Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2009 - VI ZR 24/09

bei uns veröffentlicht am06.10.2009
vorgehend
Landgericht Braunschweig, 4 O 3529/04, 26.04.2007
Oberlandesgericht Braunschweig, 1 U 40/07, 18.12.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 24/09
Verkündet am:
6. Oktober 2009
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der Beweislastumkehr aufgrund eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers
für den selbständigen Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 24/09 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll
und Wellner sowie die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 18. Dezember 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, bei der der Gynäkologe Dr. B. haftpflichtversichert ist, macht aus übergegangenem Recht gegenüber dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Belegklinik Dr. Bo. GmbH den gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruch geltend.
2
Am 8. August 1997 wurde die Schwangere N. A. von Dr. B. in die geburtshilfliche Abteilung der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin wegen prätibialer Ödeme eingewiesen. Am 9. August 1997 gegen 4.00 Uhr morgens hatte N. A. einen Blasensprung. Gegen 9.15 Uhr legte die Hebamme E. einen Wehentropf an und kontrollierte die kindliche Herzfrequenz mittels eines CTG. Da die Herzfrequenz schon kurz nach Beginn der Aufzeichnungen bei 200 s/min. lag, verabreichte die Hebamme gegen 9.45 Uhr der Schwangeren Isoptin. Daraufhin sank die Frequenz auf 165 s/min. bis kurz vor 10.00 Uhr und bis 11.00 Uhr auf etwas unter 160 s/min. Dr. B. untersuchte die Schwangere gegen 11.00 Uhr. Dabei sah er die CTG-Kurve nicht ein. Ohne weitere medizinische Maßnahmen zu veranlassen, verließ er die Klinik. Um die Mittagszeit begann N. A. aus der Scheide zu bluten. Da die Herztöne des Kindes gegen 13.15 Uhr auf 70 s/min. absanken, rief die Hebamme E. um 14.15 Uhr Dr. B. an, der um 14.20 Uhr eine sofortige Kaiserschnittentbindung anordnete. Um 14.25 Uhr verständigte E. den Anästhesisten N., der gegen 15.00 Uhr im Krankenhaus eintraf. Die Narkose zur Durchführung der Notsectio wurde um 15.20 Uhr eingeleitet. Um 15.24 Uhr erfolgte die Geburt des Mädchens H. A., das als Folge einer geburtsassoziierten hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung unter einem schweren psychoneurologischen Restschadensyndrom leidet. Es besteht ein fokales cerebrales Anfallsleiden. H. A. kann weder allein essen noch trinken und muss über eine Sonde ernährt werden. Die Mutter N. A. musste wegen einer Uterusruptur und der Folgen einer vorzeitigen Plazentaablösung in die Frauenklinik in W. verlegt werden, wo die Gebärmutter entfernt werden musste.
3
Die Insolvenzschuldnerin hatte im Rahmen des Belegarztvertrages mit Dr. N. vereinbart, dass er wegen der räumlichen Entfernung zu seinem Wohnort während der Bereitschaftszeit innerhalb von 45 Minuten nach Alarmierung in der Klinik eintreffen müsse. Dr. B. kannte die Vereinbarung. Er erklärte sich am 23. Januar 1995 trotzdem damit einverstanden, dass Dr. N. als Facharzt für Anästhesie die gesamte operative und postoperative anästhesiologische Betreuung seiner Patienten in der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin auf Dauer übernimmt.
4
N. A. und H. A. haben Dr. B. und die Insolvenzschuldnerin auf materiellen Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen (Az.: 4 O 2113/00 Landgericht Braunschweig). Die Klage gegen die Insolvenzschuldnerin hat das Landgericht durch rechtskräftig gewordenes Teil- urteil vom 5. Juli 2001 abgewiesen. Danach ist die Insolvenzschuldnerin nach Streitverkündung dem Rechtsstreit gegen Dr. B. beigetreten. Mit Grundurteil vom 13. Juni 2002 hat das Landgericht die Klage gegen Dr. B. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 16. Januar 2003 (Az.: 1 U 70/02) die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld an H. A. zurückgewiesen und festgestellt , dass Dr. B. verpflichtet ist, ihr sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen. Am 24. Mai 2005 haben die Parteien einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossen, aufgrund dessen Dr. B. u. a. ein Schmerzensgeld von 500.000 € an H. A. zu zahlen hat.
5
Im Streitfall hat das Landgericht der Klage auf Ausgleich der von der Klägerin erbrachten Zahlungen teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung, mit der die Klägerin Ersatz von Rechtsverfolgungskosten begehrt hat, hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich für die Klägerin, weil nicht erwiesen sei, dass das späte Eintreffen des Anästhesisten Dr. N. in der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin schadens- ursächlich geworden sei. Der Senat neige zwar dazu, einen groben Organisationsfehler der Insolvenzschuldnerin anzunehmen. Nach dem medizinischen Standard sei nämlich bei einer Notsectio die Einhaltung einer Zeit von 20 bis 30 Minuten zwischen der Entscheidung zur sectio bis zur Entbindung (E-E-Zeit) erforderlich. Bei der vereinbarten Anreisezeit von maximal 45 Minuten für den Anästhesisten werde dieser Zeitraum nicht eingehalten. Beweiserleichterungen wegen eines groben Behandlungsfehlers fänden für den Anspruch auf selbständigen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zwischen grob fehlerhaft handelnden Personen oder Einrichtungen jedoch keine Anwendung. Die Figur des groben Behandlungsfehlers sei entwickelt worden, um zur Waffengleichheit zwischen Patient und Arzt im Arzthaftungsprozess beizutragen. Sie sei keine Sanktion für ärztliches Behandlungsverschulden, sondern diene der Ausgleichung der durch den groben Behandlungsfehler zu Lasten des Patienten verschlechterten Beweissituation. Im Streitfall komme hinzu, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin, Dr. B., aufgrund der groben Fehlerhaftigkeit der Behandlung und der Unterlassung der möglichen weitergehenden Befunderhebungen und Dokumentationen die Beweissituation zur Frage der Schadenskausalität und für die Abgrenzung etwaiger Verursachungsbeiträge verschlechtert habe. Es spreche viel dafür, dass bei der Abwägung der beidseitigen Verschuldens- und Verursachungsanteile (§ 254 BGB) die Mitverantwortung der Insolvenzschuldnerin hinter dem überwiegenden Verschulden des Dr. B. zurücktrete. Dr. B. habe die Gebärende trotz erkennbarer schwerster Komplikationen letztlich sich selbst überlassen. Ein schwerer Behandlungsfehler sei schon darin zu sehen, dass Dr. B. aufgrund der Nachlässigkeit bei der Visite die absolut kontraindizierte Gabe von Isoptin durch die Hebamme nicht bemerkt habe. Zusätzlich zu den bereits festgestellten Fehlern sei auch noch zu berücksichtigen, dass der Schwangeren am Vortag bei der Aufnahme kontraindikativ das Medikament Lasix verabreicht worden sei.
7
Soweit die Klägerin ihren Anspruch nach § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 67 VVG a.F. auf den übergegangenen Anspruch der Geschädigten gegen die Insolvenzschuldnerin stütze, müsse sie die rechtskräftige Abweisung der Klage durch Teilurteil des Landgerichts B. vom 5. Juli 2001 - 4 O 2113/00 - gegen sich gelten lassen. Das Klagebegehren und der zugrunde liegende Lebenssachverhalt seien identisch mit dem des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses.
8
Zur Klärung der Frage, ob der Grundsatz der Beweiserleichterung aufgrund eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers auch auf den selbständigen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 Abs. 1 BGB) zugunsten eines Behandlers Anwendung findet, der einen der Behandlungsseite zuzuordnenden Mitschädiger in Anspruch nimmt, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

II.

