Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2016 - X ZR 124/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:270916UXZR124.15.0
bei uns veröffentlicht am27.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 124/15 Verkündet am:
27. September 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Rezeptortyrosinkinase II
EPÜ Art. 52 Abs. 1 Buchst. d; PatG § 1 Abs. 3 Nr. 4, § 9 Satz 2 Nr. 3

a) Eine Datenfolge kommt nur dann als durch ein patentgeschütztes Verfahren
unmittelbar hergestelltes Erzeugnis in Betracht, wenn sie sachlich-technische
Eigenschaften aufweist, die ihr durch das Verfahren aufgeprägt worden sind,
und sie daher ihrer Art nach tauglicher Gegenstand eines Sachpatents sein
kann (im Anschluss an BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 33/10,
BGHZ 194, 272 - MPEG-2-Videosignalcodierung).

b) Die Darstellung eines mittels eines patentgeschützten Verfahrens gewonnenen
Untersuchungsbefunds und hieraus gewonnener Erkenntnisse stellt als
Wiedergabe von Informationen kein Erzeugnis dar, das Schutz nach § 9
Satz 2 Nr. 3 PatG genießen kann.
BGH, Urteil vom 27. September 2016 - X ZR 124/15 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2016:270916UXZR124.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Hoffmann sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Oktober 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, die ein Diagnoselabor betreibt, macht Ansprüche wegen Verletzung des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 959 132 (Klagepatents) geltend. Sie ist eine Tochtergesellschaft der I. Inc., die Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem Klagepatent ist und die Klägerin zur gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ermächtigt und ihr ihre Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz abgetreten hat.
2
Das Klagepatent, dessen Inhaberin die T. Inc. ist, ist am 13. Oktober 1997 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 18. Oktober 1996 international angemeldet worden und betrifft unter anderem eine Nukleinsäure, die für eine Rezeptorproteinkinase codiert, sowie ein Verfahren zum Nachweis der beanspruchten Nukleinsäure.
3
Das Bundespatentgericht erklärte das Klagepatent auf eine von der Beklagten zu 1 erhobene Nichtigkeitsklage mit Urteil vom 9. Juli 2013 (3 Ni 37/11 (EP), juris) unter anderem im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 für nichtig und gab Patentanspruch 7 als neue Ansprüche 1 und 2 folgende Fassung: "1. Verfahren zum Nachweis eines Nukleinsäuremoleküls einer Tandemverdopplungsmutante , das humane FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nukleinsäuremolekül eine Nukleotidsequenz hat entsprechend einer Tandemverdopplungsmutation in der Nukleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nukleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nukleinsäurefragment , das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nukleinsäurefragment aus Schritt (a). 2. Verfahren zum Nachweis eines Nukleinsäuremoleküls mit einer Nukleinsäuresequenz entsprechend einer Tandemverdopplungsmutation in der Nukleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von humanem FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nukleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nukleinsäurefragment , das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nukleinsäurefragment aus Schritt (a)."
4
Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts legten beide Parteien Berufung ein. Mit Urteil vom 19. Januar 2016 (X ZR 141/13, GRUR 2016, 475 - Rezeptortyrosinkinase) änderte der Senat das Urteil des Bundespatentgerichts auf die Berufung der Nichtigkeitsbeklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Nichtigkeitsklägerin ab. Die Patentansprüche 1, 2 und 7 haben nunmehr folgende Fassung (Änderungen der Patentansprüche 1 und 2 gegenüber der erteilten Fassung und Änderungen von Patentanspruch 7 gegenüber der Fassung nach dem Urteil des Bundespatentgerichts sind hervorgehoben ): "1. Nukleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das FMSartige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nukleinsäuremolekül eine Nukleotidsequenz hat entsprechend: (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nukleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters. 2. Nukleinsäuremolekül mit einer Nukleinsäuresequenz entsprechend: (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nukleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters. 7. Verfahren zum Nachweis des Nukleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nukleinsäuremoleküls nach Anspruch 2, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nukleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nukleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase-3-(FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nukleinsäurefragment aus Schritt (a)."
5
Die Beklagten zu 1 und 3, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 4, 5, 6 und 7 sind, bieten verschiedene gentechnische Untersuchungen an, zu denen unter anderem auch eine Untersuchung des FLT3-Gens gehört. Die Beklagte zu 3 bearbeitet die eingehenden Proben in der Weise, dass die Zellen aufbereitet und sämtliche in den Proben enthaltene Nukleinsäuren extrahiert werden. Die derart aufbereiteten Nukleinsäuren werden an die in der Tschechischen Republik ansässige Beklagte zu 2 weitergeleitet, deren Geschäftsführer ebenfalls die Beklagten zu 4, 5, 6 und 7 sind. Dort werden die Nukleinsäuren mit Unterstützung durch Mitarbeiter der Beklagten zu 1 und 3 auf eine Längenmutation in einem Abschnitt im FLT3-Gen (FLT3-LM) untersucht und die Mutationslast bestimmt. Nach Abschluss der Untersuchung schickt die Beklagte zu 2 Kopien des Testberichts direkt an den Auftraggeber, der den Untersuchungsauftrag erteilt und die entsprechende Probe eingesandt hat, sowie an die Beklagten zu 1 und 3.
6
Das Landgericht hat die auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage, die die Klägerin auf die Patentansprüche 1 und 2 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 9. Juli 2013 gestützt hat, abgewiesen (LG München I, GRUR-RR 2015, 93). Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge insofern weiter, als sie auf § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG gestützt sind. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Revision ist unbegründet.
8
I. Das Klagepatent betrifft, wie im Senatsurteil vom 19. Januar 2016 (GRUR 2016, 475 Rn. 8 ff. - Rezeptortyrosinkinase) erläutert, das technische Problem, eine für das FLT3-Gen codierende Nukleinsäure, die aufgrund genetischer Veränderungen als Marker bei der Diagnose leukämischer Erkrankungen verwendet werden kann, sowie ein Verfahren zum Nachweis dieser Nukleinsäure zur Verfügung zu stellen.
9
Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent in der Fassung jenes Urteils in den Patentansprüchen 1 und 2 jeweils ein entsprechendes Nukleinsäuremolekül vor und in Anspruch 7 ein Verfahren zum Nachweis eines der mit den Ansprüchen 1 und 2 beanspruchten Nukleinsäuremoleküle, dessen Merkmale und Schritte der Senat wie folgt gegliedert hat: 7.1 Das Verfahren dient zum Nachweis 7.1.1 des Nukleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder 7.1.2 des Nukleinsäuremoleküls nach Anspruch 2. 7.2 Das Verfahren umfasst die Schritte: 7.2.a Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nukleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nukleinsäurefragment amplifiziert wird, das 7.2.a.1 im FLT3-Gen gefunden werden kann, 7.2.a.2 Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMSartigen Tyrosinkinase-3-(FLT3)-Gens umfasst und 7.2.a.3 eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat. 7.2.b Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nukleinsäurefragment aus Schritt (a).
10
Danach wird zunächst ein Nukleinsäurefragment einer Nukleinsäureprobe von einem Menschen amplifiziert. In einem zweiten Schritt wird die Anwe- senheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nukleinsäurefragment nachgewiesen , wobei Patentanspruch 7 nicht festlegt, wie dieser Nachweis zu führen ist. Es bleibt vielmehr dem Fachmann überlassen, wie er diesen Nachweis ausgestaltet. Das Klagepatent erläutert jedoch, dass auf das Vorhandensein der als Leukämieindikator verwendeten Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz von FLT3 geschlossen werden kann, wenn die Verlängerung des Fragments festgestellt wird, die sich aus der Insertion der mit der Mutation korrespondierenden verdoppelten Nukleotidsequenz ergibt (BGH, GRUR 2016, 475 Rn. 29 ff. - Rezeptortyrosinkinase).
11
II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
12
Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Beklagten nach den Grundsätzen des derivativen Erzeugnisschutzes gemäß § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG seien nicht gegeben. Die Beklagte zu 2 mache zwar vom Gegenstand von Patentanspruch 7 wortsinngemäß Gebrauch. Allerdings handle es sich bei dem in Patentanspruch 7 offenbarten, von der Beklagten zu 2 durchgeführten Nachweisverfahren nicht um ein vom Anwendungsbereich des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG erfasstes Verfahren. Es werde weder ein Erzeugnis geschaffen, noch ein solches in seiner Beschaffenheit verändert. Die von den Beklagten zu 1 und 3 im Inland aufbereitete Probe, die "Ausgangsprodukt" der DNA-Analyse sei, werde durch das Verfahren nicht verändert. Weder die Fixierung des für das Dia- gnoseverfahren spezifischen Genabschnitts durch die anspruchsgemäßenPrimer noch die sich an diese Markierung anschließende Genamplifikationführe zu einer Veränderung des Nukleinsäuremoleküls als solchem. Auch der Umstand , dass der markierte Teilabschnitt als solcher in der Natur nicht vorkomme, rechtfertige nicht die Annahme, dieser werde im Sinne eines Herstellungsver- fahrens erzeugt. Bei dem Nachweisverfahren handle es sich daher um ein im Wege eines Arbeitsverfahrens durchführbares Messverfahren.
13
Unabhängig hiervon handle es sich bei dem Ergebnis des patentgemäßen Verfahrens auch nicht um ein Erzeugnis im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Zwar müssten Erzeugnisse nicht unbedingt körperlicher Natur sein. Es sei aber erforderlich, dass die Verfahrensergebnisse beliebig oft bestimmungsgemäß genutzt werden könnten. Daran fehle es beim Ergebnis des patentgemäßen Verfahrens, das in der Information bestehe, ob in dem untersuchten amplifizierten Nukleinsäuremolekül eine Tandemverdopplungsmutation vorhanden sei oder nicht. Die Möglichkeit, dass die durch das erfindungsgemäße Verfahren erlangte Information mehrfach genutzt werden könne, so etwa bei der Behandlung eines Patienten oder in der Pharmaforschung, rechtfertige es nicht, die Information nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 33/10, BGHZ 194, 272 - MPEG-2Videosignalcodierung ) als unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG anzusehen. Die Wiedergabe von Informationen sei nach dem Gesetz vom Patentschutz ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss vom Patentschutz dürfe nicht über die Ausdehnung des Schutzes als unmittelbares Verfahrenserzeugnisses umgangen werden.
14
Schließlich sei es auch nicht geboten, § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus im Wege der Analogie auf die nach dem patentgemäßen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse anzuwenden, weil - wie die Klägerin meine - den Belangen junger und sensibler Technologien wie der Biotechnologie durch eine entsprechende Ausdehnung des Patentschutzes Rechnung zu tragen sei. Es fehle bereits an einer Regelungslücke. Die Regelung in § 9a Abs. 3 PatG zeige, dass der Gesetzgeber ein Bedürfnis für einen derivativen Erzeugnisschutz über den Anwendungsbereich des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG hinaus gesehen habe. Da es sich hierbei um eine Ausnahmeregelung handle, komme eine weitere Ausdehnung des derivativen Erzeugnisschutzes auf andere Technologiebereiche im Wege der Analogie nicht in Betracht.
15
III. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
16
Das Berufungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG nicht zustehen. Die Beklagten haben mit den in den Klageanträgen bezeichneten, in der Tschechischen Republik gewonnenen Untersuchungsergebnissen kein vom Verbietungsrecht des Patentinhabers aus § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG erfasstes unmittelbares Verfahrenserzeugnis zum Zwecke des Inverkehrbringens oder Gebrauchens eingeführt. Dass die Verfahrensansprüche 1 und 2, wie sie dem Berufungsurteil zugrunde lagen, durch das Senatsurteil vom 19. Januar 2016 gegenüber dem patentgerichtlichen Urteil wieder eine weitere Fassung erhalten haben, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Weiterung in dem nunmehr das erfindungsgemäße Verfahren betreffenden Patentanspruch 7 bezieht sich ausschließlich auf die Charakterisierung der Nukleinsäuresequenz der mit dem Verfahren nachzuweisenden Nukleinsäuremoleküle, ändert jedoch weder etwas an der Art der erfindungsgemäß durchzuführenden Verfahrensschritte noch am Charakter der Verfahrensergebnisse. Sie bestehen in einem biochemischen Befund, dessen Erhebung eine Erkenntnis erlaubt, deren Wiedergabe in den nach Deutschland gesandten Untersuchungsberichten die Voraussetzungen des derivativen Erzeugnisschutzes nicht erfüllt.
17
1. Nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG sind Erzeugnisse, die unmittelbar durch ein patentiertes Verfahren hergestellt sind, so geschützt, als ob sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt wären. Dementsprechend greift der Schutz nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG nur ein, wenn das geschützte und angewendete Verfahren entweder ein Erzeugnis hervorbringt oder zu einer Veränderung der äußerlichen oder inneren Beschaffenheit eines Erzeugnisses führt und damit ein Ergebnis erzielt wird, das seinerseits prinzipiell taugliches Objekt eines Sachpatents sein könnte. Unerheblich ist lediglich, ob der Gegenstand eines solchen Sachpatents selbst patentfähig ist, insbesondere die Sachmerkmale den Anforderungen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit genügen. Nicht in den Anwendungsbereich von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG fallen daher Ergebnisse reiner Arbeitsverfahren, bei denen keine neue Sache geschaffen wird, sondern lediglich auf eine Sache eingewirkt wird, ohne Veränderungen an ihr vorzunehmen , so wenn die Sache beispielsweise untersucht, gemessen oder befördert wird (Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 9 Rn. 53 f.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 9 Rn. 102; Schulte/Rinken/Kühnen, PatG, 9. Aufl., § 9 Rn. 86 f.; Mes, PatG, 4. Aufl., § 9 Rn. 65; ders., GRUR 2009, 305, 307; OLG Düsseldorf, InstGE 12, 258 Rn. 7).
18
2. Danach handelt es sich bei den von der Beklagten zu 2 in der Tschechischen Republik gewonnenen und an die Auftraggeber sowie die Beklagten zu 1 und 3 übermittelten Untersuchungsberichten oder deren Inhalten nicht um Erzeugnisse im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG.
19
a) Das Verfahren nach Patentanspruch 7 dient dazu, eine Tandemverdopplungsmutation , die nach der technischen Lehre des Klagepatents als Indikator für eine Leukämieerkrankung dient, in einem Nukleinsäuremolekül nach Patentanspruch 1 oder Patentanspruch 2 nachzuweisen, wobei erfindungsgemäß der Nachweis einer Längenmutation ausreicht. Ergebnis des Verfahrens ist mithin ein biochemischer Befund, dessen Erhebung dem Fachkundigen Informationen vermittelt, die ihm die Erkenntnis des Fehlens oder Vorhandenseins einer bestimmten Mutation, nämlich der als Leukämieindikator dienenden Tandemverdopplungsmutation, gestatten. Nur diese Erkenntnis sowie gegebenenfalls die oder ein Teil der sie tragenden Informationen werden mit den als patentverletzend angegriffenen Handlungen nach Deutschland übermittelt. Sie stellen im Hinblick darauf, dass die Wiedergabe von Informationen nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. d EPÜ und § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist, keinen Gegenstand dar, auf den ein Sachpatent gerichtet werden könnte.
20
b) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine mittels eines geschützten Verfahrens gewonnene (Video-)Datenfolge als unmittelbares Verfahrenserzeugnis anzusehen sein kann, auch wenn sie nicht als ein körperlicher Gegenstand zu qualifizieren ist, sondern ein solcher erst durch ihre Verbindung mit einem Datenträger entsteht (BGHZ 194, 272, Rn. 21 f. - MPEG-2-Videosignalcodierung).
21
aa) Voraussetzung für einen solchen Schutz von Daten als Verfahrenserzeugnis ist zum einen, dass das Ergebnis des patentierten Verfahrens in einer üblichen Form wahrnehmbar gemacht und auf diese Weise wie ein körperlicher Gegenstand beliebig oft bestimmungsgemäß genutzt werden kann (BGHZ 194, 272, Rn. 23 - MPEG-2-Videosignalcodierung). Zum anderen muss auch in diesem Fall die das Verfahrensergebnis verkörpernde Datenfolge ihrer Art nach als tauglicher Gegenstand eines Sachpatents in Betracht kommen. Dies ist indessen nur dann der Fall, wenn sie sachlich-technische Eigenschaften aufweist, die ihr durch das Verfahren aufgeprägt worden sind. So verhielt es sich bei den Videodaten, die erfindungsgemäß zur Datenkompression in bestimmter Weise codiert waren (BGHZ 194, 272, Rn. 20 - MPEG-2-Videosignalcodierung ) und nicht wegen der codierten (Video-)Information, sondern wegen dieser Datenstruktur, mithin wegen eines technischen Merkmals, grundsätzlich auch einem Sachschutz zugänglich waren (vgl. Arnold, FS 80 Jahre Patentge- richtsbarkeit in Düsseldorf, S. 15, 20: Art der "Verpackung" des Informationsgehalts

).

