Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - VIII ZR 148/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:070218UVIIIZR148.17.0
bei uns veröffentlicht am07.02.2018
vorgehend
Landgericht Oldenburg (Oldenburg), 3 O 1532/16, 04.11.2016
Oberlandesgericht Oldenburg, 6 U 199/16, 19.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 148/17 Verkündet am:
7. Februar 2018
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Frage, ob von einem Haushaltskunden erhobene Einwendungen gegen eine
Stromrechnung die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" belegen
und den Kunden deshalb zur Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1
StromGVV berechtigen, ist unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls
zu beantworten (hier: angebliche Verzehnfachung des Verbrauchs bei moderatem
Haushaltszuschnitt). Danach berechtigte Einwendungen des Kunden hat der
Versorger bereits im Zahlungsprozess zu widerlegen.
§ 17 Abs. 2 Nr. 2 StromGVV stellt keine abschließende Regelung sämtlicher Fälle
von Verbrauchssteigerungen dar.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 148/17 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
ECLI:DE:BGH:2018:070218UVIIIZR148.17.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19. Mai 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. Juli 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die die Beklagten bis 2015 im Wege der Grundversorgung mit Strom und Gas belieferte, macht im vorliegenden Prozess Nachforderungen für mehrere Abrechnungszeiträume geltend. In den Rechtsmittelinstanzen steht nur noch die Abrechnung der Klägerin vom 29. Juli 2015 nebst Mahnkosten in Streit. Die Klägerin berechnet darin für Stromlieferungen von insgesamt 31.814 kWh im Zeitraum vom 29. Juli 2014 bis zum 24. Juli 2015 einen Betrag von 9.073,40 €.
2
Die Beklagten bestreiten, die ihnen in Rechnung gestellte Strommenge, die etwa zehnmal so hoch ist wie der übliche Verbrauch von Haushalten vergleichbaren Zuschnitts und auch der Beklagten selbst im Vorjahreszeitraum, verbraucht zu haben. Der Stromzähler an der Abnahmestelle der Beklagten wurde von der Klägerin entsorgt, nachdem eine Untersuchung durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle keinen Mangel ergeben hatte.
3
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 10.202,69 € nebst Zinsen und Mahnkosten gerichteten Klage bis auf einen Teil der Nebenforderung stattgegeben. Die Beklagten haben die Verurteilung in Höhe eines Betrages von 1.123,29 € hingenommen und sich mit ihrer Berufung lediglich gegen dieihnen in der Abrechnung vom 29. Juli 2015 in Rechnung gestellten Stromkosten sowie einen Teil der zugesprochenen Mahnkosten gewendet. Die Berufung der Beklagten hatte (bis auf einen geringen Teil der Nebenforderung) Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit im Berufungsurteil zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Beklagten seien gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigt , die Zahlung von mehr als 1.123,29 € zu verweigern, weil hinsichtlich der in der Rechnung vom 29. Juli 2015 abgerechneten Verbrauchswerte für Strom "die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" bestehe. Eine solche Möglichkeit könne sich auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen vorangegangener oder nachfol- gender Abrechnungsperioden ergeben. Um einen solchen Fall handele es sich hier, weil es keine plausible Erklärung für den um mehr als 1.000 Prozent von dem Vorjahresverbrauch abweichenden Stromverbrauch gebe. Die Klägerin verlange hier - wie sie selbst ausführe - etwa das Zehnfache dessen, was ein Haushalt mit drei Personen üblicherweise verbrauche.
7
Anhaltspunkte dafür, dass die hierzu persönlich angehörten Beklagten diese exorbitante Strommenge selbst verbraucht haben könnten, gebe es nicht. Bei den Beklagten handele es sich um ein älteres Ehepaar, in dessen Haushalt außerdem noch der Enkel lebe, der zeitweise jedoch wegen seiner Ausbildung abwesend gewesen sei. Die Beklagten hätten glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, wie überrascht sie von den abgelesenen Werten seien; auch der Ableser der Klägerin habe die angezeigten Werte spontan für fehlerhaft gehalten. Es spreche auch nichts dafür, dass die Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum andere als die von ihnen angegebenen Elektrogeräte und die für einen normalen Haushalt typischen Stromabnehmer eingesetzt hätten. Die eher bescheidenen Lebensverhältnisse der Beklagten ergäben sich schon aus der Notwendigkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die dargelegten Umstände rechtfertigten die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers.
8
Auch Rechtsgründe stünden einer solchen Wertung nicht entgegen. Zwar sei die Reichweite des Begriffs der "ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" umstritten. Nach zutreffender Ansicht würden durch § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV jedoch die Einwendungsmöglichkeiten des Haushaltskunden gegenüber der Vorläuferregelung in § 30 Nr. 1 AVBEltV erweitert. Während sich nach altem Recht die Offensichtlichkeit des Fehlers "aus den Umständen" habe ergeben müssen, genüge nach neuem Recht die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers". Wie sich aus den Gesetzes- materialien zur Stromgrundversorgungsverordnung ergebe, sei mit der Neuregelung nicht nur eine sprachliche Neufassung verbunden gewesen; vielmehr habe gegenüber der Vorläuferregelung klargestellt werden sollen, dass bereits die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ein Zahlungsverweigerungsrecht des Haushaltskunden begründen solle.
9
Insoweit genüge es, wenn ein offensichtlicher Fehler nicht nur theoretisch denkbar sei, sondern bereits dann, wenn für den Fehler eine gewisse Plausibilität spreche. Dies könne bei einer Verbrauchssteigerung um mehr als 1.000 Prozent nicht ernsthaft bezweifelt werden. Wie es zu der Anzeige des außergewöhnlich hohen Stromverbrauchs gekommen sei, sei rätselhaft geblieben. Angesichts der extremen Abweichung des Messergebnisses werde die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers auch durch den vorgelegten Prüfschein nicht beseitigt. Die Nachprüfung des Messgeräts sei ohnehin nur für die Berechtigung einer Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV erforderlich, nicht aber für eine solche nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV.
10
Der Verweis der Beklagten auf einen Sekundärprozess wäre hier zudem eine sinnlose Förmelei, da eine Begutachtung des inzwischen von der Klägerin entsorgten Stromzählers nicht mehr möglich sei und die Beklagten daher in einem Sekundärprozess zwangsläufig obsiegen müssten.
11
Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr zumindest ein vom Gericht zu schätzender "Sockelbetrag" zugesprochen werden müsse, weil sie diesen Betrag in Form von Abschlagszahlungen bereits erhalten habe.

II.

