Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2009 - VI ZR 24/09
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, bei der der Gynäkologe Dr. B. haftpflichtversichert ist, macht aus übergegangenem Recht gegenüber dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Belegklinik Dr. Bo. GmbH den gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruch geltend.
- 2
- Am 8. August 1997 wurde die Schwangere N. A. von Dr. B. in die geburtshilfliche Abteilung der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin wegen prätibialer Ödeme eingewiesen. Am 9. August 1997 gegen 4.00 Uhr morgens hatte N. A. einen Blasensprung. Gegen 9.15 Uhr legte die Hebamme E. einen Wehentropf an und kontrollierte die kindliche Herzfrequenz mittels eines CTG. Da die Herzfrequenz schon kurz nach Beginn der Aufzeichnungen bei 200 s/min. lag, verabreichte die Hebamme gegen 9.45 Uhr der Schwangeren Isoptin. Daraufhin sank die Frequenz auf 165 s/min. bis kurz vor 10.00 Uhr und bis 11.00 Uhr auf etwas unter 160 s/min. Dr. B. untersuchte die Schwangere gegen 11.00 Uhr. Dabei sah er die CTG-Kurve nicht ein. Ohne weitere medizinische Maßnahmen zu veranlassen, verließ er die Klinik. Um die Mittagszeit begann N. A. aus der Scheide zu bluten. Da die Herztöne des Kindes gegen 13.15 Uhr auf 70 s/min. absanken, rief die Hebamme E. um 14.15 Uhr Dr. B. an, der um 14.20 Uhr eine sofortige Kaiserschnittentbindung anordnete. Um 14.25 Uhr verständigte E. den Anästhesisten N., der gegen 15.00 Uhr im Krankenhaus eintraf. Die Narkose zur Durchführung der Notsectio wurde um 15.20 Uhr eingeleitet. Um 15.24 Uhr erfolgte die Geburt des Mädchens H. A., das als Folge einer geburtsassoziierten hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung unter einem schweren psychoneurologischen Restschadensyndrom leidet. Es besteht ein fokales cerebrales Anfallsleiden. H. A. kann weder allein essen noch trinken und muss über eine Sonde ernährt werden. Die Mutter N. A. musste wegen einer Uterusruptur und der Folgen einer vorzeitigen Plazentaablösung in die Frauenklinik in W. verlegt werden, wo die Gebärmutter entfernt werden musste.
- 3
- Die Insolvenzschuldnerin hatte im Rahmen des Belegarztvertrages mit Dr. N. vereinbart, dass er wegen der räumlichen Entfernung zu seinem Wohnort während der Bereitschaftszeit innerhalb von 45 Minuten nach Alarmierung in der Klinik eintreffen müsse. Dr. B. kannte die Vereinbarung. Er erklärte sich am 23. Januar 1995 trotzdem damit einverstanden, dass Dr. N. als Facharzt für Anästhesie die gesamte operative und postoperative anästhesiologische Betreuung seiner Patienten in der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin auf Dauer übernimmt.
- 4
- N. A. und H. A. haben Dr. B. und die Insolvenzschuldnerin auf materiellen Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen (Az.: 4 O 2113/00 Landgericht Braunschweig). Die Klage gegen die Insolvenzschuldnerin hat das Landgericht durch rechtskräftig gewordenes Teil- urteil vom 5. Juli 2001 abgewiesen. Danach ist die Insolvenzschuldnerin nach Streitverkündung dem Rechtsstreit gegen Dr. B. beigetreten. Mit Grundurteil vom 13. Juni 2002 hat das Landgericht die Klage gegen Dr. B. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 16. Januar 2003 (Az.: 1 U 70/02) die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld an H. A. zurückgewiesen und festgestellt , dass Dr. B. verpflichtet ist, ihr sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen. Am 24. Mai 2005 haben die Parteien einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossen, aufgrund dessen Dr. B. u. a. ein Schmerzensgeld von 500.000 € an H. A. zu zahlen hat.