22
Diese Differenzierung gewährleistet zum einen, dass der gesetzliche Ausschlusstatbestand nicht unterlaufen wird, nach dem die Wiedergabe von Informationen dem Patentschutz nicht zugänglich ist. Sie stellt zum anderen sicher, dass von dem patentrechtlichen Schutz nur die Nutzung von Erfindungen , mithin von Lehren zum technischen Handeln, erfasst wird. Hierzu gehört die ausschließliche Zuordnung der Anwendung von technischen Verfahren zum Berechtigten ebenso wie die ausschließliche Zuordnung der Herstellung oder des Vertriebs von Erzeugnissen, deren technische Bereitstellung entweder als solche (in einem Sachpatent) unter Schutz steht oder aber sich als unmittelbares Ergebnis eines geschützten Verfahrens darstellt. Hingegen liegen Handlungen , die keine technische Lehre nutzen, sondern lediglich Vorteile aus solchen Handlungen ziehen, als solche außerhalb des patentrechtlichen Schutzes. Sie können lediglich als Folge eines patentverletzenden Handelns gegebenenfalls mit einem Schadensersatzanspruch erfasst werden.
23
Dementsprechend hat bereits das Reichsgericht vor der gesetzlichen Verankerung des derivativen Erzeugnisschutzes seine Anerkennung für den durch ein Verfahren zur Herstellung eines Stoffes auf chemischem Wege "dargestellten" Stoff damit begründet, dass der mittels des Verfahrens erzeugte Stoff nicht außerhalb des Gegenstands der Erfindung liege, sondern den das Verfahren patentrechtlich charakterisierenden Abschluss bilde; das Verfahren begreife daher den mittels desselben hergestellten Stoff als zum Gegenstand der Erfindung gehörig in sich (RG, Urteil vom 14. März 1888 - I 389/87, RGZ 22, 8, 17 - Methylenblau). Es verfängt daher auch nicht der an sich zutreffende Hinweis der Revision, dass der derivative Sachschutz gerade für als solche seinerzeit dem Sachschutz (Stoffschutz) nicht zugängliche Erzeugnisse begründet worden sei. Denn ungeachtet dessen ist der derivative Sachschutz für das technische Ergebnis eines dieses Ergebnis notwendig umfassenden technischen Verfahrens gewährt worden (s. dazu auch Verhauwen, FS 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit in Düsseldorf, S. 543, 544, 552).
24
bb) Die im Streitfall übermittelte Datenfolge erfüllt die dargestellten Voraussetzungen nicht. Sie zeichnet sich nicht durch eine besondere (technische) Art der Darstellung aus und weist auch sonst keine sachlich-technischen Eigenschaften auf, die ihr durch das erfindungsgemäße Verfahren aufgeprägt worden wären, sondern ist lediglich dadurch gekennzeichnet, dass die von den Daten verkörperte Information die erfindungsgemäß gewonnene Erkenntnis enthält. Die Übermittlung der Datenfolge zieht damit zwar einen Vorteil aus der (außerhalb des Geltungsbereiches des Patentgesetzes stattfindenden) Nutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens, stellt jedoch selbst keine Nutzung der technischen Lehre der Erfindung dar. Vielmehr kommt es bei der Übersendung der Untersuchungsergebnisse ausschließlich auf den einem Patentschutz nicht zugänglichen Informationsgehalt an, dessen Wert sich überdies regelmäßig in der einmaligen Übermittlung für die Zwecke einer ärztlichen Diagnose erschöpft.
25
c) Schließlich führt auch der Umstand, dass nach der in Merkmal 7.2.a vorgesehenen Genamplifikationsreaktion ein Nukleinsäurefragment amplifiziert und damit ein Fragment gewonnen wird, das als solches nicht in der Natur vorkommt , zu keiner anderen Beurteilung. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Beklagten nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG wären auch dann nicht gegeben, wenn man das amplifizierte Fragment der untersuchten Probe als ein Erzeugnis des erfindungsgemäßen Verfahrens ansähe. Denn im Streitfall wird die entsprechend bearbeitete, das betreffende Fragment enthaltende Probe gerade nicht ins Inland verbracht.
26
3. Ob, wie die Klägerin meint, ein rechtspolitisches Bedürfnis nach einem patentrechtlichen Schutz von Ergebnissen insbesondere gentechnischer Analyse- und In-vitro-Diagnoseverfahren besteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die bestehende gesetzliche Regelung bietet jedenfalls für eine über § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG hinausgehende richterrechtliche Schutzerstreckung keine Handhabe. Überdies erscheint fraglich, ob eine solche Ausdehnung des Patentschutzes auf mittels technischer Analyseverfahren gewonnene Erkenntnisse nicht notwendig über ein Ausschließlichkeitsrecht an technischen Lehren hinausginge.
27
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Hoffmann
Schuster Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.11.2014 - 7 O 13161/14 -
OLG München, Entscheidung vom 22.10.2015 - 6 U 4891/14 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2016 - X ZR 124/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2016 - X ZR 124/15

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Patentgesetz - PatG | § 1


(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. (2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt,

Patentgesetz - PatG | § 9a


(1) Betrifft das Patent biologisches Material, das auf Grund einer Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist, so erstrecken sich die Wirkungen von § 9 auf jedes biologische Material, das aus diesem biologischen Material durch generative
Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2016 - X ZR 124/15 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Patentgesetz - PatG | § 1


(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. (2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt,

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(1) Betrifft das Patent biologisches Material, das auf Grund einer Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist, so erstrecken sich die Wirkungen von § 9 auf jedes biologische Material, das aus diesem biologischen Material durch generative

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Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2016 - X ZR 124/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2016 - X ZR 124/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Aug. 2012 - X ZR 33/10

bei uns veröffentlicht am 21.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 33/10 Verkündet am: 21. August 2012 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Jan. 2016 - X ZR 141/13

bei uns veröffentlicht am 19.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 141/13 Verkündet am: 19. Januar 2016 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

(2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt, wenn sie ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder wenn sie ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt oder bearbeitet wird oder bei dem es verwendet wird, zum Gegenstand haben. Biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war.

(3) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:

1.
Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;
2.
ästhetische Formschöpfungen;
3.
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
4.
die Wiedergabe von Informationen.

(4) Absatz 3 steht der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen, als für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 141/13 Verkündet am:
19. Januar 2016
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Rezeptortyrosinkinase
EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3; PatG § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, § 1a
Abs. 1, 2
Eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur
Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, ist dem Patentschutz unabhängig
davon zugänglich, ob die Lehre über die zweckgerichtete Nutzung des aufgedeckten
naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen "erfinderischen Überschuss"
enthält. Dies gilt auch für die Bereitstellung einer für ein Humanprotein
codierenden Nukleinsäuresequenz. Einer Kennzeichnung der Sequenz als isoliert
oder durch ein technisches Verfahren gewonnen im Patentanspruch bedarf
es dabei nicht.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 - X ZR 141/13 - Bundespatentgericht
ECLI:DE:BGH:2016:190116UXZR141.13.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Parteien wird das am 9. Juli 2013 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Das europäische Patent 959 132 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als es über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht: "1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nucleinsäuremolekül eine Nucleotidsequenz hat entsprechend: (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters. 2. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz entsprechend : (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters. 3. [entfällt] 4. Polypeptid, das von dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 codiert wird. 5. Zelle, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert.
6. Antikörper, der spezifisch ist für das Polypeptid nach Anspruch

4.