9
Die Revision der Klägerin bleibt erfolglos.
10
1. Für den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner sind in der Regel drei Anspruchsgrundlagen in Betracht zu ziehen, zum einen der Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, der gleichzeitig mit der Gesamtschuld entsteht, zum andern der zur Bestärkung des Regressrechts des Ausgleichsberechtigten kraft Gesetzes übergehende Anspruch des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 2 BGB und des Weiteren außerhalb der Gesamtschuld stehende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche z.B. aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherung zwischen dem ausgleichsberechtigten und den anderen Gesamtschuldnern. Diese Ansprüche können in Anspruchskonkurrenz zu § 426 Abs. 1 BGB und dem gemäß § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch eine dritte Anspruchsgrundlage bilden, ihnen kommt vor allem die Wirkung zu, das Maß der offenen Regel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichend von der kopfteiligen Haftung zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1988 - V ZR 183/86 - NJW 1988, 1375, 1376; Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl., § 426 Rn. 14 und 32). Der gemäß § 426 Abs. 2 BGB übergegangene Anspruch und der selbständige Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wie auch der unter Umständen hinzutretende dritte Anspruch aus eigenem Recht sind selbständige Ansprüche, die auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhen, verschiedene Voraussetzungen haben und in Anspruchskonkurrenz zueinander stehen (vgl. BGHZ 59, 97, 102 f.). Unabhängig davon können sich die konkurrierenden Regressansprüche gegenseitig beeinflussen. So wird zwar in der Regel der Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB von den Einreden und Einwendungen gegen den übergegangenen Anspruch nich t berührt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - VII ZR 109/08 - WM 2009, 1854 Rn. 10 ff. zur Einrede der Verjährung; Erman/Ehmann, aaO, Rn. 33; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 426 Rn. 53). Jedoch geht der Anspruch aus fremdem Recht nur insoweit über als der Ausgleichsberechtigte gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 Regress verlangen kann, womit die Höhe der Ansprüche aneinander angepasst wird.
11
a) Außerhalb der Gesamtschuld stehende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind ersichtlich nicht gegeben.
12
b) Der Streitfall wirft auch nicht die Frage auf, ob die für den Patienten geltenden Beweiserleichterungen bei Geltendmachung eines übergeleiteten Anspruchs im Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB Anwendung finden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - III ZR 391/04 - VersR 2005, 1443 und BGHZ 163, 53 zur Beweislast bei der Haftung wegen eines voll beherrschbaren Risikos; OLG Hamm, GesR 2005, 70; OLG Stuttgart, Urteil vom 18. April 2006 - 1 U 127/04 - rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den erkennenden Senat vom 10. Juli 2007 - VI ZR 94/06 und OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 2004 - 1 U 87/03 - rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den erkennenden Senat vom 31. Mai 2005 - VI ZR 300/04 -; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 6. Aufl., B V Rn. 256; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 139; Schramm, Der Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, Diss. 1992, S. 268 ff.; verneinend für den Fall der Überleitung eines Anspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen den das Opfer falsch behandelnden Arzt OLG Köln, VersR 1989, 294 = AHRS 6551/14). Da die Klage der Geschädigten gegen die Insolvenzschuldnerin durch das rechtskräftige Teilurteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2001 (Az.: 4 O 2113/00) abgewiesen worden ist, kann die Klägerin wegen der Rechtskraftwirkung nach § 325 Abs. 1 ZPO einen übergeleiteten Anspruch gegen die Insolvenzschuldnerin nicht geltend machen. Dies stellt die Revision nicht in Frage. Dagegen ist rechtlich auch nichts zu erinnern.
13
c) Hier ist nicht zu entscheiden, ob die für die Arzthaftung anerkannte Umkehrung der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler bei dem Gesamtschuldnerausgleich unter Entschädigern Platz greift. Unter den besonderen Umständen des Streitfalls hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht auch für den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB die Beweislastumkehr zu Gunsten der Klägerin für die Schadensursächlichkeit eines groben Organisationsverschuldens der Insolvenzschuldnerin verneint. Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die Organisation des Bereitschaftsdienstes des Anästhesisten durch die Insolvenzschuldnerin grob fehlerhaft gewesen ist, bedarf deshalb keiner weiteren Klärung.
14
aa) Die beweisrechtlichen Konsequenzen aus einem grob fehlerhaften Behandlungsgeschehen folgen nicht - wie die Revision insoweit in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht fälschlich meint - aus dem Gebot der prozessrechtlichen Waffengleichheit (vgl. BVerfGE 52, 131, 156). Sie knüpfen vielmehr daran an, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt nach Treu und Glauben - also aus Billigkeitsgründen - dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. Die Beweislastumkehr soll einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert oder verschoben worden ist (ständige Rechtsprechung so etwa Senat , BGHZ 72, 132, 136; 132, 47, 52; 159, 48, 55; Urteile vom 7. Juni 1983 - VI ZR 284/81 - VersR 1983, 983; vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80, 81; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46, 47; vom 16. April 1996 - VI ZR 190/95 - VersR 1996, 976, 979; und vom 11. Juni 1996 - VI ZR 172/95 - VersR 1996, 1148, 1150; Steffen in Festschrift für Brandner 1996 S. 327, 335 f.). Unter dem Gesichtspunkt der gleichmäßigen Beweislastrisikoverteilung kann ferner die Mitverursachung von Unklarheiten in der Ursachenaufklärung durch den Patienten wegen der damit verbundenen Erschwerung der Aufklärung des Behandlungsgeschehens sogar die Beweislastumkehr wegen des groben Behandlungsfehlers ausschließen. Voraussetzung ist, dass der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 159, aaO; KG VersR 1991, 928 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 19. Februar 1991 - VI ZR 224/90; OLG Braunschweig, VersR 1998, 459 mit Nichtannahme- beschluss des Senats vom 20. Januar 1998 - VI ZR 161/97). Bei der Frage der Beweislastumkehr im Rechtsstreit über den Gesamtschuldnerausgleich sind im Verhältnis zwischen mehreren Mitschädigern diese Gesichtspunkte in gleicher Weise maßgebend.
15
bb) Nach diesen Grundsätzen kann der Klägerin eine Beweislastumkehr nicht zugute kommen. Hätte nämlich Dr. B. die für ihn gebotenen Maßnahmen durchgeführt, wäre die Verzögerung der sectio durch die lange Anreise des Anästhesisten nicht ursächlich geworden. Dr. B. war die Vereinbarung zwischen dem Anästhesisten Dr. N. und der Insolvenzschuldnerin bekannt, ihn traf vorderhand die persönliche Verantwortung für die Patientin N. A., die er in das Krankenhaus eingewiesen hatte. Er hätte bei seiner Visite um 11.00 Uhr das CTG einsehen müssen, dessen Inhalt ihm Veranlassung gegeben hätte, die Hebamme zu den näheren Umständen zu befragen. Hierbei wäre ihm die fehlerhafte Verabreichung von Isoptin, die geeignet war, einen eventuell bedenklichen Zustand des Kindes zu verschleiern, mitgeteilt worden. Keinesfalls durfte Dr. B. die Gebärende trotz erkennbarer schwerster Komplikationen sich selbst überlassen. Da unstreitig die technischen Voraussetzungen für eine Mikroblutuntersuchung der Schwangeren in der Klinik der Streithelferin nicht gegeben waren, hätte die Geburt durch eine Schnittentbindung sofort beendet werden müssen. Dass eine Schnittentbindung zu diesem Zeitpunkt die hypoxische Schädigung des Kindes selbst dann verhindert hätte, wenn die Zeit zwischen der Entscheidung zur Entbindung bis zu deren Durchführung tatsächlich 64 Minuten gedauert hätte, wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
16
Im Rechtsstreit der Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin hat das Oberlandesgericht Braunschweig deshalb im Urteil vom 16. Januar 2003 (Az.: 1 U 70/02) einen für die Schädigung der H. A. ursächlichen Behandlungsfehler des Dr. B. bejaht. Im Streitfall waren die Akten des Rechtsstreits gegen Dr. B. Gegenstand der mündlichen Verhandlung, wobei die Klägerin die der Verurteilung zugrunde liegenden Tatsachen nicht in Frage gestellt hat. Der Versicherungsnehmer der Klägerin hat mithin die Notsectio erst aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens erforderlich gemacht, obwohl ihm bekannt war, dass Dr. N. eine längere Wegezeit benötigen würde, um in das Krankenhaus zu kommen. Es handelte sich keineswegs um einen plötzlich auftretenden , nicht kalkulierbaren Notfall, vielmehr hat einen solchen Dr. B. durch seine Nachlässigkeit erst herbeigeführt, so dass ihn der weit überwiegende Verursachungsanteil an dem weiteren tragischen Verlauf der Geburt trifft, dem gegenüber das Organisationsverschulden der Insolvenzschuldnerin nicht mehr zum Tragen kommt. Eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten, sich am Ersatz des Schadens zu beteiligen, besteht danach schon deshalb nicht, weil ein Gesamtschuldverhältnis nicht gegeben ist.

III.

17
Damit erweist sich die Revision der Klägerin als unbegründet und ist mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Pauge
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 26.04.2007 - 4 O 3529/04 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 18.12.2008 - 1 U 40/07 -

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(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 391/04
Verkündet am:
14. Juli 2005
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 3 Abs. 1 (F: 5. November 2001)
Der Grundsatz, daß die Träger von Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen
nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer
Erkenntnisse bzw. - soweit Heimverträge betroffen sind, für die das
zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Heimgesetz i.d.F. vom
5. November 2001 (BGBl. I S. 2970) gilt - nach dem jeweils allgemein
anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen haben, ist
auch bei der Frage zu beachten, wie sie auf eine hervorgetretene
Sturzgefährdung von Heimbewohnern zu reagieren haben (im Anschluß
an das Senatsurteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 - NJW
2005, 1937, vorgesehen für BGHZ).
BGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - III ZR 391/04 - OLG Dresden
LG Dresden
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Grundurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. September 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die klagende Krankenkasse begehrt vom Beklagten, dem Träg er eines Pflegeheims, aus übergegangenem Recht der bei ihr krankenversicherten I. M. (im folgenden Geschädigte) die Erstattung von verauslagten Behandlungskosten. Die im Jahr 1915 geborene Geschädigte lebte seit dem 4. März 1997 in vollstationärer Pflege des Beklagten nach der Pflegestufe II. Das Bedürfnis nach vollstationärer Pflege war aus Anlaß von drei Stürzen im Jahre 1996 hervorgetreten, bei denen sie sich unter anderem eine Trümmerfraktur
des linken Schultergelenks zugezogen hatte. Im Pflegeheim wurde die Geschädigte auf die Möglichkeit hingewiesen, die in ihrem Zimmer befindliche Klingel zu betätigen, wenn sie Hilfe benötigte. Sie machte von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch oder rief auch nach einer Schwester. In vielen Fällen war sie jedoch bemüht, Dinge völlig selbständig zu erledigen, wie etwa den Toilettengang. Das häufig, auch am Unfalltag, geäußerte Angebot, zu ihrer Sicherheit während der Nacht das Bettgitter hochzuziehen, lehnte sie ab. Das Pflegepersonal versuchte daher, der Gefährdung infolge nächtlichen Aufstehens dadurch entgegenzuwirken, daß ein Toilettenstuhl an das Bett der Geschädigten gestellt und im Bad das Licht angelassen wurde. Am 28. Januar, 31. Januar und 24. Februar 2000 wurden vom Nachtdienst des Pflegeheims Stürze der Geschädigten dokumentiert, die ohne schwerwiegende Folgen blieben. Am 9. März 2000 erlitt die Geschädigte bei einem Sturz gegen 22.30 Uhr unter anderem Frakturen des Halswirbelkörpers C 1/C 2 mit Lähmung aller vier Extremitäten. Sie befand sich bis zu ihrem Tod am 7. Juni 2000 in Krankenhausbehandlung. Die Klägerin macht den Beklagten für die Folgen dieses Vorfalls verantwortlich , weil sein Pflegepersonal den Sturz hätte vermeiden müssen. Als mögliche Maßnahmen der Sturzprophylaxe seien eine Sensormatratze, ein Lichtschrankensystem, Bettverstellungen, die Veränderungen des Bodenbelags oder eine Hüftschutzhose in Betracht gekommen. Notfalls hätte das Pflegepersonal auch Entscheidungen gegen den Willen der Geschädigten treffen müssen.
Das Landgericht hat die auf Ersatz von 168.332,50 DM (= 86.067,04 €) nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit seiner
vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urte ils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in PflR 2005, 2 28 (m. Anm. Süß) veröffentlicht ist, hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, weil der Beklagte nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan habe, um den Sturz vom 9. März 2000 zu verhindern. Die Geschädigte sei nach dem dritten Sturz im Februar 2000 akut sturzgefährdet gewesen. Angesichts des Umstandes , daß die Geschädigte jeweils zur Nachtzeit in ihrem Zimmer gestürzt sei, hätten die vom Personal des Beklagten ergriffenen Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Stürze nicht genügt. Der Ernst der Lage hätte es geboten, unter Einschaltung eines Arztes, der Heimleitung oder auch des Neffen oder anderer Vertrauenspersonen das intensive Gespräch mit der Geschädigten zu suchen und eindringlich darauf hinzuwirken, daß sie vielleicht doch ihr Einverständnis zum Hochziehen des Bettgitters in der Nachtzeit erteile. Hätte dies nicht erreicht werden können, hätte wegen der zeitweise auftretenden Verwirrtheit der Geschädigten das Vormundschaftsgericht über die Situation informiert werden müssen. Die nachts vorhandene Sturzgefahr sei so groß und akut gewesen, daß die Anordnung des Hochziehens des Bettgitters in der Nachtzeit im Rah-
men der gemäß § 1906 Abs. 4 BGB vorzunehmenden Abwägung erforderlich und verhältnismäßig gewesen sei. Möglicherweise hätte auch die Einleitung eines solchen Verfahrens, das mit einer persönlichen Anhörung verbunden gewesen wäre, zu einem Sinneswandel der Geschädigten geführt. Auf der schuldhaften Unterlassung dieser berufsspezifischen Pflichten, die dem Schutz von Leben und Gesundheit dienten, beruhe auch der eingetretene Schaden. Die Ungewißheit, ob die unterlassenen Maßnahmen den Sturz verhindert hätten , gehe zu Lasten der Beklagten.