12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
13
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung (restlicher ) Vergütung für gelieferten Strom (§ 433 Abs. 2 BGB) nicht zu, weil sie den tatsächlichen Verbrauch der berechneten Strommenge durch die Beklagten nicht bewiesen hat. Die Beklagten waren mit ihrem diesbezüglichen Einwand im vorliegenden Zahlungsprozess nicht ausgeschlossen, denn insoweit bestand - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" der Abrechnung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV) vom 26. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2391). Dementsprechend oblag es der Klägerin - wie im Bestreitensfall grundsätzlich jedem Verkäufer, der nach § 433 Abs. 2 BGB den vereinbarten Kaufpreis geltend macht - bereits in den Tatsacheninstanzen des vorliegenden Zahlungsprozesses die tatsächlichen Grundlagen der von ihr beanspruchten Forderung (hier: die Richtigkeit der in ihrer Rechnung zugrunde gelegten Verbrauchsmenge) zu beweisen. Hieran fehlt es.
14
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwände,die der Kunde gegen Rechnungen des Grundversorgers erhebt, ihn nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" besteht.
15
Das Berufungsgericht hat dies für den vorliegenden Fall unter Würdigung der von ihm festgestellten Umstände bejaht. Bei dieser Beurteilung handelt es sich im Wesentlichen um eine tatrichterliche Würdigung, die vom Revisionsgericht regelmäßig nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche tatsächliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 24; vom 9. November 2016 - VIII ZR 73/16, NZM 2017, 26 Rn. 16; jeweils mwN). Ein solcher Rechtsfehler wird von der Revision jedoch nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
16
a) Zu Unrecht macht die Revision zunächst geltend, der vom Berufungsgericht bejahten ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers stehe das im Prozess vorgelegte Messprotokoll einer staatlich anerkannten Prüfstelle entgegen, weil dieses ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Messeinrichtung bestätige und damit eine etwaige Indizwirkung einer erheblichen Mengenüberschreitung "entkräftet" sei. Damit setzt die Revision aber lediglich ihre eigene Beurteilung an die Stelle der Würdigung des Berufungsgerichts, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat die im Prüfschein bestätigte beanstandungsfreie Befundprüfung des Stromzählers bei seiner Würdigung ausdrücklich berücksichtigt, ist jedoch angesichts der übrigen von ihm festgestellten Umstände (angebliche Verzehnfachung des Verbrauchs, Zuschnitt des Haushalts der Beklagten) zu der nachvollziehbaren Einschätzung gelangt, dass gleichwohl die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers gegeben sei.
17
b) Soweit die Revision sich auf die schon der Vorgängerregelung des § 30 Nr. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684) zu- grundeliegende Interessenabwägung des Verordnungsgebers beruft, an der sich durch die Neufassung in § 17 StromGVV nichts Grundlegendes geändert habe, zeigt sie einen Rechtsfehler der Würdigung des Berufungsgerichts - etwa durch Anlegung eines rechtlich unzutreffenden Maßstabes - ebenfalls nicht auf. Insbesondere trifft es nicht zu, dass § 17 Abs. 1 StromGVV den Kunden mit Einwendungen, die eine nähere Sachprüfung und Beweisaufnahme erforderlich machen, ausnahmslos auf den Rückforderungsprozess verweist.
18
aa) Zutreffend ist allerdings der Hinweis der Revision, dass auch der nunmehr in § 17 Abs. 1 StromGVV vorgesehene Einwendungsausschluss - ebenso wie schon die Vorgängerregelung des § 30 Nr. 1 AVBEltV (dazu Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 17/12, NJW 2013, 2273 Rn. 11, unter Hinweis auf BR-Drucks. 76/79 zu § 30 AVBEltV) - auf der Erwägung des Verordnungsgebers beruht, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Grundversorger im Interesse einer möglichst kostengünstigen Versorgung nicht gezwungen sein sollten, unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen hinzunehmen, die sich daraus ergeben, dass Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen. Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen zu vermeiden, soll es den Versorgungsunternehmen durch den weitgehenden Einwendungsausschluss ermöglicht werden, die Vielzahl ihrer oft kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen.
19
bb) Der Kunde soll somit zwar regelmäßig darauf verwiesen sein, die von ihm vorläufig zu erbringenden Zahlungen in einem anschließend zu führenden Rückforderungsprozess in Höhe des nicht geschuldeten Betrags erstattet zu verlangen (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 17/12, aaO Rn. 12 mwN). Dadurch wird der Kunde aber nicht rechtlos gestellt, denn es handelt sich um eine nur vorläufige Regelung, mit der lediglich die Beweisaufnahme über die darin erfassten Einwendungen in den Rückforderungsprozess des Kunden verlagert wird. Die Darlegungs- und Beweislast des Versorgungsunternehmens für die Richtigkeit seiner Abrechnung, insbesondere für den tatsächlichen Verbrauch der berechneten Strommenge, ändert sich hingegen dadurch nicht, denn in diesen Fällen ist von einer Zahlung des Kunden unter Vorbehalt auszugehen (BGH, Urteile vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II 2 c aa (2), insoweit in BGHZ 163, 321 nicht abgedruckt; vom 9. März 1989 - IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606 unter 2 a [zur Darlegungs- und Beweislast für den Bereicherungsanspruch des auf Grund einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern zur Zahlung verpflichtet gewesenen Bürgen]; zu der Regelung des § 30 Nr. 1 AVBFernwärmeV: OLG Hamm, WuM 1991, 431, 432; im Ergebnis ebenso [zu § 30 Nr. 1 AVBEltV]: Hempel in Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand Oktober 2006, Band 5, § 30 AVBEltV, Rn. 12, 58).
20
Auch hat der Senat schon zu § 30 Nr. 1 AVBFernwärmeV wiederholt entschieden, dass die inhaltliche Reichweite des darin bestimmten Ausschlusses von Einwendungen unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu beurteilen sei. Den Interessen der Kunden an der Geltendmachung von Einwänden kann danach ein solches Gewicht zukommen, dass es unangemessen wäre, diese im Zahlungsprozess unberücksichtigt zu lassen und die Kunden auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen. Aus diesem Grund hat der Senat etwa Einwendungen des Kunden, die die vertraglichen Grundlagen für Inhalt und Umfang der Leistung betreffen, vom Anwendungsbereich eines Einwendungsausschlusses ausgenommen (vgl. nur Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, BGHZ 189, 131 Rn. 51 f.; sowie vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, WM 2006, 1442 Rn. 28).
21
cc) Der typische Anwendungsbereich des Einwendungsausschlusses betrifft somit Streitigkeiten über Mess- und Ablesefehler, in denen es regelmäßig um überschaubare Beträge geht und es dem Haushaltskunden auch zumutbar ist, mit der Prüfung seiner Einwände auf eine Beweisaufnahme im Regressprozess verwiesen zu werden. Aus diesem Rahmen fällt allerdings eine Fallgestaltung wie die vorliegende, in der dem Haushaltskunden weit außerhalb jeder Plausibilität liegende Verbrauchsmengen und dementsprechend Nachforderungen in einer Höhe in Rechnung gestellt werden, die zu einer finanziellen Bedrängnis eines durchschnittlichen Privathaushalts führen können, deutlich heraus. Einen vergleichbaren Sachverhalt hatte der Senat bisher - auch unter der Geltung des § 30 Nr. 1 AVBEltV - nicht zu beurteilen.
22
dd) Die Frage, ob in der vorliegenden "extremen" Fallgestaltung schon nach der Regelung des § 30 Nr. 1 AVBEltV ein Einwendungsausschluss des Kunden zu verneinen gewesen wäre, kann jedoch dahinstehen. Denn mit der Neuregelung des Einwendungsausschlusses in § 17 StromGVV ist zu Gunsten des Kunden auch eine inhaltliche Änderung gegenüber der Vorgängerregelung verbunden gewesen, wie das Berufungsgericht im Anschluss an vorangegangene instanzgerichtliche Rechtsprechung (OLG Celle, NJW-RR 2016, 435; OLG Köln, NJOZ 2012, 1646; aA OLG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2015, 3 U 1514/14, juris Rn. 19) richtig gesehen hat.
23
Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, wonach der Kunde Einwände gegen die Rechnung (schon) erheben kann, wenn die "ernsthafte Möglichkeit" eines offensichtlichen Fehlers besteht, während § 30 Nr. 1 AVBEltV erforderte, dass die Rechnung "offensichtliche, sich aus den Umständen ergebende Fehler" aufweist. Der sich auf § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 berufende Kunde genügt daher seiner Darlegungslast bereits dann, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzel- falls den Schluss auf die "ernsthafte Möglichkeit" eines offensichtlichen Fehlers ermöglichen.
24
Diese Auslegung wird von den Gesetzgebungsmaterialien zur Stromgrundversorgungsverordnung gestützt. So hat der Verordnungsgeber ausgeführt , dass gegenüber der bisherigen Regelung klargestellt werde, dass "bereits das Bestehen der ernsthaften Möglichkeit" eines offensichtlichen Fehlers den Haushaltskunden gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung berechtigt (BR-Drucks. 306/06, S. 37). Der Verordnungsgeber wollte mit der Neuregelung ersichtlich die Einwendungsmöglichkeiten des Kunden gegenüber § 30 Nr. 1 AVBEltV erweitern und gerade einen etwas weniger strengen Maßstab für die Berücksichtigung von Einwendungen des Kunden im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens einführen, weil ihm die in der Rechtsprechung zu § 30 Nr. 1 AVBEltV angelegten Maßstäbe teilweise als zu streng (zum Nachteil des Kunden) erschienen.
25
Anders als die Revision offenbar meint, führt daher der Umstand, dass es zum Nachweis der Richtigkeit einer vom Kunden mit konkreten Einwendungen bestrittenen Abrechnung der Durchführung einer Beweisaufnahme bedarf, jedenfalls im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV nicht dazu, dass der Kunde "zwangsläufig" auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen wäre. Denn in Fällen, in denen - wie hier nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts - die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht, wird dem Kunden gerade nicht zugemutet, ohne Prüfung seiner Einwendungen zahlen zu müssen, und hat der Verordnungsgeber für derartige (Ausnahme-)Fälle dem Interesse des Versorgungsunternehmens gerade keinen Vorrang eingeräumt.
26
c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StromGVV sei auf Fälle eines außergewöhnlichen (angeblichen) Mehrverbrauchs nicht anwendbar, weil diese ausschließlich nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV zu beurteilen seien und danach ein Zahlungsverweigerungsrecht der Beklagten jedenfalls mit der Feststellung der ordnungsgemäßen Funktion der Messeinrichtung durch die staatlich anerkannte Prüfstelle entfallen sei.
27
aa) § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV eröffnet dem Kunden die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum. Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und nur, solange nicht durch die Nachprüfung die ordnungsgemäße Funktion der Messeinrichtung festgestellt ist. Für die Auffassung der Revision, es handele sich dabei um eine abschließende Sonderregelung für sämtliche Fälle ungewöhnlicher Verbrauchssteigerungen, gibt es allerdings keine Anhaltspunkte. In § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV werden die beiden dort aufgeführten Möglichkeiten eines Zahlungsaufschubs oder einer Zahlungsverweigerung durch ein "oder" verbunden und somit als nebeneinander bestehende Möglichkeiten angesehen. Dementsprechend ist in den Gesetzgebungsmaterialien davon die Rede, dass die Regelung nach Nr. 2 dem Kunden "auch dann" ein Zahlungsverweigerungsrecht einräume, wenn die Rechnung ohne ersichtlichen Grund auf einer Verdoppelung des Verbrauchs beruhe und er durch das Verlangen nach einer Nachprüfung der Messeinrichtung Zweifel an der Verbrauchsmessung unterstreicht (BR-Drucks. 306/06, S. 37).
28
bb) Im Übrigen verkennt die Revision auch hier, dass mit der Neufassung der bisherigen Bestimmung in § 30 Nr. 1 AVBEltV eine Verbesserung der Rechtsstellung der Kunden beabsichtigt war. Deshalb knüpft § 17 StromGVV die Geltendmachung eines Zahlungsaufschubs oder einer Zahlungsverweigerung - anders die Vorgängerregelung in § 30 Nr. 2 AVBEltV - nicht mehr an eine bestimmte Frist; zugleich ist gegenüber der bisherigen Regelung klargestellt, dass bereits das Bestehen der "ernsthaften Möglichkeit" eines offensichtlichen Fehlers ausreicht, um ein Zahlungsverweigerungsrecht des Kunden zu begründen. Zusätzlich erhält der Kunde mit der in Ziffer 2 getroffenen Regelung ein vorläufiges Zahlungsverweigerungsrecht bis zur Feststellung der ordnungsgemäßen Funktion der Messeinrichtung, das lediglich an eine Verbrauchssteigerung um mehr als das Doppelte ohne ersichtlichen Grund sowie an ein Nachprüfungsbegehren des Kunden geknüpft ist. Diese Regelung bezweckt damit eine (weitere) Verbesserung der rechtlichen Stellung des Kunden für die davon erfassten Fälle und schließt es deshalb aus, sie als Einschränkung der in Ziffer 1 getroffenen Regelung anzusehen, wie es die Revision verstanden wissen will.
29
d) Der weitere Einwand der Revision, eine Berücksichtigung der Einwände der Beklagten im vorliegenden Prozess sei "grob unbillig", weil die Klägerin mit der Abweisung der Klage im vorliegenden Prozess einen endgültigen Rechtsverlust erleide, den Beklagten im umgekehrten Fall aber mit dem Rückforderungsprozess ein "zweiter Anlauf" zur Verfügung stehe, trifft schon im Ansatz nicht zu. Denn dem Kunden, der mit Einwendungen aufgrund der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV ausgeschlossen wird, steht mit dem Rückforderungsprozess kein "zweiter Anlauf" zu; vielmehr werden seine Einwendungen erstmals dort berücksichtigt. Sind Einwendungen des Kunden hingegen - wie hier - nicht ausgeschlossen, ist deren Berechtigung bereits im Zahlungsprozess (abschließend) zu prüfen und steht weder dem Kunden noch dem Versorgungsunternehmen nach einem Verlust des Prozesses ein "zweiter Anlauf" zu.
30
2. Da die Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen mit ihrem Einwand, die berechnete Strommenge nicht verbraucht zu haben, nicht ausgeschlossen waren, hatte die Klägerin die Richtigkeit ihrer Abrechnung zu beweisen. Diesen Beweis hat sie jedoch - was auch die Revision nicht verkennt - nicht geführt. Verfahrensrügen sind von der Revision nicht erhoben worden. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Kosziol
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 04.11.2016 - 3 O 1532/16 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 19.05.2017 - 6 U 199/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - VIII ZR 148/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - VIII ZR 148/17

