Bundesgerichtshof Urteil, 10. Nov. 2017 - V ZR 217/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:101117UVZR217.16.0
bei uns veröffentlicht am10.11.2017
vorgehend
Landgericht Magdeburg, 10 O 1469/15, 31.03.2016
Oberlandesgericht Naumburg, 12 U 38/16, 26.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 217/16 Verkündet am:
10. November 2017
Weschenfelder
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird einer von mehreren Klageanträgen durch Teilurteil abgewiesen und erklärt
der Kläger mit der Berufungseinlegung insoweit die (Teil-)Erledigung,
bemisst sich die Beschwer des Klägers nach seinem Kosteninteresse. Dieses
ist nicht nach der Differenzrechnung, sondern dadurch zu ermitteln, dass
der Streitwert des abgewiesenen Klageantrags ins Verhältnis zum Gesamtstreitwert
gesetzt und die sich nach dieser Quote auf den abgewiesenen Antrag
entfallende Kostenbelastung errechnet wird (Abgrenzung u.a. zu BGH,
Beschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728, 1729).
BGH, Urteil vom 10. November 2017 - V ZR 217/16 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
ECLI:DE:BGH:2017:101117UVZR217.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 26. Juli 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger hat die Beklagten vor dem Landgericht auf Zustimmung zur Löschung von zwei Sicherungshypotheken im Nennbetrag von insgesamt 4.133,45 €, auf Zahlung von 12.657,30 €sowie auf Feststellung verklagt, dass sie verpflichtet sind, ihn von jedweden Ansprüchen des ehemaligen Zwangsverwalters seines Grundstücks freizustellen.
2
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz den Antrag auf Zustimmung zur Löschung für erledigt erklärt. Das Landgericht hat mit Teilurteil die Klage hinsichtlich des Lö- schungsbewilligungsantrags abgewiesen. Die Erledigungserklärung des Klägers hat es als verspätet angesehen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er zugleich beantragt hat, die Erledigung der Klage hinsichtlich des Löschungsbewilligungsantrags festzustellen, als unzulässig verworfen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Erledigungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts erreicht die Beschwer des Klägers nicht den in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgegebenen Wert von mehr als 600 €. Die Beschwer bemesse sich nach den Kosten, die im ersten Rechtszug auf den für erledigt erklärten Teil entfielen. Diese seien nach der Differenzrechnung zu ermitteln. Danach sei maßgeblich, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten würden, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an über den Wert der nicht erledigten Hauptsache geführt hätte. Somit betrage der Wert des Beschwerdegegenstandes 391,83 €.

II.


4
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt die Beschwer des Klägers 600 €. Seine Berufung ist daher zulässig.
5
1. Zwar kann in der Revisionsinstanz die gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts liegende Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - VIII ZR 98/16, NZM 2017, 358 Rn. 15; Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZB 66/15, NJW-RR 2016, 509 Rn. 7).
6
2. Dieser Prüfung hält die angefochtene Entscheidung aber nicht stand. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerhaft an, der Wert der Beschwer des Klägers liege nicht über 600 €.
7
a) Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Kläger will die Abänderung des seine Klage auf Zustimmung zur Löschung von zwei Sicherungshypotheken abweisenden Urteils des Landgerichts erreichen. Grundsätzlich ist bei einem Streit um die Löschung einer Zwangssicherungshypothek für die Beschwer des Klägers der Nennbetrag des eingetragenen Rechts maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar2006 - IX ZR 232/04, NJW 2006, 1286 Rn. 4, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 166, 74). Hier hat der Kläger aber mit der Berufungseinlegung gegen das klageabweisende Teilurteil zugleich den Antrag gestellt festzustellen, dass die Klage hinsichtlich des Löschungsbewilligungsantrags erledigt ist. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nicht mehr um eine Verurteilung der Beklagten zur Löschungsbewilligung geht, sondern sich sein Interesse an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt, nicht mit den insoweit in der Vorinstanz angefallenen Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden.

8
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beschwer des Klägers in einem solchen Fall nicht nach der Differenzrechnung zu bestimmen.
9
Bei der Differenzrechnung wird ermittelt, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten werden, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an über den Wert der nichterledigten Hauptsache geführt hätte. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Kosteninteresse ein Wert nur insoweit beizumessen ist, als die Kosten nicht ohnehin angefallen sind (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 289/87, MDR 1989, 58 f.; Beschluss vom 25. September 1991 - VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009, 2010; Beschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728, 1729; Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZR 47/09, juris Rn. 5).
10
Zur Bemessung der Rechtsmittelbeschwer eignet sich die Differenzrechnung aber nur, wenn in dem angefochtenen Urteil über eine Teilerledigung entschieden worden ist. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht dagegen eine Sachentscheidung getroffen. Ließe der Kläger das Teilurteil rechtskräftig werden , hätte dies zur Folge, dass das Landgericht in dem späteren Schlussurteil bei der Kostenentscheidung zugrunde zu legen hätte, dass der Kläger mit seinem Sachantrag auf Löschungsbewilligung unterlegen ist. Würde der Kläger - was zu seinen Gunsten zu unterstellen ist - mit seinen übrigen Anträgen obsiegen , müsste eine verhältnismäßige Verteilung der Kosten des Rechtsstreits gemäß § 92 Abs. 1 ZPO erfolgen, indem die Verlust- und Obsiegensquote ins Verhältnis zum Gesamtstreitwert gesetzt wird. Danach ergäbe sich eine Unterliegens - und dem Kläger aufzuerlegende Kostenquote von 23,04 %, was einem Kostenanteil von 1.328,50 € entspricht. Diese mögliche Kostenbelastung zu vermeiden, ist das Ziel der Berufung des Klägers. Sein Kosteninteresse und damit seine Beschwer durch das Teilurteil überschreitet daher den in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bezeichneten Wert.

