Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11

bei uns veröffentlicht am10.07.2012
vorgehend
Landgericht Stuttgart, 27 O 293/96, 30.07.2010
Oberlandesgericht Stuttgart, 10 U 106/10, 29.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 127/11
Verkündet am:
10. Juli 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen unfallbedingten Verletzungen
und Folgeschäden wegen einer Begehrensneurose ist es erforderlich, aber
auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung
geprägt sind.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll,
Wellner und Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. März 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger erlitt am 14. Dezember 1993 als Fahrer seines PKW einen Verkehrsunfall, für dessen Schadensfolgen der Beklagte zu 1 als Fahrer und die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach in vollem Umfang haften. Die Beklagte zu 2 zahlte auf die geltend gemachten materiellen Schäden 14.479,55 DM (7.403,28 €) und als Schmerzensgeld einen Betrag von 2.000 DM (1.022,58 €). Der Kläger begehrt weiteren Schadensersatz und macht geltend, er leide aufgrund der Unfallverletzungen fortwährend an Schmerzen und habe deshalb keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen können; ihm seien unfallbedingt unter anderem Verdienstausfall, ein Haushaltsführungsschaden, Kosten für medizinische Behandlung sowie Aufwendungen durch Scheidung seiner Ehe entstanden.
2
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 579.900,41 €, eines Schmerzensgeldes von 50.000 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage nach Einholung eines orthopädisch-traumatologischen Gutachtens, eines neurochirurgischen Gutachtens sowie eines psychosomatischen Gutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Höhe von 15.230,29 € nebst Zinsen stattgegeben (4.230,29 € für materielle und 11.000 € für immaterielle Schäden). Der Kläger nimmt die Klageabweisung hinsichtlich materieller Schäden aus dem Zeitraum bis zum 31. Dezember 1994 in Höhe von 20.825,44 € hin. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren im Übrigen weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger habe durch den Unfall eine Wirbelsäulenprellung mit Distorsion der Halswirbelsäule, die dem Grad I nach Erdmann entspreche, sowie Prellungen des Thorax und des Brustbeins erlitten. Eine Fraktur der Hals- und Brustwirbelsäule sei ebenso wenig eingetreten wie Bewusstlosigkeit oder eine Gehirnerschütterung. Eine durch den Unfall verursachte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sei auch nach dem für die haftungsausfüllende Kausalität geltenden reduzierten Beweismaß des § 287 ZPO nicht festzustellen. Bei dem Kläger habe sich unmittelbar nach dem Unfall allerdings eine akute Belastungsreaktion entwickelt. Es liege eine Anpassungsstörung vor, die nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten könne und durch depressive Stimmung, Angst oder Sorge und das Gefühl, mit alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen , gekennzeichnet sei. Daneben sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung eingetreten, deren Chronifizierung auf eine psychische Somatik hindeute. Ferner habe sich infolge des Unfalls eine dissoziative Störung der Bewegungs- und Sinnesempfindung entwickelt, die sich mit Symptomen wie der auffälligen Körperhaltung des Klägers, Ataxien (Störungen der Koordination von Bewegungsabläufen), Pelzigkeitsgefühlen sowie einer verstärkten Schmerzwahrnehmung äußere.
4
Die durch den Unfall ab dem Jahr 1995 eingetretenen Beschwerden seien den Beklagten jedoch schadensrechtlich nicht mehr zuzurechnen. Das vom Kläger erlittene Halswirbelsäulenschleudertrauma mit Prellungen gehe zwar über das Maß einer Bagatellverletzung hinaus, die durch ein grobes Missverhältnis zwischen einer im Alltagsleben typischen und häufig auftretenden Verletzung und der psychischen Reaktion gekennzeichnet sei. Die Zurechnung sei aber zu versagen, weil die Beschwerden auf einer Renten- oder Begehrensneurose beruhten. Diese zeichne sich dadurch aus, dass der Geschädigte den erlittenen Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nehme, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hai. hätten zunächst die somatoform-funktionelle Symptomatik und danach persönlichkeitsbedingte Faktoren im Vordergrund gestanden. Im ersten Jahr nach dem Unfall sei dem Unfallgeschehen etwa 60 % Einfluss auf die Beschwerden zuzuordnen und der Persönlichkeit etwa 40 %; ab dem zweiten Jahr würden die persönlichkeitsbedingten Faktoren überwiegen und etwa 90 % der Beschwerden und Funktionseinschränkungen bedingen. Da neurotische Fehlentwicklungen häufig nicht nur auf einer Ursache beruhten, sei es sachgerecht, schon dann den Zurechnungszusammenhang zum Unfallereignis abzulehnen, wenn der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrensvor- stellung geprägt, der Versorgungswunsch also der wesentliche ausschlaggebende Faktor gewesen sei. Dies sei dann der Fall, wenn - wie im Streitfall - 90 % des Krankheitsbildes durch eine Begehrensneurose verursacht würden.
5
Dem Kläger seien bis zum 31. Januar 1994 materielle Schäden in Höhe von insgesamt 4.230,29 € entstanden (76,69 € durch die Beschädigung einer Jacke, 894,24 € Aufwendungen im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen einschließlich Fahrtkosten, 940,16 € Verdienstausfall sowie ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 2.319,20 €). Als Schmerzensgeld sei für die zurechenbaren Verletzungsfolgen ein Betrag von insgesamt 12.000 € angemessen. Davon seien dem Kläger unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung noch 11.000 € zuzusprechen. Der Feststellungsantrag sei unbegründet , weil nach den vorgenannten Ausführungen dem Unfall zurechenbare Schäden nach dem 31. Dezember 1994 nicht mehr festzustellen seien. Der krankheitsbedingt verfallene Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 1993 und der krankheitsbedingt nicht entstandene Urlaubsanspruch für das Jahr 1994 begründeten keinen Schadensersatzanspruch, weil der Kläger hierdurch keine Vermögenseinbuße erlitten habe.

II.

6
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, für die ab dem Jahr 1995 eingetretenen Verletzungsfolgen fehle der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zur Haftung für psychische Folgeschäden.
8
a) Der haftungsrechtlich für eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verantwortliche Schädiger hat grundsätzlich auch für Folgewirkungen einzustehen, die auf einer psychischen Prädisposition oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen; für die Ersatzpflicht als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens genügt die hinreichende Gewissheit, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 343 f., 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, BGHZ 137, 142, 145; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90, VersR 1991, 704, 705; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, VersR 1997, 752, 753 und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, VersR 2004, 874;MünchKommBGB/ Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 191; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 39). Die Zurechnung von Folgeschäden scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalbeingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 345 und vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946).
9
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht die Zurechnung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Bagatellverletzung abgelehnt, was die Revision als ihr günstig hinnimmt. In Extremfällen scheitert die Zurechnung psychischer Folgeschäden , wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist, nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 146 ff.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO und vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96, VersR 1998, 200, 201;MünchKommBGB/ Oetker, aaO Rn. 192). Das Halswirbelschleudertrauma und die Prellung anderer Körperteile, die der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als unmittelbare Unfallfolge erlitten hat, hat das Berufungsgericht mit Recht als nicht geringfügig bewertet (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 349 und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, VersR 2004, 874; Schubert in Bamberger/Roth, BeckOK, BGB, § 249 Rn. 68 (Stand März 2011)).
10
c) Zutreffend sind auch die vom Berufungsgericht angenommenen rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer Begehrensneurose. Folgeschäden, die wesentlich durch eine Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind, können dem Schädiger nicht zugerechnet werden. Nach der Senatsrechtsprechung und einem Teil der Literatur scheidet eine Zurechnung des Folgeschadens für sogenannte Rentenoder Begehrensneurosen aus, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Geschädigte den Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten des Erwerbslebens auszuweichen (Senatsurteile vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, BGHZ 20, 137, 142; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 148; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, aaO; Erman/Ebert, BGB, 13. Aufl., vor § 249 Rn. 50; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn. 16, 223; NK-BGB/Magnus, 2. Aufl., vor § 249 Rn. 79; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 39; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rn. 135; vgl. ferner BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196 Rn. 38; a.A.: Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, Teilband 2, 8. Aufl., S. 173 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 140 f.; Staudinger/Schiemann, aaO Rn. 40 ff.; vgl. Brandt, VersR 2005, 616, 617 f.).
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Der erkennende Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. Der Ausschluss der Haftung für Schadensfolgen, die durch eine Begehrenshaltung wesentlich geprägt sind, soll kein vorwerfbares Verhalten des Geschädigten sanktionieren. Vielmehr soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Haftung des Schädigers nicht gerechtfertigt ist, wenn bei der Entstehung der Schadensfolgen die Existenz des Schadensersatzanspruchs als solcher eine entscheidende Rolle gespielt hat. Der Ausschluss der Haftung für solche Schadensfolgen , die durch eine Begehrensvorstellung entscheidend geprägt sind, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Zurechnung.
12
aa) Zwar beruhen psychische Beschwerden, auch wenn sie wesentlich durch eine Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind, äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen, wenn sie ohne dieses nicht oder nicht in dem erreichten Ausmaß aufgetreten wären. Diese sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung aber durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (BGH, Urteile vom 11. November 1999 - III ZR 98/99, VersR 2000, 370, 371 f. und vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421).
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bb) Auch für Schadensersatzansprüche, die auf § 823 Abs. 1 BGB beruhen , ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die äquivalent und adäquat kausal herbeigeführten Verletzungsfolgen, für die Ersatz begeht wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen, ob sich also Gefahren verwirklicht haben, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1958 - VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137, 139 f. und vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, BGHZ 107, 359, 364; BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, S. 1421 f.). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein rein äußerlicher, gewissermaßen zufälliger Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130 und vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, juris Rn. 14). So widerspricht es dem Sinn des Schadensausgleichs, durch Schadensersatzleistungen eine neurotische Begehrenshaltung, die auf der Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens beruht, zu verfestigen (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, aaO S. 142 f.). Ebenso widerspricht es dem Normzweck, wenn der Schädiger für Schadensfolgen aufkommen muss, die zwar äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen beruhen, bei denen aber ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund steht (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 149; MünchKommBGB/Oetker, aaO Rn. 190). In solchen Fällen realisiert sich das allgemeine Lebensrisiko und nicht mehr das vom Schädiger zu tragende Risiko der Folgen einer Körperverletzung (vgl. Senatsurteile vom 12. November 1985 - VI ZR 103/84, VersR 1986, 240, 242 und vom 16. März 1993 - VI ZR 101/92, VersR 1993, 589, 590).
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cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff der Unfall- oder Rentenneurose in medizinischen Fachkreisen abgelehnt wird (vgl. Foerster in Venzlaff/ Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 590; ders., MED SACH 1997, 44, 46; Köpp/Studt, FPR 1999, 81, 82; Murer/Kind/Binder, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1993, 121, 129 f.; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 57). Zwar ist eine Unfalloder Rentenneurose, wie auch der Sachverständige Dr. Hai. ausgeführt hat, keine eigenständige Krankheit. Die Rechtsprechung zielt aber auch nicht auf den Ausschluss einer bestimmten Krankheit, sondern auf eine Verneinung des Zurechnungszusammenhangs für Verletzungsfolgen, die auf einer Begehrenshaltung beruhen. Solche Begehrenshaltungen müssen ihre Ursache nicht in nur einer bestimmten Krankheit haben, sondern können aufgrund unterschiedlicher Umstände entstehen (vgl. Brandenburg, MED SACH 1997, 40; Köpp/Studt, aaO). Für die Beurteilung, ob eine neurotische Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, kommt es auf den Schweregrad des objektiven Unfallereignisses und seiner objektiven Folgen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. März 1993 - VI ZR 101/92, aaO), auf das subjektive Erleben des Unfalls und seiner Folgen (vgl. Dahlmann, DAR 1992, 325, 326), auf die Persönlichkeit des Geschädigten (vgl. Dahlmann, aaO S. 326 ff.) und auf eventuell bestehende sekundäre Motive an (vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44; Murer/Kind/Binder, aaO S. 140 ff.; Nedopil , Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 57; vgl. dazu auch schon Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, BGHZ 20, 137, 143).
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dd) Die Frage, ob Beschwerden entscheidend durch eine den Zurechnungszusammenhang ausschließende Begehrenshaltung geprägt werden, kann das Gericht in der Regel nicht ohne besondere Sachkunde beantworten. Bei der hierzu erforderlichen eingehenden Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, aaO) ist es daher von besonderer Bedeutung, dass sich der Tatrichter ärztlicher Gutachter bedient, die auf diesem Gebiet die erforderliche Spezialausbildung und Erfahrung haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO; Murer/Kind/Binder, aaO, 213, 215 ff.; Schneider/Frister/Olzen, Begutachtung psychischer Störungen, 2. Aufl. S. 390).
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2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beschwerden des Klägers ab dem Jahr 1995 entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Revision vermisst Feststellungen zu der Frage, ob bei der seelischen Fehlentwicklung des Klägers ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund stehe. Das Gutachten Dr. Hai. führe zwar aus, dass die Beschwerden des Klägers zu 90 % auf persönlichkeitsbedingten Faktoren beruhten. Dies allein schließe den Zurechnungszusammenhang nicht aus, denn die psychosomatischen Schadensfolgen, die auf der Persönlichkeit des Verletzten beruhten, seien eine Schadensanlage, die der Zurechnung nicht entgegenstehe (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 349).
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b) Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass nach dem Gutachten Dr. Hai., dem das Berufungsgericht folgt, das Beschwerdebild ab 1995 entscheidend durch eine Begehrenshaltung des Klägers geprägt wird. Die dieser Erkenntnis zugrundeliegenden medizinischen Befundtatsachen folgert der Sachverständige nicht ausschließlich aus der persönlichkeitsbedingten Disposition des Klägers zur Entwicklung solcher Störungen. Vielmehr setzt sich das Gutachten mit der objektiven Schwere der Unfallverletzungen und deren Erleben durch den Kläger auseinander. Es beschäftigt sich eingehend mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und seinen sekundären Motiven. Es legt dar, woran es eine beim Kläger bestehende Begehrenshaltung festmacht, und liefert die tatsächliche Grundlage für die nicht zu beanstandende Wertung, dass angesichts der Unfallverletzungen, des Unfallerlebnisses und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers die ab 1995 eingetretenen Beschwerden entscheidend durch eine Begehrenshaltung geprägt wurden.
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Das Berufungsgericht führt aus, der Sachverständige Dr. Hai. habe dargelegt , dass die Begehrenshaltung ab dem zweiten Jahr nur noch einen eher äußeren Bezug zu dem Unfall aufgewiesen habe, da das Unfallgeschehen zum Anlass genommen werde, einen Ausgleich für die durch das Störungsbild erlebten Verluste zu erhalten. Bei der Untersuchung des Klägers habe Dr. Hai. zwar keine Simulation, wohl aber eine deutliche Diskrepanz der subjektiven Be- schwerdebeschreibung zu den körperlichen Beeinträchtigungen festgestellt, was für eine Begehrensneurose typisch sei. In der Untersuchung habe sich gezeigt , dass bei der Aufrechterhaltung des Beschwerdebildes das Motiv der Wiedergutmachung und der Gerechtigkeit eine große Rolle spiele. Die Person und der Alltag des Klägers seien, was biographisch ableitbar sei, schon vor dem Unfall einerseits von dem unbewussten Wunsch nach Sicherheit und Versorgung sowie andererseits nach Anerkennung geprägt gewesen. Diese Determinierung lasse die Entwicklung einer Begehrensneurose im Anschluss an das Unfallgeschehen und damit die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Hai. plausibel erscheinen. Diese werde gestützt durch das Verhalten des Klägers gegenüber weiteren Sachverständigen und deren Feststellungen. So seien in verschiedenen Gutachten Übertreibungen, Verdeutlichungstendenzen, vorgetäuschte Beschwerden, eine chronifizierte psychische Fehlhaltung und eine Rentenfixierung dokumentiert. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts , bei dem Kläger liege eine Begehrensneurose vor, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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3. Auch die weiteren Rügen, mit denen sich die Revision gegen die Ablehnung des Zurechnungszusammenhangs wendet, greifen nicht durch.
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a) Entgegen der Ansicht der Revision kann der Zurechnungszusammenhang für später eingetretene Folgeschäden auch dann verneint werden, wenn sie sich aus Beschwerden entwickelt haben, die zunächst überwiegend dem Unfallgeschehen zuzurechnen sind, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt - einem nicht ungewöhnlichen Verlauf entsprechend - wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sind.
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Sind Schadensfolgen wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt, entfällt - wie ausgeführt - der Schutzzweckzusammenhang. Das Erfordernis des Schutzzweckzusammenhangs besteht nicht nur für die Primärverletzung, sondern auch für den haftungsausfüllenden Tatbestand (Palandt/Grüneberg, aaO Rn. 29; Lange/Schiemann, Schadensersatz, aaO, S. 125 f.). Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass der Schutzzweckzusammenhang für von einem bestimmten Zeitpunkt an eingetretene Schadensfolgen zu verneinen ist, selbst wenn sie auf einem gewöhnlichen Verlauf einer psychischen Störung - hier der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung - beruhen. Nahezu jeder Unfall beinhaltet ein Unfallerlebnis, das verarbeitet werden muss. Diese Verarbeitung kann unterschiedlich gut gelingen; misslingt sie, können beim Unfallgeschädigten psychische Beschwerden unterschiedlicher Intensität und Dauer auftreten (vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44). Die Schadensfolgen können entscheidend durch eine Begehrenshaltung geprägt sein. Sie müssen nicht von Anfang an wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sein; die Begehrenshaltung kann sich - wie auch hier - im weiteren Verlauf verstärken, bis sie schließlich prägend im Vordergrund steht. Das Berufungsgericht hat den Zeitpunkt, ab dem die Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den 1. Januar 1995 festgelegt.
23
b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht einen auf einer Begehrenshaltung beruhenden Anteil von 90 % der Schadensfolgen ausreichen lässt, um die Schadensersatzpflicht für die ab dem Jahr 1995 bestehenden Beschwerden in vollem Umfang zu verneinen.
24
aa) Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs ist es erforderlich , aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind. Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 16. November 1999 (- VI ZR 257/98, VersR 2000, 372, 373 unter II. 2. b) bb)), in dem von einer "reinen" Begehrensneurose die Rede ist. Diese Formulierung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Ausschluss der haftungsrechtlichen Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer prägend im Vordergrund stehenden Begehrenshaltung nur dann möglich ist, wenn sie die einzige Ursache des Beschwerdebildes ist. Eine alleinige Ursache für eine Begehrenshaltung wird schon deswegen kaum jemals auszumachen sein, weil psychoreaktive Symptome nach äußeren Ereignissen immer aus einem Geflecht verschiedener Ursachen bestehen (Foerster in Venzlaff/ Foerster, aaO S. 680; vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 150 f.; G. Müller, VersR 1998, 129, 133). Der für die hier zu beurteilende Zurechnung maßgebliche Gesichtspunkt ist daher, ob der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrenshaltung geprägt wird (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 150). Dabei handelt es sich um eine Wertungsfrage, die, wie vorstehend dargelegt, auf der Grundlage von - regelmäßig nach sachverständiger Beratung - zu treffenden Feststellungen zu den bestehenden Beschwerden, den primären Unfallverletzungen und ihren Folgen, dem Unfallerlebnis, der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen und eventuellen sekundären Motiven vorzunehmen ist. Im Einzelfall kann die Wertung schon dann eine das Beschwerdebild prägende Begehrenshaltung ergeben, wenn - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - 90 % des Krankheitsbildes auf eine Begehrenshaltung zurückzuführen ist.
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bb) Dass das Berufungsgericht die Haftung für die ab dem zweiten Jahr nach dem Unfall bestehenden Beschwerden in vollem Umfang verneint hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das OLG Schleswig (Urteile vom 2. Juni 2005 - 7 U 124/01, OLGR 2006, 5, 7 und vom 6. Juli 2006 - 7 U 148/01, NJW-RR 2007, 171, 172 f.) bei einer auf einer Prädisposition beruhenden endgültigen Fehlverarbeitung eines Unfallgeschehens eine anteilige Anspruchskürzung vor (vgl. dazu auch G. Müller, aaO S. 134). Eine solche kommt hier aber auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht. Hier geht es - anders als bei einem Mitver- schulden im Sinne von § 254 BGB - nicht um eine Abwägung der Verursachungsbeiträge , sondern um eine Frage des Schutzzweckzusammenhangs. Sind die Schadensfolgen entscheidend durch eine Begehrensvorstellung geprägt , rechtfertigt dies, die Haftung in vollem Umfang zu verneinen, weil gerade die maßgebliche Ursache in dem neurotischen Streben nach Versorgung besteht.
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4. Auch die Verfahrensrügen verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
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a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe entgegen § 286 ZPO beim Ausschluss der vom Kläger unter Vorlage der Privatgutachten Dr. E. und Dr. R. behaupteten Fraktur des Dens axis (Dorn des zweiten Halswirbels) nicht alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ausgeschöpft. Sie macht geltend , der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. M. habe die Röntgenbilder des Dens axis unzureichend begutachtet. Im Schriftsatz vom 17. Mai 2004 habe der Kläger kritisiert, dass der Sachverständige von seinem Fachgebiet her nicht qualifiziert sei, einen Bruch des Dens axis auszuschließen; die Begutachtung der Röntgenaufnahme sei in unzureichender Weise durch eine Stehlampe oder Schreibtischlampe erfolgt, obwohl hierfür ein Lichtkasten erforderlich sei.
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Das Berufungsgericht hat sich jedoch ausreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt und die Privatgutachten bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigt. Das Berufungsgericht stellt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf ab, dass das radiologische Privatgutachten Dr. R. aufgrund einer am 29. Dezember 2004 gefertigten CT-Aufnahme lediglich die Möglichkeit einer alten Fraktur annehme, wohingegen ein Bruch bei der Untersuchung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem mehr als zehn Jahre zuvor geschehenen Unfall nicht diagnostiziert worden sei, obwohl im Kreiskrankenhaus B. eine Spezialaufnahme des Dens axis gerade zum Ausschluss einer Fraktur gefertigt worden sei. Auch die Röntgenuntersuchungen und die Kernspintomographie , die im Rahmen der ebenfalls in größerer zeitlicher Nähe zum Unfall erstellten Begutachtung durch Prof. Dr. Har. erfolgten, haben nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte für einen Bruch ergeben. Dass Prof. Dr. Har. als Orthopäde nicht über die zur Beurteilung knöcherner Verletzungen aufgrund von Röntgenaufnahmen erforderliche Sachkunde verfüge, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.
29
Eine erneute Begutachtung des Dens axis unter Heranziehung der CTAufnahmen und von früher gefertigten Röntgenaufnahmen war unter den besonderen Umständen des Streitfalls entbehrlich. Das Berufungsgericht durfte das prozessuale Vorgehen des Klägers als stillschweigenden Verzicht auf eine erneute Begutachtung verstehen. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat in seinem Schreiben vom 4. Juni 2004 mitgeteilt, dass er ohne Vorlage eines Dünnschicht -CTs mit Rekonstruktionen nichts Neues sagen könne, und eine ergänzende Begutachtung von der Vorlage aller Röntgenaufnahmen und des CTs abhängig gemacht. In der Folgezeit ist der Kläger darauf nicht mehr zurückgekommen. Nach Vorliegen des psychosomatischen Gutachtens von Dr. Hai. haben beide Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2006 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Weder in der mündlichen Verhandlung noch in den nachfolgend eingereichten Schriftsätzen hat der Kläger die Frage einer erneuten Begutachtung durch Prof. Dr. M. angesprochen. Auch in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25. Juni 2010 hat er sein früheres Anliegen nicht mehr vorgebracht. Da der Kläger auch zur Frage der Übermittlung der Aufnahmen an den Sachverständigen nicht mehr Stellung genommen hat, durfte das Berufungsgericht unter den besonderen Umständen des Falles davon ausgehen, dass er seine sechs Jahre zuvor erhobenen Bedenken gegen die Begutachtung nicht aufrechterhalte (vgl.
BGH, Urteile vom 28. Mai 1998 - VI ZR 160/97, VersR 1998, 776 und vom 14. Januar 2010 - III ZR 173/09, VersR 2010, 814 Rn. 21).
30
b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe das Privatgutachten von Prof. Dr. C. nicht ausreichend gewürdigt. Es habe, ohne die eigene Sachkunde aufzuzeigen, den unzutreffenden Erfahrungssatz aufgestellt, dass derjenige, der ein Fahrzeug auf sich zukommen sehe, aber dennoch damit rechne, der Fahrer könne seine Fahrtrichtung noch korrigieren, nicht dergestalt überrascht werden könne, dass muskuläre Abwehrmechanismen unterlaufen würden.
31
Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wird den Anforderungen des § 286 ZPO jedoch gerecht, insbesondere verstößt sie nicht gegen Denkund Erfahrungssätze. Das Berufungsgericht hat sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. C. auseinandergesetzt. Dieser nimmt an, dass die muskulären Abwehrmechanismen im Augenblick unmittelbar vor dem Aufprall "wohl" unterlaufen worden seien. Der Privatgutachter geht deshalb davon aus, dass das Trauma ein "Kopfhalteorgan" getroffen habe, welches nicht auf Abwehr eingestellt gewesen sei. Aufgrund der polizeilichen Unfallaufnahme und der polizeilichen Zeugenvernehmung des Klägers hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Unfall für den Kläger nicht überraschend war. Es hat dargelegt, dass das Privatgutachten diesen Umstand nicht berücksichtigt habe, und ist deshalb bei der Feststellung der unmittelbaren unfallbedingten körperlichen Verletzungen rechtsfehlerfrei dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Har. gefolgt. Mithin hat sich das Berufungsgericht weder eigene Sachkunde angemaßt noch unzutreffende Erfahrungssätze aufgestellt, sondern lediglich eine Anknüpfungstatsache anders als der Privatgutachter beurteilt. Es hat zudem darauf hingewiesen , dass sich auch der neurologische Sachverständige Prof. Dr. M., dem das Privatgutachten von Prof. Dr. C. vorlag, mit dieser Frage beschäftigt habe und der gerichtliche Sachverständige klinische Anzeichen für eine Instabilität und Verletzungsfolgen im Bereich des Übergangs zwischen Kopf und Hals nicht habe feststellen können.
32
c) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht an die Feststellungen des Landgerichts gebunden gesehen, soweit dieses eine posttraumatische Belastungsstörung auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens Dr. Hai. verneint habe. Die Revision vermisst insoweit eine kritische Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. B.. Sie sieht einen Widerspruch in der Verneinung einer zur Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderlichen Situation ungewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes zu der vom Berufungsgericht bejahten akuten Belastungsreaktion, weil auch das Gutachten Dr. Hai. davon ausgehe, dass der Kläger sich nach dem Unfall "emotional wie betäubt" gefühlt und unter Schock gestanden habe.
33
Das Berufungsgericht hat jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ohne Verstoß gegen § 287 Abs. 1, § 286 Abs. 1 ZPO eine posttraumatische Belastungsstörung verneint und sich dabei hinreichend mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. B. auseinandergesetzt. Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1) entsteht nach den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Kriterien des ICD10 als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (Dilling/Freyberger, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 5. Aufl., S. 173 f.). Demgegenüber erfordert eine akute Belastungsreaktion (ICD10: F43.0) lediglich eine außergewöhnliche psychische oder physische Belastung (Dilling/Freyberger , aaO S. 171 f.); der Betroffene muss also nicht, anders als bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß ausgesetzt sein, die bei nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Deshalb erfüllt das Unfallerlebnis nach den Feststellungen der Vorinstanzen zwar die diagnostischen Kriterien einer akuten Belastungsreaktion, nicht jedoch diejenigen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der von der Revision behauptete Widerspruch besteht demnach nicht.
34
5. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht dem Kläger zu Recht keinen Schadensersatz für krankheitsbedingt verfallenen oder nicht entstandenen Urlaub zugesprochen. Einen Vermögensschaden hat der Kläger durch entgangenen Urlaub nicht erlitten. Galke Zoll Wellner Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 30.07.2010 - 27 O 293/96 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 29.03.2011 - 10 U 106/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11 zitiert 5 §§.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 98/18 vom 6. Juni 2019 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2; GOÄ Nummer 5855 a) Der Umstand, dass der gerichtlich bestellte Sachverständig

