Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juni 2016 - V ZR 295/14

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:100616UVZR295.14.0
bei uns veröffentlicht am10.06.2016
vorgehend
Landgericht Berlin, 22 O 401/12, 18.03.2014
Kammergericht, 20 U 63/14, 06.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 295/14 Verkündet am:
10. Juni 2016
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit eines notariellen Vertrages
wird nicht durch die Vorlage eines inhaltlich abweichenden Vertragsentwurfs
widerlegt.
BGH, Urteil vom 10. Juni 2016 - V ZR 295/14 - Kammergericht
LG Berlin
ECLI:DE:BGH:2016:100616UVZR295.14.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. November 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin kaufte von dem Beklagten mit notariellem Vertrag vom 21. März 2012 ein mit einer Halle bebautes Grundstück. Vor Vertragsabschluss hatte der Notar den Vertragsparteien den Vertragsentwurf übersandt, in dem es u.a. heißt: 1. Kaufgegenstand Das Grundstück ist mit einer Halle bebaut.
7. Gewährleistung Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt, er kauft es im gegenwärtigen altersbedingten Zustand. … Im Übrigen wird der Kaufgegenstand übergeben, wie er steht und liegt, ohne Gewähr für das genaue Flächenmaß, Größe, Güte und Beschaffenheit. In dem notariellen Kaufvertrag heißt es dagegen (Anm.: Hervorhebungen durch Senat): Vom Notar über die Bestimmungen des Beurkundungsgesetzes in § 17 (2a) belehrt, erklären die Erschienenen, dass sie ausreichend Gelegenheit hatten, den Entwurf dieser Urkunde zu prüfen und sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. 1. Kaufgegenstand Das Grundstück ist mit einer Halle bebaut, diese mit einer Fläche von 640 qm. 7. Gewährleistung Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt, er kauft es im gegenwärtigen altersbedingten Zustand zum heutigen Datum mit den Einrichtungs- gegenständen. … Im Übrigen wird der Kaufgegenstand übergeben, wie er steht und liegt, ohne Gewähr für das genaue Flächenmaß, Größe, Güte und Beschaffenheit mit Ausnahme der Größe der Halle.
2
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 24.802,05 € nebst Zinsen, weil die Fläche der Halle nur 540 qm beträgt und weil der Beklagte vor Übergabe des Grundstücks die Einbauküche entfernt hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zuge- lassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Parteien keine Vereinbarung über eine bestimmte Hallengröße und über den Verkauf von Einrichtungsgegenständen getroffen. Die Besonderheit des Falles liege darin, dass den Parteien vor der Beurkundung ein schriftlicher Entwurf vorgelegen habe, auf den die notarielle Urkunde Bezug nehme. Sämtliche auf dem Entwurf angebrachten handschriftlichen Änderungen seien in den notariellen Vertrag übernommen worden. Das lasse darauf schließen, dass die Parteien den Entwurf haben so beurkunden wollen, wie er in der handschriftlichen Fassung gestaltet gewesen sei. Damit sei die Vermutung der materiellen Richtigkeit des beurkundeten Textes widerlegt. Jedenfalls aber sei der Notarvertrag bezüglich der von dem Entwurf abweichenden Regelungen perplex und unwirksam, da die Parteien - wie sich aus dem einleitenden Hinweis in der notariellen Urkunde auf den Entwurf ergebe - einerseits den Inhalt des Entwurfes hätten gelten lassen wollen, andererseits auch den anderslautenden Wortlaut des nach dem Vorbringen der Klägerin von dem Notar verlesenen Vertragstextes. Ginge man hingegen davon aus, dass die Klägerin den Inhalt des Notarvertrages gewollt habe, der Beklagte dagegen den des Entwurfs, läge hinsichtlich der streitigen Klauseln ein offener Dissens vor.

II.