7. Verfahren zum Nachweis des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase-3-(FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a). 8. Verfahren nach Anspruch 7, wobei Schritt (b) ausgeführt wird durch Vergleichen des amplifizierten Nucleinsäurefragments, erhalten in Schritt (a), mit einer Sequenz, die von einer normalen FLT3 abgeleitet ist, wobei auf diese Weise die Anwesenheit einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran nachgewiesen wird. 9. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, wobei in Schritt (b) eine Längenmutation als Indikator für die Tandemverdopplungsmutation verwendet wird. 10. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 9, wobei die GenAmplifikationsreaktion in Schritt (a) mit einem Primerpaar ausgeführt wird, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: SEQ lD NOs: 26 und 27, SEQ lD NOs: 30 und 31 und SEQ lD NOs: 32 und 33. 11. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 10, wobei die Tandemverdopplungsmutation nicht in einem Gen einer normalen Testperson gefunden wird. 12. [entfällt] 13. Kit für ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 7 bis 11, wobei der Kit Primer für die Amplifikation einer Region umfasst, die Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens umfasst, wobei diese Primer ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus: SEQ ID NOs: 26 und 27, SEQ ID NOs: 30 und 31 und SEQ ID NOs: 32 und 33. 14. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die ein Nucleinsäuremolekül exprimiert, das ein Tandemverdopplungsmutations -FLT3-Polypeptid codiert, und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen, wobei dieses Nucleinsäuremolekül eine Tandemverdopplungsmutation in einer
Juxtamembran-Nucleotidsequenz ohne Verschiebung des Leserasters hat. 15. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert , und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen. 16. Verwendung des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2 für die Herstellung eines Arzneimittels zur Regulation der Proliferation, der Immunantwort oder der Signalinformationsübertragung einer Blutzelle oder einer blutbildenden Stammzelle. 17. Arzneimittel umfassend das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 und/oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 und/oder das Polypeptid nach Anspruch 4 und/oder den Antikörper nach Anspruch 6 und, gegebenenfalls, einen pharmazeutisch verträglichen Träger und/oder Verdünnungsmittel. 18. Kit zum Nachweis des Polypeptids nach Anspruch 4, wobei der Kit den Antikörper nach Anspruch 6 umfasst."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits fallen drei Viertel der Klägerin und ein Viertel der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 959 132 (Streitpatents), das am 13. Oktober 1997 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 18. Oktober 1996 international angemeldet worden ist und eine Nucleinsäure betrifft, die für eine Rezeptorproteinkinase codiert. Das Streitpatent hat ferner ein Polypeptid, eine Zelle, einen Antikörper, Kits und Arzneimittel, die Verwendung von blutbildenden Stammzellen und von Nucleinsäuremolekülen sowie Verfahren zum Nachweis der beanspruchten Nucleinsäure zum Gegenstand. Es umfasst 20 Patentansprüche, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1 bis 7, 12, 14 und 16 bis 20 in der Verfahrenssprache wie folgt lauten: "1. A nucleic acid molecule of a tandem duplication mutant encoding FMS-like tyrosine kinase 3 (FLT3), wherein said nucleic acid molecule has a nucleotide sequence corresponding to: (a) a tandem duplication mutation in the amino acid sequence of juxtamembrane of FLT3, or (b) a tandem duplication mutation in the nucleotide sequence of a region comprising exon 11 or exons 11 to 12 of FLT3. 2. A nucleic acid molecule having a nucleotide sequence corresponding to: (a) a tandem duplication mutation in the amino acid sequence of juxtamembrane of FLT3, or (b) a tandem duplication mutation in the nucleotide sequence of a region comprising exon 11 or exons 11 to 12 of FLT3. 3. A nucleic acid molecule capable of specifically hybridizing under stringent conditions to a nucleic acid molecule corresponding to: (a) a tandem duplication mutation in the amino acid sequence of juxtamembrane of FLT3, or (b) a tandem duplication mutation in the nucleotide sequence of a region comprising exon 11 or exons 11 to 12 of FLT3 in the nucleic acid of claim 1. 4. A polypeptide encoded by the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2. 5. A cell expressing the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2, or the polypeptide of claim 4. 6. An antibody which is specific for the polypeptide of claim 4. 7. A method for detecting the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2, comprising the steps of: (a) subjecting a nucleic acid sample from a human to a gene amplification reaction, wherein a nucleic acid fragment comprising exon 11 or exons 11 to 12 of the FMS-like tyrosine kinase 3 (FLT3) gene and having a tandem duplication mutation in the juxtamembrane is amplified, which can be found in FLT3 gene; (b) detecting the presence of the tandem duplication mutation in the nucleic acid fragment of step (a). 12. A kit for the method of any one of claims 7 to 11, wherein said kit comprises primers for amplifying a region comprising exon 11 or exons 11 to 12 of the FLT3 gene. 14. Use of a hematopoietic stem cell expressing a nucleic acid molecule encoding a tandem duplication mutant polypeptide and a cell expressing the normal FLT3 for screening a drug for examination and treatment of a blood cell disease or a hematopoietic stem cell disease. 16. Use of a hematopoietic stem cell expressing the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2, or the polypeptide of claim 4 and a cell expressing the normal FLT3 for screening a drug for examination and treatment of a blood cell disease or a hematopoietic stem cell disease. 17. Use of the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2 for the preparation of a drug for regulating proliferation, immune response or signal information transmission of a blood cell or a hematopoietic stem cell. 18. Use of the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2, or polypeptide of claim 4, for the preparation of material used for pathologic judgment of myelodysplastic syndrome (MDS) or leukemia. 19. A pharmaceutical composition comprising the nucleic acid molecule of claim 1, and/or the of claim 12 and, optionally, a pharmaceutically acceptable nucleic acid molecule of claim 2, and/or the nucleic acid molecule of claim 3, and/or the polypeptide of claim 4, and/or the antibody carrier and/or diluent. 20. A kit for detection of the polypeptide of claim 4, wherein the kit comprises the antibody of claim 6." Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprü2 che 1 bis 11 sei von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Die Patentansprüche 1 bis 6 hätten nicht patentierbare Entdeckungen zum Gegenstand, die von der Patentierbarkeit ausgeschlossene Teile des menschlichen Körpers beträfen. Mit den Patentansprüchen 7 bis 11 werde ein nicht patentierbares Diagnostizierverfahren am menschlichen Körper beansprucht. Ferner seien die Gegenstände des Streitpatents nicht patentfähig und gingen über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Schließlich sei der Gegenstand von Patentanspruch 7 in Bezug auf den Nachweis der Tandemverdopplungsmutation nicht ausführbar offenbart.
3
Die Beklagte hat das Streitpatent im Hauptantrag und in drei Hilfsanträgen in gegenüber der erteilten Fassung abgeänderten Fassungen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt , dass es seinen Patentansprüchen in deutscher Sprache eine Fassung gegeben hat, die der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag III verteidigten Fassung der Patentansprüche 7 bis 15 entspricht.
5
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent mit dem Hauptantrag zuletzt in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung verteidigt, die sich von der vor dem Patentgericht verteidigten Fassung durch den Wegfall der Ansprüche 3 und 12, Änderungen in den Ansprüchen 1, 2, 13 und 14 sowie eine aufgrund des Wegfalls von Anspruch 3 erforderliche Anpassung in Anspruch 17 unterscheidet. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit fünf weiteren geänderten Fassungen.
6
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen und verfolgt mit ihrer Berufung den erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufung der Klägerin hingegen unbegründet.
8
I. Das Streitpatent betrifft ein für eine Rezeptorproteinkinase, nämlich die FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3), codierendes Nucleinsäuremolekül und ein Verfahren zu dessen Nachweis.
9
1. Wie die Beschreibung des Streitpatents erläutert, werden die Proliferation und die Differenzierung von Zellen sowie die Reaktionen von Zellen auf unterschiedliche Reize durch Wachstumsfaktoren gesteuert, die über für sie spezifische Rezeptoren wirken. Rezeptoren, die eine Tyrosinkinase-Domäne enthalten, werden als Rezeptortyrosinkinasen (RTK) bezeichnet (Beschr. Abs. 2). Sie umfassen jeweils eine extrazelluläre Region, eine TransmembranRegion sowie eine intrazelluläre Region, die eine Tyrosinkinasedomäne und eine Juxtamembran zwischen der Transmembran-Region und der Tyrosinkinasedomäne enthält, und werden aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften und ihrer Aminosäuresequenz-Homologie in vier Typen unterteilt (Beschr. Abs. 3). Die FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3), die von leukämischen Zellen exprimiert wird, ist als Rezeptor des Typs III bekannt (Beschr. Abs. 8). Bei den Rezeptortyrosinkinasen dieses Typs erfolgt der Zusammenschluss von Zellen zu einem Verband, beispielsweise die Verdopplung, durch die Bindung eines Liganden, zum Beispiel eines Wachstumsfaktors, an die extrazelluläre Region, was die Aktivierung der Kinase zur Folge hat (Beschr. Abs. 9).
10
Die Streitpatentschrift schildert die Ausgangslage im Prioritätszeitpunkt der Erfindung wie folgt: Es sei vermutet worden, Zellen vermehrten sich im Falle einer Leukämieerkrankung aufgrund einer autokrinen, d.h. von der Zelle selbst ausgehenden, Stimulation, da der FLT3-Ligand in nahezu allen leukämischen Zellen exprimiert werde. Außerdem sei berichtet worden, dass FLT3-mRNA in lymphatischen leukämischen Zellen und leukämischen Myelocyten exprimiert werde. Es sei jedoch nicht bekannt gewesen, wie die Expression der BotenRNA mit der Pathologie von lymphatischer und myeloischer Leukämie zusam- menhänge (Beschr. Abs. 10). Bis zum Prioritätszeitpunkt hätten zwar eine menschliche FLT3-cDNA kloniert sowie die cDNA-Nucleotidsequenz und die Aminosäuresequenz des FLT3-Proteins bestimmt werden können. Jedoch seien weder Struktur noch Funktion der FMS-artigen Tyrosinkinase 3 während der Differenzierung von blutbildenden Stammzellen und der bösartigen Veränderung von leukämischen Zellen gut analysiert gewesen (Beschr. Abs. 11).
11
2. Das Patentgericht hat hieraus zutreffend abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine für das FLT3-Gen codierende Nucleinsäure bereitzustellen, die aufgrund genetischer Veränderungen als Marker bei der Diagnose leukämischer Erkrankungen verwendet werden kann.
12
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in seiner zuletzt verteidigten Fassung in den Patentansprüchen 1 und 2 jeweils ein Nucleinsäuremolekül vor, in Anspruch 4 ein Polypeptid, in Anspruch 5 eine Zelle, in Anspruch 6 einen Antikörper, in Anspruch 7 ein Verfahren zum Nachweis der mit den Ansprüchen 1 und 2 beanspruchten Nucleinsäuremoleküle, in Anspruch 13 ein Kit für das mit den Ansprüchen 7 bis 11 beanspruchte Verfahren, in den Ansprüchen 14 und 15 die Verwendung blutbildender Stammzellen, in Anspruch 16 die Verwendung der mit den Ansprüchen 1 und 2 beanspruchten Nucleinsäuremoleküle , in Anspruch 17 ein Arzneimittel und in Anspruch 18 ein Kit zum Nachweis des Polypeptids.
13
a) Die Merkmale des Nucleinsäuremoleküls nach Patentanspruch 1 in der im Berufungsverfahren zuletzt verteidigten Fassung lassen sich wie folgt gliedern: 1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das 1.1 FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert und 1.2 eine Nucleotidsequenz aufweist mit 1.2.a entweder einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 oder 1.2.b einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters.
14
b) Die Merkmale des Nucleinsäuremoleküls nach der zuletzt verteidigten Fassung von Patentanspruch 2 lassen sich wie folgt gliedern: 2. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz, die aufweist : 2.a eine Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 oder 2.b eine Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters.
15
c) Der gegenüber der erteilten Fassung unverändert verteidigte Patentanspruch 4 betrifft ein Polypeptid, das von dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder Anspruch 2 codiert wird.
16
d) Patentanspruch 5 hat in seiner unverändert verteidigten Fassung eine Zelle zum Gegenstand, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert.
17
e) Patentanspruch 6 betrifft in seiner unverändert verteidigten Fassung einen für das Polypeptid nach Anspruch 4 spezifischen Antikörper.
18
f) Die Merkmale des Verfahrens nach Patentanspruch 7, den die Beklagte auch im Berufungsverfahren weiterhin in der erteilten Fassung verteidigt, lassen sich wie folgt gliedern: 7.1 Das Verfahren dient zum Nachweis 7.1.1 des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder 7.1.2 des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2. 7.2 Das Verfahren umfasst die Schritte: 7.2.a Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment amplifiziert wird, das 7.2.a.1 im FLT3-Gen gefunden werden kann, 7.2.a.2 Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMSartigen -Tyrosinkinase-3-(FLT3)-Gens umfasst und 7.2.a.3 eine Tandemverdopplungsmutation der Juxtamembran hat. 7.2.b Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
19
4. Den Kern der Erfindung bildet die Bereitstellung des mit Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Nucleinsäuremoleküls, das als Molekül einer Tandemverdopplungsmutante bezeichnet und zum einen durch die von diesem Molekül codierte FMS-artige Tyrosinkinase 3 und zum anderen durch eine bestimmte Nucleotidsequenz näher charakterisiert wird. Bei dieser handelt es sich entweder (a) um eine Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 oder (b) um eine das Leseraster nicht verschiebende Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder der Exons 11 bis 12 von FLT3. Der Nachweis einer Tandemverdopplungsmutation dient als Leukämieindikator. Für die Bestimmung des Erfindungsgegenstands ist der Begriff "Tandemverdopplung" bzw. "Tandemverdopplungsmutation" , der in der zuletzt verteidigten Fassung des Streitpatents außer in Patentanspruch 1 unmittelbar auch in den Patentansprüchen 2 und 14 sowie aufgrund der Bezugnahme auf diese Ansprüche auch in den übrigen Patentansprüchen enthalten ist, daher von zentraler Bedeutung.
20
a) Nach der Definition in der Beschreibung des Streitpatents betrifft die Tandemverdopplung eine FLT3-Nucleotidsequenz, in der ein vollständiger Abschnitt oder ein Teilabschnitt einer Nucleinsäure, die für die Juxtamembran des FLT3-Gens codiert, einmal oder mehrere Male in der gleichen Ausrichtung wiederholt wird. Dabei müssen die wiederholten Nucleotidsequenzen nicht zwingend direkt hintereinander folgen, sondern es können auch andere Sequenzen (optional nucleotide sequences) dazwischen enthalten sein. Weiter heißt es hierzu in der Streitpatentschrift, dass zwischen den zusammengehörenden Tandemverdopplungen (corresponding tandem duplications) auch durch Deletion , Substitution oder Addition von einer oder mehreren Basen eingetretene Mutationen liegen können (vgl. Beschr. Abs. 20). Die Verdopplung wird demnach als Tandemverdopplung bezeichnet, weil die Insertion der wiederholten Sequenz ihrem erstmaligen Auftreten entweder direkt oder in räumlicher Nähe folgt, sie mithin als "Tandem" auftritt.
21
Die Juxtamembran befindet sich zwischen der transmembranen Region und der Kinasedomäne der Rezeptorproteinkinase und bildet zusammen mit der Kinasedomäne eine intrazelluläre Membranregion (Beschr. Abs. 18 [= 19 T2]). Der für die Juxtamembran codierende Bereich wird durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite des Exons 10 und 117 Basenpaare auf der 5`-Seite des Exons 11 definiert, während eine 16 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11 sowie Exon 12 umfassende Region einen Teilabschnitt der Tyrosinkinasedomäne codieren (Beschr. Abs. 28 [= 30 T2]).
22
b) Das Patentgericht hat den Begriff der Tandemverdopplungsmutation im Zusammenhang mit der Frage nach einer möglichen unzulässigen Erweiterung erörtert und angenommen, dass sich aus den Erläuterungen in der Streitpatentschrift , insbesondere den Absätzen 18 und 30 ergebe, dass "der Ursprung und/oder der Ort der Insertion" der Tandemverdoppelung in einem Be- reich liegen müsse, der durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaare auf der 5`-Seite von Exon 11 festgelegt werde, da andernfalls die durch die Lehre des Streitpatents vorgesehene Beteiligung der für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleotidsequenz an der Tandemverdoppelung nicht gewährleistet sei. In Anbetracht dessen würden auch in den Beispielen 1 und 2 Tandemverdoppelungsmutationen beschrieben, die diese Voraussetzung erfüllten. So werde für die fünf im Beispiel 1 der Streitpatentschrift untersuchten Fälle festgestellt, dass die in diesen Proben nachgewiesenen Längenmutationen auf Tandemverdoppelungen in den Nucleotidsequenzen der Juxtamembran des FLT3-Gens zurückgehen. Nachdem diese Feststellung auch für den als M155 bezeichneten Fall gelte, bei dem die Tandemverdoppelung 46 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11 und die ersten 16 Basenpaare von Exon 12 umfasst, müsse folglich ein Teil der 46 Basenpaare auf der 3`- Seite von Exon 11 mit dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Bereich im Exon 11 übereinstimmen (vgl. Beschr. Abs. 67 [= 69 T2]). Für die Fälle des Beispiels 2 werde ebenfalls bestätigt, dass deren Mutationen in der Juxtamembran des FLT3-Gens liegen und keine Mutationen in der für die Domäne der Tyrosinkinase codierenden Nucleotidsequenz gefunden wurden (vgl. Beschr. Abs. 70-72 [= 72-74 T2]).
23
In Bezug auf die Alternative b von Patentanspruch 1 (Merkmal 1.2.b) hat das Patentgericht, das die in dem zuletzt gestellten Hauptantrag enthaltene Wendung "in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 und 12 von FLT3" bei den Hilfsanträgen II und III zu erörtern hatte, angenommen, dass damit auch solche Nucleinsäuremoleküle erfasst würden, bei denen weder der Ursprung noch der Ort der Insertion der Tandemverdopplung in dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Teil des Exons 11 liege. Da es in Exon 11 Abschnitte gebe, die wie Exon 12 nicht für die Juxtamembran codierten, könne die Tandemverdopplungsmutation bei den von der Alternative b erfass- ten Nucleinsäuremolekülen vollständig in einem für die angrenzende Tyrosinkinase codierenden Bereich auftreten.
24
c) Das Patentgericht hat damit an sich zutreffend herausgearbeitet, dass nach der patenteigenen Definition der Tandemverdopplungsmutation der Ursprung der Tandemverdopplung ganz oder teilweise in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich liegen muss, während der Ort der Insertion in diesem Bereich liegen kann, aber nicht muss. Zwar erfasst die vom Patentgericht gebrauchte Formulierung, "der Ursprung und/oder der Ort der Insertion" müsse in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich liegen, nach ihrem Wortlaut auch die Variante, dass bei einer Insertion der Verdopplung in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich der Ursprung der Verdopplung nicht notwendig in diesem Bereich liegen muss. Das Patentgericht hat sich mit der Wendung "und/oder" jedoch offensichtlich nur im Ausdruck vergriffen. Denn es hat bei seinen sonstigen Ausführungen zur erfindungsgemäßen Lehre klar zum Ausdruck gebracht, dass hierfür der Ursprung der Tandemverdopplung aus der für die Juxtamembran codierenden Region entscheidend und unverzichtbar ist. Die Auffassung der Klägerin, dass nicht nur der Ursprung der Tandemverdopplung aus der für die Juxtamembran codierenden Nucleotidsequenz stammen, sondern auch der Ort der Insertion in dem die Juxtamembran codierenden Bereich liegen müsse, weil es nur so zu der von der Lehre des Streitpatents geforderten Veränderung der Juxtamembran komme, findet hingegen weder im Wortlaut von Patentanspruch 1 noch in der Streitpatentschrift eine Stütze. Wie dargelegt, legt die Definition in der Streitpatentschrift lediglich zwingend fest, dass die Sequenz, die wiederholt wird, ganz oder zumindest teilweise aus dem Bereich stammen muss, in dem die Juxtamembran codiert wird. Dass die duplizierte Sequenz auch in dem die Juxtamembran codierenden Bereich zwischen den 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von Exon 10 und den 117 Basenpaaren auf der 5`-Seite von Exon 11 eingefügt sein muss, kann der Definition dagegen nicht entnommen werden. Vielmehr wird aus den im Streitpatent genannten Beispielsfällen von FLT3-Nucleinsäuren - worauf sowohl das Patentgericht als auch die Beklagte zu Recht hinweisen - deutlich, dass es Fälle gibt, in denen die Ursprungssequenz vollständig aus dem für die Juxtamembran codierenden Bereich von Exon 11 stammt und die Insertion der duplizierten Sequenz auch vollständig in diesem Bereich stattfindet (M34 und M810). Andererseits gibt es aber auch den Fall, dass die Ursprungssequenz nur in einem Teil des für die Juxtamembran codierenden Bereichs im Exon 11 und in einem sich daran anschließenden Teil von Exon 12 liegt. In diesem Fall wird, wie die FLT3Nucleinsäure M155 zeigt, die duplizierte Sequenz, die der Ursprungssequenz nachfolgen muss, zwangsläufig in Exon 12 eingefügt. Bestätigt wird dies auch durch die Beschreibung, wonach die Region mit Tandemverdopplung in einer Juxtamembran im Falle von FLT3 eine Region umschließt, die einen gesamten oder einen Teilabschnitt der Region von 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von Exon 10 bis 117 Basenpaaren auf der 5`-Seite von Exon 11 einschließt, ohne aber auf diesen die Juxtamembran codierenden Bereich begrenzt zu sein, solange die Region eine Exon-11-Stelle enthält (Beschr. Abs. 40 [= 42 T2]).
25
d) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts bestimmt die patenteigene Definition der Tandemverdopplungsmutation auch den Gegenstand der in den Alternativen a und b des Patentanspruchs 1 bezeichneten Tandemverdopplungsmutation. Seine Annahme, Alternative b umfasse sowohl in der erteilten Fassung mit der Bezugnahme auf eine Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 als auch in der hilfsweise und im Berufungsverfahren nunmehr im Hauptantrag verteidigten Fassung auch solche Nucleinsäuremoleküle, bei denen weder der Ursprung noch der Ort der Insertion der Tandemverdopplung in dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Teil des Exons 11 liege, ist schon nach dem Wortlaut des Patentanspruchs nicht zwingend und jedenfalls unvereinbar mit der vom Patentgericht zutreffend herausgearbeiteten patenteigenen Definition der Tandemverdopplungsmutation.
26
5. Patentanspruch 2 charakterisiert - anders als Patentanspruch 1 - das Nucleinsäuremolekül nicht als dasjenige einer Tandemverdopplungsmutante, das FMS-artige Tyrosinkinase 3 codiert. Wie nach Patentanspruch 1 muss das Molekül jedoch eine Nucleotidsequenz mit einer Tandemverdopplungsmutation in (Alternative a) oder aus (Alternative b) der Sequenz der Juxtamembran von FLT3 aufweisen. Der Unterschied zwischen den Gegenständen des Patentanspruchs 1 einerseits und des Patentanspruchs 2 andererseits liegt daher nur darin, dass das Molekül nach Anspruch 2 zwar die spezifische Tandemverdopplungsmutation aufweisen muss, aber nicht notwendig sämtliche FLT3-codierenden Sequenzen.
27
6. Das mit Patentanspruch 7 unter Schutz gestellte Verfahren zum Nachweis des Nucleinsäuremoleküls einer solchen Tandemverdopplungsmutation nach Anspruch 1 umfasst zwei Schritte.
28
a) Schritt a besteht aus der Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer humanen Nucleinsäureprobe, wobei ein Nucleinsäurefragment amplifiziert wird, das im FLT3-Gen gefunden werden kann, welches Exon 11 oder die Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation der Juxtamembran aufweist. Für die Definition der Tandemverdopplungsmutation gelten die Ausführungen zu Patentanspruch 1 entsprechend.
29
b) Schritt b besteht aus dem Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt a, wobei es dem Fachmann überlassen bleibt, wie er diesen Nachweis ausgestaltet. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Nachweis in den Unteran- sprüchen 8 und 9 schrittweise spezifiziert. Nach Patentanspruch 8 besteht er aus einem Sequenzvergleich mit einer von einer "normalen", d.h. nicht mutierten FMS-artigen Tyrosinkinase 3 abgeleiteten Sequenz. Nach Patentanspruch 9 kann dieser Sequenzvergleich dadurch erfolgen, dass eine Längenmutation als Hinweis auf die Tandemverdopplungsmutation (index of the tandem duplication mutation) verwendet wird. Eine Sequenzanalyse ist mit anderen Worten nicht erforderlich; vielmehr wird das Vorhandensein der Tandemverdopplungsmutation durch die Verlängerung des Fragments indiziert, die sich aus der Insertion der verdoppelten Nucleotidsequenz ergibt.
30
c) Ohne Erfolg wendet sich die Berufung der Klägerin gegen die hieraus vom Patentgericht zutreffend gezogene Schlussfolgerung, dass der Nachweis der Längenmutation erfindungsgemäß als Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation im Sinne des Merkmals b des Patentanspruchs 7 ausreicht.
31