II.


Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nich t in allen Punkten stand.
1. Richtig ist allerdings, daß dem beklagten Heimträger aus dem Heimvertrag Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Heimbewohnerin erwuchsen, deren schuldhafte Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen konnte, die nach § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergingen (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 - NJW 2005, 1937 m. Anm. Lang/Herkenhoff S. 1905 = FamRZ 2005, 1074 m. Anm. Bienwald = PflR 2005, 267, 268 m. Anm. Roßbruch; siehe auch Anm. Klie Altenheim 7/2005, 27). Zwar ist der genaue Inhalt des zwischen der Geschädigten und dem Beklagten geschlossenen Heimvertrags nicht bekannt, weil er nicht in das Verfahren eingeführt worden ist. Der Sache nach muß es sich aber um einen der Bestimmung des § 4e HeimG in der Fassung von Art. 19 Nr. 2 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) unterliegenden Heimvertrag
mit einem Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung gehandelt haben , dessen Leistungsinhalte sich in bezug auf die allgemeinen Pflegeleistungen sowie Unterkunft und Verpflegung und etwaiger Zusatzleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch bestimmen. Dieses verlangt von den Pflegeeinrichtungen die Leistungserbringung nach allgemein anerkanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse (§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 3 SGB XI; für die Zeit ab 1. Januar 2002 vgl. auch die Regelung in § 3 Abs. 1 HeimG in der Fassung vom 5. November 2001, BGBl. I S. 2970). Vorbehaltlich einer hiernach weitergehenden Ausgestaltung der von dem Heimträger wahrzunehmenden Pflegeaufgaben traf den Beklagten jedenfalls die oben bezeichnete Obhutspflicht.
2. Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß die Geschädigte akut sturzgefährdet war. Dabei ist seine Beurteilung, daß dem von der Klägerin vor der Leistungsgewährung eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes vom Dezember 1996 kein wesentlicher Erkenntniswert mehr für die Einschätzung des Sturzrisikos der Geschädigten zukam, weil ihre Mobilität in der Zwischenzeit verbessert worden war, nicht zu beanstanden. Das aktuelle Sturzrisiko ergab sich aber aus den drei Stürzen im Januar und Februar 2000. Auch wenn im Verfahren nicht näher geklärt worden ist, auf welche genauen Ursachen die Stürze zurückzuführen waren, folgte allein aus der Häufung dieser Vorfälle, die sich alle im Zimmer der Geschädigten zur Nachtzeit ereigneten - wahrscheinlich, weil die Geschädigte die Toilette aufsuchen wollte -, ein besonderes Sturzrisiko, dem der Beklagte in einer der Situation angepaßten Weise nach allgemein anerkanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse Rechnung zu tragen hatte.
3. a) Soweit das Berufungsgericht jedoch zugrunde legt, der Beklagte habe es versäumt, mit der Geschädigten, notfalls unter Einschaltung eines Arztes oder von Vertrauenspersonen, ein intensives Gespräch mit dem Ziel zu suchen , ihr Einverständnis zu einem Hochziehen des Bettgitters in der Nachtzeit zu erteilen, rügt die Revision zu Recht, daß es den Vortrag des Beklagten hierzu nicht hinreichend berücksichtigt und im übrigen die Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt habe, den die Parteien erkennbar übersehen bzw. für unerheblich gehalten hätten, ohne daß ihnen zuvor nach § 139 Abs. 2 ZPO ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei. Nach Auffassung der Klägerin war von dem Beklagten zu verlangen, angesichts der hohen Sturzgefährdung die Bewohnerin ständig zu beaufsichtigen oder sie - auch gegen ihren Willen - auf der Grundlage einer Einzelabwägung im Hinblick auf das die Beeinträchtigung der Menschenwürde überwiegende Sicherheitsinteresse zu fixieren. Daneben sei im Rahmen einer Sturzprophylaxe die Verwendung einer Sensormatratze, eines Lichtschrankensystems, Bettverstellungen, die Veränderung des Bodenbelags oder eine Hüftschutzhose in Betracht gekommen. Dem hatte der Beklagte vor allem entgegengehalten, die Geschädigte habe sich immer gegen das Hochziehen des Bettgitters ausgesprochen, auch am Unfalltag. Danach stand die Frage, ob eine Pflichtverletzung in der Unterlassung eines - intensiv geführten - Gesprächs liegen könnte, außerhalb des Blickwinkels der Parteien. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wurde die für die Pflege zuständige Fachbereichsleiterin des Beklagten nicht näher zu diesem Gesichtspunkt befragt. Danach hatte der Beklagte keinen Anlaß, von sich aus Verlauf und Intensität der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit der Geschädigten unstreitig geführten Gespräche näher darzulegen. Die Einschätzung dieser Gespräche durch das Berufungsgericht als "mehr oder weniger routinemäßig" und ungenügend beruht damit auf einer unzureichenden
Grundlage. Es kommt hinzu, daß das Berufungsgericht auch das Beweisanerbieten des Beklagten übersehen hat, nach den Stürzen im Jahr 2000 sei die Situation umgehend mit dem behandelnden Arzt besprochen worden, der die Medikation der Geschädigten geändert und weitere Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten habe.

b) Es ist auch nicht hinreichend geklärt, ob der Beklagte verpflichtet war, das Vormundschaftsgericht über die Situation zu informieren. Daß die Voraussetzungen für die Einleitung einer Betreuung oder für den Erlaß einer Anordnung nach § 1908i Abs. 1, § 1846 BGB vorgelegen hätten, beruht auf einer unzureichenden Würdigung des Prozeßstoffs. Zwar mochte die Bemerkung einer Mitarbeiterin des Beklagten im Unfallfragebogen "Hbw war sehr verwirrt, stand wieder von allein auf und stürzte" einen hinreichenden Anlaß bieten, der Frage näher nachzugehen, ob das Verhalten der Geschädigten als Folge einer geistigen Beeinträchtigung auf mangelhafter Einsicht in die Situation beruhen konnte und nicht Ausdruck eines frei geäußerten Willens war. Die Klägerin hatte jedoch selbst nicht geltend gemacht, daß bei der Geschädigten die Voraussetzungen für die Einleitung einer Betreuung vorgelegen hätten. Zudem hatte der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, die Geschädigte sei trotz ihres hohen Alters zeitlich, örtlich und situativ in der Regel orientiert und, was für eine Bewohnerin eines Altenpflegeheims eher ungewöhnlich sei, besonders auf ihre Unabhängigkeit bedacht gewesen. Dementsprechend habe sie zwar durchaus die Möglichkeit wahrgenommen, die Klingel zu betätigen, um Unterstützung zu erhalten, aber auch vielfach ihre Dinge selbständig durchgeführt, wie z.B. regelmäßig den Toilettengang. Vor diesem Hintergrund kann der Bemerkung "sehr verwirrt" im Unfallfragebogen nicht ohne nähere Aufklärung die Bedeutung beigemessen werden, die Geschädigte habe nicht mehr selbständig
für sich entscheiden können, ob sie sich ohne fremde Hilfe abends noch einmal an ihren Zimmertisch setzen oder die Toilette aufsuchen wollte. Von der Einschätzung der geistig-seelischen Situation der Geschädigten hängt aber weitgehend auch die Frage ab, in welcher Weise mögliche Maßnahmen zu besprechen waren, die ihre Sturzgefährdung mindern konnten. Im übrigen müßte auch bei Einschränkungen im geistig-seelischen Bereich abgewogen werden, ob dem Wunsch des Heimbewohners, die in Rede stehenden Verrichtungen selbständig auszuführen, nicht weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2005 aaO S. 1938 unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 HeimG).

III.


Fehlt es danach an tragfähigen Feststellungen zu einer schuldhaften Verletzung von Pflichten aus dem Heimvertrag, kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin , daß die Klägerin für eine mögliche Pflichtverletzung der Mitarbeiter des Beklagten beweispflichtig ist. Der Umstand, daß die Heimbewohnerin im Bereich des Pflegeheims des Beklagten gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, erlaubt nicht den Schluß auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2005 aaO S. 1938). Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis kommen, der Beklagten seien Versäumnisse zuzurechnen, können der Klägerin in bezug auf die Frage, ob der Unfall auf ihnen beruht, nach allgemeinen Grundsätzen Beweiserleichterungen zugute kommen (vgl. Senatsurteil vom
21. Oktober 2004 - III ZR 254/03 - NJW 2005, 68, 71 f). Diese können bis zu einer Umkehrung der Beweislast reichen, wenn zur Gewißheit des Tatrich-
ters feststeht, daß die Geschädigte oder etwa für sie berufene Entscheidungsträger Vorschlägen des Beklagten, das Sturzrisiko erfolgversprechend zu mindern , gefolgt wäre.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 6. September 2004 (5 O 554/02) wie folgt

abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.292,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.2.2002 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin hinsichtlich sämtlicher von Seiten Dritter aufgrund des Todes von S. S., geb. am X.X.1953, geltend gemachter Schadensersatzansprüche zu 25 % freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 75 %, der Beklagte zu 25 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert in beiden Rechtszügen:

Leistungsantrag:

81.168,36 EUR,

Feststellungsantrag:      

60.000,00 EUR 

     

     

Gesamt:

141.168,36 EUR 

Gründe

 
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten als Träger der ... (Name) -Klinik ... (Ortsname) wegen Leistungen in Regress, die sie nach einem Verkehrsunfall vom 26.10.1999 als Haftpflichtversicherung einer Kraftfahrerin an die LVA, die Betriebskrankenkasse und die Hinterbliebenen des am 30.10.1999 verstorbenen Unfallopfers S. S. erbracht hat. Außerdem begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte zur Freistellung hinsichtlich Schadensersatzforderungen Dritter verpflichtet ist.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat den Beklagten lediglich zur Zahlung von 20.292,09 EUR, mithin 25 % des eingeklagten Betrages, verurteilt und eine Pflicht des Beklagten festgestellt, die Klägerin hinsichtlich sämtlicher von Seiten Dritter aufgrund des Todes von S. S. geltend gemachter Schadensersatzansprüche zu 25 % freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB zu, da beide Parteien den Hinterbliebenen des Unfallopfers als Gesamtschuldner hafteten, wobei die Klägerin bislang mit insgesamt 81.168,36 EUR zu Gunsten der Hinterbliebenen in Vorlage getreten sei. Davon habe der Beklagte einen Anteil von 25 % zu erstatten. Der Beklagte hafte als Träger der ... (Name) -Klinik für Fehler, die den an der Behandlung von S. S. beteiligten Klinikärzten vorzuwerfen seien. Gestützt auf ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. stellt das Landgericht einen Diagnosefehler insoweit fest, als auf den am 26.10.1999 gefertigten Röntgenbildern die Schädelbasisfraktur nicht erkannt wurde. Ein weiteres vorwerfbares Fehlverhalten liege darin, dass im Laufe des 28.10.1999 kein neurologischer Facharzt hinzugezogen worden sei, obwohl an diesem Tag neurologische Auffälligkeiten wie ein praktisch ständiges Wackeln mit dem Kopf und Zittern mit dem linken Unterarm und der linken Hand, wie von den Zeugen E. und C. S. glaubhaft beschrieben, aufgetreten seien. Diese der damaligen Stationsärztin mitgeteilten Symptome seien mit einem bloßen Schädel-Hirn-Trauma I. Grades schlecht zu vereinbaren gewesen und hätten einer fachärztlichen neurologischen Untersuchung noch am 28.10.1999 bedurft.
Ob der nach einer schweren eitrigen Hirnhautentzündung und einem toxisch bedingten zentralen Regulationsversagen tödliche Verlauf bei fehlerfreiem Verhalten der Ärzte zu verhindern gewesen wäre, lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Hinsichtlich des Diagnosefehlers komme der Klägerin eine Beweiserleichterung nicht zugute, da der Diagnosefehler nicht fundamental gewesen sei. Hinsichtlich der unterlassenen neurologischen Untersuchung dagegen trete eine Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der unterlassenen Befunderhebung ein. Der Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass bei einer fachärztlichen neurologischen Untersuchung am Nachmittag des 28.10.1999 ein Computertomogramm (CT) veranlasst worden wäre. Man hätte dann die im CT am Abend des 29.10.1999 erkennbaren Blutungen und abgestorbenen Gehirnteile schon etwa 24 Stunden früher gesehen, wenn auch geringer ausgeprägt. Die zwingende Konsequenz wäre die Verlegung in eine Spezialklinik gewesen, wo eine Behandlung mit Antibiotika begonnen worden wäre. Den Patienten unter diesen Umständen nicht in eine Spezialklinik zu verlegen, wäre als grob fehlerhaft mit der Folge einer Beweislastumkehr zu bewerten gewesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten komme die Beweislastumkehr nicht lediglich dem Patienten, sondern auch einem Erstschädiger zugute, der beim Arzt Regress nehme.
Die Haftung des Beklagten sei nicht durch die Abfindungsvereinbarung zwischen den Hinterbliebenen und der Klägerin vom 27.3.2001 ausgeschlossen. Zum Einen beziehe sich die Klausel, der zufolge auch Ansprüche gegen Dritte abgefunden sein sollen, ausdrücklich auf Ansprüche „aus Anlass des Ereignisses vom 26.10.99 aus Verkehrsunfall“, weshalb zweifelhaft sei, ob auch Ansprüche erfasst sein sollten, welche auf der nachfolgenden ärztlichen Behandlung beruhen. Zum Anderen sei die Klausel als überraschend und unangemessen nach §§ 3 und 9 AGBG unwirksam.
Eine Haftungsfreistellung der Beklagten ergebe sich auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer vollen oder beschränkten Gesamtwirkung. Die Voraussetzungen einer vollen Gesamtwirkung lägen hier nicht vor. Ob eine beschränkte Gesamtwirkung zu bejahen sei, könne offen bleiben, da jedenfalls in Höhe des den Beklagten gemäß § 426 Abs. 1 BGB treffenden Anteils seine Haftung bestehen bliebe.
Beide Parteien hafteten somit den Hinterbliebenen als Gesamtschuldner. Für den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB geht das Landgericht unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 254 BGB von einer Haftungsverteilung von 75 % zu Lasten der Klägerin und 25 % zu Lasten des Beklagten aus. Der Schädelbasisbruch sei bei dem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Klägerin hafte, eingetreten und habe in Verbindung mit der vorbestehenden Sinusitis letztlich den Tod des Unfallopfers zur Folge gehabt. Der Beitrag der Ärzte der ... (Name) -Klinik bestehe dagegen lediglich darin, dass sie bei dem Versuch, die Unfallverletzungen zu behandeln, Fehler gemacht zu hätten. Zur Haftung des Beklagten führe lediglich die Beweislastumkehr. Bei ausgleichspflichtigen Zahlungen der Klägerin zugunsten der Hinterbliebenen in Höhe von insgesamt 81.168,36 EUR belaufe sich der Ausgleichsanspruch der Klägerin daher auf 20.292,09 EUR.
Da der Beklagte im Parallelverfahren zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5.000,00 EUR an die Hinterbliebenen des S. S. verurteilt worden sei (Urteil vom 30.9.2004 im Rechtsstreit S. ./. Landkreis X, LG Ellwangen 5 O 115/04) und dem Beklagten insoweit ein Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 75 % zustehe, könne eine Verurteilung hinsichtlich eines Betrages von 3.750,00 EUR im hiesigen Verfahren wegen des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts nur Zug um Zug gegen Befreiung des Beklagten von seiner Verbindlichkeit gegenüber den Hinterbliebenen in dieser Höhe erfolgen.
Wegen der Ausgleichspflicht nach § 426 Abs. 1 BGB sei in Höhe der Verantwortungsquote des Beklagten von 25 % dessen Verpflichtung festzustellen, die Klägerin von Schadensersatzforderungen Dritter, die auf dem Tod von S. S. beruhen, freizustellen.
10 
Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
11 
Gegen das jeweils am 13.10.2004 zugestellte Urteil haben beide Parteien fristgerecht Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet.
12 
Die Klägerin führt aus, das Landgericht habe zutreffend Behandlungsfehler der Ärzte der ... (Name) -Klinik festgestellt, die zu einer Haftung des Beklagten führten. Zu Unrecht dagegen habe das Landgericht bei seiner Abwägung der Verursachungsbeiträge der gesamtschuldnerisch haftenden Parteien seiner Entscheidung die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. im Rahmen seiner Anhörung vom 21.6.2004 zugrunde gelegt. Hier habe sich der Sachverständige, im Gegensatz zu seinem schriftlichen Gutachten, überraschenderweise eher verharmlosend über den im schriftlichen Gutachten noch ausdrücklich bestätigten groben Behandlungs- und Diagnosefehler geäußert. Trotz Hinweises auf diese erheblichen Diskrepanzen und Beantragung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Aufklärung der Diagnosefehler sowie eines neurochirurgischen Zusatzgutachtens sei das Landgericht diesem Vorbringen der Klägerin nicht nachgegangen, sodass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei. Hätte sich das Landgericht zutreffend auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. gestützt, so wäre es zu dem Ergebnis eines fundamentalen Diagnosefehlers der behandelnden Ärzte gelangt, der eine alleinige Haftung des Beklagten für den Tod des Herrn S. begründe. Insbesondere habe der Sachverständige im Zusammenhang mit der neurologischen Symptomatik des „unkontrollierten Kopfwackelns“ und des „unablässigen Zitterns des linken Armes“ bei gleichzeitig im Röntgenbild nachweisbarer rechts-frontaler Frakturlinie von einem schwerwiegenden diagnostischen Versagen der Ärzteschaft der ... (Name) -Klinik gesprochen. Zusammenfassend komme der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass unter der klinischen Symptomatik des Unfallereignisses mit Gehirnerschütterung, kurzfristiger Bewusstlosigkeit, Monokelhämatom etc. Grundkenntnisse der Unfallchirurgie vernachlässigt worden seien.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 30.9.2004 abzuändern und
15 
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 81.168,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
16 
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin hinsichtlich sämtlicher von Seiten Dritter aufgrund des Todes von Herrn S. S., geb. am 11.8.1953, geltend gemachten Schadensersatzansprüchen freizustellen.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie
19 
das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 30.9.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.
20 
Der Beklagte macht geltend, das Landgericht habe zwar zutreffend aufgrund der mündlichen Gutachtenerläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. einen groben Diagnosefehler verneint. Zu Unrecht habe es eine Haftung aber auf eine unterlassene Befunderhebung gestützt. Aus der vom Beklagten innerhalb des nachgelassenen Schriftsatzrechts vorgelegten Stellungnahme des Unfallchirurgen Prof. Dr. U. vom 6.7.2004, die das Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, ergebe sich, dass die Nichthinzuziehung eines Neurologen am 28.10.1999 keinen Behandlungsfehler darstelle. Die von den Angehörigen beschriebenen Zeichen wie Kopfwackeln u. a. seien keine Auffälligkeiten, die nicht mit einem Schädel-Hirn-Trauma I. Grades in Verbindung zu bringen seien. Auch sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass bei einer fachärztlichen neurologischen Untersuchung am Nachmittag des 28.10.1999 ein CT veranlasst worden wäre. Schließlich hätte sich auch die Verkennung eines etwaigen CT-Befundes nicht als grob behandlungsfehlerhaft dargestellt. Selbst bei der Untersuchung durch die Spezialisten in G. sei kein Hinweis auf eine Schädelfraktur festgestellt worden, vielmehr seien diese vom Vorliegen eines Schlaganfalls ausgegangen. Da weder am 28.10.1999 noch unmittelbar danach hochfieberhafte Infektzeichen vorgelegen hätten, habe für den Fall, dass eine Schädelfraktur hätte festgestellt werden können, nicht unverzüglich mit einer Antibiose begonnen werden müssen. Mit Prof. Dr. U. sei davon auszugehen, dass ein Überleben des Patienten auch bei sofortiger Vorstellung bei einem Neurologen am 28.10.1999 „äußerst unwahrscheinlich“ gewesen wäre. Zum Beweis für ihre Auffassung beruft sich der Beklagte auf die Einholung des Gutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie. Prof. Dr. Dr. B. sei als Allgemeinchirurg nicht ausreichend kompetent.
