schweren
Nussallergie leidendes Kind verstirbt, stellt einen versicherten Unfall dar.
2. Zur möglichen Mitwirkung einer außergewöhnlichen Nahrungsmittelallergie an
den Unfallfolgen im Sinne von Nr. 3 GUB 99 (Nr. 3 AUB 2008).
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 - IV ZR 98/12 - OLG München
LG Memmingen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 23. Oktober 2013

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 14. Zivilsenat - vom 1. März 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Zahlung der Versicherungssumme von 27.000 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, welcher Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (GUB 99) zugrunde liegen. Nach Nr. 2.6 GUB 99 ist der Versicherer verpflichtet, im Falle des Todes einer versicherten Person deren gesetzlichen Erben die Versicherungssumme zu zahlen.
2
Die Klägerin und ihr Ehemann sind die Eltern und gesetzlichen Erben der mitversicherten, am 24. Dezember 2009 im Alter von 15 Jahren verstorbenen K. J. . Das Kind litt an einer angeborenen schweren Entwicklungsstörung (Trisomie 18, Edwards Syndrom), ferner an Asthma und diversen Allergien, wobei die Allergie gegen Nüsse am stärksten ausgeprägt war.
3
Am 24. Dezember 2009 erlitt K. infolge einer heftigen allergischen Reaktion auf ein Nahrungsmittel zunächst eine starke Verschwellung der Atemwege und sodann einen tödlichen Kreislaufzusammenbruch. Sie hatte mehrere zur Dekoration des Weihnachtstisches verwendete Stücke möglicherweise nusshaltiger Schokolade gegessen.
4
Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil K. keinen bedingungsgemäßen Unfall erlitten habe. Jedenfalls sei die Versicherungsleistung nach Nr. 3 GUB 99 zu kürzen, weil die vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen maßgeblich zum Eintritt des Todes beigetragen hätten.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise eine Kürzung der vom Oberlandesgericht zuerkannten Versicherungsleistung um mindestens 75%.

Entscheidungsgründe:


6
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; dieses muss darüber befinden, ob und zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des mitversicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt hat.
7
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der versehentliche Verzehr von Nahrungsmitteln mit Allergenen ein bedingungsgemäßer Unfall. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Tod des Kindes infolge einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel eingetreten sei. Zwar habe gutachtlich nicht geklärt werden können, welches Nahrungsmittel der Auslöser gewesen sei; dies sei aber auch nicht entscheidungserheblich. Aufgrund der Schilderungen der Klägerin gehe der Senat davon aus, das Kind habe unbemerkt möglicherweise nusshaltige Schokoladetäfelchen vom gedeckten Weihnachtstisch gegessen.
8
Dieses Geschehen erfülle die Merkmale eines Unfalles i.S. von § 178 Abs. 2 VVG. Das Auftreffen nusshaltiger Schokolade auf die Mundschleimhaut des Mädchens stelle eine Einwirkung von außen dar. Die weitere Wirkungskette im Körperinneren sei danach für den Unfallbegriff nicht mehr erheblich. Die Einwirkung sei plötzlich, d.h. innerhalb eines kurzen Zeitraums geschehen. Auch Unfreiwilligkeit sei gegeben, wobei insoweit nicht die Einwirkung von außen, sondern die dadurch bewirkte Gesundheitsbeschädigung in den Blick zu nehmen sei. Liege somit bereits ein Unfallgeschehen vor, komme es auf die Frage der gesonderten Versicherung von Vergiftungen bei Kindern bis 14 Jahren nicht mehr an.
9
Die Leistungspflicht der Beklagten vermindere sich nicht nach Nr. 3 GUB 99 wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen bei den Unfallfolgen. Die allergische Reaktionsbereit- schaft sei für sich genommen keine Krankheit. Solange allergene Stoffe vermieden würden, könne ein Allergiker uneingeschränkt und ohne ärztliche Behandlung leben. Die lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller Körperdispositionen stelle auch kein Gebrechen dar. Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen beim Unfallereignis selbst bleibe ohnehin außer Betracht.
10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht die Anwendbarkeit von Nr. 3 GUB 99verneint hat.
11
1. Zutreffend hat es das zum Tode des mitversicherten Kindes führende Geschehen als bedingungsgemäßen Unfall eingestuft.
12
Gleichlautend definieren sowohl § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch Nr. 1.3 GUB 99, dass ein Unfall vorliegt, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.
13
Diese Voraussetzungen sieht das Berufungsgericht hier zu Recht als erfüllt an.
14
a) Gegen seine Annahme, ursächlich für die allergische Reaktion des Kindes sei der Verzehr nusshaltiger Schokoladetäfelchen gewesen, erhebt die Revision keine Einwände. Davon ausgehend liegt ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis darin, dass diese Schokolade im Mund in Kontakt mit der Mundschleimhautkam.

15
aa) Die Revisionsrüge, nicht bereits dieser Kontakt, sondern erst die dadurch ausgelöste allergische Reaktion, die aus einer - von der gerichtlich bestellten Sachverständigen im Einzelnen beschriebenen - Kette körperinterner Vorgänge im Immunsystem bestehe, sei das maßgebliche unmittelbare Unfallereignis, geht fehl. Ein Unmittelbarkeitserfordernis, demzufolge bei einem zum Tode oder sonstigen Schäden führenden Geschehen lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen wäre, enthält die oben genannte Definition des Unfallbegriffs nicht (vgl. schon BGH, Urteil vom 15. Februar 1962 - II ZR 95/60, NJW 1962, 914 zu § 2 AUB). Deshalb ist auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirkt und damit eine Kausalkette körperinterner Vorgänge in Lauf setzt, die zur Schädigung der versicherten Person führt. Aus dem Senatsurteil vom 6. Juli 2011 (IV ZR 29/09, VersR 2011, 1135 Rn. 12-14) ergibt sich nichts anderes. Der Senat hat dort lediglich ausgesprochen, dass es für die Einwirkung "von außen" auf das Ereignis ankommt, bei dem der Körper des Versicherten mit der Außenwelt in Kontakt kommt und welches nachfolgend die körperliche Schädigung verursacht. Nicht entscheidend sind demgegenüber diejenigen Umstände und Ursachen, die diesem Ereignis vorausgehen. Nur mit Blick darauf hat der Senat davon gesprochen , dass mit der Einwirkung von außen das Ereignis gemeint sei, welches die körperliche Schädigung "unmittelbar" herbeiführe. Das schließt indes Kausalverläufe wie den vorliegenden nicht aus.
16
Die Unfallversicherung bezweckt - für den Versicherungsnehmer erkennbar - keinen allgemeinen Schutz vor Krankheitsfolgen. Mit der Unfallvoraussetzung eines von außen auf den Körper des Versicherten wirkenden Ereignisses sollen Schädigungen infolge rein körperinnerer Vor- gänge, wie Erkrankungen oder Verschleiß, selbst für den Fall vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, dass sie - wie etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall - plötzlich eintreten (MünchKomm-VVG/ Dörner, § 178 Rn. 55). Andererseits kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer , auf dessen Verständnis es insoweit ankommt, der Regelung über die Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen an den Unfallfolgen (hier Nr. 3 GUB 99) entnehmen, dass es für den Unfallbegriff ohne Belang ist, wenn nach einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis bereits vorhandene Gesundheitsschäden des Versicherten die weitere Schadenentwicklung mitbestimmen. Dass die Zuführung der die allergische Reaktion auslösenden Nahrung hier zu einer Kette von körperinneren Ereignissen im Immunsystem des Kindes führte, steht der Annahme eines Unfalles mithin nicht entgegen.
17
bb) Ebenso wenig verfängt der Vergleich der Revision mit Schäden infolge willensgesteuerter Eigenbewegungen des Versicherten (vgl. dazu Senatsurteile vom 23. November 1988 - IVa ZR 38/88, VersR 1989, 73 unter 1 b; vom 28. Januar 2009 - IV ZR 6/08, VersR 2009, 492 Rn. 11 m.w.N.; MünchKomm-VVG/Dörner, § 178 Rn. 69). Das die schadenstiftende Kausalkette auslösende Ereignis bestand hier nicht lediglich in einer Körperbewegung, sondern in der Einwirkung von außen zugeführter, körperfremder Gegenstände auf den Körper des Kindes. Beschränkt sich der schädigende Vorgang schon deshalb nicht auf eine bloße Eigenbewegung , kommt es im Weiteren für die Frage einer Einwirkung von außen nicht mehr darauf an, ob - wie die Revision geltend macht - die Versicherte bewusst und willentlich handelte, als sie die Schokolade zu sich nahm.

