Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 142/05

bei uns veröffentlicht am18.07.2006
vorgehend
Landgericht Köln, 8 O 264/04, 17.03.2005
Oberlandesgericht Köln, 16 U 25/05, 12.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 142/05 Verkündet am:
18. Juli 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 651 f, 823 Abs. 1 Aa, Dc, Eh
Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters erstreckt sich auch auf solche
Einrichtungen des Vertragshotels, die er im Reisekatalog nicht erwähnt hat, sofern
sie aus der Sicht des Reisenden als Bestandteil der Hotelanlage erscheinen. Dies gilt
auch, wenn der Hotelbetreiber für die Benutzung der Einrichtung ein gesondertes
Entgelt erhebt.
BGH, Urt. v. 18. Juli 2006 - X ZR 142/05 - OLG Köln
LG Köln
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. September 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 1, die eigene Ansprüche und abgetretene Ansprüche ihres Ehemanns geltend macht, und ihre beiden minderjährigen Söhne begehren von der beklagten Reiseveranstalterin wegen des Unfalltodes des dritten Sohns des Ehepaares und Bruders der Kläger zu 2 und 3 Schadensersatz und Schmerzensgeld für ihre psychischen Beeinträchtigungen.
2
Die Klägerin buchte für sich, ihren Ehemann, und die drei Kinder - die am 6. April 1990 geborenen Zwillinge P. und E. und den ein Jahr älteren T. - im Januar 2001 bei der Beklagten, die die Firma … Reisen betreibt, ei- ne Pauschalreise in ein auf der griechischen Halbinsel … gelegenes Hotel vom 26. Juli bis 9. August 2001 zum Preis von 6.927,-- DM.
3
Inmitten des Hotelkomplexes befand sich eine große Wasserrutsche, die in der Beschreibung des Hotels im Katalog der Beklagten nicht erwähnt war. Der Hotelier hatte sie erst nach der im Januar 2001 erfolgten Fertigstellung des Katalogs errichtet und zu Beginn der Saison in Betrieb genommen. Die Wasserrutsche war von einem niedrigen Gitterzaun umgeben. Der Zugang erfolgte über eine ansteigende Rampe, die auf eine 9 m hoch gelegene Plattform führte, wo ein Hotelangestellter das vom Hotelier erhobene Benutzungsentgelt von umgerechnet 9,-- € pro Tag kassierte bzw. kontrollierte und von wo vier unterschiedlich ausgestaltete und gewendelte lange Rutschen hinunter in ein etwa 9 x 10 m großes Auffangbecken führten, an dessen gegenüberliegender Wand eine Ausstiegstreppe lag. In der Wand unter den Enden der Rutschen befanden sich unter Wasser die Öffnungen von mehreren Absaugrohren mit einem Durchmesser von jeweils 12 cm, durch die das Wasser aus dem Becken wieder hinauf zum Einstieg der Rutschen gepumpt wurde. Diese Rohröffnungen waren nicht mit Abdeckgittern versehen. Der Hotelier hatte für die Anlage keine Baugenehmigung eingeholt und die Anlage nicht von der zuständigen Behörde abnehmen lassen. Auch die Beklagte hatte die Wasserrutsche keiner Sicherheitsprüfung unterzogen.
4
Am 1. August 2001 benutzten die Söhne der Klägerin mit Erlaubnis der Eltern diese Wasserrutsche. Der elfjährige P. geriet mit dem rechten Arm, der bis zur Schulter angesaugt wurde, in ein Ansaugrohr, konnte sich nicht befreien und ertrank. Die zur Beaufsichtigung des Beckens eingesetzte zweite Hotelangestellte war zu dieser Zeit entweder abwesend oder bemerkte den Vor- fall nicht. Wiederbelebungsversuche, an denen der Vater teilnahm, hatten keinen Erfolg.
5
Der Hotelier, sein für den Betrieb der Wasserrutsche verantwortlicher Sohn und die Aufsichtskraft wurden drei Jahre später durch ein griechisches Gericht wegen fahrlässiger Tötung, der Hotelier außerdem wegen Bauens ohne Baugenehmigung, jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, die für den Hotelier in eine Geldstrafe umgewandelt und für die beiden anderen Verurteilten zur Bewährung ausgesetzt wurde.
6
Die Klägerin zu 1, ihr Ehemann und die Kläger zu 2 und 3 leiden infolge des Todes von P. an posttraumatischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert , die der ärztlichen Behandlung bedürfen.
7
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Erstattung materiellen Schadens in Höhe von 3.054,84 €, ein angemessenes Schmerzensgeld für jedes Familienmitglied in der Größenordnung von 20.000,-- € abzüglich der vom Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits freiwillig geleisteten geringeren Beträge sowie schließlich die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle Schäden.
8
Landgericht und Berufungsgericht haben neben dem materiellen Schadensersatz ein Schmerzensgeld von jeweils 20.000,-- € zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision hat keinen Erfolg.
