Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2016 - X ZR 2/14

bei uns veröffentlicht am21.04.2016
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 29/11, 06.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 2/14 Verkündet am:
21. April 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:210416UXZR2.14.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2016 durch die Richter Dr. Bacher, Gröning und Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 6. August 2013 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des deutschen Patents 195 19 060 (Streitpatents ), das am 2. März 1995 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft ein Kreissägeblatt mit nach außen in Stufen abnehmender Dicke und umfasst drei Patentansprüche. Patentanspruch 1, auf den die beiden weiteren Ansprüche zurückbezogen sind, lautet: "Kreissägeblatt mit radial nach außen in Stufen abnehmender Dicke, wobei um die Mittenbohrung des Sägeblattes (1) ein konzentrischer Absatz (d ) exakt gleicher Dicke (s ) vorgesehen ist, wobei außerhalb des
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1 konzentrischen Absatzes (d ) die Dickenänderung maximal 1,2 mm be-

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trägt, wobei außen im Bereich der Zähne eine Sägendicke einer Zahnverdickung (s ) vorhanden ist, wobei diese Sägendicke der Zahnverdi-

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ckung (s ) mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen lie-

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genden Dickenbereich des Sägeblattes (1) eine Ebene bildet."
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Hierbei ist das Bezugszeichen für das Sägeblatt, das im Streitpatent im Patentanspruch fälschlich mit (3) angegeben ist, korrigiert.
3
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommenen Kläger haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, für den Fachmann nicht ausführbar offenbart und gegenüber dem Inhalt der Anmeldung unzulässig erweitert. Der Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in zwei geänderten Fassungen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt und das Streitpatent hilfsweise in einer abermals geänderten Fassung verteidigt. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Streitpatent betrifft ein Kreissägeblatt mit einer nach außen in Stufen abnehmenden Dicke.
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1. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind im Stand der Technik Kreissägeblätter bekannt, bei denen die Dicke nach außen in einer Stufe abnimmt. Dazu verweist die Streitpatentschrift auf das deutsche Gebrauchsmuster 87 03 531 (Ni11), dessen Figur 2 nachstehend eingeblendet ist.


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Die Dicke des Sägeblattes nimmt hier von innen - Dicke F - nach außen - Dicke E - gestuft ab. Am äußeren Rand des Sägeblattes ist keine Verdickung vorhanden. Dadurch können sich - so die Streitpatentschrift - Probleme beim Richten und Kontrollieren sowie bei der Herstellung des Sägeblattes ergeben. Der Fachmann strebt ein möglichst planes Kreissägeblatt an, weil dabei weniger Schwingungen entstehen und das Blatt sauberer schneidet.
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2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, ein Kreissägeblatt bereitzustellen, das bezüglich seiner Planheit einfach und exakt kontrolliert sowie einfach und kostengünstig hergestellt werden kann.
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Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Sägeblatt mit folgenden Merkmalen vor: 1. Kreissägeblatt, 2. dessen Dicke radial nach außen in Stufen abnimmt; 3. um die Mittenbohrung des Sägeblattes ist ein konzentrischer Absatz (d4) exakt gleicher Dicke vorgesehen; 4. außerhalb des konzentrischen Absatzes (d4) beträgt die Dickenänderung maximal 1,2 mm; 5. das Sägeblatt weist im Bereich der Zähne eine Sägendicke einer Zahnverdickung (s4) auf; 6. diese Sägendicke der Zahnverdickung (s4) bildet mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes eine Ebene.
Aus der nachstehenden Figur 1 des Streitpatents sind die Durchmes10 ser d1 bis d6, aus der Figur 2 die Dicken s1 bis s4 eines Ausführungsbeispiels ersichtlich.

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3. Einige Merkmale bedürfen weiterer Erläuterung.
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a) Nach Merkmal 2 nimmt die Dicke des Sägeblattes radial nach außen in Stufen ab. Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dassder Fachmann, ein Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Werkzeugtechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion von Säge- und Schneidwerkzeugen, dies dahin versteht, dass die Dickenänderung durch Absätze, also mit signifikanter Kantenbildung, erfolgt. Die Verwendung des Plurals lässt erkennen, dass die Dicke in mindestens zwei Stufen abnimmt.
Sofern die Dickenänderung auf gleicher Höhe beidseits des Sägeblattes erfolgt, ist dies nach dem Sprachgebrauch des Streitpatents nur als eine Stufe anzusehen. Dies ergibt sich daraus, dass das Streitpatent bei der Erläuterung des Standes der Technik ausführt, das deutsche Gebrauchsmuster 87 03 531 zeige ein Kreissägeblatt mit einer Stufe.
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b) Nach Merkmal 5 ist außen im Bereich der Zähne eine Zahnverdickung vorhanden, die eine Dicke s4 aufweist. Die Zahnverdickung bildet nach Merkmal 6 mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes eine Ebene. Während nach Merkmal 2, wie ausgeführt, die Dicke des Sägeblattes radial nach außen in Stufen abnimmt, ist hiernach außen, im Bereich der Sägezähne, eine Verdickung des Sägeblattes vorgesehen, die als Zahnverdickung bezeichnet wird und eine bestimmte, als Sägedicke s4 bezeichnete Stärke aufweist, die diejenige des sich nach innen anschließenden Bereichs des Sägeblattes übersteigt. Wie weit sich die Zahnverdickung radial nach innen erstreckt, ist in Patentanspruch 1 nicht zahlenmäßig festgelegt. Aus dem Zusammenhang des Anspruchs 1 ergibt sich jedoch, dass der Bereich der Zahnverdickung im Verhältnis zu den übrigen Bereichen des Sägeblatts schmal ausgebildet sein muss. Die mit der Zahnverdickung erstrebten Vorteile erfordern keine größere radiale Erstreckung der Zahnverdickung , zudem führte eine solche dazu, dass die Vorteile verloren gingen, die mit der in Stufen abnehmenden Dicke des Kreissägeblatts (Merkmal 2) angestrebt werden.
