Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2006 - VI ZR 247/05

bei uns veröffentlicht am26.09.2006
vorgehend
Amtsgericht Mainz, 70 C 34/04, 10.12.2004
Landgericht Mainz, 3 S 10/05, 26.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 247/05
Verkündet am:
26. September 2006
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 249 Bb, 254 Cb
Bei einer anteiligen Haftung muss der Geschädigte vor Inanspruchnahme seiner
Vollkaskoversicherung grundsätzlich nicht die Mitteilung über die Regulierungsbereitschaft
des Haftpflichtversicherers seines Unfallgegners abwarten.
BGH, Urteil vom 26. September 2006 - VI ZR 247/05 - LG Mainz
AG Mainz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2006 im
schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 1. August 2006 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 26. Oktober 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem Fahrzeug der Beklagten zu 2, das bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversichert ist, kam es am 7. Juli 2003 zu einem Verkehrsunfall. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu einer Quote von 50 % ist dem Grunde nach unstreitig.
2
Der Kläger rechnete seinen Schaden über seine Vollkaskoversicherung ab. Mit Anwaltsschreiben vom 18. Juli 2003 an die Beklagte zu 1 teilte er mit, dass für das Kraftfahrzeug eine Kraftfahrzeugvollversicherung bestehe, die in Anspruch genommen werde, und bat, nicht später als zum 15. August 2003 den Umfang der Regulierungsbereitschaft anzuzeigen.
3
Wegen der Erhöhung der Versicherungsprämie auf 100 % übernahm der Kläger das Unfallfahrzeug in einen anderen Vollkaskoversicherungsvertrag, der zu 30 % geführt wird. Mit der Klage begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten als Gesamtschuldner zu 50 % für sämtliche Schäden, die aus der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung resultieren.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann es auf sich beruhen, ob der Kläger einen Verlust seines Schadensfreiheitsrabattes erlitten hat, weil er das Unfallfahrzeug in einen anderen Vollkaskovertrag übernommen habe. Es könne auch dahinstehen, ob eine Ersatzpflicht zu versagen sei, weil der Kläger selbst anteilig zu 50 % hafte, also aufgrund seiner Mithaftung für den Unfall ohnehin zurückgestuft worden wäre.
6
Die Berufung sei schon deswegen unbegründet, weil der Geschädigte dem Schädiger grundsätzlich Gelegenheit geben müsse, die entstehenden Kosten durch Regulierung abzuwenden, bevor er seinen Kaskoversicherer in Anspruch nehme. Warte der Geschädigte - wie hier - nicht die Regulierungsbereitschaft des Haftpflichtversicherers des Schädigers ab, liege regelmäßig ein Ver- stoß gegen die Schadensminderungspflicht vor. Dies führe dazu, dass die Aufwendungen , die aus der Rückstufung entstünden, nicht erforderlich gewesen und deshalb nicht zu ersetzen seien.

II.