21 
Auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Röntgenbilder am Unfalltag nicht sofort einem erfahrenen Unfallchirurgen vorgelegt wurden, lasse sich eine Haftung des Beklagten nicht begründen. Keinesfalls stehe fest, dass ein Assistenzarzt in der Facharztausbildung Röntgenbilder noch am selben Tag einem Facharzt bzw. „dem erfahrenen, ranghöchsten Unfallchirurgen des Hauses“, wie dies der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. fordere, zur Befundung vorlegen müsse. Vielmehr genüge es, wenn - wie hier - das Röntgenbild von Dr. G. gleich am nächsten Morgen dem Oberarzt Dr. Gl. als Vertreter des Chefarztes zur Überprüfung vorgelegt worden sei. Bei sofortiger Vorlage der Röntgenbilder sei ein zutreffendes Befundergebnis auch keinesfalls hinreichend wahrscheinlich. Selbst Prof. Dr. U. habe damals eine Fraktur nicht entdeckt.
22 
Der Sachverständige habe auch nicht berücksichtigt, dass der Sektionsbericht vom 9.11.1999 kein Monokelhämatom rechts beschreibe. Zum Nachweis, dass der Patient am Unfalltag entgegen der Dokumentation kein Monokelhämatom aufgewiesen habe, beruft sich der Beklagte auf das Zeugnis des aufnehmenden Arztes Dr. G., des Oberarztes Dr. Gl. sowie der Obduzenten PD Dr. N. und Dr. R..
23 
Im Übrigen könnten Beweiserleichterungen wegen eines groben Behandlungsfehlers bzw. einer unterlassenen Befunderhebung ausschließlich dem geschädigten Patienten zugute kommen, nicht jedoch demjenigen, auf den der Anspruch kraft Gesetzes übergegangen sei bzw. der im Innenverhältnis beim Arzt Regress nehmen wolle. Es müsse zwischen den durch das konkrete Behandlungsverhältnis geschützten Personen, nämlich Patient, Rechtsnachfolger, Angehörigen oder Lebensgefährten einerseits und außenstehenden Dritten unterschieden werden.
24 
Darüber hinaus führe die Abfindungsvereinbarung vom 27.3.2001 zwischen der Klägerin und den Erben des verstorbenen Patienten zu einem Ausschluss von Ansprüchen gegen „sonstige Dritte“, worunter auch der Beklagte zu rechnen sei. Dies ergebe sich jedenfalls nach Sinn und Zweck der Klausel, nämlich der Vermeidung eines Rückgriffs im Rahmen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs und eines „Regresskreisels“. Hilfsweise stehe dem Beklagten ein Rückgriffsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 75 % aller über dem Betrag von 27.056,12 EUR (= 25 % von 81.168,36 EUR) liegenden Leistungen zu, was eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung zur Folge haben müsse. Auch habe der Beklagte nach unstreitig erfolgter Teilzahlung an die Erben S. im Parallelverfahren 1 U 128/04 einen aufrechenbaren Gegenanspruch in Höhe von 75 % des Vergleichsbetrags.
25 
Schließlich müsste der Verursachungsanteil der Ärzte der ... (Name) -Klinik, denen allenfalls ein einfacher Behandlungs- bzw. Diagnosefehler zur Last gelegt werden könne, gegenüber dem weit überwiegenden Verschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin, die einen groben Verkehrsverstoß begangen habe, zurücktreten.
26 
Die Klägerin beantragt,
27 
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
28 
Sie vertritt, ihr Berufungsvorbringen ergänzend, die Auffassung, Vortrag und Beweisantritt des Beklagten zum Fehlen eines Monokelhämatoms beim Patienten S. seien neu und deswegen gemäß § 531 ZPO im Berufungsverfahren nicht zuzulassen.
29 
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.
30 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. G. und Dr. Gl. sowie durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. (Stellungnahme vom 26.9.2005, Bl. 314 f. d. A.; Protokoll vom 7.2.2006, Bl. 335 ff. d. A.).
II.
31 
Die zulässige Berufung der Klägerin hat lediglich insoweit Erfolg, als die Zug-um-Zug-Verurteilung (Ziffer 1 des Urteilstenors) entfällt. Der ebenfalls zulässigen Berufung des Beklagten bleibt der Erfolg insgesamt versagt. Die zwischen der Klägerin und der Ehefrau sowie den Kindern des Herrn S. am 27.3.2001 geschlossene Abfindungsvereinbarung führt nicht zu einem Haftungsausschluss zu Gunsten des Beklagten (dazu 1.). Eine Haftung des Beklagten folgt zwar nicht aus einem Diagnosefehler des den Patienten aufnehmenden Assistenzarztes Dr. G., da dessen fehlerhafte Auswertung der Röntgenbilder nicht als grober Diagnosefehler zu werten ist und die Klägerin die Ursächlichkeit des Fehlers für den Tod des Herrn S. nicht nachzuweisen vermag. (dazu 2.). Ein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich steht der Klägerin gegen den Beklagten jedoch deshalb zu, weil die am 26.10.1999 gefertigten Röntgenaufnahmen trotz der festgestellten speziellen Verdachtsmomente für eine Schädelbasisfraktur nicht zeitnah dem ranghöchsten, weil erfahrensten und kompetentesten Chirurgen der ... (Name) -Klinik oder jedenfalls einem in der Röntgendiagnostik kundigen und erfahrenen Facharzt zur Befundung vorgelegt wurden, nachdem ein Radiologe nicht vor Ort war (dazu 3.). Vorzuwerfen ist den Ärzten der ... (Name) -Klinik überdies, dass sie nach Auftreten neurologischer Symptome am 28.10.1999 keine Computertomographie (CT) veranlasst haben. Auch dies führt zu einer Schadenersatzverpflichtung des Beklagten gegenüber den Erben des verstorbenen Herrn S. und damit zu einem Ausgleichsanspruch der Klägerin (dazu 4.). Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung zwischen den Parteien ist nicht zu beanstanden (dazu 5.). Ein Zurückbehaltungsrecht kann der Beklagte gegenüber der Klägerin nicht geltend machen (dazu 6.). Auch aufrechenbare Ansprüche im Zusammenhang mit seiner Leistung an die Erben im Parallelverfahren 1 U 128/04 stehen dem Beklagten nicht zu (dazu 7.).
32 
1. Eine Haftung des Beklagten ist nicht von vornherein durch die Abfindungsvereinbarung zwischen den Erben S. und der Klägerin vom 27.3.2001 ausgeschlossen.
33 
Zum Einen könnte die Abfindungserklärung der Erben ohnehin nur Schadensersatzansprüche erfassen, die bis zum Abschluss der Vereinbarung noch nicht durch Zahlung auf die Klägerin nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB oder auf andere Dritte - wie etwa die LVA oder die Krankenkasse nach entsprechenden Vorschriften über den gesetzlichen Forderungsübergang - übergegangen waren. Dies trifft jedenfalls auf die mit dem Leistungsantrag geltend gemachte Forderung von 81.169,60 EUR nicht zu, die sich aus Zahlungen an die LVA, an die Krankenkasse sowie an die Erben und deren Bevollmächtigten, Rechtsanwalt B., zusammensetzt und sämtlich vor oder im Zusammenhang mit der Abfindungsvereinbarung geleistet wurden.
34 
Zum Anderen ergibt die erforderliche Auslegung der „Vergleichs- und Abfindungserklärung“ vom objektiven Empfängerhorizont - für vom Feststellungsantrag der Klägerin erfasste Zahlungen nach der Abfindungsvereinbarung -, dass Gegenstand der Regelung nicht etwaige Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten sind. Die Klausel des Formularvertrags, dass auch alle Ansprüche abgefunden sein sollen, die „aus Anlass des Ereignisses vom 26.10.99 (...) gegen (...) sonstige Dritte“ bestehen, könnte allenfalls Ansprüche der Erben des Herrn S. gegen den Beklagten erfassen, nicht jedoch solche der Klägerin gegen den Beklagten. Der durch die Vereinbarung begünstigten Klägerin sollten etwaige Regressansprüche im Innenverhältnis zu anderen nicht begünstigten Gesamtschuldnern nicht - zu deren Vorteil und zum Nachteil der Klägerin - abgeschnitten werden. Ob die vorformulierte Abfindungserklärung einer Prüfung nach dem AGBG standhielte, kann deshalb offen bleiben.
35 
Schließlich kann der Beklagte einen Rückgriff der Klägerin auch nicht, wie in seiner Berufungsbegründung ausgeführt, „im Rahmen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs“ vermeiden. Das Problem des gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses, d. h. die Frage, wie sich die Privilegierung eines von mehreren Schädigern auf die Haftung des anderen Schädigers und den Ausgleich im Innenverhältnis auswirkt, stellt sich nur für den Anspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger (hier der Erben gegen den Beklagten) und für den Regress des nicht privilegierten Schädigers beim privilegierten Schädiger (des Beklagten bei der Klägerin). Dagegen kann der privilegierte Schädiger hinsichtlich bereits erfolgter Zahlungen ohne Weiteres den nicht privilegierten Schädiger, hier den Beklagten, in Regress nehmen und Freistellung in Höhe von dessen Haftungsquote im Innenverhältnis fordern. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu diesem Punkt wird Bezug genommen.
36 
2. Zutreffend hat das Landgericht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. einen Diagnosefehler des den Patienten S. aufnehmenden Assistenzarztes Dr. G. darin gesehen, dass er auf den am Unfalltag nach der Einlieferung gegen 11.15 Uhr gefertigten Röntgenaufnahmen die Schädelbasisfraktur nicht erkannt hat. Die Klägerin hat jedoch nicht bewiesen, dass dieser Fehler für den Tod ursächlich geworden ist. Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob Herr S. bei fehlerfreier Diagnose der Schädelbasisfraktur überlebt hätte (vgl. etwa Protokoll vom 21.6.2004, S. 8, Bl. 153 d. A.).
37 