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Bildet diese Verdickung gemäß Merkmal 6 mindestens auf einer Seite eine Ebene mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich, kann die Ausrichtung des Sägeblatts, etwa bei der Herstellung und beim Richten, leichter überprüft werden, etwa durch Anlegen eines Lineals. Dies ist anhand der oben eingeblendeten Figur 2 nachvollziehbar, bei der die Sägendicke s4 im Bereich der Zahnverdickung der Stärke s1 des weiter innen liegenden Dickenbereichs entspricht, so dass das Sägeblatt auf eine ebene Fläche - etwa ein Lineal - gelegt werden kann und darauf in den Bereichen der Stärken s1 und s4 aufliegt. Der Umstand, dass die in Figur 2 angedeuteten Zähne eventuell eine noch größere Dicke aufweisen, hier die Zahnbreite A, steht dem nicht entgegen, da ein Lineal so eingesetzt werden kann, dass es nicht an einem Zahn, sondern hinter diesem an der Zahnverdickung anliegt.
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Es könne offenbleiben, ob die Lehre des Streitpatents ausführbar sei oder auf einer unzulässigen Erweiterung beruhe. Es komme auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 neu sei, denn er habe sich für den Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
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Die US-Patentschrift 4 979 417 (Ni1) zeige ein Kreissägeblatt, welches die Merkmale 1 bis 4 aufweise. Eine Zahnverdickung sei dort aber nicht offenbart , vielmehr handle es sich bei dem in Ni1 mit dem Bezugszeichen 22 versehenen Element um einen Zahn, der auf den Metalltragkörper aufgelötet sei.
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Der Fachmann kenne jedoch unterschiedliche Arten von Kreissägeblättern und werde daher auch die deutsche Offenlegungsschrift 24 53 205 (Ni8) zu Rate ziehen. Aus dieser sei bekannt, Kreissägeblätter mit unterschiedlichen Dickenbereichen durch Stanzen oder Schneiden eines Sägeblattrohlings aus einer ebenen Stahlplatte herzustellen und kreisförmige bzw. konzentrische Vertiefungen einzuarbeiten, die in den Figuren 1 und 2 der Ni8 zu erkennen und in Figur 2 mit den Bezugsziffern 6 und 7 bezeichnet seien.
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Aus dem Umstand, dass die kreisförmigen Spuren (6, 7) eingeschliffen werden, ergebe sich notwendig, dass das Stammblatt außerhalb dieser Spuren, also im Bereich der Zähne, wieder die ursprüngliche Dicke aufweise, so dass dort - nach der Formulierung des Streitpatents - eine Sägendicke einer Zahnverdickung vorhanden sei. Diese bilde, bedingt durch das bei Ni8 verwendete Herstellungsverfahren, mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich (Bezugsziffer 3) des Sägeblattes eine Ebene. Die Dickenänderung im Bereich der Spuren (6, 7) betrage 0,5 bis 0,7 mm, also weniger als 1,2 mm. Damit seien in Ni8 die Merkmale 1 sowie 3 bis 6 offenbart.
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Der Fachmann habe die Wahl gehabt, ob er das Kreissägeblatt wie in Ni1 stufenförmig ausgestalte oder Vertiefungen vorsehe, wie sie in Ni8 beschrieben seien. Dass mehrere gleichwertige Lösungswege verfolgt werden, stelle kein wesentliches Argument für die Annahme erfinderischer Tätigkeit dar. Ergebe sich - wie hier - aus dem Stand der Technik eine überschaubare Zahl möglicher Lösungsansätze, von denen jeder spezifische Vor- und Nachteile habe, gebe dies in der Regel Veranlassung, jeden dieser Lösungsansätze in Betracht zu ziehen. Wolle der Fachmann die stufenförmige Gestaltung des Sägeblattes beibehalten und gleichwohl die für seine Aufgabe relevanten Vorteile der Ni8 erzielen, werde er bei der Bearbeitung des Sägeblattrohlings einen unbearbeiteten Bereich belassen, so dass er zwangsläufig einen gegenüber dem abgetragenen Bereich verdickten Bereich erhalte, der mit einem radial weiter innen liegenden, ebenfalls unbearbeiteten Dickenbereich des Sägeblattes eine Ebene bilde.
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Zu demselben Ergebnis führe es, wenn der Fachmann von der Ni8 ausgehe , die ihm die Merkmale 1 sowie 3 bis 6 offenbare. Auf der Suche nach geeigneten Vorbildern werde er auch auf die Ni1 zurückgreifen, die ihn darauf hinweise, dass die radial in zwei Stufen abnehmende Dicke die Vorteile einer Steigerung der Geschwindigkeit der Säge und damit eine höhere Betriebsdrehzahl und eine geringere Sägendicke verspreche. Dadurch veranlasst werde der Fachmann auch für die in Ni8 beschriebene Gestaltung eine in zwei Stufen abnehmende Dicke in Erwägung ziehen, zumal die Problemstellungen der Ni1 und der Ni8 in die gleiche Richtung zielten. Auch erkenne er, dass ein Sägeblatt mit in Stufen abnehmender Dicke ohne wesentliche Zusatzkosten herstellbar sei. Dabei werde er im Bereich der Zähne einen unbearbeiteten Bereich belassen, weil dies einerseits durch Ni8 vorgegeben sei und er andererseits erkenne, dass hiermit weitere aufgabengemäße Vorteile, insbesondere eine einfachere Vermessung der Säge sowie eine Vergrößerung der Lötflächen einhergingen.
22
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
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1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist - wie auch das Patentgericht zutreffend angenommen hat - durch den Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt nicht vorweggenommen.
24
a) Die US-Patentschrift 4 979 417 (Ni1) nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vollständig vorweg.
25
aa) Beschrieben wird dort ein Kreissägeblatt, dessen Dicke radial nach außen in mehreren Stufen abnimmt (Merkmale 1 und 2). Um die Mittenbohrung des Sägeblattes ist ein konzentrischer Absatz exakt gleicher Dicke vorgesehen (Merkmal 3). In der Beschreibung heißt es zu einem Ausführungsbeispiel , dass die Stärke des Sägeblattes von 0,130 Zoll im Bereich des konzentrischen Absatzes um die Mittenbohrung auf 0,050 Zoll und weiter auf 0,040 Zoll abnehme (Sp. 6, Z. 55 ff.). Die Dickenänderung beträgt damit außerhalb des konzentrischen Absatzes 0,01 Zoll, was etwa 0,25 mm entspricht. Damit ist auch Merkmal 4 offenbart.
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bb) Das Patentgericht hat zutreffend ausgeführt, dass Ni1 - entgegen der Ansicht der Kläger - die Merkmale 5 und 6 nicht vorwegnimmt. Bei dem mit dem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 mit dem Bezugszeichen (22) bezeichneten Element handelt es sich nicht um eine Verdickung des Sägeblattes , die den Sägezahn darstellt oder diesen trägt, sondern um den Zahn, der am Sägeblatt angebracht wird.