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 138/03 Verkündet am:
16. März 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besteht bei zwei voneinander unabhängigen Schadensfällen (hier: HWSVerletzungen
) der Beitrag des Erstunfalls zum endgültigen Schadensbild nur darin,
daß eine anlagebedingte Neigung des Geschädigten zu psychischer Fehlverarbeitung
geringfügig verstärkt wird, so reicht das nicht aus, um eine Haftung des
Erstschädigers für die Folgen des Zweitunfalls zu begründen (Ergänzung zum Senatsurteil
vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200).
BGH, Urteil vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - OLG Bremen
LG Bremen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 1. April 2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer und dem Beklagten zu 2 als Halter und Fahrer eines PKW Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 18. Februar 1990. Die volle Haftung der Beklagten für den vom Beklagten zu 2 verursachten Auffahrunfall steht außer Streit. Am 12. Juni 1992 wurde der Kläger in einen weiteren Verkehrsunfall verwickelt. Der Kläger behauptet, nachdem er bereits durch den Erstunfall ein HWSSchleudertrauma mit einer Veränderung der Halswirbelsäule und psychischen Folgeschäden erlitten habe, sei es durch den gleichartigen Zweitunfall zu einer Verschlimmerung seines dauerhaften Leidens gekommen mit der Folge, daß alle Beschwerden und Funktionsstörungen über das übliche Maß eines Cervi-
cal-Syndroms hinausgingen und in vollem Umfang dem Erstunfall anzulasten seien. Die Beklagte zu 1 hat vorprozessual Sachschäden des Klägers ausgeglichen und ein Schmerzensgeld von 2000 DM bezahlt. Mit seiner Klage hat der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 6.000 DM sowie einen weiteren Verdienstausfallschaden für die Zeit vom Unfalltag bis einschließlich 1992 in Höhe von 112.600 DM und weiterer 238.000 DM für die Folgezeit bis 1998 geltend gemacht und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Sachschäden beantragt. Das Landgericht hat nach Erlaß eines Teilanerkenntnisurteils , mit dem die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller Schäden aus dem Erstunfall festgestellt wurde, dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 1000 DM zugebilligt und Ersatz von Erwerbsschaden von 5.000 DM für eine Ausfallzeit von ca. 6 Wochen nach dem Erstunfall zuerkannt. Mit seiner Berufung hat der Kläger den in erster Instanz geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch (von mindestens 6.000 DM) weiter verfolgt sowie den Ersatz eines Verdienstausfallschadens in Höhe von monatlich 3.100 DM für die Zeit vom 1. April 1990 bis einschließlich 31. März 1991 und 1.550 DM monatlich für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 14. Februar 1993 und vom 16. April 1993 bis 31. Dezember 1998 geltend gemacht. Außerdem hat er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für materielle Zukunftsschäden beantragt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers nur wegen weiterer 1000 € Schmerzensgeld für begründet erachtet. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren mit Ausnahme des Feststellungsanspruchs weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung abgedruckt ist in RuS 2003, 477 (ebenso in OLGR Bremen 2003, 385), haben die Beklagten für die bis April 1991 eingetretenen Folgen des Erstunfalls einzustehen. Der Kläger habe bei dem Erstunfall eine leichte Beschleunigungsverletzung erlitten. Die organischen Beeinträchtigungen hätten zu einer ca. sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit geführt. Zudem sei der Kläger aufgrund einer unfallbedingten psychischen Störung in Form eines Schleudertrauma-Syndroms bis zur Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit am 1. April 1991 arbeitsunfähig gewesen , nicht aber darüber hinaus. Dies rechtfertige ein weiteres Schmerzensgeld von 1000 €. Ausreichende Tatsachen für die Bemessung eines Verdienstausfallschadens in diesem Zeitraum habe der Kläger nicht dargetan. Spätere nach dem Zweitunfall vom 12. Juni 1992 eingetretene Verletzungsfolgen seien den Beklagten nicht zuzurechnen. Der Sachverständige Prof. Dr. R. habe einerseits eine symptomfreie Abheilung der Folgen des Erstunfalls vor dem Zweitunfall angenommen, andererseits sei er von einer Restsymptomatik sowie davon ausgegangen, daß die Folgen des zweiten Unfalls den Kläger die alten Beschwerden in Form einer "Reinszenierung" in verstärkter Ausprägung erleben ließen. Bei seiner mündlichen Anhörung habe der Sachverständige dies dahin präzisiert, daß durch den Erstunfall die allgemein anlagebedingt vorhandene Vulnerabilität des Klägers in relativ geringem Umfang gesteigert und akzentuierter geworden sei und der Erstunfall, wenn auch nicht gleichwertig, das Verhalten des Klägers nach dem zweiten Schadensereignis geprägt habe, weil er auf das weitere Ereignis infolge des vorausgegangenen Geschehens und unter Umständen auch nach dem Schema der Reaktion im Anschluß an den ersten Unfall reagiert habe. Es seien also nicht die Beschwerdesymptomatik
und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem Erstunfall beim Zweitunfall noch vorhanden gewesen und durch das Schadensereignis verstärkt worden; erhöht worden sei vielmehr, wenn auch relativ geringfügig, die allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas. Eine solche lediglich in der Erhöhung der Vulnerabilität liegende Fortwirkung des Erstunfalls könne - so das Berufungsgericht - nicht mehr als Mitursache den psychischen Folgen eines weiteren Unfalls zugerechnet werden.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand 1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Beklagten auch für die psychischen Folgeschäden der vom Kläger durch den Unfall vom 18. Februar 1990 primär erlittenen HWS-Verletzung grundsätzlich haftungsrechtlich einzustehen haben.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt sich die Ersatzpflicht des für einen Körper- oder Gesundheitsschaden einstandspflichtigen Schädigers grundsätzlich auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses (siehe Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.; vom 2. Oktober 1990 - VI ZR 353/89 - VersR 1991, 432; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90 - VersR 1991, 704, 705; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 - VersR 1997, 752, 753; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201 und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373). Dies gilt auch für eine psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens , wenn eine hinreichende Gewißheit besteht, daß diese Folge ohne
den Unfall nicht eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.; 137, 142, 145 m.w.N.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 – aaO und vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862).
b) Vorliegend ist die Primärverletzung, als deren Folge die psychische Beeinträchtigung geltend gemacht wird, keine für die Begründung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs unzureichende Bagatelle. Eine Bagatelle im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine vorübergehende , im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigung des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens. Damit sind Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrukken , weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 146 f.; Senatsurteile vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 -; vom 11. November 1997 -VI ZR 146/96 - und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO). Das vom Kläger erlittene HWS-Schleudertrauma, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund der organischen Beeinträchtigungen führte, geht darüber hinaus. Solche Verletzungen sind für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensereignis verbunden.
c) Auch eine - den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang ausschließende - Renten- oder Begehrensneurose, bei der der Geschädigte den Unfall im neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlaß nimmt, um den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (vgl. BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 148 f.; Senats- urteile
vom 12. November 1985 - VI ZR 103/84 -; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 -; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO), kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht.
d) Soweit es das Berufungsgericht gleichwohl ablehnt, auch die nach dem Zweitunfall aufgetretenen Verletzungsfolgen dem Erstunfall zuzurechnen, erweist sich dies auf Grundlage der getroffenen Feststellungen jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Der Senat hat bereits mehrfach zu der Frage Stellung genommen, wann bei zwei aufeinander folgenden Unfällen eine Haftung des Erstschädigers für den Zweitunfall in Betracht kommt. Danach können unter bestimmten Umständen dem Erstschädiger die Folgen eines späteren Unfalls zugerechnet werden, wenn der Erstunfall sich auf das endgültige Schadensbild in relevanter Weise ausgewirkt hat. Dies hat das Berufungsgericht verneint, ohne daß die Revision gegen die zugrundeliegenden Feststellungen Einwendungen erhoben hat. Die getroffenen Feststellungen tragen jedenfalls im Ergebnis die rechtliche Beurteilung. Zwar trifft es zu, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die haftungsausfüllende Kausalität nicht schon dann entfällt, wenn ein weiteres Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalls im Zeitpunkt des zweiten Unfalls bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu den nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat oder ob sie noch nicht ausgeheilt waren (vgl. Senatsurteile vom 5. November 1996 - VI ZR 275/95 - VersR 1997, 122, 123; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - was die Revision nicht angreift - aufgrund des Sachverständigengut-
achtens die Feststellung getroffen, daß nicht die Beschwerdesymptomatik und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem ersten Unfall beim zweiten Unfallgeschehen noch vorhanden waren und durch das neue Schadensereignis verstärkt wurden, sondern lediglich die bereits vorhandene allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas relativ geringfügig erhöht worden ist. Der Erstunfall hat mithin nicht wie in dem der Senatsentscheidung vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – (aaO) zugrunde liegenden Fall die Schadensanfälligkeit des Klägers erst geschaffen, sondern nur die allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen verstärkt, für die der Schädiger grundsätzlich nicht einzustehen hat (vgl. BGHZ 137, 142, 148). Dies reicht – wie das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalles zutreffend angenommen hat – nicht aus, um den erforderlichen haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und den Folgen des Zweitunfalls zu begründen. Ein derart geringfügiger Beitrag zum endgültigen Schadensbild kann es bei der für die Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht rechtfertigen, den Erstschädiger auch für die Folgen des Zweitunfalls haften zu lassen. 2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung weiteren Ersatzes eines Verdienstausfallschadens für die Zeit bis zum zweiten Unfall wendet. Das Berufungsgericht hat - entgegen der Auffassung der Revision - bei der Beurteilung der Darlegungslast des Klägers die durch §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 Satz 2 BGB gewährten Erleichterungen nicht verkannt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bedarf es bei selbständig Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (Senatsurteile vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91 - VersR 1992, 973; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 -
VersR 1993, 1284, 1285; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - VersR 1997, 453, 454; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - VersR 1998, 772, 773; vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - NJW 2001, 1640, 1641).
b) Das Berufungsgericht geht dabei im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon aus, daß sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen verlangen. aa) Für die Schadensschätzung nach diesen Vorschriften benötigt der Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines bestimmten Sachverhalts sagen läßt, wie sich die Dinge ohne das Schadensereignis weiterentwickelt hätten. Die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung wahrscheinlich machen, muß der Kläger im einzelnen darlegen und beweisen. Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO läßt eine völlig abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens , auch in Form der Schätzung eines "Mindestschadens" nicht zu (vgl. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 53 ff.; vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 - VersR 1988, 466, 467; vom 15. März 1988 - VI ZR 81/87 - VersR 1988, 837; vom 16. Oktober 1990 - VI ZR 275/89 - VersR 1991, 179; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 - aaO; vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - VersR 1995, 422, 424; vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469, 470). bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht die Angaben des Klägers zur Aufnahme einer Tätigkeit als Assekuranzmakler kurz vor dem Unfallgeschehen vom Februar 1990 als unzureichend zur Feststellung eines Verdienstausfallschadens angesehen. Der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag erschöpft sich in der Mitteilung, der Kläger habe sich kurz vor dem Unfallereignis selbständig gemacht und seine selbständige Tätigkeit
sei im Aufbau begriffen gewesen. Dieses pauschale Vorbringen läßt eine Prognose nicht zu. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, daß auch nicht dargelegt sei, welches Einkommen der Kläger in den letzten Jahren vor dem Erstunfall erzielt habe, und keine Unterlagen über sein Einkommen aus einer Tätigkeit als Handelsvertreter in den Jahre 1985 bis 1989, welche als Schätzgrundlagen hätten dienen können, vorgelegt worden seien, stellt die Revision nicht durchgreifend in Frage, etwa indem sie Verfahrensfehler aufzeigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorbringen des Klägers, welches sich auf die Jahre 1976 bis 1979 beziehe, liege als Schätzungsgrundlage zu weit zurück, ist unter den Umständen des Streitfalles rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Ist der Erwerbsschaden eines selbständig Tätigen festzustellen , so wird es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (vgl. die Senatsurteile vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95; vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle aaO). Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich dabei nicht aufstellen. Es muß vielmehr dem Tatsachengericht im Rahmen des § 287 ZPO überlassen bleiben, den nach den jeweiligen Umständen des Falles erforderlichen Prüfungsrahmen zu bestimmen (Senat, Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - aaO). Die Revision zeigt keine Umstände auf, die es geboten erscheinen lassen, das Vorbringen des Klägers zu lange zurückliegenden Zeiträumen vor dem Schadensereignis zu berücksichtigen.
Der Vortrag zur erfolglosen Gründung einer GmbH im Jahre 1993 nach dem zweiten Unfall bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung einer hypothetischen Geschäftsentwicklung. In diesem Zusammenhang hilft der Revision auch nicht der Hinweis, der Kläger habe unter Beweisantritt vorgetragen , daß das übliche Geschäftsführergehalt für einen Versicherungsmakler mindestens 156.000 DM jährlich betragen habe und er vor dem Verkehrsunfall als Versicherungsmakler tätig gewesen sei. Rückschlüsse auf das Einkommen des Klägers als selbständiger Versicherungsmakler vor dem Unfall lassen sich aus dem Durchschnittsgehalt eines GmbH-Geschäftsführers bereits deshalb nicht ziehen, weil die Revision weder konkreten Sachvortrag des Klägers zu Einzelheiten der GmbH-Gründung noch dazu aufzeigt, daß die Verdienstmöglichkeiten vergleichbar waren. Selbst wenn man die Tätigkeit des Versicherungsmaklers derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers im Hinblick auf die Erwerbsmöglichkeiten gleichstellen wollte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Unternehmer kann seinen Schaden nicht abstrakt in Höhe des Gehalts einer gleichwertigen Ersatzkraft geltend machen. Denn der zu ersetzende Schaden liegt nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher, sondern setzt voraus, daß sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sich im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat (vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 49 ff.; 90, 334, 336; vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91 - und vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - beide aaO).
c) Schließlich begegnet es unter den Umständen des Streitfalles auch keinen rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht aus der Geschäftsentwicklung der Assekuranztätigkeit des Klägers nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ab April 1991 keine Anhaltspunkte für die Schätzung des zu erwartenden Gewinns aus der vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsmakler entnommen hat.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen zwar im allgemeinen sowohl für die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbständigen (Urteil vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - und vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle aaO) als auch in den Fällen, in denen die berufliche Laufbahn des Geschädigten noch am Anfang war, bei der Schätzung des Verdienstausfalls keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 - aaO; vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96 - VersR 1998, 770, 772). Zur Feststellung der Grundlagen für die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit des Geschädigten ohne das Unfallereignis ist deshalb grundsätzlich nicht nur auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses abzustellen. Die Situation im Unfallzeitpunkt ist lediglich einer der Prognosefaktoren für die künftige Entwicklung. Bei der Prognose muß der Tatrichter als weitere Faktoren regelmäßig auch Erkenntnisse aufgrund von Entwicklungen einbeziehen, die sich erst nach dem Unfallereignis bis zur letzten mündlichen Verhandlung ergeben haben (Senat, Urteil vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - aaO m.w.N.; Senat, Urteil vom 27. Oktober 1998 - VI ZR 322/97 - VersR 1999, 106, 107). bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht mißachtet, wenn es ausführt, die vom Kläger vorgelegte Gewinnermittlung für den Zeitraum vom 1. April 1991 bis zum 31. Dezember 1991 lasse nicht mit ausreichender Gewißheit darauf schließen, welcher Tätigkeit er vor dem Unfall tatsächlich nachgegangen sei und welches Einkommen er infolgedessen nach dem Unfall voraussichtlich gehabt hätte. Denn der Kläger hatte selbst behauptet, bereits in den Jahren vor dem Erstunfall einer Tätigkeit als Handelsvertreter und selbständiger Assekuranzmakler nachgegangen zu sein. Gleichwohl hat er - trotz einer entsprechenden
Auflage des Berufungsgerichts - keine Unterlagen über diese Tätigkeit eingereicht , die als ausreichende Schätzungsgrundlagen hätten dienen können. Unter diesen Umständen war es nicht rechtsfehlerhaft, daß sich das Berufungsgericht im Rahmen des § 287 ZPO keine Überzeugung darüber bilden konnte, daß die Verdienstmöglichkeiten nach dem 1. April 1991 mit denen des davorliegenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit vergleichbar waren.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 175/04 Verkündet am:
19. April 2005
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch eine Beweiswürdigung nach § 287 ZPO kann vom Revisionsgericht (wie bei
Anwendung des § 286 ZPO) lediglich darauf überprüft werden, ob sich der Tatrichter
mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei
auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich
ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze verstößt.
Die Annahme eines Ursachenzusammenhangs erfordert im zivilen Haftungsrecht
auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht die Feststellung einer
richtunggebenden Veränderung, vielmehr reicht schon eine bloße Mitverursachung
aus, um einen Ursachenzusammenhang zu bejahen.
BGH, Urteil vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 15. April 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Klägers entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der im Jahre 1970 geborene Kläger war Student. Er wurde 1991 überfallen und ist seitdem querschnittgelähmt. Trotz seiner Behinderung nahm er 1992 das Studium der Umwelttechnik wieder auf. Nach einem bestandenen Sprachtest beabsichtigte er, das Studium in den USA fortzusetzen. Am 17. Januar
1995 erlitt er einen Verkehrsunfall, für den die Beklagte dem Grunde nach in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Der Kläger macht geltend, seine Gesamtverfassung habe sich unfallbedingt erheblich verschlechtert und er könne u.a. wegen einer erheblichen Verminderung der groben Kraft von Muskelgruppen in den Armen, die von der Querschnittlähmung nicht betroffen seien, erforderliche Lagewechsel seit dem Unfall nicht mehr ohne Hilfe anderer ausführen. Er begehrt über die vorprozessual gezahlten 1.500 DM Schmerzensgeld hinaus ein weiteres Schmerzensgeld , das er in das Ermessen des Gerichts stellt, das aber mindestens 30.000 DM betragen solle. Ferner macht er eine Kapitalabfindung, hilfsweise eine indexierte Rente wegen erhöhten Pflegebedarfs geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle ihm infolge des Unfalls künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden. Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines weiteren Schmerzensgeldes von 1.500 DM sowie wegen eines erhöhten Pflegebedarfs für die Dauer von sechs Monaten nach dem Unfall stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Kammergericht die Beklagte verurteilt, über den vorprozessual bezahlten Betrag von 1.500 DM hinaus weitere 1.766,94 € Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen, die Klage im übrigen aber abgewiesen und die weitergehenden Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, es stehe fest, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 17. Januar 1995 eine Distorsion der Halswirbelsäule leichteren bis höchstens mittleren Grades erlitten habe. Der Kläger habe nämlich bereits unmittelbar nach dem Unfall über typische Beschwerden, insbesondere über starke Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich und ein Schwindelgefühl geklagt und sich deshalb unter Einhaltung verordneter Bettruhe ärztlich behandeln lassen. Ein solches Verhalten des Klägers, der vor dem Unfall sein Leben soweit wie möglich trotz seiner Behinderung aktiv selbst gestaltet habe, erscheine ohne unfallbedingte Beschwerden wenig plausibel. Auch der orthopädische und der neurologisch-psychiatrische Sachverständige hätten die Überzeugung von einer unfallbedingten Halswirbelsäulen-Distorsion gewonnen, die bei der Vorschädigung des Klägers auch bei einer nur geringen Differenzgeschwindigkeit von 5 bis 8 km/h habe eintreten können. Das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld sei allerdings nur um 1.000 € höher als vom Landgericht zu bemessen. Darüber hinausgehende Forderungen des Klägers seien nicht berechtigt. Das Berufungsgericht habe sich auch unter Anwendung des § 287 ZPO nicht davon überzeugen können, daß der Verkehrsunfall zu einem anhaltenden Dauerschaden des Klägers geführt habe. Vielmehr habe der Kläger lediglich bis zur Dauer von zwei Jahren in abnehmendem Maße unter Folgen der unfallbedingten HalswirbelsäulenDistorsion gelitten, wie aus dem Gutachten des orthopädischen Sachverständigen W. folge. Auch der Sachverständige H. habe in seinem neurologischpsychiatrischen Gutachten ausgeführt, daß der Zeitraum mit unfallbedingten Beschwerden des Klägers zwar länger sei als gewöhnlich, man aber davon
ausgehen müsse, daß nach zwei Jahren keine unfallbedingten Folgen mehr verblieben seien. Eine dauerhafte Beeinträchtigung des Klägers im Sinne einer richtunggebenden Verschlechterung des Zustandes nach Querschnittlähmung sei nicht zu begründen und nicht nachzuweisen, weil die Querschnittlähmung nicht fortschreiten könne. Die vom Kläger als Unfallfolge angesehenen Beschwerden wie insbesondere ein Kräfteverlust in den Armen, Kopfschmerzen und hierdurch bedingte Konzentrationsstörungen seien typische Erscheinungen bei einer Querschnittlähmung im Wirbelbereich C 6. Auch habe der Sachverständige H. den Grad der Wahrscheinlichkeit, zu dem die Beschwerden des Klägers organisch auf den Unfall zurückzuführen seien, gegen Null bewertet. Die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO für die Einholung weiterer Gutachten , wie vom Kläger beantragt, seien nicht gegeben. Daß der Kläger nach Ansicht des Sachverständigen H. den Überfall im Jahre 1991 nicht richtig verarbeitet habe und deshalb in dem Unfall vom 17. Januar 1995 die Ursache für sein Schicksal suche, könne eine Haftung der Beklagten nicht begründen. Symptome für eine durch den Verkehrsunfall ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung fehlten nämlich. Eine bloße Fehleinstellung des Klägers habe keinen Krankheitswert. Der Sachverständige habe die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Bedeutung des Unfalls für die vom Kläger geklagten Beschwerden auf nur 30-40 % bemessen. Das reiche zur Überzeugungsbildung nicht aus. Mithin könne mehr als zwei Jahre nach dem Verkehrsunfall nicht mehr von unfallbedingten Beschwerden und einem unfallbedingt erhöhten Pflegebedarf ausgegangen werden. Einen Pflegemehraufwand für die ersten beiden Jahre nach dem Verkehrsunfall aber habe der Kläger trotz deutlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 15. April 2003 nicht hinreichend dargetan. Damit sei auch der Feststellungsantrag des Klägers unbegründet , weil mit Spätfolgen des Unfalls nicht mehr zu rechnen sei.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in wesentlichen Punkten nicht stand. 1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien nicht beanstandet geht das Berufungsgericht vorliegend davon aus, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 17. Januar 1995 eine Halswirbelsäulen-Distorsion erlitten hat und daß die Beklagte ihm für diesen Schaden und die hieraus folgende Beeinträchtigung ersatzpflichtig ist (§§ 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG). 2. Mit Erfolg beanstandet die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die geltend gemachten Folgeschäden des Unfalls als nicht unfallbedingt angesehen und eine Beeinträchtigung nur bis zur Dauer von zwei Jahren für bewiesen erachtet hat.
a) Allerdings kann die Beweiswürdigung vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364; vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - BGHReport 2004, 185, 186; BGH, Urteile vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 23/86 - NJW 1987, 1557, 1558; vom 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - WM 1999, 1889, 1890; vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03 - VersR 2005, 272, 273). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Beweiswürdigung, die - wie hier - nach § 287 ZPO vorzunehmen ist. Diese Vorschrift stellt nämlich lediglich geringere Anforderungen an das Maß für eine Überzeugungsbildung des Tatrichters, ist aber hinsichtlich der