4
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, zwischen den Parteien sei ein Vertrag mit dem Inhalt des Vertragsentwurfs zustande gekommen.
6
a) Die notarielle Kaufvertragsurkunde vom 21. März 2012 ist eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO. Solche Urkunden erbringen vollen Beweis darüber, dass die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet , abgegeben wurde (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 1965 - V ZR 55/64, WM 1965, 868, 870). Darüber hinaus besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (Senat, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165 mwN); es wird also vermutet, dass das, was im beurkundeten Text steht, der Vereinbarung entspricht und nur das vereinbart ist (Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl., Rn. 24). Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (Senat, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165 mwN). Da der Beklagte behauptet, abweichend von dem Inhalt der Kaufvertragsurkunde seien weder eine bestimmte Hallengröße zugesagt noch Einrichtungsgegenstände verkauft worden, muss er die durch den notariellen Kaufvertrag begründete Vermutung widerlegen. Es reicht nicht, dass die Beweiswirkung erschüttert ist (Senat, Urteil vom 19. Juni 1998 - V ZR 133/97, NJW-RR 1998, 1470).
7
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des notariellen Kaufvertrages nicht durch die Vorlage des Vertragsentwurfs widerlegt. Mit dieser Sichtweise verkennt das Berufungsgericht den Zweck der notariellen Beurkundung und des Beurkundungsverfahrens.
8
aa) Zweck der in § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vorgeschriebenen notariellen Beurkundung von Verträgen über Grundstücke ist es, Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträgen zu bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäftes hinzuweisen und ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung zu eröffnen (Senat, Urteil vom 30. April 1982 - V ZR 104/81, BGHZ 83, 395, 397). Mit der Durchführung eines strengen Regeln unterworfenen Beurkundungsverfahrens , insbesondere durch die dem Notar in §§ 17 ff. BeurkG auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten, soll sichergestellt werden, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite vertraut gemachten Beteiligten entspricht (vgl. Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG und DNotO, 7. Aufl., Einleitung Rn. 11).
9
Die bei Verbraucherverträgen in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG normierte Amtspflicht des Notars (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2014 - NotSt (Brfg) 3/14, BGHZ 203, 273 Rn. 16), den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts den Vertragsparteien schon vor der Beurkundung zur Verfügung zu stellen , dient dazu, ihnen Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen, Unklarheiten und Änderungswünsche vorher zu klären und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten (vgl. Würzburger Notarhandbuch/Limmer, 4. Aufl., Teil 1 Kap. 2 Rn. 153). Der Entwurf dokumentiert hingegen nicht den abschließenden Parteiwillen. Die Aufgabe des Notars, diesen zu ermitteln und den Erklärungen eine Fassung zu geben , die den Absichten und Interessen der Beteiligten gerecht wird (Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG und DNotO, 7. Aufl., § 17 Rn. 40), bringt es gerade mit sich, dass es während der Beurkundungsverhandlung - etwa aufgrund einer Anregung durch den Notar oder aufgrund entsprechender Parteiwünsche - noch zu Änderungen in dem vorab zur Verfügung gestellten Entwurfstext kommen kann (vgl. BNotK, Rundschreiben Nr. 20/2003 vom 28. April 2003, Abschnitt E; Würzburger Notarhandbuch/Limmer, 4. Aufl., Teil 1 Kap. 2 Rn. 162). Erst mit der in der Beurkundungsverhandlung gefertigten Niederschrift (§§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeurkG) erhalten die Erklärungen der Beteiligten ihre endgültige Form (Huhn/von Schuckmann/Renner, BeurkG, 4. Aufl., § 8 Rn. 1). Die notarielle Urkunde dokumentiert, zu welchem Ergebnis die Beurkundungsverhandlung vor dem Notar geführt hat. Die Erklärungen der Beteiligten gelten mit der Beweiskraft des § 415 ZPO als abgegeben (Piegsa in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG und DNotO, 7. Aufl., § 8 BeurkG Rn. 3).
10
bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass allein durch die Vorlage des Vertragsentwurfes die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit notarieller Urkunden widerlegt werden könne, führte zu dem Ergebnis, dass nicht der notariellen Urkunde, sondern letztlich dem vorläufigen Entwurfstext, der gerade nicht Bestandteil der Beurkundungsverhandlung ist (Grziwotz/Heinemann, BeurkG , 2. Aufl., § 8 Rn. 7) und daher auch nicht die tatsächlich abgegebenen Erklärungen der Parteien dokumentiert, die maßgebliche Bedeutung zukommt. Dies ist mit dem Sinn und Zweck des strengen Anforderungen unterliegenden Beurkundungsverfahrens und der darin begründeten Beweiskraft notarieller Urkunden (§ 415 ZPO) nicht vereinbar.
11
2. Anders als das Berufungsgericht annimmt, führt die in der notariellen Niederschrift aufgenommene Erklärung der Parteien, dass sie ausreichend Gelegenheit zur Prüfung des Entwurfes und einer Auseinandersetzung mit dessen Inhalt hatten, nicht dazu, dass die Regelungen in der notariellen Urkunde, die von dem Entwurfstext abweichen, wegen Perplexität (Widersprüchlichkeit) nichtig sind.
12
Der im Vorspann der Niederschrift aufgenommenen Bestätigung der Parteien kommt nicht - wie das Berufungsgericht meint - der Erklärungsgehalt zu, dass der Entwurfstext rechtsverbindlich gelten soll und bei der sich anschließenden Beurkundungsverhandlung keine Veränderungen erfahren wird. Mit einem solchen Verständnis lässt das Berufungsgericht sowohl den eindeutigen Wortlaut der Erklärung als auch den Zusammenhang, in dem sie abgegeben wurde, außer Acht. Bereits nach ihrem Wortlaut besagt die Erklärung der Parteien nur, dass sie ausreichend Gelegenheit zur Prüfung des Entwurfes hatten. Gegen einen darüber hinausgehenden Erklärungsgehalt spricht auch der Kontext der Erklärungen. Die Bestätigung der Beteiligten wird eingeleitet mit den Worten „Vom Notar über die Bestimmungen des Beurkundungsgesetzes in § 17 (2a) belehrt, erklären die Erschienenen, …“. Hieraus wird deutlich, dass es nicht um die Niederschrift von Willenserklärungen der Beteiligten im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Rechtsgeschäft geht, sondern allein um die Dokumentation der Erfüllung der dem Notar in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG auferlegten Amtspflicht. Nach dieser Vorschrift soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen ; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, soll er dem Verbraucher den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts zur Verfügung stellen.
13
3. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht schließlich an, es liege, wenn man davon ausginge, dass die Klägerin die notariell beurkundeten Erklärungen , der Beklagte hingegen die Erklärungen des Entwurfes gewollt habe, ein offener Dissens gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB vor.
14
Ein offener Dissens im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht, wenn sich beide Parteien bewusst sind, dass sie sich noch nicht über alle Vertragspunkte einig geworden sind, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll (MüKoBGB/Busche, 7. Aufl., § 154 Rn. 4). Um eine solche Fallkonstellation geht es hier nicht. In Betracht käme allenfalls ein versteckter Einigungsmangel im Sinne von § 155 BGB. Dies setzt allerdings voraus, dass die Erklärungen der Parteien in ihrem objektiven Erklärungsinhalt nicht übereinstimmen; es genügt nicht, dass eine Partei mit ihrer Erklärung einen von deren objektiven Inhalt abweichenden Sinn verbunden hat (BGH, Urteil vom 31. Mai 1961 - VIII ZR 28/60, NJW 1961, 1668, 1669; Urteil vom 5. Dezember 2002 - VII ZR 342/01, NJW 2003, 743; Palandt/ Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 155 Rn. 2). Danach liegt hier auch kein versteckter Einigungsmangel vor. Maßgeblich sind die in dem notariellen Kaufvertrag beurkundeten Erklärungen der Parteien. Diese stimmen in ihrem objektiven Erklärungsgehalt , auch soweit es um die streitigen Regelungen geht, überein.
15
4. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist der Kaufvertrag von dem Beklagten nicht wirksam angefochten worden. Es fehlt an einer Anfechtungserklärung. Eine solche liegt nicht in dem Vorbringen des Beklagten, er sei aufgrund verschiedener Umstände davon ausgegangen, dass ein Vertrag mit dem Text des Vertragsentwurfes abgeschlossen worden sei.
16
Eine Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) ist jede Willenserklärung, die unzweideutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigt werden soll. Es bedarf nicht des Gebrauchs des Wortes "anfechten". Je nach den Umständen kann es genügen, wenn eine nach dem objektiven Erklärungswert der Willensäußerung übernommene Verpflichtung bestritten oder nicht anerkannt oder wenn ihr widersprochen wird. In jedem Fall ist aber erforderlich , das sich unzweideutig der Wille ergibt, das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehen zu lassen (BGH, Urteil vom 14. November 2001 - IV ZR 181/00, NJW-RR 2002, 380, 381 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dem Vorbringen des Beklagten lässt sich nicht unzweideutig der Wille entnehmen, dass er an dem Vertrag als Ganzes nicht festhalten wolle. Sein Hinweis, der Vertrag sei seiner Meinung nach mit dem Inhalt des Entwurfstextes geschlossen worden, lässt im Gegenteil eher den Schluss zu, dass der Beklagte die Geltung des Kaufvertrages als solches nicht in Frage stellt, sondern er sich lediglich gegen einzelne Regelungen in dem Vertrag wendet. Ein eindeutiger Wille zur Rückabwicklung des Vertrages kommt darin jedenfalls nicht zum Ausdruck.