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Die Ni1 erwähnt zwar, dass die Zähne aus unterschiedlichem Material sein können, auch aus dem Stahl, aus dem die Säge selbst besteht (Sp. 6, Z. 30-32). Sie geht jedoch durchweg davon aus, dass es sich bei den Zähnen um selbständige, vom Sägeblatt zu unterscheidende Elemente handelt, die vom Sägeblatt getragen werden. Schon im Eingang ist von einer Säge die Rede, die periphere Schneidezähne tragen solle (Sp. 1, Z. 6-10), ferner wird erläutert (Sp. 6, Z. 47 f.), dass der dünnste, periphere Bereich des Sägeblattes die Zähne trage (This peripheral member 20 supports teeth 22 on the edge of the saw.) Auch der Anspruch spricht von supported peripheral teeth. Angesichts dessen kann aus dem Umstand, dass das Vorrichtungselement 22 ebenso schraffiert ist wie die weiter innen liegenden Bereiche (16, 18) des Sägeblattes, nicht der Schluss gezogen werden, es handle sich dabei um eine Verdickung des Sägeblattes. Damit ist Merkmal 5 nicht offenbart. Entgegen der Behauptung der Kläger bildet das Element 22 zudem nicht eine Ebene mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich. Sowohl die Figur 1 als auch Figuren 3A bis 3E zeigen vielmehr Gestaltungen, bei denen das Element 22 dicker ist als die Bereiche 16 und 18 des Sägeblattes. Sowohl in der Zusammenfassung als auch in Sp. 4, Z. 40-45 der Beschreibung heißt es dazu, das radiale Zwischenelement (inter- mediate radial member) 18 weise eine geringere Dicke als der Sägeschlitz (kerf) auf (Abstract und Sp. 4, Z. 40-45), dessen Dicke durch die Breite des Zahns bestimmt wird, so dass auch Merkmal 6 nicht vorweggenommen ist. Letztlich unterscheidet sich die Ni1 nur insoweit von der im Streitpatent als Stand der Technik beschriebenen Ni11, als die Dicke des Sägeblattes nicht nur in einer Stufe, sondern in mehreren Stufen abnimmt.
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b) Die deutsche Offenlegungsschrift 24 53 205 (Ni8) nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls nicht vollständig vorweg.
29
Ausgangspunkt der Ni8 ist die Forderung, Kreissägeblätter aus Stahl so auszubilden, dass sie beim Betrieb weniger Lärm verursachen. Hierzu schlägt die Schrift vor, in dem Sägeblatt, das im Übrigen eine durchgehend gleichbleibende Stärke aufweist, eine peripher umlaufende, sich zwischen den Säge- zahnlücken (4) erstreckende Zone vorzusehen, die etwas schwächer ausgebildet ist als das Stammblatt. Dies wird durch kreisringförmige Vertiefungen erreicht , die in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 dargestellt und in Figur 2 mit den Bezugszeichen 6 und 7 versehen sind. Fig. 2
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Ni8 zeigt mithin zwar ein Kreissägeblatt, doch nimmt dessen Dicke nicht radial nach außen in Stufen ab, sondern ist - abgesehen von einer stärkenreduzierten Zone im Bereich der Sägezahnlücken - durchweg von gleicher Stärke (Merkmal 2). Entsprechend fehlt es auch an einer Vorwegnahme von Merkmal 3, weil nicht der gesamte Bereich des Sägeblattes bis zum Beginn der Stärkenreduzierung als konzentrischer Absatz um die Mittenbohrung angesehen werden kann. Nach den Angaben auf S. 4 der Ni8 hat die reduzierte Zone eine Tiefe von 0,5 bis 0,7 mm, so dass die Dickenänderung unter 1,2 mm liegt (Merkmal 4). Außerhalb der reduzierten Zone hat das Sägeblatt wieder das gleiche Maß wie im weiter innen liegenden Bereich des Sägeblattes. Setzt man diese Dicke des Sägeblattes in Relation zu der sich anschließenden reduzierten Zone , mag man allerdings von einer Zahnverdickung sprechen (Merkmal 5), die dann auch mit dem weiter innen liegenden Teil des Sägeblattes eine Ebene bildet (Merkmal 6).
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c) Die deutsche Patentanmeldung 32 16 357 (Ni9) zeigt ein Kreissägeblatt bei welchem ein Stützring in die Ausnehmung eines Stammblatts eingesetzt wird. Da sich das dort beschriebene Kreissägeblatt aus dem Stammblatt und dem in diesem eingesetzten Stützring zusammensetzt, fehlt es bereits an der Offenbarung von Merkmal 2. Figur 1 der Ni9 ist nicht zu entnehmen, dass die Dicke dieser Zusammensetzung radial nach außen in Stufen abnimmt. Selbst wenn man insoweit nur auf das Stammblatt abstellte, ist eine Verringerung der Dicke in mehreren Stufen nicht offenbart, denn entgegen der Darstellung der Kläger versteht es sich für den Fachmann nicht von selbst, dass das Sägeblatt eine weitere Verdickung um die Mittenbohrung aufweist; soweit ein Flansch erforderlich ist, kann dieser auch an der Einspannvorrichtung vorgesehen sein. Ferner fehlt es an einer Vorwegnahme von Merkmal 4. Aus Ni9 ergibt sich nicht, ob das mit dem Bezugszeichen 3 bezeichnete Element einen aufgelöteten Zahn oder eine Zahnverdickung darstellt, so dass auch Merkmal 5 nicht offenbart ist. Zudem liegt das Element 3 nicht in einer Ebene mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes, so dass Merkmal 6 gleichfalls nicht offenbart ist.
32
d) Soweit die Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug ein Kreissägeblatt vorgelegt und behauptet haben, dieses sei im Prioritätszeitpunkt Stand der Technik gewesen, ist dieses vom Beklagten bestrittene Vorbringen nach § 117 Satz 1 PatG i.V. mit §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen. Die Kläger haben nicht dargetan, warum es nicht auf Nachlässigkeit beruht, dass sie dies erst jetzt vortragen.
33
2. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts legt der Stand der Technik die erfindungsgemäße Lehre nicht nahe.
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a) Der Fachmann, der von der Ni1 ausgeht, erhält aus dem Stand der Technik keine Anregung, die dort beschriebene Gestaltung zum Gegenstand von Patentanspruch 1 weiter zu entwickeln.
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Im Stand der Technik sind einerseits Kreissägeblätter bekannt, bei denen die Dicke nach außen in Stufen oder durch eine konische Gestaltung (siehe etwa Figur 2A der Ni1) abnimmt. Solchen Sägeblättern stehen andere gegenüber , bei denen die Dicke über das gesamte Blatt im Grundsatz unverändert bleibt und allenfalls in bestimmten, begrenzten Bereichen eine Reduzierung der Stärke vorgesehen ist, die etwa dazu dient, mehr Spielraum für den Schnitt zu schaffen (Ni2) oder eine Geräuschminderung zu bewirken (Ni8). Es ist deshalb bereits nicht ohne Weiteres zu erwarten, dass der Fachmann, der sich mit einem Kreissägeblatt beschäftigt, bei dem die Dicke nach außen abnimmt, auch auf Stand der Technik zurückgreift, der sich mit Kreissägeblättern grundsätzlich gleichbleibender Dicke befasst.
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Aus der Ni8 ergibt sich zudem keine Anregung, bei einem Sägeblatt mit radial nach außen abnehmender Dicke ganz außen eine Zahnverdickung vorzusehen , die in einer Ebene mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich liegt. Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass sich Ni8 allein mit der Vertiefung (6, 7) befasst, die in dem Sägeblatt im Bereich der Sägezahnlücken vorgenommen werden soll, um die Geräuschentwicklung zu dämpfen. Dass die Dicke im sich außen anschließenden Bereich wieder zu derjenigen zurückkehrt, die das Sägeblatt weiter innen aufweist, spricht Ni8 nicht an. Dies ergibt sich allein daraus, dass sie ein Kreissägeblatt einheitlicher, gleichbleibender Stärke zugrunde legt. Dementsprechend befasst sich Ni8 auch nicht mit den technischen Wirkungen oder gar mit besonderen Vorteilen, die damit einhergehen, dass das Sägeblatt im Bereich der Zähne wieder die ursprüngliche Stärke aufweist. Dies erklärt sich daraus, dass sich die in der Streitpatentschrift geschilderten Probleme beim Richten und Kontrollieren eines Sägeblattes, dessen Dicke radial nach außen abnimmt, bei einem Sägeblatt grundsätzlich gleichbleibender Stärke, wie es Ni8 zeigt, nicht stellen.
37
b) Zu keinem anderen Ergebnis führt es, wenn als Ausgangspunkt nicht Ni1, sondern Ni8 angenommen wird. Entsprechend den Ausführungen oben unter a ist nicht zu erwarten, dass der Fachmann, der sich mit einem Kreissägeblatt grundsätzlich gleicher Stärke befasst, auf Stand der Technik zurückgreift , der sich mit Kreissägeblättern befasst, die schon vom Ansatz her ein anderes Konzept verfolgen, indem sie eine radial nach außen abnehmende Dicke aufweisen.
38
Es ist zudem nicht ersichtlich, wodurch der Fachmann die Anregung erhalten sollte, statt der in Ni8 vorgesehenen Zone reduzierter Stärke eine Gestaltung zu wählen, bei der die Dicke des Sägeblattes, wie in Ni1 gezeigt, radial nach außen in mehreren Stufen abnimmt. Die stärkenreduzierte Zone der Ni8 zielt auf eine Geräuschminderung. Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann sich eine weitere Geräuschminderung dadurch verspricht, dass die Dicke des Sägeblattes nach außen in mehreren Stufen abnimmt, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich, sie lassen sich insbesondere Ni1 nicht entnehmen.
39
3. Die Entscheidung des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 119 Abs. 1 PatG). Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen, der mit dem Inhalt der Offenlegungsschrift übereinstimmt , hinaus.
40
a) Nach § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG ist ein Patent für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist. Der danach maßgebliche Inhalt der Anmeldung ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln, mithin nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Ansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der Anmeldung als zur Erfindung gehörend entnehmen kann (BGH, Urteil vom 17. Februar 2015 - X ZR 161/12, BGHZ 204, 199 Rn. 21 - Wundbehandlungsvorrichtung).
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Hierbei ist eine Fassung des Patentanspruchs, die gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eine Verallgemeinerung enthält, nicht unter allen Umständen ausgeschlossen. Solche Verallgemeinerungen sind vielmehr unter der Voraussetzung zulässig, dass sich die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der im Patent umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der im Patent offenbarten Allgemeinheit bereits den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGHZ 204, 199 = GRUR 2015, 573 Rn. 29 - Wundbehandlungsvorrichtung ; Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 Rn. 23 = GRUR 2014, 542 Rn. 24 - Kommunikationskanal).
42
Solche Verallgemeinerungen sind in der Rechtsprechung des Senats vor allem dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels , die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (BGHZ 200, 63 Rn. 23 = GRUR 2014, 542 Rn. 24 – Kommunikationskanal, mwN). Unzulässig ist eine Verallgemeinerung hingegen insbesondere dann, wenn den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist, dass einzelne Merkmale in untrennbarem Zusammenhang miteinander stehen, der Patentanspruch diese Merkmale aber nicht in ihrer Gesamtheit vorsieht (BGHZ 204, 199 = GRUR 2015, 573 Rn. 31 - Wundbehandlungsvorrichtung