revisionsrechtlichen Überprüfung keinen anderen Maßstäben als die Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO unterworfen. Den Erwägungen des Berufungsgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität nach § 287 ZPO liegt aber ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Das Berufungsgericht hat zwar revisionsrechtlich beanstandungsfrei dargelegt, daß die Sachverständigen H. und W. übereinstimmend ausgeführt hätten, beim Kläger seien durch den Unfall keine substantiellen Verletzungen des Kopfhalteapparates oder der Bandscheiben eingetreten, die sich später noch feststellen ließen. Es hat sich dann aber auf den Sachverständigen H. bezogen, der ausgeführt habe, daß eine dauerhafte Beeinträchtigung des Zustandes des Klägers nach seiner Querschnittlähmung im Sinne einer "richtunggebenden" Verschlechterung nicht nachzuweisen sei, weil die Querschnittlähmung des Klägers nicht fortschreiten könne. Diese aus dem Sozialversicherungsrecht stammende Formulierung (vgl. BSGE 6, 87; 6, 192, BSG, Urteil vom 25. März 1999 - B 9 V 11/98 R - Soz-R 3-3100 § 10 Nr. 6) gibt für die Beurteilung der für die zivilrechtliche Haftung notwendigen Ursächlichkeit im juristischen Sinn nichts her (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 347; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Haftungsrechtlich ist eine richtunggebende Veränderung nicht erforderlich, vielmehr kann auch die Mitverursachung einer Verschlechterung im Befinden ausreichen, um die volle Haftung auszulösen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein Ereignis die "ausschließliche" oder "alleinige" Ursache einer Gesundheitsbeeinträchtigung ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - aaO).
Der Schädiger kann sich nach ständiger Rechtsprechung auch nicht darauf berufen, daß der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders anfällig zur erneuten Beeinträchtigung gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne daß die Vorschäden "richtunggebend" verstärkt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 20, 137, 139; 107, 359, 363; 132, 341, 345; vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts, ist nach den dargelegten Grundsätzen fehlerhaft. Dieser Fehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des Ursachenzusammenhangs gelangt wäre, wenn es erkannt hätte , daß die bloße Mitverursachung des Unfalls für die Verschlechterung im Befinden des Klägers ausreichen kann. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden könnten jetzt nicht mehr Folge einer HWS-Distorsion sein, sondern stellten typische Erscheinungen einer Querschnittlähmung dar, als Tatsachenfeststellung zu verstehen ist, kann dahinstehen , da diese Auffassung nicht frei von Widersprüchen und deshalb revisionsrechtlich nicht bindend ist. Mit Recht weist die Revision darauf hin, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die auch nach der Überzeugung des Berufungsgerichts zunächst unfallbedingten Beschwerden nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums plötzlich zu "typischen Erscheinungen bei einer Querschnittlähmung" werden sollten, zumal sich an der Querschnittlähmung als solcher nichts geändert habe. Bei seiner erneuten Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht daher auch diesem Einwand der Revision nachzugehen und mit sachverständi-
ger Hilfe zu prüfen haben, ob und welche Beschwerden nach dem Unfall neu aufgetreten sind und fortdauern sowie ob persistierende Beschwerden durch den Unfall (mit-) verursacht oder auch nur ausgelöst worden sind (§ 287 ZPO). Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, daß die Kausalität - anders als der Sachverständige offenbar meint - nicht aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht anhand reproduzierbarer, valider und objektiver Befunde , sondern nach juristischen Maßstäben festzustellen ist und eine Überzeugung des Gerichts deshalb lediglich die Beseitigung vernünftiger Zweifel erfordert. Das Berufungsgericht wird hierzu den Zustand des Klägers vor dem Unfall (vgl. Gutachten vom 17. Dezember 1993) mit seinem Zustand nach dem Unfall zu vergleichen haben.
c) Bei seiner erneuten Befassung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß nach den dargelegten Grundsätzen die bloße Mitverursachung durch den Verkehrsunfall für eine Haftung des Schädigers grundsätzlich auch dann ausreichen kann, wenn eine psychische Fehlverarbeitung des Geschädigten hinzutritt (zur Grenze vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - VersR 1996, 990, 991; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - VersR 2004, 874). Insoweit macht die Revision zwar vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe auch eine psychische Beeinträchtigung bejahen müssen , weil der Sachverständige H. eine Beeinflussung des Schadensbildes durch sie in Höhe von 30-40 % bejaht habe. Das beruht auf einem Mißverständnis, weil das Berufungsgericht ersichtlich dem Sachverständigen in der Auffassung gefolgt ist, daß eine Wahrscheinlichkeit für eine psychische Mitwirkung am Schaden nur in dieser Höhe bestehe und dies dem Berufungsgericht nicht zur Überzeugungsbildung ausgereicht hat. Das könnte revisionsrechtlich nicht angegriffen werden. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß die Verneinung des Ursachenzusammenhangs auch insoweit auf der rechtsfehlerhaften Annahme
des Berufungsgerichts beruht, daß eine richtunggebende Veränderung erforderlich sei, während richtigerweise auch hinsichtlich des psychischen Schadens eine Mitursächlichkeit ausreichen würde. 3. Die Abweisung der Klage auf erhöhten Pflegemehrbedarf während der vom Berufungsgericht als unfallbedingt beurteilten Beeinträchtigungen für eine Zeit bis zwei Jahre nach dem Unfall hält revisionsrechtlicher Prüfung gleichfalls nicht stand. Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht trotz eines Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2003 ausreichenden Vortrag vermißt hat. Ein deutlicher und unmißverständlicher Hinweis gemäß § 139 ZPO ist weder aus den Akten noch aus dem Berufungsurteil ersichtlich. Der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2004, die vermutlich gemeint ist, läßt sich ein solcher Hinweis nicht entnehmen. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils gibt den Inhalt des Hinweises nicht mit einer solchen Deutlichkeit wieder, daß dem Revisionsgericht eine Prüfung möglich wäre, ob der Hinweis inhaltlich ausreichend war. Ein unmißverständlicher und deutlicher Hinweis war hier schon deshalb erforderlich, weil das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu seinem unfallbedingt erhöhten Pflegebedarf für nicht ausreichend hielt, obwohl das Landgericht einen solchen jedenfalls für die ersten sechs Monate nach dem Unfallzeitpunkt für ausreichend dargetan gehalten hatte (vgl. BVerfGE 84, 188, 190 f.; BVerfG, Beschluß vom 29. Mai 1991
- 1 BvR 1383/90 - NJW 1991, 2823, 2824). Das Berufungsgericht wird sich deshalb mit dem in der Revisionsbegründung nunmehr nachgereichten - schlüssigen - Vortrag, der an entsprechenden Vortrag in der Tatsacheninstanz anknüpft, auseinandersetzen müssen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 138/03 Verkündet am:
16. März 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besteht bei zwei voneinander unabhängigen Schadensfällen (hier: HWSVerletzungen
) der Beitrag des Erstunfalls zum endgültigen Schadensbild nur darin,
daß eine anlagebedingte Neigung des Geschädigten zu psychischer Fehlverarbeitung
geringfügig verstärkt wird, so reicht das nicht aus, um eine Haftung des
Erstschädigers für die Folgen des Zweitunfalls zu begründen (Ergänzung zum Senatsurteil
vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200).
BGH, Urteil vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - OLG Bremen
LG Bremen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 1. April 2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer und dem Beklagten zu 2 als Halter und Fahrer eines PKW Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 18. Februar 1990. Die volle Haftung der Beklagten für den vom Beklagten zu 2 verursachten Auffahrunfall steht außer Streit. Am 12. Juni 1992 wurde der Kläger in einen weiteren Verkehrsunfall verwickelt. Der Kläger behauptet, nachdem er bereits durch den Erstunfall ein HWSSchleudertrauma mit einer Veränderung der Halswirbelsäule und psychischen Folgeschäden erlitten habe, sei es durch den gleichartigen Zweitunfall zu einer Verschlimmerung seines dauerhaften Leidens gekommen mit der Folge, daß alle Beschwerden und Funktionsstörungen über das übliche Maß eines Cervi-
cal-Syndroms hinausgingen und in vollem Umfang dem Erstunfall anzulasten seien. Die Beklagte zu 1 hat vorprozessual Sachschäden des Klägers ausgeglichen und ein Schmerzensgeld von 2000 DM bezahlt. Mit seiner Klage hat der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 6.000 DM sowie einen weiteren Verdienstausfallschaden für die Zeit vom Unfalltag bis einschließlich 1992 in Höhe von 112.600 DM und weiterer 238.000 DM für die Folgezeit bis 1998 geltend gemacht und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Sachschäden beantragt. Das Landgericht hat nach Erlaß eines Teilanerkenntnisurteils , mit dem die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller Schäden aus dem Erstunfall festgestellt wurde, dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 1000 DM zugebilligt und Ersatz von Erwerbsschaden von 5.000 DM für eine Ausfallzeit von ca. 6 Wochen nach dem Erstunfall zuerkannt. Mit seiner Berufung hat der Kläger den in erster Instanz geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch (von mindestens 6.000 DM) weiter verfolgt sowie den Ersatz eines Verdienstausfallschadens in Höhe von monatlich 3.100 DM für die Zeit vom 1. April 1990 bis einschließlich 31. März 1991 und 1.550 DM monatlich für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 14. Februar 1993 und vom 16. April 1993 bis 31. Dezember 1998 geltend gemacht. Außerdem hat er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für materielle Zukunftsschäden beantragt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers nur wegen weiterer 1000 € Schmerzensgeld für begründet erachtet. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren mit Ausnahme des Feststellungsanspruchs weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung abgedruckt ist in RuS 2003, 477 (ebenso in OLGR Bremen 2003, 385), haben die Beklagten für die bis April 1991 eingetretenen Folgen des Erstunfalls einzustehen. Der Kläger habe bei dem Erstunfall eine leichte Beschleunigungsverletzung erlitten. Die organischen Beeinträchtigungen hätten zu einer ca. sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit geführt. Zudem sei der Kläger aufgrund einer unfallbedingten psychischen Störung in Form eines Schleudertrauma-Syndroms bis zur Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit am 1. April 1991 arbeitsunfähig gewesen , nicht aber darüber hinaus. Dies rechtfertige ein weiteres Schmerzensgeld von 1000 €. Ausreichende Tatsachen für die Bemessung eines Verdienstausfallschadens in diesem Zeitraum habe der Kläger nicht dargetan. Spätere nach dem Zweitunfall vom 12. Juni 1992 eingetretene Verletzungsfolgen seien den Beklagten nicht zuzurechnen. Der Sachverständige Prof. Dr. R. habe einerseits eine symptomfreie Abheilung der Folgen des Erstunfalls vor dem Zweitunfall angenommen, andererseits sei er von einer Restsymptomatik sowie davon ausgegangen, daß die Folgen des zweiten Unfalls den Kläger die alten Beschwerden in Form einer "Reinszenierung" in verstärkter Ausprägung erleben ließen. Bei seiner mündlichen Anhörung habe der Sachverständige dies dahin präzisiert, daß durch den Erstunfall die allgemein anlagebedingt vorhandene Vulnerabilität des Klägers in relativ geringem Umfang gesteigert und akzentuierter geworden sei und der Erstunfall, wenn auch nicht gleichwertig, das Verhalten des Klägers nach dem zweiten Schadensereignis geprägt habe, weil er auf das weitere Ereignis infolge des vorausgegangenen Geschehens und unter Umständen auch nach dem Schema der Reaktion im Anschluß an den ersten Unfall reagiert habe. Es seien also nicht die Beschwerdesymptomatik
und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem Erstunfall beim Zweitunfall noch vorhanden gewesen und durch das Schadensereignis verstärkt worden; erhöht worden sei vielmehr, wenn auch relativ geringfügig, die allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas. Eine solche lediglich in der Erhöhung der Vulnerabilität liegende Fortwirkung des Erstunfalls könne - so das Berufungsgericht - nicht mehr als Mitursache den psychischen Folgen eines weiteren Unfalls zugerechnet werden.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand 1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Beklagten auch für die psychischen Folgeschäden der vom Kläger durch den Unfall vom 18. Februar 1990 primär erlittenen HWS-Verletzung grundsätzlich haftungsrechtlich einzustehen haben.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt sich die Ersatzpflicht des für einen Körper- oder Gesundheitsschaden einstandspflichtigen Schädigers grundsätzlich auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses (siehe Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.; vom 2. Oktober 1990 - VI ZR 353/89 - VersR 1991, 432; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90 - VersR 1991, 704, 705; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 - VersR 1997, 752, 753; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201 und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373). Dies gilt auch für eine psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens , wenn eine hinreichende Gewißheit besteht, daß diese Folge ohne
den Unfall nicht eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 343 ff.; 137, 142, 145 m.w.N.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 – aaO und vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862).
b) Vorliegend ist die Primärverletzung, als deren Folge die psychische Beeinträchtigung geltend gemacht wird, keine für die Begründung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs unzureichende Bagatelle. Eine Bagatelle im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine vorübergehende , im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigung des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens. Damit sind Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrukken , weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 146 f.; Senatsurteile vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 -; vom 11. November 1997 -VI ZR 146/96 - und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO). Das vom Kläger erlittene HWS-Schleudertrauma, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund der organischen Beeinträchtigungen führte, geht darüber hinaus. Solche Verletzungen sind für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensereignis verbunden.
c) Auch eine - den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang ausschließende - Renten- oder Begehrensneurose, bei der der Geschädigte den Unfall im neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlaß nimmt, um den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (vgl. BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 148 f.; Senats- urteile
vom 12. November 1985 - VI ZR 103/84 -; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96 -; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - jeweils aaO), kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht.
d) Soweit es das Berufungsgericht gleichwohl ablehnt, auch die nach dem Zweitunfall aufgetretenen Verletzungsfolgen dem Erstunfall zuzurechnen, erweist sich dies auf Grundlage der getroffenen Feststellungen jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Der Senat hat bereits mehrfach zu der Frage Stellung genommen, wann bei zwei aufeinander folgenden Unfällen eine Haftung des Erstschädigers für den Zweitunfall in Betracht kommt. Danach können unter bestimmten Umständen dem Erstschädiger die Folgen eines späteren Unfalls zugerechnet werden, wenn der Erstunfall sich auf das endgültige Schadensbild in relevanter Weise ausgewirkt hat. Dies hat das Berufungsgericht verneint, ohne daß die Revision gegen die zugrundeliegenden Feststellungen Einwendungen erhoben hat. Die getroffenen Feststellungen tragen jedenfalls im Ergebnis die rechtliche Beurteilung. Zwar trifft es zu, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die haftungsausfüllende Kausalität nicht schon dann entfällt, wenn ein weiteres Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalls im Zeitpunkt des zweiten Unfalls bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu den nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat oder ob sie noch nicht ausgeheilt waren (vgl. Senatsurteile vom 5. November 1996 - VI ZR 275/95 - VersR 1997, 122, 123; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - was die Revision nicht angreift - aufgrund des Sachverständigengut-
achtens die Feststellung getroffen, daß nicht die Beschwerdesymptomatik und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem ersten Unfall beim zweiten Unfallgeschehen noch vorhanden waren und durch das neue Schadensereignis verstärkt wurden, sondern lediglich die bereits vorhandene allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas relativ geringfügig erhöht worden ist. Der Erstunfall hat mithin nicht wie in dem der Senatsentscheidung vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – (aaO) zugrunde liegenden Fall die Schadensanfälligkeit des Klägers erst geschaffen, sondern nur die allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen verstärkt, für die der Schädiger grundsätzlich nicht einzustehen hat (vgl. BGHZ 137, 142, 148). Dies reicht – wie das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalles zutreffend angenommen hat – nicht aus, um den erforderlichen haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und den Folgen des Zweitunfalls zu begründen. Ein derart geringfügiger Beitrag zum endgültigen Schadensbild kann es bei der für die Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht rechtfertigen, den Erstschädiger auch für die Folgen des Zweitunfalls haften zu lassen. 2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung weiteren Ersatzes eines Verdienstausfallschadens für die Zeit bis zum zweiten Unfall wendet. Das Berufungsgericht hat - entgegen der Auffassung der Revision - bei der Beurteilung der Darlegungslast des Klägers die durch §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 Satz 2 BGB gewährten Erleichterungen nicht verkannt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bedarf es bei selbständig Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (Senatsurteile vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91 - VersR 1992, 973; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 -
VersR 1993, 1284, 1285; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - VersR 1997, 453, 454; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - VersR 1998, 772, 773; vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - NJW 2001, 1640, 1641).
b) Das Berufungsgericht geht dabei im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon aus, daß sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen verlangen. aa) Für die Schadensschätzung nach diesen Vorschriften benötigt der Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines bestimmten Sachverhalts sagen läßt, wie sich die Dinge ohne das Schadensereignis weiterentwickelt hätten. Die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung wahrscheinlich machen, muß der Kläger im einzelnen darlegen und beweisen. Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO läßt eine völlig abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens , auch in Form der Schätzung eines "Mindestschadens" nicht zu (vgl. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 53 ff.; vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 - VersR 1988, 466, 467; vom 15. März 1988 - VI ZR 81/87 - VersR 1988, 837; vom 16. Oktober 1990 - VI ZR 275/89 - VersR 1991, 179; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 - aaO; vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - VersR 1995, 422, 424; vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469, 470). bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht die Angaben des Klägers zur Aufnahme einer Tätigkeit als Assekuranzmakler kurz vor dem Unfallgeschehen vom Februar 1990 als unzureichend zur Feststellung eines Verdienstausfallschadens angesehen. Der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag erschöpft sich in der Mitteilung, der Kläger habe sich kurz vor dem Unfallereignis selbständig gemacht und seine selbständige Tätigkeit
sei im Aufbau begriffen gewesen. Dieses pauschale Vorbringen läßt eine Prognose nicht zu. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, daß auch nicht dargelegt sei, welches Einkommen der Kläger in den letzten Jahren vor dem Erstunfall erzielt habe, und keine Unterlagen über sein Einkommen aus einer Tätigkeit als Handelsvertreter in den Jahre 1985 bis 1989, welche als Schätzgrundlagen hätten dienen können, vorgelegt worden seien, stellt die Revision nicht durchgreifend in Frage, etwa indem sie Verfahrensfehler aufzeigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorbringen des Klägers, welches sich auf die Jahre 1976 bis 1979 beziehe, liege als Schätzungsgrundlage zu weit zurück, ist unter den Umständen des Streitfalles rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Ist der Erwerbsschaden eines selbständig Tätigen festzustellen , so wird es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (vgl. die Senatsurteile vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95; vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle aaO). Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich dabei nicht aufstellen. Es muß vielmehr dem Tatsachengericht im Rahmen des § 287 ZPO überlassen bleiben, den nach den jeweiligen Umständen des Falles erforderlichen Prüfungsrahmen zu bestimmen (Senat, Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - aaO). Die Revision zeigt keine Umstände auf, die es geboten erscheinen lassen, das Vorbringen des Klägers zu lange zurückliegenden Zeiträumen vor dem Schadensereignis zu berücksichtigen.
Der Vortrag zur erfolglosen Gründung einer GmbH im Jahre 1993 nach dem zweiten Unfall bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung einer hypothetischen Geschäftsentwicklung. In diesem Zusammenhang hilft der Revision auch nicht der Hinweis, der Kläger habe unter Beweisantritt vorgetragen , daß das übliche Geschäftsführergehalt für einen Versicherungsmakler mindestens 156.000 DM jährlich betragen habe und er vor dem Verkehrsunfall als Versicherungsmakler tätig gewesen sei. Rückschlüsse auf das Einkommen des Klägers als selbständiger Versicherungsmakler vor dem Unfall lassen sich aus dem Durchschnittsgehalt eines GmbH-Geschäftsführers bereits deshalb nicht ziehen, weil die Revision weder konkreten Sachvortrag des Klägers zu Einzelheiten der GmbH-Gründung noch dazu aufzeigt, daß die Verdienstmöglichkeiten vergleichbar waren. Selbst wenn man die Tätigkeit des Versicherungsmaklers derjenigen eines GmbH-Geschäftsführers im Hinblick auf die Erwerbsmöglichkeiten gleichstellen wollte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Unternehmer kann seinen Schaden nicht abstrakt in Höhe des Gehalts einer gleichwertigen Ersatzkraft geltend machen. Denn der zu ersetzende Schaden liegt nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher, sondern setzt voraus, daß sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sich im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat (vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 54, 45, 49 ff.; 90, 334, 336; vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91 - und vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94 - beide aaO).
c) Schließlich begegnet es unter den Umständen des Streitfalles auch keinen rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht aus der Geschäftsentwicklung der Assekuranztätigkeit des Klägers nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ab April 1991 keine Anhaltspunkte für die Schätzung des zu erwartenden Gewinns aus der vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsmakler entnommen hat.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen zwar im allgemeinen sowohl für die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbständigen (Urteil vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92; vom 3. März 1998 - VI ZR 385/96 - und vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - alle aaO) als auch in den Fällen, in denen die berufliche Laufbahn des Geschädigten noch am Anfang war, bei der Schätzung des Verdienstausfalls keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92 - aaO; vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96 - VersR 1998, 770, 772). Zur Feststellung der Grundlagen für die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit des Geschädigten ohne das Unfallereignis ist deshalb grundsätzlich nicht nur auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses abzustellen. Die Situation im Unfallzeitpunkt ist lediglich einer der Prognosefaktoren für die künftige Entwicklung. Bei der Prognose muß der Tatrichter als weitere Faktoren regelmäßig auch Erkenntnisse aufgrund von Entwicklungen einbeziehen, die sich erst nach dem Unfallereignis bis zur letzten mündlichen Verhandlung ergeben haben (Senat, Urteil vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 268/95 - aaO m.w.N.; Senat, Urteil vom 27. Oktober 1998 - VI ZR 322/97 - VersR 1999, 106, 107). bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht mißachtet, wenn es ausführt, die vom Kläger vorgelegte Gewinnermittlung für den Zeitraum vom 1. April 1991 bis zum 31. Dezember 1991 lasse nicht mit ausreichender Gewißheit darauf schließen, welcher Tätigkeit er vor dem Unfall tatsächlich nachgegangen sei und welches Einkommen er infolgedessen nach dem Unfall voraussichtlich gehabt hätte. Denn der Kläger hatte selbst behauptet, bereits in den Jahren vor dem Erstunfall einer Tätigkeit als Handelsvertreter und selbständiger Assekuranzmakler nachgegangen zu sein. Gleichwohl hat er - trotz einer entsprechenden
Auflage des Berufungsgerichts - keine Unterlagen über diese Tätigkeit eingereicht , die als ausreichende Schätzungsgrundlagen hätten dienen können. Unter diesen Umständen war es nicht rechtsfehlerhaft, daß sich das Berufungsgericht im Rahmen des § 287 ZPO keine Überzeugung darüber bilden konnte, daß die Verdienstmöglichkeiten nach dem 1. April 1991 mit denen des davorliegenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit vergleichbar waren.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 163/02 Verkündet am:
11. Januar 2005
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 651 g Abs. 1