III.

17
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
18
Sollte das Berufungsgericht bei erneuter Prüfung zu dem Ergebnis gelangen , dass der Beklagte zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Vertragsbeteiligten außerhalb der Urkunde liegende Umstände bewiesen hat, wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass das im Berufungsverfahren erfolgte Vorbringen der Klägerin zu den Umständen der Beurkundungsverhandlung nicht verspätet ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat es versäumt, die Klägerin auf seine (fehlerhafte) Rechtsansicht hinzuweisen, dass schon durch die Vorlage des Entwurfstextes dieVermutung der Richtigkeit der notariellen Urkunde widerlegt worden sei und daher seiner Meinung nach die Beweislast bei der Klägerin liege. Stresemann Brückner Weinland Kazele Haberkamp
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 18.03.2014 - 22 O 401/12 -
Kammergericht, Entscheidung vom 06.11.2014 - 20 U 63/14 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juni 2016 - V ZR 295/14

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juni 2016 - V ZR 295/14 zitiert 14 §§.

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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

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(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

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Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 125, 133 Fa, 157 Ha

a) Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde ist begründet,
wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung
der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck
bringt.

b) Zur Widerlegung der Vermutung kann auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel
der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb
der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2002 - V ZR 143/01 – Kammergericht in Berlin
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. Januar 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellen Verträgen vom 16. Dezember 1998 kaufte die Klägerin von dem Beklagten zwei bebaute Grundstücke zu Preisen von 403.000 DM und 635.000 DM und beauftragte jeweils die G. W. - und F. bau (GWF), die Gebäude zu sanieren; der Sanierungsaufwand betrug 1.065.530 DM und 1.535.420 DM. Mit weiteren notariellen Urkunden vom
22. Dezember 1998 ergänzten die drei Beteiligten die Verträge vom 16. Dezember 1998 dahingehend, "daû die Vertretene zu 3 (scil. Klägerin) das Recht hat, von diesem (scil. vom jeweiligen) Vertrag bis zum 31. März 1999 einseitig zurückzutreten, wenn eine Finanzierung für den Kaufpreis - einschlieûlich des Sanierungsanteils - nicht möglich ist". Für die Zeitspanne vom 30. Dezember 1998 bis 1. März 1999 finanzierte die Hausbank der Klägerin die Objekte, nachdem der Beklagte und GWF Bankbürgschaften erbracht hatten, ohne Eigenkapitalbeteiligung der Klägerin. Die mit der Vermittlung der endgültigen Finanzierung beauftragte Firma B. Finanz teilte der Klägerin am 10. März 1999 mit, daû eine Beleihung ohne Eigenkapitalbeteiligung nicht erreicht werden könne. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und GWF "unter Bezugnahme auf die Änderung bzw. Ergänzung der ... Verträge durch die URNrn. ..., alle vom 22. Dezember 1998 ... den Rücktritt von den ... Verträgen".
Die Klägerin, die sich wegen der Zahlung der Kaufpreise der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, hat Vollstreckungsgegenklage erhoben und diese (u.a.) auf den am 10. März 1999 erklärten Rücktritt gestützt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstrebt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht meint, die notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein "freies" Rücktrittsrecht ein, da sie einen Rücktrittsgrund bezeichneten. Mangels eindeutigen Wortlauts der Rücktrittsvereinbarungen könne sich die Klägerin für ihre Auffassung, bereits der Umstand , daû ihr keine Finanzierung ohne Eigenkapital gelungen sei, habe sie zum Rücktritt berechtigt, nicht auf die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunden stützen. Die Beweisaufnahme über die vor und bei den notariellen Verhandlungen abgegebenen Erklärungen lasse eine Feststellung im Sinne der Klägerin nicht zu.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, die ergänzenden Vereinbarungen vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein Rücktrittsrecht ein, dessen Ausübung allein in ihrem Belieben stehe. Die Vereinbarungen bezeichnen vielmehr einen Rücktrittsgrund. Die Bezeichnung des Rücktrittsgrundes in den Urkunden begründet indessen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Vermutung dafür, daû das Rücktrittsrecht der Klägerin an keine weitere Voraussetzung gebunden war, als das Scheitern der Finanzierung als solches. Die Vermutung umfaût mithin auch den
Fall des Unvermögens der Klägerin, die Finanzierungsmittel ohne Eigenkapitalbeteiligung zu erlangen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGHZ 20, 109, 111; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999, III ZR 203/98, ZIP 1999, 1887, 1888). Die Partei, die sich auf auûerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (Senatsurt. v. 5. Februar 1999, V ZR 353/97, WM 1999, 965). Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, daû der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, daû das Beurkundete, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, daû für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (vgl. BGHZ 25, 318, 319; 80, 246, 250; krit. MünchKomm-BGB/MayerMaly /Busche, 4. Aufl., § 133 Rdn. 46). Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die auûerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte , Äuûerungen der Parteien auûerhalb der Urkunde u.a., ble i-
ben hierbei allerdings auûer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.

b) Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Das Berufungsgericht gründet seine Zweifel am Inhalt der Urkunde darauf, daû der beurkundende Notar das Rücktrittsrecht nicht an die Finanzierung des "gesamten Kaufpreises" , sondern an das Scheitern "einer" Finanzierung "für" den Kaufpreis geknüpft hat. Dabei bleibt es, entgegen dem Gebot des § 133 BGB, am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften und läût den wirklichen Willen der Beteiligten unerforscht. Nach § 433 Abs. 2 BGB hat der Käufer für die Zahlung des Kaufpreises als Geldschuld einzustehen. Wie er die erforderlichen Mittel aufbringt, insbesondere ob er hierzu ganz oder teilweise Eigenkapital einsetzt, ist seine Sache. Behält er sich den Rücktritt für den Fall des Scheiterns der Kaufpreisfinanzierung vor, so ist, wenn sich aus der Urkunde nichts anderes ergibt, davon auszugehen, daû der Grund des Scheiterns, in den Grenzen der §§ 162 entspr., 242 BGB, keine Rolle spielt. Der Verkäufer kann, wenn er nicht darauf besteht, den Rücktrittsgrund weiter einzugrenzen, nicht davon ausgehen , daû der Käufer sich in seiner Dispositionsfreiheit, auf welchem Wege und in welcher Weise er die Kaufpreismittel aufbringt, Einschränkungen unterzogen hat. Im Streitfalle hat die Klägerin ihr Rücktrittsrecht daran geknüpft, daû ihr die Finanzierung von Kaufpreis und Sanierungsaufwand "nicht möglich ist". Einschränkungen ihrer Dispositionsbefugnis dahin, daû sie die Kreditmöglichkeiten , welche einem Darlehensnehmer am Markt schlechthin zur Verfügung stehen , ausschöpfen, also auch Eigenkapital einsetzen müsse, hat sie sich nicht unterworfen. Insoweit zu Recht meint das Berufungsgericht, ob und in welchem Umfang Eigenmittel hätten zum Einsatz kommen sollen, sei von den Gegebenheiten des Falles abhängig gewesen. Im Sinne des Rücktrittsgrundes ist der
Klägerin die Finanzierung auch dann nicht möglich, wenn ihr Eigenkapital nicht zur Verfügung steht oder dieses anderweit eingesetzt wird. Eine Grenze wäre nur dann überschritten, wenn die Finanzierung des Kauf- und Sanierungsvorhabens der Parteien ohne Einsatz von Eigenmitteln auûerhalb der Grenzen der Verkehrssitte läge. Hiervon kann aber weder im allgemeinen noch gerade im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin ausgegangen werden. Diese hatte, was unstreitig ist, vorher ein Vorhaben ähnlichen Zuschnitts allein mit Fremdmitteln verwirklicht.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht über die für die Auslegung des Rücktrittsgrundes erheblichen Begleitumstände Beweis erhoben. Denn auch ein Beweisergebnis, welches die Behauptung der Beklagten gestützt hätte, die Klägerin habe vor Erklärung des Rücktritts Eigenkapital einsetzen müssen, wäre rechtlich beachtlich gewesen. Es hätte in der Urkunde einen, wenn auch nur andeutungsweisen, Niederschlag gefunden und hätte mithin dem Urkundserfordernis des § 313 Satz 1 BGB a.F. genügt. Da das Berufungsgericht Feststellungen in der einen oder anderen Richtung nicht zu treffen vermochte, ist die Sache im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).
Die Gegenrüge des Beklagten ändert hieran nichts. Der Beklagte vermag nicht auf einen Beweisantrag zu verweisen, zum Begriff der Finanzierung sachverständigen Rat einzuholen. Daû die besonderen Voraussetzungen vorgelegen hätten, unter denen das Gericht entweder Beweis von Amts wegen zu erheben (§ 144 ZPO) oder auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (§ 139 ZPO) hat (zum Sachverständigenbeweis: BGH, Urt. v. 16. Oktober 1986, III ZR 121/85, NJW 1987, 591), legt die Revision nicht dar.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf RiBGH Prof. Dr. Krüger ist wegen Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben Karlsruhe, den 09.07.2002 Wenzel Klein Lemke

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/01 Verkündet am:
5. Juli 2002
K a n i k
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 125, 133 Fa, 157 Ha

a) Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde ist begründet,
wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung
der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck
bringt.