7
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
8
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (vgl. Senatsurteile BGHZ 44, 382, 387 und vom 25. April 2006 - VI ZR 36/05 - VersR 2006, 1139, 1140; BGH, Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 35/74 - VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.). Die umstrittene Frage, ob der Schädiger auch bei nur anteiliger Schadensverursachung für den Rückstufungsschaden haftet, hat der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 25. April 2006 (VI ZR 36/05, aaO) entschieden. Wie der erkennende Senat in diesem Urteil näher ausgeführt hat, gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Rückstufungsschaden auch infolge der Regulierung des vom Geschädigten selbst zu tragenden Schadensanteils eintritt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht (vgl. Senatsurteile vom 25. April 2006 - VI ZR 36/05 - aaO; vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - VersR 2005, 945, 946; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862).
9
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Ersatzanspruch des Klägers auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor der Inanspruchnahme seiner Vollkas- koversicherung nicht die Regulierungsbereitschaft des Haftpflichtversicherers des Beklagten zu 2 abgewartet hat.
10
Zwar wird die Auffassung vertreten, es liege regelmäßig ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, wenn der Geschädigte nicht die Regulierungsbereitschaft des Schädigers (Versicherers) abwarte, weil die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zum Ausgleich des Schadens nicht erforderlich sei, wenn der Schädiger die Schadensregulierung unverzüglich anbiete (vgl. OLG Hamm VersR 1993, 1544; Böhme/Biela, Kraftverkehrshaftpflichtschäden , 23. Aufl., Rn. D 105; Klunzinger NJW 1969, 2113, 2114; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 7. Aufl., Rn. 176). Darauf kommt es jedoch dann nicht an, wenn der Geschädigte - wie hier - wegen einer Mithaftung einen Teil seines Schadens selbst tragen muss (vgl. OLG Hamm, aaO, 1545). In solchen Fällen wird der Kaskoversicherte regelmäßig seine Kaskoversicherung jedenfalls zur Abdeckung des selbstverschuldeten Schadensanteils in Anspruch nehmen, auch wenn der Unfallgegner bzw. sein Haftpflichtversicherer unverzüglich die Regulierung seines eigenen Schadensanteils anbietet. Anders als in den Fällen, in denen der Geschädigte voll haftet, verbleibt nämlich bei der Mithaftung in jedem Fall ein Teil des Schadens bei dem Geschädigten. Hinsichtlich dieses Teils liegt aber eine Mitverursachung durch den Unfallgegner auch hinsichtlich des Rückstufungsschadens in der Vollkaskoversicherung vor (vgl. Senatsurteil vom 25. April 2006 - VI ZR 36/05 - aaO). Deshalb ist es unerheblich, ob der Geschädigte die Mitteilung über die Regulierungsbereitschaft des Haftpflichtversicherers seines Unfallgegners für dessen Haftungsanteil abwartet und sich dann an seine Kaskoversicherung wendet, oder ob er dies sogleich tut und dann der Schaden quotenmäßig - hier zu 50 % - ausgeglichen wird. In beiden Fällen tritt der Rückstufungsschaden ein mit der Folge, dass in derartigen Fällen der Rückstufungsschaden vom Schädi- ger unabhängig von dessen Regulierungsverhalten regelmäßig anteilig zu ersetzen ist (vgl. OLG Hamm aaO, 1545; LG Aachen DAR 2000, 36).

III.

11
Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Kläger einen Verlust seines Schadensfreiheitsrabattes erlitten hat oder noch erleiden kann, weil er das Unfallfahrzeug in einen anderen Vollkaskovertrag übernahm und deshalb bei Abschluss eines neuen Vertrages ein Schaden eintreten kann, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Mainz, Entscheidung vom 10.12.2004 - 70 C 34/04 -
LG Mainz, Entscheidung vom 26.10.2005 - 3 S 10/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2006 - VI ZR 247/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2006 - VI ZR 247/05

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2006 - VI ZR 247/05 zitiert 2 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2005 - VI ZR 175/04

bei uns veröffentlicht am 19.04.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 175/04 Verkündet am: 19. April 2005 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2006 - VI ZR 36/05

bei uns veröffentlicht am 25.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VI ZR 36/05 Verkündet am: 25. April 2006 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2006 - VI ZR 247/05.

Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 08. Juni 2017 - 2 S 5570/15

bei uns veröffentlicht am 08.06.2017

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 25.06.2015, Az. 5 C 289/15, abgeändert wie folgt: I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.268,40 € nebst Zinsen in Höhe von j