).

43
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen geht der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.
44
aa) Das Streitpatent befasst sich allerdings nicht mit der in der Offenlegungsschrift im Mittelpunkt stehenden Problematik, dass bei Kreissägeblättern unterschiedliche tangentiale Fliehkraftspannungen auftreten, die zu unterschiedlichen Dehnungen des Kreissägeblattes führen und die dynamische Steifheit des Blattes beeinträchtigen.
45
In der Offenlegungsschrift wird hierzu ausgeführt, im Stand der Technik sei es bekannt gewesen, das Sägeblatt zum Ausgleich dieser Kräfte mit Innenspannungen zu versehen. Diese wiesen aber den Nachteil auf, dass sie nur partiell ringförmig eingebracht würden und damit nicht in der Lage seien, den stetigen, radial sich verändernden Verlauf der tangentialen Fliehkraftspannungen zu kompensieren. Dies führe dazu, dass die Steifheit der Säge mit zunehmender Drehzahl und damit zunehmenden Fliehkraftspannungen und Dehnungsdifferenzen geringer werde. Zudem bauten sich die Innenspannungen mit der Zeit ab. Bekannt sei ferner, ein Sägeblatt um die Bohrung bundartig zu vergrößern , doch sei dies bislang nicht im Hinblick auf den Ausgleich der Fliehkraftdehnung geschehen, sondern aus anderen Gründen (Sp. 1, Z. 3-15).
46
Die Offenlegungsschrift bezeichnet das technische Problem, das sich vor diesem Hintergrund stelle, dahin, ein Kreissägeblatt bereitzustellen, dessen Dicke so gestaltet sei, dass die Fliehkraftdehnungen im gesamten Blatt etwa gleich seien, so dass Innenspannungen nicht mehr oder nur noch in sehr geringem Umfang erforderlich seien (Sp. 1, Z. 27-37).
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Zur Lösung dieser Aufgabe wird sodann (Sp. 1, Z. 38-59) ein Sägeblatt beschrieben, dessen Dicke radial nach außen stetig oder in Stufen abnehme, wobei um die Mittenbohrung ein konzentrischer Absatz exakt gleicher Dicke vorgesehen sei. Die Abstufung der Dicken soll dabei so erfolgen, dass das Integral der Kurve der tangentialen Fliehkraftspannungen einer Säge mit einer gleichförmigen Dicke bei gleicher Drehzahl und ansonsten gleichen Maßen in etwa gleich sei dem Integral des Verlaufs der abnehmenden Dicken des erfindungsgemäßen Sägeblattes im gleichen Integrationsbereich. Dabei sollen sich beide Kurven im Punkt für den Zahngrund schneiden. Ergänzend ist angegeben , dass die Zunahme der Dicke von außen nach innen im Bereich der Eindringtiefe in das Schnittgut nur so groß sein dürfe wie der Zahnüberstand minus einer Abstandstoleranz. Daraus ergebe sich, dass die Dickenzunahme von außen nach innen, zur Bohrung hin, idealerweise etwas größer sei als es der Funktion von σ tang entspreche.
48
In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen in der Beschreibung ist Anspruch 1 der Offenlegungsschrift auf ein Kreissägeblatt mit radial nach außen stetig und/oder in Stufen abnehmender Dicke gerichtet, bei welchem die Sägendicke außerhalb des Außendurchmessers des inneren Absatzes (d4) radial nach außen etwa in der Form abnimmt, wie die tangentiale Fliehkraftspannung (σ tang) im gleichen Durchmesserbereich bis zum Zahngrunddurchmesser , wobei das Integral der Kurve der tangentialen Fliehkraftspannung einer Säge mit einer gleichförmigen Dicke und aller geometrischen Größen außer den Dicken des Sägeblattes im radialen Bereich etwa gleich dem Integral des Verlaufs der Sägendicken des Sägeblattes im gleichen radialen Integrationsbereich ist und sich die Kurven im Punkt für den Zahnpunkt schneiden und wobei die Dickenänderung außerhalb des konzentrischen Absatzes maximal 1,2 mm beträgt.
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Das in der Offenlegungsschrift offenbarte Kreissägeblatt wird damit dadurch gekennzeichnet, dass das Maß, in welchem die Dicke ab dem die Mittenbohrung umgebenden konzentrischen Absatz exakt gleicher Dicke nach außen hin abnimmt, auf den Verlauf der tangentialen Fliehkraftspannungen abgestimmt ist, um die sich aus den Fliehkraftspannungen ergebenden Dehnungen zu kompensieren.
50
bb) Das vom Streitpatent behandelte Problem und die hierfür beanspruchte Lösung werden in der Offenlegungsschrift jedoch ebenfalls offenbart.
51
In der Beschreibung der Offenlegungsschrift heißt es, ein erfindungsgemäßes Sägeblatt könne außen im Bereich der Zähne mindestens auf einer Seite Verdickungen aufweisen, die mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich eine Ebene bilden. Dies diene der einfacheren Vermessung der Säge, der Kostensenkung in der Herstellung und der Vergrößerung der Lötflächen (Sp. 1, Z. 68 bis Sp. 2, Z. 7). In Übereinstimmung damit ist Unteranspruch 7 der Offenlegungsschrift auf ein Kreissägeblatt nach Anspruch 1 oder einem der auf Anspruch 1 rückbezogenen vorausgehenden Unteransprüche gerichtet, bei dem die Sägendicke der Zahnverdickung gleich der Sägendicke eines weiter innen liegenden Ringbereiches ist und/oder mit diesem Ringbereich mindestens auf einer Seite eine Ebene bildet. Dies entspricht der Ausgestaltung nach den Merkmalen 5 und 6.
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cc) Der Offenlegungsschrift ist nicht zu entnehmen, dass die Merkmale 5 und 6 in untrennbarem Zusammenhang mit der an die Fliehkraftspannungen angepassten Bemessung der einzelnen radialen Abschnitte des Sägeblatts stehen.
53
Bei dem in der Offenlegungsschrift geschilderten Ausführungsbeispiel und in dem dort formulierten Anspruch 7 sind zwar beide Merkmalsgruppen kumulativ verwirklicht. Aus der Beschreibung ergibt sich jedoch, dass der Bemessung der radialen Abschnitte und den Verdickungen im Bereich der Zähne unterschiedliche Funktionen zukommen. Hinweise darauf, dass diese beiden Funktionen nach der offenbarten Lehre zwingend zusammen zu verwirklichen sind, lassen sich der Offenlegungsschrift nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
54
dd) Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend geltend gemacht, eine unzulässige Erweiterung liege darin, dass die Zahnverdickung nach Abs. 4 der Beschreibung vorzugsweise eine Ebene mit einem weiter innen liegenden Bereich des Sägeblatts bilde, während in den Anmeldeunterlagen (Sp. 2, Z. 3 und 4) konkret angegeben ist, dass die Zahnverdickung eine Ebene mit dem am weitesten innen liegenden Bereich bilde. Dies ist jedoch unschädlich, weil eine solche Ausgestaltung jeweils nur als bevorzugte Ausführungsform beschrieben ist. Die in Absatz 4 des Streitpatents als bevorzugt beschriebene Gestaltung ist durch die ursprünglichen Anmeldeunterlagen abgedeckt.
55
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO.
Bacher Gröning Hoffmann
Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 06.08.2013 - 4 Ni 29/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2016 - X ZR 2/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2016 - X ZR 2/14

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 21


(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2016 - X ZR 2/14 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 21


(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de

Patentgesetz - PatG | § 119


(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen. (2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wir

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2016 - X ZR 2/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2016 - X ZR 2/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2014 - X ZR 107/12

bei uns veröffentlicht am 11.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 107/12 Verkündet am: 11. Februar 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2015 - X ZR 161/12

bei uns veröffentlicht am 17.02.2015

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 3. Juli 2012 aufgehoben.

Referenzen

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 3. Juli 2012 aufgehoben.

Das europäische Patent 1 088 569 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht:

"1. Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde in einem Säuger, die umfasst: ein poröses Polster (102) aus offenem, eine Verbindung schaffendem, zellförmigen Weichschaum, eine Pumpe (6), eine Saugleitung (101) zum Verbinden des porösen Polsters mit der Pumpe (6), einem Verbinder zum Verbinden des Polsters mit der Saugleitung, eine chirurgische Abdeckung (701) zum Bilden einer luftdichten Abdichtung über der Wundstelle, über dem Polster und über dem Verbinder, wobei der Verbinder einen Ausguss (602) zum Verbinden des von der Pumpe (6) ferngelegenen Endes der Saugleitung (101) mit der Wundstelle aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbinder eine scheibenartige Schale (601) umfasst, deren untere Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt steht, und wobei die Saugleitung (101) als innere Bohrung (606) in einer Multilumenleitung ausgebildet ist, die ferner Kanäle (607) umfasst, mittels deren ein Aufnehmer (108) den Druck an der Wundstelle misst.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei das poröse Polster (102) einen Polyvinylalkoholschaum umfasst.

3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die chirurgische Abdeckung (701) ein Loch (702) für den Ausguss (602) aufweist, durch das dieser sich hindurch erstreckt.

4. Vorrichtung nach Anspruch 3, wobei die chirurgische Abdeckung (701) eine Kunststofffolie (701) umfasst, die mit einem druckempfindlichen Klebstoff zum Befestigen des porösen Polsters (102) und des Verbinders an der Wunde beschichtet ist."

Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Patentgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 088 569 (Streitpatents), das aus einer am 8. Januar 2001 eingereichten Teilanmeldung hervorgegangen ist. Diese geht zurück auf eine als WO 97/18007 veröffentlichte internationale Patentanmeldung vom 14. November 1996 (Stammanmeldung), die beim Europäischen Patentamt als europäische Anmeldung 865 304 geführt wird. Das Streitpatent betrifft eine tragbare Wundbehandlungseinrichtung und umfasst fünf Patentansprüche. Patentanspruch 1, auf den die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"Apparatus for applying negative pressure to a superficial wound in a mammal which comprises a porous pad (102) of open, intercommunicating cellular flexible foam, a pump (6), a suction tube (101) for connecting the porous pad to the pump (6), a connector for connecting the pad to the suction tube, a surgical drape (701) for forming an air-tight seal over the wound site, over the pad and over the connector, said connector having a spout (602) for connecting the end of the suction tube (101) remote from the pump (6) to the wound site, characterized in that the connector comprises a disc-like cup (601) having its lower face in contact with said porous pad."

2

Die Klägerin zu 1 hat das Streitpatent in vollem Umfang, die Klägerin zu 2 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 angegriffen. Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei nicht patentfähig und beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit zuletzt sechs Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

3

Gegen das Urteil des Patentgerichts wendet sich die Berufung der Beklagten, die in erster Linie weiterhin die Abweisung der Klagen begehrt und hilfsweise das Streitpatent in beschränkten Anspruchsfassungen verteidigt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

I. Das Streitpatent betrifft eine tragbare Vorrichtung zur Wundbehandlung.

5

1. Nach der Schilderung der Streitpatentschrift waren im Stand der Technik, etwa aus der internationalen Anmeldung WO 96/05873, Vorrichtungen zur Behandlung von Wunden bekannt, bei denen der Wundheilungsprozess durch Anlegen von Unterdruck gefördert werde. Eine solche Vorrichtung umfasse ein poröses, für Flüssigkeiten durchlässiges Polster, das in die Wunde eingeführt werden könne, einen Verband, mit dem die Wunde abgedeckt und luftdicht abgedichtet werde, eine Abflussleitung, die das Polster mit einer Saugpumpe verbinde, so dass Unterdruck an die Wunde angelegt und Flüssigkeiten aus dieser abgesaugt werden könne, und schließlich einen Behälter, in dem die abgesaugte Flüssigkeit gesammelt werde.

6

Wie eine solche, im Stand der Technik bekannte Vorrichtung aussieht, zeigt beispielsweise die Figur 10 der erwähnten internationalen Anmeldung,

Abbildung

bei der Bezugszeichen 210 die Wunde, Bezugszeichen 36 ein poröses, flüssigkeitsdurchlässiges Schaumstoffpolster (foam pad), Bezugszeichen 37 den Schlauch und Bezugszeichen 43 die luftdichte Wundabdeckung bezeichnet.

7

Das technische Problem, welches das Streitpatent lösen soll, besteht darin, eine Vorrichtung bereitzustellen, die eine solche Wundbehandlung mit Unterdruck bequemer macht und ihre Anwendung insbesondere auch bei mobilen, also nicht bettlägerigen Patienten erlaubt.

8

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt die Streitpatentschrift eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern):

Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde in einem Säuger [1], umfassend

1. ein poröses Polster (102) aus offenem, eine Verbindung schaffendem, zellförmigen Weichschaum (a porous pad of open, intercommunicating cellular flexible foam); [1.1]

2. eine Pumpe (6); [1.2]

3. eine Saugleitung (101) zum Verbinden des porösen Polsters mit der Pumpe; [1.3]

4. einen Verbinder zur Verbindung des Polsters mit der Saugleitung [1.4], der

a) einen Ausguss (spout) (602) zum Verbinden des von der Pumpe ferngelegenen Endes der Saugleitung (101) mit der Wundstelle aufweist, [1.6]

b) eine scheibenartige Schale (a disc-like cup) (601) umfasst, deren untere Fläche (lower face) mit dem porösen Polster in Kontakt steht; [1.7a und 1.7b]

5. eine chirurgische Abdeckung (701) zum Bilden einer luftdichten Abdichtung über der Wundstelle, über dem Polster und über dem Verbinder. [1.5]

9

3. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

10

a) Der Verbinder weist nach Merkmal 4a einen Ausguss (spout) auf, der dazu dient, das von der Pumpe entfernte Ende der Saugleitung mit der Wundstelle zu verbinden, während im Stand der Technik, wie etwa aus der oben wiedergegebenen Figur 10 ersichtlich, das Ende des Schlauchs in das Weichschaumstoffpolster eingeführt wurde. Nach der Beschreibung kann entweder der Ausguss das Ende des Schlauchs aufnehmen oder aber das Schlauchende in den Ausguss eingesetzt und zusätzlich in den Schaum gedrückt werden (Sp. 5, Z. 37 bis 39 und Z. 45 bis 47). Die Anordnung und Größe des Ausgusses überlässt das Streitpatent dem Fachmann, bei dem es sich hier, wie das Patentgericht unbeanstandet angenommen hat, um einen Diplom-Ingenieur der Medizintechnik handelt, der mit der Entwicklung von Unterdruck-Vorrichtungen zur Behandlung von Wunden vertraut ist und für die medizinischen Aspekte der Wundheilung einen entsprechend kundigen Arzt konsultiert.

11

b) Der Verbinder umfasst nach Merkmal 4b eine scheibenartige Schale (disc-like cup). Es handelt sich demnach um eine Vorrichtung, die einerseits die Form einer Schale aufweist, also nicht völlig eben ist, sondern an ihrem Rand aus dieser Ebene heraus gebogen ist, andererseits aber scheibenartig, also flach ausgestaltet ist. Unter einer scheibenartigen Schale versteht das Streitpatent mithin eine Schale, deren Höhe deutlich geringer ist als ihr Durchmesser. Ein solches Verständnis des Merkmals wird auch dadurch nahegelegt, dass die Wundheilungsvorrichtung am Körper getragen können werden soll (vgl. Figuren 3A und 3B), weshalb es vorteilhaft ist, sie möglichst flach zu halten. Hierfür spricht weiter, dass die Figuren 6B und 6C Schalen zeigen, die praktisch flach sind und nur einen minimal aufgebogenen Rand aufweisen.

12

Für diese Auslegung spricht ergänzend, dass das Streitpatent in den Absätzen 6 und 7 die internationale Anmeldung WO 94/20041 (VP4 = D1) als nächstliegenden Stand der Technik bezeichnet, deren Inhalt der Oberbegriff von Patentanspruch 1 wiedergebe. Der Umstand, dass Patentanspruch 1 das Merkmal 4b als einziges kennzeichnendes Merkmal ausweist, legt den Schluss nahe, dass die in D1 in den dortigen Figuren 2 bis 5 mit den Bezugszeichen 29a, 29b, 29c und 29d gekennzeichneten Vorrichtungen nicht als scheibenartig anzusehen sein sollen. Die Auffassung der Klägerin zu 1, Absätze 6 und 7 des Streitpatents seien bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen, weil sie in der Stammanmeldung nicht enthalten waren, trifft nicht zu. Bei der Ermittlung der mit einem Patentanspruch gegebenen Lehre sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 PatG), sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind. Dabei darf der Patentanspruch weder nach Maßgabe dessen ausgelegt werden, was sich nach Prüfung des Standes der Technik als patentfähig erweist, noch nach Maßgabe des Sinngehalts der Ursprungsunterlagen. Grundlage der Auslegung ist vielmehr allein die Patentschrift (BGH, Urteil vom 17. Februar 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 27 f. - Polymerschaum).

13

Merkmal 4b besagt weiter, dass die Unterseite der scheibenartigen Schale mit dem porösen Polster in Kontakt steht, was dahin zu verstehen ist, dass die konkave Seite der Schale mit dem Polster in einem flächigen Kontakt steht. Nach der Beschreibung des Streitpatents wird die Schale auf die poröse Abdeckung der Wunde gedrückt und durch eine chirurgische Abdeckung gesichert (Sp. 5 Z. 43 bis 45). Berücksichtigt man einerseits, dass die Schale scheibenartig, also flach ausgebildet ist, und andererseits, dass das poröse Polster aus Weichschaumstoff besteht, also nachgiebig ist, ergibt sich hieraus für den Fachmann, dass die Schale zwar nicht notwendigerweise vollflächig, aber auch nicht nur punktuell oder mit ihrem Rand, also entlang einer Linie auf dem Polster aufsitzt, sondern im Wesentlichen flächig auf diesem aufliegt. Aus fachlicher Sicht besagt dies, dass der Innenraum der Schale jedenfalls im Wesentlichen mit dem aus Weichschaum bestehenden Polster ausgefüllt ist, so dass keine größeren Freiräume bestehen bleiben. Dieses Verständnis des Merkmals ergibt sich für den Fachmann auch daraus, dass eine solche Gestaltung zu dem gewünschten, für eine tragbare Vorrichtung vorteilhaften flachen Aufbau beiträgt.

