Bundesgerichtshof Urteil, 23. Apr. 2013 - X ZR 27/12

bei uns veröffentlicht am23.04.2013
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 63/09, 29.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 27/12 Verkündet am:
23. April 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fahrzeugnavigationssystem
EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. d, Art. 56
Die Anweisung an den Fachmann, bei der Sprachausgabe eines Navigationshinweises
unter bestimmten Bedingungen bestimmte Detailinformationen (hier:
Straßennamen) zu berücksichtigen, betrifft den Inhalt der durch das Navigationssystem
optisch oder akustisch wiedergegebenen Information und ist bei der
Prüfung der technischen Lehre des Patents auf erfinderische Tätigkeit nicht zu
berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 23. April 2013 - X ZR 27/12 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richterin Mühlens und die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 29. November 2011 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 973 011 (Streitpatents), das am 14. Juli 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität einer US-Patentanmeldung vom 15. Juli 1998 angemeldet worden ist und ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Routenführung in einem Fahrzeugnavigationssystem betrifft. Patentanspruch 1, auf den siebzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache: "A vehicle navigation system for use in a vehicle, the system comprising : sensing means for generating data for use by the vehicle navigation system for navigation; a user interface for communicating with a user of the vehicle navigation system, and a central processing unit which is operable to: generate a route from a first position to a destination in response to the selection of the destination by the user, the route including a plurality of manoeuvres; generate a plurality of manoeuvre instructions corresponding to said plurality of manoeuvres, selected ones of said manoeuvre instructions being associated with a street name having alphanumeric characters and an indication of a distance to the corresponding manoeuvre; present an audio representation of each of the manoeuvre instructions to the user prior to the execution of a corresponding one of the manoeuvres, wherein the audio representation of the selected manoeuvre instructions includes the associated street name and the distance indication; include, in response to a request received from a user to repeat a most recently presented manoeuvre instruction that includes a street name and a distance indication, an adjusted distance indication of the distance to the manoeuvre that corresponds to said previously presented manoeuvre instruction; generate a repeat manoeuvre instruction comprising said previously presented manoeuvre instruction, said previously presented street name and said adjusted distance indication, and present an audio representation of said repeat manoeuvre instruction to said user."
2
Der nebengeordnete Patentanspruch 19 lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache: "A method for providing route guidance to a user of a vehicle navigation system, the method comprising: generating a route from a first position to a destination in response to the selection of the destination by the user, the route including a plurality of manoeuvres, generating a plurality of manoeuvre instructions corresponding to said plurality of manoeuvres, selected ones of said manoeuvre instructions being associated with a street name having alphanumeric characters and an indication of a distance to the corresponding manoeuvre; presenting an audio representation of each of the manoeuvre instructions to the user prior to the execution of a corresponding one of the manoeuvres, wherein the audio representation of the selected manoeuvre instructions includes the associated street name and the distance indication; including, in response to a request received from a user to repeat a most recently presented manoeuvre instruction that includes a street name and a distance indication, an adjusted distance indication of the distance to the manoeuvre that corresponds to said previously presented manoeuvre instruction; generating a repeat manoeuvre instruction comprising said previously presented manoeuvre instruction, said previously presented street name and said adjusted distance indication, and presenting an audio representation of said repeat manoeuvre instruction to said user."
3
Die Klägerin hat das Streitpatent angegriffen, weil sein Gegenstand nicht patentfähig und gegenüber den maßgeblichen Anmeldungsunterlagen erweitert sei. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt und das Streitpatent hilfsweise mit den bereits in erster Instanz gestellten Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Routenführung in einem Fahrzeugnavigationssystem.