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag


(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der

Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV | § 17 Zahlung, Verzug


(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorg

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme - AVBFernwärmeV | § 30 Zahlungsverweigerung


Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, 1. soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen, und2. wenn der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsve
Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - VIII ZR 148/17 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag


(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der

Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV | § 17 Zahlung, Verzug


(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorg

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme - AVBFernwärmeV | § 30 Zahlungsverweigerung


Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, 1. soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen, und2. wenn der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsve

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - VIII ZR 148/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - VIII ZR 148/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juli 2005 - X ZR 60/04

bei uns veröffentlicht am 05.07.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 60/04 Verkündet am: 5. Juli 2005 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja (nur zu Ls.

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2012 - VIII ZR 17/12

bei uns veröffentlicht am 21.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES TEILVERSÄUMNIS- UND SCHLUSSURTEIL VIII ZR 17/12 Verkündet am: 21. November 2012 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk:

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Apr. 2011 - VIII ZR 273/09

bei uns veröffentlicht am 06.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 273/09 Verkündet am: 6. April 2011 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2017 - VIII ZR 270/15

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 270/15 Verkündet am: 15. März 2017 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2016 - VIII ZR 73/16

bei uns veröffentlicht am 09.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 73/16 Verkündet am: 9. November 2016 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Referenzen

(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,

1.
soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder
2.
sofern
a)
der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und
b)
der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt
und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.
§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.

(2) Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.

(3) Gegen Ansprüche des Grundversorgers kann vom Kunden nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.

(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,

1.
soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder
2.
sofern
a)
der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und
b)
der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt
und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.
§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.

(2) Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.

(3) Gegen Ansprüche des Grundversorgers kann vom Kunden nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.

(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,

1.
soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder
2.
sofern
a)
der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und
b)
der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt
und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.
§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.

(2) Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.

(3) Gegen Ansprüche des Grundversorgers kann vom Kunden nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.

24
a) Der Mieter kann nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Bei der hierzu vom Tatrichter nach gründlicher und sorgfältiger Sachverhaltsfeststellung vorzunehmenden Gewichtung und Würdigung der beiderseitigen Interessen und ihrer Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe der genannten Bestimmung hat das Revisionsgericht zwar den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und kann regelmäßig nur überprüfen , ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (Senatsurteile vom 25. Juni 2008 - VIII ZR 307/07, WuM 2008, 564 Rn. 21; vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR 246/03, ZMR 2005, 843 unter II 2 mwN; vgl. ferner Senatsurteil vom 9. November 2016 - VIII ZR 73/16, WuM 2017, 23 Rn. 16 mwN [zu § 543 Abs. 1 BGB]). Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht stand.
16
1. Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Diese Würdigung obliegt zwar in erster Linie dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerfrei gewonnenen Tatsachengrundlage beruht, alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind und der Tatrichter den zutreffenden rechtlichen Maßstab angewandt hat (Senatsurteile vom 8. Dezember 2004 - VIII ZR 218/03, NZM 2005, 300 unter II 4; vom 9. März 2005 - VIII ZR 394/03, NJW 2005, 2552 unter II 3; vom 4. Juni 2014 - VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Rn. 12). Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand. Das Berufungsgericht hat mit den in der Person der Beklagten zu 1 liegenden Härtegründen wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen und dabei auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen verkannt, die im vorliegenden Fall an die Gesamtabwägung nach § 543 Abs. 1 BGB zu stellen sind.

(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,

1.
soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder
2.
sofern
a)
der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und
b)
der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt
und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.
§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.

(2) Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.

(3) Gegen Ansprüche des Grundversorgers kann vom Kunden nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.

11
1. § 30 Nr. 1 AVB beruht nach den amtlichen Begründungen (z.B. BRDrucks. 76/79 zu § 30 AVBEltV, abgedruckt bei Hermann/Recknagel/SchmidtSalzer , Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1984, S. 1199, 1216 f.) übereinstimmend auf folgenden Erwägungen: "Die nach bisherigem Recht [Abschn. VIII Nr. 4 AVB 1942] auch gegenüber unberechtigten Forderungen zunächst einmal bestehende uneingeschränkte Zahlungspflicht des Kunden erwies sich als unbillig. Andererseits muss auch künftig im Interesse einer möglichst kostengünstigen Versorgung sichergestellt werden, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten EVU nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen. Das Recht auf Zahlungsaufschub und Zahlungsverweigerung wird deshalb auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Umstände ergeben, dass Forderungen des EVU, wie etwa in den Fällen eindeutiger Rechenund Ablesefehler, offensichtlich unberechtigt sind…"

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 60/04 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (nur zu Ls. a)
BGHR: ja
BGB §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BG, Cl, 309 Nr. 12 a, 315 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 546;
KrW-/AbfG Bln §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 1

a) Seit der Eröffnung der Revision auch gegen Urteile des Landgerichts durch die
Zivilprozeßnovelle 2002 kann das Revisionsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen
selbst auslegen, wenn eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene
Berufungsgerichte - verschiedene Landgerichte, verschiedene Oberlandesgerichte
oder ein Landgericht und ein Oberlandesgericht - denkbar ist. Daß die
Klausel nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet wird, steht der Auslegung
durch das Revisionsgericht nicht entgegen.

b) In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens ist
folgende Klausel gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam:
"Trotz rechtzeitiger Mitteilung [der Einwendungen gegen die Rechnung
der Klägerin] bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch
unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses
geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird
der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch
des Entgeltpflichtigen erstattet."
BGH, Urt. v. 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 24. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:


Die Klägerin, eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, betreibt auf der Grundlage des Berliner Betriebegesetzes vom 9. Juli 1993 (BerlBG) die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Land Berlin. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von dem beklagten Hauseigentümer Entgelt für Papierrecycling - und Abfallentsorgungsleistungen in den Jahren 2000 und 2001 in Höhe von 6.301,87 € nebst Zinsen. Der Beklagte macht geltend, die von der Klägerin
festgesetzten Tarife entsprächen nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB.
Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben, weil nach den Leistungsbedingungen der Klägerin Einwendungen gegen die Rechnung die Zahlungspflicht nicht ausschlössen und erst im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend gemacht werden könnten. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses muß schon im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin prüfen, ob die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) berechtigt ist. Die anderslautende Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin ist unwirksam.
I. Die Klägerin hat, wie auch der Beklagte nicht bezweifelt, grundsätzlich gegen ihre Kunden einen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Entgelts für die von ihr erbrachten Abfallentsorgungsleistungen. Der Entgeltanspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und den Abfallbesitzern bestehenden privatrechtlichen "Benutzungsverhältnis".
Dieses resultiert aus § 5 Abs. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Berlin (KrW-/AbfG Bln), wonach die Abfallbesitzer das Recht und die Pflicht haben, ihre Abfälle durch die Klägerin entsorgen zu lassen (Anschlußund Benutzungszwang), und aus § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln, wonach die Kosten der Abfallentsorgung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger - nach § 2 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln das Land Berlin - durch privatrechtliche Entgelte zu decken sind, die von den benutzungspflichtigen Grundeigentümern nach Maßgabe der von der Aufsichtsbehörde gemäß § 18 Abs. 2 BerlBG genehmigten Entgeltordnung zu zahlen sind. Durch den Anschluß- und Benutzungszwang einerseits und die - der öffentlichen Verwaltung bei der Daseinsvorsorge erlaubte - privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses andererseits , die aus der Wahl privatrechtlicher Entgelte hervorgeht (vgl. Erichsen/ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 29 Rdn. 34), kommt zwischen der Klägerin und dem Abfallbesitzer ein privatrechtliches "Benutzungsverhältnis" zustande. Ob es sich dabei um einen (Werk-)Vertrag handelt (so BGHZ 115, 311, 314), braucht hier nicht entschieden zu werden. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden findet das Werkvertragsrecht jedenfalls entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 59, 303, 305).
In diesem Verhältnis gelten die von der Klägerin einseitig festgesetzten Tarife und ihre Leistungsbedingungen ohne besondere Einbeziehungsvereinbarung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 AGBG, 305 Abs. 2 BGB. Dies ergibt sich hinsichtlich der Tarife aus dem Gesetzeswortlaut (§ 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln). Es muß aber aufgrund des im Verwaltungsprivatrecht zu beachtenden öffentlichrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BGHZ 115, 311, 318), der eine für alle Kunden gleiche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen verlangt, auch für
die Leistungsbedingungen gelten. Sie sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln (BGH, Urt. v. 03.11.1983 - III ZR 227/82, MDR 1984, 558).
Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der von der Klägerin einseitig festgesetzten Entgeltordnung. Die Leistungsbedingungen der Klägerin vom 21. März 2001 besagen dazu (Nr. 2.2.18 Abs. 1), daß für das Einsammeln von Abfällen nach Maßgabe der im Amtsblatt für Berlin veröffentlichten Tarife Entgelte erhoben werden. Diese Klausel, mit der die Klägerin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt, ist eine die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln wiederholende und somit lediglich deklaratorische Bestimmung und unterliegt daher nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB.
Der Beklagte schuldet der Klägerin also grundsätzlich das tarifliche Entgelt. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Klägerin dessen Höhe auf der Grundlage ihrer Tarife richtig berechnet hat. Der Streit dreht sich allein um die Einrede des Beklagten, daß die Tarife als solche zu hoch und deshalb für ihn als Kunden nicht verbindlich seien.
II. Zu Unrecht - wenngleich von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben, ohne über die Berechtigung dieser Einrede zu entscheiden.
1. Den Kunden eines Versorgungsunternehmens steht grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu.

a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt , daß Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 659; Urt. v. 03.11.1983, aaO; BGHZ 115, 311, 316 m.w.N.; Urt. v. 30.04.2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden (BGH, Urt. v. 04.12.1986 - VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 15; dagegen und für eine Kontrolle über §§ 138, 305 f. BGB Staudinger/Rieble, BGB (2004), § 315 Rdn. 51 f.), muß aber für den hier vorliegenden Fall eines Anschluß- und Benutzungszwangs genauso gelten. Denn auch dann kann der Kunde der einseitigen Preisfestsetzung des Versorgungsunternehmens nicht durch Wahl eines anderen, konkurrierenden Anbieters entgehen.

b) Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v.
24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

c) Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann, wenn, wie hier, die Tarifbestimmung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde getroffen worden ist. Denn die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts anhand des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. nur BGHZ 115, 311, 315; BGH, Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ludwig /Odenthal/ Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 30 AVBEltV Rdn. 56).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Soweit die Leistungsbedingungen der Klägerin einen Einwendungsausschluß für den Zahlungsprozeß enthalten, ist dieser unwirksam.

a) Die diesbezügliche Klausel Nr. 1.4.2 der von der Klägerin zu den Akten gereichten Leistungsbedingungen vom 21. März 2001, die nach Nr. 2.2.21
nicht nur für die Straßenreinigung, sondern auch für die Abfallentsorgung gilt, lautet:
"Einwendungen gegen Entgeltansprüche
(1) Entgeltansprüche verjähren in vier Jahren. Einwendungen gegen die Rechnung sind innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach ihrem Zugang schriftlich bei den BSR geltend zu machen.
(2) Trotz rechtzeitiger Mitteilung bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch des Entgeltpflichtigen erstattet."