- 5
- Im Streitfall hat das Landgericht der Klage auf Ausgleich der von der Klägerin erbrachten Zahlungen teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung, mit der die Klägerin Ersatz von Rechtsverfolgungskosten begehrt hat, hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich für die Klägerin, weil nicht erwiesen sei, dass das späte Eintreffen des Anästhesisten Dr. N. in der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin schadens- ursächlich geworden sei. Der Senat neige zwar dazu, einen groben Organisationsfehler der Insolvenzschuldnerin anzunehmen. Nach dem medizinischen Standard sei nämlich bei einer Notsectio die Einhaltung einer Zeit von 20 bis 30 Minuten zwischen der Entscheidung zur sectio bis zur Entbindung (E-E-Zeit) erforderlich. Bei der vereinbarten Anreisezeit von maximal 45 Minuten für den Anästhesisten werde dieser Zeitraum nicht eingehalten. Beweiserleichterungen wegen eines groben Behandlungsfehlers fänden für den Anspruch auf selbständigen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zwischen grob fehlerhaft handelnden Personen oder Einrichtungen jedoch keine Anwendung. Die Figur des groben Behandlungsfehlers sei entwickelt worden, um zur Waffengleichheit zwischen Patient und Arzt im Arzthaftungsprozess beizutragen. Sie sei keine Sanktion für ärztliches Behandlungsverschulden, sondern diene der Ausgleichung der durch den groben Behandlungsfehler zu Lasten des Patienten verschlechterten Beweissituation. Im Streitfall komme hinzu, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin, Dr. B., aufgrund der groben Fehlerhaftigkeit der Behandlung und der Unterlassung der möglichen weitergehenden Befunderhebungen und Dokumentationen die Beweissituation zur Frage der Schadenskausalität und für die Abgrenzung etwaiger Verursachungsbeiträge verschlechtert habe. Es spreche viel dafür, dass bei der Abwägung der beidseitigen Verschuldens- und Verursachungsanteile (§ 254 BGB) die Mitverantwortung der Insolvenzschuldnerin hinter dem überwiegenden Verschulden des Dr. B. zurücktrete. Dr. B. habe die Gebärende trotz erkennbarer schwerster Komplikationen letztlich sich selbst überlassen. Ein schwerer Behandlungsfehler sei schon darin zu sehen, dass Dr. B. aufgrund der Nachlässigkeit bei der Visite die absolut kontraindizierte Gabe von Isoptin durch die Hebamme nicht bemerkt habe. Zusätzlich zu den bereits festgestellten Fehlern sei auch noch zu berücksichtigen, dass der Schwangeren am Vortag bei der Aufnahme kontraindikativ das Medikament Lasix verabreicht worden sei.
- 7
- Soweit die Klägerin ihren Anspruch nach § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 67 VVG a.F. auf den übergegangenen Anspruch der Geschädigten gegen die Insolvenzschuldnerin stütze, müsse sie die rechtskräftige Abweisung der Klage durch Teilurteil des Landgerichts B. vom 5. Juli 2001 - 4 O 2113/00 - gegen sich gelten lassen. Das Klagebegehren und der zugrunde liegende Lebenssachverhalt seien identisch mit dem des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses.
- 8
- Zur Klärung der Frage, ob der Grundsatz der Beweiserleichterung aufgrund eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers auch auf den selbständigen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 Abs. 1 BGB) zugunsten eines Behandlers Anwendung findet, der einen der Behandlungsseite zuzuordnenden Mitschädiger in Anspruch nimmt, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
II.
- 9
- Die Revision der Klägerin bleibt erfolglos.