5
1. In der Streitpatentschrift wird eingangs ausgeführt, die Nützlichkeit einer Sprachführung in Fahrzeugnavigationssystemen stehe außer Frage, weil der Fahrer hierdurch insbesondere in gefahrenträchtigen Situationen des flie- ßenden Verkehrs nicht auf den Blickkontakt zum Display des Navigationssystems angewiesen sei. Die im Stand der Technik bekannten Navigationssysteme hielten zwar bereits in gewissem Umfang eine Sprachführung des Nutzers vor, indes sei es noch sehr schwierig, für den Nutzer eine Sprachführung bereitzustellen , die ein bevorstehendes Fahrmanöver auch nur einigermaßen präzise beschreibe. Dies habe seinen Grund in der Komplexität und Einzigartigkeit der jeweiligen Fahrsituation und der großen Bandbreite an Straßentopologien. Typischerweise nähmen die im Stand der Technik bekannten Fahrzeugnavigationssysteme Straßennamen oder den Namen der nächsten Ausfahrt nicht in die Sprachführung auf. Der Grund hierfür sei, dass Fahrzeugnavigationssysteme bislang auf eine Bibliothek mit Sprachanweisungen zurückgriffen, deren Umfang verhältnismäßig klein gehalten werde, um Speicherplatz einzusparen und Verarbeitungsressourcen zu schonen.
6
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Fahrzeugnavigationssystem zur Verfügung zu stellen, das dem Fahrer die benötigten Informationen so anbietet, dass seine Abhängigkeit von der optischen Informationswiedergabe verringert wird.
7
2. Zur Lösung wird in Patentanspruch 1 ein Navigationssystem vorgeschlagen , dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts): 1. Das Navigationssystem dient der Nutzung in einem Fahrzeug [M1]. 2. Das Navigationssystem umfasst:
a) Sensormittel zum Erzeugen von Daten, die zur Navigation genutzt werden [M2],
b) eine Benutzerschnittstelle zur Kommunikation mit dem Nutzer des Navigationssystems [M3] und
c) eine zentrale Verarbeitungseinheit [M4]. 3. Die zentrale Verarbeitungseinheit kann folgende Operationen ausführen (is operable to) [M4]:
a) Erzeugen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel in Antwort auf die Auswahl des Ziels durch den Nutzer , wobei die Route eine Vielzahl von Fahrmanövern aufweist [M4a],
b) Erzeugen einer Vielzahl von Fahranweisungen, die der Vielzahl von Fahrmanövern entspricht, wobei ausgewählten Fahranweisungen [M4b] aa) ein alphanumerische Zeichen enthaltender Straßenname [M4b-aa] und bb) eine Entfernungsangabe bis zum betreffenden Fahrmanöver zugeordnet ist [M4b-bb],
c) Darbieten einer Audiowiedergabe jeder Fahranweisung, bevor das entsprechende Fahrmanöver ausgeführt wird, wobei die Audiowiedergabe der ausgewählten Fahranweisungen [M4c, M4c-aa] aa) den zugeordneten Straßennamen [M4c-aa] und bb) die zugeordnete Entfernungsangabe beinhaltet [M4cbb ],
d) Einfügen einer angepassten Angabe der Entfernung bis zu dem der zuvor dargebotenen Fahranweisung entsprechenden Fahrmanöver in Antwort auf eine empfangene Aufforderung des Nutzers zur Wiederholung der zuletzt wiedergegebenen - einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthaltenden - Fahranweisung [M4d],
e) Erzeugen einer Wiederholung der Fahranweisung, die die zuvor wiedergegebene Fahranweisung, den zuvor wiedergegebenen Straßennamen und die angepasste Entfernungsangabe enthält [M4e, M4e-aa, M4e-bb],
f) Darbieten einer Audiowiedergabe dieser wiederholten Fahranweisung [M4f].
8
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
9
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei nicht patentfähig, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Dem Fachmann, einem mit der Entwicklung von Fahrzeugnavigationssystemen befassten berufserfahrenen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder Informatik, werde keine erfinderische Tätigkeit abverlangt, um vor dem Hintergrund der US-Patentschrift 5 729 109 (Entgegenhaltung K20) zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 unterscheide sich durch den aus der der K20 bekannten Stand der Technik einzig dadurch, dass die Audiowiedergabe der Fahrmanöveranweisungen auch Straßennamen enthalte. Für den Fachmann sei indes nahegelegt, neben der Angabe der Entfernung zum nächsten Fahrmanöver auch den Straßennamen akustisch wiederzugeben. Denn ihm sei wohlbekannt, dass die im Fahrzeugnavigationssystem gespeicherten und angezeigten Straßen, Plätze und Kreuzungen üblicherweise Namen hätten. Aus der US-Patentschrift gehe hervor, dass der Straßenname optisch auf einem Display angezeigt und als Hinweis für das nächste Fahrmanöver verwendet werde. Da die von der Erfindung zu lösende Aufgabe darin bestanden habe, dem Fahrer eine Sprachführung bei der Nutzung des Fahrzeugnavigationssystems an die Hand zu geben, bei der der Fahrer vom Sichtkontakt zum Display unabhängiger ist, habe es nahegelegen, den bereits optisch angezeigten Straßennamen für das nächste Manöver gemeinsam mit der Entfernungsangabe bis zum nächsten Fahrmanöver akustisch wiederzugeben. Denn so werde die Abhängigkeit des Fahrers vom Display des Fahrzeugnavigationssystems reduziert.