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - VI ZR 577/16

bei uns veröffentlicht am 19.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 577/16 Verkündet am: 19. Dezember 2017 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VI ZR 36/05 Verkündet am:
25. April 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 Bb., 254 Cb
Auch bei nur anteiliger Schadensverursachung haftet der Schädiger für den
Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte die Kaskoversicherung
in Anspruch nimmt.
BGH, Versäumnisurteil vom 25. April 2006 - VI ZR 36/05 - LG Berlin
AG Mitte
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 58 des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2005 aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mitte - 106 C 3486/03 - vom 7. Oktober 2004 im Kostenausspruch und insoweit abgeändert, als die Klage abgewiesen worden ist. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zu 50 % sämtliche Schäden zu ersetzen , die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der IDUNA Versicherung AG aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 23. November 2002 entstanden sind und entstehen werden. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist die Eigentümerin eines PKW, der am 23. November 2002 in einen Verkehrsunfall mit einem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten und von der Beklagten zu 2 geführten PKW verwickelt worden ist. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu einer Quote von 50 % ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten als Gesamtschuldner zu 50 % für sämtliche Schäden, die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung zur Schadensregulierung resultieren.
2
Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den bei der Klägerin durch die Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung eingetretenen Prämiennachteilen nicht um einen adäquat kausalen Schaden des streitgegenständlichen Unfallereignisses, für welche die Beklagten eine (anteilige) Haftung treffe. Ausschlaggebend für die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung durch den Geschädigten sei im Falle seiner anteiligen Mithaftung nicht die Regulierung der durch den Schädiger verursachten Schäden, sondern der Ausgleich der vom Geschädigten selbst zu tragenden Schäden. Auf dieser Grund- lage träten die Prämiennachteile bereits ihrem gesamten Umfang nach ein (so auch AG Altenkirchen VersR 2002, 116).

II.