aa) Das Patentgericht hat dies eingehend wie folgt begründet: Der Nachweis einer Tandemverdopplungsmutation nach Schritt b erfordere entgegen der Auffassung der Klägerin keinen über einen Längennachweis hinausgehenden Nachweis, etwa in Form der Sequenzanalyse der DNA. Für die Auslegung von Patentanspruch 7 seien zunächst die hierauf rückbezogenen Patentansprüche 9 und 10 (in der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigten Fassung Patentansprüche 8 und 9) von Bedeutung. Diese beschrieben verfahrenstechnische Maßnahmen, die den Nachweis in Schritt b des Verfahrens nach Patentanspruch 7 näher spezifizierten. So werde in Patentanspruch 9 (in der nunmehr verteidigten Fassung Patentanspruch 8) der Nachweis als Sequenzvergleich beschrieben, der wegen des Rückbezuges auf Patentanspruch 7 auf der Basis der darin genannten Sequenzlängen erfolge, wobei die Länge einer mutierten FLT3-Sequenz mit einer nicht mutierten verglichen wer- de. Patentanspruch 10 (nunmehr Patentanspruch 9) gestalte diesen Vergleich wiederum näher aus, indem nicht mehr mit der Wildtyp-FLT3-Sequenz verglichen werde, sondern mit einer als "Index" (Indikator) verwendeten Längenmutation. In der Beschreibung des Streitpatents finde sich mehrfach der Hinweis, dass der Nachweis von Tandemverdopplungen durch einen Vergleich der Längen amplifizierter DNA-Fragmente nachgewiesen werde, und zwar vorzugsweise mit Hilfe der Agarose-Gelelektrophorese (Abs. 24 und 42 [= 26 und 44 T2]). Entgegen der Auffassung der Klägerin böten auch die in der Streitpatentschrift erwähnten Sequenzanalysen keinen Anlass dafür, den patentgemäßen Nachweis in Schritt b von Patentanspruch 7 als eine Kombination von Längenvergleich und Sequenzanalyse zu verstehen. Der Streitpatentschrift lasse sich entnehmen , dass eine Sequenzierung lediglich für das erstmalige Auffinden der patentgemäßen Tandemverdopplungsmutationen in der Juxtamembran des FLT3-Gens erforderlich gewesen sei, der Nachweis der Tandemverdopplung in Kenntnis dieser Lehre jedoch allein durch einen Längenvergleich geführt werden könne, sofern - wie im Falle von Patentanspruch 7 - die für die Juxtamembran des FLT3-Gens codierende Nucleotidsequenz verwendet werde. Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach der Abhandlung von Schnittger et al. (K29) etwa ein Drittel der Fälle mit nachgewiesener Längenmutation keine Tandemverdopplungsmutationen, sondern andere Mutationen beträfen und damit bewiesen sei, dass ein reiner Längenvergleich für einen Nachweis nicht ausreiche. Denn diese im Jahr 2012 veröffentlichte Erkenntnis sei im Prioritätszeitpunkt noch nicht bekannt gewesen.
32
bb) Dies hält den Angriffen der Berufung der Klägerin stand. Das Patentgericht hat den eindeutigen Offenbarungsgehalt des Streitpatents unter Bezugnahme auf die einschlägigen Ausführungen in der Streitpatentschrift zutreffend bestimmt. Die Berufung vermag nicht aufzuzeigen, woraus sich demgegenüber ergeben sollte, dass Merkmal 7.2.b dahin zu verstehen ist, dass der Nachweis einer Tandemverdopplungsmutation einen über einen bloßen Längenvergleich hinausgehenden Nachweis, beispielsweise in Form der Sequenzierung der DNA erfordert.
33
II. Aus den Darlegungen zum Gegenstand des Streitpatents ergibt sich ohne weiteres, dass das Patentgericht zu Unrecht eine unzulässige Erweiterung der Patentansprüche 1 und 2 sowie derjenigen Patentansprüche, die auf diese oder einen dieser Patentansprüche Bezug nehmen, angenommen hat. Denn der Inhalt der Ursprungsunterlagen ist mit der Beschreibung des Streitpatents, wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, nahezu identisch; die Patentansprüche 1 und 2 stellen somit keine anderen Nucleinsäuremoleküle als ursprungsoffenbart unter Schutz.
34
III. Die Entscheidung des Patentgerichts erweist sich, soweit es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Vielmehr hat das Streitpatent aus den Gründen, aus denen das Patentgericht das Patent in der Fassung des angefochtenen Urteils für rechtsbeständig gehalten hat, auch in der Fassung des zweitinstanzlichen Hauptantrags Bestand. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Berufung der Klägerin der Erfolg zu versagen ist.
35
1. Die Verteidigung des Streitpatents mit dem neuen Hauptantrag ist nach § 116 Abs. 2 PatG zulässig. Sie ist sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 PatG zugrunde zu legen hat.
36
a) Der neue Hauptantrag entspricht in den Patentansprüchen 1 bis 6 im Wesentlichen dem erstinstanzlichen Hauptantrag. Soweit in den Patentansprüchen 1 und 2 die Wendung "Nucleotidsequenz einer Region umfassend" durch "Nucleotidsequenz von" ersetzt und hinzugefügt worden ist, dass keine Lese- rasterverschiebung vorliegt, entsprechen diese Änderungen der in den erstinstanzlich zuletzt gestellten Hilfsanträgen II und III verwendeten Formulierung, die vom Patentgericht erörtert worden ist und auch Eingang in die vom Patentgericht für rechtsbeständig erachteten Patentansprüche gefunden hat.
37
b) Was die weiteren verteidigten Patentansprüche anbelangt, so entsprechen sie dem in erster Instanz gestellten Hauptantrag mit der Maßgabe, dass das Fehlen einer Leserasterverschiebung auch in Patentanspruch 14 aufgenommen worden ist und die Gegenstände von Patentanspruch 12 und 13 in der erteilten Fassung in einem neuen Anspruch 13 zusammengefasst worden sind. Erstere Antragsfassung ist aus den zu a erörterten Gründen sachdienlich. Gegen die Neufassung von Patentanspruch 13 bestehen keine Bedenken, da der Nebenanspruch 12, der unverändert in Patentanspruch 13 übernommen worden ist, ebenfalls vom Patentgericht bereits erörtert worden ist.
38
c) Auch gegen die Klarheit der zur Entscheidung gestellten Patentansprüche bestehen keine Bedenken.
39
Soweit die Klägerin die Charakterisierung der Primer in den Patentansprüchen 10 und 13 für unklar hält, kommt es hierauf nicht an, da das Streitpatent mit diesen Ansprüchen erteilt worden ist. Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Der Patentinhaber hat mit dem erteilten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, mithin wenn ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise aberkannt werden kann. Das Europäische Patentübereinkommen regelt ebenso wie das nationale Recht die Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe, zu denen die fehlende Klarheit nicht gehört, abschließend (Art. 100, 138 EPÜ; §§ 21, 22 PatG). Daraus folgt, dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 - G 3/14; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - X ZR 11/13 Rn. 31 juris - Fugenband).
40
2. Der Gegenstand des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ist auch patentfähig.
41
a) Das Patentgericht hat im Hinblick auf Patentanspruch 7 zum entgegengehaltenen Stand der Technik ausgeführt:
42
In der von der Klägerin als neuheitsschädlich erachteten Abhandlung "Expression of the FMS/KIT-like gene FLT3 in human acute leukemias of the myeloid and lymphoid lineages", Blood 1992, 2584 (K3), berichteten die Autoren Birg et al. über die Ergebnisse einer Studie betreffend das Expressionsmuster des FLT3-Gens in akuten Leukämien vom myeloischen und lymphatischen Typ. Da das FLT3-Gen zu derjenigen Genfamilie gehöre, die Typ-III-Rezeptortyrosinkinasen wie FMS oder KIT codiere, welche sowohl in normalen blutbildenden Vorläuferzellen als auch in myeloisch leukämischen Zellen exprimiert werde, untersuchten Birg et al. in ihrer Studie die FLT3-Expression in humanen leukämischen Zellen. Sie wendeten dazu die Southern- bzw. Northern-BlotAnalyse an, eine molekularbiologische Methode, bei der die in der Gelelektrophorese aufgrund ihrer unterschiedlichen Länge aufgetrennten DNA- bzw. RNA-Moleküle auf eine Membran übertragen und dort durch spezifische Sonden nachgewiesen würden. Eine Genamplifikationsreaktion wie im Verfahren nach Patentansprüchen 7 und 8 vorgesehen, bei der unter Einsatz von Primern sowie eines spezifischen Enzyms kurze, genau definierte Abschnitte einer Nucleinsäure vervielfältigt würden, sei dagegen bei den Untersuchungen nicht durchgeführt worden und könne auch nicht mitgelesen werden. Ferner offenbare die K3 auch kein Nucleinsäuremolekül, das wie nach Schritt a des Verfah- rens nach Patentanspruch 7 Exon 11 oder die Exons 11 und 12 des FLT3-Gens umfasse und eine Tandemverdopplungsmutation aufweise. In der K3 würden zwar außer der nicht mutierten Wildtyp-mRNA von FLT3 auch verlängerte Mutanten von FLT3 offenbart. Es werde jedoch weder die Art noch die Position der Mutation angegeben, die zu der Verlängerung der mRNA geführt habe. Vielmehr kämen zahlreiche Varianten in Form von Sequenzeinschüben (Insertionen ) und/oder Sequenzwiederholungen (Duplikationen) innerhalb der für das FLT3-Gen codierenden Region für die Entstehung der von Birg et al. beobachteten verlängerten mRNA-Transkripte von FLT3 in Frage.
43
Die Autoren Rosnet et al. der Abhandlung "Human FLT3/FLK2 gene: cDNA cloning and expression in hematopoietic cells", Blood 1993, 1110 (K4), hätten zum Nachweis der Expression von FLT3 in humanen Zellen und Geweben zwar Genamplifikationsreaktionen durchgeführt und die damit erhaltenen Produkte gelelektrophoretisch dargestellt. Tandemverdopplungsmutationen wie in den Patentansprüchen 7 und 8 hätten die Autoren jedoch nicht nachgewiesen. Ziel ihrer Studie sei es nicht gewesen, nach Defekten im FLT3-Gen zu suchen , sondern die Verteilung von FLT3 in den hämatopoetischen Zellen und Geweben des menschlichen Körpers aufzuzeigen. Hierauf seien auch die für das 5`-Ende der codierenden Region von FLT3 spezifischen Primer sowie die über die gesamte cDNA verteilten Sonden abgestellt. Selbst der Einsatz der in den Genamplifikationsreaktionen verwendeten Primer liefere den Angaben in K4 zufolge keine FLT3-Mutanten mit den in Rede stehenden Tandemverdoppelungsmutationen , da damit lediglich das für die Wildtyp-mRNA von FLT3 typische mRNA-Transkript mit einer Länge von 3,7 kb oder kürzere Teilsequenzen davon amplifiziert würden.
44
Die Autoren Birg et al. der als K5 vorgelegten Studie "The Expression of FMS, KIT and FLT3 in Hematopoetic Malignancies", Leukemia and Lymphoma 1994, 223, hätten zwar nach genetischen Veränderungen in den für die Typ-IIIRezeptortyrosinkinasen wie FLT3, FMS oder KIT codierenden Bereichen gesucht , aber lediglich festgestellt, dass das humane FMS-Gen durch Punktmutationen in Fällen von myeloischer Leukämie aktiviert werde. Somit werde auch in dieser Studie kein Nachweis von Nucleinsäuremolekülen mit den in den Patentansprüchen 7 und 8 genannten Tandemverdopplungsmutationen in der Juxtamembran von FLT3 beschrieben.
45
Der Fachmann erhalte hiernach aus der K3 zwar den Hinweis, dass sich insbesondere in Proben von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) neben der Wildtyp-mRNA von FLT3 noch weitere mRNA-Transkripte von FLT3 fänden, die mit 13 kb bzw. 3,9 bis 4 kb größer seien als die 3,7-kb-lange Wildtyp -mRNA. Die K3 enthalte jedoch keine über bloße Vermutungen hinausgehenden Aussagen darüber, wie die Verlängerung im Detail zustande komme und in welchem codierenden Abschnitt sie auftrete, da die Autoren noch nicht über die hierfür erforderliche genomische DNA und cDNA von FLT3 verfügt hätten. Ziel der in der K3 erläuterten Studie sei gewesen, durch den Nachweis der Expression des FLT3-Gens in leukämischen Zellen auf mRNA-Ebene einen relativ spezifischen und unempfindlichen Marker für akute Leukämien zu entwickeln. Zwar hätten die Autoren der K3 damit den Zusammenhang zwischen der Expression von FLT3 und dem Auftreten bestimmter leukämischer Phänotypen in den Fokus der Fachwelt gerückt. Der Fachmann erhalte durch die K3 aber weder einen Hinweis darauf, dass verlängerte mRNA-Transkripte von FLT3 mit bestimmten leukämischen Phänotypen in Verbindung stünden, noch dass Tandemverdopplungen in der Juxtamembran von FLT3 unter Beteiligung des Exons 11 und der Exons 11 bis 12 für das Auftreten leukämischer Phänotypen von Bedeutung seien. Die Entgegenhaltung K4 liefere dem Fachmann auch nicht die weitergehenden Informationen, die notwendig seien, um zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen. Zwar kämen die Autoren der K4 zum Er- gebnis, dass Veränderungen des FLT3-Gens im Zusammenhang mit der Entstehung von Leukämien untersucht werden sollten, gingen jedoch nicht näher auf genetische Veränderungen des FLT3-Gens ein. Die Entgegenhaltung K5 liefere dem Fachmann allenfalls eine Anregung dafür, nach genetischen Veränderungen im FLT3-Gen zu suchen. Wie diese Mutationen aussähen, ob sie bei der Entstehung von Bluterkrankungen von Bedeutung seien und ob sie sich als spezifische Muster für leukämische Phänotypen in Nachweisverfahren eigneten , gehe aus der Entgegenhaltung nicht hervor. Selbst bei einer kombinierten Betrachtung der Entgegenhaltungen K3, K4 und K5 habe der Fachmann erfinderisch tätig werden müssen, da er die alleinige Vermutung, FLT3-Mutationen finden zu können, nicht ohne weiteres mit der Erfolgserwartung verbinde, einen im menschlichen Organismus einheitlich auftretenden Mutationstyp zu finden, der sich als verlässlicher prognostischer Marker bei bestimmten leukämischen Erkrankungen des Menschen erweise. Die weiteren von der Klägerin vorgelegten Entgegenhaltungen führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Der entgegengehaltene Stand der Technik vermittle damit keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Nachweis von Tandemverdopplungsmutationen in der Juxtamembran von FLT3 unter Beteiligung des Exons 11 oder der Exons 11 und 12 für die Beurteilung leukämischer Erkrankungen von Interesse sein könnte.
46
b) Aus diesen Erwägungen, die der Überprüfung im Berufungsverfahren standhalten und von der Klägerin nicht substantiell angegriffen werden, ergibt sich, dass auch der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 durch den Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt worden ist.
47
Die Klägerin macht insoweit geltend, der Gegenstand der Erfindung sei nicht neu, weil die K3 alle Maßnahmen zum Nachweis von Nucleinsäuremolekülen mit einer patentgemäßen Tandemverdopplung in Form eines Längenvergleichs aufzeige. Wenn, wie die Beklagte geltend mache, der Nachweis einer Längenmutation für den Nachweis eines Nucleinsäuremoleküls nach den Patentansprüchen 1 und 2 ausreiche, werde durch die K3 auch der Gegenstand dieser Ansprüche vorweggenommen. Damit lässt die Klägerin außer Acht, dass die Patentansprüche 1 und 2 voraussetzen, dass die Tandemverdopplung ihren Ursprung in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich hat, während der K3 keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, worauf die nach dem dort geschilderten Verfahren ermittelten Längenmutationen zurückzuführen sind. Sie vermag damit nicht darzutun, dass das Nucleinsäuremolekül eines der beiden Patentansprüche im Stand der Technik beschrieben worden ist oder für den Fachmann sonst verfügbar war.
48
Für den Angriff auf die erfinderische Tätigkeit gilt Entsprechendes. Soweit er des Weiteren darauf gestützt wird, dass die angegebene Aufgabe nicht gelöst werde, ist auch dies ebenso unschlüssig wie die Rüge, es beruhe auf einem Denkfehler, wenn das Patentgericht eine angemessene Erfolgserwartung für Untersuchungen verneine, die das erfindungsgemäße Nucleinsäuremolekül hätten aufdecken können, zugleich aber weitere Experimente mit dem Ziel der Feststellung aktivierender Mutationen im FLT3-Gen von leukämischen Zellen als veranlasst ansehe. Darin liegt entgegen der Meinung der Berufung der Klägerin kein Widerspruch, da das Interesse an der Feststellung (möglicher) aktivierender Mutationen noch nichts darüber besagt, ob der Fachmann gerade zu solchen Untersuchungen, mit denen er zu den dem Streitpatent zugrunde liegenden Erkenntnissen hätte gelangen können, angeregt worden ist und ob er diese mit einer dem jeweils erforderlichen, von der Klägerin nicht dargelegten Aufwand entsprechenden Erfolgserwartung durchzuführen Anlass hatte. Anhaltspunkte dafür hat das Patentgericht nicht festgestellt, und sie werden auch in den von der Berufung in Bezug genommenen erstinstanzlichen Schriftsätzen der Klägerin nicht vorgebracht.
49
c) Unbegründet ist auch der Einwand, es handele sich bei dem Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 um eine nicht patentfähige Entdeckung.
50
aa) Eine Entdeckung ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 EPÜ als solche ebenso wie eine wissenschaftliche Theorie oder eine mathematische Methode dem Patentschutz nicht zugänglich. Anders als es der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten für das amerikanische Patentrecht entschieden hat (566 U.S. (2012) - Mayo v. Prometheus), ist jedoch eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, nach europäischem - und deutschem - Recht dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen "erfinderischen Überschuss" enthält. Denn jedes technische Handeln beruht auf der zielgerichteten Nutzung von Naturgesetzen, so dass es sich verbietet, bei der - auch für den Patentschutz computerimplementierter Erfindungen maßgeblichen - Prüfung der Frage, ob die gelehrte technische Lösung des Problems auf erfinderischer Tätigkeit beruht, die Frage außer Betracht zu lassen, ob dem Fachmann die Erkenntnis einer physikalischen, chemischen oder biologischen Gesetzmäßigkeit , die die Grundlage der technischen Lehre der Erfindung bildet, nahegelegt war.
51
bb) Es steht daher der Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 1 und 2 nicht entgegen, dass sich die technische Lehre in der Anweisung erschöpft, das in diesen Ansprüchen bezeichnete Nucleinsäuremolekül bereitzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Regel 29 AOEPÜ, die - in Übereinstimmung mit § 1a Abs. 1 PatG - bestimmt, dass der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, keine patentierbaren Erfindungen darstellen. Denn dies bekräftigt nur den sich bereits aus dem Erfindungsbegriff ergebenden Grundsatz, dass nicht die Entdeckung einer Sequenz, wohl aber die Offenbarung , dass und wie diese durch Isolierung technisch nutzbar gemacht werden kann (Regel 29 Abs. 2 AOEPÜ, § 1a Abs. 2 PatG), eine dem Patentschutz zugängliche Lehre darstellt. Der von der Klägerin für erforderlich gehaltenen "erkennbaren Kennzeichnung" der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches Verfahren gewonnen, bedarf es dabei nicht, denn es ist einem jeden Sachanspruch immanent, dass er mit der Bezeichnung der Sache die geschützte technische Lehre kennzeichnet, eben diese Sache (durch ein technisches Verfahren ) bereitzustellen.
52
cc) Ebenso wenig ist der - ohnehin nicht näher ausgeführte - Einwand erheblich, die Erfindung sei "unfertig" angemeldet worden und es sei zur Verifizierung der gegebenen technischen Lehre nachträglich erheblicher Aufwand zu leisten gewesen. Der Erfinder muss weder erkannt haben, warum die technische Lehre der Erfindung funktioniert, noch muss er hierfür eine wissenschaftliche Begründung liefern. Es genügt, dass er dem Fachmann dasjenige an die Hand gibt, was dieser benötigt, um die technische Lehre der Erfindung auszuführen. Dass diesem Erfordernis im Streitfall genügt ist, hat das Patentgericht zutreffend ausgeführt.
53
d) Der Gegenstand der Patentansprüche 4, 5 und 6 ist aufgrund des Rückbezugs aus den gleichen Gründen patentfähig wie der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2, und nichts anderes gilt für das Verfahren nach Patentanspruch 7 und die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 8 bis 11 sowie den Kit nach Patentanspruch 13 für ein Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 11. Nichts anderes gilt schließlich für die Gegenstände der Patentansprüche 14 (in der Fassung des Hauptantrags), 16 und 17 (15 und 16 in der Nummerierung des Hauptantrags) sowie 19 und 20 (17 und 18 in der Nummerierung des Hauptantrags), die jeweils durch die Patentfähigkeit des Nucleinsäuremoleküls oder des von diesem codierten Polypeptids getragen werden, das anspruchsgemäß verwendet oder exprimiert wird.
54
3. Die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Nichtigkeitsgründe greifen gleichfalls nicht durch.
55
a) Zu Recht hat das Patentgericht - für die von ihm für rechtsbeständig erachteten Patentansprüche - eine unzulässige Erweiterung verneint.
56
aa) Es hat hierzu ausgeführt:
57
Die Patentansprüche 7 und 8 seien nicht dadurch unzulässig erweitert, dass der in der Streitpatentschrift und in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen enthaltene Passus "Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3" durch die Formulierung "Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3" ersetzt worden sei. Hierdurch werde die für das erfindungsgemäße Nachweisverfahren relevante Nucleotidsequenz auf die exakte Sequenz von Exon 11 oder der Exons 11 bis 12 beschränkt, da die Einbeziehung weiterer Nucleotidsequenzen auf der 3`- und 5`-Seite von Exon 11 und 12 ausgeschlossen werde. Eine solche Beschränkung werde sowohl durch die Streitpatentschrift als auch durch die ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart, die jeweils davon ausgingen, dass die Tandemverdopplungsmutation innerhalb der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 liege.
58
Ebenso wenig seien die Patentansprüche 7 und 8 dadurch unzulässig erweitert, dass sie im Unterschied zu Patentanspruch 15 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht mehr das Merkmal der Herstellung einer humanen Nucleinsäureprobe enthielten. Nach dem streitpatentgemäßen Verfahren erfol- ge die Probenherstellung auf die übliche Weise, die dem Fachmann auch bekannt sei. In Anbetracht dessen, dass nach der in der Streitpatentschrift und in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbarten Lehre die Tandemverdopplungsmutation innerhalb der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 und 12 liege und die Juxtamembran der FLT3 eine Region einschließe, die von 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaaren auf der 5`- Seite von Exon 11 definiert werde, stelle auch die Nennung der Primer in den Patentansprüchen 11 und 14 des Hilfsantrags III keine unzulässige Erweiterung dar.
59
Entgegen der Auffassung der Klägerin gehe Patentanspruch 8 auch nicht deshalb über die ursprüngliche Anmeldung hinaus, weil er nicht auf codierende Nucleinsäuremoleküle beschränkt sei. Nach den ursprünglichen Anmeldunterlagen sei für die erfindungsgemäße Lehre nicht nur die für die Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleinsäuremoleküle von Bedeutung, sondern auch die wesentlich kürzeren Nucleinsäuremoleküle der SEQ ID NOs. 6 bis 15, die keine für die Juxtamembran codierenden Eigenschaften aufwiesen. Außerdem sehe Patentanspruch 15 der ursprünglichen Anmeldung vor, dass beim Verfahrensschritt b nicht nur Nucleinsäuresequenzen mit einer für eine Rezeptorproteinkinase codierenden Tandemverdopplungsmutation , sondern auch Teilsequenzen hiervon, die lediglich aus der codierenden Nucleinsäuresequenz stammen müssten, amplifiziert würden.
60
Auch Patentanspruch 12 weise keine unzulässige Erweiterung auf. Dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung sei zu entnehmen, dass blutbildende Stammzellen, die die patentgemäße Tandemverdopplungsmutation exprimierten , mit Zellen verglichen würden, die das normale FLT3-Gen exprimierten , was nur möglich sei, wenn mutierte Zellen mit den nicht mutierten Zellen einer gesunden - normalen - Testperson verglichen würden. Ebenso ergäben sich die in Patentanspruch 16 (15 in der Nummerierung des Hauptantrags) genannten Verwendungszwecke - Durchmusterung auf einen Arzneistoff sowie zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung - aus den ursprünglichen Anmeldunterlagen (Abs. 63 der Veröffentlichung der Anmeldung = Abs. 62 der Patentschrift [= Abs. 64 T2]).
61
bb) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung der Klägerin stand, die im Wesentlichen auf die nach den Ausführungen zur Auslegung des Patentanspruchs 1 unzutreffende Annahme gestützt sind, die geltenden Patentansprüche setzten keine aus der Aminosäuresequenz der Juxtamembran stammende Tandemverdopplungsmutation voraus. Soweit sie meint, die Ursprungsunterlagen offenbarten keine bloße "Längenmutation", beruht dies ebenfalls auf einem unzutreffenden Verständnis der geschützten Lehre und kann daher nicht die Annahme einer unzulässigen Erweiterung begründen.
62
Unerheblich ist auch der von der Klägerin wiederholt vorgebrachte Einwand , die Längenmutation sei kein zuverlässiger Hinweis auf eine Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3. Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht ausreichend substantiiert wird, ist sie kein Argument gegen die Ursprungsoffenbarung der unter Schutz gestellten Lehre, sondern ein patentrechtlich irrelevanter Einwand gegen die Zuverlässigkeit des in Patentanspruch 9 angegebenen Verfahrens, bei dem die Längenmutation als (grundsätzlich ausreichender) Hinweis auf die Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt a des Verfahrens nach Patentanspruch 7 behandelt wird.
63
Aus den vom Patentgericht für Patentanspruch 8 angeführten Gründen ergibt sich eine unzulässige Erweiterung auch nicht daraus, dass Patentanspruch 2 kein FLT3-codierendes Molekül verlangt. Auf der Grundlage der oben dargestellten Auslegung des Patentanspruchs 2 erweisen sich die Ausführungen des Patentgerichts als zutreffend. Entsprechendes gilt für Patentanspruch 15.
64
b) Ebenso zutreffend hat das Patentgericht die Lehre der Erfindung als ausführbar offenbart angesehen.
65
aa) Es hat hierzu ausgeführt:
66
Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Gegenstände der Patentansprüche 7 und 8 so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Streitpatentschrift enthalte nicht nur Angaben dazu, wie die im Nachweisverfahren nach den Patentansprüchen 7 und 8 eingesetzte Probe aus menschlicher Nucleinsäure isoliert werden könne, sondern auch wie das Nucleinsäurefragment mit einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens zu amplifizieren sei. Ferner würden in der Streitpatentschrift mit der Agarose-Gelelektrophorese oder der Hybridisierung dem Fachmann bereits bekannte Nachweistechniken beschrieben, für die er an sich keine weiteren Angaben benötigte, die aber gleichwohl auch noch im Beispiel 1 näher erläutert würden.
67
Das beanspruchte Verfahren sei auch nicht deshalb als unzureichend offenbart anzusehen, weil - wie die Klägerin meine - das Verfahren keinen Schritt enthalte, mit dem mutierte Proben vor dem eigentlichen Nachweis ermittelt werden könnten. Nach dem Wortlaut von Patentanspruch 7 sei es nicht zwingend , dass eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran des FLT3Gens gefunden werde. Das Verfahren nach den Patentansprüchen 7 und 8 schließe daher auch den negativen Nachweis mit ein.
68
bb) Insoweit beschränkt sich die Berufung auf das bereits erörterte Argument , die Feststellung einer Längenmutation sei zur (zuverlässigen) Feststellung einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens ungenügend, weshalb die Erfindung nicht in der vollen Breite der Schutzbeanspruchung offenbart sei. Damit vermag die Klägerin die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts nicht zu entkräften.
69
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher Schuster Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.07.2013 - 3 Ni 37/11 (EP) -