18
b) Das schädigende Ereignis geschah nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts plötzlich. Der Kontakt des Allergens mit der Mundschleimhaut dauerte nur kurze Zeit. Die allergische Reaktion trat nicht allmählich, sondern im unmittelbaren Anschluss an die Zuführung des Allergens ein. Allein dieser objektiv kurze Zeitablauf reicht nach der Senatsrechtsprechung aus, um die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs zu erfüllen. Darauf, ob das Geschehen für die Geschädigte unerwartet, überraschend und unentrinnbar (vgl. dazu BT-Drucks. 16/3945, S. 107) eintrat, kommt es danach nicht mehr an (Senatsurteile vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 390/12, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b bb m.w.N.; vom 12. Dezember 1984 - IVa ZR 88/83, VersR 1985, 177 unter II 1; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 1 AUB 94 Rn. 14).
19
c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, das Kind habe die tödliche Schädigung unfreiwillig erlitten, ist frei von Rechtsfehlern. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nach dem klaren Wortlaut sowohl des § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch der Nr. 1.3 GUB 99 nicht auf das von außen wirkende Unfallereignis als solches, sondern lediglich auf die daraus folgende Gesundheitsschädigung. Unfreiwilligkeit wird gemäß § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, d.h. der Versicherer muss den Beweis für eine behauptete freiwillige Gesundheitsschädigung führen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beklagte diesen Beweis angetreten oder gar erbracht hätte. Soweit sie darlegt , das Kind sei in der Lage gewesen, einen natürlichen Willen zu bilden , und habe somit bewusst die Schokolade gegessen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass diese eine allergische Reaktion hervorrufen könne, belegt dies allenfalls den Vorwurf einer fahrlässigen Selbstschä- digung, nicht aber die freiwillige Herbeiführung der tödlichen allergischen Reaktion.
20
d) Anders als die Revision meint, entfällt die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht deshalb, weil das in Rede stehende Unfallereignis nicht adäquat kausal für den Tod des Kindes gewesen oder das gesamte Geschehen nicht vom Schutzzweck des Versicherungsvertrages erfasst wäre.
21
aa) Nach Nr. 2.6.1 GUB 99 setzt die Todesfallleistung voraus, dass die versicherte Person infolge eines Unfalles innerhalb eines Jahres gestorben ist. Mithin muss der Unfall ursächlich für den Tod sein. Bildet - wie hier - eine kausale Verknüpfung zwischen einem Ereignis und einem Erfolg die Voraussetzung für einen Anspruch, soll das Adäquanzerfordernis den Verpflichteten davor schützen, für Geschehen eintreten zu müssen, die lediglich unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sind, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420 unter 2 b m.w.N.). Ein derart außergewöhnlicher Geschehensablauf steht hier nicht in Rede. Es ist in Anbetracht der weiten Verbreitung von Allergien in der Bevölkerung weder ungewöhnlich , dass auch versicherte Personen einer Unfallversicherung an Nahrungsmittelallergien leiden können, noch liegt es außerhalb der Lebenserfahrung , dass die Aufnahme allergener Stoffe bei Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie zu schwersten bis tödlichen allergischen Reaktionen führen kann. Ebenso wenig erscheint es ungewöhnlich, dass Kinder sich unbedacht über Verhaltensmaßregeln hinwegsetzen, selbst wenn diese Regeln - wie etwa auch im Straßenverkehr - den Schutz vor tödlichen Gefahren bezwecken.
22
bb) Soweit die Revision geltend macht, der Schutzzweckgedanke schließe eine Haftung der Beklagten für allgemeine Lebensrisiken aus, lassen sich die vom Bundesgerichtshof für die deliktische und vertragliche Schadensersatzverpflichtung aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH aaO unter 2 c) auf Versicherungsverträge nicht übertragen. Der Schutzzweckgedanke schließt im Haftungsrecht eine Eintrittspflicht dort aus, wo der Zweck einer Haftungsregelung die eingetretene Schadenfolge nicht erfasst, letztere mithin nicht dem Gefahrenbereich entspringt, zu dessen Abwehr die Haftungsnorm erlassen oder eine vertragliche Verpflichtung begründet worden ist (vgl. dazu BGH aaO unter 2 c). Für die Bestimmung des Schutzzwecks eines Versicherungsvertrages kommt es demgegenüber allein auf die vertraglichen Vereinbarungen und deren Verständnis nach den Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Daneben bleibt für eine Anwendung des für die Auslegung haftungsrechtlicher Bestimmungen entwickelten allgemeinen Schutzzweckgedankens kein Raum.
23
Den Parteien eines Versicherungsvertrages steht es - wie insbesondere Allgefahrenversicherungen zeigen - frei, gegen Prämie Deckungsschutz auch für Ereignisse anzubieten, die dem allgemeinen Lebensrisiko der Versicherten zuzurechnen sind. Welchem Risikoschutz ein Versicherungsvertrag dient, kann deshalb nur den vertraglichen Vereinbarungen und insbesondere den vereinbarten Versicherungsbedingungen entnommen werden. Allein darin wird - einerseits durch die Beschreibung des Versicherungsfalles, andererseits durch Leistungsbe- grenzungen und Risikoausschlüsse - der Umfang des Versicherungsschutzes festgelegt.
24
Die hier in Rede stehende Unfallversicherung bezweckt - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - den Schutz der Versicherten vor allgemeinen Lebensrisiken. Soweit die Revision meint, sie diene nicht dem Schutz vor Gesundheitsbeschädigungen, die nahezu ausschließlich durch die gesundheitliche Verfassung eines Versicherten geprägt seien, findet dies in den Bedingungen keine Stütze. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird vielmehr gerade der Regelung über die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an der durch den Unfall verursachten Gesundheitsbeschädigung (Nr. 3 GUB 99) entnehmen , dass er im Grundsatz auch dann Versicherungsschutz genießt, wenn Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene besondere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden.
25
2. Soweit das Berufungsgericht eine Kürzung der Versicherungsleistung nach Nr. 3 GUB 99 nicht vorgenommen hat, kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
26
Nach dieser Klausel mindert sich unter anderem die Todesfallleistung entsprechend dem Mitwirkungsanteil von Krankheiten oder Gebrechen , die an der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsbeschädigung und ihren Folgen mitgewirkt haben.
27
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Nahrungsmittelallergie des verunglückten Kindes sei weder Krankheit noch Gebrechen im Sinne der Klausel, weil ein Lebensmittelallergiker problemlos und uneingeschränkt leben könne und keiner ärztlichen Behandlung bedürfe, solange allergene Stoffe gemieden würden. Hierbei kann offenbleiben, ob die Nahrungsmittelallergie eine Krankheit im Sinne der Mitwirkungsklausel darstellt, denn jedenfalls hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen ein bedingungsgemäßes Gebrechen nicht verneinen dürfen.
28
Ein Gebrechen ist ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen nicht mehr zulässt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 - IV ZR 216/07, VersR 2009, 1525 Rn. 14 m.w.N.; OLG Braunschweig VersR 1995, 823, 824). Allerdings wird eine lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller Körperdisposition solange nicht als Gebrechen bewertet , wie sie noch als innerhalb der medizinischen Norm liegend angesehen werden kann (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 aaO). Es ist nur dann gerechtfertigt, den Versicherer teilweise von der Leistungspflicht zu befreien oder seine Leistungspflicht dementsprechend einzuschränken, wenn eine außergewöhnliche, individuell geprägte Mitverursachung vorliegt.
29
Im Streitfall ist diese Voraussetzung nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Dabei gibt der zur Entscheidung stehende Sachverhalt keine Veranlassung, allgemein die Grenzen der medizinischen Norm zu bestimmen oder festzulegen, ob und in welchem Umfang Allergien im Allgemeinen als Abweichungen von dieser medizinischen Norm angesehen werden müssen, denn die Nahrungsmittel- und insbesondere Nussallergie des verunglückten Kindes lag aufgrund ihrer außergewöhnlichen individuellen Ausprägung in jedem Falle außerhalb jeder medizinischen Norm.
30
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts litt das Kind an einer Veränderung des Immunsystems, in deren Folge bereits geringste Mengen an sich unschädlicher und verträglicher Nahrungsbestandteile, vor allem Nüsse, zu einer letztlich tödlichen anaphylaktischen Reaktion führen konnten und bei dem Unfallereignis auch führten. Nicht nur die Schwere der drohenden Symptome, sondern auch die besonders leichte Auslösbarkeit allergischer Reaktionen, etwa - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - durch bloßen Hautkontakt mit geringsten Nussbestandteilen , welche bei anderen Personen nach dem Verzehr von Nüssen noch an deren Haut hafteten, belegen, dass die Allergie des versicherten Kindes ungewöhnlich gefährlich war und deshalb unter keinen Umständen als noch innerhalb der medizinischen Norm liegend angesehen werden kann.
31
III. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird nach Nr. 3 GUB 99 neu darüber zu befinden und dazu möglicherweise ergänzende Feststellungen zu treffen haben, ob und gegebenenfalls zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des versicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt hat.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 19.05.2011- 34 O 255/11 -
OLG München, Entscheidung vom 01.03.2012- 14 U 2523/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2013 - IV ZR 98/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2013 - IV ZR 98/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 178 Leistung des Versicherers


