Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - VIII ZR 224/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:310517UVIIIZR224.16.0
bei uns veröffentlicht am31.05.2017
vorgehend
Amtsgericht Leipzig, 161 C 6659/15, 28.01.2016
Landgericht Leipzig, 1 S 133/16, 31.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 224/16 Verkündet am:
31. Mai 2017
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der auf einem Schriftsatz aufgebrachte Eingangsstempel des Gerichts erbringt als
öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO Beweis dafür, dass ein in den
Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfener Schriftsatz erst an dem im Stempel
angegebenen Tag beim Berufungsgericht eingegangen ist. Hiergegen ist jedoch
gemäß § 418 Abs. 2 ZPO der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis
zulässig, der die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang
des Schriftsatzes erfordert (im Anschluss an BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR
251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; Beschlüsse vom 5. Juli 2000 - XII ZB 110/00,
NJW-RR 2001, 280; vom 21. Februar 2007 - XII ZB 37/06, juris Rn. 8; vom
8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 10).

b) Dabei dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an die
Erbringung dieses Gegenbeweises nicht überspannt werden. Da der Außenstehende
in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens
sowie in das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt
für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur
Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (im Anschluss an BGH, Urteile vom
30. März 2000 - IX ZR 251/99, aaO unter II 1 b; vom 14. Oktober 2004 - VII ZR
33/04, NJW-RR 2005, 75 unter II 2; Beschlüsse vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07,
NJW 2008, 3501 Rn. 11; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, aaO Rn. 14; jeweils
mwN).

c) Bei einer detaillierten Schilderung der Partei über die genauen Umstände des Einwurfs
des Schriftstücks darf sich das Gericht nicht mit einer pauschal gehaltenen
dienstlichen Stellungnahme des/der zuständigen Mitarbeiters/in der Poststelle begnügen
, die sich in der Aussage erschöpft, es seien weder Störungen festgestellt
noch Fehler gemacht worden.
BGH, Urteil vom 31. Mai 2017 - VIII ZR 224/16 - LG Leipzig
AG Leipzig
ECLI:DE:BGH:2017:310517UVIIIZR224.16.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Hoffmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 31. August 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten bewohnen auf dem Grundstück der Klägerin Mieträume. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob die Beklagten auch berechtigt sind, zwei auf dem Grundstück gelegene Garagen zu nutzen. Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Herausgabe der Garagen (nebst Schlüsseln) und ferner dazu verurteilt, es zu unterlassen, das Grundstück mit Kraftfahrzeugen zu befahren und solche dort abzustellen. Gegen das ihr am 5. Februar 2016 zugestellte Urteil hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit am 7. März 2016 (Montag) eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.
2
Die Berufungsbegründungsfrist ist am 5. April 2016 abgelaufen. Der zur Akte gelangte Begründungsschriftsatz trägt jedoch den Eingangsstempel "Nachtbriefkasten Sächsischer Verfassungsgerichtshof Landgericht Leipzig Eing. 06. April 2016" und weist kein Handzeichen auf. Die Beklagten haben geltend gemacht, ihre Prozessbevollmächtigte habe am Abend des 5. April 2016 zwischen 21.35 Uhr und 21.42 Uhr die Berufungsbegründung gleichzeitig mit der in einem zweiten Umschlag befindlichen Berufungsbegründung in einem Parallelverfahren in den Nachtbriefkasten des Landgerichts eingeworfen. Der aufgebrachte Eingangsstempel sei daher unrichtig.
3
Das Original der Berufungsbegründung im Parallelverfahren, die vorab per Fax übermittelt worden ist, trägt ebenfalls das aufgestempelte Eingangsdatum "06. April 2016" und weist wiederum kein Handzeichen auf. Hierbei wurde allerdings nicht der Nachtbriefkastenstempel, sondern ein anderer Stempel ("Tagesstempel") mit dem Aufdruck "Gemeinsame Posteinlaufstelle Sächsischer Verfassungsgerichtshof und Landgericht Leipzig" verwendet.
4
Aufgrund eines am 12. April 2016 zwischen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten und dem Vizepräsidenten des Landgerichts wegen möglicher Störungen bei der gerichtsinternen Erfassung der Schriftsätze geführten Telefonats hat dieser eine dienstliche Stellungnahme der zuständigen Bediensteten der Poststelle und des Leiters der Poststelle eingeholt. Die Stellungnahmen hat er der Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 3. Mai 2016 übermittelt und zugleich mitgeteilt, eine Störung der Funktion des - im Dezember 2015 turnusgemäß gewarteten - Nachtbriefkastens sei bei einer von ihm veranlassten Prüfung nicht festgestellt worden.
5
Die dienstliche Erklärung der zuständigen Poststellenmitarbeiterin vom 12. April 2016, die bezüglich Ziffer 1 vom Leiter der Poststelle gegengezeichnet ist (eine weitere Stellungnahme hat dieser nicht abgegeben), lautet wie folgt: "Ich erkläre ausdrücklich: 1. Ich war am 6. April 2016 für das Stempeln des Nachtbriefkastens verantwortlich. 2. Ich habe keine Störung des Nachtbriefkastens festgestellt. 3. Ich habe den richtigen Stempel mit dem richtigen Datum für die Post aus dem Nachtbriefkasten verwendet."
6
Bereits mit Verfügung vom 26. April 2016 hatte die Vorsitzende der Berufungskammer den Hinweis erteilt, es sei beabsichtigt, die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig zu verwerfen. Auf den daraufhin gestellten Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, eine dienstliche Stellungnahme des/der zuständigen Poststellenmitarbeiters/in einzuholen, hat die Berufungskammer sich mit einem entsprechenden Anliegen an den Vizepräsidenten des Landgerichts gewandt, sich dann aber mit dessen Schreiben vom 26. Mai 2016 begnügt, in dem dieser auf den Inhalt der bereits vorliegenden dienstlichen Erklärungen verwiesen hat.
7
In dem genannten Schreiben hat der Vizepräsident auch zu weiteren Anträgen der Beklagtenvertreterin Stellung genommen. Soweit diese um Ermittlungen dazu gebeten hat, ob noch weitere Beschwerden bezüglich der Korrektheit eines auf den 6. April 2016 lautenden Eingangsstempels vorlägen, hat er mitgeteilt, eine Rückfrage bei den Serviceeinheiten der 1. bis 9. Zivilkammer habe ergeben, dass keine weiteren Beschwerden bezüglich der Unkorrektheit des Eingangsstempels vom 6. April 2016 bekannt geworden seien. Hinsichtlich des weiteren Begehrens, für die Nacht vom 5. April auf den 6. April 2016 die korrekte Funktionsweise des Nachtbriefkastens im Hinblick auf eine digitale Fehlfunktion der Verschlusseinrichtung zu überprüfen sowie nachzuprüfen, ob ein Vertauschen der Nacht- und Tagespost bei der Entnahme am 6. April auszuschließen sei, hat der Vizepräsident des Landgerichts unter Wiederholung seiner bereits mit Schreiben vom 3. Mai 2016 erfolgten Mitteilung und unter Beifügung eines Wartungsscheins ausgeführt, Störungen seien nicht festgestellt worden; der Nachtbriefkasten sei zuletzt im Dezember 2015 turnusgemäß ohne Störungsbefund gewartet worden.
8
Das Berufungsgericht hat sodann die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zum Geschehen als Zeugin vernommen, jedoch nicht deren für die Begleitumstände ebenfalls als Zeugen benannten Ehemann. Die Beklagtenvertreterin hat im Einklang mit ihrer schriftsätzlichen Darstellung als Zeugin bekundet, sie habe die Berufungsbegründung am 5. April 2016 um 21.03 Uhr fertiggestellt und ausgefertigt. Gegen 21.15 Uhr sei sie im Besitz dieses Schriftsatzes und des Begründungsschriftsatzes für das Parallelverfahren, die sich in zwei getrennten Briefumschlägen befunden hätten, mit ihrem Pkw von ihrem Wohnund Kanzleisitz abgefahren. Sie habe dann das Fahrzeug gegen 21.35 Uhr vor der S. -Buchhandlung geparkt. Anschließend sei sie die "paar Meter" zu Fuß gegangen und habe beide DIN-A4-Umschläge in den Nachtbriefkasten eingeworfen.
9
Weitere Ermittlungen zur Funktionsweise des Nachtbriefkastens und den gerichtsinternen Abläufen bei der Erfassung und Verteilung der Eingangspost hat das Landgericht nicht angestellt. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat es die Berufung der Beklagten durch Urteil als unzulässig verworfen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