10
Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung der bereits in erster Instanz gestellten Hilfsanträge ergebe sich in naheliegender Weise aus der US-Patentschrift 5 729 109. Ferner wiesen die nebengeordneten Verfahrensansprüche keinen über den Patentanspruch 1 hinausgehenden erfinderischen Gehalt auf.
11
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren jedenfalls im Ergebnis stand. Das Patentgericht ist zutreffend zu der Beurteilung gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
12
1. Soweit die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, Merkmal 3b (in der Gliederung des Patentgerichts 4b) sei dahin zu verstehen , dass die dort näher beschriebenen Fahranweisungen - anders als im Stand der Technik bekannt - nicht während der Fahrt, sondern sogleich bei der (Nach-)Berechnung der Route für die gesamte Fahrtstrecke erzeugt würden, kann dies dem Patentanspruch nicht entnommen werden. Merkmal 3b gibt nur an, dass eine Vielzahl (plurality) von Fahranweisungen erzeugt wird. Wann dies geschieht und insbesondere dass dies bei der Berechnung der Route sogleich für die gesamte Fahrstrecke oder einen bestimmten Teil derselben geschieht, legt Patentanspruch 1 nicht fest. Auch die Beschreibung und Figur 2 sprechen zumindest nicht hinreichend deutlich für eine solche Auslegung. In Figur 2 ist der Schritt mit dem Bezugszeichen 206 als "determine series of manoeuvers" angegeben. Daraus kann nicht entnommen werden, dass die Serie alle Fahranweisungen bis zum Ziel umfasst, was bei einer langen Route auch erheblichen Speicherplatz in Anspruch nehmen würde, ohne dass dieser Aufwand einen erkennbaren Nutzen hätte. Dass eine Serie von Fahranweisungen erzeugt wird, kann vielmehr auch bedeuten, dass nicht nur die nächste, sondern mehrere der bevorstehenden Fahranweisungen erzeugt werden, um zu gewährleisten , dass diese dem Fahrer jeweils rechtzeitig zur Verfügung stehen. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschreibung. Allerdings gibt die Beschreibung zu Figur 2 in Abschnitt 16 an "The sequence can be all previously presented instructions up to the current vehicle position to the final manoeuvre". Daraus ergibt sich aber jedenfalls nicht mehr zwingend, als dass bei der Vor- und Rückschau die Position des Fahrzeugs und die letzte Fahranweisung auf der Route Bezugspunkte bilden. Über den Zeitpunkt, zu dem die Fahranweisungen generiert werden, sagt auch diese Beschreibungsstelle nichts aus. Das gilt ebenso für Abschnitt 17, in dem ausgeführt wird, dass für jedes Fahrmanöver auf der Route eine Anweisung generiert wird. Auch dies lässt hinsichtlich des Zeitpunkts der Generierung keine eindeutigen Rückschlüsse zu.
13
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie die Berufung geltend macht - die aus dem Jahr 1990 stammende US-Patentschrift 5 177 685 (Entgegenhaltung K8) ein Beleg für ein vom angesprochenen Fachmann erst zu überwindendes und auch noch im Prioritätszeitpunkt bestehendes Vorurteil gegen die akustische Wiedergabe von Straßennamen bei der Ausgabe von Fahranweisungen ist. Denn soweit die Merkmale 3c bis 3f der Anspruchsgruppe 3, die allein insoweit nicht in der Druckschrift K20 offenbart sind, als nach der dort offenbarten Lehre Straßennamen nicht in die akustisch wiedergegebenen Fahranweisungen für den Nutzer des Fahrzeugnavigationssystems einbezogen werden, demgegenüber vorsehen, dass dem Nutzer bei bestimmten Fahranweisungen auch die Straßennamen hörbar dargeboten werden, kann hiermit eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet werden, weil hierdurch die Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden technischen Problems nicht bestimmt oder auch nur beeinflusst wird.