(1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicherten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leistungen zu erbringen. (2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versic
Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2013 - IV ZR 98/12 zitiert 3 §§.

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Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2013 - IV ZR 98/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Jan. 2005 - X ZR 163/02

bei uns veröffentlicht am 11.01.2005

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bei uns veröffentlicht am 06.03.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Referenzen

(1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicherten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

(2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 390/12 Verkündet am:
16. Oktober 2013
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis gemäß § 178 Abs. 2
VVG liegt auch dann vor, wenn die versicherte Person willentlich die Injektion
von Kokain vornimmt und anschließend an einer rauschmittelbedingten Intoxikation
verstirbt.
Falsche Angaben eines Schauspielers in einer vom Versicherer geforderten Gesundheitsselbsterklärung
sind dem Versicherungsnehmer in entsprechender Anwendung
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 390/12 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. November 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Filmausfallversicherung, nachdem die Dreharbeiten eines von ihr produzierten Films wegen des Todes einer Hauptdarstellerin unterbrochen werden mussten und erst nach einer kompletten Überarbeitung des Drehbuchs wieder aufgenommen werden konnten.
2
Dem Versicherungsvertrag liegen die Versicherungsbedingungen für die Filmversicherung Allgemeiner Teil (AFV 2008), die Besonderen Bedingungen für die Ausfallversicherung (BB Ausfall 2008) sowie die zwischen der D. Film GmbH als Vertreterin der Werbegesellschaf- ten mehrerer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und der Beklagten bestehende Rahmenvereinbarung des European Media Pool zugrunde.
3
§ 2 Ziff. 1 AFV 2008 lautet: "Der Versicherungsnehmer hat bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig anzuzeigen. Wenn diese Anzeigepflicht verletzt wird, so kann der Versicherer nach Maßgabe der §§ 19 bis 21 VVG vom Vertrag zurücktreten und leistungsfrei sein, oder nach § 22 VVG den Vertrag insgesamt anfechten. …"
4
Die BB Ausfall 2008 enthalten unter anderem folgende Bestimmungen : "§ 2 Gegenstand der Versicherung Versichert sind die Mehrkosten aus dem Abbruch oder der Unterbrechung von Filmvorhaben, … § 3 Versicherte Gefahren 3.1 Personenausfall-Versicherung Entschädigung wird geleistet, wenn eine oder mehrere der im Versicherungsantrag genannten Personen, aufgrund von Krankheit, Unfall oder Tod vorübergehend oder dauernd für die Durchführung des versicherten Filmprojektes nicht zur Verfügung stehen, sofern hierdurch in der Herstellung des Films Störungen oder Unterbrechungen verursacht werden oder die Fertigstellung des Films gänzlich unmöglich gemacht wird und sofern dem Versicherungsnehmer … aus einem dieser Ereignisse ein materieller Schaden entsteht. … § 4 Versicherungsausschlüsse Der Versicherungsschutz erstreckt sichnicht auf: … 4.11 Schäden aus der Personenausfall-Versicherung gemäß vorstehendem § 3 Ziff. 1, soweit sie eintreten durch: … 4.11.3 die Unfähigkeit der im Versicherungsschein benannten Personen zur Mitarbeit am versicherten Filmprojekt wegen der Einnahme von Drogen, Medikamenten , Alkohol oder sonstigen Rauschmitteln; … 4.11.6 Selbstmord/Selbstmordversuche …"
5
Die Rahmenvereinbarung des European Media Pool regelt unter anderem Folgendes: "A ALLGEMEINE VERSICHERUNGSBEDINGUNGEN … 9 Anmeldung Die Anmeldung der Vorhaben erfolgt mittels Anmeldebogen bei der Firma M. GmbH durch den Versicherungsnehmer , die unmittelbar an den Versicherer weitergeleitet wird. Die Produktion gilt vom Versicherer nach Eingang der Anmeldung bei der Firma M. GmbH auf Grundlage und in den Grenzen dieser Rahmenvereinbarung als in Deckung genommen. … CBESONDERE BEDINGUNGEN ZUR PERSONENAUSFALL -VERSICHERUNG … 3 Gesundheitserklärungen Jede zu versichernde Person gibt rechtzeitig vor Risikobeginn die Gesundheitsselbsterklärung (gemäß aktuellen Formblatt) ab. … 5 Beginn und Ende des Versicherungsschutzes Der Versicherungsschutz beginnt für:
a) das Unfallrisiko und den Unfalltod mit dem Eingang der Anmeldung mit Namensnennung bei M. GmbH, frühestens jedoch zum angemeldeten Zeitpunkt;
b) die Risiken Krankheit und Tod mit der erteilten schriftlichen Deckungszusage durch den Versicherer (nach Prüfung der komplett einzureichenden Gesundheitsunter- lagen). … … 8 Erweiterungen des Versicherungsschutzes ... - Die Ausschlüsse gemäß § 4, … Ziffer 4.11.3 (Einnahme von Drogen, Alkohol, Medikamenten oder sonstige Rauschmittel) der Besonderen Bedingungen für die Ausfallversicherung (BB Ausfall 2008) gelten ersatzlos gestrichen. ... - Der Ausschluss gemäß Ziffer 4. Ziffer 4.11.6 (Selbstmord /Selbstmordversuche) der Besonderen Bedingungen für die Ausfallversicherung (BB Ausfall 2008) gilt ersatzlos gestrichen."
6
Die Beklagte erklärte am 21. April 2011 für die später zu Tode gekommene Schauspielerin nur die Deckung der Ausfallschäden durch Unfall ; der Versicherungsschutz betreffend Ausfallschäden für Krankheit und Tod wurde von der Prüfung der Gesundheitserklärungen abhängig gemacht. Im Schreiben der eingeschalteten Versicherungsmaklerin vom 21. April 2011 heißt es hierzu auszugsweise: "Nach Erhalt der Deckungsbestätigung und namentlicher Nennung der zu versichernden Personen besteht automatisch Versicherungsschutz nur für Unfall und Unfalltod. Versicherungsschutz für Krankheit und Tod wird gesondert nach Vorlage der Gesundheitsunterlagen (ausschließlich die Gesundheitsselbstauskunft) be- stätigt."
7
Auf Bitten der Klägerin übersandte die Agentur der Schauspielerin deren Gesundheitserklärung an die Klägerin, die diese wiederum der Versicherungsmaklerin zuleitete. Bei dieser Erklärung handelt es sich um ein Formblatt mit dem Logo der Beklagten, das zahlreiche unmittelbar an die unterzeichnende Person gerichtete Gesundheitsfragen enthält. Die Schauspielerin beantwortete die Frage unter Ziff. 7 nach regelmäßigem Medikamenten- oder Drogenkonsum wahrheitswidrig mit nein, obwohl sie seit geraumer Zeit kokainabhängig war. Auch die Frage nach Krankheiten oder Unfallfolgen in den letzten fünf Jahren unter Ziff. 8 verneinte sie, obgleich sie wusste, dass sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung litt. Das Formblatt enthält auf Seite 2 unter "Schlusserklärung" unter anderem folgenden Text: "… Mir ist bekannt, daß diese Erklärung dem Abschluß einer Film-Ausfall-Versicherung zugrunde liegt. Vorstehende Fragen sind von mir wahrheitsgemäß und vollständig nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet worden. Mir ist bekannt, dass der Versicherer berechtigt ist, bei wissentlich unrichtigen Angaben in dieser Erklärung Schadensersatzansprüche gegen mich geltend zu machen. …"
8
In dem Formblatt wird weiterhin ausgeführt, dass der Versicherer bei Einschränkungen oder einer Ablehnung des Versicherungsschutzes berechtigt ist, die entsprechenden Gesundheitsdaten im Ergebnis zur Begründung an den Produzenten weiterzugeben.
9
Am 26. Mai 2011 und ergänzend am 6. Juni 2011 bestätigte die Beklagte die Krankheits- und Todesfalldeckung für die Schauspielerin.
10
Am 4. Juli 2011 wurde die Schauspielerin tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Als Todesursache wurde eine tödliche Kokainintoxikation diagnostiziert. Bei der Obduktion wurden etwa 300 Nadelstiche gefunden. Mutter und Freund der Verstorbenen bestätigten einen mehrjährigen , nahezu täglichen Kokainkonsum. Ihr Ausfall führte zu einer Unterbrechung der Dreharbeiten.
11
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 23. August 2011 unter anderem den Rücktritt von der mit der Klägerin geschlossenen Filmversicherung und hilfsweise die Anfechtung der Deckungsbestätigung zur Filmversicherung vom 6. Juni 2011 wegen arglistiger Täuschung im Hinblick auf die Gesundheitsangaben der Schauspielerin. Weiterhin wurde von der Beklagten in der Klageerwiderung geltend gemacht, dass sie ohne die Täuschung die Deckungsbestätigungen bezüglich desKrankheitsund Unfallrisikos nicht erklärt hätte; die Anfechtung wurde zudem auch auf die Deckungsbestätigung vom 26. Mai 2011 erstreckt.
12
Nachdem die Klägerin ursprünglich den Totalausfall des Filmvorhabens in Höhe von circa 1,8 Mio. € geltend gemacht hatte, verlangt sie nach einer Überarbeitung des Drehbuchs nur noch die hierdurch beding- ten Mehrkosten von 683.458,74 € und begehrt im Übrigen die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits. Sie macht insbesondere geltend, dass die Rücktritts- und Anfechtungserklärungen der Beklagten unwirksam seien, weil ihr als Filmproduzentin Angaben der Schauspielerin nicht zugerechnet werden könnten. Die Beklagte verneint ihre Einstandspflicht und beruft sich darauf, dass die Klägerin als Versicherungsnehmerin falsche Angaben ihrer Gefahrsperson gegen sich gelten lassen müsse.
13
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