10
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
11
Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F. Die Beklagte habe schuldhaft die sie als Reiseveranstalterin treffende Verkehrssicherungspflichten verletzt. Sie sei verpflichtet gewesen, die Wasserrutsche nach Inbetriebnahme auf etwaige Sicherheitsmängel zu überprüfen. Ein Reiseveranstalter müsse alle sicherheitsrelevanten Teile der Hotelanlage vor Vertragsschluss und in regelmäßigen Abständen während der Vertragsdauer durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten auf Sicherheitsrisiken hin überprüfen, und zwar auch Einrichtungen des Leistungsträgers, die zwar nur gegen gesonderte Vergütung zu benutzen, aber für die jeweilige Urlaubsart durchaus typisch und so in den Betrieb des Leistungsträgers integriert seien, dass sie sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisenden als Teil seines Leistungsangebots darstellten. Das müsse für eine Freizeiteinrichtung wie die vorliegende, die integraler und wesentlicher Bestandteil des Hotelkomplexes sei, auch gelten, wenn sie im Katalog nicht gesondert erwähnt werde. Denn anderenfalls hätte es ein Reiseveranstalter in der Hand, sich seiner Überprüfungspflicht für möglicherweise riskante Einrichtungen des Leistungsträgers durch ein bloßes Nichterwähnen im Katalog zu entziehen. Falls dem Reiseveranstalter eine Feststellung von Risiken noch nicht möglich sei oder er eine Haftung nicht übernehmen wolle, bleibe es ihm unbenommen, seine Kunden unmissverständlich darüber zu informieren, dass die Einrichtung trotz des gegenteiligen Eindrucks nicht Teil seines Leistungsangebots sei.
12
Die Pflichtverletzung der Beklagten sei für den Unfalltod des Kindes kausal gewesen, das wegen der fehlenden Abdeckung des Absaugrohrs ums Leben gekommen sei. Diesen Mangel hätte ein geschulter Mitarbeiter, auf dessen Wissensstand es ankomme, feststellen können und müssen. Der prüfende Mitarbeiter habe sich jedenfalls über die Einhaltung der örtlichen Sicherheitsvorschriften und eine etwaige behördliche Abnahme zu unterrichten. Die Beklagte hätte nach dem Bekanntwerden des Risikos die Herstellung eines genehmigungsfähigen und für Benutzer der Anlage risikofreien Zustands veranlassen müssen. Notfalls hätte sie ihre Kunden über den Zustand der Anlage aufklären müssen, wobei eine Vermutung dafür spreche, dass das Kind bzw. seine Eltern dann von einer Benutzung der Anlage abgesehen hätten.
13
Weder das Kind noch die Eltern treffe ein Mitverschulden.
14
Die vom Landgericht zuerkannte Höhe des Schmerzensgeldes sei nicht zu beanstanden.
15
II. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen stand.
16
1. Zweckmäßiger Weise haben Landgericht und Berufungsgericht sich nur mit deliktischen Schadensersatzansprüchen befasst. Nach neuem Schadensersatzrecht wäre in erster Linie ein reisevertraglicher Ersatzanspruch wegen eines Reisemangels zu prüfen (§§ 651 f, 651 c Abs. 1 BGB), der mit der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zusammenfallen kann (OLG Düs- seldorf NJW-RR 2003, 59; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdn. 425). Dieser vertragliche Anspruch ist nach § 253 Abs. 2 BGB im Falle einer Gesundheitsverletzung auch auf Schmerzensgeld gerichtet. Letztere Vorschrift ist aber erst am 1. August 2002 in Kraft getreten und nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB auf den vorliegenden Unfall, der sich am 1. August 2001 ereignete, noch nicht anzuwenden. Nach dem alten Schadensersatzrecht in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung gab es einen Schmerzensgeldanspruch nur im Falle einer unerlaubten Handlung (§ 847 BGB a.F.).
17
2. Die deliktischen Schadensersatzansprüche der Kläger, die deutschem Recht unterliegen, weil der Ersatzpflichtige und die Verletzten zur Zeit des schädigenden Ereignisses den Sitz der Hauptverwaltung bzw. ihren Wohnsitz in Deutschland hatten (Art. 40 Abs. 2 EGBGB), sind aus §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 i.V.m. 847 Abs. 1 BGB a.F. begründet.
18
a) Die Beklagte haftet zwar nicht für das deliktische Verschulden des Hoteleigentümers und seiner Mitarbeiter, weil diese Personen mangels der erforderlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit nicht ihre Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB waren (BGH, Urt. v. 25.02.1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298, 303). Sie ist für die der Klage zugrunde liegenden Schäden jedoch selbst deliktsrechtlich verantwortlich. Diese beruhen auf einer Verletzung der sie treffenden Verkehrssicherungspflicht.
19
(1) Die Beklagte war verpflichtet, die Verkehrssicherheit der Wasserrutschenanlage zu überprüfen.
20
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Reiseveranstalter bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen eine eigene Verkehrssicherungspflicht. Bei der Ausübung eines Gewerbes sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.