b) Zur Widerlegung der Vermutung kann auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel
der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb
der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2002 - V ZR 143/01 – Kammergericht in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. Januar 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellen Verträgen vom 16. Dezember 1998 kaufte die Klägerin von dem Beklagten zwei bebaute Grundstücke zu Preisen von 403.000 DM und 635.000 DM und beauftragte jeweils die G. W. - und F. bau (GWF), die Gebäude zu sanieren; der Sanierungsaufwand betrug 1.065.530 DM und 1.535.420 DM. Mit weiteren notariellen Urkunden vom
22. Dezember 1998 ergänzten die drei Beteiligten die Verträge vom 16. Dezember 1998 dahingehend, "daû die Vertretene zu 3 (scil. Klägerin) das Recht hat, von diesem (scil. vom jeweiligen) Vertrag bis zum 31. März 1999 einseitig zurückzutreten, wenn eine Finanzierung für den Kaufpreis - einschlieûlich des Sanierungsanteils - nicht möglich ist". Für die Zeitspanne vom 30. Dezember 1998 bis 1. März 1999 finanzierte die Hausbank der Klägerin die Objekte, nachdem der Beklagte und GWF Bankbürgschaften erbracht hatten, ohne Eigenkapitalbeteiligung der Klägerin. Die mit der Vermittlung der endgültigen Finanzierung beauftragte Firma B. Finanz teilte der Klägerin am 10. März 1999 mit, daû eine Beleihung ohne Eigenkapitalbeteiligung nicht erreicht werden könne. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und GWF "unter Bezugnahme auf die Änderung bzw. Ergänzung der ... Verträge durch die URNrn. ..., alle vom 22. Dezember 1998 ... den Rücktritt von den ... Verträgen".
Die Klägerin, die sich wegen der Zahlung der Kaufpreise der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, hat Vollstreckungsgegenklage erhoben und diese (u.a.) auf den am 10. März 1999 erklärten Rücktritt gestützt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstrebt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht meint, die notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein "freies" Rücktrittsrecht ein, da sie einen Rücktrittsgrund bezeichneten. Mangels eindeutigen Wortlauts der Rücktrittsvereinbarungen könne sich die Klägerin für ihre Auffassung, bereits der Umstand , daû ihr keine Finanzierung ohne Eigenkapital gelungen sei, habe sie zum Rücktritt berechtigt, nicht auf die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunden stützen. Die Beweisaufnahme über die vor und bei den notariellen Verhandlungen abgegebenen Erklärungen lasse eine Feststellung im Sinne der Klägerin nicht zu.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, die ergänzenden Vereinbarungen vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein Rücktrittsrecht ein, dessen Ausübung allein in ihrem Belieben stehe. Die Vereinbarungen bezeichnen vielmehr einen Rücktrittsgrund. Die Bezeichnung des Rücktrittsgrundes in den Urkunden begründet indessen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Vermutung dafür, daû das Rücktrittsrecht der Klägerin an keine weitere Voraussetzung gebunden war, als das Scheitern der Finanzierung als solches. Die Vermutung umfaût mithin auch den
Fall des Unvermögens der Klägerin, die Finanzierungsmittel ohne Eigenkapitalbeteiligung zu erlangen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGHZ 20, 109, 111; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999, III ZR 203/98, ZIP 1999, 1887, 1888). Die Partei, die sich auf auûerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (Senatsurt. v. 5. Februar 1999, V ZR 353/97, WM 1999, 965). Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, daû der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, daû das Beurkundete, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, daû für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (vgl. BGHZ 25, 318, 319; 80, 246, 250; krit. MünchKomm-BGB/MayerMaly /Busche, 4. Aufl., § 133 Rdn. 46). Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die auûerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte , Äuûerungen der Parteien auûerhalb der Urkunde u.a., ble i-
ben hierbei allerdings auûer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.

b) Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Das Berufungsgericht gründet seine Zweifel am Inhalt der Urkunde darauf, daû der beurkundende Notar das Rücktrittsrecht nicht an die Finanzierung des "gesamten Kaufpreises" , sondern an das Scheitern "einer" Finanzierung "für" den Kaufpreis geknüpft hat. Dabei bleibt es, entgegen dem Gebot des § 133 BGB, am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften und läût den wirklichen Willen der Beteiligten unerforscht. Nach § 433 Abs. 2 BGB hat der Käufer für die Zahlung des Kaufpreises als Geldschuld einzustehen. Wie er die erforderlichen Mittel aufbringt, insbesondere ob er hierzu ganz oder teilweise Eigenkapital einsetzt, ist seine Sache. Behält er sich den Rücktritt für den Fall des Scheiterns der Kaufpreisfinanzierung vor, so ist, wenn sich aus der Urkunde nichts anderes ergibt, davon auszugehen, daû der Grund des Scheiterns, in den Grenzen der §§ 162 entspr., 242 BGB, keine Rolle spielt. Der Verkäufer kann, wenn er nicht darauf besteht, den Rücktrittsgrund weiter einzugrenzen, nicht davon ausgehen , daû der Käufer sich in seiner Dispositionsfreiheit, auf welchem Wege und in welcher Weise er die Kaufpreismittel aufbringt, Einschränkungen unterzogen hat. Im Streitfalle hat die Klägerin ihr Rücktrittsrecht daran geknüpft, daû ihr die Finanzierung von Kaufpreis und Sanierungsaufwand "nicht möglich ist". Einschränkungen ihrer Dispositionsbefugnis dahin, daû sie die Kreditmöglichkeiten , welche einem Darlehensnehmer am Markt schlechthin zur Verfügung stehen , ausschöpfen, also auch Eigenkapital einsetzen müsse, hat sie sich nicht unterworfen. Insoweit zu Recht meint das Berufungsgericht, ob und in welchem Umfang Eigenmittel hätten zum Einsatz kommen sollen, sei von den Gegebenheiten des Falles abhängig gewesen. Im Sinne des Rücktrittsgrundes ist der
Klägerin die Finanzierung auch dann nicht möglich, wenn ihr Eigenkapital nicht zur Verfügung steht oder dieses anderweit eingesetzt wird. Eine Grenze wäre nur dann überschritten, wenn die Finanzierung des Kauf- und Sanierungsvorhabens der Parteien ohne Einsatz von Eigenmitteln auûerhalb der Grenzen der Verkehrssitte läge. Hiervon kann aber weder im allgemeinen noch gerade im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin ausgegangen werden. Diese hatte, was unstreitig ist, vorher ein Vorhaben ähnlichen Zuschnitts allein mit Fremdmitteln verwirklicht.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht über die für die Auslegung des Rücktrittsgrundes erheblichen Begleitumstände Beweis erhoben. Denn auch ein Beweisergebnis, welches die Behauptung der Beklagten gestützt hätte, die Klägerin habe vor Erklärung des Rücktritts Eigenkapital einsetzen müssen, wäre rechtlich beachtlich gewesen. Es hätte in der Urkunde einen, wenn auch nur andeutungsweisen, Niederschlag gefunden und hätte mithin dem Urkundserfordernis des § 313 Satz 1 BGB a.F. genügt. Da das Berufungsgericht Feststellungen in der einen oder anderen Richtung nicht zu treffen vermochte, ist die Sache im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).
Die Gegenrüge des Beklagten ändert hieran nichts. Der Beklagte vermag nicht auf einen Beweisantrag zu verweisen, zum Begriff der Finanzierung sachverständigen Rat einzuholen. Daû die besonderen Voraussetzungen vorgelegen hätten, unter denen das Gericht entweder Beweis von Amts wegen zu erheben (§ 144 ZPO) oder auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (§ 139 ZPO) hat (zum Sachverständigenbeweis: BGH, Urt. v. 16. Oktober 1986, III ZR 121/85, NJW 1987, 591), legt die Revision nicht dar.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf RiBGH Prof. Dr. Krüger ist wegen Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben Karlsruhe, den 09.07.2002 Wenzel Klein Lemke