14
Die Revision ist begründet.
15
I. Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte habe zumindest die dem Vertrag zugrundeliegenden Willenserklärungen hinsichtlich des Deckungsschutzes für Krankheit und Tod wirksam angefochten. Die Schauspielerin habe arglistig getäuscht. Die Anfechtung der Beklagten sei nicht davon abhängig, dass die Klägerin die Täuschung gekannt habe oder habe kennen müssen, weil die Schauspielerin nicht Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB sei. Zunächst sei sie Wissenserklärungsvertreterin der Klägerin geworden, da die Abgabe der Gesundheitserklärung auf Veranlassung der Klägerin erfolgt sei und diese die Schauspielerin daher mit der Aufgabe betraut habe, Erklärungen gegenüber der Beklagten abzugeben. Dadurch, dass die Klägerin nur so habe Versicherungsschutz erlangen können, sei das Beschaffen der Gesundheitsinformationen in ihrem Interesse erfolgt. Weiterhin sei die Schauspielerin nach allgemeinen Grundsätzen keine Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, weil sie wegen ihrer Betrauung mit der Abgabe der Gesundheitserklärung im Lager der Klägerin gestanden und am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt habe. Schließlich führe eine Analogie zu den §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG dazu, bei der Klägerin die Kenntnis der Schauspielerin als Gefahrsperson zu berücksichtigen. Einer analogen Anwendung stünden weder Besonderheiten der Filmversicherung noch eine anderweitige Regelung der Parteien entgegen.
16
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte die Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung abweisen dürfen. Es hat nicht berücksichtigt, dass die von ihm allein geprüfte Anfechtung nicht die Vertragserklärung vom 21. April 2011 mit der darin ausgesprochenen Unfalldeckung erfasst. Dieser Fehler ist erheblich, weil ein Unfall nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt gegeben ist.
17
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen , dass der Deckungsschutz für Krankheit und Tod wirksam angefochten wurde und die Anfechtung der Beklagten hierbei nicht den besonderen Anforderungen des § 123 Abs. 2 BGB unterliegt.
18
a) Entgegen der Ansicht der Revision ist von einer arglistigen Täuschung durch die Schauspielerin auszugehen. Revisionsrechtlich folgt dies bereits daraus, dass die Klägerin die ausdrückliche Feststellung des Berufungsgerichts, wonach sie mit ihrer Berufung die landgerichtlichen Feststellungen zur Arglist nicht angegriffen habe (vgl. zur Beweiswirkung von Feststellungen zum Bestreiten BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007 unter II 2 a m.w.N.), nicht im hierfür allein maßgeblichen Verfahren nach § 320 ZPO (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11 m.w.N.) hat berichtigen lassen.
19
b) Wie die Revision hingegen zu Recht geltend macht, ist die Schauspielerin jedoch keine Wissenserklärungsvertreterin der Klägerin.
20
aa) Durch die Rechtsfigur des Wissenserklärungsvertreters muss sich der Versicherungsnehmer falsche Angaben dritter Personen in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zurechnen lassen, wenn er diese Personen mit der Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit beauftragt hat. Dabei genügt es, dass der Versicherungsnehmer den Dritten mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer betraut hat und der Dritte die Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers abgibt (Senatsurteile vom 2. Juni 1993 - IV ZR 73/92, BGHZ 122, 388, 389; vom 30. April 1981 - IVa ZR 129/80, VersR 1981, 948 unter III 2 b; BGH, Urteil vom 19. Januar 1967 - II ZR 37/64, VersR 1967, 343 unter VI).
21
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die von der Beklagten eingeforderten Gesundheitsangaben jedoch eine originär eigenständige Erklärung der Schauspielerin als Gefahrsperson. Ihre Beantwortung stellt daher keine Erklärung dar, mit deren Abgabe die Gefahrsperson durch die Versicherungsnehmerin betraut worden ist.
22
Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers (st. Rspr., hierzu Senatsurteile vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, juris Rn. 40 m.w.N.; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85) richtet sich die als Anlage zur Rahmenvereinbarung des European Media Pool niedergelegte und den Gefahrspersonen zur individuellen Vervollständigung überlassene Gesundheitsselbsterklärung nicht an den Versicherungsnehmer; die Klägerin konnte daher nicht von einer sie treffenden Obliegenheit ausgehen. Entscheidend ist hierbei die Benennung der vom Versicherer von der Gefahrsperson eingeforderten Gesundheitsauskunft als "Gesundheitsselbsterklärung" (vgl. C 3 der Rahmenvereinbarung). Dies bringt zum Ausdruck , dass es sich um eine eigene Erklärung der Gefahrsperson handeln soll. Dieses Verständnis des Versicherungsnehmers wird dadurch verstärkt, dass er nach den maßgeblichen vertraglichen Regelungen die Gesundheitsdaten der Gefahrsperson nur bei einer Ablehnung des Versicherungsschutzes und in diesem Fall auch nur im Ergebnis erfährt. Entgegen der Ansicht der Beklagten macht das Bedingungswerk an keiner Stelle hinreichend deutlich, dass es sich bei der Gesundheitsselbsterklärung der Gefahrsperson um eine Erklärung der Versicherungsnehmerin handeln soll.
23
Nicht zu überzeugen vermag die ergänzende Begründung des Berufungsgerichts , bereits das Beschaffen der Gesundheitserklärung reiche für eine Wissenserklärungsvertretung aus, da hiervon die Deckung weiterer Risiken durch die Beklagte abhängig gewesen sei und die Vorlage dieser Unterlagen deshalb im Interesse der Klägerin gelegen habe. Hierbei wird übersehen, dass nicht jedes Handeln im Interesse des Versicherungsnehmers zur Begründung einer Wissenserklärungsvertretung ausreicht ; erforderlich ist vielmehr, dass die Gefahrsperson mit der Erfüllung von Obliegenheiten betraut wurde. Eine Obliegenheit liegt vor, wenn dem Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verhalten geboten wird, dessen Erfüllung nicht verlangt und eingeklagt werden kann und an dessen Nichterfüllung keine Schadensersatzansprüche, sondern der Verlust eines Rechts geknüpft werden (Rixecker in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 28 Rn. 8 m.w.N.). Darum geht es hier jedoch nicht, weil das maßgebliche Bedingungswerk weder in den AFV 2008 (dort §§ 2, 4) noch im Produktinformationsblatt (dort unter "Obliegenheiten") die Vorlage vollständiger Antragsunterlagen als Obliegenheit festlegt und es sich mithin allein um eine tatsächliche Voraussetzung der weiteren Antragsbearbeitung durch den Versicherer handelt.
24
cc) Vor diesem Hintergrund überzeugen auch die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht, die Schauspielerin stehe im Lager der Klägerin und es ergebe sich deshalb aus allgemeinen Grundsätzen, dass die Schauspielerin keine Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB sei.
25
c) Zutreffend hat das Berufungsgericht jedoch die §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG analog angewandt. Nach diesen Bestimmungen wird in der Lebens-, Unfall- und Krankenversicherung bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten berücksichtigt, soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind. Die Voraussetzungen für eine Analogie (hierzu Palandt/Sprau, BGB 72. Aufl. Einl. vor § 1 Rn. 48 m.w.N.) liegen vor:
26
aa) Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes besteht. Der Gesetzgeber des Versicherungsvertrafgsgesetzes hat - wie vom Berufungsgericht überzeugend dargelegt - die Besonderheiten der Versicherung von Gefahrspersonen nicht allgemein geregelt (zur mangelnden Einschlägigkeit der Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung auf diese Fallkonstellation vgl.
Rixecker in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 43 Rn. 3 m.w.N.), sondern nur punktuell in der Lebens-, Unfall- und Krankenversicherung. Die Filmausfallversicherung ist keine derartige Versicherung, weil sie den Vermögensschaden des Filmproduzenten durch Unterbrechung seiner Dreharbeiten versichert und daher als Vermögensschadenversicherung zu qualifizieren ist (Aldenhoff, Die deutsche Filmversicherung S. 28; Rehbinder , UFITA 41 (1964), 1, 58). Die hier versicherten Gefahren sind jedoch gleichgelagert zur Unfall-, Kranken- und Todesfallversicherung (Möller, UFITA 8 (1935), 219, 226; Rehbinder aaO 59). Diese Sonderkonstellation hat der Gesetzgeber nicht im Blick gehabt. In der filmversicherungsrechtlichen Literatur ist infolgedessen anerkannt, dass für die Filmausfallversicherung die Bestimmungen der Unfall- und Lebensversicherung im Grundsatz analogiefähig sind (Birchler, Filmversicherung S. 16 f.; von Gierke, Die Filmversicherung S. 22; Möller, UFITA 8 (1935), 219, 223; Rehbinder, UFITA 41 (1964), 1, 59 f.).
27