10
Die Revision hat Erfolg.

I.

11
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
12
Die Berufung der Beklagten sei unzulässig, da sie nicht innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils begründet worden sei. Der auf der Berufungsbegründung aufgedruckte Eingangsstempel erbringe gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den Beweis dafür, dass der Schriftsatz nicht innerhalb der am 5. April 2016 ablaufenden Frist bei Gericht eingegangen sei, sondern erst am 6. April 2016. Die Beklagten hätten den ihnen bezüglich der Unrichtigkeit des Eingangsstempels obliegenden Gegenbeweis nicht erbracht.
13
Es stehe nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die als Zeugin vernommene Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründungsschrift in der vorliegenden Sache am 5. April 2016 in den Nachtbriefkasten des Landgerichts eingeworfen habe. Zweifel an dem ordnungsgemäßen Funktionieren des - zuletzt im Dezember 2015 beanstandungsfrei gewarteten und an eine Zeitschaltuhr gekoppelten - Nachtbriefkastens, bei dem um 24 Uhr eine mittels eines Magneten festgehaltene Klappe in eine waagrechte Position falle, wodurch die vor diesem Zeitpunkt eingeworfene Post von der danach eingeworfenen Post getrennt werde, bestünden nicht. Eine Fehlfunktion des Nachtbriefkastens, die bereits von außen durch das Aufleuchten eines Lichts zu ersehen sei, habe am 6. April 2016 nach den Angaben der zuständigen Mitarbeiterin nicht festgestellt werden können.
14
Auch von einer fehlerhaften Verwendung des Eingangsstempels sei nicht auszugehen. Wie eine Nachfrage des Vizepräsidenten des Landgerichts bei allen Serviceeinheiten der 1. bis 9. Zivilkammer ergeben habe, sei allein im Streitfall die Korrektheit des am 6. April 2016 aufgebrachten Eingangsstempels angezweifelt worden. Die verantwortliche Mitarbeiterin der Poststelle habe ausdrücklich erklärt, den richtigen Stempel mit dem zutreffenden Datum für die aus dem Nachtbriefkasten entnommene Post verwendet zu haben. Anhaltspunkte für ein Vertauschen der Eingangspost vom 5. April und vom 6. April 2016 bestünden danach nicht.
15
Außerdem bestünden an dem von der Zeugin bekundeten zeitlichen Ablauf im Hinblick darauf, dass der Schriftsatz im Parallelverfahren keinen für die Post aus dem Nachtbriefkasten bestimmten Eingangsstempel trage, erhebliche Zweifel. Der Umstand, dass der Schriftsatz im vorliegenden Verfahren einen Stempel mit dem Aufdruck "Nachtbriefkasten", der für das Parallelverfahren bestimmte zweite Schriftsatz dagegen den (Tages-)Stempelaufdruck "Gemeinsame Posteinlaufstelle des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs und Landgerichts Leipzig" trage, lasse sich nicht mit einem technischen Defekt begründen, da "beide Briefkästen örtlich voneinander getrennt seien".
16
Eine Vernehmung des Ehemanns der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei nicht geboten, da dieser zum Einwurf in den Nachtbriefkasten keine Angaben mache könne. Auch die durch Angaben zur Ortung ihres Mobiltelefons unter Beweis gestellte Ortsabwesenheit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt könne unterstellt werden. Sie sei nicht geeignet , den rechtzeitigen Einwurf des Begründungsschriftsatzes zu belegen. Die anwaltlich versicherte Erklärung der Beklagtenvertreterin zu den von ihr im Postausgangsbuch am 5. April 2016 eingetragenen Vermerken führe ebenfalls zu keiner abweichenden Würdigung.

II.