(1) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.

(2) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil seines künftigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, ist nichtig.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, bedarf der notariellen Beurkundung.

(4) Ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten ist nichtig. Das Gleiche gilt von einem Vertrag über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlass eines noch lebenden Dritten.

(5) Absatz 4 gilt nicht für einen Vertrag, der unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen geschlossen wird. Ein solcher Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung.

(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.

(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

(1) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.

(2) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil seines künftigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, ist nichtig.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, bedarf der notariellen Beurkundung.

(4) Ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten ist nichtig. Das Gleiche gilt von einem Vertrag über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlass eines noch lebenden Dritten.

(5) Absatz 4 gilt nicht für einen Vertrag, der unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen geschlossen wird. Ein solcher Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung.

(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.

(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.

Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 342/01 Verkündet am:
5. Dezember 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB §§ 133 B, 155, 157 B
Zur fehlerhaften Annahme eines Dissenses bei der Auslegung eines Bauvertrages.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - VII ZR 342/01 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 2. August 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten die Beseitigung einer Vielzahl von Mängeln. Er erwarb im Jahre 1994 ein von den Beklagten noch fertigzustellendes Haus zum Preis von 580.000 DM. Die Baubeschreibung, die zum Gegenstand des notariellen Vertrags gemacht wurde, sah als Kellerabgang im Giebelbereich "eine Treppenanlage bestehend aus Betonfertigteilstufen mit seitlicher Abmauerung" vor. In den gleichfalls dem Vertrag beigefügten "Grundriß-, Ansichts- und Schnittplänen" ist diese Außentreppe nicht ausgewiesen.
Der Kläger verweigerte die Abnahme des errichteten Hauses wegen Mängeln und verlangte deren Beseitigung. Die auf Beseitigung der Mängel gerichtete Klage hatte in erster Instanz hinsichtlich eines Teils der behaupteten Mängel Erfolg. Nach beiderseitiger Berufung hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der dagegen gerichteten Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein Vertrag sei wegen Dissenses gemäß § 155 BGB nicht zustandegekommen. Da der Kellerabgang als Außentreppe in der Baubeschreibung, nicht aber in den Plänen ausgewiesen sei, liege eine mehrdeutige Offerte vor, die von den Parteien verschieden verstanden worden sei. Es handele sich um einen Scheinkonsens.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt kein Dissens vor. Das Angebot der Beklagten ist nicht mehrdeutig. Welche Leistung von den Beklagten angeboten war, ist gemäß §§ 133, 157 BGB aus dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - VII ZR 8/98, BauR 1999, 668 = ZfBR 1999, 210 m.w.N.). Ein Bauvertrag ist als sinnvolles Ganzes auszulegen. Grundsätzlich ist auch bei einem Bauvertrag, der nicht nach VOB/A ausgeschrieben worden ist, davon auszugehen, daß der Anbieter eine Leistung widerspruchsfrei anbieten will. Bei Unklarheiten über nicht von vornherein in Übereinstimmung zu bringende Vertragserklärungen hat sich die Auslegung zunächst an demjenigen Teil zu orientieren, der die Leistung konkret beschreibt. Dabei kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung gegenüber etwaigen Plänen jedenfalls dann eine vergleichsweise große Bedeutung zu, wenn damit die Leistung im einzelnen genau beschrieben wird, während die Pläne sich nicht im Detail an dem angebotenen Bauvorhaben orientieren (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1999 – VII ZR 179/98, BauR 1999, 897 = NJW 1999, 2432 = ZfBR 1999, 256) Aus der demnach maßgebenden Sicht des Klägers war als Kellerabgang eine Treppenanlage bestehend aus Betonfertigteilstufen mit seitlicher Abmauerung angeboten. Die Baubeschreibung wies unter Nr. IV.7 diese Leistung aus und beschrieb sie im Detail. Nach der Verkehrsanschauung waren insoweit die Grundriß-, Ansicht- und Schnittpläne nachrangig.