14
a) Ein Navigationsverfahren oder -system implementiert mit technischen Mitteln die Wiedergabe von Informationen, die dem Fahrer die Wahl einer zweckmäßigen Fahrtroute zu seinem Ziel erlauben und es ihm erleichtern, der gewählten Fahrtroute zu folgen, indem ihm zu einem geeigneten Zeitpunkt Detailinformationen über die nächstfolgende Entscheidungssituation zur Verfügung gestellt werden. Es steuert nicht das Fahrzeug, sondern stellt nur dafür zweckmäßige Informationen bereit. Die Wiedergabe von Informationen ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. d 3 EPÜ als solche (Art. 52 Abs. 3 EPÜ) ebenso wenig dem Patentschutz zugänglich wie dieser nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. c EPÜ für Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche in Betracht kommt. Anweisungen , die die Informationen betreffen, die nach der Lehre eines Patents wiedergegeben werden sollen, können daher auch unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit die Patentfähigkeit der erfindungsgemäßen Lehre nur dann und nur insoweit stützen, als sie die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2004 - X ZB 20/03, BGHZ 159, 197, 204, 206 - Elektronischer Zahlungsverkehr; Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 Rn. 31 - Wiedergabe topografischer Informationen). Der Senat hat deshalb in dem letztgenannten Urteil die Auswahl einer für Navigationszwecke zweckmäßigen Projektion topographischer Daten nicht als Teil der vom dortigen Streitpatent zur Verfügung gestellten technischen Lösung, sondern als dieser vorgelagerte Vorgabe eines Kartographen, Geographen oder Geodäten angesehen (BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 39 - Wiedergabe topografischer Informationen ). Ebenso hat er für die Zurverfügungstellung von Informationen über gegebenenfalls zu meidende Streckenabschnitte (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - X ZR 3/12, GRUR 2013, 275 Rn. 42 - Routenplanung) und die unter bestimmten Voraussetzungen vom Navigationssystem automatisch vorgenommene Auswahl des Stadtzentrums als Routenzielpunkt (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - X ZR 121/11, juris Rn. 29) entschieden.
15
b) Die erfindungsgemäße Wiedergabe von Straßennamen im Rahmen der dem Nutzer zur Verfügung gestellten Audiowiedergaben ist nicht anders zu beurteilen.
16
(1) Die Merkmalsgruppe 3 betrifft insgesamt Funktionalitäten, die die zentrale Verarbeitungseinheit auszuführen geeignet ist und die die vom Streitpatent angestrebte geringere Abhängigkeit des Nutzers von der optischen Informationswiedergabe bewerkstelligen sollen. Dabei ist die zentrale Verarbeitungseinheit nach Merkmal 3b aa dazu ausgebildet, eine Vielzahl von Fahranweisungen zu erzeugen, wobei bestimmten Anweisungen u.a. Straßennamen zugeordnet sind. Dem Nutzer des Fahrzeugnavigationssystems werden die bestimmten Anweisungen zugeordneten Straßennamen nach Merkmal 3c aa im Wege einer Audiowiedergabe präsentiert, wobei nach den Merkmalen 3d - f auf eine Aufforderung des Nutzers hin die Wiedergabe der Fahranweisung unter Einschluss der Angabe des Straßennamens wiederholt werden kann und der Inhalt der Wiedergabe einer weiteren Annäherung des Fahrzeugs an den Ort des bevorstehenden Fahrmanövers Rechnung tragen kann. Damit wird erreicht, dass der Nutzer, auch wenn er beispielsweise den Namen der Straße wissen will, in die er demnächst einbiegen soll, nicht auf den Anzeigebildschirm schauen muss.