b) Die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Tariffestsetzung wird vom sachlichen Anwendungsbereich dieser Ausschlußklausel erfaßt.
aa) Bei deren Auslegung ist der erkennende Senat an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden, obwohl Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) keine Rechtsnormen sind und ihre Auslegung daher grundsätzlich Sache des Tatrichters ist.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß AGB dann wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen
vom Revisionsgericht frei auszulegen sind, wenn sie bestimmten Anforderungen in bezug auf ihren räumlichen Geltungsbereich genügen. Der Grund dafür ist das Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung überörtlich geltender AGB (BGHZ 112, 204, 210; 144, 245, 248). Dieses Bedürfnis gebietet es, immer dann, wenn gegen die Urteile verschiedener Berufungsgerichte die Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet ist, diesem die Auslegung zu übertragen. In den älteren Entscheidungen hieß es auch, AGB seien frei auszulegen, soweit sie über den Bezirk des "Berufungsgerichts" hinaus angewendet würden (BGHZ 98, 256, 258; 105, 24, 27). Spätere Entscheidungen besagten zwar, daß die AGB über den Bezirk eines "Oberlandesgerichts" hinaus gelten müßten (z.B. BGHZ 112, aaO; 144, aaO). Damit war aber ersichtlich kein Wechsel der Begründung bezweckt, sondern der Begriff "Oberlandesgericht" wurde schlicht als Synonym zu "Berufungsgericht" benutzt, weil damals, nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Revisionsrecht (§ 545 Abs, 1 ZPO a.F.), nur gegen von den Oberlandesgerichten erlassene Urteile die Revision möglich war. Nach Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es geboten, seit Geltung des neuen Revisionsrechts, nach dem gegen die Urteile aller Berufungsgerichte , sei es das Landgericht oder das Oberlandesgericht, die Revision möglich ist (§ 542 Abs. 1 ZPO n.F.), zu dem Begriff "Berufungsgericht" zurückzukehren (diesen verwendet auch Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rdn. 8).
Die Leistungsbedingungen der Klägerin gelten zwar nur in Berlin, aber gleichwohl "über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus". Denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist in erster Instanz das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig und entscheidet im Berufungsverfahren das Landgericht oder das Kammergericht. Die daraus resultierende Gefahr widerstreitender Beru-
fungsurteile hat sich auch bereits verwirklicht. Abweichend von dem vorliegenden Berufungsurteil des Kammergerichts (26 U 142/03) hat das Landgericht Berlin als Berufungsgericht entschieden, daß die streitige Ausschlußklausel die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB nicht erfasse (48 S 28/04).
bb) Der erkennende Senat schließt sich der gegenteiligen Auslegung des Berufungsgerichts an.
Der Wortlaut der Klausel - "Einwendungen gegen die Rechnung" - deckt nach allgemeinem Sprachverständnis sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung der Klägerin entgegensetzen kann. Er läßt keine Beschränkung auf bestimmte, besondere Einwendungen erkennen. Insbesondere bietet die allgemein gehaltene Formulierung keinen Anhaltspunkt dafür, daß nur die Rüge von Ablese- oder Berechnungsfehlern in engerem Sinne gemeint ist, Einwände gegen den Tarif als solchen nach § 315 Abs. 3 BGB hingegen nicht erfaßt werden.
Auch Sinn und Zweck der Klausel sprechen dagegen, daß § 315 Abs. 3 BGB ausgenommen ist. Die Klausel ist in Anlehnung an die normativen Regelungen der §§ 30 AVBEltV, 30 AVB GasV, 30 AVB FernwärmeV und 30 AVBWasserV formuliert, in denen es heißt, daß Einwände gegen Rechnungen und Abschlußrechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, daß die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Versorgungsunternehmen nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als
unberechtigt erweisen (Begründung des Bundesministers für Wirtschaft, wiedergegeben bei Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, § 30 AVBEltV Rdn. 3). Die Verfolgung dieses Zwecks, der ersichtlich auch der Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin zugrunde liegt, gebietet eine weite Auslegung dahin, daß alle Einwände gegen Grund und Höhe des Zahlungsanspruchs ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Einordnung erfaßt werden, einschließlich der Einwände gegen die Höhe der Tarife nach § 315 Abs. 3 BGB (so auch BGH, Urt. v. 03.11.1983, aaO, zu einer Vorgängerklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.05.2004 - VIII ZR 311/03, NJW 2004, 2161 zur weiten Auslegung der Haftungsbeschränkung in § 6 AVBEltV; ebenso Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 9, 26).
cc) Mit diesem Verständnis der Klausel begründet der erkennende Senat auch keine Divergenz zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Einwendungsausschluß in den Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens befaßt haben. Denn die einschlägigen Urteile betrafen entweder nicht die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB (Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 11/87, MDR 1988, 759) oder nicht die Leistungsbedingungen der Klägerin (Urt. v. 19.01.1983, aaO; BGHZ 115, 311 ff.; Urt. v. 30.4.2003, aaO).