a) Für eine Reisemängelrüge gemäß § 651 g Abs. 1 BGB reicht es aus, daß
der Reisende erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen,
und dabei die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen
so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter die zur Aufklärung
des Sachverhalts gebotenen Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen
ergreifen kann.

b) Die Ausschlußfrist von einem Monat nach § 651 g Abs. 1 BGB ist jedenfalls
gewahrt, wenn der Reisende seine Mängelrüge bei dem Reisebüro, über
das er die Reise gebucht hat, abgibt und sie von diesem innerhalb der Monatsfrist
an den Reiseveranstalter weitergeleitet wird.
BGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 19. Mai 2002 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Verletzung, die sie auf der Rückreise von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub erlitten hat.
Für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juli 2000 buchte die Klägerin für sich und ihre damals 17 Jahre alte Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise nach G. mit Rückflug nach M. . Am Rückreisetag
wurde der Klägerin am Abfertigungsschalter für den vorgesehenen Flug in der Abflughalle des Flughafens mitgeteilt, daß in dieser Maschine nur noch ein freier Platz zur Verfügung stehe. Es könne daher nur entweder die Klägerin oder ihre Tochter zurück nach M. fliegen; die nächste verfügbare Flugmöglichkeit für zwei Personen zu diesem Flughafen sei erst 24 Stunden später. Die Klägerin war nur bereit, mit ihrer Tochter zu fliegen. Ein Schalterangestellter teilte ihr daraufhin mit, daß in Kürze ein Flug einer anderen Fluggesellschaft nach P. starte, auf dem noch Plätze für die Klägerin und ihre Tochter frei seien. Die Klägerin war mit dieser Alternative einverstanden. Der Schalterangestellte mahnte zur Eile, da der Flug nach P. nur noch wenige Minuten für weitere Reisende geöffnet sei. Er lief im Dauerlauf zu dem Abfertigungsschalter für den Flug nach P. auf der anderen Seite der Abflughalle voraus. Die Klägerin und ihre Tochter folgten ihm, jeweils mit ihrem Gepäck. Während des Laufens rutschte die Klägerin aus. Als Folge wurden bei ihr ein Gelenkerguß, eine Zerrung des rechten Kniegelenks mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und ein unfallbedingter Knorpeldefekt an der medialen Condyle festgestellt.
Die Klägerin ist auch nach einer Operation nicht endgültig genesen und weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Im Laufe des Berufungsverfahrens verlor die Klägerin, die vor dem Unfall als Altenpflegerin tätig gewesen ist, ihren Arbeitsplatz durch Kündigung des Arbeitgebers wegen Krankheit.
Am 2. August 2000 gab die Klägerin in dem Reisebüro, bei dem sie die Reise mit der Beklagten gebucht hatte, ein handschriftliches Schreiben ab, in dem das Geschehen bei ihrem Rückflug unter Nennung von Zeit und Ort geschildert sowie die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen mit
Angabe des behandelnden Arztes aufgeführt waren. Es schließt mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen."
Das Reisebüro leitete das Schreiben der Klägerin noch am 2. August 2000 an die Beklagte weiter.
Die Klägerin meint, die Beklagte hafte für ihren Unfall auf dem Flughafen von G. , weil sie zuvor vertragswidrig die Klägerin und ihre Tochter nicht mit dem geschuldeten Flug nach M. transportiert habe. Die Klägerin begehrt deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- DM, bezifferten Ersatz verschiedener materieller Schäden und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus ihrer Unfallverletzung zu ersetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig gemäß § 651 g BGB geltend gemacht habe, so daß sie damit ausgeschlossen sei. Außerdem hafte sie für den Unfall der Klägerin nicht, weil sich insoweit deren allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Verletzungsschaden der Klägerin sei der Beklagten nicht adäquat zurechenbar; vielmehr habe sich nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt, soweit die Klägerin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte dem Grunde nach ver-
pflichtet sei, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung am 29. Juli 2000 entstanden seien.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu ihrem Nachteil ergangen ist. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hat Bestand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Ausschlußfrist für die Anmeldung reisevertraglicher Ansprüche (§ 651 g Abs. 1 BGB) sei gewahrt.