14

Angaben über die Größe der Schale, insbesondere dazu, ob sie so dimensioniert sein muss, dass sie das gesamte Weichschaumstoffpolster abdeckt, sind Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen.

15

c) Nach Merkmal 5 umfasst die Vorrichtung eine chirurgische Abdeckung zur Herstellung einer luftdichten Abdichtung über Wundstelle, Polster und Verbinder. Daraus ergibt sich, dass nicht nur das Polster, sondern auch der Verbinder unter der chirurgischen Abdeckung liegen muss.

16

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

17

Das Streitpatent sei vollen Umfangs für nichtig zu erklären, weil sein Gegenstand in sämtlichen verteidigten Fassungen über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Das Merkmal M1.7b, wonach die untere Fläche der vom Verbinder umfassten scheibenartigen Schale mit dem porösen Polster in Kontakt stehe, sei der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen. In der Stammanmeldung sei nicht offenbart, dass der Verbinder der beanspruchten Vorrichtung eine scheibenartige Schale umfasse, deren untere Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt stehe. Den Figuren 6A bis 6D der Stammanmeldung sei solches nicht zu entnehmen. Auch aus der Gesamtoffenbarung der Stammanmeldung ergebe sich nicht, dass die Schale so ausgestaltet sein müsse, dass ihre untere Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt stehe, ebenso bleibe offen, mit welchem Anteil bzw. in welchem Umfang die Unterseite der Schale mit dem Polster in Kontakt stehe.

18

Die Einfügung des Merkmals M1.7b könne nicht als bloße Einschränkung des Gegenstands des Anspruchs 1 verstanden werden, sondern führe zu einer anderen Lehre (Aliud). Während der Fachmann den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen die Lehre entnehme, dass die scheibenförmige Schale so ausgebildet sei, dass sie mit dem Rand, jedenfalls aber nicht mit der unteren Fläche auf das poröse Polster aufgesetzt werde, setze das eingefügte Merkmal genau dies voraus. Da sämtliche Hilfsanträge dieses Merkmal aufwiesen, seien sie unzulässig. Ob der weitere Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit vorliege, könne damit dahinstehen.

19

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug nicht in vollem Umfang stand.

20

1. Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

21

a) Nach Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG ist ein europäisches Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt der Anmeldung ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Er ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmen kann (BGHZ 194, 107 Rn. 45 - Polymerschaum).

22

b) Eine unzulässige Erweiterung ist hier darin zu sehen, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde nur durch ein poröses Polster, eine Pumpe, eine Saugleitung, einen Verbinder mit scheibenartiger Schale und Ausguss zur Verbindung des Polsters mit der Saugleitung sowie eine chirurgische Abdeckung gekennzeichnet ist. In dieser allgemeinen Form ist die Vorrichtung in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen - das ist hier die Stammanmeldung - nicht als erfindungsgemäß offenbart.

23

aa) Die Beschreibung der Stammanmeldung geht wie diejenige des Streitpatents von der internationalen Patentanmeldung WO 96/05873 aus. Die dort beschriebene Vorrichtung sei wirksam zur Behandlung einer Vielzahl von Wunden unterschiedlicher Art und Größe. Jedoch könne die Behandlung eine längere Zeit in Anspruch nehmen, was nicht bei einem bettlägerigen, wohl aber bei einem nicht an das Bett gebundenen Patienten ein Problem darstelle. Als Aufgabe der Erfindung wird es bezeichnet, eine Vorrichtung bereitzustellen, die in der Anwendung komfortabler ist, insbesondere bei in gewissem Umfang mobilen Patienten, und weitere aus der Beschreibung ersichtliche Vorteile aufweist. Hierzu wird zunächst eine tragbare Vorrichtung zur Stimulierung der Wundheilung vorgeschlagen, die ein Gehäuse mit einer Saugpumpe und einem Behälter zur Aufnahme abgesaugter Wundflüssigkeit enthält und Mittel zur Verbindung mit Verbandmaterial in der Wundregion sowie einen Tragegurt oder Gürtel zum Abstützen des Gehäuses umfasst, wobei die zweckmäßige Ausgestaltung des Gehäuses, der Saugpumpe und ihres Antriebs sowie des Behälters näher beschrieben wird.

24

Sodann wird erörtert, dass es bei einer tragbaren Vorrichtung schwieriger sei als bei der im Stand der Technik beschriebenen statischen, den an der zu behandelnden Wundstelle herrschenden Druck zu bestimmen, da er teilweise von der hydrostatischen Höhe zwischen Pumpe und Wunde abhänge und diese sich in Abhängigkeit von den Bewegungen des Patienten verändere. Dieses Problem soll durch eine zusätzliche Leitung gelöst werden, die die Wundstelle mit vorzugsweise in dem Gehäuse untergebrachten Druckerfassungsmitteln verbindet. Diese könnten wiederum mit einem Mikroprozessor verbunden sein, der für die Einhaltung eines vorbestimmten Druckbereichs sorge. Eine solche Einrichtung lasse sich auch bei einer nicht-tragbaren Vorrichtung verwenden. Sie erlaube es auch, über die veränderten Druckverhältnisse einen vollständig mit Wundflüssigkeit gefüllten Behälter zu detektieren.

25

Diesen allgemeinen Ausführungen folgt die Beschreibung der in den Zeichnungen dargestellten Ausführungsformen. Dabei wird unter Bezugnahme auf Figur 1 u.a. ein als Saugleitung dienender Schlauch 101 und ein zweiter Schlauch 106 beschrieben, der die Wundstelle zur Messung oder Überwachung des Drucks mit einem Druckentlastungsventil 8 und einem Messfühler 108 verbindet. Die Schläuche 101 und 106 könnten in einem mehrlumigen Schlauch (multi-lumen tube) kombiniert werden. Dies wird als bevorzugt und in den Figuren 5A bis 5F und in modifizierter Form in 6E dargestellt bezeichnet. Sodann kommt die Beschreibung auf die Figuren 6A bis 6D zu sprechen, die verschiedene Ansichten eines Verbinders zum Anschließen des mehrlumigen Schlauchs an die Wundstelle zeigten. Nur an dieser Stelle wird der Verbinder dahin beschrieben, dass er eine scheibenförmige Schale umfasst, die einen Ausguss aufweist, der so bemessen ist, dass er das Ende des mehrlumigen Schlauchs aufnehmen kann (S. 8).

26

In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen der Beschreibung ist Anspruch 1 der Anmeldung auf eine tragbare Vorrichtung mit Gehäuse, Saugpumpe, Behälter und Tragegurt gerichtet, der nebengeordnete Anspruch 3 auf eine Behandlungsvorrichtung u.a. mit Druckerfassungsmitteln und der ebenfalls nebengeordnete Anspruch 5 auf eine Behandlungsvorrichtung u.a. mit einer Saugleitung und einer zusätzlichen Leitung, die ein poröses Polster mit eine Überwachung des Drucks an der Wundstelle ermöglichenden Druckerfassungsmitteln verbindet.

27

Die in der Stammanmeldung offenbarten Ausführungsformen der Erfindung werden damit zum einen durch die eine Tragbarkeit erlaubenden Mittel (Anspruch 1), zum anderen durch Mittel gekennzeichnet, die eine Druckerfassung ermöglichen (Ansprüche 3 und 5). Nur im Kontext der Druckerfassung und der hierzu neben der Saugleitung erforderlichen zweiten Leitung findet der Verbinder Erwähnung. Die Saugleitung und die Druckerfassungsleitung können in einer unterteilten Schlauchleitung (multi-partitioned tube) zusammengefasst werden (Stammanmeldung S. 5 unten), und der Ausguss des Verbinders kann diesen mehrlumigen Schlauch aufnehmen.

28

bb) Dem ist nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass als zum Patentschutz angemeldete Erfindung auch eine Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde beschrieben wird, die weder Mittel aufweist, die ihre Tragbarkeit sicherstellen, noch Mittel, die es ermöglichen, den Druck an der Wundstelle zu erfassen, sondern lediglich aus einem porösen Polster, einer chirurgischen Abdeckung, einer Pumpe, einer Saugleitung und einem Polster und Saugleitung verbindenden Verbinder bestehen, der einen die Saugleitung aufnehmenden Ausguss und eine scheibenartige Schale umfasst.