c) Die somit ihrem Inhalt nach einschlägige streitige Ausschlußklausel ist jedoch unwirksam.
Der Prüfungsmaßstab für die Ausschlußklausel ist nicht § 315 Abs. 3 BGB. Denn sie betrifft weder die Leistungsbestimmung, d.h. die Festsetzung des vom Kunden zu zahlenden Entgelts oder etwaiger Nebenpflichten, noch
Leistungsmodalitäten wie Leistungsort oder -zeit. Die Klausel regelt anderweitige Vertragsbestimmungen und ist daher der AGB-Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB unterworfen. Dieser Kontrolle hält sie nicht stand.
aa) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich allerdings nicht um eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen (§§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB). Im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB trifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Bestimmungsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß seine Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.04.2003, aaO m.w.N.; so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur MünchKomm./Gottwald, aaO Rdn. 53; Staudinger/Rieble, aaO, § 288 f.; a.A. Palandt/Sprau, aaO Rdn. 19). Diese Beweisverteilung wird durch die streitige Klausel nicht berührt.
(1) Durch Auslegung läßt sich der Klausel keine Beweislastumkehr entnehmen. Ihr Text, wonach "die Einwendungen im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen (sind)", erwähnt die Beweislast nicht, und auch der bereits dargelegte Zweck der Klausel, das Versorgungsunternehmen vor Verzögerungen bei der Realisierung seiner Preisforderungen zu schützen, wird allein durch die Verweisung der Einwände des Kunden in einen Rückforderungsprozeß voll und ganz erreicht und erfordert daher keine weitergehende Einschränkung seiner Rechte. Die streitige Klausel bezweckt keine materiellrechtliche Verschlechterung der Position des Kunden (Ludwig/Odenthal/ Hempel/Franke, aaO Rdn. 58). Vielmehr entspricht es Sinn und Zweck der
Klausel, im Rückforderungsprozeß des Kunden die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben, wie sie im Zahlungsprozeß des Versorgungsunternehmens ohne die streitige Klausel anzuwenden wäre (OLG Hamm WuM 1991, 431).
(2) Eine Beweislastumkehr folgt auch nicht aus dem Umstand, daß der Kunde im Rückforderungsprozeß seinen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen muß (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Frage, ob es sich überhaupt um eine Beweislastklausel im Sinne der §§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB handeln würde, wenn die Veränderung der Beweislast lediglich die Folge der Verweisung des Kunden auf einen Rückforderungsprozeß wäre, kann hier offenbleiben (verneint für die Abgabe eines vorformulierten abstrakten Schuldversprechens von BGHZ 99, 274, 284 f.; 114, 9, 12). Zwar würde die Anwendung des Grundsatzes, daß der Bereicherungsgläubiger dartun und beweisen muß, daß er ohne Rechtsgrund geleistet hat, im vorliegenden Fall bedeuten , daß der Kunde die Unverbindlichkeit der Tarife und damit deren Unbilligkeit darzulegen und zu beweisen hätte, wobei seine Belastung lediglich durch die sogenannte sekundäre Behauptungslast der Klägerin bezüglich der in ihrem Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich gelegenen tatsächlichen Grundlagen der Tarifgestaltung gemildert wäre (BGHZ 154, 5, 9). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn eine Zahlung lediglich als Abschlag oder Vorauszahlung in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erfolgt ist, so hat bei einer Rückforderung der Empfänger das Bestehen der Forderung zu beweisen (BGH, Urt. v. 09.03.1989 - IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606; Urt. v. 08.07.2004 - III ZR 435/02, NJW 2004, 2897). Da auch die Zahlung des Kunden eines Versorgungsunternehmens, der durch eine AGBKlausel mit seinen Einwänden auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen
wird, konkludent unter Vorbehalt erfolgt, muß es auch in diesem Fall im bereicherungsrechtlichen Rückforderungsprozeß dabei bleiben, daß das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Verbindlichkeit bzw. Billigkeit seiner Tarife trägt.
(3) Davon ist auch der Bundesgerichtshof in seinem frühere Leistungsbedingungen der Klägerin betreffenden Urteil vom 3. November 1983 (aaO) ohne weiteres - stillschweigend - ausgegangen (so auch das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urt. v. 22.03.2001, NVwZ-RR 2002, 384; OLG Hamm aaO; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 12, 55, 58). Soweit der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Bezug auf die inhaltlich ähnliche Klausel des § 30 AVBEltV am Rande die Ansicht geäußert hat, daß im Rückforderungsprozeß der Kunde nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung des Versorgungsunternehmens darzutun und zu beweisen habe (BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777; BGHZ 154, 5, 9), vermag sich der erkennende Senat dieser Ansicht aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.
bb) Die streitige Bestimmung verstößt jedoch gegen die Generalklausel der §§ 9 AGBG, 307 BGB, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners verbietet.
(1) Die Klausel ist allerdings nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil die Klägerin mit ihr eine - der Verwaltung nicht erlaubte - "Flucht ins Privatrecht" angetreten, d.h. sich ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen zu entledigen versucht hätte. Wenn die Verwaltung, wie hier, öffentliche Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt, so werden die Normen des Privatrechts
durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht). Die in den Formen des Privatrechts handelnde Verwaltung hat jedenfalls die grundlegenden Prinzipien der öffentlichen Finanzgebarung zu beachten (BGHZ 91, 84, 96 f.; 115, 311, 318). Soweit diese das für die Abgabeneinziehung geltende Verfahrensrecht einschließen, ergeben sich gegen die Klausel indessen keine Bedenken. Auch öffentliche Abgaben muß der in Anspruch Genommene bei wirtschaftlicher Betrachtung schon vor Klärung der Rechtslage leisten. Einwendungen gegenüber der Leistungspflicht hindern die Durchsetzung des Anspruchs nicht ohne weiteres; nach § 80 Abs. 2 VwGO entfällt bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Zwar kommt eine Wiederherstellung dieser Wirkung und damit eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Auch bei ernstlichen Zweifeln, d.h. dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels ebenso wahrscheinlich wie der Mißerfolg ist (Redeker/ v.Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rdn. 36), kann die Behörde die Aussetzung aber von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 80 Abs. 4 S. 2, 3 VwGO), die im Ergebnis zu einer weitgehenden Sicherstellung der öffentlichen Hand und einer vergleichbaren Belastung des Bürgers führt, wie sie der Einwendungsausschluß der streitigen Klausel mit sich bringt. Auch nach öffentlichem Recht läuft der Bürger also Gefahr, bei einem sich später als unbegründet erweisenden Abgabenbescheid zum einen zunächst einmal leisten und zum anderen die aktive Parteirolle ergreifen zu müssen, um sein Geld zurückzuerhalten.
Daß somit die streitige Klausel im wesentlichen der öffentlich-rechtlichen Regelung entspricht, hindert andererseits nicht die Feststellung ihrer Unwirk-
samkeit nach §§ 9 AGBG, 307 BGB. Entscheidet sich die öffentliche Hand, Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form zu regeln, so muß sie es hinnehmen, daß der privatrechtliche Gehalt solcher Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das Privatrecht maßgebenden Rechtssätzen unterliegt (BGHZ 115, 311, 317). Bei dieser Inhaltskontrolle spielt es deshalb auch keine Rolle, daß der Verordnungsgeber mit dem jeweiligen § 30 der Verordnungen über die AVB der Elektrizitäts -, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Versorgungsunternehmen und Kunden ein normatives Leitbild geschaffen hat (vgl. BGHZ 138, 118, 126 f.).