17
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht nicht von einer Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 2 ZPO) ausgehen dürfen. Es hätte sich nicht mit den angestellten rudimentären Ermittlungen begnügen dürfen, sondern war gehalten, die Abläufe bei der Entnahme, der Sortierung und der Verteilung der Eingangspost im Allgemeinen und - soweit möglich - konkret für den 5./6. April 2016 aufzuklären.
18
1. Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht allerdings angenommen , dass der auf die Berufungsbegründung aufgebrachte Eingangsstempel "Nachtbriefkasten Sächsischer Verfassungsgerichtshof Landgericht Leipzig Eing. 06. April 2016" als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO Beweis dafür erbringt, dass der Schriftsatz erst an dem im Stempel angegebenen Tag beim Berufungsgericht eingegangen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467 unter I; vom 30.März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; Beschlüsse vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 unter II; vom 21. Februar 2007 - XII ZB 37/06, juris Rn. 8; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 10). Es hat auch nicht verkannt, dass hiergegen gemäß § 418 Abs. 2 ZPO der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis zulässig ist, der die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzes erfordert (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, aaO; Beschlüsse vom 5. Juli 2000 - XII ZB 110/00, NJW-RR 2001, 280; vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, aaO; vom 21. Februar 2007 - XII ZB 37/06, aaO; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, aaO; jeweils mwN).
19
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch die Anforderungen an den nach § 418 Abs. 2 ZPO von den Beklagten zu erbringenden Beweis der Unrichtigkeit des aufgebrachten Eingangsstempels überspannt und den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt. Ob eine Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungsgericht als auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteile vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, aaO; vom 27. September 2001 - IX ZR 471/00, juris Rn. 4; jeweils mwN), wobei das Revisionsgericht weder an die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (BGH, Urteile vom 27. September 2001 - IX ZR 471/00, aaO; vom 25. Oktober 1977 - VI ZR 198/76, VersR 1978, 155 unter II 2 mwN; Beschluss vom 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312 unter II mwN) noch an dessen Feststellungen (BGH, Beschluss vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92, NJW-RR 1992, 1338 unter II 2 mwN) gebunden ist.
20
a) Zwar reicht die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, dass ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, zur Führung des Beweises der Unrichtigkeit des Eingangsstempels nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an diesen Gegenbeweis nicht überspannt werden (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, aaO unter II 1 b; vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04, NJW-RR 2005, 75 unter II 2; vom 2. November 2006 - III ZR 10/06, NJW 2007, 603 Rn. 5; Beschlüsse vom 27. November 2002 - VIII ZB 45/02, juris Rn. 5; vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, aaO; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, aaO; jeweils mwN). Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie in das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urteile vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, aaO; vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04, aaO; Beschlüsse vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 11; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, aaO Rn. 14; jeweils mwN).
21
b) Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht nur unzureichend nachgekommen. Es hat sich maßgeblich auf die inhaltlich karge dienstliche Stellungnahme der zuständigen Mitarbeiterin der Poststelle vom 12. April 2016 gestützt, deren Aussagegehalt sich in der allgemein gehaltenen Erklärung erschöpft , am 6. April 2016 für das Stempeln des Nachtbriefkastens verantwortlich gewesen zu sein, keine Störung des Nachtbriefkastens festgestellt und den richtigen Stempel mit dem richtigen Datum für die Post aus dem Nachtbriefkasten verwendet zu haben. Mit dieser, inhaltlich nicht ergiebigen Stellungnahme hätte sich das Berufungsgericht indessen, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht zufrieden gegeben dürfen (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, aaO).
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aa) Es fehlen bereits konkrete Angaben zur allgemeinen Organisation der Abläufe bei der Leerung des Nachtbriefkastens, der Sortierung der Post und der Aufbringung eines Eingangsstempels. Der Stellungnahme der zuständigen Poststellenmitarbeiterin lässt sich weder entnehmen, auf welche Weise und zu welchen Zeitpunkten die Funktionsweise des Nachtbriefkastens bei der Leerung geprüft noch mit welchen Maßnahmen sichergestellt wird, dass die darin in unterschiedlichen Fächern befindliche Post vom Zeitpunkt der Entnahme bis zur Abstempelung getrennt aufbewahrt wird. Insbesondere haben weder die zuständige Mitarbeiterin noch der Leiter der Poststelle Angaben dazu gemacht, wo genau eine aus dem Nachtbriefkasten entnommene Post und die sonstige Eingangspost abgelegt und anschließend abgestempelt werden und welcher Stempel für welche Eingangspost vorgesehen ist.
23
Auch sind keine Angaben dazu erfolgt, welche Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Post aus dem Nachtbriefkasten mit anderweitiger Eingangspost (etwa durch ein Verrutschen von Stapeln) vermengt wird oder dass ein eingehendes Schriftstück zunächst unbemerkt bleibt und infolgedessen zu einem späteren Zeitpunkt einen unzutreffenden Stempel erhält (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83, juris Rn. 5 mwN). Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass es sich bezüglich dieser von den Beklagten ausdrücklich als aufklärungsbedürftig gerügten Organisationsabläufe auf andere Weise ausreichende Kenntnis verschafft hat. Es hat sich mit der Beschreibung der - bereits vom Klägervertreter dargestellten - Funktionsweise des Nachtbriefkastens und einer Skizzierung des Leerungsvorgangs begnügt. Außerdem ist es offensichtlich von der nicht näher begründeten und nach der Darstellung der Beklagten sowie der Revision auch unzutreffenden Annahme ausgegangen, es gäbe zusätzlich einen vom Nachtbriefkasten örtlich getrennten weiteren Briefkasten.
24
bb) Weiter hat das Berufungsgericht, was die Revision ebenfalls zu Recht rügt (und die Beklagten schon in der Vorinstanz geltend gemacht haben), nicht berücksichtigt, dass eine Schilderung der allgemeinen Organisationabläufe für sich genommen nicht ausreicht, sondern auch in geeigneter Weise (jedenfalls im Streitfall vorzugsweise durch eine eingehende persönliche Anhörung der zuständigen Mitarbeiterin) der Frage nachzugehen ist, ob die mit der Leerung des Nachtbriefkastens und der Erfassung der Post betraute Mitarbeiterin noch über eine konkrete Erinnerung über die Geschehnisse am 6. April 2016 verfügt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. April 1996 - XII ZB 42/96, NJW 1996, 2038 unter b; vom 27. November 2002 - VIII ZB 45/02, aaO Rn. 6). Zu einer solchen Aufklärung hätte schon im Hinblick auf die pauschal gehaltene dienstliche Erklärung der Mitarbeiterin, der eine detaillierte Schilderung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegenübersteht, Anlass bestanden. Erst recht gilt dies vor dem Hintergrund, dass die Beklagten geltend gemacht haben, die Mitarbeiterin der Poststelle habe sich bei Abgabe ihrer Stellungnahme nach Auskunft des Vizepräsidenten des Landgerichts noch im Krankenstand befunden. Nach derzeitigem Stand der Dinge kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitarbeiterin ihre dienstliche Stellungnahme ohne konkreten Zugriff auf die in Frage stehenden Schriftstücke abgegeben hat und damit auf Mutmaßungen angewiesen war.
25
cc) Da das Landgericht somit bereits die naheliegenden dienstlichen Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft hat, hätte es schon aus diesem Grunde nicht die abweichenden Bekundungen der als Zeugin vernommenen Prozessbevollmächtigten der Beklagten als nicht nachvollziehbar bewerten dürfen. Es trifft zwar zu, dass sich die auf den beiden Schriftsätzen befindlichen unterschiedlichen , jeweils aber das Datum vom 6. April 2016 ausweisenden Eingangsstempel nur dann mit der Darstellung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Einklang bringen lassen, wonach sie beide, sich in getrennten Umschlägen befindlichen Schriftstücke zusammen in den Nachtstunden des 5. April 2016 in den Nachtbriefkasten des Landgerichts eingeworfen habe, wenn der Posteingangsstelle ein Doppelfehler unterlaufen wäre. Zum einen müsste auf die Berufungsbegründung in der vorliegenden Sache versehentlich der Nachtbriefkastenstempel des Folgetages aufgebracht worden sein und zum anderen müsste der Schriftsatz in dem weiteren Verfahren irrtümlicherweise einen für sonstige Eingangspost bestimmten (Tages-)Stempelaufdruck erhalten haben.
26
Nach derzeitigem Erkenntnisstand kann aber mangels Aufklärung der allgemeinen Organisationsabläufe und der konkreten Verhältnisse am 6. April 2016 nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer solchen doppelten Fehlstempelung gekommen ist. Denkbar wäre etwa, dass bei der Erfassung der unterschiedlichen Arten der Eingangspost (möglicherweise unbemerkt) einzelne Poststücke verrutscht und infolgedessen die Berufungsbegründung im vorliegenden Verfahren mit einem falschen Nachtbriefkastenstempelaufdruck verse- hen worden ist. Ebenso wäre es möglich, dass der Schriftsatz in der Parallelsache zunächst gar nicht abgestempelt und erst später einen nicht das richtige Eingangsdatum ausweisenden Stempel erhalten hat.
27
c) Weiter ist das Berufungsgericht nicht allen erheblichen Beweisangeboten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nachgegangen. Die Beklagten haben sich unter substantiierter Darlegung des von ihnen behaupteten Geschehensablaufs darauf berufen, ihre Prozessbevollmächtigte habe sich am 5. April 2016 gegen 21.15 Uhr von ihrem Ehemann und Mitinhaber der gemeinsamen Rechtsanwaltskanzlei mit der Bemerkung verabschiedet, die beiden fristgebundenen Schriftsätze in dem vorliegenden und dem parallel geführten Berufungsverfahren "noch schnell beim Landgericht" einwerfen zu wollen, und habe gemeinsam mit diesem bei ihrer Rückkehr festgestellt, dass sie sich gegen 22 Uhr wieder in dem als Kanzlei und als Wohnung genutzten Anwesen eingefunden und daher die Fahrt weniger Zeit als ursprünglich angenommen in Anspruch genommen habe.
28
Dieses Beweisangebot hat das Berufungsgericht für unerheblich gehalten , weil es sich nur auf die Begleitumstände, nicht aber auf den Einwurf der Schriftstücke in den Nachtbriefkasten als solchen beziehe. In Anbetracht der gewählten Formulierung des Anschlusssatzes ("Auch die unter Beweis gestellte Ortsabwesenheit der Prozessbevollmächtigten kann unterstellt werden") steht zu vermuten, dass das Berufungsgericht die von ihm für unerheblich erachteten Begleitumstände als wahr unterstellen wollte. Dabei hat es aber nicht bedacht, dass eine Zeugenaussage des Ehemanns der Prozessbevollmächtigten der Beklagten über die beschriebenen Begleitumstände und etwaige hierbei geschilderte weitere Einzelheiten für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Prozessbevollmächtigen der Beklagten von entscheidender Bedeutung sein können. Es hätte daher von der hierzu beantragten Zeugenvernehmung nur dann absehen dürfen, wenn es die von den Beklagten insoweit aufgestellten Behauptungen mit dem ihnen von diesen beigelegten Gewicht als wahr unterstellt hätte (vgl. Senatsurteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, WuM 2017, 285 Rn. 26).
29
d) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung, an die das Revisionsgericht - wie oben unter II 2 ausgeführt - nicht gebunden ist, unberücksichtigt gelassen, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine detaillierte Schilderung der Geschehnisse am 5. April 2016 abgegeben und dabei auch detaillierte Angaben zur Bearbeitung und zum Einwurf der das Parallelverfahren betreffenden Berufungsbegründung gemacht hat, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt schon bekannt war, dass der auf diesen Schriftsatz aufgebrachte Stempel nicht das Eingangsdatum 5. April 2016 auswies, sondern einen - die Erbringung des von ihr verlangten Beweis des Gegenteils noch weiter erschwerenden - Tagesstempel mit dem Datum 6. April 2016. Falls sie bestrebt gewesen wäre, eine unwahre, aber schlüssige Erklärung dafür zu liefern, warum der im vorliegenden Verfahren gefertigte und nach ihrer Darstellung in den Nachtbriefkasten eingeworfene Schriftsatz ein unrichtiges Eingangsdatum erhalten hat, hätte es nahegelegen, sich allein auf eine dieses Schriftstück betreffende Fehlstempelung zu berufen und nicht noch den weiteren Schriftsatz mit dem darauf aufgebrachten Tagesstempel von sich aus anzusprechen und damit einen - noch schwerer auszuräumenden - Doppelfehler des Landgerichts ins Spiel zu bringen. Dass sie sich gegen eine solche Vereinfachung der Geschehensabläufe entschieden hat, spricht - anders als das Berufungsgericht meint - eher für als gegen die Glaubhaftigkeit ihrer detaillierten und durch zusätzliche Indizien (Ortungsangaben bezüglich ihres Mobiltelefons; Kalendereintragung) belegten Aussage.