21
Für die deliktsrechtliche Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ist von Bedeutung, welche rechtlichen Verpflichtungen ihm obliegen (BGHZ 103, 298, 304; v. 14.12.1999 - X ZR 122/97, NJW 2000, 1188; v. 12.03.2002 - X ZR 226/99, NJW-RR 2002, 1056). Der Reiseveranstalter übernimmt gemäß seinem Angebot die Planung und Durchführung der Reise, haftet insoweit für deren Erfolg und trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens. Deshalb darf der Reisende darauf vertrauen , dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt. Dazu gehört nicht nur die sorgfältige Auswahl der Leistungsträger, insbesondere der Vertragshotels, sondern der Reiseveranstalter muss diese auch überwachen. Somit ist er für die Sicherheit der Hotels selbst mitverantwortlich, mag auch die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber treffen. Nimmt ein Reiseveranstalter ein Hotel unter Vertrag, so muss er sich zuvor vergewissern, dass es einen ausreichenden Sicherheitsstandard bietet. Ist das Vertragshotel einmal für in Ordnung befunden worden, so befreit dies den Veranstalter nicht von der Pflicht, es regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten daraufhin überprüfen zu lassen , ob der ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist (BGHZ 103, 298, 305 f.).
22
bb) An diesen Grundsätzen gemessen war die Beklagte zu einer Sicherheitsprüfung der Wasserrutsche verpflichtet. Denn in der maßgeblichen Sicht der Reisenden (BGH NJW 2000, 1188) stellte sich die Wasserrutsche als Bestandteil der Hotelanlage dar. Dies ergibt sich aus den tatrichterlichen Feststellungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts, dass die Rutschenanlage im Innenbereich zwischen den beiden Gebäudereihen stand, die der Unterkunft der Gäste dienen, sich in der Nähe der anderen vom Hotel angebotenen Spielund Sportmöglichkeiten befand (Meerwasser-Swimmingpool, Kinderspielplatz, Tennisplatz) und ein integraler und wesentlicher Bestandteil des Hotelkomplexes war. Dem steht nicht entgegen, dass die Wasserrutsche mit einem niedrigen Metallzaun umgeben war. Die Eingitterung ließ den Aufgang zur Plattform der Rutsche frei und taugte schon deshalb nicht dazu, die Rutsche aus der Hotelanlage auszugliedern. Im Übrigen war das Gitter auch weder nach dem Vortrag der Kläger, es habe der Gefahrensicherung gedient, noch nach dem Vortrag der Beklagten, es habe die Entgeltzahlung sichern sollen, dazu bestimmt, eine die Rutsche von der Hotelanlage trennende Funktion zu erfüllen.
23
Der Pflicht der Beklagten, die Verkehrssicherheit der Wasserrutsche zu prüfen, steht nicht entgegen, dass die Wasserrutsche in dem - vor ihrer Errichtung fertiggestellten - Katalog der Beklagten nicht erwähnt war. Dieser Umstand führte zwar dazu, dass die Beklagte ihren Kunden keine funktionstüchtige Rutsche schuldete und somit ein etwaiger Wiederabbau oder eine Sperrung der Rutsche keinen Reisemangel bewirkt hätte, aufgrund dessen die Kunden reisevertragliche Gewährleistungsansprüche hätten erheben können. Umfang und Gegenstand der Leistungspflichten des Reiseveranstalters sind jedoch von der Reichweite seiner Verkehrssicherungspflicht zu unterscheiden. Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters ist nicht auf diejenigen Hoteleinrichtungen beschränkt, deren Vorhandensein er schuldet, sondern erstreckt sich grundsätzlich auf die ganze Hotelanlage mitsamt allen tatsächlich vorhandenen dazugehörigen Einrichtungen. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken der Verkehrssicherungspflicht, dass derjenige, der eine Gefahrenlage für Dritte schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern, indem er in seinem Verantwortungsbereich die zumutbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr trifft (BGH, Urt. v. 15.07.2003 - VI ZR 155/02, NJW-RR 2003, 1459). Der Reiseveranstalter hat seine Kunden in das Vertragshotel hineingeführt und ist somit dafür verantwortlich, dass sie sich, wie es das Recht jedes Hotelgastes ist, in der ganzen Anlage frei bewegen und alle ihnen zusagenden Einrichtungen benutzen. Deshalb ist der Reiseveranstalter für die Sicherheit sämtlicher den Reisenden zur Verfügung stehender Hoteleinrichtungen verantwortlich.
24
Keinesfalls muss der Reisende aus der Nichterwähnung einer Hoteleinrichtung im Katalog des Reiseveranstalters schließen, dass der Veranstalter diese aus seinem Leistungsangebot ausschließen und dafür keine Verantwortung übernehmen will. Denn für die Nichterwähnung kommen aus der Sicht des Reisenden verschiedene andere und näherliegende Gründe in Betracht, sei es, dass der Veranstalter eine Einrichtung für nicht der Erwähnung wert erachtet (z.B. ein Lesezimmer oder einen Ski-Abstellraum), sei es, dass die Einrichtung, wie im vorliegenden Fall, bei Redaktionsschluss für den Katalog noch nicht fertiggestellt war. Die Beschreibung des Hotels im Katalog erhebt in den Augen des Reisekunden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er kommt nicht auf den Gedanken, dass der Veranstalter für Hoteleinrichtungen, die vorhanden, aber nicht in der Beschreibung erwähnt sind, seine Haftung ausschließen will.