bb) Auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage ist gegeben. Die Frage, inwiefern ein Verhalten der Gefahrsperson beim Versicherungsnehmer zu berücksichtigen ist, ist bei der Filmausfallversicherung und den Regelungen in der Lebens-, Unfall- und Krankenversicherung gleich zu beurteilen. Der gesetzgeberische Zweck der §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG liegt darin, den Versicherer vor falschen Angaben durch die Gefahrsperson zu schützen, die häufig als einzige am Vertragsschluss beteiligte Person von den gefahrerheblichen Umständen Kenntnis hat (HK-VVG/Brambach, 2. Aufl. § 156 Rn. 1; Römer in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 156 Rn. 2). Die rechtliche Risikolage des Versicherers soll nicht dadurch nachteilig beeinflusst werden, dass eine Spaltung in der Parteirolle eintritt. Für die Filmausfallversicherung trifft diese Überlegung in gleicher Weise zu. Sie ist zwar eine Vermögensschadenversicherung.
Hinsichtlich der Gefahrsperson werden aber die Risikobereiche Unfall, Tod und Krankheit abgedeckt, da die Verwirklichung dieser Risiken bei der Gefahrsperson letztlich den versicherten Vermögensschaden auslöst.
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cc) Anders als die Revision meint, stehen einer Analogie zu den §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG spezifische Grundsätze der Filmversicherung nicht entgegen. Zwar wird in der filmversicherungsrechtlichen Literatur vertreten, dass Falschangaben der Gefahrsperson dem Versicherungsnehmer nicht schaden und der Versicherer weiterhin leistungspflichtig bleibt (Aldenhoff, Die deutsche Filmversicherung S. 35; von Gierke, Die Filmversicherung S. 25 f.; Fuchs in von Hartlieb/ Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 5. Aufl. Kap. 103 Rn. 7; Möller, UFITA 8 (1935), 219, 223). Entstanden ist diese Literaturmeinung jedoch in den 1930er Jahren vor dem Hintergrund, dass nach damaliger Gesetzeslage die Vorgängervorschriften der §§ 156, 179 Abs. 3 VVG (= §§ 161, 179 Abs. 4 VVG a.F.) für eine Berücksichtigung von Falschangaben der Gefahrsperson beim Versicherungsnehmer eine besondere Vereinbarung erforderten und eine solche in den AVB der Filmausfallversicherung nicht getroffen wurde (von Gierke , Die Filmversicherung S. 25 f.; Möller aaO). Durch eine 1941 in Kraft getretene Gesetzesänderung (Nr. 42, 51 der Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19. Dezember 1939, RGBl. I S. 2443) wurde indessen das Erfordernis einer besonderen vertraglichen Vereinbarung aufgegeben, so dass dieser Einwand gegen eine analoge Anwendung der §§ 156, 179 Abs. 3 VVG gegenstandslos geworden ist.
29
dd) Eine Analogie scheitert auch nicht an dem Grundsatz, dass bei einer Eigen- und Fremdversicherung die Obliegenheitsverletzungen des Mitversicherten diesem nur selbst entgegengehalten werden und somit nicht auf den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers durchschlagen , wenn der Mitversicherte nicht Repräsentant des Versicherungsnehmers ist (hierzu Senatsurteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 41/02, VersR 2003, 445 unter II 2 m.w.N; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 47 Rn. 11 m.w.N.). Diese Situation liegt nicht vor. Bei der Filmausfallversicherung gibt es keine Kombination aus Eigen- und Fremdversicherung, sondern es liegt allein eine Eigenversicherung des Produzenten hinsichtlich seines Vermögensschadens durch eine ausfallbedingte Beeinträchtigung seiner Produktion vor.
30
ee) In dem dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungswerk ist schließlich nichts Anderweitiges vereinbart.
31
Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Schlusserklärung in der Gesundheitsselbsterklärung der Gefahrsperson, wonach dieser die Berechtigung des Versicherers bekannt ist, bei wissentlich unrichtigen Angaben Schadensersatzansprüche gegen sie geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Revision kann dies aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht so verstanden werden, dass der Versicherer damit auf eine Zurechnung des Verhaltens der Gefahrsperson oder das Berufen auf Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer verzichtet hat. Die Formulierung, dass der Versicherer gegenüber der Gefahrsperson zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigt ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nur als Möglichkeit des Versicherers verstehen. Er wird daher den Regress als eine von mehreren denkbaren Reaktionen des Versicherers betrachten, die der Ausübung anderer dem Versicherer zustehender Rechte nicht entgegensteht. Dies kann etwa in Fällen gegeben sein, in denen der Versicherer von einer Anfechtung des Vertrages gegenüber dem Versicherungsnehmer absieht oder eine Anfechtung wegen Fristablaufs ausscheidet. Da die streitgegenständliche Formulierung somit keine Ausschließlichkeit des Regresses des Versicherers bei der Gefahrsperson zum Ausdruck bringt, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer hieraus nicht folgern, dass bei unrichtigen Angaben der Gefahrsperson seine Vertragsrechte hiervon nicht betroffen sein können.
32
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat ergibt sich auch aus dem Verzicht des Versicherers auf den Risikoausschluss drogenbedingter Ausfallschäden nichts anderes. Dies gilt umso mehr als sich die Falschangaben der Schauspielerin nicht nur auf ihren Drogenkonsum erstreckten. Vielmehr machte die Schauspielerin unabhängig davon auch bezüglich einer psychischen Erkrankung unzutreffende Angaben , ohne dass die Beklagte auch für diesen Bereich einen ausdrücklichen (Wieder-)Einschluss in den Versicherungsschutz erklärt hätte.
33
2. Mit dieser Begründung hätte das Berufungsgericht die Klage allerdings nicht abweisen dürfen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass eine Deckung wegen Unfalls in Betracht kommt.
34
a) Dies ist zu prüfen, obwohl die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren ausdrücklich einen Unfall als Versicherungsfall geltendmacht. Nach allgemeinen Grundsätzen reicht es aus, wenn die Klägerseite Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (BGH Urteil vom 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707 unter II 4 b aa m.w.N.). Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt verstarb die sich regelmäßig Kokain spritzende Schauspielerin an einer Kokainintoxikation. Dieses tatsächliche Geschehen erfasst alle vom Versicherungsnehmer vorzutragenden Tatsachen eines Unfalls. Der geltend gemachte Anspruch hätte daher schon von den Instanzgerichten auch unter dem Blickwinkel eines Ausfallschadens wegen Unfalls aus § 3 Ziff. 3.1 BB Ausfall 2008 rechtlich gewürdigt werden müssen. Dass die Klägerin nicht ausdrücklich einen Unfall geltend macht, schade ihr nicht. Die zutreffende rechtliche Einordnung unter die abgestellten Gefahrenbereiche (Unfall/Krankheit/ Tod) ist nicht Sache der Klägerin, sondern Aufgabe des Gerichts.
35
b) Der Tod der Schauspielerin ist nach den vom Revisionsgericht zu Grunde zu legenden Tatsachen durch einen Unfall eingetreten.
36
aa) Da die dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen den Unfallbegriff nicht definieren, ist auf den in § 178 Abs. 2 VVG gesetzlich geregelten Unfallbegriff zurückzugreifen. Danach liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, wobei die Unfreiwilligkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird.
37
bb) Die willentliche Injektion von Kokain ist ein plötzliches von außen auf den Körper wirkendes Ereignis.
38
(1) Die Plötzlichkeit des Ereignisses ergibt sich bereits daraus, dass sich die Injektion des Kokains objektiv innerhalb eines kurz bemessenen Zeitraums vollzogen hat. Hat sich das Geschehen innerhalb dieses kurzen Zeitraums verwirklicht, ist es nach der Rechtsprechung des Senats stets plötzlich, ohne dass es auf die Erwartungen des Betroffe- nen ankommt (Senatsurteile vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 204/87, VersR 1988, 951 unter II 1; vom 12. Dezember 1984 - IVa ZR 88/83, VersR 1985, 177 unter II 1; vom 5. Februar 1981 - IVa ZR 58/80, NJW 1981, 1315 unter II 4). Dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Grimm, AUB 5. Aufl. § 1 AUB Rn. 26; HK-VVG/Rüffer, 2. Aufl. § 178 Rn. 5; Hormuth in Terbille/Höra, Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 24 Rn. 18; Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung § 1 Rn. 23; Kloth, Private Unfallversicherung S. 75; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 14 ff.; Maier in Stiefel/ Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB 2008 A.4.1, Rn. 18; Marlow, r+s 2006, 362, 363; trotz eigenen Ansatzes der Rechtsprechung im Ergebnis zustimmend Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 178 Rn. 92 ff.; a.A. im Sinne der subjektiven Theorie MünchKomm-VVG/Dörner , § 178 Rn. 77). Lediglich in den Fällen, in denen sich das Geschehen nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums ereignet, werden auch weitere Ereignisse vom Versicherungsschutz umfasst, die für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind (vgl. RGZ 120, 18: mehrstündiges Einatmen von Gasen; RGZ 97, 189: Verbrennungen durch 40-minütige Röntgenbestrahlung). Ist dagegen - wie hier - die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs erfüllt, so liegt bereits damit ein plötzliches Ereignis vor. Daher kann die Plötzlichkeit des Geschehens nicht unter Hinweis auf das willensgesteuerte Verhalten bei einer Rauschmittelinjektion verneint werden (so aber OLG Karlsruhe, VersR 2005, 678).
39
(2) An diesem Verständnis des Unfallbegriffs ist auch nach Inkrafttreten des VVG 2008 festzuhalten.