a) Regelungszweck dieser Bestimmung ist, dem Reiseveranstalter alsbald Kenntnis davon zu geben, daß von einem seiner Reisenden Ansprüche geltend gemacht und worauf diese gestützt werden. Dadurch wird dem Reiseveranstalter ermöglicht, unverzüglich am Urlaubsort Recherchen über die behaupteten Reisemängel anzustellen, etwaige Regreßansprüche gegen seine Leistungsträger geltend zu machen und gegebenenfalls seinen Versicherer zu benachrichtigen (vgl. BGHZ 90, 363, 367 f.; 102, 80; Tempel, NJW 1987, 2841). Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Reisende deutlich macht, Forderungen gegen den Reiseveranstalter stellen zu wollen
und die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter Maßnahmen der geschilderten Art zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Nicht erforderlich ist dagegen die rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der erhobenen Ansprüche.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 2. August 2000 innerhalb der Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 BGB erhalten. Dieses Schreiben enthält unter Nennung von Zeit und Ort eine Schilderung des Geschehens am Flughafen, das zu dem Unfall der Klägerin führte, und teilt die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen unter Angabe des behandelnden Arztes mit. Das Schreiben endet mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen." Damit wurde der Sachverhalt dem Reiseveranstalter so konkret vorgetragen, daß er in eine Sachprüfung eintreten konnte. Er mußte den Schlußsatz des klägerischen Schreibens auch dahingehend verstehen, daß von der Klägerin Ansprüche geltend gemacht wurden. Denn wenn der Reiseveranstalter nach Reiseende ein Schreiben des Reisenden erhält, in dem erhebliche Mängel oder im Zusammenhang mit der Reise eingetretene gravierende Schäden konkret geschildert werden, ist dies nach der Lebenserfahrung jedenfalls dann im Sinne einer Forderung nach finanzieller Entschädigung auszulegen , wenn der Reisende wie hier unmißverständlich erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Es ist dem Reiseveranstalter zumutbar und von ihm zu erwarten, insoweit etwa bestehende Zweifel durch Rückfrage beim Reisenden zu beseitigen (vgl. Tempel, aaO, 2847).
2. Die Beklagte ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 651 f BGB zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die der Kläge-
rin entstanden sind, weil die Beklagte die Rückflugleistung nicht vertragsgemäß erbracht hat. Da die Fluggesellschaft ihr Erfüllungsgehilfe bei der Erbringung reisevertraglicher Leistungen ist, muß die Beklagte insoweit für sie einstehen. Die Beklagte hat den ihr zum Ausschluß ihrer Haftung obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Der eingeklagte Verletzungsschaden ist auch noch zurechenbar durch die mangelhafte Rückflugleistung verursacht, so daß die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen war.

a) Die Beklagte hat die Verletzung der Klägerin äquivalent verursacht. Denn bei vertragsgemäßer Leistung der Beklagten hätte die Klägerin sich nicht mit Gepäck durch die Abflughalle zu einem anderen Schalter bewegen müssen und hätte sich dabei auch nicht verletzen können. Um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, hat sie die Rechtsprechung allerdings schon seit langem durch weitere Zurechnungskriterien eingeschränkt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als solche Kriterien die Adäquanz des Kausalverlaufs und der Schutzzweck der Norm anerkannt (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.11.1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947).

b) Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urt .v. 04.07.1994 - II ZR 126/94, NJW 1995, 126, 127; BGHZ 57, 137, 141; st. Rspr.). Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 07.01.1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589). Mit diesem
Inhalt wirkt die Adäquanzlehre nur als recht grober Filter zur Beschränkung der Zurechenbarkeit.
Bei Anwendung dieses Maßstabes liegt es noch nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, daß nach Wegfall einer vereinbarten Rückflugmöglichkeit die Fluggesellschaft nach einem Ersatzflug sucht, für einen solchen die Zeit knapp wird und der betroffene Fluggast dann infolge von Hektik oder Unachtsamkeit stürzt. Die Reaktion der Klägerin war nicht derart ungewöhnlich oder unsachgemäß, daß sie den Zurechnungszusammenhang zur Pflichtverletzung der Beklagten nach der Adäquanzlehre unterbrochen hätte.

c) Eine vertragliche Haftung besteht schließlich nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Diese Haftungsbegrenzung aufgrund des Schutzzwecks der Norm erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449; Urt. v. 04.07.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126; BGHZ 116, 209; Urt. v. 30.01.1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057). Zweck vertraglicher und damit auch reisevertraglicher Haftung ist nicht, den Ersatzberechtigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos eintreten, wird deshalb auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang mit einem haftungsbegründenden Ereignis eintreten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.07.1971 - VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982, 1983).
Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daß Sturzschäden grundsätzlich dem normalen Lebensrisiko zuzuordnen sind. Es meint jedoch, die Mitar-
beiter der Fluggesellschaft hätten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten durch Nichtgewährung der ursprünglich versprochenen Flugmöglichkeit ein Verhalten der Klägerin herausgefordert, durch das sie in eine gesteigerte Gefahrenlage geraten sei; nachdem die Beklagte so ein vergrößertes Risiko geschaffen habe , sei sie auch für diejenigen Folgeschäden verantwortlich, die die Klägerin bei dem so veranlaßten Verhalten im Rahmen des normalen Lebensrisikos erlitten habe. Dazu gehören nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die materiellen Schäden aus dem Sturz. Diese Ausführungen halten zwar nicht in allen Elementen der Begründung, wohl aber im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

d) Der Lauf durch die Abflughalle war ein willentliches, selbstgefährdendes Handeln der Klägerin, das ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko bewirkte. Für den Bereich der unerlaubten Handlung hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den sogenannten Herausforderungs- und Verfolgungsfällen klargestellt, daß eine deliktische Haftung besteht, wenn das selbstgefährdende Verhalten durch vorwerfbares Tun herausgefordert wurde und der geltend gemachte Schaden infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist (BGHZ 132, 164; BGH, Urt. v. 04.05.1993 - VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234). Diese zur Abgrenzung von Haftung und allgemeinem Lebensrisiko im Deliktsrecht entwickelten Grundsätze gelten ebenso bei der Anwendung der Schutzzwecklehre im Vertragsrecht.

e) Die Klägerin hat sich in einer gesteigerten Gefahrenlage verletzt, die auf vorwerfbares Tun der Erfüllungsgehilfen der Beklagten zurückzuführen war. Mangels Entlastungsbeweises vorwerfbar war der Beklagten zwar zunächst nur die fehlende Bereitstellung der vertragsgemäßen Rückflugleistung. Durch die-
se Pflichtwidrigkeit ist für die Klägerin noch kein gesteigertes Risiko eines Sturzes bei einem Lauf mit Gepäck durch die Abflughalle geschaffen worden. Die Mitteilung der Fluggesellschaft, daß der gebuchte Flug nicht angetreten werden kann, veranlaßt einen Reisenden nicht zu einem Lauf durch die Abflughalle mit Gepäck.
Die Klägerin wurde zu dem risikobehafteten Lauf vielmehr veranlaßt, weil sie von dem Mitarbeiter der Fluggesellschaft auf die kurzfristige anderweitige Flugmöglichkeit nach P. hingewiesen wurde. Dieser Hinweis auf anderweitige Flugmöglichkeiten war zwar im Interesse der Klägerin geboten, die deutlich gemacht hatte, nicht auf den nächsten Flug nach M. warten zu wollen. Die Klägerin hätte gegenüber der Beklagten die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht geltend machen können, wenn der Hinweis auf die andere Flugmöglichkeit unterblieben wäre.
Die Klägerin und ihre Tochter sollten den angebotenen Flug nach P. allerdings anstelle des geschuldeten Fluges nach M . als Erfüllung der vertraglichen Rückflugleistung annehmen. Damit hat die Beklagte durch ihre Erfüllungsgehilfen eine Leistung an Erfüllung statt angeboten. Dabei hat sie dieselben Sorgfaltsmaßstäbe zu beachten wie bei der ursprünglich geschuldeten Leistung. Sie mußte den Alternativflug insbesondere so anbieten , daß die Klägerin dadurch nicht in eine gesteigerte Gefahrenlage geriet. Die Beklagte hatte der Klägerin vielmehr durch angemessene Hilfe zu ermöglichen , den anderen Flug gefahrlos zu erreichen. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt wurde diese Hilfe nicht gewährt. Das die Klägerin zum Nachlaufen animierende Vorauslaufen des Mitarbeiters der Fluggesellschaft setzte die Klägerin vielmehr einem erhöhten Sturzrisiko aus. Es ist nicht
ersichtlich, daß die Erfüllungsgehilfen der Beklagten die ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätten, um der Klägerin ein problemloses Erreichen des Ausweichfluges zu ermöglichen. Unter diesen Umständen haftet die Beklagte für die materiellen Schäden der Klägerin infolge ihres Sturzes. Diese Haftung ergibt sich aus der Beklagten vorwerfbarem Verhalten bei der Bereitstellung des Ausweichfluges, nicht jedoch, wie das Berufungsgericht meint, schon aus der Nichtgewährung der vereinbarten Flugmöglichkeit.

f) Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden der Klägerin rechtsfehlerfrei verneint. Das ist von der Revision nicht beanstandet worden.
3. Die gegen die Tenorierung des Berufungsurteils erhobene Rüge greift ebenfalls nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann über eine unbezifferte Feststellungsklage zwar nicht durch Grundurteil entschieden werden (BGH, Urt. v. 04.10.2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsurteils ergibt aber, daß es als Feststellungsurteil zu verstehen ist. Die Worte "dem Grunde nach" im Feststellungsausspruch sind bedeutungslos.
4. Das angefochtene Urteil hat somit Bestand. Die Revision ist zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 163/02 Verkündet am:
11. Januar 2005
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 651 g Abs. 1

a) Für eine Reisemängelrüge gemäß § 651 g Abs. 1 BGB reicht es aus, daß
der Reisende erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen,
und dabei die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen
so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter die zur Aufklärung
des Sachverhalts gebotenen Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen
ergreifen kann.

b) Die Ausschlußfrist von einem Monat nach § 651 g Abs. 1 BGB ist jedenfalls
gewahrt, wenn der Reisende seine Mängelrüge bei dem Reisebüro, über
das er die Reise gebucht hat, abgibt und sie von diesem innerhalb der Monatsfrist
an den Reiseveranstalter weitergeleitet wird.
BGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 19. Mai 2002 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Verletzung, die sie auf der Rückreise von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub erlitten hat.
Für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juli 2000 buchte die Klägerin für sich und ihre damals 17 Jahre alte Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise nach G. mit Rückflug nach M. . Am Rückreisetag
wurde der Klägerin am Abfertigungsschalter für den vorgesehenen Flug in der Abflughalle des Flughafens mitgeteilt, daß in dieser Maschine nur noch ein freier Platz zur Verfügung stehe. Es könne daher nur entweder die Klägerin oder ihre Tochter zurück nach M. fliegen; die nächste verfügbare Flugmöglichkeit für zwei Personen zu diesem Flughafen sei erst 24 Stunden später. Die Klägerin war nur bereit, mit ihrer Tochter zu fliegen. Ein Schalterangestellter teilte ihr daraufhin mit, daß in Kürze ein Flug einer anderen Fluggesellschaft nach P. starte, auf dem noch Plätze für die Klägerin und ihre Tochter frei seien. Die Klägerin war mit dieser Alternative einverstanden. Der Schalterangestellte mahnte zur Eile, da der Flug nach P. nur noch wenige Minuten für weitere Reisende geöffnet sei. Er lief im Dauerlauf zu dem Abfertigungsschalter für den Flug nach P. auf der anderen Seite der Abflughalle voraus. Die Klägerin und ihre Tochter folgten ihm, jeweils mit ihrem Gepäck. Während des Laufens rutschte die Klägerin aus. Als Folge wurden bei ihr ein Gelenkerguß, eine Zerrung des rechten Kniegelenks mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und ein unfallbedingter Knorpeldefekt an der medialen Condyle festgestellt.
Die Klägerin ist auch nach einer Operation nicht endgültig genesen und weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Im Laufe des Berufungsverfahrens verlor die Klägerin, die vor dem Unfall als Altenpflegerin tätig gewesen ist, ihren Arbeitsplatz durch Kündigung des Arbeitgebers wegen Krankheit.
Am 2. August 2000 gab die Klägerin in dem Reisebüro, bei dem sie die Reise mit der Beklagten gebucht hatte, ein handschriftliches Schreiben ab, in dem das Geschehen bei ihrem Rückflug unter Nennung von Zeit und Ort geschildert sowie die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen mit
Angabe des behandelnden Arztes aufgeführt waren. Es schließt mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen."
Das Reisebüro leitete das Schreiben der Klägerin noch am 2. August 2000 an die Beklagte weiter.
Die Klägerin meint, die Beklagte hafte für ihren Unfall auf dem Flughafen von G. , weil sie zuvor vertragswidrig die Klägerin und ihre Tochter nicht mit dem geschuldeten Flug nach M. transportiert habe. Die Klägerin begehrt deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- DM, bezifferten Ersatz verschiedener materieller Schäden und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus ihrer Unfallverletzung zu ersetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig gemäß § 651 g BGB geltend gemacht habe, so daß sie damit ausgeschlossen sei. Außerdem hafte sie für den Unfall der Klägerin nicht, weil sich insoweit deren allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Verletzungsschaden der Klägerin sei der Beklagten nicht adäquat zurechenbar; vielmehr habe sich nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt, soweit die Klägerin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte dem Grunde nach ver-
pflichtet sei, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung am 29. Juli 2000 entstanden seien.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu ihrem Nachteil ergangen ist. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hat Bestand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Ausschlußfrist für die Anmeldung reisevertraglicher Ansprüche (§ 651 g Abs. 1 BGB) sei gewahrt.

a) Regelungszweck dieser Bestimmung ist, dem Reiseveranstalter alsbald Kenntnis davon zu geben, daß von einem seiner Reisenden Ansprüche geltend gemacht und worauf diese gestützt werden. Dadurch wird dem Reiseveranstalter ermöglicht, unverzüglich am Urlaubsort Recherchen über die behaupteten Reisemängel anzustellen, etwaige Regreßansprüche gegen seine Leistungsträger geltend zu machen und gegebenenfalls seinen Versicherer zu benachrichtigen (vgl. BGHZ 90, 363, 367 f.; 102, 80; Tempel, NJW 1987, 2841). Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Reisende deutlich macht, Forderungen gegen den Reiseveranstalter stellen zu wollen
und die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter Maßnahmen der geschilderten Art zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Nicht erforderlich ist dagegen die rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der erhobenen Ansprüche.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 2. August 2000 innerhalb der Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 BGB erhalten. Dieses Schreiben enthält unter Nennung von Zeit und Ort eine Schilderung des Geschehens am Flughafen, das zu dem Unfall der Klägerin führte, und teilt die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen unter Angabe des behandelnden Arztes mit. Das Schreiben endet mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen." Damit wurde der Sachverhalt dem Reiseveranstalter so konkret vorgetragen, daß er in eine Sachprüfung eintreten konnte. Er mußte den Schlußsatz des klägerischen Schreibens auch dahingehend verstehen, daß von der Klägerin Ansprüche geltend gemacht wurden. Denn wenn der Reiseveranstalter nach Reiseende ein Schreiben des Reisenden erhält, in dem erhebliche Mängel oder im Zusammenhang mit der Reise eingetretene gravierende Schäden konkret geschildert werden, ist dies nach der Lebenserfahrung jedenfalls dann im Sinne einer Forderung nach finanzieller Entschädigung auszulegen , wenn der Reisende wie hier unmißverständlich erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Es ist dem Reiseveranstalter zumutbar und von ihm zu erwarten, insoweit etwa bestehende Zweifel durch Rückfrage beim Reisenden zu beseitigen (vgl. Tempel, aaO, 2847).
2. Die Beklagte ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 651 f BGB zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die der Kläge-
rin entstanden sind, weil die Beklagte die Rückflugleistung nicht vertragsgemäß erbracht hat. Da die Fluggesellschaft ihr Erfüllungsgehilfe bei der Erbringung reisevertraglicher Leistungen ist, muß die Beklagte insoweit für sie einstehen. Die Beklagte hat den ihr zum Ausschluß ihrer Haftung obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Der eingeklagte Verletzungsschaden ist auch noch zurechenbar durch die mangelhafte Rückflugleistung verursacht, so daß die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen war.

a) Die Beklagte hat die Verletzung der Klägerin äquivalent verursacht. Denn bei vertragsgemäßer Leistung der Beklagten hätte die Klägerin sich nicht mit Gepäck durch die Abflughalle zu einem anderen Schalter bewegen müssen und hätte sich dabei auch nicht verletzen können. Um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, hat sie die Rechtsprechung allerdings schon seit langem durch weitere Zurechnungskriterien eingeschränkt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als solche Kriterien die Adäquanz des Kausalverlaufs und der Schutzzweck der Norm anerkannt (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.11.1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947).

b) Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urt .v. 04.07.1994 - II ZR 126/94, NJW 1995, 126, 127; BGHZ 57, 137, 141; st. Rspr.). Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 07.01.1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589). Mit diesem
Inhalt wirkt die Adäquanzlehre nur als recht grober Filter zur Beschränkung der Zurechenbarkeit.
Bei Anwendung dieses Maßstabes liegt es noch nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, daß nach Wegfall einer vereinbarten Rückflugmöglichkeit die Fluggesellschaft nach einem Ersatzflug sucht, für einen solchen die Zeit knapp wird und der betroffene Fluggast dann infolge von Hektik oder Unachtsamkeit stürzt. Die Reaktion der Klägerin war nicht derart ungewöhnlich oder unsachgemäß, daß sie den Zurechnungszusammenhang zur Pflichtverletzung der Beklagten nach der Adäquanzlehre unterbrochen hätte.

c) Eine vertragliche Haftung besteht schließlich nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Diese Haftungsbegrenzung aufgrund des Schutzzwecks der Norm erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449; Urt. v. 04.07.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126; BGHZ 116, 209; Urt. v. 30.01.1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057). Zweck vertraglicher und damit auch reisevertraglicher Haftung ist nicht, den Ersatzberechtigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos eintreten, wird deshalb auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang mit einem haftungsbegründenden Ereignis eintreten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.07.1971 - VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982, 1983).
Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daß Sturzschäden grundsätzlich dem normalen Lebensrisiko zuzuordnen sind. Es meint jedoch, die Mitar-
beiter der Fluggesellschaft hätten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten durch Nichtgewährung der ursprünglich versprochenen Flugmöglichkeit ein Verhalten der Klägerin herausgefordert, durch das sie in eine gesteigerte Gefahrenlage geraten sei; nachdem die Beklagte so ein vergrößertes Risiko geschaffen habe , sei sie auch für diejenigen Folgeschäden verantwortlich, die die Klägerin bei dem so veranlaßten Verhalten im Rahmen des normalen Lebensrisikos erlitten habe. Dazu gehören nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die materiellen Schäden aus dem Sturz. Diese Ausführungen halten zwar nicht in allen Elementen der Begründung, wohl aber im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

d) Der Lauf durch die Abflughalle war ein willentliches, selbstgefährdendes Handeln der Klägerin, das ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko bewirkte. Für den Bereich der unerlaubten Handlung hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den sogenannten Herausforderungs- und Verfolgungsfällen klargestellt, daß eine deliktische Haftung besteht, wenn das selbstgefährdende Verhalten durch vorwerfbares Tun herausgefordert wurde und der geltend gemachte Schaden infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist (BGHZ 132, 164; BGH, Urt. v. 04.05.1993 - VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234). Diese zur Abgrenzung von Haftung und allgemeinem Lebensrisiko im Deliktsrecht entwickelten Grundsätze gelten ebenso bei der Anwendung der Schutzzwecklehre im Vertragsrecht.

e) Die Klägerin hat sich in einer gesteigerten Gefahrenlage verletzt, die auf vorwerfbares Tun der Erfüllungsgehilfen der Beklagten zurückzuführen war. Mangels Entlastungsbeweises vorwerfbar war der Beklagten zwar zunächst nur die fehlende Bereitstellung der vertragsgemäßen Rückflugleistung. Durch die-
se Pflichtwidrigkeit ist für die Klägerin noch kein gesteigertes Risiko eines Sturzes bei einem Lauf mit Gepäck durch die Abflughalle geschaffen worden. Die Mitteilung der Fluggesellschaft, daß der gebuchte Flug nicht angetreten werden kann, veranlaßt einen Reisenden nicht zu einem Lauf durch die Abflughalle mit Gepäck.
Die Klägerin wurde zu dem risikobehafteten Lauf vielmehr veranlaßt, weil sie von dem Mitarbeiter der Fluggesellschaft auf die kurzfristige anderweitige Flugmöglichkeit nach P. hingewiesen wurde. Dieser Hinweis auf anderweitige Flugmöglichkeiten war zwar im Interesse der Klägerin geboten, die deutlich gemacht hatte, nicht auf den nächsten Flug nach M. warten zu wollen. Die Klägerin hätte gegenüber der Beklagten die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht geltend machen können, wenn der Hinweis auf die andere Flugmöglichkeit unterblieben wäre.
Die Klägerin und ihre Tochter sollten den angebotenen Flug nach P. allerdings anstelle des geschuldeten Fluges nach M . als Erfüllung der vertraglichen Rückflugleistung annehmen. Damit hat die Beklagte durch ihre Erfüllungsgehilfen eine Leistung an Erfüllung statt angeboten. Dabei hat sie dieselben Sorgfaltsmaßstäbe zu beachten wie bei der ursprünglich geschuldeten Leistung. Sie mußte den Alternativflug insbesondere so anbieten , daß die Klägerin dadurch nicht in eine gesteigerte Gefahrenlage geriet. Die Beklagte hatte der Klägerin vielmehr durch angemessene Hilfe zu ermöglichen , den anderen Flug gefahrlos zu erreichen. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt wurde diese Hilfe nicht gewährt. Das die Klägerin zum Nachlaufen animierende Vorauslaufen des Mitarbeiters der Fluggesellschaft setzte die Klägerin vielmehr einem erhöhten Sturzrisiko aus. Es ist nicht
ersichtlich, daß die Erfüllungsgehilfen der Beklagten die ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätten, um der Klägerin ein problemloses Erreichen des Ausweichfluges zu ermöglichen. Unter diesen Umständen haftet die Beklagte für die materiellen Schäden der Klägerin infolge ihres Sturzes. Diese Haftung ergibt sich aus der Beklagten vorwerfbarem Verhalten bei der Bereitstellung des Ausweichfluges, nicht jedoch, wie das Berufungsgericht meint, schon aus der Nichtgewährung der vereinbarten Flugmöglichkeit.

f) Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden der Klägerin rechtsfehlerfrei verneint. Das ist von der Revision nicht beanstandet worden.
3. Die gegen die Tenorierung des Berufungsurteils erhobene Rüge greift ebenfalls nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann über eine unbezifferte Feststellungsklage zwar nicht durch Grundurteil entschieden werden (BGH, Urt. v. 04.10.2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsurteils ergibt aber, daß es als Feststellungsurteil zu verstehen ist. Die Worte "dem Grunde nach" im Feststellungsausspruch sind bedeutungslos.
4. Das angefochtene Urteil hat somit Bestand. Die Revision ist zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 259/02 Verkündet am:
6. Mai 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise begründet einen
ärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden
Arztes kommt es insoweit nicht an.