25
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats, mit dem er eine Leistungs- und Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters hinsichtlich eines vom Leistungsträger angebotenen Ausritts mit der Begründung bejaht hat, dass zur Bestimmung der Leistungsverpflichtungen des Reiseveranstalters der Reiseprospekt heranzuziehen sei und der Reiseveranstalter nicht nur dafür Sorge tragen müsse, dass die in der Reisebeschreibung angebotenen Sportmöglichkeiten überhaupt vorhanden seien, sondern auch dafür, dass die zur Ausübung der angebotenen Sportarten erforderlichen Einrichtungen für den Reisenden geeignet seien (NJW 2000, 1188, jurisRdn. 9-12). Damit ist nur (positiv) der Kreis der Gefahrenquellen beschrieben, für den der Veranstalter schon aufgrund seiner eigenen Erklärungen einzustehen hat. Der Entscheidung lässt sich jedoch nicht umgekehrt (negativ) entnehmen , dass eine eigene Prüfungspflicht schon dann entfällt, wenn die Leistung oder Einrichtung im Katalog nicht aufgeführt ist. Sie enthält daher keinen Grundsatz des Inhalts, dass eine Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters nur hinsichtlich solcher Leistungen in Frage kommt, die in der Reisebeschreibung genannt sind. Im vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, ob bei solchen Zusatzangeboten, die den Reisenden aus dem Bereich der Hotelanlage herausführen, wie z.B. Ausflüge oder Ausritte, die Erwähnung im Katalog eine Voraussetzung der Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters ist. Bei Einrichtungen, die ein Bestandteil der Hotelanlage sind, ist dies jedenfalls nicht der Fall.
26
Unerheblich für die Verkehrsicherungspflicht ist weiter, dass der Hotelbetreiber für die Benutzung ein gesondertes Entgelt verlangte. Dies entsprang ersichtlich dem Bestreben der Hotelleitung, die Kosten der Anlage nicht unterschiedslos auch auf solche Gäste umzulegen, welche die Rutsche gar nicht nutzen wollten, sondern nur diejenigen Gäste heranzuziehen, welche die Anlage tatsächlich in Anspruch nahmen, ebenso wie für andere Sonderleistungen - die abendliche Benutzung der Tennisplätze bei Flutlicht und die Kinderbetreuung - laut Katalog eine Gebühr zu entrichten war. Dass ein Benutzungsgeld für kostenträchtige Einrichtungen erhoben wird, hat nichts mit der Frage zu tun, ob die betreffende Einrichtung zur Hotelanlage und damit zu den der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters unterliegenden Bereich gehört.
27
Die Beklagte war deshalb verpflichtet, die Verkehrssicherheit der Wasserrutsche zu prüfen.
28
(2) Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte schuldhaft verletzt. Sie hat unstreitig keinerlei Überprüfung der Wasserrutsche vorgenommen, obwohl deren Errichtung und Inbetriebnahme ihrer örtlichen Reiseleiterin bekannt war und obwohl ihr eine zumutbare Prüfmaßnahme zu Gebote stand.
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In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bisher nur allgemein gehaltene Richtlinien zu Art und Umfang der vom Reiseveranstalter zu ergreifenden Prüfmaßnahmen entwickelt worden. Im Einzelfall hängen Art und Umfang der gebotenen Kontrolle, deren Unterlassung den Fahrlässigkeitsvorwurf begründet, von den jeweiligen besonderen Umständen ab und unterliegen der tatrichterlichen Würdigung, die mit der Revision nur beschränkt anfechtbar ist (BGHZ 103, 298, 305 ff.; Urt. v. 19.01.1993 - XI ZR 76/92, NJW 1993, 1066).
30
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dieser beschränkten revisionsrechtlichen Anfechtbarkeit die Feststellung des Berufungsgerichts standhält, einem geschulten Mitarbeiter der Beklagten hätte sich trotz fehlenden technischen Sachverstandes aufdrängen müssen, dass das Wasser im Becken der Rutsche im Wege eines Kreislaufssystems über Pumpen auch wieder abgesaugt wurde, dass es deswegen Absaugstellen geben musste und dass deren Überprüfung angezeigt war, und er hätte bei der sodann vorzunehmenden genauen Überprüfung das Fehlen der notwendigen Abdeckgitter vor den Absaugrohren festgestellt. Offenbleiben kann auch die sich in diesem Zusammen- hang stellende Frage, ob der prüfungsbeauftragte Mitarbeiter, so wie er z.B. die Treppen und Flure, die Aufzüge, Zimmer und Balkone selbst betreten und überprüfen musste (BGHZ 103, 298, 308), die Wasserrutsche persönlich hätte erproben müssen.
31
Denn jedenfalls ist die weiter vom Berufungsgericht vertretene Ansicht rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich zumindest beim Hotelbetreiber danach hätte erkundigen müssen, ob die Anlage von der zuständigen Behörde genehmigt und abgenommen worden war. Dazu war sie umso mehr verpflichtet, als es sich bei der Wasserrutsche, wie sich augenscheinlich aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern ergibt, um eine schon wegen ihrer Höhe und ihrer Kurven nicht ungefährliche technische Konstruktion handelte. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Beklagte sich im Falle einer bejahenden Antwort mit der örtlichen Baugenehmigung und -abnahme hätte zufriedengeben dürfen (vgl. die Bedenken in BGHZ 103, 298, 305). Da davon ausgegangen werde muss, dass Baugenehmigung und Bauabnahme aufgrund eines geordneten behördlichen Verfahrens und nicht ohne eine fachliche Prüfung der Rutschenanlage erteilt worden wären, war die Erkundigung danach jedenfalls ein geeigneter und erforderlicher erster Prüfungsschritt. Schon dessen Versäumung begründet den Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung.