Ohne Erfolg greift die Klägerin mit ihrer Berufung das Urteil insoweit an, als das Landgericht einen die Beweislast der Klägerin umkehrenden fundamentalen Diagnosefehler verneint. Entgegen der Darstellung der Klägerin lassen sich insoweit keine wesentlichen Diskrepanzen zwischen den schriftlichen und den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. ausmachen, wie sie der von der Klägerin hinzugezogene Neurologe Dr. Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 26.8.2004 als „auffällig“ bezeichnet (K 23). Schon in seinem schriftlichen Gutachten beschreibt der gerichtliche Sachverständige nur eine „zarte, strichförmige Frakturlinie“, die „zwar schwer erkennbar, jedoch bei gründlicher Analyse des Röntgenbildes deutlich sichtbar“ sei (S. 10 des Gutachtens, Bl. 75 d. A.) und geht von einer „schwierigen, aber eindeutigen Bildgebung“ aus (S. 9 des Gutachten, Bl. 74 d. A.). Konkrete Anhaltspunkte, dass sich der Diagnosefehler aus Sicht des Sachverständigen als fundamental im Sinne einer Missachtung elementarer medizinischer Behandlungsstandards entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung darstellen würde, sind dem schriftlichen Gutachten nicht zu entnehmen. Wenn der Sachverständige (Gutachten S. 15 unten, Bl. 80 d. A.) der Ärzteschaft des ... (Name) -Krankenhauses ein „schwerwiegendes diagnostisches Versagen“ vorwirft, so bezieht sich dies ausdrücklich auf die Situation nach dem Auftreten der linksbetonten Herdsymptomatik, die zur Hinterfragung des Befundes hätte führen müssen. Die spätere mündliche Einstufung des Diagnosefehlers als nicht schwer, die der Sachverständige gerade damit begründet, dass das Krankheitsbild äußerst schwierig zu erkennen gewesen sei (Protokoll vom 21.6.2004, Bl. 150 d. A.), steht zu den schriftlichen Äußerungen in keinem Widerspruch und überzeugt den Senat auch vor dem Hintergrund der erneuten Anhörung des Sachverständigen in zweiter Instanz, bei der dieser das Verhalten der Ärzte der ... (Name) -Klinik sehr differenziert beurteilt hat und die Fehlinterpretation der Röntgenbilder durch Dr. G. nicht im Sinne eines groben Fehlers bewertet hat.
38 
Der Senat stützt sich auch im Weiteren auf die sorgfältigen, in sich widerspruchsfreien und vollständig nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. Dr. B., an dessen Kompetenz als Geschäftsführender Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums ... (Ortsname) auf dem Fachgebiet der Chirurgie kein Zweifel besteht. Spezifische Fragen, die es erforderlich machen würden, - wie vom Beklagten beantragt - einen Unfallchirurgen als Sachverständigen hinzuzuziehen, stellen sich im vorliegenden Fall nicht.
39 
3. Ein zu einer Mithaftung des Beklagten führender Behandlungsfehler liegt jedoch - darauf ist das Landgericht in seinem Urteil nicht eingegangen - darin, dass die am 26.10.1999 gefertigten Röntgenaufnahmen von dem aufnehmenden Assistenzarzt, dem Zeugen Dr. G., nicht noch am selben Tag unter Darstellung der Gesamtsymptomatik einem in der Röntgendiagnostik kompetenten Facharzt zur abschließenden Befundung der Bildgebung und des Symptomenkomplexes vorgelegt wurden.
40 
a) Vor dem Hintergrund der Gesamtsymptomatik, die der Sachverständige mit den Begriffen „Verkehrsunfall, Schädel-Hirn-Trauma, Commotio, kurzzeitige Bewusstlosigkeit, Monokelhämatom, multiple oberflächliche Hautverletzungen im Kopfbereich“ zusammenfasst (vgl. S. 2 der schriftlichen Stellungnahme vom 11.2.2004, Bl. 105 d. A.), durfte Dr. G. nicht darauf vertrauen, dass er selbst auf den Bildern einen reaktionspflichtigen Befund nicht zu erkennen vermochte. Vielmehr musste er - aus den genannten Gründen und nicht zuletzt wegen des festgestellten Monokelhämatoms, das er beschrieben hat, - dem Verdacht auf einen vorderen Schädelbasisbruch bis zu dessen Ausschluss oder Bestätigung nachgehen, „gewissermaßen nach einem Schädelbasisbruch fahnden“ (Protokolle Bl. 150 und Bl. 347). Wird ein Monokelhämatom in einer solchen Situation nicht weiterverfolgt, so stellt dies nach dem Sachverständigen bei einem erfahrenen Chirurgen, als welcher Dr. G. zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch nicht gelten konnte, sogar einen schwerwiegenden Fehler dar (vgl. Protokoll vom 7.2.2006, S. 15, Bl. 349 d.A.). Ob das am Auge festgestellte Hämatom aus einem Aufprall von außen herrührt oder auf eine Fraktur von innen mit der Folge einer Einblutung in die Weichteile zurückzuführen ist, spielt dabei - so der Sachverständige überzeugend bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat - keine entscheidende Rolle. Maßgebend ist zunächst das äußere Erscheinungsbild des Hämatoms in Verbindung mit der Gesamtsymptomatik - Schädelhirntrauma, Commotio, kurzzeitige Bewusstlosigkeit, multiple Hautverletzungen im Kopfbereich nach Verkehrsunfall -, durch die die Ausschlussdiagnostik hinsichtlich einer Schädelbasisfraktur erforderlich wird (Gutachten Bl. 105, Protokoll vom 7.2.2006, Bl. 347 f. d. A.).
41 
Steht bei einem solchen Ausgangssachverhalt ein Radiologe zur Auswertung der Röntgenbilder hausintern nicht zur Verfügung, so müssen die Röntgenauf-nahmen zeitnah dem „ranghöchsten Unfallchirurgen“ (Protokoll vom 21.6.2004, Bl. 151 d. A.), jedenfalls einem in der Röntgendiagnostik weitergebildeten Oberarzt bzw. dem Chefarzt zur Bestätigung des vorläufigen eigenen Befundes unter Darlegung der spezifischen Gesamtsymptomatik vorgelegt werden (Protokoll vom 7.2.2006, Bl. 348 d. A.). Die dem Patienten geschuldete Befunderhebung durch Analyse der bildgebenden Verfahren unter Berücksichtigung der klinischen Befunde ist vorher nicht abgeschlossen. Diese Pflicht überfordert auch nicht die Kliniken, da sich die Beurteilung auf den konkreten Fall bezieht, in dem der spezielle Unfallverlauf und die dadurch hervorgerufenen Symptome deutliche Verdachtsmomente für eine Schädelbasisfraktur begründeten.
42 
b) Auch nach Vernehmung der Zeugen Dr. G. und Dr. Gl. ist der Senat davon überzeugt, dass Herr S. am Unfalltag am rechten Auge ein Monokelhämatom aufwies, das das Fahnden nach einer Schädelbasisfraktur verlangte und zusammen mit den anderen Anhaltspunkten eine spezifische Ausschlussdiagnostik im genannten Sinn gebot.
43 
Das insoweit zum Teil neue Vorbringen des Beklagten und der erst in zweiter Instanz erfolgte Beweisantritt sind gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Diese Norm gestattet neues Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem erstinstanzlichen Gericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden und aus einem von diesem mit zu verantwortenden Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden sind (vgl. BGH NJW 2004, 2152). So liegt es hier. Der Beklagte hat zum Einen bereits im ersten Rechtszug gerügt, der Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass ein typisches Monokelhämatom nicht bestanden habe und im Sektionsbericht nicht erwähnt sei (Bl. 122 d.A.). Zum Anderen hat das Landgericht eine unterlassene Befunderhebung wegen unzureichender Ausschlussdiagnostik, wie sie der Senat seinem Urteil zugrunde legt, nicht geprüft und demzufolge die dokumentierte Einblutung in Form eines Monokelhämatoms zwar im Zusammenhang mit einem Diagnosefehler diskutiert, für die Entscheidung jedoch nicht für erheblich gehalten.
44 
Der Senat ist davon überzeugt, dass der verstorbene S. S. nach dem Unfall ein Monokelhämatom am rechten Auge entwickelt hat und der bei der Aufnahme dokumentierte Befund, der auch im Arztbrief vom 2.11.1999 an die Neurologische Klinik des Bezirkskrankenhauses G. wiederholt wird, nicht auf einer den Sachverhalt verfälschenden Beschreibung beruht. Die Aussagen der Zeugen Dr. G. und Dr. Gl. vermögen diese Überzeugung nicht zu erschüttern. Es überrascht, dass sich die beiden Zeugen nach einem Zeitraum von über sechs Jahren so genau, wie behauptet, an den Umfang des Hämatoms am rechten Auge zu erinnern glauben. Zweifel am Erinnerungsvermögen der Zeugen bestehen aus mehreren Gründen. Zum Einen widersprechen sich die Beschreibungen beider Zeugen. Während Dr. G. sich noch deutlich an ein Oberlidhämatom mit Beteiligung der Stirn und des Augenbrauenbereichs, „etwas über den äußeren Augenwinkel hinaus“, „aber kein vollständiges Unterlidhämatom“ erinnerte (Protokoll Bl. 337, 339 d. A.), wies der Patient dem Zeugen Gl. zufolge ein Hämatom am äußeren knöchernen Rand der Augenhöhle auf, welches bis in die Mitte des unteren Augenlides reichte, während das Oberlid nur im äußeren Bereich der Augenhöhle betroffen, das eigentliche Augenlid aber frei von Hämatomen gewesen sei (Bl. 343, 344 d. A.). Zum Anderen besteht zwischen der deutlichen Erinnerung des Zeugen Grill hinsichtlich des Erscheinungsbildes des Hämatoms eine unerklärte Diskrepanz zu seiner fehlenden Erinnerung an die von ihm ebenfalls dokumentierten multiplen Platzwunden sowie die Verordnung einer Schanzschen Krawatte (Bl. 338, 340 d. A.). Die Erklärung des Zeugen für die fehlende Erinnerung an die Platzwunden, diese seien jedenfalls nicht so ausgeprägt gewesen, dass sie versorgt werden mussten, steht in Widerspruch zum Sektionsprotokoll vom 9.11.1999. Dort sind „Einzelknopfnähte“ oberhalb der rechten Augenbraue sowie am inneren Ende derselben beschrieben (vgl. S. 2 des Berichts, Anlage K 4). Außerdem hatte der Chefarzt Prof. Dr. U. bei seiner Anhörung vor dem Landgericht zur Frage des Monokelhämatoms angegeben, Dr. G. könne sich nicht mehr erinnern (vgl. S. 6 des Protokolls vom 21.6.2004, Bl. 151 d. A.). Dass der Zeuge Dr. Gl. überdies meint, er habe den Patienten bereits am 26.10.1999 selbst gesehen, hat der Beklagte selbst nicht behauptet. Dies ergibt sich auch weder aus der Dokumentation in den Behandlungsunterlagen noch aus den Angaben des Zeugen Dr. G.. Nach dem Vortrag des Beklagten wurde der Befund des Patienten mit Abzeichnen der Röntgenaufnahme durch den Zeugen Dr. Gl. erst bei der allgemeinen Besprechung am nächsten Morgen erörtert.
45 
Der Aussage des Zeugen Dr. Gl., er habe die Röntgenaufnahmen noch am 26.10.1999 um die Mittagszeit in Kenntnis der beschriebenen relevanten Gesamtsymptomatik befundet, vermag der Senat nicht zu glauben. Die Angaben überzeugen schon deshalb nicht, weil der Beklagte dies in den langen Jahren des Prozesses bis zuletzt nicht behauptet hat. Auch der Zeuge Dr. G. hat dies nicht bestätigt, sondern ausgesagt, er habe keinen Anlass gehabt, den Oberarzt zu benachrichtigen (Bl. 339 d.A.). Anderes ist auch nicht dokumentiert, abgesehen davon, dass die Aufnahmen bei der allgemeinen Röntgenbesprechung am nächsten Morgen vom Zeugen Dr. Gl. abgezeichnet wurden.
46 