17
(2) In der Aufnahme von Straßennamen in bestimmte hörbare Informationen , die dem Fahrer gegeben werden, liegt gleichwohl keine Anweisung, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmt oder auch nur beeinflusst. Die Anweisungen, die der Patentanspruch zur Wiedergabe von Straßennamen enthält, erschöpfen sich in der Vorgabe, dass und unter welchen Bedingungen diese Bestandteil der Audiowiedergabe von Fahranweisungen sein sollen. Sie betreffen damit ausschließlich den Inhalt der dem Nutzer zur Verfügung gestellten Information. Das technische Mittel, mit dem das Problem der Abhängigkeit des Nutzers von der optischen Routenführung gelöst wird, besteht indessen in der Verbesserung der akustischen Routenführung dergestalt, dass der Nutzer Informationen, die er bislang nur sehen konnte, nunmehr auch hören kann. Der Inhalt der Information ist für diese Lösung jedenfalls solange ohne Belang, als nicht die Audiowiedergabe wegen dieses Inhalts der Information besondere technische Schwierigkeiten aufweist, die durch die technische Lehre der Erfindung einer Lösung zugeführt werden.
18
(3) Soweit die Berufung argumentiert, die Erfindung ermögliche eine gleichsam intelligente Auswahl derjenigen Fahrmanöver, bei denen es aus Gründen einer möglichen Überforderung des Nutzers in der konkreten Fahrsituation untunlich sei, neben der Entfernungsangabe und der Angabe des auszuführenden Fahrmanövers auch noch den Straßennamen anzugeben, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch eine solche Auswahl beträfe nur den Inhalt der Audiowiedergabe. Im Übrigen gehört eine Auswahl im beschriebenen Sinne auch nicht zum Gegenstand des Streitpatents. Ob und nach welchen Gesichtspunkten gegebenenfalls aus der Gesamtheit der auf der Route zu vollziehenden Fahrmanöver bestimmte Fahrmanöver ausgewählt werden, um in die Sprachführung den Straßennamen einzubeziehen, ist in den Patentansprüchen nicht festgelegt.
19
3. Der Gegenstand des Verfahrensanspruchs 19 ist, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht anders zu beurteilen.
20
4. Hinsichtlich der Fassungen von Patentanspruch 1 und 19 bzw. 17, die die Beklagte mit den in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträgen verteidigt , ergibt sich im Ergebnis ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Es kann deshalb wie im angefochtenen Urteil dahinstehen, ob die Hilfsanträge zulässig sind oder, wie die Klägerin geltend macht, über den Gegenstand der Erfindung , wie er in den Anmeldeunterlagen offenbart ist, hinausgehen.
21
a) Das nach Hilfsantrag I zusätzlich vorgesehene Merkmal sieht vor, dass die Benutzerschnittstelle eine Ausgabekommunikationsvorrichtung mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist. Insoweit hat das Patentgericht zutreffend festgestellt , dass dieses Merkmal ebenfalls aus der Druckschrift K20 (dort Beschreibung der Figur 1 in Sp. 3, Z. 8 ff.) bekannt ist.
22
b) Auch der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag II war dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt.
23
(1) Der Gegenstand des Hilfsantrags II unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 19 in der erteilten Fassung durch das weitere Merkmal, dass die Audiowiedergaben von Fahranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
24
(2) Insoweit wird ein technisches Problem - die Generierung von aus mehreren Anweisungselementen bestehenden Manöveranweisungen, die sodann akustisch wiedergegeben werden können - dadurch mit technischen Mitteln einer Lösung zugeführt, dass die Manöveranweisungen zum einen Teil aus aufgezeichneten Anweisungskomponenten bestehen und zum anderen Teil aus mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken erstellten Straßennamen, die zu einer Manöveranweisung kombiniert werden. Hierdurch wird erreicht, dass die synthetisierten Straßennamen nicht die Verständlichkeit der Anweisung insgesamt beeinträchtigen.
25
Entsprechend bedarf es eines Speichermediums, dem die aufgezeichneten Anweisungskomponenten entnommen werden können, einer Einrichtung, die mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken Straßennamen synthetisieren kann, sowie schließlich einer Einrichtung, die beide Elemente der Manöveranweisungen dergestalt in Zusammenhang bringen kann, dass sie für den Nutzer akustisch wiedergegeben werden können.
26
(3) Soweit hierin eine Erweiterung der technischen Lehre der Erfindung liegt, ist diese ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt.