- 10
- 1. Für den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner sind in der Regel drei Anspruchsgrundlagen in Betracht zu ziehen, zum einen der Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, der gleichzeitig mit der Gesamtschuld entsteht, zum andern der zur Bestärkung des Regressrechts des Ausgleichsberechtigten kraft Gesetzes übergehende Anspruch des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 2 BGB und des Weiteren außerhalb der Gesamtschuld stehende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche z.B. aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherung zwischen dem ausgleichsberechtigten und den anderen Gesamtschuldnern. Diese Ansprüche können in Anspruchskonkurrenz zu § 426 Abs. 1 BGB und dem gemäß § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch eine dritte Anspruchsgrundlage bilden, ihnen kommt vor allem die Wirkung zu, das Maß der offenen Regel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichend von der kopfteiligen Haftung zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1988 - V ZR 183/86 - NJW 1988, 1375, 1376; Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl., § 426 Rn. 14 und 32). Der gemäß § 426 Abs. 2 BGB übergegangene Anspruch und der selbständige Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wie auch der unter Umständen hinzutretende dritte Anspruch aus eigenem Recht sind selbständige Ansprüche, die auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhen, verschiedene Voraussetzungen haben und in Anspruchskonkurrenz zueinander stehen (vgl. BGHZ 59, 97, 102 f.). Unabhängig davon können sich die konkurrierenden Regressansprüche gegenseitig beeinflussen. So wird zwar in der Regel der Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB von den Einreden und Einwendungen gegen den übergegangenen Anspruch nich t berührt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - VII ZR 109/08 - WM 2009, 1854 Rn. 10 ff. zur Einrede der Verjährung; Erman/Ehmann, aaO, Rn. 33; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 426 Rn. 53). Jedoch geht der Anspruch aus fremdem Recht nur insoweit über als der Ausgleichsberechtigte gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 Regress verlangen kann, womit die Höhe der Ansprüche aneinander angepasst wird.
- 11
- a) Außerhalb der Gesamtschuld stehende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind ersichtlich nicht gegeben.
- 12
- b) Der Streitfall wirft auch nicht die Frage auf, ob die für den Patienten geltenden Beweiserleichterungen bei Geltendmachung eines übergeleiteten Anspruchs im Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB Anwendung finden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - III ZR 391/04 - VersR 2005, 1443 und BGHZ 163, 53 zur Beweislast bei der Haftung wegen eines voll beherrschbaren Risikos; OLG Hamm, GesR 2005, 70; OLG Stuttgart, Urteil vom 18. April 2006 - 1 U 127/04 - rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den erkennenden Senat vom 10. Juli 2007 - VI ZR 94/06 und OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 2004 - 1 U 87/03 - rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den erkennenden Senat vom 31. Mai 2005 - VI ZR 300/04 -; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 6. Aufl., B V Rn. 256; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 139; Schramm, Der Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, Diss. 1992, S. 268 ff.; verneinend für den Fall der Überleitung eines Anspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen den das Opfer falsch behandelnden Arzt OLG Köln, VersR 1989, 294 = AHRS 6551/14). Da die Klage der Geschädigten gegen die Insolvenzschuldnerin durch das rechtskräftige Teilurteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2001 (Az.: 4 O 2113/00) abgewiesen worden ist, kann die Klägerin wegen der Rechtskraftwirkung nach § 325 Abs. 1 ZPO einen übergeleiteten Anspruch gegen die Insolvenzschuldnerin nicht geltend machen. Dies stellt die Revision nicht in Frage. Dagegen ist rechtlich auch nichts zu erinnern.
- 13
- c) Hier ist nicht zu entscheiden, ob die für die Arzthaftung anerkannte Umkehrung der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler bei dem Gesamtschuldnerausgleich unter Entschädigern Platz greift. Unter den besonderen Umständen des Streitfalls hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht auch für den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB die Beweislastumkehr zu Gunsten der Klägerin für die Schadensursächlichkeit eines groben Organisationsverschuldens der Insolvenzschuldnerin verneint. Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die Organisation des Bereitschaftsdienstes des Anästhesisten durch die Insolvenzschuldnerin grob fehlerhaft gewesen ist, bedarf deshalb keiner weiteren Klärung.