Der beantragten Vernehmung der beiden Obduzenten PD Dr. N. und Dr. R. als Zeugen bedarf es nicht. Der Senat geht davon aus, dass der Befund entsprechend den Feststellungen der Obduzenten bei der Obduktion am 4.11.1999 im Sektionsbericht vom 9.11.1999 (Anlage K4) festgehalten wurde, mithin die beiden Zeugen jedenfalls kein Monokelhämatom festgestellt haben, sondern lediglich eine Unterblutung des rechten Oberlids. Selbst wenn diese Feststellung korrekt war, schließt dies aber eine Einblutung in Gestalt eines Monokelhämatoms am Unfalltag nicht mit der erforderlichen Sicherheit aus. Nach dem Sachverständigen ist eine Resorption des Monokelhämatoms bis zur Obduktion möglich (vgl. Protokoll vom 7.2.2006, Bl. 350 d. A.). Ebenso kann das Monokelhämatom nur noch in fein verteilten, punktuellen und unauffälligen Blutabbauresten bestanden haben, sodass es von den Obduzenten nicht mehr wahrgenommen wird (vgl. Stellungnahme vom 26.9.2005, Bl. 315 d. A.).
47 
c) Das Unterlassen der Vorlage der Röntgenbilder ist ein Befunderhebungsfehler. Die Befunderhebung erschöpft sich nicht in dem technischen Vorgang der Anfertigung der Röntgenbilder mit der Folge, dass deren Auswertung nur eine Frage der Diagnose wäre. Bestandteil einer korrekten Befunderhebung ist es auch, die Aufnahmen mit Fachkompetenz auf für die Diagnostik relevante Tatsachen - hier Linien, die auf einen Bruch hindeuten können - zu analysieren.
48 
Bei der Röntgendiagnostik sind Befunderhebung und Diagnosestellung eng miteinander verwoben. Während der Bereich der Diagnosestellung die Bewertung bzw. Interpretation vorliegender Befunde betrifft, geht es bei der Befunderhebung um die Erhebung der faktischen Grundlagen für eine differenzierte Diagnose und Therapie (vgl. Geiss/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Auflage, S. 65, Rn. 65). Im Fall der Röntgendiagnostik werden die erforderlichen Fakten nicht nur aus der Anfertigung der Röntgenaufnahmen gewonnen. Erforderlich ist darüber hinaus der geübte Blick auf die Aufnahmen, der aus dem Gesamtbild die für die anschließende wertende Diagnose relevanten Erscheinungen - hier eine feine Linie - herauszufiltern vermag. Eine solche Linie, die mit einer Schädelfraktur vereinbar sein könnte, zu erkennen, ist noch dem Bereich der Feststellung von Tatsachen, mithin der Befunderhebung zuzurechnen. Erst in der Zusammenschau mit der Gesamtsymptomatik - hier kurzzeitige Bewusstlosigkeit, Commotio, Monokelhämatom, Verkehrsunfall, multiple Platzwunden - findet die wertende Betrachtung, die Diagnose statt. Diese Unterscheidung kommt auch im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. zum Ausdruck, in dem er darauf hinweist, dass bei gründlicher Analyse des Röntgenbildes eine „Haarlinie“ deutlich sichtbar sei, welche Hinweise auf eine Schädelbasisfraktur ergebe. Im Zusammenhang mit dem Monokelhämatom rechts sei somit von einer Schädelbasisfraktur auszugehen (S. 10 des schriftlichen Gutachtens, Bl. 75 d. A.). Im Ergebnis ist die vom Sachverständigen im Rahmen der gebotenen Ausschlussdiagnostik für erforderlich gehaltene Vorlage der Röntgenbilder an einen röntgendiagnostisch kompetenten Oberarzt oder den Chefarzt als Kontrollbefund einzuordnen, den einzuholen Dr. G. fehlerhaft unterlassen hat, weshalb die Befunderhebungspflicht in einem maßgeblichen Teil verletzt wurde.
49 
d) Die Klägerin kann zwar nicht beweisen, dass S. S. bei noch am 26.10.1999 erkannter Schädelfraktur überlebt hätte. Ihr kommen aber Beweiserleichterungen zugute.
50 
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet eine Beweislastumkehr bei mangelnder Befunderhebung oder Sicherung von Kontrollbefunden dann statt, wenn der Befund mit Wahrscheinlichkeit ein positives und deshalb aus medizinischer Sicht reaktionspflichtiges Ergebnis gehabt hätte und das Unterlassen der Reaktion bei einem solchen Befund nicht anders als durch einen groben Fehler zu erklären wäre (vgl. BGH NJW 2004, 1871; Geiss/Greiner, aaO., S. 162 Rn. 296 m. w. N. zur Rechtsprechung). Entscheidend ist, ob bei korrekter Befunderhebung von einem erfahrenen Unfallchirurgen mit spezieller Röntgenzusatzausbildung in Kenntnis der Verdachtsmomente für einen Schädelbasisbruch auf den Röntgenbildern mit Wahrscheinlichkeit die Fraktur entdeckt worden wäre.
51 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Hätte Dr. G. die Röntgenbilder dem Chefarzt Prof. Dr. U. unter Hinweis auf die Gesamtsymptomatik gezeigt, so hätte dieser nach eigenen Angaben die Frakturlinie damals „sicher“ festgestellt, wenn er auf ein Monokelhämatom hingewiesen worden wäre (Protokoll vom 17.5.2005, S. 5, Bl. 269 d. A.). Aber auch wenn die Röntgenbilder einem in der Röntgendiagnostik weitergebildeten und erfahrenen Facharzt gezeigt worden wären, wäre die Haarlinie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt worden. Der Sachverständige hat wiederholt zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass die Fraktur auf dem Röntgenbild zwar schwierig, aber eindeutig zu erkennen gewesen sei, und deshalb die falsche Analyse als fehlerhaft bewertet (Gutachten Bl. 105; Protokoll vom 21.6.2004, Bl. 150). Dem steht weder entgegen, dass der Sachverständige nicht ausschließen mochte, dass auch ein unfallchirurgischer Facharzt in seiner Abteilung an der Universitätsklinik diese Fraktur möglicherweise übersehen hätte (vgl. Protokoll vom 21.6.2004, S. 5, Bl. 150 d. A.), noch dass sie der Zeuge Dr. Gl. am nächsten Morgen bei der Röntgenbesprechung nicht erkannt hat. Ein unfallchirurgischer Facharzt hätte die Fraktur nach dem Sachverständigen jedenfalls erkennen müssen, und die Pflicht zur Vorlage der Röntgenbilder beinhaltet gerade die Einschaltung eines in der Röntgendiagnostik erfahrenen Facharztes. Das Erkennen der Fraktur erachtet der Senat deshalb für hinreichend wahrscheinlich.
52 
Wäre die Fraktur nach Vorlage der Röntgenbilder und in Zusammenhang mit der Gesamtsymptomatik festgestellt worden, hätte nach dem Sachverständigen unverzüglich mit einer Antibiose begonnen werden müssen. Diese Konsequenz hat der Sachverständige bereits bei seiner Anhörung in erster Instanz als „elementar“ selbst dann bezeichnet, wenn keine Sinusitis festgestellt ist (Protokoll vom 21.6.2004, S. 8, Bl. 153 d. A.). Von seiner Einschätzung ist der Sachverständige auch in Kenntnis der vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme von Prof. Dr. U. vom 6.7.2004 (Anlage Bl. 166 d. A.) nicht abgewichen, der wegen Fehlens hochfieberhafter Infektzeichen die sichere Einleitung einer antibiotischen Abdeckung bestritten hat. Bei seiner Anhörung durch den Senat hat der Sachverständige vielmehr überzeugend ausgeführt, dass wegen der Lebensgefährlichkeit einer Fraktur im Schädelbasisbereich eine Antibiotikagabe als Therapie oder Prophylaxe Standard sei, um eine Infektion im Hirnbereich zu vermeiden. Ein Absehen von diesem Standard hält der Sachverständige nach den medizinischen Regeln für nicht erklärbar. Jedenfalls bei den vorliegend festzustellenden rechtsbetont verschatteten Nebenhöhlen wäre ein Absehen von einer antibiotischen Therapie aus gutachterlicher Sicht nicht verständlich gewesen (vgl. Protokoll vom 7.2.2006, S. 16 f., Bl. 350 f. d. A.). Vor dem Hintergrund dieser sachverständigen Bewertung ist ein Absehen von einer Antibiotikatherapie bei festgestellter Schädelbasisfraktur und Sinusitis als grob fehlerhaft im Sinne der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu qualifizieren, da ein Absehen von einer Antibiotikatherapie aus objektiver ärztlicher Sicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Medizin nicht mehr verständlich erscheint, ein solcher Fehler dem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf und gegen elementare medizinische Behandlungsstandards und elementare medizinische Erkenntnisse verstößt (vgl. Geiss/Greiner, aaO., S. 142 Rn. 252 m. w. N. zur Rechtsprechung).
53 
e) Die daraus resultierende Umkehr der Beweislast für die Kausalität des Fehlers kommt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur dem Patienten und seinen Rechtsnachfolgern, sondern auch der Klägerin zugute.
54 
Anknüpfungspunkt für den von der Klägerin hier geltend gemachten Ausgleichsanspruch ist - sowohl nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB - das Bestehen einer Gesamtschuld. Die Klägerin muss nachweisen, dass nicht nur sie selbst, sondern auch der Beklagte gegenüber den Hinterbliebenen des S. S. zur Leistung verpflichtet ist (§ 421 Satz 1 BGB). Für diesen Anspruch des Geschädigten bzw. seiner Rechtsnachfolger gegen den Beklagten hat die Rechtsprechung wegen der aus dem Fehler entstandenen Beweisnot des Patienten Beweiserleichterungen entwickelt. Diese Beweiserleichterungen im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nicht zu berücksichtigen, wäre rein willkürlich und ohne Rechtfertigung. Besonders deutlich wird dies bei der Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs des Geschädigten nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der der Beweislastumkehr zugrunde liegende Ansatzpunkt verändert sich nicht durch die Person des Anspruchinhabers.
55 
Das in der Entscheidung des OLG Köln vom 14.7.1988 (Anlage Bl. 140 d. A.) ersichtlich unbefriedigende Ergebnis einer Beweislastumkehr zugunsten eines (vorsätzlich handelnden) Erstschädigers kann ohne Weiteres auf der Ebene des Mitverschuldens vermieden werden. Darauf hat auch das OLG Köln in seiner weiteren Argumentation abgestellt. Auch die Dissertation von Schramm (Der Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, 1992, S. 271) und der Aufsatz von Hausch (Die personelle Reichweite der Beweisregeln im Arzthaftungsprozess, VersR 2005, 600) vermögen nicht zu überzeugen.
56 
f) Dass eine sachgerechte Antibiotikatherapie jedenfalls generell geeignet war, das Leben des Herrn S. zu retten, steht außer Zweifel. Gegenteiliges kann der Beklagte nicht beweisen. Er kann nach den Ausführungen des Sachverständigen auch nicht beweisen, dass bei frühzeitiger Antibiotikatherapie das Überleben äußerst unwahrscheinlich gewesen wäre.
57 
4. Eine Haftung des Beklagten ist auch deshalb begründet, weil die Ärzte der ... (Name) -Klinik nach Auftreten neurologischer Symptome am 28.10.1999 kein Computertomogramm (CT) veranlasst haben.
58 