4
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
5
1. Da die Beklagten und Revisionsbeklagten in der Revisionsverhandlung trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten waren, ist über die Revision der Klägerin antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81; BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 344/97 - NJW 1999, 647, 648).
6
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin die beantragte Feststellung verlangen.
7
a) Sie kann ihren Anspruch insgesamt im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Das hierfür erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist für den künftigen Schaden jedenfalls zu bejahen, weil noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen der Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 140/91 - VersR 1992, 244). Soweit der Antrag der Klägerin den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte die Klägerin den Schaden zwar beziffern. Doch ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig , weil sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1991 - III ZR 204/89 - VersR 1991, 788 f.).
8
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Rückstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung trotz des anteiligen Mitverschuldens des Geschädigten eine adäquate Folge des Unfalls.
9
aa) Anders als beim Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der Haftpflichtversicherung , bei dem es sich lediglich um einen allgemeinen Vermögensnachteil in der Form des Sachfolgeschadens handelt (BGHZ 66, 398, 400 m.w.N.; vgl. BVerwGE 95, 98, 101; BAG NJW 1993, 1028), ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387; ebenso BGH, Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 35/74 - VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - VersR 2005, 558, 559). Für den Fall der vollen Haftung des Schädigers stellt dies auch das Berufungsgericht nicht in Frage.
10
bb) Doch liegt der Auffassung des Berufungsgerichts, dass im Falle anteiliger Mithaftung des Geschädigten der Prämienschaden allein infolge der Regulierung der durch den Geschädigten selbst zu tragenden Schäden eintrete, ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Es kommt nicht darauf an, ob ein Ereignis die "ausschließliche" oder "alleinige" Ursache des Schadens ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - VersR 2005, 945, 946; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862). Auch bei anteiliger Schadensverursachung haftet der Schädiger dementsprechend für den Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte die Kaskoversicherung in Anspruch nimmt.
11
cc) Im Streitfall hat die Abrechnung des gesamten Unfallschadens über die Vollkaskoversicherung den Rückstufungsschaden der Klägerin zur Folge, der durch die Beklagte zu 2 mitverursacht worden ist. Dass die Klägerin eine hälftige Mithaftung trifft, ändert daran nichts. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung trat, unabhängig von der Schuldfrage, allein dadurch ein, dass überhaupt Versicherungsleistungen in Anspruch genommen wurden. Da der Unfall als das den Schaden begründende Ereignis teils von der Beklagten zu 2, teils von der Klägerin zu vertreten ist, ist auch der Rückstufungsschaden hälftig zu teilen (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387 f.; OLG Karlsruhe, VersR 1992, 67, 68; LG Ulm, VersR 1993, 334; vgl. Klunzinger, NJW 1969, 2113, 2116; Becker /Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 22. Aufl., D 84; GeigelSchlegelmilch , Haftpflichtprozess, 24. Aufl., § 13 Rn. 88).
12
c) Die Fragen, ob und inwieweit die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zum Ausgleich des Schadens erforderlich ist, wenn der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer die Regulierung ihres Schadensanteils sofort angeboten haben (vgl. zur Erforderlichkeit von Rechtsanwaltsgebühren als Rechtsverfolgungskosten Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - aaO; zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden , 22. Aufl., Rn. D 84) oder ob der Geschädigte bei geringer Fremdbeteiligung gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt (verneinend OLG Hamm, VersR 1993, 1545; LG Aachen, DAR 2000, 36; AG Gießen , DAR 1995, 29; AG Münster, VersR 2001, 781, 782), wirft der Streitfall nicht auf, weil die Beklagten nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen die Haftung zunächst dem Grunde nach bestritten haben. Jedenfalls unter diesen Umständen war die Klägerin berechtigt, die Versicherung in Anspruch zu nehmen.
13
3. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen waren, konnte der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Mitte, Entscheidung vom 07.10.2004 - 106 C 3486/03 -
LG Berlin, Entscheidung vom 17.01.2005 - 58 S 384/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 175/04 Verkündet am:
19. April 2005
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch eine Beweiswürdigung nach § 287 ZPO kann vom Revisionsgericht (wie bei
Anwendung des § 286 ZPO) lediglich darauf überprüft werden, ob sich der Tatrichter
mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei
auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich
ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze verstößt.
Die Annahme eines Ursachenzusammenhangs erfordert im zivilen Haftungsrecht
auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht die Feststellung einer
richtunggebenden Veränderung, vielmehr reicht schon eine bloße Mitverursachung