III.

Demnach hat das Urteil keinen Bestand. Es ist aufzuheben und die Sa- che ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dressler Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner.

(2) Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrag der andere Teil, im Falle des § 123 Abs. 2 Satz 2 derjenige, welcher aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht erworben hat.

(3) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft, das einem anderen gegenüber vorzunehmen war, ist der andere der Anfechtungsgegner. Das Gleiche gilt bei einem Rechtsgeschäft, das einem anderen oder einer Behörde gegenüber vorzunehmen war, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde gegenüber vorgenommen worden ist.

(4) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft anderer Art ist Anfechtungsgegner jeder, der auf Grund des Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat. Die Anfechtung kann jedoch, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben war, durch Erklärung gegenüber der Behörde erfolgen; die Behörde soll die Anfechtung demjenigen mitteilen, welcher durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 181/00 Verkündet am:
14. November 2001
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den
Richter Seiffert als Vorsitzenden, den Richter Dr. Schlichting, die
Richterinnen Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Juni 2000 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. Mai 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Bestand und Inhalt eines seit dem 1. November 1990 laufenden Rentenversicherungsvertrages, hilfsweise über die Höhe der Ansprüche, die dem Kläger im Falle einer wirksamen Irrtumsanfechtung durch die Beklagte zustehen.

Der Kläger wollte 1990 Geld in einer Lebens- oder Rentenversicherung anlegen und dabei nach Ablauf der steuerrechtlich geforderten Mindestbeitragsdauer von zwölf Jahren und unter Ausnutzung der steuerlich abzugsfähigen Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen eine möglichst hohe Rendite erzielen.
Er ging schließlich auf den Vorschlag des damaligen Organisationsinspektors M. H. des beklagten Versicherungsunternehmens ein, der ihm zum Abschluß eines Rentenversicherungsvertrages mit zwölfjähriger Beitragszahlung (beginnend ab 1. November 1990 mit einer Jahresprämie von zunächst 9.000 DM bei planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Versicherungsleistungen) und - bis zum 1. November 2027 - aufgeschobenem Rentenbeginn riet. Anstelle der Rente sollte der Kläger zu diesem Fälligkeitszeitpunkt nach Ziff. 2 a der Zusatzbedingungen zum Vertrag wahlweise ein Kapital von 256.016 DM beanspruchen können.
Auf entsprechenden Antrag des Klägers sandte die Beklagte ihm den Versicherungsschein vom 17. Januar 1991 zu, der den Tarif MRR als zwischen den Parteien vereinbart ausweist. Dem Versicherungsschein lag weiter eine Zahlentabelle für die Berechnung von Rückvergütungswerten für den Tarif MRR bei, aus der sich - je nach Beitragsdauer - die Rückvergütungswerte "für diesen Vertrag" ergeben sollten.
In den folgenden Jahren paßte die Beklagte die Versicherungsprämien und -summe jeweils vereinbarungsgemäß an.

Anfang 1995 fragte der Kläger bei der Beklagten an, welcher Rückkaufswert zum 1. Mai 1995 erreicht sei. Nachdem ihm daraufhin mit Schreiben der Beklagten vom 28. März 1995 ein Betrag von lediglich 42.163,37 DM genannt worden war, während er selbst anhand der vorgenannten Tabelle - ausgehend von der seinerzeit geltenden Versicherungssumme von 314.590 DM - einen Rückkaufswert von 104.248 DM errechnet hatte, bat er die Beklagte unter Hinweis auf diese Differenz mit Schreiben vom 3. April 1995 um Überprüfung.
Die Beklagte antwortete mit folgendem Schreiben vom 26. Mai 1995 :
"... teilen wir Ihnen mit, dass die seinerzeit dem Versicherungsschein beigefügte Anlage (Rückvergütungswerte) nicht korrekt ist. Sie gilt nicht für den Ihrem Vertrag zugrundeliegenden Tarif. Bei Ihrer Rentenversicherung handelt es sich um einen Tarif mit abgekürzter Beitragszahlungsdauer. Die Berechnung des Rückvergütungswertes erfolgt bei dieser Tarifform jeweils auf Anfrage. Wir bitten um Verständnis für das damals entstandene Versehen und fügen die zutreffende Anlage bei. Wir bestätigen im übrigen die Richtigkeit des in unserer Mitteilung vom 28. März angegebenen Rückvergütungswertes." Der Kläger begehrt demgegenüber mit seiner Klage die Feststellung , daû zwischen den Parteien der Versicherungstarif MRR vereinbart sei und sich die Rückvergütungswerte nach der dem Versicherungsschein beigefügten Tabelle errechneten.

Die Beklagte hält die Tabelle nicht für verbindlich. Sie meint ferner, sie habe mit ihrem Schreiben vom 26. Mai 1995 ihre Annahmeerklärung rechtzeitig und wirksam wegen Irrtums angefochten.
Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Nach Berufung der Beklagten hat der Kläger im Wege der Anschluûberufung die Klage erweitert und hilfsweise den Ersatz des ihm entstandenen Vertrauensschadens und Herausgabe der Nutzungen aus den gezahlten Versicherungsprämien gefordert. Die Beklagte hat den Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nur zum Teil anerkannt.
Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag des Klägers abgewiesen und den Hilfsanträgen des Klägers in einem das Anerkenntnis der Beklagten geringfügig übersteigenden Umfang stattgegeben.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger in erster Linie seinen Hauptantrag auf Feststellung des Bestandes und Inhalts des Versicherungsvertrages weiter. Lediglich hilfsweise wendet er sich auch gegen die teilweise Abweisung seiner Hilfsanträge.