III.

30
Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht bislang keine ausreichenden Feststellungen zu der strittigen Frage des Zeitpunkts des Eingangs der Berufungsbegründung getroffen hat. Sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Anders als die Revision meint, ist der Senat nicht gehalten, die fehlenden Feststellungen selbst nachzuholen. Vielmehr ist es schon im Hinblick auf die größere Orts- und Sachnähe sachgerecht, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen selbst trifft (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, juris Rn. 10; Beschlüsse vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92, aaO unter II 3; vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92, FamRZ 1993, 313 unter [II] 1 b; vgl. ferner Urteile vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04, aaO unter 4; vom 17. Februar 2012 - V ZR 254/10, NJW-RR 2012, 701 Rn. 11 ff.; Beschlüsse vom 21. Februar 2007 - XII ZB 37/06, aaO Rn. 12; vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 44/10, juris Rn. 11; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 19 f.).
31
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
32
Falls das Berufungsgericht nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen nach wie vor nicht die volle richterliche Überzeugung zu gewinnen vermag , dass die Berufungsbegründung entgegen dem Eingangsstempel rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen ist, wird es ergänzend zu prüfen haben, ob nicht wenigstens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 3. März 1983 - IX ZB 4/83, VersR 1983, 491 mwN) dafür spricht, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung noch am 5. April 2016 in den Nachtbriefkasten eingeworfen hat und damit ein fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis glaubhaft gemacht worden wäre (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 6. März 2007 - VIII ZB 102/06, juris Rn. 3; vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 13 - 20; vom 1. März 2016 - VIII ZB 57/15, NJW 2016, 2042 Rn. 15 [jeweils für eine Übermittlung per Telefax]), so dass den Beklagten gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Hoffmann
Vorinstanzen:
AG Leipzig, Entscheidung vom 28.01.2016 - 161 C 6659/15 -
LG Leipzig, Entscheidung vom 31.08.2016 - 1 S 133/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - VIII ZR 224/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - VIII ZR 224/16

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 418 Beweiskraft öffentlicher Urkunden mit anderem Inhalt


(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande
Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - VIII ZR 224/16 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - VIII ZR 224/16 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).

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Referenzen

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 81/04
vom
15. September 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum im Wege des Freibeweises zu führenden Nachweis, dass die Prozesshandlung
- entgegen dem Eingangsstempel des angegangenen Gerichts - rechtzeitig erfolgt
ist.
BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZB 81/04 - LG Essen
AG Essen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 26. November 2004 - 10 S 284/04 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerderechtszuges zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.197,12 €.

Gründe:


I.


Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts ist der Kläger in am 15. Juni 2004 zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die an sich am 16. August 2004 endende Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 16. September 2004 verlängert worden. Die Klägerin hat die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtig-
ten vom 16. September 2004 begründet; dieser Schriftsatz trägt den Eingangsstempel
"Landgericht Essen <= Berufungsgericht> Eing 17. SEP. 2004 N …"
Das Berufungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der K lägerin am 20. September 2004 darauf hingewiesen, die Berufungsbegründung sei am 17. September 2004, "mithin nach Fristablauf, eingegangen". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin vorgetragen und an Eides Statt versichert , der am 16. September 2004 ausgefertigte Berufungsbegründungsschriftsatz sei von ihm unter dem gleichen Datum auf dem Nachhauseweg in der Zeit zwischen 18.00 und 19.00 Uhr in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts geworfen worden. Zugleich hat er - aus denselben Gründen - hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Berufungsgericht hat eine dienstliche Äußerung der Wachtmeisterei eingeholt. Es hat diese und einen Abdruck der mit dem Eingangsstempel versehenen ersten Seite der Berufungsbegründung dem Vertreter der Klägerin zugeleitet und darauf hingewiesen, der Eingangsstempel weise den Zusatz "N" auf. Die eingehende Post werde dergestalt präsentiert , dass die bis mittags vorgelegte Post einen Eingangsstempel mit dem Zusatz "V" erhalte. Ab Mittag werde der Stempel umgestellt; dann erscheine neben dem Datum der Zusatz "N" als Symbol dafür, dass die Post erst nachmittags eingegangen sei. Der Anwalt der Klägerin hat daraufhin im Wesentlichen wiederholt, er habe den Schriftsatz vom 16. September 2004 noch an diesem Tag in den Fristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgew iesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist die in förmli cher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsbeschwerde statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht im Übrigen zulässig, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 i.V.m. § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO analog; vgl. Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 574 Rn. 11).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert i m Streitfall die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Weder hat das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt noch grundlegend die Möglichkeit verkannt, den Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu führen.
Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier die Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist aber zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt werden dürfen (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 14. Juli
1987 - III ZB 20/87 - BGHR ZPO § 418 Abs. 2 Eingangsstempel 1; BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - FamRZ 1993, 313, 314, vom 27. November 2002 - VIII ZB 45/02 - NJOZ 2003, 329, 330 und vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - NJW-RR 2005, 75).
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, durch den Eingangsstempel sei nachgewiesen, dass die Berufungsbegründungsschrift am Nachmittag des 17. September 2004, mithin nach Ablauf der am Donnerstag, dem 16. September 2004 endenden Frist zur Berufungsbegründung, eingegangen sei. Dem hat es die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenübergestellt, wonach er den Schriftsatz in den frühen Abendstunden des 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen habe, dies aber nicht für glaubhaft - geschweige denn für erwiesen - erachtet. Nicht auszuschließen sei zwar, dass bis 24.00 Uhr eingehende Post - hier die nach dem Vortrag der Klägerin am 16. September 2004 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr eingeworfene Berufungsbegründung - aus Versehen den "Vormittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 V") erhalte; wenig wahrscheinlich sei aber, dass sie - wie im Streitfall - erst den "Nachmittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 N"), also die übernächste Einstellung des Stempels, erhalten haben könnte.
Gegen die Würdigung des Berufungsgerichts kann nicht ang eführt werden , es habe über die - allerdings karge - dienstliche Ä ußerung der Wachtmeisterei hinaus möglichen Gründen für eine fehlerhafte Stempelung nachgehen müssen. Dafür bot der Sachverhalt - anders als in den von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 14. Okto-
ber 2004 aaO, vom 5. Oktober 2000 - X ZB 13/00 - NJW-RR 2001, 571 und vom 7. Oktober 1992 aaO) - keinen hinreichenden Anhalt. Die Klägerin hat, nachdem ihr die dienstliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden war, selbst nicht geltend gemacht, dass der Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert habe oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen sein könnten. Ihr Vorbringen erschöpfte sich im Grunde in der (eidesstattlich versicherten) Behauptung, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Ausgestaltung der Präsentation mittels Vor- und Nachmittagsstempel erhärtete sie ihren Vortrag und die eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten nicht, z.B. durch einen Vermerk ihres Prozessbevollmächtigten über die erfolgte "Zustellung" der Berufungsbegründung in dessen Handakten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 aaO) oder durch einen entsprechenden Nachweis in dessen Postausgangsbuch (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2002 aaO S. 330 f).
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass das Ber ufungsgericht zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
8
a) Zwar geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass der Eingangsstempel auf dem Berufungsbegründungsschriftsatz als öffentliche Urkunde gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den Beweis dafür erbringt, dass der Schriftsatz an diesem Tag bei Gericht eingegangen ist. Dieser Beweis kann jedoch, wie auch das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch einen im Wege des Freibeweises zu erbringenden Gegenbeweis entkräftet werden (BGH Beschlüsse vom 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97 - NJW 1998, 461; vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - NJW 2000, 814; vom 10. Januar 2006 - VI ZB 61/05- VersR 2006, 568). Danach können auch eidesstattliche Versicherungen als Beweismittel ausreichen, wenn diese dem Gericht die volle Überzeugung von der Richtigkeit der versicherten Behauptung vermitteln (Senatsbeschluss vom 17. April 1996 - XII ZB 42/96 - NJW 1996, 2038). Da der Beweiswert einer eidesstattlichen Versicherung jedoch lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, reicht sie zum Nachweis der Fristwahrung regelmäßig nicht aus. Ist dies der Fall, muss auf die Vernehmung der Beweispersonen, etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals, als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (BGH Beschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 61/05 - VersR 2006, 568).
10
a) Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit der Berufung hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Berufungsführer den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3; vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; jeweils mwN). Die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen an den Gegenbeweis wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt wer- den dürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 2. November 2006 - III ZR 10/06, NJW 2007, 603 Rn. 5; vom 17. Februar 2012 - V ZR 254/10, NJW-RR 2012, 701 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 unter II; vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 10 f.; jeweils mwN).

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 33/04 Verkündet am:
14. Oktober 2004
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Notwendigkeit der Beweiserhebung über eine Behauptung, ein fristwahrender
Schriftsatz sei entgegen dem auf ihm angebrachten Eingangsstempel in den Nachtbriefkasten
des Gerichts rechtzeitig eingeworfen worden.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt eine Vergütung für Architekten- und Ingenieurleistungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 6. Mai 1999 zugestellt worden. Sein Berufungsschriftsatz trägt das Datum des 7. Juni 1999; er hat den Eingangsstempel der Briefannahmestelle des Oberlandesgerichts vom 8. Juni 1999 erhalten.
Der Kläger hat vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. K., habe den Berufungsschriftsatz am 7. Juni 1999 (Montag) um 21.40 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Das Berufungsgericht hat dienstliche Äußerungen der für die Leerung zuständigen Beamten S. und L. herbeigeführt. Die Berufung des Klägers hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Verfahrensrecht richtet sich nach den Regelungen der Zivilprozeßordnung in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden. Der Eingangsstempel vom 8. Juni 1999 beweise den Eingang der Berufungsschrift an diesem Tage. Der Vortrag des Klägers beschränke sich darauf, die Richtigkeit des gerichtlichen Eingangsstempels zu bestreiten und für die Einlegung der Berufung schon am 7. Juni 1999 Beweis durch Vernehmung seines Prozeßbevollmächtigten anzutreten. Es fehle hingegen ein Vortrag dazu, warum oder wie es zu der behaupteten Fehlstempelung der Berufungsschrift habe kommen können. Daher sei der Beweisantritt nicht in der erforderlichen Weise substantiiert, so daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht als Zeuge zu vernehmen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet eingelegt worden ist. 1. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, daß der Eingangsstempel des Gerichts nach § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis dafür erbringt, daß die Berufung des Klägers am 8. Juni 1999 eingegangen ist. Nach § 418 Abs. 2 ZPO ist indessen der Gegenbeweis zulässig. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufung muß zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden (BGH, Beschluß vom 14. Juli 1987 - III ZB 20/87, BGHR ZPO § 418 Abs. 2 - Eingangsstempel 1). 2. Allein die kaum jemals völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nicht aus. Andererseits dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872, 1873). Dem entspricht es, daß das Berufungsgericht dienstliche Äußerungen der für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten S. und L. eingeholt hat. 3. Das Berufungsgericht hätte indessen den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers gegen die Richtigkeit des Datumsstempels nicht als unsub-
stantiiert erachten dürfen. Es hat an die Darlegungslast des Klägers überzogene Anforderungen gestellt. Dieser ist nur dann nicht genügt, wenn es das Gericht auch bei Zugrundelegung des Vorbringens nicht als schlüssig erachten kann, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der an die Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Die Wahrscheinlichkeit der Darstellung ist eine Frage der Beweiswürdigung, nicht der hinreichenden Substantiierung. 4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigen die Überlegungen des Berufungsgerichts nicht die im Berufungsurteil gezogene Schlußfolgerung , der Kläger habe den rechtzeitigen Eingang seiner Berufung am 7. Juni 1999 nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der Kläger hat vorgetragen , sein Prozeßbevollmächtigter Dr. K. habe den Berufungsschriftsatz persönlich am 7. Juni 1999 um 21.40 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Die fristgerechte Einreichung der Rechtsmittelschrift unter Angabe der Uhrzeit des Einwurfs in den Nachtbriefkasten habe Dr. K. am folgenden Morgen des 8. Juni 1999 in der Handakte vermerkt, die er auszugsweise in Fotokopie vorlege. Das Datum des gerichtlichen Eingangsstempels könne er sich nur dadurch erklären, daß die von ihm eingereichte Berufungsschrift im Nachtbriefkasten steckengeblieben oder bei der Entleerung versehentlich nicht aus dem Nachtbriefkasten entnommen worden sei. Eine weitergehende Konkretisierung seines Vorbringens war von dem Kläger nicht zu verlangen. Die Substantiierungslast findet ihre Grenze in dem subjektiven Wissen der Parteien
und der Zumutbarkeit weiterer Ausführungen. Auf der Grundlage dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht den angebotenen Beweis erheben müssen (§ 286 ZPO). Das wird es nachzuholen haben.
Dressler Haß Wiebel Kniffka Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 81/04
vom
15. September 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum im Wege des Freibeweises zu führenden Nachweis, dass die Prozesshandlung
- entgegen dem Eingangsstempel des angegangenen Gerichts - rechtzeitig erfolgt
ist.
BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZB 81/04 - LG Essen
AG Essen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 26. November 2004 - 10 S 284/04 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerderechtszuges zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.197,12 €.