40
Die Gesetzesbegründung zu § 178 Abs. 2 VVG (BT-Drucks. 16/3945 S. 107) führt aus, das Merkmal der plötzlichen Einwirkung verdeutliche in Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das den Versicherungsschutz auslösende Ereignis für die versicherte Person unerwartet, überraschend und deshalb unentrinnbar eingetreten sein müsse und daher dem zeitlichen Element des Geschehens keine vorrangige oder ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werde (kritisch zur Widersprüchlichkeit dieser Begründung Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 178 Rn. 5; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 13; Marlow/ Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1229).
41
Dass der Gesetzgeber insoweit im Zusammenhang mit dem Merkmal der plötzlichen Einwirkung auch das subjektive Moment erwähnt, bedeutet nicht, dass er die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zum Unfallbegriff ändern wollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 178 Abs. 2 VVG erklärtermaßen den tradierten, durch die Rechtsprechung ausgeformten Unfallbegriff kodifiziert. Dabei wollte er die Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gewahrt wissen (vgl. Grimm, AUB 5. Aufl. § 1 AUB Rn. 22, 26; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 13 ff.; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 178 Rn. 90 ff.).
42
Auch abweichende Stimmen in Literatur und Instanzrechtsprechung zum Unfallbegriff geben dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung.

43
Weiterhin lässt sich eine Verengung auf das subjektive Verständnis eines Unfalls nicht darauf stützen, dass unter "plötzlich" allein oder vorrangig etwas Unerwartetes zu verstehen wäre. Der Begriff "plötzlich" beschreibt neben der Unerwartetheit auch die Schnelligkeit eines Vorgangs ; daher ist "plötzlich" nicht nur im Sinne von "unerwartet" oder "überraschend", sondern auch im Sinne von "schnell", "schlagartig" oder "jäh" zu verstehen (Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 178 Rn. 91; OLG Saarbrücken VersR 1997, 949).
44
Ein alleiniges oder hauptsächliches Abstellen auf eine subjektive Sichtweise führte vielmehr zu einer Vermengung des Unfallbegriffs mit der Frage der Freiwilligkeit. Würde etwa bei einer Gesundheitsbeschädigung durch einen Beilhieb - bei der auch eine Selbstverstümmelung in Betracht kommt - nicht bereits das in Bruchteilen einer Sekunde eintretende Ereignis ausreichen, sondern der Versicherungsnehmer die Unerwartetheit , die Unvorhersehbarkeit und die Unentrinnbarkeit des Ereignisses zu beweisen haben, so würde auf diese Weise der nach § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG vom Versicherer zu führende Beweis der fehlenden Unfreiwilligkeit mittelbar auf den Versicherungsnehmer verlagert (Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl § 178 Rn. 93). Dies widerspreche der Intention des Gesetzgebers, der in § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils eine Vermutung der Unfreiwilligkeit des Unfalls statuiert hat.
45
Schließlich besteht auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht die Gefahr, dass im Falle einer Gesundheitsschädigung durch Drogenkonsum grundsätzlich Versicherungsschutz aus einer Unfallversicherung zu gewähren wäre. Nach den übli- cherweise vereinbarten Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) besteht kein Versicherungsschutz für Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe am Körper der versicherten Person (so etwa 5.2.3. AUB 2008 gemäß der unverbindlichen Bekanntgabe des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft), worunter auch die Injektion von Drogen zählt (Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung, 5.2.3 Rn. 80). Ferner führen Versicherer regelmäßig vor Vertragsschluss eine Risikoprüfung durch, so dass ihnen bei Falschangaben zum Drogenkonsum die Rechte aus §§ 19 ff. VVG zustehen. Die Beklagte hat demgegenüber in der hier zu beurteilenden besonderen Konstellation einer Filmausfallversicherung sowohl von der Vereinbarung der Ausschlussklausel für Eingriffe am Körper abgesehen als auch Deckungsschutz für Unfall und Unfalltod ohne Risikoprüfung gewährt.
46
cc) Nach dem revisionsrechtlich maßgebenden Sachverhalt ist mangels abweichender Feststellungen davon auszugehen, dass die Gesundheitsbeschädigung nicht freiwillig erfolgte.
47
Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern die durch das Unfallereignis bewirkte Gesundheitsschädigung (Senatsurteil vom 12. Dezember 1984 - IVa ZR 88/83, VersR 1985, 177 unter II 2). Dabei gibt es keine Einschränkung dahingehend , dass damit allein die erste, unter Umständen nur geringfügige Gesundheitsschädigung - wie etwa die Hautverletzung nach einem Spritzeneinstich - gemeint ist (so aber Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 20). Hat die versicherte Person bei der Durchführung risikoreicher Handlungen zwar mit Verletzungen gerechnet, infolge einer Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf jedoch nicht mit deren konkretem , die Leistungspflicht des Versicherers auslösendem Ausmaß, so erleidet sie die Gesundheitsschädigung unfreiwillig (OLG Karlsruhe VersR 2005, 678; OLG Saarbrücken VersR 1997, 949, 950; OLG Oldenburg VersR 1997, 1128, 1129; Rixecker in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 178 Rn. 7; HK-VVG/Rüffer, 2. Aufl. § 178 Rn. 13 f.; Jannsen in Schubach /Jannsen, Private Unfallversicherung § 1 Rn. 31). Dass der Tod der Schauspielerin als Folge der Injektion von Kokain und der sich anschließenden Kokainintoxikation auf dieser Grundlage freiwillig war, was die Beklagte darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätte, stehen nicht fest.
48
c) Das Berufungsgericht, das zum Vorliegen der Voraussetzungen des Versicherungsfalles Unfall bzw. Unfalltod noch keine Feststellungen getroffen hat, wird dies - gegebenenfalls nach neuem Sachvortrag der Parteien - nachzuholen haben.
49
III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Entgegen der Ansicht der Revision hat sich die Beklagte nicht auf eine Anfechtung beschränkt, sondern auch den Rücktritt vom gesamten Vertrag erklärt. Es fehlen jedoch Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob dieser Rücktritt, der auch hinsichtlich der Deckung für das Unfallrisiko erklärt wurde, insbesondere mit Blick auf die Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG und die Voraussetzungen nach § 29 VVG, wirksam ist.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012- 24 O 405/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.11.2012 - 9 U 66/12 -