- 14
- aa) Die beweisrechtlichen Konsequenzen aus einem grob fehlerhaften Behandlungsgeschehen folgen nicht - wie die Revision insoweit in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht fälschlich meint - aus dem Gebot der prozessrechtlichen Waffengleichheit (vgl. BVerfGE 52, 131, 156). Sie knüpfen vielmehr daran an, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt nach Treu und Glauben - also aus Billigkeitsgründen - dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. Die Beweislastumkehr soll einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert oder verschoben worden ist (ständige Rechtsprechung so etwa Senat , BGHZ 72, 132, 136; 132, 47, 52; 159, 48, 55; Urteile vom 7. Juni 1983 - VI ZR 284/81 - VersR 1983, 983; vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80, 81; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46, 47; vom 16. April 1996 - VI ZR 190/95 - VersR 1996, 976, 979; und vom 11. Juni 1996 - VI ZR 172/95 - VersR 1996, 1148, 1150; Steffen in Festschrift für Brandner 1996 S. 327, 335 f.). Unter dem Gesichtspunkt der gleichmäßigen Beweislastrisikoverteilung kann ferner die Mitverursachung von Unklarheiten in der Ursachenaufklärung durch den Patienten wegen der damit verbundenen Erschwerung der Aufklärung des Behandlungsgeschehens sogar die Beweislastumkehr wegen des groben Behandlungsfehlers ausschließen. Voraussetzung ist, dass der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 159, aaO; KG VersR 1991, 928 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 19. Februar 1991 - VI ZR 224/90; OLG Braunschweig, VersR 1998, 459 mit Nichtannahme- beschluss des Senats vom 20. Januar 1998 - VI ZR 161/97). Bei der Frage der Beweislastumkehr im Rechtsstreit über den Gesamtschuldnerausgleich sind im Verhältnis zwischen mehreren Mitschädigern diese Gesichtspunkte in gleicher Weise maßgebend.
- 15
- bb) Nach diesen Grundsätzen kann der Klägerin eine Beweislastumkehr nicht zugute kommen. Hätte nämlich Dr. B. die für ihn gebotenen Maßnahmen durchgeführt, wäre die Verzögerung der sectio durch die lange Anreise des Anästhesisten nicht ursächlich geworden. Dr. B. war die Vereinbarung zwischen dem Anästhesisten Dr. N. und der Insolvenzschuldnerin bekannt, ihn traf vorderhand die persönliche Verantwortung für die Patientin N. A., die er in das Krankenhaus eingewiesen hatte. Er hätte bei seiner Visite um 11.00 Uhr das CTG einsehen müssen, dessen Inhalt ihm Veranlassung gegeben hätte, die Hebamme zu den näheren Umständen zu befragen. Hierbei wäre ihm die fehlerhafte Verabreichung von Isoptin, die geeignet war, einen eventuell bedenklichen Zustand des Kindes zu verschleiern, mitgeteilt worden. Keinesfalls durfte Dr. B. die Gebärende trotz erkennbarer schwerster Komplikationen sich selbst überlassen. Da unstreitig die technischen Voraussetzungen für eine Mikroblutuntersuchung der Schwangeren in der Klinik der Streithelferin nicht gegeben waren, hätte die Geburt durch eine Schnittentbindung sofort beendet werden müssen. Dass eine Schnittentbindung zu diesem Zeitpunkt die hypoxische Schädigung des Kindes selbst dann verhindert hätte, wenn die Zeit zwischen der Entscheidung zur Entbindung bis zu deren Durchführung tatsächlich 64 Minuten gedauert hätte, wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
- 16