Entscheidungsgründe :


Die Revision hat mit dem Hauptantrag Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst dargelegt, der Tarif MRR und die dem Versicherungsschein beigefügte Tabelle zur Errechnung der Rückvergütungswerte (Anl. K 3 Bl. 11) seien Bestandteile des Rentenversicherungsvertrages geworden.
Für den Tarif MRR ergibt sich dies schon aus dem klaren Wortlaut des Versicherungsscheins. Gleiches gilt aber auch für die Tabelle. Auf ihrer Grundlage hatte schon der Zeuge H. bei der Vertragsanbahnung die durch sie ausgewiesenen Rückkaufswerte in Aussicht gestellt. Der Kläger hatte die Tabelle deshalb erkennbar in sein Angebot zum Abschluû des Versicherungsvertrages aufgenommen. Die Beklagte hat dieses Angebot angenommen. Die Tabelle ist jedenfalls spätestens dadurch Vertragsbestandteil geworden, daû sie dem Kläger auf seinen Versicherungsantrag hin als Anlage zum Versicherungsschein zugesandt worden ist und der Kläger dem nicht binnen Monatsfrist widersprochen hat (§ 5 VVG). Die von der Revisionserwiderung aufgezeigte wirtschaftliche Diskrepanz zwischen der gezahlten Versicherungsprämie und dem in der Tabelle ausgewiesenen Rückkaufswert nach Ablauf des ersten Versicherungsjahres macht diese Vertragserklärungen der Parteien nicht unwirksam.
II. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Annahme des Versicherungsvertrages sei von der Beklagten wirksam angefochten, kann indes aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Eine Anfechtungserklärung liegt nicht vor.

Der Senat kann das Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 1995 selbst auslegen (vgl. dazu BGHZ 124, 39, 45) und abschlieûend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), weil einerseits die Auslegung durch das Berufungsgericht gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln verstöût und naheliegende Gesichtspunkte auûer Acht läût (vgl. dazu BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72 – jeweils m.w.N.), andererseits weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind.
Die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung ist bereits mit dem Wortlaut des Schreibens vom 26. Mai 1995 nicht vereinbar. Anfechtungserklärung ist jede Willenserklärung, die unzweideutig erkennen läût, daû das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigt werden soll. Es bedarf nicht des Gebrauchs des Wortes "anfechten". Es kann je nach den Umständen genügen, wenn eine nach dem objektiven Erklärungswert der Willensäuûerung übernommene Verpflichtung bestritten oder nicht anerkannt oder wenn ihr widersprochen wird. In jedem Fall ist aber erforderlich, daû sich unzweideutig der Wille ergibt, das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehenlassen zu wollen (BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - IV ZR 58/94 - VersR 1995, 648 unter 1 b m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Schon der abschlieûende Hinweis im Schreiben der Beklagten auf die Richtigkeit des in einem früheren Schreiben mitgeteilten (niedrigen ) Rückkaufswertes deutet darauf hin, daû das Versicherungsverhältnis nach dem Willen der Beklagten fortgesetzt werden sollte. Dafür spricht auch, daû eine Rückabwicklung des Vertrages oder eine Prä-

mienrückzahlung mit keinem Wort angesprochen sind. Die bloûe Bitte, das "entstandene Versehen" zu entschuldigen, bringt dies jedenfalls nicht zum Ausdruck, zumal mit der gleichzeitigen Übersendung des (nach Auffassung der Beklagten) zutreffenden Zahlenwerks bei dem Kläger der Eindruck entstehen muûte, die Beklagte wolle das Vertragsverhältnis auf dieser Basis fortsetzen. Ihrer Revisionserwiderung kann auch nicht darin gefolgt werden, es sei damit lediglich der Abschluû eines neuen Vertrages zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Zugrundelegung der zutreffenden Rückkaufswerte angeboten worden. Denn daû der bisherige Vertrag nach dem Willen der Beklagten keine Gültigkeit mehr haben sollte, kann dem Schreiben ebensowenig entnommen werden wie ihre Erwartung einer neuen Annahmeerklärung des Klägers. Vielmehr wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daû im Vertrag die nach Ansicht der Beklagten zutreffenden Rückkaufswerte von vornherein gegolten hätten, ohne daû es dazu weiterer Erklärungen bedürfe.
Entscheidend für die Annahme einer Anfechtungserklärung wäre hier allein gewesen, ob die Beklagte an dem Vertrag als ganzem nicht mehr festhalten wollte. Soweit das Berufungsgericht demgegenüber vorwiegend darauf abstellt, ihrem Schreiben sei jedenfalls zu entnehmen , daû die Beklagte die Tabelle nicht habe gelten lassen wollen, genügt dies nicht. Allenfalls könnte dem Schreiben insoweit ein Wille zur Teilanfechtung ihrer Annahmeerklärung in bezug auf die Bestimmungen über den Rückkaufswert entnommen werden. Daû eine solche Teilanfechtung hier aber ausscheidet, hat das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend dargelegt. Denn die erwarteten Rückkaufs-

werte hatten nach der unstreitigen Motivation der Vertragspartner (dem Kläger eine günstige Kapitalanlage zu schaffen und das Kapital nach zwölf Jahren wieder zur Verfügung zu stellen) eine so zentrale Bedeutung für das Zustandekommen des gesamten Vertrages, daû nicht angenommen werden kann, der Vertrag hätte auch ohne diese Bestimmungen weiter Bestand haben können (vgl. dazu MünchKommBGB/Mayer-Maly/Busche, 4. Aufl., § 143 Rdn. 11; Palandt /Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 142 Rdn. 1).
Gegen eine Anfechtung spricht auûerdem, daû jedenfalls noch bis einschlieûlich September 1998 die regelmäûigen Kapitalerhöhungen im Rahmen der vereinbarten Dynamisierung vorgenommen und die entsprechenden Jahresbeiträge des Klägers von der Beklagten eingezogen worden sind.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.