(1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicherten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

(2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 163/02 Verkündet am:
11. Januar 2005
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 651 g Abs. 1

a) Für eine Reisemängelrüge gemäß § 651 g Abs. 1 BGB reicht es aus, daß
der Reisende erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen,
und dabei die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen
so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter die zur Aufklärung
des Sachverhalts gebotenen Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen
ergreifen kann.

b) Die Ausschlußfrist von einem Monat nach § 651 g Abs. 1 BGB ist jedenfalls
gewahrt, wenn der Reisende seine Mängelrüge bei dem Reisebüro, über
das er die Reise gebucht hat, abgibt und sie von diesem innerhalb der Monatsfrist
an den Reiseveranstalter weitergeleitet wird.
BGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 19. Mai 2002 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Verletzung, die sie auf der Rückreise von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub erlitten hat.
Für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juli 2000 buchte die Klägerin für sich und ihre damals 17 Jahre alte Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise nach G. mit Rückflug nach M. . Am Rückreisetag
wurde der Klägerin am Abfertigungsschalter für den vorgesehenen Flug in der Abflughalle des Flughafens mitgeteilt, daß in dieser Maschine nur noch ein freier Platz zur Verfügung stehe. Es könne daher nur entweder die Klägerin oder ihre Tochter zurück nach M. fliegen; die nächste verfügbare Flugmöglichkeit für zwei Personen zu diesem Flughafen sei erst 24 Stunden später. Die Klägerin war nur bereit, mit ihrer Tochter zu fliegen. Ein Schalterangestellter teilte ihr daraufhin mit, daß in Kürze ein Flug einer anderen Fluggesellschaft nach P. starte, auf dem noch Plätze für die Klägerin und ihre Tochter frei seien. Die Klägerin war mit dieser Alternative einverstanden. Der Schalterangestellte mahnte zur Eile, da der Flug nach P. nur noch wenige Minuten für weitere Reisende geöffnet sei. Er lief im Dauerlauf zu dem Abfertigungsschalter für den Flug nach P. auf der anderen Seite der Abflughalle voraus. Die Klägerin und ihre Tochter folgten ihm, jeweils mit ihrem Gepäck. Während des Laufens rutschte die Klägerin aus. Als Folge wurden bei ihr ein Gelenkerguß, eine Zerrung des rechten Kniegelenks mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und ein unfallbedingter Knorpeldefekt an der medialen Condyle festgestellt.
Die Klägerin ist auch nach einer Operation nicht endgültig genesen und weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Im Laufe des Berufungsverfahrens verlor die Klägerin, die vor dem Unfall als Altenpflegerin tätig gewesen ist, ihren Arbeitsplatz durch Kündigung des Arbeitgebers wegen Krankheit.
Am 2. August 2000 gab die Klägerin in dem Reisebüro, bei dem sie die Reise mit der Beklagten gebucht hatte, ein handschriftliches Schreiben ab, in dem das Geschehen bei ihrem Rückflug unter Nennung von Zeit und Ort geschildert sowie die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen mit
Angabe des behandelnden Arztes aufgeführt waren. Es schließt mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen."
Das Reisebüro leitete das Schreiben der Klägerin noch am 2. August 2000 an die Beklagte weiter.
Die Klägerin meint, die Beklagte hafte für ihren Unfall auf dem Flughafen von G. , weil sie zuvor vertragswidrig die Klägerin und ihre Tochter nicht mit dem geschuldeten Flug nach M. transportiert habe. Die Klägerin begehrt deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- DM, bezifferten Ersatz verschiedener materieller Schäden und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus ihrer Unfallverletzung zu ersetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig gemäß § 651 g BGB geltend gemacht habe, so daß sie damit ausgeschlossen sei. Außerdem hafte sie für den Unfall der Klägerin nicht, weil sich insoweit deren allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Verletzungsschaden der Klägerin sei der Beklagten nicht adäquat zurechenbar; vielmehr habe sich nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt, soweit die Klägerin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte dem Grunde nach ver-
pflichtet sei, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung am 29. Juli 2000 entstanden seien.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu ihrem Nachteil ergangen ist. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hat Bestand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Ausschlußfrist für die Anmeldung reisevertraglicher Ansprüche (§ 651 g Abs. 1 BGB) sei gewahrt.

a) Regelungszweck dieser Bestimmung ist, dem Reiseveranstalter alsbald Kenntnis davon zu geben, daß von einem seiner Reisenden Ansprüche geltend gemacht und worauf diese gestützt werden. Dadurch wird dem Reiseveranstalter ermöglicht, unverzüglich am Urlaubsort Recherchen über die behaupteten Reisemängel anzustellen, etwaige Regreßansprüche gegen seine Leistungsträger geltend zu machen und gegebenenfalls seinen Versicherer zu benachrichtigen (vgl. BGHZ 90, 363, 367 f.; 102, 80; Tempel, NJW 1987, 2841). Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Reisende deutlich macht, Forderungen gegen den Reiseveranstalter stellen zu wollen
und die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter Maßnahmen der geschilderten Art zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Nicht erforderlich ist dagegen die rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der erhobenen Ansprüche.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 2. August 2000 innerhalb der Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 BGB erhalten. Dieses Schreiben enthält unter Nennung von Zeit und Ort eine Schilderung des Geschehens am Flughafen, das zu dem Unfall der Klägerin führte, und teilt die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen unter Angabe des behandelnden Arztes mit. Das Schreiben endet mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen." Damit wurde der Sachverhalt dem Reiseveranstalter so konkret vorgetragen, daß er in eine Sachprüfung eintreten konnte. Er mußte den Schlußsatz des klägerischen Schreibens auch dahingehend verstehen, daß von der Klägerin Ansprüche geltend gemacht wurden. Denn wenn der Reiseveranstalter nach Reiseende ein Schreiben des Reisenden erhält, in dem erhebliche Mängel oder im Zusammenhang mit der Reise eingetretene gravierende Schäden konkret geschildert werden, ist dies nach der Lebenserfahrung jedenfalls dann im Sinne einer Forderung nach finanzieller Entschädigung auszulegen , wenn der Reisende wie hier unmißverständlich erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Es ist dem Reiseveranstalter zumutbar und von ihm zu erwarten, insoweit etwa bestehende Zweifel durch Rückfrage beim Reisenden zu beseitigen (vgl. Tempel, aaO, 2847).
2. Die Beklagte ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 651 f BGB zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die der Kläge-
rin entstanden sind, weil die Beklagte die Rückflugleistung nicht vertragsgemäß erbracht hat. Da die Fluggesellschaft ihr Erfüllungsgehilfe bei der Erbringung reisevertraglicher Leistungen ist, muß die Beklagte insoweit für sie einstehen. Die Beklagte hat den ihr zum Ausschluß ihrer Haftung obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Der eingeklagte Verletzungsschaden ist auch noch zurechenbar durch die mangelhafte Rückflugleistung verursacht, so daß die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen war.