- Im Rechtsstreit der Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin hat das Oberlandesgericht Braunschweig deshalb im Urteil vom 16. Januar 2003 (Az.: 1 U 70/02) einen für die Schädigung der H. A. ursächlichen Behandlungsfehler des Dr. B. bejaht. Im Streitfall waren die Akten des Rechtsstreits gegen Dr. B. Gegenstand der mündlichen Verhandlung, wobei die Klägerin die der Verurteilung zugrunde liegenden Tatsachen nicht in Frage gestellt hat. Der Versicherungsnehmer der Klägerin hat mithin die Notsectio erst aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens erforderlich gemacht, obwohl ihm bekannt war, dass Dr. N. eine längere Wegezeit benötigen würde, um in das Krankenhaus zu kommen. Es handelte sich keineswegs um einen plötzlich auftretenden , nicht kalkulierbaren Notfall, vielmehr hat einen solchen Dr. B. durch seine Nachlässigkeit erst herbeigeführt, so dass ihn der weit überwiegende Verursachungsanteil an dem weiteren tragischen Verlauf der Geburt trifft, dem gegenüber das Organisationsverschulden der Insolvenzschuldnerin nicht mehr zum Tragen kommt. Eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten, sich am Ersatz des Schadens zu beteiligen, besteht danach schon deshalb nicht, weil ein Gesamtschuldverhältnis nicht gegeben ist.
III.
- 17
- Damit erweist sich die Revision der Klägerin als unbegründet und ist mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Diederichsen Pauge
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 26.04.2007 - 4 O 3529/04 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 18.12.2008 - 1 U 40/07 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2009 - VI ZR 24/09
Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2009 - VI ZR 24/09
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Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2009 - VI ZR 24/09 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.
(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Krankenkasse begehrt vom Beklagten, dem Träg er eines Pflegeheims, aus übergegangenem Recht der bei ihr krankenversicherten I. M. (im folgenden Geschädigte) die Erstattung von verauslagten Behandlungskosten. Die im Jahr 1915 geborene Geschädigte lebte seit dem 4. März 1997 in vollstationärer Pflege des Beklagten nach der Pflegestufe II. Das Bedürfnis nach vollstationärer Pflege war aus Anlaß von drei Stürzen im Jahre 1996 hervorgetreten, bei denen sie sich unter anderem eine Trümmerfraktur
des linken Schultergelenks zugezogen hatte. Im Pflegeheim wurde die Geschädigte auf die Möglichkeit hingewiesen, die in ihrem Zimmer befindliche Klingel zu betätigen, wenn sie Hilfe benötigte. Sie machte von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch oder rief auch nach einer Schwester. In vielen Fällen war sie jedoch bemüht, Dinge völlig selbständig zu erledigen, wie etwa den Toilettengang. Das häufig, auch am Unfalltag, geäußerte Angebot, zu ihrer Sicherheit während der Nacht das Bettgitter hochzuziehen, lehnte sie ab. Das Pflegepersonal versuchte daher, der Gefährdung infolge nächtlichen Aufstehens dadurch entgegenzuwirken, daß ein Toilettenstuhl an das Bett der Geschädigten gestellt und im Bad das Licht angelassen wurde. Am 28. Januar, 31. Januar und 24. Februar 2000 wurden vom Nachtdienst des Pflegeheims Stürze der Geschädigten dokumentiert, die ohne schwerwiegende Folgen blieben. Am 9. März 2000 erlitt die Geschädigte bei einem Sturz gegen 22.30 Uhr unter anderem Frakturen des Halswirbelkörpers C 1/C 2 mit Lähmung aller vier Extremitäten. Sie befand sich bis zu ihrem Tod am 7. Juni 2000 in Krankenhausbehandlung. Die Klägerin macht den Beklagten für die Folgen dieses Vorfalls verantwortlich , weil sein Pflegepersonal den Sturz hätte vermeiden müssen. Als mögliche Maßnahmen der Sturzprophylaxe seien eine Sensormatratze, ein Lichtschrankensystem, Bettverstellungen, die Veränderungen des Bodenbelags oder eine Hüftschutzhose in Betracht gekommen. Notfalls hätte das Pflegepersonal auch Entscheidungen gegen den Willen der Geschädigten treffen müssen.