aus, um einen Ursachenzusammenhang zu bejahen.
BGH, Urteil vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 15. April 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Klägers entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der im Jahre 1970 geborene Kläger war Student. Er wurde 1991 überfallen und ist seitdem querschnittgelähmt. Trotz seiner Behinderung nahm er 1992 das Studium der Umwelttechnik wieder auf. Nach einem bestandenen Sprachtest beabsichtigte er, das Studium in den USA fortzusetzen. Am 17. Januar
1995 erlitt er einen Verkehrsunfall, für den die Beklagte dem Grunde nach in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Der Kläger macht geltend, seine Gesamtverfassung habe sich unfallbedingt erheblich verschlechtert und er könne u.a. wegen einer erheblichen Verminderung der groben Kraft von Muskelgruppen in den Armen, die von der Querschnittlähmung nicht betroffen seien, erforderliche Lagewechsel seit dem Unfall nicht mehr ohne Hilfe anderer ausführen. Er begehrt über die vorprozessual gezahlten 1.500 DM Schmerzensgeld hinaus ein weiteres Schmerzensgeld , das er in das Ermessen des Gerichts stellt, das aber mindestens 30.000 DM betragen solle. Ferner macht er eine Kapitalabfindung, hilfsweise eine indexierte Rente wegen erhöhten Pflegebedarfs geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle ihm infolge des Unfalls künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden. Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines weiteren Schmerzensgeldes von 1.500 DM sowie wegen eines erhöhten Pflegebedarfs für die Dauer von sechs Monaten nach dem Unfall stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Kammergericht die Beklagte verurteilt, über den vorprozessual bezahlten Betrag von 1.500 DM hinaus weitere 1.766,94 € Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen, die Klage im übrigen aber abgewiesen und die weitergehenden Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, es stehe fest, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 17. Januar 1995 eine Distorsion der Halswirbelsäule leichteren bis höchstens mittleren Grades erlitten habe. Der Kläger habe nämlich bereits unmittelbar nach dem Unfall über typische Beschwerden, insbesondere über starke Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich und ein Schwindelgefühl geklagt und sich deshalb unter Einhaltung verordneter Bettruhe ärztlich behandeln lassen. Ein solches Verhalten des Klägers, der vor dem Unfall sein Leben soweit wie möglich trotz seiner Behinderung aktiv selbst gestaltet habe, erscheine ohne unfallbedingte Beschwerden wenig plausibel. Auch der orthopädische und der neurologisch-psychiatrische Sachverständige hätten die Überzeugung von einer unfallbedingten Halswirbelsäulen-Distorsion gewonnen, die bei der Vorschädigung des Klägers auch bei einer nur geringen Differenzgeschwindigkeit von 5 bis 8 km/h habe eintreten können. Das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld sei allerdings nur um 1.000 € höher als vom Landgericht zu bemessen. Darüber hinausgehende Forderungen des Klägers seien nicht berechtigt. Das Berufungsgericht habe sich auch unter Anwendung des § 287 ZPO nicht davon überzeugen können, daß der Verkehrsunfall zu einem anhaltenden Dauerschaden des Klägers geführt habe. Vielmehr habe der Kläger lediglich bis zur Dauer von zwei Jahren in abnehmendem Maße unter Folgen der unfallbedingten HalswirbelsäulenDistorsion gelitten, wie aus dem Gutachten des orthopädischen Sachverständigen W. folge. Auch der Sachverständige H. habe in seinem neurologischpsychiatrischen Gutachten ausgeführt, daß der Zeitraum mit unfallbedingten Beschwerden des Klägers zwar länger sei als gewöhnlich, man aber davon
ausgehen müsse, daß nach zwei Jahren keine unfallbedingten Folgen mehr verblieben seien. Eine dauerhafte Beeinträchtigung des Klägers im Sinne einer richtunggebenden Verschlechterung des Zustandes nach Querschnittlähmung sei nicht zu begründen und nicht nachzuweisen, weil die Querschnittlähmung nicht fortschreiten könne. Die vom Kläger als Unfallfolge angesehenen Beschwerden wie insbesondere ein Kräfteverlust in den Armen, Kopfschmerzen und hierdurch bedingte Konzentrationsstörungen seien typische Erscheinungen bei einer Querschnittlähmung im Wirbelbereich C 6. Auch habe der Sachverständige H. den Grad der Wahrscheinlichkeit, zu dem die Beschwerden des Klägers organisch auf den Unfall zurückzuführen seien, gegen Null bewertet. Die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO für die Einholung weiterer Gutachten , wie vom Kläger beantragt, seien nicht gegeben. Daß der Kläger nach Ansicht des Sachverständigen H. den Überfall im Jahre 1991 nicht richtig verarbeitet habe und deshalb in dem Unfall vom 17. Januar 1995 die Ursache für sein Schicksal suche, könne eine Haftung der Beklagten nicht begründen. Symptome für eine durch den Verkehrsunfall ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung fehlten nämlich. Eine bloße Fehleinstellung des Klägers habe keinen Krankheitswert. Der Sachverständige habe die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Bedeutung des Unfalls für die vom Kläger geklagten Beschwerden auf nur 30-40 % bemessen. Das reiche zur Überzeugungsbildung nicht aus. Mithin könne mehr als zwei Jahre nach dem Verkehrsunfall nicht mehr von unfallbedingten Beschwerden und einem unfallbedingt erhöhten Pflegebedarf ausgegangen werden. Einen Pflegemehraufwand für die ersten beiden Jahre nach dem Verkehrsunfall aber habe der Kläger trotz deutlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 15. April 2003 nicht hinreichend dargetan. Damit sei auch der Feststellungsantrag des Klägers unbegründet , weil mit Spätfolgen des Unfalls nicht mehr zu rechnen sei.