a) Die Beklagte hat die Verletzung der Klägerin äquivalent verursacht. Denn bei vertragsgemäßer Leistung der Beklagten hätte die Klägerin sich nicht mit Gepäck durch die Abflughalle zu einem anderen Schalter bewegen müssen und hätte sich dabei auch nicht verletzen können. Um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, hat sie die Rechtsprechung allerdings schon seit langem durch weitere Zurechnungskriterien eingeschränkt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als solche Kriterien die Adäquanz des Kausalverlaufs und der Schutzzweck der Norm anerkannt (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.11.1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947).

b) Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urt .v. 04.07.1994 - II ZR 126/94, NJW 1995, 126, 127; BGHZ 57, 137, 141; st. Rspr.). Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 07.01.1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589). Mit diesem
Inhalt wirkt die Adäquanzlehre nur als recht grober Filter zur Beschränkung der Zurechenbarkeit.
Bei Anwendung dieses Maßstabes liegt es noch nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, daß nach Wegfall einer vereinbarten Rückflugmöglichkeit die Fluggesellschaft nach einem Ersatzflug sucht, für einen solchen die Zeit knapp wird und der betroffene Fluggast dann infolge von Hektik oder Unachtsamkeit stürzt. Die Reaktion der Klägerin war nicht derart ungewöhnlich oder unsachgemäß, daß sie den Zurechnungszusammenhang zur Pflichtverletzung der Beklagten nach der Adäquanzlehre unterbrochen hätte.

c) Eine vertragliche Haftung besteht schließlich nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Diese Haftungsbegrenzung aufgrund des Schutzzwecks der Norm erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449; Urt. v. 04.07.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126; BGHZ 116, 209; Urt. v. 30.01.1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057). Zweck vertraglicher und damit auch reisevertraglicher Haftung ist nicht, den Ersatzberechtigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos eintreten, wird deshalb auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang mit einem haftungsbegründenden Ereignis eintreten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.07.1971 - VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982, 1983).
Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daß Sturzschäden grundsätzlich dem normalen Lebensrisiko zuzuordnen sind. Es meint jedoch, die Mitar-
beiter der Fluggesellschaft hätten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten durch Nichtgewährung der ursprünglich versprochenen Flugmöglichkeit ein Verhalten der Klägerin herausgefordert, durch das sie in eine gesteigerte Gefahrenlage geraten sei; nachdem die Beklagte so ein vergrößertes Risiko geschaffen habe , sei sie auch für diejenigen Folgeschäden verantwortlich, die die Klägerin bei dem so veranlaßten Verhalten im Rahmen des normalen Lebensrisikos erlitten habe. Dazu gehören nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die materiellen Schäden aus dem Sturz. Diese Ausführungen halten zwar nicht in allen Elementen der Begründung, wohl aber im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

d) Der Lauf durch die Abflughalle war ein willentliches, selbstgefährdendes Handeln der Klägerin, das ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko bewirkte. Für den Bereich der unerlaubten Handlung hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den sogenannten Herausforderungs- und Verfolgungsfällen klargestellt, daß eine deliktische Haftung besteht, wenn das selbstgefährdende Verhalten durch vorwerfbares Tun herausgefordert wurde und der geltend gemachte Schaden infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist (BGHZ 132, 164; BGH, Urt. v. 04.05.1993 - VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234). Diese zur Abgrenzung von Haftung und allgemeinem Lebensrisiko im Deliktsrecht entwickelten Grundsätze gelten ebenso bei der Anwendung der Schutzzwecklehre im Vertragsrecht.

e) Die Klägerin hat sich in einer gesteigerten Gefahrenlage verletzt, die auf vorwerfbares Tun der Erfüllungsgehilfen der Beklagten zurückzuführen war. Mangels Entlastungsbeweises vorwerfbar war der Beklagten zwar zunächst nur die fehlende Bereitstellung der vertragsgemäßen Rückflugleistung. Durch die-
se Pflichtwidrigkeit ist für die Klägerin noch kein gesteigertes Risiko eines Sturzes bei einem Lauf mit Gepäck durch die Abflughalle geschaffen worden. Die Mitteilung der Fluggesellschaft, daß der gebuchte Flug nicht angetreten werden kann, veranlaßt einen Reisenden nicht zu einem Lauf durch die Abflughalle mit Gepäck.
Die Klägerin wurde zu dem risikobehafteten Lauf vielmehr veranlaßt, weil sie von dem Mitarbeiter der Fluggesellschaft auf die kurzfristige anderweitige Flugmöglichkeit nach P. hingewiesen wurde. Dieser Hinweis auf anderweitige Flugmöglichkeiten war zwar im Interesse der Klägerin geboten, die deutlich gemacht hatte, nicht auf den nächsten Flug nach M. warten zu wollen. Die Klägerin hätte gegenüber der Beklagten die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht geltend machen können, wenn der Hinweis auf die andere Flugmöglichkeit unterblieben wäre.
Die Klägerin und ihre Tochter sollten den angebotenen Flug nach P. allerdings anstelle des geschuldeten Fluges nach M . als Erfüllung der vertraglichen Rückflugleistung annehmen. Damit hat die Beklagte durch ihre Erfüllungsgehilfen eine Leistung an Erfüllung statt angeboten. Dabei hat sie dieselben Sorgfaltsmaßstäbe zu beachten wie bei der ursprünglich geschuldeten Leistung. Sie mußte den Alternativflug insbesondere so anbieten , daß die Klägerin dadurch nicht in eine gesteigerte Gefahrenlage geriet. Die Beklagte hatte der Klägerin vielmehr durch angemessene Hilfe zu ermöglichen , den anderen Flug gefahrlos zu erreichen. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt wurde diese Hilfe nicht gewährt. Das die Klägerin zum Nachlaufen animierende Vorauslaufen des Mitarbeiters der Fluggesellschaft setzte die Klägerin vielmehr einem erhöhten Sturzrisiko aus. Es ist nicht
ersichtlich, daß die Erfüllungsgehilfen der Beklagten die ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätten, um der Klägerin ein problemloses Erreichen des Ausweichfluges zu ermöglichen. Unter diesen Umständen haftet die Beklagte für die materiellen Schäden der Klägerin infolge ihres Sturzes. Diese Haftung ergibt sich aus der Beklagten vorwerfbarem Verhalten bei der Bereitstellung des Ausweichfluges, nicht jedoch, wie das Berufungsgericht meint, schon aus der Nichtgewährung der vereinbarten Flugmöglichkeit.

f) Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden der Klägerin rechtsfehlerfrei verneint. Das ist von der Revision nicht beanstandet worden.
3. Die gegen die Tenorierung des Berufungsurteils erhobene Rüge greift ebenfalls nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann über eine unbezifferte Feststellungsklage zwar nicht durch Grundurteil entschieden werden (BGH, Urt. v. 04.10.2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsurteils ergibt aber, daß es als Feststellungsurteil zu verstehen ist. Die Worte "dem Grunde nach" im Feststellungsausspruch sind bedeutungslos.
4. Das angefochtene Urteil hat somit Bestand. Die Revision ist zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
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aa) Eine Krankheit i.S. von Nr. 3 Satz 2 AUB 2000 - die mit § 8 AUB 1994 fast wörtlich übereinstimmt - liegt dann vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf. Ein Gebrechen wird als dauernder abnormer Gesundheitszustand definiert, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt (Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl. § 3 AUB 99/ § 8 AUB 88/94 Rdn. 2 m.w.N.; Kloth, Private Unfallversicherung Kapitel J Rdn. 5 f.; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 8 AUB 94 Rdn. 4). Demgegenüber sind Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten (Knappmann aaO).