b) Wird aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforderlich
, der dem Patienten bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben
wäre, hat der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff einzustehen.
Dabei umfaßt seine Einstandspflicht regelmäßig auch die Folgen eines
Fehlers des nachbehandelnden Arztes.
BGH, Urteil vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02 - OLG Jena
LG Erfurt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Mai 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr.
Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 26. Juni 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht materieller und weiterer immaterieller Schäden in Anspruch. Sie suchte wegen Unterleibsbeschwerden den Zweitbeklagten, einen Gynäkologen, auf, um ein intrauterines Pessar (IUP) entfernen zu lassen. Der ambulant vorgenommene Versuch, das Pessar mittels Faßhäkchen zu entfernen, war erfolglos. Deshalb wurde vereinbart , den Eingriff stationär unter Narkose vorzunehmen. In der Frauenklinik der Drittbeklagten wurde die Klägerin, die selbst Kinderärztin ist, über die Möglichkeiten der Laparoskopie, der Pelviskopie, einer eventuell erforderlichen Lapa-
rotomie und die gegebenenfalls durchzuführende Ausschabung der Gebärmutter mit der Entfernung des IUP aufgeklärt. Der am 27. Mai 1994 unter Narkose von den Beklagten zu 1 und 2 vorgenommene Eingriff hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das IUP konnte weder mittels Kürette, noch mittels Faßhäkchen oder Faßzange entfernt werden. Die Operation wurde nach etwa 35 Minuten abgebrochen. Wegen unmittelbar danach auftretender starker Schmerzen im Uterusbereich erhielt die Klägerin Antibiotika und Schmerzmittel. Am 30. Mai 1994 wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen. Da die Unterleibsschmerzen nicht nachließen, suchte die Klägerin am 1. Juni 1994 die Frauenärztin Dr. P. auf. Diese wies sie in eine Klinik in F. ein, wo sie zunächst mit Antibiotika behandelt und ihr schließlich der Uterus entfernt wurde. Untersuchungen ergaben , daß dieser perforiert worden war.
Die Klägerin hat geltend gemacht, zu dieser Perforation sei es bei dem Eingriff am 27. Mai 1994 gekommen, als die Beklagten zu 1 und 2 entgegen dem medizinischen Standard wiederum Faßhäkchen verwendet hätten. Nachdem alle Versuche, das IUP zu entfernen, fehlgeschlagen seien, hätte die Operation unter Sicht, nämlich mittels Hysteroskopie und einer Laparoskopie weitergeführt werden müssen; dann wäre die Perforation erkannt und die spätere Entfernung des Uterus vermieden worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihr Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es sei bereits fraglich, ob überhaupt ein Behandlungsfehler hinsichtlich des Eingriffs selbst oder bezüglich der postoperativen Versorgung nachgewiesen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. habe die von den Beklagten zu 1 und 2 gewählte Vorgehensweise zur Entfernung des IUP den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen , und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich um den zweiten Versuch gehandelt habe. Eine dabei eingetretene Perforation des Uterus sei als schicksalhaft zu betrachten und habe von dem Operateur nicht unbedingt bemerkt werden müssen. Das Absehen von der ursprünglich geplanten Laparoskopie sei nicht zu beanstanden.
Ein Behandlungsfehler liege auch nicht in dem Unterlassen einer Hysteroskopie. Zwar habe der Sachverständige Prof. Dr. S. zunächst erklärt, es sei unverständlich , warum die Beklagten zu 1 und 2 nach dem erfolglosen Versuch nicht unter Einsatz eines Hysteroskops unter Sicht weiter operiert hätten. Eine Hysteroskopie habe komplikationslos vorgenommen werden können und sei von der Aufklärung und Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen. Seine ursprüngliche Einschätzung habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung jedoch dahingehend relativiert, daß die Beklagten zu 1 und 2 gegebenenfalls entweder wegen Unsicherheit über die Reichweite der erklärten Einwilligung übergroße Vorsicht hätten walten lassen oder mit dem neuen Instrumentarium des Hysteroskops angesichts des zur damaligen Zeit in den neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien und daher nicht ohne weiteres in dem laufenden Eingriff die Operationsmethode hätten wechseln wollen. Im Hinblick darauf sei der Abbruch des Eingriffs jedenfalls nicht grob fehlerhaft
gewesen. Auch sei der Klägerin durch das Unterlassen der Hysteroskopie - abgesehen von der Notwendigkeit eines dritten Eingriffs - noch kein (gravierender ) Nachteil entstanden.
Die Perforation des Uterus sei für dessen spätere Entfernung nicht ursächlich gewesen. Durch die Wahl einer neuen Ärztin und die Einweisung in die Klinik in F. habe die Klägerin eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1 und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Als Kinderärztin habe sie die Bedeutung der aufgrund ihrer damaligen Beschwerden nicht indizierten und mit ihrer Einwilligung vorgenommen Uterusentfernung gekannt.

II.


Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat Bedenken, die Perforation des Uterus auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. in seinen schriftlichen Gutachten komme es zu dieser Komplikation bei der Phase des Sondierens bzw. Aufdehnens des Gebärmutterhalses in etwa 0,5 % aller operativ angegangenen Fälle. Die Verwendung eines Hysteroskops ändere hieran nichts, da dieses wegen des Instrumentenkanals ebenfalls eine Aufdehnung des Gebärmutterhalses auf etwa 6 mm und die Sondierung erforderlich mache. Die bei dem Uterus der Klägerin festgestellte Perforation am Übergang zwischen Gebärmutterhals und -körper habe an der typischen Stelle gelegen, an welcher in der Regel beim Sondieren und Aufdehnen das Durchstoßen der Gebärmutterwand vorkomme. Deswegen
wäre mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Perforation auch dann erfolgt, wenn bei dem Eingriff von Anfang an ein Hysteroskop verwendet worden wäre.
Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe hierzu unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin übergangen. Diese hatte nämlich unter Hinweis auf medizinische Fachliteratur vorgetragen, daß bei primärer Anwendung eines Hysteroskops die Wahrscheinlichkeit einer Perforation lediglich 0,1 % betrage. Damit hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Es hätte die abweichende Erklärung von Prof. Dr. S. nicht unbesehen übernehmen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, diesen Widerspruch - etwa durch gezielte Nachfrage bei der mündlichen Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen - abzuklären (vgl. Senatsurteile vom 2. Juni 1987 - VI ZR 174/86 - VersR 1987, 1238; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749 f.; vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 67/93 – VersR 1994, 480, 482; vom 10. Mai 1994 - VI ZR 192/93 - VersR 1994, 984 f.; vom 22. Februar 2000 - VI ZR 100/99 - VersR 2000, 766 f. und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859 f.). Das gilt um so mehr, als die Einschätzung von Prof. Dr. S. auch im Widerspruch steht zu den Ausführungen in dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten. Darin heißt es, von Operateuren, die mit der Hysteroskopie vertraut seien, werde zunehmend primär die IUP-Entfernung unter Sicht gewählt , insbesondere, wenn sonographisch - wie hier - eine Dislokation festgestellt worden sei. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Einwand der Klägerin nachgehen müssen, daß die Gefahr einer Perforation bei einem Eingriff ohne Hysteroskop fünfmal höher sei und ein solches Vorgehen deshalb einen Behandlungsfehler nahelege.
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, auch das Absehen von einem Wechsel zur Hysteroskopie während des Eingriffs sei nicht behandlungsfehlerhaft gewesen. Als der Versuch, das IUP auf andere Weise zu entfernen, erneut
fehlgeschlagen sei, hätten die Beklagten zu 1 und 2 zwar sofort zur Hysteroskopie schreiten dürfen und dies gegebenenfalls unter Rücksichtnahme auf die Klägerin und zur Vermeidung eines weiteren Eingriffs auch tun sollen. Vorzuwerfen sei ihnen insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose. Diesem Umstand mißt das Berufungsgericht aber keine Bedeutung zu, weil darauf die Entfernung des Uterus nicht beruhe. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

a) Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung, daß in dem Unterlassen einer Hysteroskopie kein ärztlicher Behandlungsfehler liege, mit den Erklärungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. bei seiner mündlichen Anhörung im Berufungsverfahren, bei der dieser seine beiden in erster Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten erläutert hat. In seinem ersten schriftlichen Gutachten hatte er unter anderem ausgeführt, bei dem zweiten Versuch zur Entfernung des IUP hätte die Hysteroskopie in das Behandlungskonzept aufgenommen werden müssen. In seinem Ergänzungsgutachten heißt es dazu, er sei sich mit dem (von der Krankenkasse beauftragten Gutachter) Dr. K. dahingehend einig, daß das Hysteroskop hätte benutzt werden müssen; es sei "unverständlich", warum die Beklagten zu 1 und 2 nicht sofort zur Hysteroskopie geschritten seien , um der Klägerin einen neuen Eingriff mit neuer Narkose zu ersparen. Wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat der Sachverständige sich in diesem Sinne zunächst auch bei seiner mündlichen Anhörung geäußert und sodann erklärt, diese aus genereller Erfahrung als Facharzt und Gutachter geschöpfte Einschätzung in seinen beiden Gutachten sei aber bei näherem Bedenken zu relativieren.
Dieser Unklarheit in den Ausführungen des Sachverständigen in seinen schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen (vgl. Senatsurteile vom 17. September 1985 - VI ZR 12/84 - VersR 1985, 1187, 1188; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91 -
VersR 1992, 1015, 1016; vom 29. September 1992 - VI ZR 234/91 - VersR 1993, 245, 247 und vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196). Wenn es aus der Erklärung des Sachverständigen, die schriftlich geäußerte Einschätzung sei zu relativieren, folgern wollte, dieser verneine nunmehr das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, hätte es ihn gezielt in dieser Richtung befragen müssen. Den Entscheidungsgründen läßt sich nicht entnehmen , inwieweit dies geschehen ist. Mündliche Erklärungen von Sachverständigen sind gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO grundsätzlich im Protokoll festzustellen. Bei einer wiederholten Anhörung oder bei einer mündlichen Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens sind jedenfalls die Erklärungen zu protokollieren, die inhaltlich von früheren Aussagen abweichen. Davon darf im Einverständnis mit den Parteien nur abgesehen werden, wenn die an sich zu protokollierende Aussage in einem Berichterstattervermerk hinreichend klar und vollständig niedergelegt wird, damit eine revisionsrechtliche Nachprüfung darüber möglich ist, ob das Berufungsgericht den Sachverständigen in diesem wichtigen Punkt richtig verstanden hat (vgl. hierzu BGHZ 40, 84, 86; Senatsurteile vom 24. Februar 1987 - VI ZR 295/85 - VersR 1988, 290, 291 und vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - aaO; BGH, Urteile vom 5. Juli 1972 - VIII ZR 157/71 - NJW 1972, 1673 und vom 24. Oktober 1990 - XII ZR 101/89 - NJW 1991, 1547, 1548 f.). Die von seiner schriftlichen Beurteilung abweichenden mündlichen Erklärungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sind weder protokolliert noch in einem Berichterstattervermerk festgehalten worden. Bei dieser Sachlage sieht die Revision zu Recht einen durchgreifenden Verfahrensfehler gem. § 286 ZPO darin, daß das Berufungsgericht in dem Absehen von einer Hysteroskopie keinen Behandlungsfehler gesehen hat, ohne zu diesem Punkt weitere Feststellungen zu treffen, zumal die schriftliche Beurteilung des Sachverständigen sowohl mit dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten als auch mit der Einschätzung des von der Krankenkasse beauftragten Gutachters Dr. K. übereinstimmt.

b) Mit Recht weist die Revision auch darauf hin, daß die von dem Sachverständigen Prof. Dr. S. in seiner mündlichen Erläuterung angeführten Umstände , wonach die Beklagten zu 1 und 2 möglicherweise Zweifel über den Umfang der von der Klägerin erklärten Einwilligung gehabt hätten oder im Umgang mit dem Hysteroskop noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien, nicht geeignet sind, einen ärztlichen Behandlungsfehler zu verneinen. Der erste Gesichtspunkt spielt für die Frage eines Behandlungsfehlers keine Rolle und ist dem Parteivorbringen auch nicht zu entnehmen. Bei dem zweiten Aspekt hat das Berufungsgericht den auch im Arzthaftungsrecht maßgeblichen objektivierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB verkannt (vgl. Senatsurteil BGHZ 113, 297, 303). Hiernach hat der Arzt grundsätzlich für sein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Vorgehen auch dann haftungsrechtlich einzustehen, wenn dieses aus seiner persönlichen Lage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen mag (Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - VersR 2001, 646). Aus diesem Grund kann ein Behandlungsfehler auch nicht mit der Erwägung des Sachverständigen Prof. Dr. S. verneint werden, möglicherweise seien die Beklagten zu 1 und 2 mit dem Instrumentarium des Hysteroskops angesichts des zur damaligen Zeit in den neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen und hätten daher nicht ohne weiteres in dem laufenden Eingriff die Operationsmethode wechseln wollen. Wenn das Krankenhaus, wovon das Berufungsgericht ausgeht, über ein Hysteroskop verfügte, hätte dieses bei dem Eingriff bei Bestehen einer entsprechenden Indikation eingesetzt werden müssen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80 und vom 30. Mai 1989 - VI ZR 200/88 - VersR 1989, 851, 852). Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise bedeutet eine Abweichung von dem haftungsrechtlich maßgeblichen Standard eines Facharztes (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330 f.) und begründet einen ärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt
es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - aaO).
3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein etwaiger Behandlungsfehler sei jedenfalls nicht als ein grober Fehler zu bewerten, der so weit vom anerkannten medizinischen Standard abweiche, daß er einem Arzt in einer vergleichbaren Situation schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Bei dieser Beurteilung stützt sich das Berufungsgericht wiederum auf die nicht protokollierte und auch nicht in einem Berichterstattervermerk festgehaltene mündliche Erläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. S.. Dieser habe erklärt, im Falle der Klägerin wäre keine ambulante, sondern nur eine operative Hysteroskopie in Betracht gekommen, die zur Zeit des Eingriffs im Jahre 1994 spezielle Kenntnisse und Erfahrungen erfordert habe, über die die Beklagten zu 1 und 2 damals möglicherweise noch nicht verfügt hätten. Dies hätte weiterer Aufklärung durch entsprechende Nachfragen bedurft. Die Aussage des Sachverständigen läßt nämlich nicht hinreichend deutlich erkennen, ob er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß die angesprochenen speziellen Kenntnisse und Erfahrungen seinerzeit möglicherweise noch nicht zum medizinischen Standard eines Facharztes zählten und nur bei einer zusätzlichen Spezialisierung zu erwarten waren oder ob nur die Beklagten zu 1 und 2 möglicherweise nicht über diese Kenntnisse und Erfahrungen verfügten. Sollte letzteres gemeint gewesen sein, würde dies der Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht entgegenstehen , da im Arzthaftungsrecht - wie dargelegt - der allgemeine objektivierte zivilrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff gilt (vgl. Senatsurteil BGHZ 113, 297, aaO), bei dem es auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes nicht ankommt (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - aaO).
4. Das Berufungsgericht nimmt an, ein etwaiger Behandlungsfehler sei für die spätere Uterusentfernung jedenfalls nicht ursächlich geworden und der Klä-
gerin sei durch das Absehen von einer Hysteroskopie kein gravierender Nach- teil entstanden. Auch diese Erwägungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

a) Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, daß bei (späterem) Einsatz eines Hysteroskops nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen die Chance bestanden hätte, eine zuvor erfolgte Perforation zu erkennen und dies nach Einschätzung der Vorgutachter eine möglicherweise uteruserhaltende Versorgung erlaubt hätte, kann sie allerdings keinen Erfolg haben. Sie übersieht, daß sich der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht mit diesem Einwand eingehend auseinandergesetzt haben. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist dazu im einzelnen ausgeführt, daß nach Beurteilung des Sachverständigen die später erfolgte Uterusentfernung aufgrund der Perforation nicht indiziert gewesen sei. Bei der postoperativen Versorgung sei ebenfalls kein Fehler gemacht worden. Medizinisch Notwendiges sei nicht unterlassen worden. Gegen diese tatrichterliche Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

b) Dem Berufungsgericht kann aber darin nicht gefolgt werden, daß die Beklagten für das Absehen von einer Hysteroskopie deswegen haftungsrechtlich nicht einzustehen hätten, weil den Beklagten zu 1 und 2 insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose vorzuwerfen sei und die spätere Uterusentfernung darauf nicht beruhe. Mit Recht macht die Revision geltend, daß nach Lage der Dinge sowohl bei primärem Einsatz eines Hysteroskops als auch bei einem Wechsel zur Hysteroskopie das IUP nach Einschätzung aller Gutachter entfernt worden wäre und damit der Eingriff gelungen und ein weiterer Eingriff nicht notwendig gewesen wäre. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus. Es verkennt jedoch, daß die Entfernung des Uterus auf dem zusätzlichen Eingriff beruht, welcher der Klägerin bei korrektem medizinischen Vorgehen erspart geblieben wäre. War das Absehen von einer Hyste-
roskopie behandlungsfehlerhaft, kommt es für die gem. § 287 ZPO zu beurteilende Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Entfernung des Uterus als Folge des in dem zusätzlichen weiteren Eingriff liegenden Primärschadens nicht darauf an, ob den Beklagten zu 1 und 2 auch die Uterusperforation oder deren Nichterkennen als Behandlungsfehler anzulasten wären.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Ursachenzusammenhang auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Klägerin habe in freier Verantwortung durch die Wahl einer neuen Ärztin, die Einweisung in eine andere Klinik und ihre Zustimmung zur Uterusentfernung eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Ursachenbeitrag der Beklagten zu 1 und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Das Berufungsgericht übersieht, daß es zu diesem Geschehensablauf nicht gekommen wäre, wenn die Entfernung des IUP durch Einsatz eines Hysteroskops gelungen und der Klägerin deswegen ein weiterer Eingriff erspart geblieben wäre. Eine haftungsrechtliche Zuordnung der Uterusentfernung käme selbst dann in Betracht, wenn diese - nach Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen medizinisch nicht indizierte - Maßnahme der Klägerin von der Frauenärztin Dr. P. fehlerhaft angeraten worden wäre, denn die Einstandspflicht des Arztes für einen Behandlungsfehler umfaßt regelmäßig auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes, wenn die Nachbehandlung durch den Fehler des erstbehandelnden Arztes mit veranlaßt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 - VI ZR 83/85 - VersR 1986, 601, 602 f. und vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - VersR 1988, 1273, 1274). Die Grenze, bis zu welcher der Erstschädiger dem Verletzten für die Folgen einer späteren fehlerhaften ärztlichen Behandlung einzustehen hat, wird in aller Regel erst dann überschritten, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlaß für die Erstbehandlung in keinem inneren Zusammenhang steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt
in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen oder derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, daß der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugeordnet werden muß (Senatsurteil vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - aaO m.w.N.). Dazu ist im Streitfall nichts festgestellt.

c) Im übrigen käme eine Einstandspflicht der Beklagten auch in Betracht, wenn ihnen, wie das Berufungsgericht meint, lediglich die Vornahme eines weiteren Eingriffs in Narkose anzulasten wäre. Auch ein solcher Eingriff wäre eine Körperverletzung, für die die Beklagten haftungsrechtlich einzustehen hätten. Bei dieser Sachlage hätte die Klage nach den bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht in vollem Umfang abgewiesen werden dürfen.