a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts traten spätestens am Nachmittag des 28.10.1999 bei Herrn S. ständiges Wackeln mit dem Kopf sowie Zittern mit dem linken Unterarm und der linken Hand auf, was der damals zuständigen Stationsärztin Frau Dr. D. mitgeteilt wurde. Diese neurologische Symptomatik durfte entgegen der Stellungnahme des Privatsachverständigen Prof. Dr. U. vom 6.7.2004 (Anlage Bl. 166 d. A.), die wie der Schriftsatz des Beklagten vom 14.7.2004 (Bl. 164 d.A.) innerhalb des nachgelassenen Schriftsatzrechts vorgelegt und deshalb zu Unrecht vom Landgericht als verspätet zurückgewiesen wurde, nach dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lediglich als Folge eines erstgradigen Schädel-Hirn-Traumas interpretiert werden. Auch nach Auseinandersetzung mit der genannten Stellungnahme bekräftigte Prof. Dr. Dr. B. diese bereits in erster Instanz vertretene Auffassung zur Überzeugung des Senats. Danach musste vor dem Hintergrund des Schädel-Hirn-Traumas und der seit dem Unfall vorliegenden Gesamtsymptomatik der Verdacht auf einen lebensbedrohlichen Zustand aufkommen und die neurologischen Symptome als Alarmzeichen verstanden werden, dass das Geschehen in seiner Dramatik zunahm. Die ursprüngliche Vermutung, dass es sich um ein harmloses Trauma handeln würde, musste spätestens jetzt im Hinblick auf die neu hinzugetretenen Symptome in Frage gestellt werden. In dieser Situation war es letztlich geboten, ein CT des Schädels zu veranlassen, um die Situation abzuklären, sei es direkt, über die Hinzuziehung eines Neurologen oder durch Überweisung in eine Spezialklinik (Protokoll vom 7.2.2006, S. 17, Bl. 351 d. A.). Die bis dahin zu Unrecht ausgeschlossene Schädelbasisfraktur musste als möglich wieder ins Blickfeld rücken und durch weitere, in der ... (Name) -Klinik nicht zur Verfügung stehende diagnostische Maßnahmen ausgeschlossen oder bestätigt werden.
59 
Dass die Ärzte der ... (Name) -Klinik das zur diagnostischen Abklärung erforderliche CT nicht veranlasst haben, stellt einen weiteren Befunderhebungsfehler dar. In jeder der drei vom Sachverständigen als möglich erachteten Reaktionen auf die verschlechterte Situation des Patienten hätte ein CT oder eine nukleare Magnetresonanzaufnahme (NMR) gefertigt werden müssen (vgl. Protokolle Bl. 154 und Bl. 352 d.A.).
60 
b) Auch insoweit kommen der Klägerin - wovon das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeht - für den Nachweis, dass Herr S. bei Durchführung der gebotenen diagnostischen Maßnahme überlebt hätte, Beweiserleichterungen zugute. Auf einem anzufertigenden CT oder NMR wäre mit Wahrscheinlichkeit die Fraktur erkannt worden. Dass bei der CT-Untersuchung im Bezirkskrankenhaus Günzburg am Abend des nachfolgenden Tages keine Fraktur befundet worden ist, steht dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nicht entgegen. Die Ärzte der Klinik für Neurochirurgie gingen davon aus, dass in der ... (Name) -Klinik bereits Verletzungen des Schädels ausgeschlossen worden waren (vgl. Arztbrief vom 9.11.1999 an Dr. H.). Die CT-Untersuchung erfolgte unter der Fragestellung, ob eine Hirnblutung oder ein Ödem vorlagen. Überzeugend gibt Prof. Dr. Dr. B. auf Vorhalt des CT-Befunds des Bezirkskrankenhauses G. an, dass man auf einem am 28.10.1999 gefertigten CT die Situation richtig interpretiert und die Fraktur wahrscheinlich erkannt hätte. Man hätte die vollgelaufenen Nebenhöhlen gesehen und auf einen entzündlichen Prozess im Hirnbereich rückgeschlossen. Wahrscheinlich hätte man auch die Frakturlinie in die Nebenhöhlen feststellen können (Protokoll vom 7.2.2006, S. 18, Bl. 352 d. A.).
61 
Wäre die Fraktur am 28.10.1999 erkannt worden, hätte eine Behandlung mit Antibiotika durchgeführt werden müssen (Protokoll aaO.). Deren Unterlassen wäre - wie bei einer Entdeckung der Frakturlinie bereits am 26.10.1999 auf dem Röntgenbild - grob fehlerhaft gewesen, zumal inzwischen der einsetzende entzündliche Prozess, wenngleich nicht in dem Ausmaß vom Abend des 29.10.1999, festgestellt worden wäre. Auf die obigen Ausführungen zu diesem Punkt wird Bezug genommen. Den Beklagten trifft deshalb die Beweislast dafür, dass Herr S. auch bei korrekter Befunderhebung und fehlerfreier therapeutischer Reaktion am 28.10.1999 die Krankheit nicht überlebt hätte. Diesen Nachweis kann er nicht führen. Es ist - so der Sachverständige (Protokoll vom 21.6.2004, S. 10, Bl. 155) - auch nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass Herr S. überlebt hätte, wenn noch im Laufe des 28.10.1999 mit einer Antibiotikatherapie begonnen worden wäre
62 
5. Die vom Landgericht im Rahmen der Ausgleichspflicht nach § 426 BGB vorgenommene Haftungsverteilung von 3/4 zu Lasten der Klägerin und 1/4 zu Lasten des Beklagten ist entgegen der Auffassung der Parteien nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil wird verwiesen. In dem genannten Umfang haftet der Beklagte gegenüber der Klägerin für alle Schäden, die auch auf die Fehler der Ärzte der ... (Name) -Klinik zurückzuführen sind.
63 
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die den Unfall ohne Mitverschulden des Fußgängers S. S. verursacht hat, hat den tragischen Geschehensablauf in Gang gesetzt. Die Ärzte der ... (Name) -Klinik, für deren Fehlverhalten der Beklagte einzustehen hat, haben durch Unterlassen gebotener Befunderhebung möglicherweise auf den Schaden vertiefend Einfluss genommen. Einen groben Diagnosefehler dagegen konnte die Klägerin nicht, wie behauptet, nachweisen. Das Schwergewicht im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge liegt deshalb beim Straßenverkehrsverstoß. Der dem Beklagten zuzurechnende Verursachungsbeitrag kann aber nicht völlig hinter demjenigen der Versicherungsnehmerin der Klägerin zurücktreten.
64 
Das Landgericht hat den Beklagten damit zu Recht zur Zahlung von 1/4 des geltend gemachten Betrages, nämlich zu 20.292,09 EUR verurteilt und eine Freistellungspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von 25 % der von Seiten Dritter geltend gemachten Schadensersatzansprüche festgestellt.
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6. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Beklagten nicht zu. Der Beklagte hat - außer den Zahlungen auf der Grundlage des Vergleichs vom 10.10.2005 an die Hinterbliebenen des Herrn S. (vgl. unten Ziffer 7) - keine Leistungen an diese oder deren Gläubiger erbracht. Soweit der Beklagte auf die generelle Ausgleichspflicht der Klägerin im Innenverhältnis zum Beklagten in Höhe von 75 % abstellen möchte, scheidet ein Zurückbehaltungsrecht ebenfalls aus. Zwar besteht der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bereits mit Begründung des Gesamtschuldverhältnisses. Ein daraus resultierender Befreiungsanspruch setzt aber die Fälligkeit der Gesamtschuld voraus (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 426 Rn. 4; BGH NJW 1981, 1666, 1667). Dazu aber geben weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Vortrag des Beklagten Anhaltspunkte.
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7. Das dem Beklagten vom Landgericht zu Recht zuerkannte Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten zu einer Zahlung von 5.000,00 EUR an die Erben des Herrn S. im Parallelverfahren (5 O 115/04 = 1 U 128/04) besteht nicht mehr. Der Beklagte hat im dortigen Verfahren auf Regressansprüche verzichtet.
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Nachdem der Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts im Parallelverfahren Berufung eingelegt hatte, haben die dortigen Parteien, die Erben des Herrn S. und der Beklagte, im zweiten Rechtszug vor dem erkennenden Senat einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Beklagte zu einer Zahlung in Höhe von 11.250,00 EUR an die Erben zur Abfindung ihrer Ansprüche verpflichtet hat. Grundlage des Vergleichs war ein Vorschlag des Senats, der auf der Basis einer beschränkten Gesamtwirkung der Abfindungsvereinbarung zwischen der Klägerin und den Erben vom 27.3.2001 den Erben des Herrn S. gegen den Beklagten Schadenersatz lediglich in Höhe von dessen Haftungsquote im Innenverhältnis zur Klägerin, nämlich von 25 %, zusprach. Als Schmerzensgeld für Herrn S. hat der Senat 5.000,00 EUR und für eventuelle zukünftige Unterhaltsschäden der Erben 40.000,00 EUR als Vergleichsgrundlagen veranschlagt und den dortigen Parteien demzufolge 25 % dieses Betrages, nämlich 11.250,00 EUR als Vergleichszahlung des Beklagten vorgeschlagen. Dies wurde auch so auf S. 6 des Protokolls vom 17.5.2005 (Bl. 279 der Akten des Parallelverfahrens, Bl. 270 der hiesigen Akten) festgehalten, wobei der Senat ausdrücklich die Einigkeit der Parteien, dass eine Regressmöglichkeit des Beklagten insoweit ausscheidet, in seinen Vergleichsvorschlag mit aufgenommen hat. Auf dieser Grundlage hat sich der Beklagte in dem durch Beschluss vom 10.10.2005 festgestellten schriftlichen Vergleich zu einer Zahlung von 11.250,00 EUR verpflichtet. Auch in der Kostenquote von 75 % zu Lasten der dortigen Kläger und 25 % zu Lasten des Beklagten kommt zum Ausdruck, dass der Zahlungsbetrag bereits die Haftungsquote des Beklagten von nur 25 % berücksichtigt. Dem Beklagten steht deshalb weder ein Zurückbehaltungsrecht noch eine aufrechenbare Forderung gegen die Klägerin zu.
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8. Auf die Berufung der Klägerin ist das Urteil des Landgerichts vom 30.9.2004 daher lediglich insoweit abzuändern, als eine Zug-um-Zug-Verurteilung entfällt. Im Übrigen sind beide Berufungen ohne Erfolg.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92, Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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9. Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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10. Der Streitwert für den ersten Rechtszug ist zu korrigieren, nachdem ersichtlich der Feststellungsantrag bei der Streitwertfestsetzung vergessen wurde. Diesen setzt der Senat, entsprechend einem Vorschlag der Klägerin (Bl. 1 d. A.) mit 60.000,00 EUR fest, so dass sich ein Gesamtstreitwert für beide Rechtszügen von insgesamt 141.168,36 EUR ergibt.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)