27
Die japanische Offenlegungsschrift Hei 9-34490 (Entgegenhaltung K15) nimmt bereits in ihrer Einleitung darauf Bezug, dass bei Navigationsgeräten und -verfahren sowohl die Wiedergabe einer aufgezeichneten Stimme als auch die Erzeugung einer synthetischen Sprache sowie schließlich die Kombination beider Methoden der Sprachausgabe bekannt seien. In Abschnitt 17 wird sodann ausgeführt, dass mittels der Mitverwendung der Sprachwiedergabe und Sprachsynthese für den Teil mit dem standardisierten Ausdruck in der synthetischen Sprache das Verfahren mittels Sprachwiedergabe und für den Teil mit dem standardisierten Ausdruck das Verfahren mittels Sprachsynthese verwendet werden, so dass die Vorteile der beiden Verfahren erzielt werden können. Dies gab dem Fachmann die Anregung, beide Verfahren zu kombinieren, um so die Vorteile aus beiden Verfahren zu nutzen. Für den Fachmann lag es daher ohne weiteres nahe, bei der nach den Ausführungen zu III 2 nahegelegten Audiowiedergabe der Fahranweisungen, beide technischen Möglichkeiten in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
28
Der Umstand, dass der Gegenstand der Sprachsynthese nach dem durch Hilfsantrag II eingefügten Merkmal gerade Straßennamen sind, betrifft wiederum allein den Inhalt der für die erwünschte komfortablere Nutzerführung durch das Fahrzeugnavigationssystem zur Verfügung gestellten Information. Daher hat dieses Element der erfindungsgemäßen Lehre bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wiederum außer Betracht zu bleiben.
29
c) Auch der durch den Hilfsantrag III beschriebene Gegenstand erweist sich nicht als patentfähig, nachdem er sich allein insoweit vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs unterscheidet, als in ihm die in den Hilfsanträgen I und II aufgenommenen Merkmale zusammengeführt werden.
30
5. Hinsichtlich der Gegenstände der Unteransprüche ist für eine abweichende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit weder etwas geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08, GRUR 2012, 149 - Sensoranordnung).
31
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Grabinski
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.11.2011 - 4 Ni 63/09 (EU) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Apr. 2013 - X ZR 27/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Apr. 2013 - X ZR 27/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d
Bundesgerichtshof Urteil, 23. Apr. 2013 - X ZR 27/12 zitiert 3 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2011 - X ZR 109/08

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bei uns veröffentlicht am 24.05.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 20/03 vom 24. Mai 2004 in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 100 49 164.2 Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja PatG 1981 § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 elektronischer Zahlungsverkehr

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Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 20/03
vom
24. Mai 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 100 49 164.2
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
elektronischer Zahlungsverkehr
Die Erteilung eines Patents für ein Verfahren, das der Abwicklung eines im
Rahmen wirtschaftlicher Betätigung liegenden Geschäfts mittels Computer
dient, kommt nur in Betracht, wenn der Patentanspruch über den Vorschlag
hinaus, für die Abwicklung des Geschäfts Computer als Mittel zur Verarbeitung
verfahrensrelevanter Daten einzusetzen, weitere Anweisungen enthält, denen
ein konkretes technisches Problem zugrunde liegt, so daß bei der Prüfung auf
erfinderische Tätigkeit eine Aussage darüber möglich ist, ob eine Bereicherung
der Technik vorliegt, die einen Patentschutz rechtfertigt.
BGH, Beschl. v. 24. Mai 2004 - X ZB 20/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens sowie den Richter Dr. Meier-Beck
am 24. Mai 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der am 15. April 2003 verkündete Beschluß des 17. Senats (Technischen Beschwerdesenats ) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 25.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Anmelderin hat am 27. September 2000 beim Deutschen Patentund Markenamt ein Verfahren zur gesicherten Durchführung einer Transaktion im elektronischen Zahlungsverkehr zum Patent angemeldet. Das Deutsche Patent - und Markenamt hat diese Anmeldung durch Beschluß vom 4. Februar 2002 zurückgewiesen, weil das beanspruchte Verfahren nicht ausreichend offenbart sei.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und beantragt, das Patent mit neuen Patentansprüchen und teilweise geänderter Beschreibung zu erteilen. Patentanspruch 1 soll danach lauten:
Verfahren zur gesicherten Durchführung einer Transaktion im elektronischen Zahlungsverkehr im Internet, bei dem ein von einem Kunden an einem Computer elektronisch abrufbares Angebot eines mit dem Computer des Kunden über eine elektronische Datenverbindung verbundenen Computers eines Anbieters zur Ausführung eines Auftrags gelangt, indem in automatisierter Abfolge folgende Verfahrensschritte durchgeführt werden:

a) Durch die Annahme des Angebots durch den Kunden wird mittels Computer (1) des Anbieters ein Identifikationsdatensatz erzeugt , der eine erste Schlüsselinformation enthält, und an den Computer (2) des Kunden übermittelt.