Gründe:


I.


Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts ist der Kläger in am 15. Juni 2004 zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die an sich am 16. August 2004 endende Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 16. September 2004 verlängert worden. Die Klägerin hat die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtig-
ten vom 16. September 2004 begründet; dieser Schriftsatz trägt den Eingangsstempel
"Landgericht Essen <= Berufungsgericht> Eing 17. SEP. 2004 N …"
Das Berufungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der K lägerin am 20. September 2004 darauf hingewiesen, die Berufungsbegründung sei am 17. September 2004, "mithin nach Fristablauf, eingegangen". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin vorgetragen und an Eides Statt versichert , der am 16. September 2004 ausgefertigte Berufungsbegründungsschriftsatz sei von ihm unter dem gleichen Datum auf dem Nachhauseweg in der Zeit zwischen 18.00 und 19.00 Uhr in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts geworfen worden. Zugleich hat er - aus denselben Gründen - hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Berufungsgericht hat eine dienstliche Äußerung der Wachtmeisterei eingeholt. Es hat diese und einen Abdruck der mit dem Eingangsstempel versehenen ersten Seite der Berufungsbegründung dem Vertreter der Klägerin zugeleitet und darauf hingewiesen, der Eingangsstempel weise den Zusatz "N" auf. Die eingehende Post werde dergestalt präsentiert , dass die bis mittags vorgelegte Post einen Eingangsstempel mit dem Zusatz "V" erhalte. Ab Mittag werde der Stempel umgestellt; dann erscheine neben dem Datum der Zusatz "N" als Symbol dafür, dass die Post erst nachmittags eingegangen sei. Der Anwalt der Klägerin hat daraufhin im Wesentlichen wiederholt, er habe den Schriftsatz vom 16. September 2004 noch an diesem Tag in den Fristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgew iesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist die in förmli cher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsbeschwerde statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht im Übrigen zulässig, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 i.V.m. § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO analog; vgl. Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 574 Rn. 11).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert i m Streitfall die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Weder hat das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt noch grundlegend die Möglichkeit verkannt, den Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu führen.
Die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier die Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist aber zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt werden dürfen (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 14. Juli
1987 - III ZB 20/87 - BGHR ZPO § 418 Abs. 2 Eingangsstempel 1; BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - FamRZ 1993, 313, 314, vom 27. November 2002 - VIII ZB 45/02 - NJOZ 2003, 329, 330 und vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - NJW-RR 2005, 75).
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, durch den Eingangsstempel sei nachgewiesen, dass die Berufungsbegründungsschrift am Nachmittag des 17. September 2004, mithin nach Ablauf der am Donnerstag, dem 16. September 2004 endenden Frist zur Berufungsbegründung, eingegangen sei. Dem hat es die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenübergestellt, wonach er den Schriftsatz in den frühen Abendstunden des 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen habe, dies aber nicht für glaubhaft - geschweige denn für erwiesen - erachtet. Nicht auszuschließen sei zwar, dass bis 24.00 Uhr eingehende Post - hier die nach dem Vortrag der Klägerin am 16. September 2004 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr eingeworfene Berufungsbegründung - aus Versehen den "Vormittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 V") erhalte; wenig wahrscheinlich sei aber, dass sie - wie im Streitfall - erst den "Nachmittagsstempel" des folgenden Tages ("17. September 2004 N"), also die übernächste Einstellung des Stempels, erhalten haben könnte.
Gegen die Würdigung des Berufungsgerichts kann nicht ang eführt werden , es habe über die - allerdings karge - dienstliche Ä ußerung der Wachtmeisterei hinaus möglichen Gründen für eine fehlerhafte Stempelung nachgehen müssen. Dafür bot der Sachverhalt - anders als in den von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 14. Okto-
ber 2004 aaO, vom 5. Oktober 2000 - X ZB 13/00 - NJW-RR 2001, 571 und vom 7. Oktober 1992 aaO) - keinen hinreichenden Anhalt. Die Klägerin hat, nachdem ihr die dienstliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden war, selbst nicht geltend gemacht, dass der Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert habe oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen sein könnten. Ihr Vorbringen erschöpfte sich im Grunde in der (eidesstattlich versicherten) Behauptung, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 16. September 2004 in den Notfristbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Ausgestaltung der Präsentation mittels Vor- und Nachmittagsstempel erhärtete sie ihren Vortrag und die eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten nicht, z.B. durch einen Vermerk ihres Prozessbevollmächtigten über die erfolgte "Zustellung" der Berufungsbegründung in dessen Handakten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 aaO) oder durch einen entsprechenden Nachweis in dessen Postausgangsbuch (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2002 aaO S. 330 f).
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass das Ber ufungsgericht zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
10
a) Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit der Berufung hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Berufungsführer den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3; vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; jeweils mwN). Die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen an den Gegenbeweis wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt wer- den dürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 2. November 2006 - III ZR 10/06, NJW 2007, 603 Rn. 5; vom 17. Februar 2012 - V ZR 254/10, NJW-RR 2012, 701 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 unter II; vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 10 f.; jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 33/04 Verkündet am:
14. Oktober 2004
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Notwendigkeit der Beweiserhebung über eine Behauptung, ein fristwahrender
Schriftsatz sei entgegen dem auf ihm angebrachten Eingangsstempel in den Nachtbriefkasten
des Gerichts rechtzeitig eingeworfen worden.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt eine Vergütung für Architekten- und Ingenieurleistungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 6. Mai 1999 zugestellt worden. Sein Berufungsschriftsatz trägt das Datum des 7. Juni 1999; er hat den Eingangsstempel der Briefannahmestelle des Oberlandesgerichts vom 8. Juni 1999 erhalten.
Der Kläger hat vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. K., habe den Berufungsschriftsatz am 7. Juni 1999 (Montag) um 21.40 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Das Berufungsgericht hat dienstliche Äußerungen der für die Leerung zuständigen Beamten S. und L. herbeigeführt. Die Berufung des Klägers hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Verfahrensrecht richtet sich nach den Regelungen der Zivilprozeßordnung in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden. Der Eingangsstempel vom 8. Juni 1999 beweise den Eingang der Berufungsschrift an diesem Tage. Der Vortrag des Klägers beschränke sich darauf, die Richtigkeit des gerichtlichen Eingangsstempels zu bestreiten und für die Einlegung der Berufung schon am 7. Juni 1999 Beweis durch Vernehmung seines Prozeßbevollmächtigten anzutreten. Es fehle hingegen ein Vortrag dazu, warum oder wie es zu der behaupteten Fehlstempelung der Berufungsschrift habe kommen können. Daher sei der Beweisantritt nicht in der erforderlichen Weise substantiiert, so daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht als Zeuge zu vernehmen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet eingelegt worden ist. 1. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, daß der Eingangsstempel des Gerichts nach § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis dafür erbringt, daß die Berufung des Klägers am 8. Juni 1999 eingegangen ist. Nach § 418 Abs. 2 ZPO ist indessen der Gegenbeweis zulässig. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufung muß zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden (BGH, Beschluß vom 14. Juli 1987 - III ZB 20/87, BGHR ZPO § 418 Abs. 2 - Eingangsstempel 1). 2. Allein die kaum jemals völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nicht aus. Andererseits dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872, 1873). Dem entspricht es, daß das Berufungsgericht dienstliche Äußerungen der für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten S. und L. eingeholt hat. 3. Das Berufungsgericht hätte indessen den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers gegen die Richtigkeit des Datumsstempels nicht als unsub-
stantiiert erachten dürfen. Es hat an die Darlegungslast des Klägers überzogene Anforderungen gestellt. Dieser ist nur dann nicht genügt, wenn es das Gericht auch bei Zugrundelegung des Vorbringens nicht als schlüssig erachten kann, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der an die Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Die Wahrscheinlichkeit der Darstellung ist eine Frage der Beweiswürdigung, nicht der hinreichenden Substantiierung. 4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigen die Überlegungen des Berufungsgerichts nicht die im Berufungsurteil gezogene Schlußfolgerung , der Kläger habe den rechtzeitigen Eingang seiner Berufung am 7. Juni 1999 nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der Kläger hat vorgetragen , sein Prozeßbevollmächtigter Dr. K. habe den Berufungsschriftsatz persönlich am 7. Juni 1999 um 21.40 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Die fristgerechte Einreichung der Rechtsmittelschrift unter Angabe der Uhrzeit des Einwurfs in den Nachtbriefkasten habe Dr. K. am folgenden Morgen des 8. Juni 1999 in der Handakte vermerkt, die er auszugsweise in Fotokopie vorlege. Das Datum des gerichtlichen Eingangsstempels könne er sich nur dadurch erklären, daß die von ihm eingereichte Berufungsschrift im Nachtbriefkasten steckengeblieben oder bei der Entleerung versehentlich nicht aus dem Nachtbriefkasten entnommen worden sei. Eine weitergehende Konkretisierung seines Vorbringens war von dem Kläger nicht zu verlangen. Die Substantiierungslast findet ihre Grenze in dem subjektiven Wissen der Parteien
und der Zumutbarkeit weiterer Ausführungen. Auf der Grundlage dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht den angebotenen Beweis erheben müssen (§ 286 ZPO). Das wird es nachzuholen haben.
Dressler Haß Wiebel Kniffka Bauner
11
c) Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie des Verfahrens bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Das Berufungsgericht war deshalb verpflichtet, dienstliche Äußerungen der für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten über seine Funktionstüchtigkeit im fraglichen Zeitraum einzuholen (BGH, Urt. v. 30. März 2000 aaO; v. 14. Oktober 2004 aaO; v. 8. Mai 2007 aaO; vgl. auch BGH, Beschl. v.
10
a) Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit der Berufung hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Berufungsführer den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3; vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; jeweils mwN). Die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen an den Gegenbeweis wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt wer- den dürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 2. November 2006 - III ZR 10/06, NJW 2007, 603 Rn. 5; vom 17. Februar 2012 - V ZR 254/10, NJW-RR 2012, 701 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 unter II; vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 10 f.; jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer
26
aa) Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu den bei ihnen gegebenen Härtegründen als wahr unterstellen und es als vollumfänglich zutreffend seiner Entscheidung zugrunde legen wollen, um sodann gleichwohl zu dem Ergebnis zu kommen, dass es ungeachtet der besonderen Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen und Nachteile keinen Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite verdiene. Dabei hat das Berufungsgericht verkannt, dass zu den Voraussetzungen einer zulässigen Wahrunterstellung gehört, dass die Behauptung so übernommen wird, wie die Partei sie aufgestellt hat (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 - VIII ZR 300/15, NZM 2017, 23 Rn. 15 mwN). Dies bedingt bei abwägungsrelevanten Umständen, dass sie grundsätzlich auch mit dem ihnen vom Behauptenden beigelegten Gewicht als wahr unterstellt werden.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 251/99 Verkündet am:
30. März 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des Eingangsstempels
bei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.
BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984 verspätet Widerspruch gegen einen Umlegungsbeschluß eingelegt und es sodann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - rechtzeitig - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des
Oberlandesgerichts enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten entnommen am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999". Nach einem schriftlichen, beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes Eingangsdatum hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 m entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines Prozeßbevollmächtigten und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin C.-K. vorgelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Auskunft des Justizobersekretärs B. habe ergeben, daß dieser am Morgen des 23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem Nachtbriefkasten keinen Fehler gemacht habe. B. habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich an jenem Morgen Post sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auch in demjenigen für die Zeit danach befunden habe. Für die allgemeine Mutmaßung des Klägers, das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste, gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründete Beweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S. habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeugung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfen habe. Der Hinweis (der Buchhalterin C.-K.) auf die in den Kanzleiräumen hängende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers diese Uhr am nächsten Tag wegen leerer Batterien ausgefallen sei. Der Prozeßbevollmächtigte selbst habe es zunächst für möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsamer gelaufen sei. Die Angabe der Frau C.-K., sie habe sich, nachdem sich Frau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in den Kanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geldautomaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man berücksichtige , daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen. Sie und der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätten im übrigen weder mit-
geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwelche Belege vorgelegt.