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in wesentlichen Punkten nicht stand. 1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien nicht beanstandet geht das Berufungsgericht vorliegend davon aus, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 17. Januar 1995 eine Halswirbelsäulen-Distorsion erlitten hat und daß die Beklagte ihm für diesen Schaden und die hieraus folgende Beeinträchtigung ersatzpflichtig ist (§§ 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG). 2. Mit Erfolg beanstandet die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die geltend gemachten Folgeschäden des Unfalls als nicht unfallbedingt angesehen und eine Beeinträchtigung nur bis zur Dauer von zwei Jahren für bewiesen erachtet hat.
a) Allerdings kann die Beweiswürdigung vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364; vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - BGHReport 2004, 185, 186; BGH, Urteile vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 23/86 - NJW 1987, 1557, 1558; vom 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - WM 1999, 1889, 1890; vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03 - VersR 2005, 272, 273). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Beweiswürdigung, die - wie hier - nach § 287 ZPO vorzunehmen ist. Diese Vorschrift stellt nämlich lediglich geringere Anforderungen an das Maß für eine Überzeugungsbildung des Tatrichters, ist aber hinsichtlich der
revisionsrechtlichen Überprüfung keinen anderen Maßstäben als die Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO unterworfen. Den Erwägungen des Berufungsgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität nach § 287 ZPO liegt aber ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Das Berufungsgericht hat zwar revisionsrechtlich beanstandungsfrei dargelegt, daß die Sachverständigen H. und W. übereinstimmend ausgeführt hätten, beim Kläger seien durch den Unfall keine substantiellen Verletzungen des Kopfhalteapparates oder der Bandscheiben eingetreten, die sich später noch feststellen ließen. Es hat sich dann aber auf den Sachverständigen H. bezogen, der ausgeführt habe, daß eine dauerhafte Beeinträchtigung des Zustandes des Klägers nach seiner Querschnittlähmung im Sinne einer "richtunggebenden" Verschlechterung nicht nachzuweisen sei, weil die Querschnittlähmung des Klägers nicht fortschreiten könne. Diese aus dem Sozialversicherungsrecht stammende Formulierung (vgl. BSGE 6, 87; 6, 192, BSG, Urteil vom 25. März 1999 - B 9 V 11/98 R - Soz-R 3-3100 § 10 Nr. 6) gibt für die Beurteilung der für die zivilrechtliche Haftung notwendigen Ursächlichkeit im juristischen Sinn nichts her (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 347; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Haftungsrechtlich ist eine richtunggebende Veränderung nicht erforderlich, vielmehr kann auch die Mitverursachung einer Verschlechterung im Befinden ausreichen, um die volle Haftung auszulösen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein Ereignis die "ausschließliche" oder "alleinige" Ursache einer Gesundheitsbeeinträchtigung ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - aaO).
Der Schädiger kann sich nach ständiger Rechtsprechung auch nicht darauf berufen, daß der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders anfällig zur erneuten Beeinträchtigung gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne daß die Vorschäden "richtunggebend" verstärkt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 20, 137, 139; 107, 359, 363; 132, 341, 345; vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts, ist nach den dargelegten Grundsätzen fehlerhaft. Dieser Fehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des Ursachenzusammenhangs gelangt wäre, wenn es erkannt hätte , daß die bloße Mitverursachung des Unfalls für die Verschlechterung im Befinden des Klägers ausreichen kann. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden könnten jetzt nicht mehr Folge einer HWS-Distorsion sein, sondern stellten typische Erscheinungen einer Querschnittlähmung dar, als Tatsachenfeststellung zu verstehen ist, kann dahinstehen , da diese Auffassung nicht frei von Widersprüchen und deshalb revisionsrechtlich nicht bindend ist. Mit Recht weist die Revision darauf hin, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die auch nach der Überzeugung des Berufungsgerichts zunächst unfallbedingten Beschwerden nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums plötzlich zu "typischen Erscheinungen bei einer Querschnittlähmung" werden sollten, zumal sich an der Querschnittlähmung als solcher nichts geändert habe. Bei seiner erneuten Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht daher auch diesem Einwand der Revision nachzugehen und mit sachverständi-
ger Hilfe zu prüfen haben, ob und welche Beschwerden nach dem Unfall neu aufgetreten sind und fortdauern sowie ob persistierende Beschwerden durch den Unfall (mit-) verursacht oder auch nur ausgelöst worden sind (§ 287 ZPO). Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, daß die Kausalität - anders als der Sachverständige offenbar meint - nicht aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht anhand reproduzierbarer, valider und objektiver Befunde , sondern nach juristischen Maßstäben festzustellen ist und eine Überzeugung des Gerichts deshalb lediglich die Beseitigung vernünftiger Zweifel erfordert. Das Berufungsgericht wird hierzu den Zustand des Klägers vor dem Unfall (vgl. Gutachten vom 17. Dezember 1993) mit seinem Zustand nach dem Unfall zu vergleichen haben.