III.


Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen nachgeholt werden können. Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr
14
(1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 24; vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420 f.; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 29 f. mwN). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130; BGH, Urteil vom 14. März 1985 - IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1332, jeweils mwN).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Juni 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg teilweise geändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.268,54 € nebst 4 % Zinsen p.a. seit dem 19. Juni 2000 sowie weitere 6.391,15 € (Schmerzensgeld) nebst 4 % Zinsen p.a. seit dem 17. September 2002 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 50 % seines zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens aufgrund des Verkehrsunfalls vom 13. Februar 1997 in A zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1

Der Kläger nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie umfassende Feststellung aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 13. Februar 1997 gegen 18.30 Uhr in A in Anspruch.

2

Der Kläger hielt zum Unfallzeitpunkt mit seinem Pkw vor einer Ampelanlage, die auf Rot umgesprungen war, an, der Beklagte zu 1. fuhr mit seinem seinerzeit bei der Beklagten zu 2. gegen Haftpflichtschäden versicherten Pkw auf das Fahrzeug des Klägers auf.

3

Der Kläger hat behauptet und behauptet weiterhin in erster Linie, er habe durch den Aufprall ein „HWS-Beschleunigungstrauma“ erlitten. Infolge des Unfalles sei er – der Kläger war … – frühzeitig verrentet worden; unter den Unfallfolgen, namentlich ständigen Kopfschmerz, der teilweise in die Arme ausstrahle, Schwindel insbesondere bei Drehungen des Kopfes und permanenten Schlafstörungen leide er nach wie vor seit dem Unfall.

4

Hilfsweise behauptet der Kläger zweitinstanzlich, dass – sollte eine Verletzung der Halswirbelsäule durch den Unfall nicht bewiesen sein – er bei dem Unfall einen psychischen Schaden erlitten habe, der die von ihm geklagten Beschwerden verursacht habe.

5

Die Beklagten haben bestritten und bestreiten weiterhin, dass der Kläger durch den Unfall eine Verletzung der Halswirbelsäule erlitten habe, ebenso wenig einen psychischen Primärschaden. Die von ihm geltend gemachten Beschwerden seien unfallunabhängig aufgetreten,  bedingt durch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers. Möglich sei auch, dass der Kläger schlechthin simuliere.

6

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 32.343,71 DM (16.537,08 €) Verdienstausfall, mindestens 25.000,00 DM (12.782,30 €) Schmerzensgeld und umfassende Feststellung gerichtete Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach dem unfallanalytischen Gutachten des Sachverständigen B sei von einer Geschwindigkeitsänderung von allenfalls 5,2 km/h des klägerischen Fahrzeuges durch den Auffahrunfall auszugehen. Eine solche Geschwindigkeitsänderung sei im sogenannten „Harmlosigkeitsbereich“ angesiedelt, zu Verletzungen der Halswirbelsäule könne sie nicht führen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.

8

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge – erweitert um die Geltendmachung von Rechtshängigkeitszinsen auf das beantragte Schmerzensgeld – unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter; die Beklagten tragen auf Zurückweisung der Berufung an. Gegenüber dem Zinsanspruch auf das Schmerzensgeld haben sie die Einrede der Verjährung erhoben.

9

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

10

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 22. September 2003 (Bl. 253 d.A.), 23. September 2004 (Bl. 306/307 d.A.) und 18. Mai 2006 (Bl. 412 d.A.). Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das interdisziplinäre Gutachten der Sachverständigen C und D vom 26. Mai 2004 (AT Bd. II), das nervenärztliche Gutachten des Sachverständigen E nebst testpsychologischem Zusatzgutachten jeweils vom 26. Juli 2005 (AT Bd. II) und den Berichterstattervermerk über den Termin vom 8. Juni 2006 (Bl. 240 d.A.) über die Vernehmung der Ehefrau des Klägers Bezug genommen. Der Sachverständige E hat sein Gutachten – wie aus dem Berichterstattervermerk über den Termin vom 19. Dezember 2005 (Bl. 373 – 375 d.A.) ersichtlich – erläutert.

11

Letztlich hat der Senat den Kläger persönlich (BEV 19.12.2005) gemäß § 141 ZPO angehört.

12

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

13

Die Beklagten haften dem Kläger gesamtschuldnerisch gemäß §§ 823, 847 BGB a.F., 7 StVG a.F. (Art. 229 § 8 EGBGB), 3 PflVG auf materiellen und immateriellen Schadensersatz aufgrund des Auffahrunfalls vom 13.02.1997, auch das Feststellungsbegehren erweist sich als begründet. Allerdings rechtfertigt eine feststehende Schadensveranlagung des Klägers im Sinne einer (unfallunabhängigen) Prädisposition einen prozentualen Abschlag in Höhe von 50 von Hundert auf die von den Beklagten zu erbringenden Schadensersatzleistungen (vgl. BGH NJW 1998, S. 810 (813)).

14

Im Einzelnen:

15

Zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) steht fest, dass der Kläger infolge des Unfalles eine sogenannte Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule erlitten hat. Zwar ist in dem vom Senat eingeholten interdisziplinären Sachverständigengutachten ausgeführt, dass die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeuges des Klägers durch den Aufprall „lediglich“ zwischen 6 und 10 km/h gelegen habe, womit eine Geschwindigkeitsänderung von 6 km/h bewiesen ist. Auf dieser Grundlage ist im medizinischen Teil des Gutachtens vom Sachverständigen D ausgeführt, dass bei einer geringst möglichen einwirkenden biomechanischen Belastung von gerundet 6 km/h eine Halswirbelsäulen-Beschleunigungsverletzung eher auszuschließen sei, bei der höchstmöglichen biomechanischen Belastung von gerundet 10 km/h sei sie nachvollziehbar. Die vom Kläger behauptete sogenannte „Out-Off-Position“ – der Kläger gibt an, im Zeitpunkt des Aufpralles sich nach rechts zum Beifahrersitz hin gebeugt zu haben, um dort die Löschsicherung einer Videokassette herauszunehmen – sei als verletzungsfördernder Faktor nur bei einer Geschwindigkeitsänderung von 10 km/h anzusehen. Auf dieser Grundlage verneint der Sachverständige D schon eine Verletzungsmöglichkeit der Halswirbelsäule.

16

Dem folgt der Senat aber nicht. Denn den Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen D liegt die im Gutachten nicht explizit erwähnte Annahme einer sogenannten „Harmlosigkeitsgrenze“ bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung (Delta V) von bis zu 10 km/h zugrunde, auf deren Existenz ausdrücklich das angefochtene Urteil beruht; eine derartige Schematisierung ist aber spätestens seit der Entscheidung BGH NJW 2003, S. 1116 ff überholt. Der Bundesgerichtshof hat in jener Entscheidung ausdrücklich ausgeführt (aaO, S. 117), dass gegen die schematische Annahme einer solchen „Harmlosigkeitsgrenze“ (auch) spreche, dass die Beantwortung der Kausalitätsfrage nicht allein von der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, sondern dann eben von einer Reihe anderer Faktoren abhänge. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung verursacht habe, seien stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Daher bedürfe es noch nicht einmal der Einholung eines Gutachtens über die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung, wenn das Gericht in tatrichterlicher Würdigung die Überzeugung davon gewonnen habe, dass durch den Unfall eine Körperverletzung verursacht worden sei.

17

Diese Ausführungen des Bundesgerichtshofs entsprechen der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Senats, der als Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen ständig mit vergleichbaren Sachverhalten befasst ist und dabei – unterstützt von medizinischen Sachverständigen der unterschiedlichsten Fachrichtungen – ebenfalls die Erkenntnis gewonnen hat, dass die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung nur einer von vielen Faktoren zur Beurteilung der Frage, ob ein Unfallbeteiligter bei einer Kollision eine Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule erlitten hat, sein kann.

18

Hier verhält es sich nun so, dass der Kläger vor dem Unfall zwar nicht gesund war, er litt unter internistischen Problemen wie Bluthochdruck, auch psychisch war er – worauf noch einzugehen sein wird – vorbelastet. Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule hingegen hatte der Kläger bis zum Unfallzeitpunkt nicht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Schreiben der Hausärztin des Klägers F vom 25.01.2001 (Bl. 229 d.A.), einer Bestätigung der Krankenversicherung des Klägers, der G vom 01.02.2001 (Bl. 166 d.A.), wonach vor dem 13.02.1997 dort keine Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gespeichert sind, die in ursächlichem Zusammenhang stehen, und weiteren zur Akte gereichten Berichten der den Kläger vor dem Unfall behandelnden Ärzte. Vielmehr hat auch die Ehefrau des Klägers (Berichterstattervermerk vom 08.06.2006) glaubhaft bekundet, dass der Kläger vor dem Unfall nie Beschwerden im Hals-Nacken-Bereich gehabt habe, er auch nie derartiges geäußert habe. Dies sei erst seit dem Unfall so. Letztlich hat auch der Kläger in seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat glaubhaft dargelegt, vor dem Unfall Beschwerden, wie sie seit dem Unfall bei ihm vorlägen, niemals gehabt zu haben. Lediglich in Jugendjahren habe er beim Gewichtheben einmal einen Muskelriss im Schulterbereich gehabt. Dass der Kläger tatsächlich die von ihm geltend  gemachten Beschwerden hat, haben im Übrigen weder der Sachverständige D noch der nervenärztliche Sachverständige E in Abrede genommen. Hinzu kommt, dass der Kläger unstreitig am Tag nach dem Unfall – nachdem er in der Nacht vom 13. auf den 14.02.1997 nach seinen glaubhaften Angaben unter Schwindel und Schmerzen litt – sich in die H-klinik begeben hat und dort ein HWS-Syndrom diagnostiziert worden ist.

19

Da es auch im Rahmen des Strengbeweises gemäß § 286 ZPO, der für den haftungsbegründenden Primärschaden maßgeblich ist, nicht auf eine mathematisch lückenlose Gewissheit, sondern „nur“ auf einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Überzeugung ankommt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ist der Senat in diesem Sinne davon überzeugt, dass der Kläger durch den Unfall eine Halswirbelsäulen-Beschleunigungsverletzung erlitten hat.

20

Steht damit der Haftungsgrund fest, ist für die haftungsausfüllende Kausalität, also die Folgen der Primärverletzung, der weniger strenge Beweismaßstab des § 287 ZPO anzulegen.

21

In diesem Sinne steht fest, dass der Kläger nicht nur seit dem Unfall unter andauernden Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Schwindel leidet, sondern er letztlich infolge des Unfalles vorzeitig verrentet worden ist.

22

Denn Ursache der Verrentung waren nicht etwa die Beschwerden, die der zum Unfallzeitpunkt bestehenden Krankschreibung des Klägers zugrunde lagen, nämlich Handgelenksbeschwerden infolge eines Sturzes mit dem Verdacht auf ein Carpaltunnelsyndrom, sondern die aus der unfallbedingten Halswirbelsäulenverletzung resultierenden Beschwerden.

23

Dem Grunde nach haften die Beklagten daher vollen Umfanges für die unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden des Klägers. Der Höhe nach hält der Senat jedoch einen 50%igen Abschlag auf die zu erbringenden Schadensersatzleistungen für gerechtfertigt. Denn aufgrund des schriftlichen Gutachten des Sachverständigen E und der dazu abgegebenen mündlichen Erläuterungen steht fest, dass beim Kläger eine unfallunabhängige, auf Prädisposition beruhende (endgültige) Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens eingetreten ist, die einen derartigen prozentualen Abschlag rechtfertigt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen E handelt es sich bei dem Kläger um eine schadensveranlagte Persönlichkeit, er war schon vor dem Unfall psychosomatisch krank. Der Kläger hatte sich aufgrund innerseelischer Gebote und Schranken in hohem Maße erschöpft, was schon zuvor bei ihm zu einem psychischen Erschöpfungszustand geführt hatte. Der Kläger war in Kindheit und Jugend starken seelischen Belastungsfaktoren ausgesetzt, sein seelisches Gleichgewicht hat er stets durch überdurchschnittliche Leistungen im beruflichen Bereich aufrecht zu erhalten versucht (S. 42/43 des schriftlichen Gutachtens).

24

Ausgehend davon, dass der Kläger – wie feststeht – tatsächlich eine Halswirbelsäulen-Beschleunigungsverletzung erlitten hat, hat der Sachverständige vor dem Senat erläutert, dass dann auch eine entsprechende Fehlverarbeitung in Form einer Anpassungsstörung denkbar sei. Diese sieht der Senat hier als gegeben an und zwar in Form einer sogenannten somatoformen Störung.

25

Grundsätzlich haftet ein Schädiger zwar auch für seelisch bedingte Folgeschäden (BGH NJW 1996, S. 2425 ff; BGH NJW 2000, S. 862 ff), es sei denn, die Primärverletzung, die der Geschädigte bei dem Unfall erlitten hat, wäre eine schlichte Bagatelle. Die Halswirbelsäulen-Beschleunigungsverletzung des Klägers war zwar nur leichteren Umfanges, hatte aber keinesfalls Bagatellcharakter in dem Sinne, dass es sich um eine Beeinträchtigung gehandelt hätte, die jedermann täglich und regelmäßig folgenlos erleiden kann. Diese Verletzung traf auf die dargestellte entsprechende Prädisposition des Geschädigten, wobei der durch den Unfall ausgelöste Schaden aufgrund der psychischen Vorschäden des Klägers auch ohne den Unfall früher oder später eingetreten wäre. Dies ergibt sich sowohl aus den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen E als auch aus seinen mündlichen Erläuterungen und rechtfertigt den prozentualen Abschlag der Höhe nach.

26

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Schadensersatzbegehren des Klägers aber nicht zeitlich zu beschränken. Zwar mag – wie vom Sachverständigen E ausgeführt – nach den Vorgaben der Diagnosemanuale eine Anpassungsstörung maximal ein Jahr andauern; eine derartige zeitliche Beschränkung mag im medizinischen Sinne angezeigt sein, tatsächlich dauern die durch den Unfall ausgelösten, wenn auch durch eine entsprechende Prädisposition des Klägers begünstigten, Unfallfolgen an, sind – wie etwa die Verrentung – auch unfallbedingt eingetreten, so dass eine zeitliche Beschränkung anhand schematischer Vorgaben medizinischer Diagnosemanuale nicht in Betracht kommt, vielmehr ein prozentualer Abschlag im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. auch Senat, Urteil vom 02.06.2005, 7 U 124/01/ SchlAnz 2006, 163 f.) zu machen ist.

27

Der Höhe nach ist dem Kläger bis zum 31. Januar 2000 (jedenfalls) ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 32.343,71 DM (16.537,08 €) entstanden. Diesen Schaden hat der Kläger im einzelnen in der Klagschrift substantiiert dargelegt und mit entsprechenden Unterlagen (Verdienstbescheinigungen, Krankengeldbescheinigungen und Rentenbescheiden) belegt; die Beklagten sind dem nicht näher entgegen getreten.

28

Bei einem 50%igen Abschlag ergibt sich damit ein zu ersetzender Verdienstausfallschaden bis zum 31. Januar 2000 in Höhe von 16.171,86 DM (8.268,54 €).

29

Der Kläger hat ein Schmerzensgeld in Höhe von (mindestens) 25.000,00 DM (12.782,30 €) geltend gemacht. Unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der andauernden Unfallfolgen, ist ein derartiges Schmerzensgeld (an sich) zum Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen angemessen, aber auch ausreichend. Unter anspruchskürzender Berücksichtigung der Prädisposition des Klägers ergibt sich der ausgeurteilte Betrag von 6.391,15 € (12.500,00 DM) an Schmerzensgeld.

30

Mit der prozentualen Beschränkung ist auch das Feststellungsbegehren des Klägers begründet.

31

Die materiellen Schäden sind wie beantragt und zuerkannt gemäß §§ 284, 288 BGB a.F. zu verzinsen.

32

Zinsen auf das Schmerzensgeld gemäß §§ 288, 291 BGB a.F. schulden die Beklagten hingegen erst ab Geltendmachung im Berufungsrechtszug durch am 17. September 2002 zugestellten Schriftsatz des Klägers vom 12. September 2002.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

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Dass der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag etwa hat fallen lassen , ist im Übrigen nicht ersichtlich. Zwar kann dies auch konkludent geschehen. Die Annahme, eine Partei wolle in dieser Weise erhebliches Vorbringen nicht mehr aufrechterhalten, setzt jedoch eindeutige Anhaltspunkte voraus; im Zweifel obliegt es dem Gericht zu klären, ob eine Partei Sachvortrag nicht aufrechterhalten will (BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 - VII ZR 160/97 - NJW 1998, 2977, 2978). Hierfür fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Auch die Klägerin ist hiervon nicht ausgegangen, da sie in ihrer Berufungserwiderung dem Beklagten entgegengehalten hat, er verkenne, dass ein Verstoß des Arztes gegen etwaige einschränkende Abreden mit dem Patienten nur das Innen-, nicht aber das Außenverhältnis betreffe, so dass - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe - der diesbezügliche Vortrag nicht entscheidungserheblich gewesen sei.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.