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 33/10 Verkündet am:
21. August 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
MPEG-2-Videosignalcodierung

a) Eine Videobilder repräsentierende Folge von Videobilddaten kann als unmittelbares
Ergebnis eines Herstellungsverfahrens anzusehen sein und als solches
Erzeugnisschutz nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG genießen.

b) Ist eine Datenfolge als unmittelbares Verfahrenserzeugnis eines Videobildcodierungsverfahrens
anzusehen, wird vom Erzeugnisschutz auch ein
Datenträger erfasst, auf dem die erfindungsgemäß gewonnene Datenfolge
gespeichert worden ist oder der eine Vervielfältigung eines solchen Datenträgers
darstellt.

c) Ist ein derartiger Datenträger (hier: digitales Videomasterband) mit Zustimmung
des Patentinhabers in den Verkehr gebracht worden, hält sich auch die
Herstellung weiterer Datenträger (hier: DVDs), die die erfindungsgemäß codierte
Datenfolge enthalten, im Rahmen der aus der Erschöpfung des Patentrechts
folgenden Befugnis zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der erzeugten
Datenfolge.

d) Die Lieferung von Datenträgern mit der erfindungsgemäßen Datenfolge, die
nicht rechtswidrig ist, weil sie der Patentinhaber im Rahmen einer Testbestel-
lung durch Zurverfügungstellung der Datenfolge veranlasst hat, kann die Gefahr
künftiger patentverletzender Handlungen begründen, wenn der Lieferant
in Unkenntnis der Erschöpfung handelt.