32
b) Dass die Beklagte die gebotene Sicherheitsprüfung der Wasserrutsche versäumte, war auch kausal für den Tod des Kindes und damit für die psychischen Beeinträchtigungen der Eltern und Brüder, die durch diesen Tod herbeigeführt wurden. Bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, ist der Beweis des ersten Anscheins geboten, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht , der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (BGH, Urt. v. 14.12.1993 - VI ZR 271/92, NJW 1994, 945). So lag es hier, wo die Fragepflicht des Reiseveranstalters nach der Baugenehmigung und Bauabnahme für die Wasserrutsche verhindern sollte, dass Reisende durch deren Benutzung zu Schaden kamen. Der Beweis des ersten Anscheins kann nur durch feststehende Tatsachen entkräftet werden, welche die Möglichkeit eines anderen Geschehensverlaufs ernsthaft in Betracht kommen lassen (BGH aaO). Diesen Gegenbeweis hat die Beklagte nicht angetreten. Sie hat nicht einmal dargelegt, dass dann, wenn die Beklagte die fehlende Baugenehmigung und -abnahme entdeckt und gerügt hätte, der Hotelier das Baugenehmigungsverfahren nicht nachgeholt und dann die Bauaufsichtsbehörde nicht für die Anbringung von Schutzgittern vor den Absaugöffnungen gesorgt hätte.
33
c) Da nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen die durch den Tod des Kindes psychisch vermittelten seelischen Beeinträchtigungen der Eltern und Brüder Krankheitswert haben, also pathologisch fassbar sind und deshalb eine eigene Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen, und da sie für die Beklagte vorhersehbar waren , stehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 11.05.1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163; v. 04.04.1989 - VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; v. 30.04.1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 344) den Klägern die geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche dem Grunde nach zu.
34
d) Zu Recht hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Eltern und/oder des Kindes an dem tödlichen Unfall verneint. Seine Ansicht, die Eltern des Kindes hätten ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt, weil sie darauf hätten vertrauen dürfen, dass die Wasserrutsche, die gerade für Kinder im Alter von elf und zwölf Jahren attraktiv war, für diese Kinder keine lebensgefährlichen Gefahrenstellen aufweisen würde, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Hinsichtlich eines etwaigen Mitverschuldens des Kindes, das gegebenenfalls den Angehörigen zugerechnet werden müsste (BGHZ 56, 163, 169 f.), bestehen schon Bedenken, ob für den unbewiesenen Fall, dass das Kind seine Hand in das Rohr gesteckt haben sollte, überhaupt ein Mitverschulden angenommen werden dürfte. Auf diese Bedenken kommt es indes nicht an. Denn jedenfalls ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein etwaiges Mitverschulden des Kindes aufgrund des natürlichen kindlichen Spiel- und Entdeckungstriebes ganz hinter dem Verschulden des Reiseveranstalters zurücktreten würde, der keine Sicherheitsprüfung der gerade für Kinder gedachten Anlage vornahm, rechtlich nicht zu beanstanden.
35
e) Schließlich lässt auch die von Landgericht und Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes, die Aufgabe des hierbei durch § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters ist (BGH, Urt. v. 12.05.1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 341), keinen Rechtsfehler erkennen. Sie ist von der Revision auch nicht angegriffen worden.
Melullis Scharen Ambrosius
Kirchhoff Mühlens
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.03.2005 - 8 O 264/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.09.2005 - 16 U 25/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 142/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 142/05

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 253 Immaterieller Schaden


(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2006 - X ZR 142/05 zitiert 7 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen


(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

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IM NAMEN DES VOLKES
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der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter
Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das am 18. November 1999 verkündete Teilend- und Teilgrundurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klägerin Ansprüche wegen immaterieller Schäden (Schmerzensgeld) gegen den Beklagten zu 1 zuerkannt worden sind. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die 1969 geborene Klägerin buchte am 2. Oktober 1992 bei dem unter der Firma S. F. handelnden Beklagten zu 1 für die Zeit vom 13. bis zum 27. Februar 1993 eine Gruppenreise nach D. /K. nebst einem Helikopter-Skipaß für sechs Tage. Die Reise war in einer Reiseinformation und einem K. - Special näher beschrieben. Beide Beklagten bestätigten die Buchung schriftlich. Der Beklagte zu 2 begleitete die Reisegruppe, beauftragte einen Skiführer und sorgte vor Ort für Bergführer und Ausrüstung. Nach Reiseantritt unterzeichnete die Klägerin ein ihr vom Beklagten zu 2 vorgelegtes For-
mular, mit dem sie einen Anspruchs- und Klageverzicht wegen etwaiger Schäden aus der Teilnahme an dem gebuchten Helikopter-Skilauf erklärte.