(2) Es kann dahinstehen, ob die streitige Klausel eine unangemessene Benachteiligung bereits deshalb enthält, weil sie keine Ausnahmeregelung für den Fall vorsieht, daß "offensichtliche" Fehler vorliegen, wie sie in § 30 der AVB der Elektrizitäts-, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen enthalten ist (so Beuermann, GE 2003, 1192, 1196), oder ob die Klausel insoweit nach ihrem Sinn und Zweck und nach Treu und Glauben entsprechend einschränkend auszulegen ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31.10.1984 - VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320; Urt. v. 03.04.2003 - IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231 für die Bürgschaft auf erstes Anfordern; Urt. v. 24.03.1988, aaO, 759; Ludwig /Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdn. 41, § 6 Rdn. 15).
(3) Denn die Klausel ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der privatrechtlichen gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist, so daß eine unangemessene Benachteiligung der Kunden im Zweifel anzunehmen ist (§§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB),
und weil die Klägerin nicht ausreichend dargelegt hat, daß die Benachteiligung der Kunden durch eigene höherrangige Interessen gerechtfertigt ist (BGHZ 114, 238, 242).
(a) Es ist eine grundlegende gesetzliche Regel des privaten Schuldrechts , daß der Gläubiger das Entstehen, die Begründetheit und die Fälligkeit seiner Forderung darlegen und beweisen muß, bevor er Erfüllung verlangen kann, und daß er umgekehrt keine Leistung beanspruchen kann, wenn der Schuldner berechtigte Einwände darlegt und beweist (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1990 - IX ZR 294/89, NJW-RR 1990, 1265 für den ähnlich gelagerten Fall der Bürgschaft auf erstes Anfordern, dort auch in Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Von dieser Grundregel weicht die streitige Ausschlußklausel ab, weil sie den Schuldner mit seinen Einwendungen auf einen Rückforderungsprozeß verweist.
(b) Weil die Klausel auch den Einwand der unbilligen einseitigen Leistungsbestimmung erfaßt, ist sie ferner auch mit § 315 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren , der ein formularmäßig nicht abdingbares Gerechtigkeitsgebot enthält. Ist der Einwand der Unangemessenheit nach § 315 BGB gerechtfertigt, so ist, wie bereits dargelegt, von Anfang an nur der angemessene, im Ergebnis vom Gericht bestimmte Betrag geschuldet. Nur auf diesen hat die Klägerin Anspruch. Eine Rechtfertigung, ihr darüber hinaus die Befugnis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozeß zu verweisen, ist nicht zu erkennen. Das liefe dem Zweck des § 315 BGB zuwider (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.01.1983, aaO; Urt. v. 30.04.2003, aaO).
(c) Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß demgegenüber ihre schutzwürdigen Belange ein größeres Gewicht haben. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß ein beträchtlicher Teil der von ihren Kunden erhobenen und von ihr zurückgewiesenen Einwendungen sich letztlich als unbegründet erweisen wird (vgl. die Begründung des Bundesministers für Wirtschaft zu § 30 AVBEltV). Dies mag auch für die Rüge überhöhter Tarife zutreffen, zumal die Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 BerlBG), die nur erteilt werden darf, wenn die Tarife den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen einer kostengünstigen, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Versorgung entsprechen, wenngleich keine ausreichende Gewähr, so doch ein gewisses Indiz für die Billigkeit der Tarife liefert (vgl. Ludwig /Odenthal/Hempel/ Franke, aaO Rdn. 56; offengelassen in BGH, Urt. v. 03.02.2003, aaO). Bei unbegründeten Schuldnereinwendungen handelt es sich jedoch um ein typisches Gläubigerrisiko, das im Normalfall durch den Anspruch auf Verzugschadensersatz hinreichend ausgeglichen wird. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt , daß dies bei ihr nicht der Fall ist. Sie hat nur in allgemeiner Form auf ihre Vorleistungspflicht aufmerksam gemacht - die indes durch die Pflicht der Kunden zu vierteljährlicher Zahlung weitgehend entschärft ist (Nr. 2.2.21 Abs. 2 Satz 1, 1.4.1 Abs. 2 Satz 1 der Leistungsbedingungen) - und auf ihr - vom Beklagten bestrittenes - Liquiditätsrisiko und auf das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Abfallbeseitigung hingewiesen, hat aber nichts Konkretes dazu vorgetragen, in welcher Größenordnung sie durch Anwendung der streitigen Klausel Einnahmeausfälle, Verzugsschäden und Rechtsverfolgungskosten vermeiden kann. Trotz des Bestreitens des Beklagten hat die Klägerin nicht einmal dargelegt, in welcher Höhe sie überhaupt durch unbegründete Nichtzahlung ihrer Rechnungen Verluste erleidet, ge-
schweige denn, in welchem Umfang ihre Kunden gerade - und zwar unbegründet - die für das Gewicht der Kundenbenachteiligung ausschlaggebende Einrede der überhöhten Tariffestsetzung erheben und in welcher Größenordnung sie, die Klägerin, einen bleibenden Schaden erfahren würde, wenn diese Einrede im Zahlungsprozeß zu berücksichtigen wäre. Gegen eine hieraus resultierende Liquiditätsgefährdung spricht jedenfalls der vom Beklagten unwidersprochen vorgetragene Umstand, daß die Klägerin Entgeltrückstände erst kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend macht.
In Ermangelung näherer Darlegungen der Klägerin ist es dem Senat nicht möglich, das Gewicht der durch die streitige Klausel geschützten berechtigten Belange der Klägerin abzuschätzen und zu beurteilen, ob sie die Benachteiligung der Kunden überwiegen. Deshalb hilft auch die Erwägung nicht, daß der mit der Klausel verbundene Nachteil im Einzelfall bei Zuvielforderungen der Klägerin nicht sehr schwer wiegen mag. Die Klägerin entzieht den Kunden ihre Einwendungen nicht auf Dauer, sondern verweist sie lediglich auf ein gesondertes Verfahren. Daß der Kunde im Rückforderungsprozeß die aktive Kläger- statt der Beklagtenrolle übernehmen muß, belastet ihn in rechtlicher Hinsicht nicht, da, wie bereits dargelegt worden ist, die Darlegungs- und Beweislast sich nicht verändert und auch das Kostenrisiko sich nicht erhöht. Auch ist mit der Rückforderung der Leistung so gut wie kein Insolvenzrisiko verbunden , weil das Land Berlin Gewährträger der Klägerin ist (§ 4 BerlBG). Dies ändert indessen nichts daran, daß die Klägerin das Gewicht ihrer eigenen Interessen nicht hinreichend dargelegt hat.
Die diesbezüglichen Zweifel gehen zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin. Deshalb muß die streitige Klausel als unwirksam beur-
teilt werden (vgl. Palandt/Sprau, vor § 765 Rdn. 14 zur Bürgschaft auf erstes Anfordern; dafür - mit anderer Begründung - auch Rott/Butters, VuR 1999, 75, 79 und Beuermann, aaO S. 1196 f.; a.A. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 8; Herrmann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Allgemeine Versorgungsbedingungen , § 30 AVBV Rdn. 15).
III. Das Berufungsurteil, das auf der Annahme beruht, die Klausel sei wirksam und der Beklagte mit seinem Einwand der unbilligen Tariffestsetzung im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin ausgeschlossen, kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung und zum Beweis zu geben, daß ihre Tarife der
Billigkeit entsprechen. Dazu hatte sie im Berufungsverfahren noch keinen Anlaß , nachdem die erstinstanzlich entscheidende Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin die Ausschlußklausel für wirksam gehalten hatte und dies mit der vorangegangenen Rechtsprechung des Kammergerichts in Einklang stand.
Melullis Scharen Ambrosius
Meier-Beck Asendorf

Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,

1.
soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen, und
2.
wenn der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsverweigerung innerhalb von zwei Jahren nach Zugang der fehlerhaften Rechnung oder Abschlagsberechnung geltend gemacht wird.

51
b) Durch § 30 AVBFernwärmeV soll im Interesse einer möglichst kostengünstigen Fernwärmeversorgung vermieden werden, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Unternehmen unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in den Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen (BR-Drucks. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO; vgl. ferner Senatsurteile vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO, und vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 8/89, WM 1990, 608 unter B I 2 a). Da der Einwendungsausschluss in § 30 AVBFernwärmeV nach der Zielsetzung des Verordnungsgebers letztlich den Interessen beider Seiten dienen soll ("kostengünstige Fernwärmeversorgung" einerseits und Unterbindung von "unvertretbaren Verzögerungen" ande- rerseits), lässt sich die inhaltliche Reichweite dieser Vorschrift nicht allein unter Berücksichtigung der Interessen der Versorgungsunternehmen bestimmen; vielmehr ist hierbei auch den schutzwürdigen Belangen der Wärmekunden ausreichend Rechnung zu tragen. In bestimmten Fällen kommt den Interessen der Wärmekunden an der Geltendmachung von Einwendungen ein solches Gewicht zu, dass es unangemessen wäre, ihre Einwände im Zahlungsprozess unberücksichtigt zu lassen und die Kunden stattdessen auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind daher Einwendungen des Kunden, die sich nicht auf bloße Abrechnungs- und Rechenfehler beziehen, sondern die vertraglichen Grundlagen für die Art und den Umfang seiner Leistungspflicht betreffen, vom Anwendungsbereich des § 30 AVBFernwärmeV oder gleich lautender Bestimmungen ausgenommen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO; vgl. ferner Senatsurteile vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131 unter II 2 a [zu § 30 AVBWasserV]; vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 8/89, aaO unter B I 3 a [zu § 30 AVBFernwärmeV]; vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82, WM 1983, 341 unter II 2 a, b).

(1) Rechnungen und Abschläge werden zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,

1.
soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder
2.
sofern
a)
der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und
b)
der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt
und solange durch die Nachprüfung nicht die ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts festgestellt ist.
§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.

(2) Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.

(3) Gegen Ansprüche des Grundversorgers kann vom Kunden nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.