e) Ein optischer Datenträger, der Daten enthält, die mittels eines patentgeschützten
Decodierungsverfahrens in Videobilddaten umgewandelt werden
können, stellt nicht schon wegen dieser Eignung ein Mittel dar, das sich auf
ein wesentliches Element des Decodierungsverfahrens bezieht.
BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 33/10 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter
Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 28. Januar 2010 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Umfang der nachfolgenden Änderung des Ersturteils aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil der 4a-Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Oktober 2008 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt und die Klage nicht zurückgenommen oder der Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt worden ist. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin war eingetragene Inhaberin des am 3. Dezember 1991 angemeldeten , für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten und inzwischen wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschenen europäischen Patents 630 157, das Systeme und Verfahren zur Codierung alternierender Halbbilder in Zeilensprungbildsequenzen von Videobildern betrifft. Die ein Codierungs- und Decodierungsverfahren betreffenden Patentansprüche 11 und 25 lauten in der Verfahrenssprache : "11. A method for encoding video data representative of successive frames of video images, the video data for each frame having interlaced first and second fields, the method comprising the steps of (a) receiving a sequence of frames of video data and (b) separating the data for each frame into its first and second fields, characterized in that the method further comprises the steps of: (c) deriving one or more first motion vectors (FMV) each associated with a respective block of pixel data from the first field of a current frame (Ei(t)) and with a corresponding block of pixel data from the second field of the current frame (Oc1(t)); (d) deriving one or more second vectors (CMV) each associated with a respective block of pixel data from the first field of the current frame (Ei(t)) and with a corresponding block of pixel data from the first field of the immediately preceding frame (Ec1(t-1)); (e) storing the second field of the current frame (Oc1(t)), the first field of the current frame (Ei(t)), the first field of the immediately preceding frame (Ec1(t-1)), one or more first motion vectors derived in step (c), and one or more second motion vectors derived in step (d); (f) determining from the one or more stored first motion vectors and/or the one or more stored second motion vectors, best mode information for predicting one or more blocks of pixel data, each associated with a respective stored first or second motion vector, and each having the least pixel error when compared with the corresponding block of pixel data of the first field of the current frame; (g) determining pixel error data representative of any pixel error between the one or more predicted blocks of pixel data and the one or more corresponding blocks of pixel data of the first field of the current frame; and (h) providing signals representing the second field of the current frame, the best mode motion vector data, and the pixel error data. 25. A decoding method for encoded video data representing a sequence of frames of video images, the video data for each frame having interlaced first and second fields, the method comprising the step of (a) receiving encoded video data for successive frames, characterized in that the method further comprises the steps of: (b) separating the encoded data for each frame into (i) first motion vector data, if any, associated with one or more blocks of pixel data of the second field of a current frame (Oc(t)) and with one or more corresponding blocks of pixel data of a first field of the current frame (Ec(t)), (ii) second motion vector data, if any, associated with one or more blocks of pixel data of the first field of an immediately preceding frame (Ec1(t-1)) and with one or more corresponding blocks of pixel data of the first field of the current frame, (iii) pixel error data representative of any pixel error in each block of pixel data associated with the first and/or second motion vector data when compared with the corresponding block of pixel data of the first field of the current frame (Ec(t)), and (iv) the second field of the current frame; (c) selecting one or more blocks of pixel data of the second field of the current frame associated with the first motion vector data and/or one or more blocks of pixel data of the first field of an immediately preceding frame associated with the motion vector data associated with the second motion vector data; (d) deriving from the block or blocks of pixel data selected in step (c), one or more blocks of pixel data each having the lowest pixel error when compared with the corresponding block of pixel data of the first field of the current frame; (e) generating a predicted first field of the current frame (Ec1(t)) from the one or more blocks of pixel data derived in step (d) and the pixel error data for the same one or more blocks of pixel data; and (f) generating the current frame of video image data from the predicted first field of the current frame and the second field of the current frame separated from the received encoded video data."
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Wegen des Wortlauts von Patentanspruch 21, der ein das Decodierungsverfahren betreffendes Decodierungssystem betrifft, wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
3
Die Klägerin hatte das Klagepatent in einen von der M. , C. (im Folgenden: MPEG LA), verwal- teten Patentpool eingebracht. Die Poolpatente beziehen sich auf einen internationalen Standard der internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) für Codierungsverfahren im Zusammenhang mit der Übertragung und Speicherung von Videosignalen (MPEG-2-Standard). Die Inhaber der einzelnen eingebrachten Schutzrechte haben der MPEG LA eine weltweite einfache Patentlizenz erteilt. Die MPEG LA gewährt Unternehmen für die Codierung von Videodaten nach dem MPEG-2-Standard in standardisierten Verträgen weltweite einfache Unterlizenzen.
4
Die Beklagte ist ein in Griechenland ansässiges Unternehmen, das optische Videodatenspeicher (Digital Video Discs - DVDs) herstellt und vertreibt. Einen Standard -Pool-Lizenzvertrag hat sie bisher nicht abgeschlossen. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz begehrt. Der Klageerhebung liegt eine von der Klägerin initiierte Testbestellung durch eine Frau P. zugrunde, die unter dem Briefkopf "E. M. P." in Frankfurt/Main im Februar 2007 von der Beklagten ein Angebot für die Herstellung von 500 DVDs "Erdbebenmessung in Deutschland" erbat. Nachdem die Beklagte ihre Preise genannt hatte, übermittelte Frau P. ihr für die Herstellung als DVD-Master ein Digital Linear Tape (DLT) mit den bereits codierten Videodaten. Die Beklagte stellte die DVDs in einem üblichen Verfahren her, bei dem die Daten zunächst in einen Glassmaster eingeprägt werden, von dem ein Abdruck auf einem Stempel (Stamper) gefertigt wird, mit dem die optisch auslesbare Datenstruktur in DVD-Rohlinge gepresst wird, und sandte sie an die angegebene Lieferanschrift "E. M. P." in Köln.
5
Das Landgericht hat die Beklagte, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse , unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, optische Datenträger mit codierten Videodaten, die aufeinander folgende Vollbilder von Videobildern repräsentieren und bei denen die Videodaten für jedes Vollbild verschachtel- te erste und zweite Teilbilder besitzen, als unmittelbares Erzeugnis eines Verfahrens mit den in Patentanspruch 11 genannten Verfahrensschritten anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen und/oder optische Datenträger anzubieten und/oder zu liefern, die für Decodierungssysteme für codierte Videodaten geeignet und bestimmt sind, die eine Sequenz von Vollbildern von Videobildern repräsentieren, wobei die Videodaten für jedes Vollbild erste und zweite verschachtelte Teilbilder besitzen und das System die Merkmale von Patentanspruch 21 aufweist, und/oder solche optischen Datenträger anzubieten und/oder zu liefern, die für ein Decodierungsverfahren für solche codierten Videodaten geeignet und bestimmt sind, das die Schritte von Patentanspruch 25 aufweist. Ferner hat das Landgericht die Beklagte zur Rechnungslegung nach näher bezeichneter Maßgabe für das Verfahren nach Patentanspruch 11 betreffende Verletzungshandlungen verurteilt und insoweit ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festgestellt sowie schließlich der Klägerin einen Auskunftsanspruch wegen unmittelbarer und mittelbarer Verletzung zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
6
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt; nachdem das Klagepatent im Verlauf des Revisionsverfahrens wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschen ist, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs mit widerstreitenden Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt erklärt; im Übrigen tritt die Klägerin dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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Die Revision hat Erfolg und führt zur Klageabweisung, soweit keine Erledigung in der Hauptsache eingetreten ist.
8
I. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage als zulässig angesehen.
9
1. Es hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bejaht. Die Klage ist auf eine Verletzung des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 630 157 durch Lieferung von DVDs in die Bundesrepublik Deutschland gestützt. Es wird mithin die Verletzung eines inländischen Schutzrechts durch eine Handlung geltend gemacht, deren den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründender Erfolgsort im Inland liegt. Ob die Handlungen der Beklagten tatsächlich die geltend gemachte Patentverletzung begründen, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554-1558).
10
2. Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte auf der Grundlage des Testkaufs gleichzeitig in acht weiteren Verfahren, in denen die Entscheidungen des Berufungsgerichts ebenfalls mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen worden sind, von anderen, dem Patentpool angehörenden Patentinhabern ebenfalls wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist. Entgegen der Meinung der Revision rechtfertigt dieser Umstand allein nicht die Annahme, die Rechtsverfolgung durch die Klägerin sei rechtsmissbräuchlich.
11
Die von der Revision gezogene Parallele zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur missbräuchlichen Mehrfachverfolgung ein und desselben wettbewerbswidrigen Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 76/98, BGHZ 144, 165 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; vom 17. Januar 2002 - I ZR 241/99, BGHZ 149, 371 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; vom 26. Juni 2008 - I ZR 221/05, GRUR 2008, 915 - 40 Jahre Garantie) ist verfehlt. Die Beklagte wird nicht von mehreren Klägern in getrennten Prozessen wegen derselben Rechtsverletzung in Anspruch genommen, sondern allein die Klägerin macht - wie die Kläger der weite- ren Verfahren - die Verletzung eines ihrer Schutzrechte durch die angegriffenen Handlungen der Beklagten geltend. Dies kann ihr auch dann nicht verwehrt werden, wenn die Klagen - wie ersichtlich der Fall - koordiniert und gemeinsam vorbereitet worden sind, da die Verletzung jedes Patents gesondert zu prüfen und auch die rechtliche Beurteilung sowohl des geltend gemachten Schutzes des unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses als auch der geltend gemachten mittelbaren Patentverletzung davon abhängt oder jedenfalls abhängen kann, was im Einzelfall Gegenstand des Patentschutzes ist. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn ohne vernünftigen Grund eine Vielzahl von Schutzrechten geltend gemacht würde, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
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II. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Codieren von Videodaten (Patentanspruch 11), die aufeinander folgende Vollbilder von Videobildern repräsentieren , (1) bei dem die Videodaten für jedes Vollbild verschachtelte erste und zweite Teilbilder besitzen und (2) das Verfahren die folgenden Schritte enthält: (a) Empfangen einer Sequenz von Vollbildern von Videodaten und (b) Separieren der Daten für jedes Vollbild in dessen erste und zweite Teilbilder; (c) Ableiten eines oder mehrerer erster Bewegungsvektoren (SMV), wovon jeder einem jeweiligen Block von Pixeldaten des ersten Teilbildes eines momentanen Vollbildes (Ei[t]) und einem entsprechenden Block von Pixeldaten des zweiten Teilbildes des momentanen Vollbildes (Oc1[t]) zugeordnet ist; (d) Ableiten eines oder mehrerer zweiter Bewegungsvektoren (CMV), wovon jeder einem Block von Pixeldaten des ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes und einem entsprechen- den Block von Pixeldaten des ersten Teilbildes des unmittelbar vorhergehenden Vollbildes (Ec1[t-1]) zugeordnet ist; (e) Speichern des zweiten sowie des ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes und des ersten Teilbildes des unmittelbar vorhergehenden Vollbildes, eines oder mehrerer erster Bewegungsvektoren , die im Schritt (c) abgeleitet wurden, sowie eines oder mehrerer zweiter Bewegungsvektoren, die im Schritt (d) abgeleitet wurden; (f) Bestimmen von Informationen bezüglich des besten Modus aus dem einen oder den mehreren gespeicherten ersten Bewegungsvektoren und/oder dem einen oder den mehreren gespeicherten zweiten Bewegungsvektoren, um einen oder mehrere Blöcke von Pixeldaten vorherzusagen, wovon jeder einem entsprechenden gespeicherten ersten oder zweiten Bewegungsvektor zugeordnet ist und wovon jeder den geringsten Pixelfehler im Vergleich zum entsprechenden Block von Pixeldaten des ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes besitzt; (g) Bestimmen von Pixelfehlerdaten, die irgendeinen Pixelfehler zwischen dem einen oder den mehreren vorhergesagten Blöcken von Pixeldaten und dem einen oder den mehreren entsprechenden Blöcken von Pixeldaten des ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes repräsentieren; und (h) Erzeugen von Signalen, die das zweite Teilbild des momentanen Vollbildes, die Bewegungsvektordaten bezüglich des besten Modus und die Pixelfehlerdaten repräsentieren.
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Das Klagepatent betrifft des Weiteren ein Decodierungsverfahren (Patentanspruch 25) für codierte Videodaten, die eine Sequenz von Vollbildern von Videobildern repräsentieren, wobei die Videodaten für jedes Vollbild erste und zweite verschachtelte Teilbilder besitzen und das Verfahren folgende Schritte umfasst: (a) Empfangen codierter Videodaten für aufeinander folgende Vollbilder ; (b) Separieren der codierten Daten für jedes Vollbild in (i) erste Bewegungsvektordaten, die in einem oder mehreren Blöcken von Pixeldaten des zweiten Teilbildes des momentanen Vollbildes und einem oder mehreren entsprechenden Blöcken von Pixeldaten eines ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes zugeordnet sind, (ii) zweite Bewegungsvektordaten, die, sofern vorhanden, einem oder mehreren Blöcken von Pixeldaten des ersten Teilbildes eines unmittelbar vorhergehenden Vollbildes und einem oder mehreren entsprechenden Blöcken von Pixeldaten eines ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes zugeordnet sind, (iii) Pixelfehlerdaten, die irgendeinen Pixelfehler in jedem Block von Pixeldaten, der den ersten und/oder zweiten Bewegungsvektordaten zugeordnet ist, im Vergleich zu dem entsprechenden Block von Pixeldaten des ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes repräsentieren, sowie (iv) das zweite Teilbild des momentanen Vollbildes; (c) Auswählen eines oder mehrerer Blöcke von Pixeldaten des zweiten Teilbildes des momentanen Vollbildes, die den ersten Bewegungsvektordaten zugeordnet sind, und/oder eines oder mehrerer Blöcke von Pixeldaten des ersten Teilbildes eines unmittelbar vorhergehenden Vollbildes, die den zweiten Bewegungsvektordaten zugeordnet sind; (d) Ableiten aus dem Block oder den Blöcken von Pixeldaten, die im Schritt (c) ausgewählt werden, eines oder mehrerer Blöcke von Pixeldaten , wovon jeder den niedrigsten Pixelfehler im Vergleich zu dem entsprechenden Block von Pixeldaten des ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes besitzt; (e) Erzeugen eines vorhergesagten ersten Teilbildes des momentanen Vollbildes aus dem einen oder den mehreren Blöcken von Pixeldaten , die im Schritt (d) abgeleitet werden, und aus den Pixelfehlerdaten für denselben Block oder dieselben mehreren Blöcke von Pixeldaten ; und (f) Erzeugen des momentanen Vollbildes von Videobilddaten aus dem vorhergesagten ersten Teilbild des momentanen Vollbildes und dem zweiten Teilbild des momentanen Vollbildes, die aus den empfangenen codierten Videodaten separiert werden.
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Das Klagepatent betrifft des Weiteren ein Decodierungssystem (Patentanspruch 21) für codierte Videodaten, das sinngemäß die Merkmale von Patentanspruch 25 aufweist.
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III. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe den Gegenstand von Patentanspruch 11 des Klagepatents unmittelbar benutzt, weshalb der Klägerin Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Rechnungslegung aus § 139 Abs. 1 und 2, § 140b PatG, §§ 259, 260 BGB, § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG zustünden. Dies hat es im Wesentlichen wie folgt begründet: Aufgrund der vom Landgericht festgestellten Befolgung des MPEG-2-Standards sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass es bei der Codierung der Daten zu einer patentgemäßen Verfahrensführung gekommen sei, denn der Standard kenne ein Verfahren zur Vorhersagecodierung eines Zeilensprungbildsignals, wie es das Klagepatent lehre. Eine DVD mit solchen Daten sei als unmittelbares Erzeugnis des mit diesem Patentanspruch unter Schutz gestellten Verfahrens i.S. von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG anzusehen. Patentanspruch 11 betreffe kein Arbeits-, sondern ein Herstellungsverfahren. Ob auch nichtkörperliche Verfahrenserzeugnisse unter den Erzeugnisschutz fielen, könne dahinstehen, weil mit der Klage optische Datenträger angegriffen würden, auf denen die Daten mithilfe von entlang einer Aufzeichnungsspur vorgesehenen Vertiefungen und Erhebungen gespeichert seien. Unmittelbarkeit im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG sei zu bejahen, wenn sich das angegriffene Erzeugnis als ein Zwischenprodukt darstelle, das im Anschluss an das patentgeschützte Verfahren zwar weiteren Behandlungsmaßnahmen unterzogen worden sei, das patentierte Verfahren aber zur Hervorbringung des Erzeugnisses bestimmungsgemäß und nach der Verkehrsanschauung wesentlich beigetragen habe und das durch die Erfindung geschaffene Erzeugnis seine charakteristischen Eigenschaften und seine Selbständigkeit durch die weiteren Behandlungsschritte nicht eingebüßt habe. So verhalte es sich hier. Nach der Codierung würden die in das MPEG-2-Format übertragenen Videodaten durch Speicherung im Rechner dauerhaft materialisiert. Während der anschließenden Schritte bis zur Herstellung der DVDs behielten die Daten ihre durch das Verfahren erhaltenen charakteristischen Eigenschaften unverändert bei.
16
Für den Schutz aus § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG sei allein entscheidend, dass das fragliche Produkt (DVD) als unmittelbares Resultat des patentgeschützten Herstellungsverfahrens anzusehen sei. Es bleibe den Verbietungsrechten des Schutzrechtsinhabers auch dann ausgesetzt, wenn es sich nicht mehr in der Hand desjenigen befinde , der das patentgemäße Verfahren durchgeführt habe. Deshalb werde die Beklagte nicht dadurch entlastet, dass die in ihren DVDs erhalten gebliebene Aufzeichnungsstruktur nicht von ihr selbst, sondern von dritter Seite aufgebracht worden sei.
17
Die Rechte aus dem Klagepatent seien nicht erschöpft. Erschöpfung sei nicht im Hinblick darauf eingetreten, dass - nach dem Vortrag der Beklagten - zur Herstellung des der Beklagten übersandten Masterbandes (DLT) ein von MPEG LA lizenziertes Codiergerät und Codierungsprogramm verwendet worden seien. Aus dieser Lizenz könnten gewerbliche Kunden der Codiergeräte-Lizenznehmer nicht die Erlaubnis zur Codierung von MPEG-2-Videos herleiten; dafür benötigten sie vielmehr, was rechtlich unbedenklich sei, eine eigene Lizenz. Das Masterband sei auch nicht dadurch in einer die Rechte aus dem Klagepatent konsumierenden Weise in den Verkehr gelangt, dass die Testkäuferin es der Beklagten mit Billigung der Klägerin zur Verfügung gestellt habe. Ein zur Erschöpfung führendes Inverkehrbringen liege (nur) vor, wenn ein erfindungsgemäßer Gegenstand begeben werde und der Schutz- rechtsinhaber hierdurch den wirtschaftlichen Wert der Erfindung realisiere. Die Verfügungsgewalt an dem Masterband sei der Beklagten jedoch ausschließlich zum Zweck eines Testkaufs übertragen worden, um deren Rechtstreue zu verifizieren.
18
IV. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis allerdings darin beizupflichten, dass die Beklagte ein vom Verbietungsrecht des Patentinhabers aus § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG und von den Klageanträgen der Klägerin erfasstes unmittelbares Verfahrenserzeugnis in den Verkehr gebracht hat. Dieses ist in der Gesamtheit der nach Anwendung des Verfahrens nach Patentanspruch 11 des Klagepatents erhaltenen und in die gelieferten DVDs eingeprägten codierten Videodaten zu sehen.
20
a) Patentanspruch 11 des Klagepatents stellt, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen angenommen hat, ein Herstellungsverfahren unter Schutz, das auf analog oder digital gespeicherte Videobildsequenzen angewendet wird, um diese entsprechend den Vorgaben des MPEG-2Standards zu codieren und dabei auf einen Bruchteil der Ausgangsdatenmenge zu komprimieren (vgl. dazu LG Düsseldorf, InstGE 7, 70 Rn. 46). Nach Durchlaufen der in Patentanspruch 11 vorgesehenen Verfahrensschritte werden als unmittelbares Verfahrenserzeugnis codierte Videodaten gewonnen, die den Vorgaben dieses Standards entsprechen und in den erhaltenen Informations- und Aufzeichnungsstrukturen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst im Arbeitsspeicher von Encodersteckkarten und danach in einem für eine DVD geeigneten Format auf der Festplatte eines Rechners gespeichert werden. In der Folge bleibt die Gesamtheit der auf diese Weise dauerhaft materialisierten, codierten MPEG-2-Videodaten als solche unverändert. Im Laufe des Herstellungsprozesses der DVDs werden die Daten zum Zwecke ihrer optischen Auslesbarkeit in Form von Vertiefungen ("pits") und nicht vertieften Bereichen ("lands") durch Einpressen des spiegelverkehrt auf dem Stamper vorhandenen Profils in die als DVDs verwendeten Kunststoffscheiben eingepresst. Dass die Daten dafür zunächst auf dem Masterband und dem Glassmaster zwischengespeichert wurden, ist allein den Erfordernissen der DVDProduktion geschuldet, lässt nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts aber die Identität und Charakteristik der verfahrensgemäß hergestellten Datenstruktur als des gewonnenen Verfahrenserzeugnisses unberührt. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang anschaulich metaphorisch von der (wechselnden) Verpackung (Datenträger) einer Ware (codierte Videodaten) gesprochen.