c) Bei seiner erneuten Befassung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß nach den dargelegten Grundsätzen die bloße Mitverursachung durch den Verkehrsunfall für eine Haftung des Schädigers grundsätzlich auch dann ausreichen kann, wenn eine psychische Fehlverarbeitung des Geschädigten hinzutritt (zur Grenze vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - VersR 1996, 990, 991; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - VersR 2004, 874). Insoweit macht die Revision zwar vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe auch eine psychische Beeinträchtigung bejahen müssen , weil der Sachverständige H. eine Beeinflussung des Schadensbildes durch sie in Höhe von 30-40 % bejaht habe. Das beruht auf einem Mißverständnis, weil das Berufungsgericht ersichtlich dem Sachverständigen in der Auffassung gefolgt ist, daß eine Wahrscheinlichkeit für eine psychische Mitwirkung am Schaden nur in dieser Höhe bestehe und dies dem Berufungsgericht nicht zur Überzeugungsbildung ausgereicht hat. Das könnte revisionsrechtlich nicht angegriffen werden. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß die Verneinung des Ursachenzusammenhangs auch insoweit auf der rechtsfehlerhaften Annahme
des Berufungsgerichts beruht, daß eine richtunggebende Veränderung erforderlich sei, während richtigerweise auch hinsichtlich des psychischen Schadens eine Mitursächlichkeit ausreichen würde. 3. Die Abweisung der Klage auf erhöhten Pflegemehrbedarf während der vom Berufungsgericht als unfallbedingt beurteilten Beeinträchtigungen für eine Zeit bis zwei Jahre nach dem Unfall hält revisionsrechtlicher Prüfung gleichfalls nicht stand. Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht trotz eines Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2003 ausreichenden Vortrag vermißt hat. Ein deutlicher und unmißverständlicher Hinweis gemäß § 139 ZPO ist weder aus den Akten noch aus dem Berufungsurteil ersichtlich. Der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2004, die vermutlich gemeint ist, läßt sich ein solcher Hinweis nicht entnehmen. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils gibt den Inhalt des Hinweises nicht mit einer solchen Deutlichkeit wieder, daß dem Revisionsgericht eine Prüfung möglich wäre, ob der Hinweis inhaltlich ausreichend war. Ein unmißverständlicher und deutlicher Hinweis war hier schon deshalb erforderlich, weil das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu seinem unfallbedingt erhöhten Pflegebedarf für nicht ausreichend hielt, obwohl das Landgericht einen solchen jedenfalls für die ersten sechs Monate nach dem Unfallzeitpunkt für ausreichend dargetan gehalten hatte (vgl. BVerfGE 84, 188, 190 f.; BVerfG, Beschluß vom 29. Mai 1991
- 1 BvR 1383/90 - NJW 1991, 2823, 2824). Das Berufungsgericht wird sich deshalb mit dem in der Revisionsbegründung nunmehr nachgereichten - schlüssigen - Vortrag, der an entsprechenden Vortrag in der Tatsacheninstanz anknüpft, auseinandersetzen müssen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VI ZR 36/05 Verkündet am:
25. April 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 Bb., 254 Cb
Auch bei nur anteiliger Schadensverursachung haftet der Schädiger für den
Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte die Kaskoversicherung
in Anspruch nimmt.
BGH, Versäumnisurteil vom 25. April 2006 - VI ZR 36/05 - LG Berlin
AG Mitte
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 58 des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2005 aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mitte - 106 C 3486/03 - vom 7. Oktober 2004 im Kostenausspruch und insoweit abgeändert, als die Klage abgewiesen worden ist. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zu 50 % sämtliche Schäden zu ersetzen , die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der IDUNA Versicherung AG aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 23. November 2002 entstanden sind und entstehen werden. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist die Eigentümerin eines PKW, der am 23. November 2002 in einen Verkehrsunfall mit einem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten und von der Beklagten zu 2 geführten PKW verwickelt worden ist. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu einer Quote von 50 % ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten als Gesamtschuldner zu 50 % für sämtliche Schäden, die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung zur Schadensregulierung resultieren.
2
Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den bei der Klägerin durch die Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung eingetretenen Prämiennachteilen nicht um einen adäquat kausalen Schaden des streitgegenständlichen Unfallereignisses, für welche die Beklagten eine (anteilige) Haftung treffe. Ausschlaggebend für die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung durch den Geschädigten sei im Falle seiner anteiligen Mithaftung nicht die Regulierung der durch den Schädiger verursachten Schäden, sondern der Ausgleich der vom Geschädigten selbst zu tragenden Schäden. Auf dieser Grund- lage träten die Prämiennachteile bereits ihrem gesamten Umfang nach ein (so auch AG Altenkirchen VersR 2002, 116).