III.


11
Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 31.03.2016 - 10 O 1469/15 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 26.07.2016 - 12 U 38/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Nov. 2017 - V ZR 217/16

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 2 Bedeutung des Wertes


Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Nov. 2017 - V ZR 217/16 zitiert 5 §§.

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.

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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

15
aa) Die gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts liegende Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 - VI ZB 1/11 und VI ZVI ZB 2/11, NJW 2012, 2523 Rn. 10 mwN) kann in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht, etwa weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat, die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senatsurteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 14 mwN).
7
aa) Voraussetzung dafür wäre, dass das Berufungsgericht bei der Bemessung der für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte. Denn die Bemessung der Beschwer kann auch in dem Verfahren über eine aus anderen Gründen zulässige Rechtsbeschwerde nur in dieser Hinsicht überprüft werden (Senat, Beschluss vom 24. September 2015 - V ZB 56/15, Grundeigentum 2015, 1593 Rn. 6; Beschluss vom 11. Juni 2015 - V ZB 78/14, ZWE 2015, 337 Rn. 5).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 295/02
vom
13. Juli 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 26 Nr. 8

a) Bei Feststellung der Erledigung im Berufungsurteil bemißt sich auch die Beschwer
des weiter Klageabweisung begehrenden Beklagten grundsätzlich
nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen
Kosten.

b) Die Beschwer bei Teilerledigung vor Schluß der mündlichen Verhandlung im
Berufungsverfahren ist mit einer Differenzrechnung (dazu BGH, Urteil vom
9. März 1993 - VI ZR 249/92 - NJW-RR 1993, 765 und Beschluß vom 9. Mai
1996 - VII ZR 143/94 - NJW-RR 1996, 1210) zu ermitteln.
BGH, Beschluß vom 13. Juli 2005 - XII ZR 295/02 - OLG München
LG München I
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 19. Zivilsenates des Oberlandesgerichts München vom 7. November 2002 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Streitwert: bis 6.000 €.

Gründe:

I.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten gegen ein auf Räumung und Herausgabe lautendes Teilurteil des Landgerichts nach einseitiger Erledigungserklärung des Klägers zurückgewiesen und antragsgemäß festgestellt , daß der Beklagte zur Räumung und Herausgabe verpflichtet war. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat es dem Beklagten auferlegt und die Revision nicht zugelassen. In erster Instanz ist der Rechtsstreit hinsichtlich einer Widerklage des Beklagten auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nach Kündigung eines Gewerbemietverhältnisses und eines Franchisevertrages weiter anhängig.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Beklagte die Zulassung der Revision, mit der er die Abweisung der Klage erreichen will.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwer des Beklagten erreicht nicht die Wertgrenze von 20.000 € gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO: Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend, wobei die Wertberechnung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen ist (BGH, Beschluß vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02 - NJW 2002, 2720 und Beschluß vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02 - NJW-RR 2004, 638 f.). Den Wert der Beschwer und damit die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Es obliegt aber grundsätzlich dem Beschwerdeführer darzulegen, daß er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, erstreben will (BGH, Beschluß vom 27. Juni 2002, aaO, 2721). Nach einseitiger Erledigungserklärung bestimmt sich der Wert der Beschwer nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten (Senatsbeschluß vom 30. September 1998 - XII ZR 163/98 - NZM 1999, 21 und BGH Beschlüsse vom 17. Juni 2003 - XI ZR 242/02 - BGHR Nebengesetze 1, 2. Folge EGZPO § 26 Nr. 8 Beschwer 1 sowie vom 9. Mai 1996 - VII ZR 143/94 - NJW-RR 1996, 1210 jeweils m.w.N.).
Von Ausnahmefällen (dazu BGH, Beschluß vom 8. Dezember 1981 - VI ZR 161/80 - NJW 1982, 768) abgesehen, tritt an die Stelle des Sachinteresses nach Feststellung der Erledigung auf einseitige Erklärung einer Partei hin für beide Parteien das Kosteninteresse. Für einen solchen Ausnahmefall bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Es ist nicht ersichtlich, daß aus einer Entscheidung über die Räumungsklage rechtskraftfähige Feststellungen zum behaupteten Schadensersatzanspruch hergeleitet werden können. Denn die vom Beklagten behaupteten Verstöße des Klägers gegen einen Franchisevertrag und Wettbewerbsvereinbarungen waren für den in der angefochtenen Entscheidung bejahten Räumungsanspruch nicht entscheidungserheblich. Da der Beklagte die gemieteten Räume nicht aufgeben mußte, ist auch die hier angefochtene Entscheidung nicht präjudiziell für die Schadensersatzwiderklage, so daß sich auch insoweit keine zusätzliche Beschwer des Beklagten ergibt. Durch die vom Oberlandesgericht getroffene Feststellung der Erledigung ist der Beklagte somit nur insoweit beschwert, als er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (BGH, Beschluß vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 289/97 - NJWRR 1988, 1465, Urteil vom 9. März 1993 - VI ZR 249/92 - NJW-RR 1993, 765 und Beschluß vom 17. Juni 2003 aaO). Bei Teilerledigung der Hauptsache ist die Beschwer des die Erledigung in Abrede stellenden und weiter Klageabweisung begehrenden Beklagten mit einer Differenzrechnung zu ermitteln. Bei dieser Differenzrechnung sind von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozeß ohne den erledigten Teil geführt worden wäre (dazu BGH Urteil vom 9. März 1993 und Beschluß vom 9. Mai 1996, jeweils aaO).
Soweit die Beschwerde geltend macht, die auf die Klage entfallenden Kosten seien entsprechend dem Vertragsinteresse des Beklagten nach einem Streitwert von 37 Monatsmieten = 173.263,60 DM beziehungsweise 84 Monatsmieten = 393.355,20 DM zu berechnen, vermag der Senat dem nicht zu folgen, da es für die Frage des Kosteninteresses nicht auf die Beschwer, sondern allein auf den Gebührenstreitwert ankommt, der für die Räumungsklage auf das 12-fache der Monatsmiete begrenzt ist. Zwar hat der Kläger nach seiner Erledigungserklärung in zweiter Instanz nicht beantragt, festzustellen, daß der Rechtsstreit hinsichtlich der Klage in der Hauptsache erledigt sei, sondern Feststellung begehrt, daß der Beklagte zur Räumung und Herausgabe verpflichtet gewesen sei. Dies führt aber nicht dazu, daß die Beschwer des Beklagten sich sowohl aus den Kosten des erledigten Teils als auch zusätzlich der Beschwer durch die getroffene Feststellung zusammensetzt. Die hier getroffene Feststellung, daß der Beklagte zur Räumung und Herausgabe verpflichtet war, geht nämlich nicht über das hinaus, was auch bei schlichter Feststellung der Erledigung der Hauptsache rechtskräftig festgestanden hätte, nämlich daß die ursprüngliche Klage auf Räumung und Herausgabe zulässig und begründet war (vgl. Musielak/Wolst ZPO 4. Aufl. § 91 a Rdn. 46), so daß es dabei verbleibt, daß lediglich das auch mit dem hier gestellten Antrag verfolgte Kosteninteresse für die Beschwer des Beklagten maßgeblich ist. Vorliegend ist für die Berechnung der Kosten gemäß § 134 Abs. 1 BRAGO noch die BRAGO in der bis 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden , da die Parteien die Rechtsanwälte im Berufungsverfahren spätestens im Mai 2002 beauftragt haben. Unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung beider Parteien sowie der in erster Instanz angefallenen Beweisgebühr errechnen sich bei einem Streitwert für Räumungs- und Widerklage von
451.810,24 DM (= 231.006,91 €) für die erste Instanz Kosten von rund 16.500 €. Für die zweite Instanz ist bei den vom Berufungsgericht unwidersprochen festgesetzten Werten für die Zeit vor (26.492 €) und nach (10.925 €) Abgabe der einseitigen Erledigungserklärung von Kosten in Höhe von rund 4.200 € auszugehen. Zusammen ergeben sich bei diesen Rechenschritten Kosten in Höhe von rund 20.700 €. Demgegenüber hätte die Widerklage - wäre allein sie Gegenstand des Verfahrens gewesen - bei einem Streitwert in der Gebührenstufe bis 200.000 € Kosten von rund 15.300 € verursacht, und zwar nur in erster Instanz, da das Verfahren hinsichtlich der Widerklage nicht in die zweite Instanz gelangt ist. Diese Kosten sind im Wege der Differenzberechnung von den bei einem Streitwert der Gebührenstufe bis 230.000 € ermittelten Gesamtkosten abzuziehen. Dies ergibt als auf den erledigten Teil entfallende Kosten und damit als Beschwer des Beklagten einen Betrag von unter 6.000 €.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina
5
Die Beschwer durch die Feststellung der teilweisen Hauptsacheerledigung richtet sich nach den auf den erledigten Teil entfallenden Kosten des Rechtsstreits (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZR 295/02 - NJW-RR 2005, 1728). Diese sind mit einer Differenzrechnung zu ermitteln. Bei dieser sind von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozess ohne den erledigten Teil geführt worden wäre (BGH aaO). Im Streitfall ergibt sich eine Differenz von weniger als 1.500 €.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.