21
b) Die verfahrensgemäß gewonnene Datenfolge ist als unmittelbares Verfahrenserzeugnis Gegenstand des Verbotsrechts des Patentinhabers aus § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG, auch wenn sie selbst nicht als ein körperlicher Gegenstand anzusehen ist, sondern ein solcher erst durch ihre Verbindung mit einem Datenträger entsteht.
22
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können unkörperliche Signalfolgen , die für die Übersendung über das Internet geeignete Daten repräsentieren, trotz Fehlens eines körperlichen Substrats (Datenträgers) Sachschutz beanspruchen. Der Bundesgerichtshof hat dabei darauf abgestellt, dass zwischen Datenfolgen, die auf einem Datenträger gespeichert sind, und solchen, die lediglich über das Internet übermittelt werden, für die Erfordernisse der Datenverarbeitung kein erheblicher Unterschied besteht (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2004 - X ZB 9/03, BGHZ 158, 142 - Signalfolge). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Datenträger für die bestimmungsgemäße Nutzung der Daten selbst in der Datenverarbeitung keine Bedeutung zukommt, sondern er lediglich als Speichermedium fungiert. Bei dem im Streitfall vorliegenden Ergebnis des Herstellungsverfahrens nach Patentanspruch 11 des Klagepatents verhält es sich nicht anders. Die verschiedenen eingesetzten Da- tenträger sind für die Verarbeitung und Nutzung der verfahrensgemäß gewonnenen Gesamtheit codierter und komprimierter Videodaten ebenfalls nur in der Funktion als Speichermedium von Bedeutung, während Gegenstand der bestimmungsgemäßen (datenverarbeitungsmäßigen) Nutzung allein die codierte, auf dem Datenträger lediglich materialisierte Datenfolge bleibt.
23
Dass in der Fachliteratur Erzeugnisschutz nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG für unkörperliche Verfahrensergebnisse wie Licht, Wärme, elektrische Energie oder Schall durchweg - von vereinzelten, in älteren Beiträgen geäußerten Ansichten abgesehen - abgelehnt wird (vgl. Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 9 Rn. 53; Busse/Keukenschrijver 6. Aufl. § 9 Rn. 100 mwN), begründet keinen Widerspruch zur Beurteilung des Streitfalls. Diese Auffassung hat ersichtlich den unmittelbar mit der Erzeugung zusammenfallenden Ge- oder Verbrauch von Elektrizität, Wärme, Licht und gegebenenfalls auch Schallwellen im Blick. Damit ist das Abspielen von in eine DVD eingeprägten oder in anderer Form gespeicherten Gesamtheiten von Videodaten schon deshalb nicht vergleichbar, weil diese mittels der dafür vorgesehenen Geräte und unter Einsatz entsprechender Decodierungsvorrichtungen und -verfahren als Videoereignisse ausgelesen und wahrnehmbar gemacht und auf diese Weise wie körperliche Gegenstände beliebig oft bestimmungsgemäß genutzt werden können. Es erscheint wegen dieser Eignung, wie eine Sache genutzt und als Gegenstand des Handelsverkehrs dienen zu können, auch sachlich angemessen, der durch das Verfahren hervorgebrachten Datenfolge den Schutz eines unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses zuzubilligen.
24
2. Mit Erfolg wendet die Revision sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts , eine Erschöpfung der Rechte aus dem Klagepatent sei nicht eingetreten.
25
a) Allerdings kann eine Berechtigung zur Benutzung der Erfindung seitens Frau P., die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts selbst keine MPEG-2- Poollizenz und keine von der Klägerin erteilte Patentverwertungslizenz besaß, nicht, wie die Revision meint, aus der Standardlizenz abgeleitet werden, über die der Hersteller der Codierungssoftware verfügte, mit der die Videodaten auf dem der Beklagten überlassenen Masterband codiert worden waren. Das Berufungsgericht hat diesen Vertrag rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass er den Herstellern von Codierungsgeräten und -software verwehrt, ihren gewerblichen Abnehmern die Nutzung der Geräte und Software für das gewerbliche Codieren eines oder mehrerer MPEG-2-Videoereignisse zur Aufnahme auf einem MPEG-2-gepackten Medium zu gestatten. Soweit die Revision meint, dass eine weitere Lizenz lediglich für einen Handel mit DVDs erforderlich sei, den Frau P. nicht betrieben habe, hat das Berufungsgericht dem Standardlizenzvertrag nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnommen, dass ohne eigene Lizenznahme nur ein persönlich-privater Gebrauch gestattet sei. Davon kann bei der von Frau P. erstellten Videodatenfolge schon in Anbetracht ihres Gegenstands und der Anzahl der bei der Beklagten in Auftrag gegebenen Vervielfältigungen nicht die Rede sein.
26
b) Den Umstand, dass die Testkäuferin mit Zustimmung der Klägerin das erfindungsgemäße Verfahren angewendet und das Masterband mit den codierten Daten angefertigt und durch Lieferung an die Beklagte in den Verkehr gebracht hat, hat das Berufungsgericht unzutreffend gewürdigt.
27
aa) Das vom Berufungsgericht in Anlehnung an eine markenrechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Februar 2007- I ZR 63/04, GRUR 2007, 882 - Parfümtester) für im Streitfall entscheidend erachtete Kriterium, ob mit dem Inverkehrbringen der wirtschaftliche Wert des Schutzrechts realisiert worden ist, trägt die Verneinung einer Erschöpfung nicht. Wenn die Testkäuferin das erfindungsgemäße Verfahren mit Zustimmung der Klägerin angewandt hat, kann die- se gegenüber der Testkäuferin aus dem Klagepatent insoweit keine Rechte mehr herleiten, und zwar weder wegen der Anwendung des Verfahrens selbst noch wegen des - bestimmungsgemäß und mit ihrem Willen - hierdurch unmittelbar hervorgebrachten Verfahrenserzeugnisses. Indem sie der Testkäuferin - zu welchem Zweck auch immer - die Benutzung des Verfahrens gestattet hat, hat die Klägerin den wirtschaftlichen Wert der Erfindung realisiert. Ist aber hinsichtlich des unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses Erschöpfung eingetreten, kann sich hierauf auch die Beklagte berufen, die das Masterband von der Testkäuferin erhalten hat. Dass Frau P. die auf diesem Band gespeicherte, erfindungsgemäß codierte Datenfolge mit Zustimmung der Klägerin erzeugt hat, zieht die Revisionserwiderung zu Unrecht in Zweifel. Frau P. hat die Bestellung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf Veranlassung der Klägerin vorgenommen (UA S. 8, 47). Dass sie das dafür benötigte Masterband gleichwohl ohne Kenntnis und Billigung der Klägerin hergestellt haben könnte, ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen und so sind die Feststellungen des Berufungsgerichts im Zusammenhang der Entscheidungsgründe auch zu verstehen. Im Übrigen genügt es für die Erschöpfung, dass die Klägerin jedenfalls dem Inverkehrbringen des für die DVD-Herstellung bestimmten Masterbandes mit der darauf enthaltenen nach dem erfindungsgemäßen Verfahren codierten Datenfolge zugestimmt hat.
28
bb) Die aus der Erschöpfung des Patentrechts folgende Befugnis zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses deckt auch die Vervielfältigung durch Pressung von 500 DVDs ab.
29
Die zur freien Benutzbarkeit führende Erschöpfung der Rechte aus einem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patent tritt bei einem nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG geschützten unmittelbaren Verfahrenserzeugnis grundsätzlich ein, wenn es durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Deutschland in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1979 - KZR 14/78, GRUR 1980, 39 - Fullplastverfahren; Benkard/Scharen, PatG, 10. Aufl., § 9 Rn. 25 mwN). Der Erwerber eines solchen in dieser Weise in den Verkehr gebrachten Verfahrenserzeugnisses und seine eventuellen Rechtsnachfolger können dieses grundsätzlich in beliebiger Weise nutzen. Die Fabrikation der von Frau P. in Auftrag gegebenen 500 DVDs ist davon nicht ausgenommen. Für ihre Herstellung musste der als solcher identisch gebliebene codierte Videodatensatz lediglich auf einen Stempel übertragen werden, mit dem die Daten in optisch auslesbarer Struktur in die gewünschte Anzahl von DVD-Rohlingen eingepresst werden konnten (oben IV 1 a). Die erneute Anwendung des Verfahrens nach Patentanspruch 11 des Klagepatents war dafür nicht erforderlich, sondern dazu reichte die Verwendung der auf dem Masterband gespeicherten bereits erfindungsgemäß codierten Datenfolge aus. Danach kann von der unberechtigten Hervorbringung (weiterer) unmittelbarer Verfahrenserzeugnisse mangels erneuter Nutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens nicht gesprochen werden.
30
V. Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, in der Lieferung der angegriffenen DVDs liege zugleich eine mittelbare Verletzung der Ansprüche 21 und 25 des Klagepatents. Dies hat es im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei den hergestellten DVDs handele es sich um Mittel i.S. von § 10 Abs. 1 PatG, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezögen. Unter Schutz gestellt seien die mittels der patentgemäßen Vorrichtung zu decodierenden und dekomprimierenden Informations - und Aufzeichnungsstrukturen, die auf den Aufzeichnungsträgern physisch vorhanden und erst dadurch für die Decodierungsvorrichtung verarbeitbar seien. Bei der nach Patentanspruch 21 geschützten Vorrichtung würden komprimierte digitale Videosignale mit Informationen über die Reihenfolge der Anzeige dekomprimierter Halbbilder empfangen, identifiziert und in die richtige Reihenfolge eingeordnet. Die geschützte Vorrichtung setze damit eine Aufzeichnungsstruktur mit physikalischen Eigenschaften voraus, welche die optische Verwertbarkeit der gespeicherten Informationen verbesserten. Werde eine den maßgeblichen Teilen des MPEG-2Standards entsprechende DVD in ein serienmäßig mit einer erfindungsgemäßen Decodierungsvorrichtung ausgestattetes Abspielgerät eingelegt, werde diese erfindungsgemäße Vorrichtung unvermeidbar und unter Verwendung des ebenfalls geschützten Decodierungsverfahrens in Funktion genommen. Gebrauch des nach Patentanspruch 21 geschützten Gegenstands und Anwendung des nach Patentanspruch 25 unter Schutz gestellten Verfahrens seien unmittelbare Benutzungshandlungen i.S. von § 9 Satz 2 Nrn. 1 und 2 PatG. Die von der Beklagten hergestellten DVDs seien nicht als Mittel anzusehen, die für die Verwirklichung der geschützte Lehre allenfalls von völlig untergeordneter Bedeutung seien, sondern veranlassten Gebrauch und Anwendung des geschützten Gegenstands und Verfahrens entscheidend. Die Erfindung könne mittels der DVDs aufgrund der darauf bereitgestellten Aufzeichnungsstrukturen im Zusammenwirken mit anderen Mitteln unmittelbar ausgeführt werden. DVDs mit den in bestimmter Weise komprimierten Videosignalen auf der einen und Decodierungsvorrichtung bzw. -verfahren auf der anderen Seite seien speziell aufeinander abgestimmt, weshalb die Ersteren nicht einem bloß zu verarbeitenden Rohstoff gleichgesetzt werden dürften.
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VI. Die Bewertung der Lieferung der angegriffenen DVDs als mittelbare Verletzung der Ansprüche 21 und 25 des Klagepatents hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schützt § 10 Abs. 1 PatG als Patentgefährdungstatbestand den Patentinhaber im Vorfeld drohender Verletzung vor dem Eingriff in den Gegenstand seines Schutzrechts (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - X ZR 48/03, BGHZ 159, 76, 84 - Flügelradzähler; Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 113/04, GRUR 2007, 773 Rn. 18 - Rohrschweißverfahren).
Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks beschränkt das Tatbestandsmerkmal der "Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen", das Vorfeldverbot auf die Lieferung solcher Mittel, die nach ihrer Wirkungsweise geeignet sind, einen Eingriff in den Schutzgegenstand nach sich zu ziehen. Ein Mittel bezieht sich in der erforderlichen Weise auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens mit einem solchen Element funktional zusammenzuwirken. Von einem solchen funktionalen Zusammenwirken des Mittels mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs kann aber nur die Rede sein, wenn der geschützte Erfindungsgedanke durch Einsatz des Mittels tatsächlich verwirklicht wird. Das Kriterium der Eignung des Mittels, mit einem wesentlichen Element der Erfindung bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken, schließt demgegenüber solche Mittel aus, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden , zur Verwirklichung der technischen Lehre der Erfindung aber nichts beitragen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - X ZR 48/03, BGHZ 159, 76 - Flügelradzähler, Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 38/06, BGHZ 171, 168 Rn. 18 - Pipettensystem).
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2. An dem für die Verwirklichung einer mittelbaren Patentverletzung erforderlichen funktionalen Zusammenwirken mit einem oder mehreren Merkmalen der Patentansprüche 21 und 25 des Klagepatents fehlt es bei einer für die Decodierung nach dem erfindungsgemäßen Verfahren geeigneten DVD.
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Das Verfahren nach Patentanspruch 25 des Klagepatents besteht im Wesentlichen darin, erfindungsgemäß codierte Daten in bestimmter Weise zu decodieren, um die Bildwiedergabe durch das Wiedergabegerät zu ermöglichen. Die erfolgreiche Anwendung des Decodierungsverfahrens setzt somit zwar voraus, dass die Daten in geeigneter, hier ebenfalls erfindungsgemäßer Weise codiert sind; insofern müssen DVD und das Decodierungssystem und -verfahren, wie das Berufungsgericht zutref- fend ausführt, aufeinander abgestimmt sein. Dies ändert aber nichts daran, dass das Verfahren ausschließlich darin besteht, die Folge codierter Daten zu verarbeiten. Der erfindungsgemäße Erfolg besteht demgemäß, wie Patentanspruch 25 es ausdrückt, in der Erzeugung des aus den decodierten Daten gewonnenen Videosignals. Zu diesem Verarbeitungsvorgang und seinem Ergebnis leisten die nach Maßgabe von Patentanspruch 11 codierten Daten selber keinen Beitrag. Sie wirken nicht mit dem Decodierungssystem bei der Decodierung zusammen, sondern bilden deren Gegenstand und Ausgangspunkt, nicht anders als das Videobild den Gegenstand und Ausgangspunkt der Codierung bildet. Dieser Zusammenhang reicht für eine Einbeziehung in den mittelbaren Erfindungsschutz nach § 10 PatG nicht aus. Die mittelbare Patentverletzung setzt voraus, dass das gelieferte Mittel gleichsam als Element oder Baustein Verwendung findet, um wie ein "Rädchen im Getriebe", die geschützte Erfindung vollständig ins Werk zu setzen. Das Mittel muss dementsprechend in der Weise zur Verwirklichung der geschützten Erfindung beitragen, dass diese durch das Mittel oder mit Hilfe des Mittels vollständig verwirklicht werden kann. Einen solchen Stellenwert haben die gelieferten DVDs bzw. die darauf gespeicherten Videodaten für das nach den Patentansprüchen 21 und 25 geschützte System und Verfahren nicht. Beide sind ohne das Einlegen einer DVD in das Abspielgerät weder unvollständig noch funktionsuntauglich, sondern es fehlt dann lediglich an Bedarf und Anlass für die Inbetriebnahme des Systems und den Ablauf des Verfahrens.
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Die Lieferung einer DVD stellt mithin keine Lieferung eines "Mittels" im Sinne des § 10 PatG dar. Es kann daher offenbleiben, ob eine mittelbare Patentverletzung auch deshalb verneint werden müsste, weil die mit den DVDs belieferte Frau P. zwar insofern nicht zur Benutzung des erfindungsgemäßen Decodierungsverfahrens berechtigt gewesen ist, als ihr, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, hierfür keine Lizenz eingeräumt war, die Lieferung der DVDs gleichwohl eine unmittelbare Verletzung nur dann zur Folge hätte haben können, wenn die codierten Videobilddaten mittels eines Wiedergabegeräts decodiert worden wären, das ohne Zustimmung der Klägerin hergestellt worden ist, die Lieferung der DVDs mithin nicht geeignet gewesen ist, die Gefahr einer unmittelbaren Patentverletzung zu erhöhen oder eine solche unmittelbare Patentverletzung zu erleichtern und damit diejenige Rechtsverletzung zu fördern, deren Abwehr der Patentgefährdungstatbestand des § 10 PatG dient.
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VII. Auf der Grundlage des vorstehend Ausgeführten kann die Klägerin die begehrte Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen unmittelbarer Patentverletzung und die zur Bezifferung eines solchen Schadensersatzanspruchs dienende Rechnungslegung ebenso wenig verlangen wie die auf die geltend gemachte unmittelbare und mittelbare Patentverletzung gestützte Auskunft nach § 140b PatG, weil es an einer (vollendeten) Verletzungshandlung fehlt. Die begehrte Feststellung setzt ebenso wie die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung eine tatbestandsmäßig vollendete Verletzungshandlung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1964 - Ia ZR 223/63, GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II; Urteil vom 7. Juni 2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 854 - Antriebsscheibenaufzug; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn. 40; Busse/Keukenschrijver 6. Aufl. § 139 PatG Rn. 87; Mes, PatG GebrMG, 3. Aufl. § 139 PatG Rn. 118). Soweit nach teilweiser Klagerücknahme in der Berufungsinstanz und Erledigung in der Hauptsache noch rechtshängig , ist die Klage deshalb als unbegründet abzuweisen. Der Senat kann die Klageabweisung in diesem Umfang selbst aussprechen, weil die Sache nach dem festgestellten Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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VIII. Die Kostenentscheidung ist unter Berücksichtigung des teilweisen Unterliegens und Obsiegens (§ 92 Abs. 1 ZPO) und dabei hinsichtlich der für erledigt erklärten Unterlassungsansprüche nach den sich aus § 91a ZPO ergebenden Grundsätzen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Dafür ist der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens maß- geblich, sofern er mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann (BGH, Beschluss vom 16. November 1999 - KVR 10/98, WuW/E DE-R 420-422 = NJWRR 2000, 776 - Erledigte Beschwerde), was hier der Fall ist, weil es dafür nur auf Rechtsfragen ankommt. Danach sind die auf den Unterlassungsanspruch wegen unmittelbarer Patentverletzung (Patentanspruch 11) entfallenden Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses hätte die Klage insoweit im Ergebnis Erfolg gehabt. Zwar stand der Klägerin dieser Anspruch aus den dargelegten Gründen (oben IV 2 und vorstehend VII) nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu. Nach dem festgestellten Sachverhalt war jedoch die Gefahr zukünftiger Verletzungshandlungen (Erstbegehungsgefahr) gegeben, die den Ausspruch des Unterlassungsgebots getragen hätte. Diese Gefahr ergab sich daraus , dass die Beklagte bereit war, den von Frau P. erteilten Auftrag zur Lieferung der gewünschten DVDs auszuführen, obwohl sie die Gründe, aus denen sich die Erschöpfung der Rechte aus dem Klagepatent ergab, nicht kannte und sie auch sonst keinen Anlass zu der Annahme hatte, dass Frau P. berechtigt sein könnte, das patentierte Codierungsverfahren zu nutzen. Diese Zusammenhänge rechtfertigen die Prognose, dass die Beklagte nicht anders gehandelt hätte als im Streitfall, wenn ihr ein Angebot zur Herstellung von DVDs unter Umständen unterbreitet worden wäre, unter denen keine Erschöpfung der Rechte aus dem Klagepatent eingetreten wäre. Für die Kostenentscheidung unerheblich ist deshalb auch der Einwand der Beklagten , das Testgeschäft sei rechtsmissbräuchlich gewesen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Rechtsverletzung durch die Beklagte bestanden hätten - was das Berufungsgericht im Übrigen allerdings mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint hat.
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Die Gefahr einer zukünftigen Begehungshandlung durch die Beklagte ist auch nicht entfallen. Zwar kann die Erstbegehungsgefahr, anders als regelmäßig die Wiederholungsgefahr , nicht nur durch Abgabe einer uneingeschränkten, bedingungslo- sen und durch das Versprechen einer angemessenen Vertragsstrafe gesicherten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005, 848 - Antriebsscheibenaufzug). Gleichwohl kann der Wegfall der einmal begründeten Gefahr erstmaliger Begehung schutzrechtsverletzender Handlungen nur dann angenommen werden, wenn die Umstände entfallen sind, die diese Gefahr begründet haben, oder wenn aus anderen Gründen aus diesen Umständen nicht mehr auf eine drohende Schutzrechtsverletzung geschlossen werden kann. Dafür kommt im Streitfall im Wesentlichen nur die von der Beklagten vorprozessual abgegebene und im Rechtsstreit wiederholte Unterlassungserklärung infrage. Diese reichte aber aus denselben Gründen zur Ausräumung der Erstbegehungsgefahr nicht aus, wie sie nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung durch das Berufungsgericht nicht ausreichte, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Denn zur Beseitigung der Begehungsgefahr wäre mangels anderer von der Beklagten ergriffener Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Lieferungen, wie sie an Frau P. vorgenommen wurden, ebenfalls nur eine in der Sache so konkret wie der Klageantrag oder ein entsprechender Urteilstenor gefasste Unterlassungserklärung geeignet gewesen. Daran fehlt es aus den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommenen und für die Begehungsgefahr gleichermaßen geltenden Gründen.
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Die von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatz-, Auskunfts- und Rechenschaftslegungs- sowie (nur erstinstanzlich) Vernichtungsansprüche fallen nach den gesamten Umständen des Streitfalls wertmäßig i.S. von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erheblich ins Gewicht, so dass es nach allem angemessen ist, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.10.2008 - 4a O 95/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2010 - I-2 U 129/08 -