II.


Diese Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als verfahrensfehlerhaft an.
1. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden ist.

a) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung für deren Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das Berufungs- wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). Der gerichtliche Eingangsstempel ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint, dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu dem darin angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden. Dabei genügt freilich nicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzeitigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen wer-
den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - VII ZB 19/97, NJW 1998, 461).

b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94, VersR 1995, 1467, 1468; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4). Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine Stellungnahme des Justizbeamten eingeholt hat, der offenbar am Morgen des 23. März 1999 für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Abstempelung der darin befindlichen Schriftstücke zuständig war. Indessen reichte es, wie die Revision zu Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, er habe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daß damals in beiden Fächern des Nachtbriefkastens Post gelegen habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es Kenntnis von der allgemeinen Funktionsweise des Nachtbriefkastens hatte; es hätte sich darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellen vorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa insbesondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 aaO S. 461 f). Auch der Frage, wie
die Leerung des Nachtbriefkastens im allgemeinen vor sich zu gehen pflegt und ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hätte nachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revision mit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datumsstempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren, gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache sich darin unterscheiden, daß jeweils der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist. Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom 22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten eingegangene Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. Mai, 21. Mai und 11. Juni 1999 (GA 145, 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nach den Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zuständigen Justizobersekretärs B. versehen sind.

c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Ä ußerungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers und seiner Mitarbeiterinnen abschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Personen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichten Schriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und C.-K. auch beantragt.
2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahme ergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, so käme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-
gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen kein Verschulden an der Fristversäumung treffe (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 aaO S. 1313). Nach der Darstellung des Klägers hat hier jedoch sein Prozeßbevollmächtigter das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem Zeitpunkt , in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persönlich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks in den Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögert worden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Abrede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzusehen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zu spät aus dem Machtbereich des Prozeßbevollmächtigten herausgelangt ist; das wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohne ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten denkbar.