Für den 22. Februar 1993 war ein Helikopter-Skilauf auf dem A. -Gletscher vorgesehen. Die Klägerin und ihre Mitreisenden wurden mit einem russischen Helikopter in etwa 4.000 m Höhe auf dem Gletscher abgesetzt und fuhren in Kleingruppen auf Skiern oder Snowboards zu Tal. Bei der zweiten Abfahrt stürzte die Klägerin mit ihrem Snowboard etwa 10 m tief in eine nicht weit von der vorgegebenen Spur quer zum Gletscherhang verlaufende Gletscherspalte.
Die äußerst schwierige Bergung der Klägerin hatte nach einigen Stunden Erfolg. Die Klägerin wurde von dem Reiseführer P. , russischen Bergführern und Reiseteilnehmern an der Unfallstelle in einen schwebenden Hubschrauber geschoben. Bei dem Unfall und der anschließenden Rettungsaktion wurde die Klägerin schwer verletzt. Sie ist seitdem querschnittsgelähmt.
Die Klägerin hat die Beklagten als Reiseveranstalter auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch genommen. Das Landgericht hat durch zwei Teilurteile ihre Klagen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat durch Teilend- und Teilgrundurteil den Klagen auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes dem Grunde nach stattgegeben und festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 22. Februar 1993, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen, und sämtliche weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen.

Mit ihren Revisionen haben die Beklagten zunächst ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiterverfolgt. Der Senat hat lediglich die Revision des Beklagten zu 1 teilweise, und zwar insoweit angenommen, als Ansprüche wegen immaterieller Schäden (Schmerzensgeld) gegen ihn zuerkannt worden sind. Insoweit verfolgt der Beklagte zu 1 sein Rechtsmittel weiter. Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten zu 1 hat Erfolg, soweit der Senat das Rechtsmittel angenommen hat; in diesem Umfang ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch gegen den Beklagten zu 1 aus unerlaubter Handlung zugesprochen. Es hat ausgeführt, als Reiseveranstalter seien die Beklagten verpflichtet gewesen, die von ihnen geschuldeten Reiseleistungen so zu organisieren und zu erbringen , daû eine über das bei Gletscherabfahrten bestehende allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdung der Klägerin ausgeschlossen war. Diese Verpflichtung hätten die Beklagten schuldhaft verletzt, da sie den Skiführer P. nicht detailliiert angewiesen hätten, nach welchen Gesichtspunkten die vorgesehenen Abfahrtstrecken auszuwählen seien und welche den Umständen nach gebotenen Sicherheitsmaûnahmen zu treffen seien, um die Abfahrtsteilnehmer vor Stürzen in Gletscherspalten zu bewahren. Eine schuldhafte Verletzung ihre
Organisationspflicht folge auch daraus, daû sie eine mit Helikopter -Skiabfahrten auf Gletschern unerfahrene und ungeeignete Person damit beauftragt hätten, die Abfahrtstrecken auf dem Gletscher auszuwählen und die Abfahrten zu organisieren. Bei der Auswahl des Zeugen P. hätten sie die gerade im Hinblick auf die Gefährlichkeit von Gletscherabfahrten gebotene Sorgfalt nicht beachtet. Der Zeuge P. sei zwar staatlich geprüfter SkiTourenwart und Bergund Skiführer. Zu seiner Ausbildung habe auch das Skifahren auf Gletschern gehört. Mit dem Helikopter-Skiing habe er indessen keine Erfahrung gehabt. Auch seien ihm die Gletscherverhältnisse im K. unbekannt gewesen. Die mangelnde Befähigung des Zeugen P. werde durch die Art und Weise belegt , wie er am Unfalltag den vorgesehenen Gletscherhang ausgewählt und wie er sodann die Abfahrten durchgeführt habe. Er habe bei der Untersuchung des Hanges die gebotene Sorgfalt nicht beachtet und die Abfahrtteilnehmer weder deutlich angewiesen, die von den Bergführern gezogenen Spuren nicht zu überschreiten, noch habe er nach Auftreten von Gletscherspalten bei der ersten Abfahrt Maûnahmen eingeleitet, um eine Gefährdung der Teilnehmer auszuschlieûen. Unerheblich sei, daû der Zeuge P. von dem Beklagten zu 2 angestellt worden sei. Der Beklagte zu 1 müsse sich zurechnen lassen, daû ein ungeeigneter Skiführer mit der Organisation der Gletscherabfahrt betraut worden sei. Maûgebend sei insoweit, daû beide Beklagten Reiseveranstalter gewesen seien und der Beklagte zu 2 nach der internen Aufgabenverteilung der Beklagten für die Organisation vor Ort zuständig gewesen sei. Hieraus folge, daû der Beklagte zu 2 den Zeugen P. auch im Namen des Beklagten zu 1 eingestellt habe.
II. Diese Würdigung hält den Angriffen der Revision nicht in vollem Umfang stand.
1. Der Beklagte zu 1 hat zwar unstreitig nicht an der Reise teilgenommen und war an dem Unfall und der Bergung der Klägerin nicht beteiligt. Zutreffend hat das Berufungsgericht aber angenommen, daû eine deliktsrechtliche Haftung des Beklagten zu 1 als Reiseveranstalter unter dem Gesichtspunkt einer Organisationspflichtverletzung (§§ 823, 847 BGB) in Betracht kommt.