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Betrifft das Patent biologisches Material, das auf Grund einer Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist, so erstrecken sich die Wirkungen von § 9 auf jedes biologische Material, das aus diesem biologischen Material durch generative oder vegetative Vermehrung in gleicher oder abweichender Form gewonnen wird und mit denselben Eigenschaften ausgestattet ist.

(2) Betrifft das Patent ein Verfahren, das es ermöglicht, biologisches Material zu gewinnen, das auf Grund einer Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist, so erstrecken sich die Wirkungen von § 9 auf das mit diesem Verfahren unmittelbar gewonnene biologische Material und jedes andere mit denselben Eigenschaften ausgestattete biologische Material, das durch generative oder vegetative Vermehrung in gleicher oder abweichender Form aus dem unmittelbar gewonnenen Material gewonnen wird.

(3) Betrifft das Patent ein Erzeugnis, das auf Grund einer Erfindung aus einer genetischen Information besteht oder sie enthält, so erstrecken sich die Wirkungen von § 9 auf jedes Material, in das dieses Erzeugnis Eingang findet und in dem die genetische Information enthalten ist und ihre Funktion erfüllt. § 1a Abs. 1 bleibt unberührt.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

(2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt, wenn sie ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder wenn sie ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt oder bearbeitet wird oder bei dem es verwendet wird, zum Gegenstand haben. Biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war.

(3) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:

1.
Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;
2.
ästhetische Formschöpfungen;
3.
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
4.
die Wiedergabe von Informationen.

(4) Absatz 3 steht der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen, als für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)