29

Allerdings ist eine Fassung des Patentanspruchs, die gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eine Verallgemeinerung enthält, nicht unter allen Umständen ausgeschlossen. In Bezug auf die Frage, ob die Priorität einer Voranmeldung zu Recht in Anspruch genommen wird, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dies unter der Voraussetzung zulässig ist, dass sich die in der Voranmeldung anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 Rn. 25 - Kommunikationskanal). Die gleichen Maßgaben gelten für die Frage danach, ob der erteilte Patentanspruch gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eine unzulässige Erweiterung aufweist.

30

Nach dieser Maßgabe beruht Patentanspruch 1 auf einer unzulässigen Erweiterung. Der Fachmann vermag den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht ohne weiteres die allgemeine technische Lehre zu entnehmen, Polster und zur Pumpe führende Saugleitung einer Unterdruckvorrichtung durch eine Einrichtung zu verbinden, die einen Ausguss zur Aufnahme der Saugleitung und eine scheibenartige Schale zur Aufnahme des Polsters umfasst.

31

Der Verbinder ist in der Stammanmeldung vielmehr nur als Element einer Vorrichtung offenbart, in der er den konkret beschriebenen Zweck erfüllt, die Anbindung eines mehrlumigen Schlauchs an die Wundstelle zu gewährleisten. Er steht mithin in untrennbarem Zusammenhang mit einer Wundbehandlungsvorrichtung, die auch ein Druckerfassungsmittel aufweist, wobei die hierfür erforderliche weitere Leitung mit der ohnehin erforderlichen Saugleitung vorzugsweise in einem mehrlumigen Schlauch zusammengefasst ist, der von dem Ausguss des Verbinders aufgenommen wird. Weder Beschreibung noch Ansprüche der Stammanmeldung bieten einen Anhalt für die Annahme, der Fachmann entnehme ihr, dass ihm mit der Ausgestaltung des Verbinders als mit einem Ausguss oder einer Tülle versehener flacher Schale eine Ausführungsform der Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks vorgestellt wird, für die unabhängig von den Ausführungsformen, die sich mit der tragbaren Ausgestaltung oder den Mitteln zur Druckerfassung beschäftigen, Patentschutz angestrebt wird und die mithin - für sich betrachtet - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart wird.

32

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Stammanmeldung kurz vor der oben genannten Passage der Beschreibung des Ausführungsbeispiels auch eine Leitung erwähnt, die nur eine Bohrung aufweist (single bore tube, S. 7 unten). Der betreffenden Passage ist lediglich zu entnehmen, dass die ansonsten vorgesehene geteilte Leitung (partitioned tube) nicht bis zur Wundstelle reichen muss, sondern an ihrem Ende ein kurzes Stück einer einlumigen Leitung aufweisen kann. Dem entspricht es, dass - etwas später (S. 8 Mitte) - ausgeführt wird, dass, sofern dies gewünscht wird, das Ende der Leitung auch durch den Ausguss führen und bis in den Weichschaum reichen kann. Dies ändert nichts daran, dass an den genannten Stellen im Grundsatz weiterhin ein mehrlumiger Schlauch gemeint ist, und vermag den sich aus dem Gesamtinhalt der Beschreibung ergebenden Zusammenhang der Offenbarung der Ausgestaltung des Verbinders mit einer Vorrichtung zum Ausüben und Überwachen eines Unterdrucks nicht in Frage zu stellen.

33

c) Danach hat das Patentgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung auf einer unzulässigen Erweiterung beruht und daher keinen Bestand haben kann. Eine andere Beurteilung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass das Streitpatent aus einer Teilanmeldung hervorgegangen ist. Die Anforderungen an die Ursprungsoffenbarung sind in einem solchen Fall nicht geringer.

34

2. Dagegen hält das angefochtene Urteil der Nachprüfung nicht stand, soweit das Patentgericht angenommen hat, der ehemalige Hilfsantrag 6 neu, den die Beklagte nunmehr als Hilfsantrag I stellt, beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung.

35

Nach Hilfsantrag I wird Patentanspruch 1 um ein weiteres Merkmal ergänzt, wonach die Saugleitung (101) als innere Bohrung (606) in einer Multilumenleitung ausgebildet ist, die ferner Kanäle (607) umfasst, mittels deren ein Aufnehmer (108) den Druck an der Wundstelle misst (Merkmal 6).

36

Die beschränkte Verteidigung der Beklagten mit diesem Hilfsantrag ist - entgegen der Auffassung des Patentgerichts - zulässig.

37

a) Das zusätzliche Merkmal 6 gewährleistet, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht aus den dargelegten Gründen über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgeht. Die Verallgemeinerung, die nach den Ausführungen oben (unter III 1) eine unzulässige Erweiterung begründete, ist dadurch rückgängig gemacht worden, dass der Aufnehmer 108 als Druckerfassungsmittel und die durch die Kanäle 607 einer Multilumenleitung ausgebildete zweite Leitung zur Verbindung zwischen Polster und Pumpe in den Patentanspruch aufgenommen worden sind und die Ausgestaltung des Verbinders in diesen Kontext gestellt worden ist, weil die vom Ausguss aufgenommene Saugleitung die innere Bohrung 606 der Multilumenleitung bildet.

38

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht zwar insoweit auf einer unzulässigen Erweiterung, als in Merkmal 4b über die scheibenartige Schale ausgesagt ist, dass sie mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt steht. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der beschränkten Verteidigung des Streitpatents nach Hilfsantrag I.

39

aa) Nach Merkmal 4b steht die scheibenartige Schale mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt. Wie oben ausgeführt, versteht der Fachmann dieses Merkmal dahin, dass die konkave Seite der Schale mit dem Polster in einem flächigen Kontakt steht.

40

Ein solcher flächiger Kontakt zwischen der konkaven Seite der Schale und dem Polster ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart. Die Stammanmeldung zeigt in den Figuren 6B und 6C sehr flache Schalen. Ferner kann ihr, insbesondere durch den Verweis auf die internationale Anmeldung WO 96/05873, aus der die oben wiedergegebene Figur 10 stammt, entnommen werden, wie ein Polster, mit dem die Wunde abgedeckt wird, gestaltet sein kann. Aus der Stammanmeldung ist jedoch nicht ersichtlich, wie die scheibenartige Schale auf das Polster aufgesetzt wird. Es wird dort lediglich erläutert, die Schale werde auf die poröse Wundabdeckung gedrückt und durch eine chirurgische Abdeckung gesichert (the cup (601) is pressed onto the porous dressing and secured by a surgical drape, Stammanmeldung S. 8). Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um ein Polster aus Weichschaumstoff handelt, ergibt sich aus diesen Angaben für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig, dass die scheibenartige Schale mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen Polster in flächigem Kontakt steht. Denn ob bei Befolgen dieser Anweisung ein flächiger Kontakt entsteht, hängt aus fachlicher Sicht von mehreren Umständen ab, insbesondere von der Höhe der Schale, vom Verhältnis der Größen von Schale einerseits und Polster andererseits, von der Festigkeit oder Nachgiebigkeit des Polsters und vom Maß des Drucks, mit dem die Schale auf das Polster gepresst wird. Zu allen diesen Umständen enthält die Stammanmeldung keine näheren Angaben.

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bb) Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Verteidigung der Beklagten mit Hilfsantrag I unzulässig ist.

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(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu deutschen Patenten und Gebrauchsmustern müssen solche Schutzrechte, wenn ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, nicht für nichtig erklärt oder gelöscht werden, sofern die Änderung in der Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals besteht, die zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. Dagegen ist die Nichtigerklärung oder Löschung nicht zu vermeiden, wenn die Änderung dazu führt, dass der Gegenstand der Anmeldung gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu einem Aliud abgewandelt wird (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 - Zeittelegramm; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - Xa ZB 14/09, GRUR 2011, 40 - Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011 - X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003 - Integrationselement; Beschluss vom 6. August 2013 - X ZB 2/12, GRUR 2013, 1135 - Tintenstrahl-drucker). Die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf europäische Patente Anwendung findet, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 19 - Winkelmesseinrichtung). Sie ist - entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts (Urteil vom 8. April 2014, Mitt. 2014, 436 - Fettabsaugevorrichtung) - zu bejahen.