a) Eine deliktsrechtliche Haftung setzt ein schuldhaftes Fehlverhalten voraus, das einen Schaden des Verletzten zur Folge hatte. Das Fehlverhalten kann auch in der Verletzung einer Sorgfaltspflicht begründet sein. Der Bundesgerichtshof hat sich mit der deliktsrechtlichen Haftung des Reiseveranstalters für Verletzungen von Sorgfaltspflichten bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reise vornehmlich mit der Frage befaût, welche Verkehrssicherungspflichten den Reiseveranstalter treffen. Danach hat der Reiseveranstalter bei Ausübung eines Gewerbes grundsätzlich diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urt. v. 15.4.1975 – VI ZR 19/74, VersR 1975, 812; BGHZ 103, 298, 304; Sen.Urt.v.14.12.1999 – X ZR 122/97, NJW 2000, 1188). Für die deliktsrechtliche Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ist deshalb von Bedeutung, welche vertragsrechtlichen Verpflichtungen ihm nach dem Gesetz und nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen typischerweise obliegen. Denn die gewerblichen Berufspflichten begründen und begrenzen zu-
gleich auch die Verkehrssicherungspflichten (BGHZ 103, 298, 304). Es gehört zu den Grundpflichten des Veranstalters, die Personen, deren er sich zur Ausführung seiner vertraglichen Pflichten bedient, hinsichtlich ihrer Eignung und Zuverlässigkeit sorgfältig auszuwählen (vgl. BGHZ 100, 185, 189). Darin erschöpft sich jedoch seine Verantwortung für die Vertragserfüllung nicht. Er muû regelmäûig den jeweiligen Umständen entsprechend seine Leistungsträger und deren Leistungen überwachen (BGHZ 103, 298, 305 m. w. Nachw.). Eine Kontrollpflicht besteht in der Regel auch hinsichtlich gesondert zu buchender Veranstaltungen des Leistungsträgers aufgrund des mit diesem bestehenden Vertragsverhältnisses (Sen.Urt. v.14.12.1999 ± X ZR 122/97, NJW 2000, 1188).
Diese Grundsätze gelten für die Organisationspflichten des Reiseveranstalters. Der Reiseveranstalter von Ski-Urlaubsreisen ist deshalb verpflichtet, die geschuldeten Reiseleistungen so zu organisieren und zu erbringen, daû eine über das bei Skiabfahrten bestehende allgemeine Risiko hinausgehende Gefährdung der Reiseteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Veranstalter von Helikopter -Skiing auf Gletschern hat darüber hinaus auch dafür Sorge zu tragen, daû zuverlässige, orts- und fachkundige Ski- und Bergführer sowie geeignete Flugzeuge zur Verfügung stehen und daû die Teilnehmer den Anforderungen einer Gletschertour entsprechend eingewiesen und ausgerüstet sind.

b) Mit Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt , welche konkreten Organisationspflichten der Beklagte zu 1 schuldhaft verletzt habe. Von dem Beklagten zu 1 als Reiseveranstalter könne nur gefordert werden, daû er fachkundige Personen einsetze, was durch die Anstellung des staatlich geprüften Skitourenwarts und Berg- und Skiführers P. gesche-
hen sei. Eine fehlende Befähigung des Zeugen P. könne aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abgeleitet werden.
Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht dessen Annahme einer für den Unfall der Klägerin ursächlichen, schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beklagten zu 1. Das Berufungsgericht hat eine Verletzung der Organisationspflicht durch beide Beklagte damit begründet, sie hätten den Zeugen P. detailliert anweisen müssen, nach welchen Gesichtspunkten dieser die vorgesehene Abfahrtstrecken auf dem Gletscher auszuwählen und welche Sicherheitsmaûnahmen er zu treffen hatte, um Unfälle auf dem Gletscher zu vermeiden. Es hat aber nicht festgestellt, ob der Beklagte zu 1 verpflichtet und überhaupt in der Lage war, fachkundige Anweisungen hinsichtlich der Auswahl der Gletscherabfahrten und der zu treffenden Sicherheitsmaûnahmen zu erteilten. Das Berufungsgericht hat dem Umstand kein Gewicht beigemessen, daû es sich bei der Ski-/Snowboardtour auf dem A. -Gletscher ausweislich des Reise-Prospekts um eine Sonderleistung des Beklagten zu 2 handelte, daû der Beklagte zu 1 nicht Reiseteilnehmer war, an dem Skifahrt-Programm der Reisegruppe nicht beteiligt war und daû er auf dessen Ausführung weder einen rechtlichen noch einen tatsächlichen Einfluû hatte. Der Beklagte zu 1 hatte den Skiführer P. , dessen Fehlverhalten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu dem Unfall der Klägerin führte, nicht mit der Durchführung der Gletschertouren beauftragt. Vielmehr wurde P. im Rahmen von Vertragsleistungen tätig, die nach dem Reiseprospekt von dem Beklagten zu 2 angeboten worden waren. Dafür sprach auch der formularmäûige Anspruchs- und Klageverzicht, welchen der Beklagte zu 2 der Klägerin erst nach Reiseantritt zur Unterzeichnung vorgelegt hatte. Der Beklagte zu 1 könnte angesichts dieser Umstände über seine vertraglichrechtliche
Haftung für materielle Schäden hinaus auch aus §§ 823, 847 BGB auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nur in Anspruch genommen werden, wenn feststünde, daû er seine Organisationspflicht verletzt hätte und dadurch der Unfallschaden der Klägerin eingetreten wäre. Dazu müûte das Berufungsgericht klären, ob die Klägerin konkrete Anweisungen über Abfahrtstrecken und Sicherheitsmaûnahmen an den Skiführer P. als vertragliche Pflichten des Beklagten zu 1 ansah, obwohl dieser an der Reise nicht teilnahm. Dabei müûte es feststellen, welche Bedeutung die interne Arbeitsaufteilung der Beklagten aus der Sicht der Reiseteilnehmer für den dem Beklagten zu 1 zuzurechnenden Pflichtenkreis hatte.