Das Landgericht hat die auf Ersatz von 168.332,50 DM (= 86.067,04 €) nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit seiner
vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urte ils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in PflR 2005, 2 28 (m. Anm. Süß) veröffentlicht ist, hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, weil der Beklagte nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan habe, um den Sturz vom 9. März 2000 zu verhindern. Die Geschädigte sei nach dem dritten Sturz im Februar 2000 akut sturzgefährdet gewesen. Angesichts des Umstandes , daß die Geschädigte jeweils zur Nachtzeit in ihrem Zimmer gestürzt sei, hätten die vom Personal des Beklagten ergriffenen Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Stürze nicht genügt. Der Ernst der Lage hätte es geboten, unter Einschaltung eines Arztes, der Heimleitung oder auch des Neffen oder anderer Vertrauenspersonen das intensive Gespräch mit der Geschädigten zu suchen und eindringlich darauf hinzuwirken, daß sie vielleicht doch ihr Einverständnis zum Hochziehen des Bettgitters in der Nachtzeit erteile. Hätte dies nicht erreicht werden können, hätte wegen der zeitweise auftretenden Verwirrtheit der Geschädigten das Vormundschaftsgericht über die Situation informiert werden müssen. Die nachts vorhandene Sturzgefahr sei so groß und akut gewesen, daß die Anordnung des Hochziehens des Bettgitters in der Nachtzeit im Rah-
men der gemäß § 1906 Abs. 4 BGB vorzunehmenden Abwägung erforderlich und verhältnismäßig gewesen sei. Möglicherweise hätte auch die Einleitung eines solchen Verfahrens, das mit einer persönlichen Anhörung verbunden gewesen wäre, zu einem Sinneswandel der Geschädigten geführt. Auf der schuldhaften Unterlassung dieser berufsspezifischen Pflichten, die dem Schutz von Leben und Gesundheit dienten, beruhe auch der eingetretene Schaden. Die Ungewißheit, ob die unterlassenen Maßnahmen den Sturz verhindert hätten , gehe zu Lasten der Beklagten.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nich t in allen Punkten stand.
1. Richtig ist allerdings, daß dem beklagten Heimträger aus dem Heimvertrag Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Heimbewohnerin erwuchsen, deren schuldhafte Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen konnte, die nach § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergingen (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 - NJW 2005, 1937 m. Anm. Lang/Herkenhoff S. 1905 = FamRZ 2005, 1074 m. Anm. Bienwald = PflR 2005, 267, 268 m. Anm. Roßbruch; siehe auch Anm. Klie Altenheim 7/2005, 27). Zwar ist der genaue Inhalt des zwischen der Geschädigten und dem Beklagten geschlossenen Heimvertrags nicht bekannt, weil er nicht in das Verfahren eingeführt worden ist. Der Sache nach muß es sich aber um einen der Bestimmung des § 4e HeimG in der Fassung von Art. 19 Nr. 2 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) unterliegenden Heimvertrag
mit einem Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung gehandelt haben , dessen Leistungsinhalte sich in bezug auf die allgemeinen Pflegeleistungen sowie Unterkunft und Verpflegung und etwaiger Zusatzleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch bestimmen. Dieses verlangt von den Pflegeeinrichtungen die Leistungserbringung nach allgemein anerkanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse (§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 3 SGB XI; für die Zeit ab 1. Januar 2002 vgl. auch die Regelung in § 3 Abs. 1 HeimG in der Fassung vom 5. November 2001, BGBl. I S. 2970). Vorbehaltlich einer hiernach weitergehenden Ausgestaltung der von dem Heimträger wahrzunehmenden Pflegeaufgaben traf den Beklagten jedenfalls die oben bezeichnete Obhutspflicht.
2. Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß die Geschädigte akut sturzgefährdet war. Dabei ist seine Beurteilung, daß dem von der Klägerin vor der Leistungsgewährung eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes vom Dezember 1996 kein wesentlicher Erkenntniswert mehr für die Einschätzung des Sturzrisikos der Geschädigten zukam, weil ihre Mobilität in der Zwischenzeit verbessert worden war, nicht zu beanstanden. Das aktuelle Sturzrisiko ergab sich aber aus den drei Stürzen im Januar und Februar 2000. Auch wenn im Verfahren nicht näher geklärt worden ist, auf welche genauen Ursachen die Stürze zurückzuführen waren, folgte allein aus der Häufung dieser Vorfälle, die sich alle im Zimmer der Geschädigten zur Nachtzeit ereigneten - wahrscheinlich, weil die Geschädigte die Toilette aufsuchen wollte -, ein besonderes Sturzrisiko, dem der Beklagte in einer der Situation angepaßten Weise nach allgemein anerkanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse Rechnung zu tragen hatte.
3. a) Soweit das Berufungsgericht jedoch zugrunde legt, der Beklagte habe es versäumt, mit der Geschädigten, notfalls unter Einschaltung eines Arztes oder von Vertrauenspersonen, ein intensives Gespräch mit dem Ziel zu suchen , ihr Einverständnis zu einem Hochziehen des Bettgitters in der Nachtzeit zu erteilen, rügt die Revision zu Recht, daß es den Vortrag des Beklagten hierzu nicht hinreichend berücksichtigt und im übrigen die Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt habe, den die Parteien erkennbar übersehen bzw. für unerheblich gehalten hätten, ohne daß ihnen zuvor nach § 139 Abs. 2 ZPO ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei. Nach Auffassung der Klägerin war von dem Beklagten zu verlangen, angesichts der hohen Sturzgefährdung die Bewohnerin ständig zu beaufsichtigen oder sie - auch gegen ihren Willen - auf der Grundlage einer Einzelabwägung im Hinblick auf das die Beeinträchtigung der Menschenwürde überwiegende Sicherheitsinteresse zu fixieren. Daneben sei im Rahmen einer Sturzprophylaxe die Verwendung einer Sensormatratze, eines Lichtschrankensystems, Bettverstellungen, die Veränderung des Bodenbelags oder eine Hüftschutzhose in Betracht gekommen. Dem hatte der Beklagte vor allem entgegengehalten, die Geschädigte habe sich immer gegen das Hochziehen des Bettgitters ausgesprochen, auch am Unfalltag. Danach stand die Frage, ob eine Pflichtverletzung in der Unterlassung eines - intensiv geführten - Gesprächs liegen könnte, außerhalb des Blickwinkels der Parteien. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wurde die für die Pflege zuständige Fachbereichsleiterin des Beklagten nicht näher zu diesem Gesichtspunkt befragt. Danach hatte der Beklagte keinen Anlaß, von sich aus Verlauf und Intensität der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit der Geschädigten unstreitig geführten Gespräche näher darzulegen. Die Einschätzung dieser Gespräche durch das Berufungsgericht als "mehr oder weniger routinemäßig" und ungenügend beruht damit auf einer unzureichenden
Grundlage. Es kommt hinzu, daß das Berufungsgericht auch das Beweisanerbieten des Beklagten übersehen hat, nach den Stürzen im Jahr 2000 sei die Situation umgehend mit dem behandelnden Arzt besprochen worden, der die Medikation der Geschädigten geändert und weitere Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten habe.