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(2) Der angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Überlegung zugrunde, dass die unzulässige Änderung des Gegenstands des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen dessen Widerruf oder Nichtigerklärung nicht erfordert, wenn den berechtigten Interessen Dritter, insbesondere der Wettbewerber des Patentinhabers, und der Öffentlichkeit durch weniger schwerwiegende Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.

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Danach ist der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents nicht geboten, wenn der Gegenstand des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen in unzulässiger Weise verallgemeinert worden ist. In diesem Fall kann die unzulässige Erweiterung dadurch behoben werden, dass die unzulässige Verallgemeinerung aus dem Patentanspruch gestrichen wird (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 14 - Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 19 - Integrationselement; ebenso EPA, Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 2. Februar 1994 - G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 11 - beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Pro-ducts).

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Der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents ist andererseits unumgänglich, wenn die Hinzufügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals dazu führt, dass der Patentanspruch des erteilten Patents eine andere Erfindung zum Gegenstand hat als die ursprüngliche Anmeldung, wenn das Patent also etwas schützt, das gegenüber dem der Fachwelt durch die ursprünglichen Unterlagen Offenbarten ein "Aliud" darstellt (BGH, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 21 - Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 27 - Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 16 - Tintenstrahldrucker). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen geänderten Anspruchs gefährdete die Rechtssicherheit für Dritte, die darauf vertrauen dürfen, dass aus der Patentanmeldung kein Patent hervorgeht, das einen weiteren oder anderen Gegenstand hat als denjenigen, der in der Anmeldung offenbart worden ist. Die Aufrechterhaltung eines mit dem Einspruch oder der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patents mit der Maßgabe, dass das in Rede stehende Merkmal im Patentanspruch verbleibt, der Patentinhaber daraus aber keine Rechte herleiten kann, scheidet in einem solchen Fall aus, weil sie dazu führen würde, dass das Patent in der Fassung nach dem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren einen anderen Gegenstand hätte als ursprungsoffenbart (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 23 - Winkelmesseinrichtung).

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Der Widerruf oder die Nichtigerklärung eines Patents ist dagegen nicht erforderlich, wenn die Einfügung eines Merkmals, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. In einem solchen Fall wird den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit dadurch Rechnung getragen, dass das einschränkende Merkmal im Patentanspruch verbleibt und zugleich dafür gesorgt wird, dass im Übrigen aus der Änderung Rechte nicht hergeleitet werden können, insbesondere das nicht offenbarte Merkmal bei der Prüfung der Patentfähigkeit insoweit außer Betracht zu lassen ist, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (BGH, GRUR 2001, 140, 142 f. - Zeittelegramm; BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 16 - Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 24 - Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 16 - Tintenstrahldrucker).

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(3) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht nicht in Widerspruch zu den Regelungen des Europäischen Patentübereinkommens.

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Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts führt die Aufnahme eines einschränkenden, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals in den Patentanspruch regelmäßig zum Widerruf des Patents nach Art. 123 Abs. 2, 100 Buchstabe c EPÜ. Falle ein solches Merkmal unter Art. 123 Abs. 2 EPÜ, könne es weder im Patent beibehalten noch ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ aus den Ansprüchen gestrichen werden. Das Patent könne nur dann - ausnahmsweise - aufrechterhalten werden, wenn die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Grundlage dafür biete, dass die einschränkenden Merkmale ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ durch andere ersetzt werden könnten (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 2. Februar  1994 - G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 12 f. - beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products).

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Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof wenden bei der Entscheidung über die Nichtigerklärung eines europäischen Patents, das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist, nicht Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ an, sondern entscheiden auf der Grundlage von Art. II § 6 IntPatÜbkG. Mit der Schaffung dieser Norm hat der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gründe für die Nichtigerklärung eines europäischen Patents für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe von Art. 138 EPÜ aufzuführen. Nach Art. 138 EPÜ kann ein europäisches Patent - vorbehaltlich des Art. 139 EPÜ - nur aus den dort abschließend aufgeführten Gründen für nichtig erklärt werden. Die Norm steht damit zwar einer Entscheidung des nationalen Gerichts entgegen, durch die ein europäisches Patent auch dann für nichtig erklärt wird, wenn keiner der in Art. 138 EPÜ aufgeführten Gründe vorliegt. Sie eröffnet aber die Möglichkeit, dass das nationale Gericht auch bei Vorliegen eines solchen Grundes von der Nichtigerklärung des Patents absieht, ohne sich damit in Widerspruch zu Art. 123 EPÜ zu setzen, wie er von der Großen Beschwerdekammer verstanden wird.

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(4) Ein solches Absehen von der Nichtigerklärung ist auch bei einem europäischen Patent angezeigt, wenn die Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht oder nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt.

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Die Große Beschwerdekammer hat eingeräumt, dass die von ihr vertretene Auffassung zu harten Folgen für den Patentinhaber führt (EPA, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 13 - beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products), weil er Gefahr läuft, nach einer Änderung seiner Anmeldung selbst dann in einer "unentrinnbaren Falle" zu sitzen und alles zu verlieren, wenn die Änderung den Schutzbereich des Patents einschränkt. Die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ermöglicht es demgegenüber, auf eine vollständige Nichtigerklärung des Patents zu verzichten, ohne dass Abstriche an der Wahrung der berechtigten Interessen Dritter und der Öffentlichkeit gemacht werden müssen. Sie trägt damit zugleich dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) Rechnung, der auch das Recht am Patent umfasst und den Patentinhaber vor hoheitlichen Eingriffen schützt, soweit diese nicht erforderlich sind. Das rechtfertigt es, diese Rechtsprechung auch auf europäische Patente anzuwenden.

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(5) Soweit Patentanspruch 1 das Merkmal enthält, dass die untere Fläche der scheibenartigen Schale mit dem porösen Polster in Kontakt steht, liegt darin eine bloße Konkretisierung einer Anweisung zum technischen Handeln, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist.

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(a) Ob es sich bei der Einfügung eines in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarten Merkmals um eine bloße Einschränkung des angemeldeten Gegenstands handelt oder um ein Aliud, bestimmt sich danach, ob damit lediglich eine Anweisung zum technischen Handeln konkretisiert wird, die in diesen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, oder ob damit ein technischer Aspekt angesprochen wird, der daraus weder in seiner konkreten Ausgestaltung noch auch nur in abstrakter Form als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 22 - Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 29 - Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 26 f. - Tintenstrahldrucker).

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(b) Danach ist Merkmal 4b - entgegen der Auffassung des Patentgerichts - nicht als Aliud einzuordnen. Soweit dieses Merkmal vorsieht, dass die scheibenartige Schale mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt steht, wird damit kein neuer technischer Aspekt eingeführt. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Beschränkung im vorstehend ausgeführten Sinn, durch die dem Fachmann vermittelt wird, die scheibenartige Schale so flach auszugestalten, dass ein im Wesentlichen flächiger Kontakt zwischen ihrer unteren Fläche und dem porösen Polster hergestellt wird, wenn die Scheibe auf das Polster gedrückt und mittels der chirurgischen Abdeckung gesichert wird.

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(6) Der Zulässigkeit der beschränkten Verteidigung steht auch nicht entgegen, dass es nicht zulässig ist, den Patentanspruch durch ein nicht-ursprungsoffenbartes Merkmal zu beschränken. Denn Merkmal 4b ist bereits im erteilten Patentanspruch 1 enthalten. Dass es Bestandteil des im Übrigen unbedenklichen Hilfsantrags I ist, kann daher dessen Zulässigkeit nicht in Frage stellen.

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3. Die Beurteilung des Patentgerichts, wonach Patentanspruch 1 nicht zulässigerweise in der Fassung des Hilfsantrags I (früherer Hilfsantrag 6 neu) verteidigt werden kann, hält mithin der Prüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

57

Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht (§ 119 Abs. 2, 3 PatG). Eine eigene Entscheidung des Senats in der Sache ist nicht angezeigt (§ 119 Abs. 5 Satz 1 PatG). Das Patentgericht hat die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der Fassung dieses Hilfsantrags bislang nicht geprüft. Bei dieser nunmehr erforderlichen Prüfung wird das Patentgericht das nicht-ursprungsoffenbarte Merkmal außer Betracht zu lassen haben.

Meier-Beck                           Hoffmann                       Deichfuß

                   Kober-Dehm                        Feddersen

23
dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen , also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands. aa) Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wo24 nach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; aus jüngerer Zeit BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; BGH, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 f. - UV-unempfindliche Druckplatte). bb) Nach vergleichbaren Maßgaben ist die Prüfung vorzunehmen, ob der Ge25 genstand der Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist. Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.