III.


Der Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des Berufungsgerichts von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an
dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 33/04 Verkündet am:
14. Oktober 2004
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Notwendigkeit der Beweiserhebung über eine Behauptung, ein fristwahrender
Schriftsatz sei entgegen dem auf ihm angebrachten Eingangsstempel in den Nachtbriefkasten
des Gerichts rechtzeitig eingeworfen worden.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - VII ZR 33/04 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt eine Vergütung für Architekten- und Ingenieurleistungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 6. Mai 1999 zugestellt worden. Sein Berufungsschriftsatz trägt das Datum des 7. Juni 1999; er hat den Eingangsstempel der Briefannahmestelle des Oberlandesgerichts vom 8. Juni 1999 erhalten.
Der Kläger hat vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. K., habe den Berufungsschriftsatz am 7. Juni 1999 (Montag) um 21.40 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Das Berufungsgericht hat dienstliche Äußerungen der für die Leerung zuständigen Beamten S. und L. herbeigeführt. Die Berufung des Klägers hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Verfahrensrecht richtet sich nach den Regelungen der Zivilprozeßordnung in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden. Der Eingangsstempel vom 8. Juni 1999 beweise den Eingang der Berufungsschrift an diesem Tage. Der Vortrag des Klägers beschränke sich darauf, die Richtigkeit des gerichtlichen Eingangsstempels zu bestreiten und für die Einlegung der Berufung schon am 7. Juni 1999 Beweis durch Vernehmung seines Prozeßbevollmächtigten anzutreten. Es fehle hingegen ein Vortrag dazu, warum oder wie es zu der behaupteten Fehlstempelung der Berufungsschrift habe kommen können. Daher sei der Beweisantritt nicht in der erforderlichen Weise substantiiert, so daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht als Zeuge zu vernehmen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Berufung verspätet eingelegt worden ist. 1. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, daß der Eingangsstempel des Gerichts nach § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis dafür erbringt, daß die Berufung des Klägers am 8. Juni 1999 eingegangen ist. Nach § 418 Abs. 2 ZPO ist indessen der Gegenbeweis zulässig. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufung muß zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden (BGH, Beschluß vom 14. Juli 1987 - III ZB 20/87, BGHR ZPO § 418 Abs. 2 - Eingangsstempel 1). 2. Allein die kaum jemals völlig auszuschließende Möglichkeit, daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des Gegenbeweises nicht aus. Andererseits dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872, 1873). Dem entspricht es, daß das Berufungsgericht dienstliche Äußerungen der für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten S. und L. eingeholt hat. 3. Das Berufungsgericht hätte indessen den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers gegen die Richtigkeit des Datumsstempels nicht als unsub-
stantiiert erachten dürfen. Es hat an die Darlegungslast des Klägers überzogene Anforderungen gestellt. Dieser ist nur dann nicht genügt, wenn es das Gericht auch bei Zugrundelegung des Vorbringens nicht als schlüssig erachten kann, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der an die Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Die Wahrscheinlichkeit der Darstellung ist eine Frage der Beweiswürdigung, nicht der hinreichenden Substantiierung. 4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigen die Überlegungen des Berufungsgerichts nicht die im Berufungsurteil gezogene Schlußfolgerung , der Kläger habe den rechtzeitigen Eingang seiner Berufung am 7. Juni 1999 nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der Kläger hat vorgetragen , sein Prozeßbevollmächtigter Dr. K. habe den Berufungsschriftsatz persönlich am 7. Juni 1999 um 21.40 Uhr in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Die fristgerechte Einreichung der Rechtsmittelschrift unter Angabe der Uhrzeit des Einwurfs in den Nachtbriefkasten habe Dr. K. am folgenden Morgen des 8. Juni 1999 in der Handakte vermerkt, die er auszugsweise in Fotokopie vorlege. Das Datum des gerichtlichen Eingangsstempels könne er sich nur dadurch erklären, daß die von ihm eingereichte Berufungsschrift im Nachtbriefkasten steckengeblieben oder bei der Entleerung versehentlich nicht aus dem Nachtbriefkasten entnommen worden sei. Eine weitergehende Konkretisierung seines Vorbringens war von dem Kläger nicht zu verlangen. Die Substantiierungslast findet ihre Grenze in dem subjektiven Wissen der Parteien
und der Zumutbarkeit weiterer Ausführungen. Auf der Grundlage dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht den angebotenen Beweis erheben müssen (§ 286 ZPO). Das wird es nachzuholen haben.
Dressler Haß Wiebel Kniffka Bauner
11
Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben; es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei der erforderlichen erneuten Würdigung, ob die Beklagten den Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO erbracht haben, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass ein Fehler im Verantwortungsbereich des Gerichts nicht mit Sicherheit auszuschließen ist.
3
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Es kann dahingestellt bleiben , ob das Berufungsgericht ohne weitere Sachaufklärung annehmen durfte, der Beklagte habe die Berufungsfrist nicht gewahrt. Denn dem Beklagten ist jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er glaub- haft gemacht hat, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten (§§ 233, 236 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs muss der Rechtsanwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze für eine wirksame Ausgangskontrolle sorgen. Hierzu gehört bei einer Übermittlung per Telefax die Anordnung, dass die Frist erst dann gelöscht werden darf, wenn sich der Absender anhand des ausgedruckten Sendeberichts von der erfolgreichen Übermittlung des Schriftsatzes überzeugt hat (BGH, Beschluss vom 17. November 1992 – X ZB 20/92, NJW 1993, 732, unter II 1; Beschluss vom 24. März 1993 – XII ZB 12/93, NJW 1993, 1655, unter II 2 b). Dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten diesen Anforderungen gerecht geworden ist, ist durch die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten und den vorlegten Sendebericht belegt.
10
a) Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit der Berufung hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Berufungsführer den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3; vom 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; jeweils mwN). Die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er erfordert mehr als bloße Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen an den Gegenbeweis wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt wer- den dürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 2. November 2006 - III ZR 10/06, NJW 2007, 603 Rn. 5; vom 17. Februar 2012 - V ZR 254/10, NJW-RR 2012, 701 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 15. September 2005 - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 unter II; vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 10 f.; jeweils mwN).
15
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) kein vollständiger, vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichneter Schriftsatz beim Gericht eingegangen. Jedoch hat das Berufungsgericht, das die Einhaltung der Begründungsfrist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen hat, seine Ermittlungen allein darauf beschränkt, ob ein ausweislich des Empfangsprotokolls des Telefaxgeräts des Berufungsgerichts am 20. Juli 2015 ab 16.41 Uhr eingegangener 20-seitiger Schriftsatz ausgedruckt wurde und zu den Akten oder in den Geschäftsgang gelangt ist. Dagegen hat es sich nicht mit der Frage befasst, ob eingegangene Daten im Empfangsgerät gespeichert worden und noch abrufbar vorhanden gewesen sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, VersR 2002, 1045 unter II 1; vgl. ferner Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 112/10, juris Rn. 5). Letztlich kann die Frage, ob das Berufungsgericht alle naheliegenden Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft hat, dahin stehen. Denn die Rechtsbeschwerde nimmt die getroffenen Feststellungen hin und der Beklagten ist gegen die festgestellte Versäumung der Berufungsbegründungsfrist jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.