b) Es ist auch nicht hinreichend geklärt, ob der Beklagte verpflichtet war, das Vormundschaftsgericht über die Situation zu informieren. Daß die Voraussetzungen für die Einleitung einer Betreuung oder für den Erlaß einer Anordnung nach § 1908i Abs. 1, § 1846 BGB vorgelegen hätten, beruht auf einer unzureichenden Würdigung des Prozeßstoffs. Zwar mochte die Bemerkung einer Mitarbeiterin des Beklagten im Unfallfragebogen "Hbw war sehr verwirrt, stand wieder von allein auf und stürzte" einen hinreichenden Anlaß bieten, der Frage näher nachzugehen, ob das Verhalten der Geschädigten als Folge einer geistigen Beeinträchtigung auf mangelhafter Einsicht in die Situation beruhen konnte und nicht Ausdruck eines frei geäußerten Willens war. Die Klägerin hatte jedoch selbst nicht geltend gemacht, daß bei der Geschädigten die Voraussetzungen für die Einleitung einer Betreuung vorgelegen hätten. Zudem hatte der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, die Geschädigte sei trotz ihres hohen Alters zeitlich, örtlich und situativ in der Regel orientiert und, was für eine Bewohnerin eines Altenpflegeheims eher ungewöhnlich sei, besonders auf ihre Unabhängigkeit bedacht gewesen. Dementsprechend habe sie zwar durchaus die Möglichkeit wahrgenommen, die Klingel zu betätigen, um Unterstützung zu erhalten, aber auch vielfach ihre Dinge selbständig durchgeführt, wie z.B. regelmäßig den Toilettengang. Vor diesem Hintergrund kann der Bemerkung "sehr verwirrt" im Unfallfragebogen nicht ohne nähere Aufklärung die Bedeutung beigemessen werden, die Geschädigte habe nicht mehr selbständig
für sich entscheiden können, ob sie sich ohne fremde Hilfe abends noch einmal an ihren Zimmertisch setzen oder die Toilette aufsuchen wollte. Von der Einschätzung der geistig-seelischen Situation der Geschädigten hängt aber weitgehend auch die Frage ab, in welcher Weise mögliche Maßnahmen zu besprechen waren, die ihre Sturzgefährdung mindern konnten. Im übrigen müßte auch bei Einschränkungen im geistig-seelischen Bereich abgewogen werden, ob dem Wunsch des Heimbewohners, die in Rede stehenden Verrichtungen selbständig auszuführen, nicht weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2005 aaO S. 1938 unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 HeimG).
III.
Fehlt es danach an tragfähigen Feststellungen zu einer schuldhaften Verletzung von Pflichten aus dem Heimvertrag, kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin , daß die Klägerin für eine mögliche Pflichtverletzung der Mitarbeiter des Beklagten beweispflichtig ist. Der Umstand, daß die Heimbewohnerin im Bereich des Pflegeheims des Beklagten gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, erlaubt nicht den Schluß auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2005 aaO S. 1938). Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis kommen, der Beklagten seien Versäumnisse zuzurechnen, können der Klägerin in bezug auf die Frage, ob der Unfall auf ihnen beruht, nach allgemeinen Grundsätzen Beweiserleichterungen zugute kommen (vgl. Senatsurteil vom
21. Oktober 2004 - III ZR 254/03 - NJW 2005, 68, 71 f). Diese können bis zu einer Umkehrung der Beweislast reichen, wenn zur Gewißheit des Tatrich-
ters feststeht, daß die Geschädigte oder etwa für sie berufene Entscheidungsträger Vorschlägen des Beklagten, das Sturzrisiko erfolgversprechend zu mindern , gefolgt wäre.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 6. September 2004 (5 O 554/02) wie folgt
abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.292,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.2.2002 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin hinsichtlich sämtlicher von Seiten Dritter aufgrund des Todes von S. S., geb. am X.X.1953, geltend gemachter Schadensersatzansprüche zu 25 % freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 75 %, der Beklagte zu 25 %.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert in beiden Rechtszügen:
Leistungsantrag: |
81.168,36 EUR, |
Feststellungsantrag: |
60.000,00 EUR |
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Gesamt: |
141.168,36 EUR |
Gründe
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(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.
(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.
(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.
(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)