Die Annahme der Verletzung von Organisationspflichten des Beklagten zu 1 läût sich ohne weitere Feststellungen auch nicht darauf stützen, die Beklagten hätten einen mit Helikopter-Skiabfahrten auf Gletschern unerfahrenen und ungeeigneten Skiführer beauftragt, wofür auch der Beklagte zu 1 einzustehen habe. Soweit das Berufungsgericht die mangelnde Befähigung des Zeugen P. für die ihm übertragenen Aufgaben daraus herleitet, er habe keine Erfahrungen mit Helikopter-Skiing gehabt, hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt , daû der Unfall sich nicht bei dem an sich gefährlichen Absprung aus dem Hubschrauber ereignete; mangelnde Erfahrungen des Zeugen P. mit Helikopter-Skiing waren daher für den Unfall der Klägerin nicht ursächlich. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, Unerfahrenheit und Ungeeignetheit des Zeugen P. folgten daraus, daû er die Gletscherverhältnisse auf dem A. -Gletscher im K. nicht gekannt, er den Gletscherhang am Unfalltag nicht hinreichend sorgfältig untersucht und auûerdem die Abfahrtteilnehmer nicht ausreichend eingewiesen habe, könnte dies dem Beklagten zu 1 nur dann angelastet werden, wenn er im Rahmen seiner Organisationspflicht dafür hätte
Sorge tragen müssen, daû der von dem Beklagten zu 2 angestellte, durch den Nachweis staatlicher Prüfungen an sich als qualifiziert ausgewiesene und mit Gletscherabfahrten vertraute Berg- und Skiführer P. ungeachtet der Anwesenheit von vier russischen Bergführern auch auf seine Erfahrung in Skigebieten des K. hätte überprüft werden müssen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ohne weitere Feststellungen eine deliktsrechtliche Haftung des Beklagten zu 1 wegen mangelnder Anweisungen oder wegen Anstellung eines unerfahrenen oder ungeeigneten Skiführers auch nicht aus dessen Tätigkeit als Reiseveranstalter. Vor allem läût sich aus der internen Aufgabenteilung der Beklagten mangels tatsächlicher Feststellungen nicht schlieûen, daû der Beklagte zu 2 den Skiführer P. mit der Durchführung der Gletscherabfahrten auch im Namen des Beklagten zu 1 betraut hat. Der Umstand, daû der Beklagte zu 1 zusammen mit dem Beklagten zu 2 Reiseveranstalter war und deshalb der Klägerin aus Vertrag auf Ersatz der materiellen Schäden haftet, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme des Berufungsgerichts, die interne Aufgabenverteilung unter den Beklagten sei für die deliktsrechtliche Haftung ohne Bedeutung.
3. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen auch nicht die Annahme eines Auswahl- und Überwachungsverschuldens (§ 831 BGB) des Beklagten zu 1. Selbst wenn, wie das Berufungsgericht annimmt, der Skiführer P. für die ihm übertragene Aufgabe nicht befähigt war, und wenn der Beklagte zu 2 für das Fehlverhalten des Zeugen auch aus § 831 BGB haftet, steht bislang nicht fest, daû der gleiche Vorwurf widerrechtlicher Pflichtverletzung auch den Beklagten zu 1 trifft und ob der Zeuge P. Verrichtungsgehilfe des Beklagten zu 1 gewesen ist. Handelte es sich bei dem Skiprogramm auf dem
A. -Gletscher um eine Sonderleistung des Beklagten zu 2, so könnten Auswahl - oder Kontrollpflichten des Beklagten zu 1 ausgeschlossen sein.
III. Daher ist das angefochtene Teilend- und Teilgrundurteil im Kostenpunkt und im Umfang der Revisionsannahme aufzuheben. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.
Das Berufungsgericht wird, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien, festzustellen haben, welche konkrete Organisationspflicht der Beklagte zu 1 verletzt hat. Dabei wird es vor allem der Frage nachzugehen haben , ob den Beklagten zu 1 auch Organisationspflichten hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung des Skiprogramms in D. trafen und ob die Verletzung einer solchen Pflicht ursächlich für den Unfall der Klägerin war.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.