II.

4
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
5
1. Da die Beklagten und Revisionsbeklagten in der Revisionsverhandlung trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten waren, ist über die Revision der Klägerin antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81; BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 344/97 - NJW 1999, 647, 648).
6
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin die beantragte Feststellung verlangen.
7
a) Sie kann ihren Anspruch insgesamt im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Das hierfür erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist für den künftigen Schaden jedenfalls zu bejahen, weil noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen der Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 140/91 - VersR 1992, 244). Soweit der Antrag der Klägerin den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte die Klägerin den Schaden zwar beziffern. Doch ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig , weil sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1991 - III ZR 204/89 - VersR 1991, 788 f.).
8
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Rückstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung trotz des anteiligen Mitverschuldens des Geschädigten eine adäquate Folge des Unfalls.
9
aa) Anders als beim Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der Haftpflichtversicherung , bei dem es sich lediglich um einen allgemeinen Vermögensnachteil in der Form des Sachfolgeschadens handelt (BGHZ 66, 398, 400 m.w.N.; vgl. BVerwGE 95, 98, 101; BAG NJW 1993, 1028), ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387; ebenso BGH, Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 35/74 - VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - VersR 2005, 558, 559). Für den Fall der vollen Haftung des Schädigers stellt dies auch das Berufungsgericht nicht in Frage.
10
bb) Doch liegt der Auffassung des Berufungsgerichts, dass im Falle anteiliger Mithaftung des Geschädigten der Prämienschaden allein infolge der Regulierung der durch den Geschädigten selbst zu tragenden Schäden eintrete, ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Es kommt nicht darauf an, ob ein Ereignis die "ausschließliche" oder "alleinige" Ursache des Schadens ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - VersR 2005, 945, 946; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862). Auch bei anteiliger Schadensverursachung haftet der Schädiger dementsprechend für den Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte die Kaskoversicherung in Anspruch nimmt.
11
cc) Im Streitfall hat die Abrechnung des gesamten Unfallschadens über die Vollkaskoversicherung den Rückstufungsschaden der Klägerin zur Folge, der durch die Beklagte zu 2 mitverursacht worden ist. Dass die Klägerin eine hälftige Mithaftung trifft, ändert daran nichts. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung trat, unabhängig von der Schuldfrage, allein dadurch ein, dass überhaupt Versicherungsleistungen in Anspruch genommen wurden. Da der Unfall als das den Schaden begründende Ereignis teils von der Beklagten zu 2, teils von der Klägerin zu vertreten ist, ist auch der Rückstufungsschaden hälftig zu teilen (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387 f.; OLG Karlsruhe, VersR 1992, 67, 68; LG Ulm, VersR 1993, 334; vgl. Klunzinger, NJW 1969, 2113, 2116; Becker /Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 22. Aufl., D 84; GeigelSchlegelmilch , Haftpflichtprozess, 24. Aufl., § 13 Rn. 88).
12
c) Die Fragen, ob und inwieweit die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zum Ausgleich des Schadens erforderlich ist, wenn der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer die Regulierung ihres Schadensanteils sofort angeboten haben (vgl. zur Erforderlichkeit von Rechtsanwaltsgebühren als Rechtsverfolgungskosten Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - aaO; zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden , 22. Aufl., Rn. D 84) oder ob der Geschädigte bei geringer Fremdbeteiligung gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt (verneinend OLG Hamm, VersR 1993, 1545; LG Aachen, DAR 2000, 36; AG Gießen , DAR 1995, 29; AG Münster, VersR 2001, 781, 782), wirft der Streitfall nicht auf, weil die Beklagten nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen die Haftung zunächst dem Grunde nach bestritten haben. Jedenfalls unter diesen Umständen war die Klägerin berechtigt, die Versicherung in Anspruch zu nehmen.
13
3. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen waren, konnte der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Mitte, Entscheidung vom 07.10.2004 - 106 C 3486/03 -
LG Berlin, Entscheidung vom 17.01.2005 - 58 S 384/04 -