b) Unter Verwendung des Identifikationsdatensatzes wird vom Computer (2) des Kunden ein elektronischer Überweisungsdatensatz unter Verwendung eines an sich bekannten elektronischen Zahlungssystems (electronic banking) erzeugt, welcher zusammen mit der ersten Schlüsselinformation an den Computer (3) eines Kreditinstituts des Kunden übermittelt wird.

c) Der Computer (3) des Kreditinstituts übermittelt die erhaltene erste Schlüsselinformation an einen zentralen Server (4).

d) Der zentrale Server (4) vergleicht die vom Computer des Kreditinstituts erhaltene erste Schlüsselinformation mit einer entsprechend vom Computer (1) des Anbieters an den zentralen Server (4) übertragenen zweiten Schlüsselinformation.

e) Bei Übereinstimmung der enthaltenen Schlüsselinformationen übermittelt der zentrale Server (4) ein Bestätigungssignal an den Computer (1) des Anbieters zur Freigabe der Durchführung des Auftrags und ein Ausführungssignal an den Computer (3) des Kreditinstituts zur Ausführung der Zahlungstransaktion.
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Anlage zum Protokoll über die öffentliche Sitzung des Bundespatentgerichts vom 15. April 2003 verwiesen.
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen (abgedruckt in GRUR 2003, 1033), weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 keine technische Erfindung i.S.d. § 1 Abs. 1 PatG sei. Im Vordergrund des angemeldeten Verfahrens stehe keine technische Lehre, sondern ein geschäftliches Zahlungsmodell. Die Problemstellung, die in der Anmeldung objektiv zutreffend mit Sicherung des Zahlungsverkehrs gegen Mißbrauch angegeben sei, sei so allgemein gehalten, daß ihr ein konkretes technisches Problem nicht entnommen werden könne. Das allgemeine Problem könne auch ohne Einsatz technischer Mittel gelöst werden. So könnte die beabsichtigte Sicherung des Zahlungsverkehrs gleichwirkend auch durch eine neutrale Instanz in Form eines Treuhänders erreicht werden. Die Lösung werde dementsprechend im wesentlichen auch nicht durch technische Überlegungen erreicht , die auf den Einsatz oder die Verbesserung herkömmlicher technischer Mittel gerichtet seien. Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen werde an der Sicherheit bzw. der Möglichkeit mißbräuchlicher Ausspähung der Übertragungswege im Internet nichts verändert. Auch sei eine besondere technische Leistung bei der Umsetzung der Schritte des geschäftlichen Zahlungsmodells in computerausführbare Anweisung nicht gegeben.
Gegen diese Zurückweisung ihrer Anmeldung hat die Anmelderin die vom Bundespatentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Anmelderin meint, das beanspruchte Verfahren stelle sich als ein maschinelles Bearbeitungsverfahren zur Ausführung und Abwicklung von - für sich allein nicht technischen - Geschäftsvorgängen dar. Damit werde eine technische Aufgabe mit technischen Mitteln gelöst. Im Vordergrund stehe die Sicherung der Zahlungsdaten des Kunden bei gleichzeitiger Sicherung der Bezahlung für den
den Anbieter. Das technische Problem bestehe darin, die relevanten Zahlungsdaten des Kunden - Kreditkartendaten und Kontodaten - gegen Ausspähung im Internet und mißbräuchliche Verwendung durch unbefugte Dritte zu schützen. Die technischen Lösungsmittel seien im wesentlichen, in den Auftrags - und Abwicklungsverkehr zwischen den drei Beteiligten den Server als vierten Computer einzuschalten und für die verschiedenen Kommunikationen geeignete Übertragungswege, vor allem das üblicherweise durch Verschlüsselung besonders abgesicherte electronic banking, auszuwählen. Die abstrahierende Würdigung des Bundespatentgerichts, die lediglich auf die Einschaltung einer gegenüber Kunden und Anbietern neutralen Instanz abstelle, werde dem nicht gerecht.
II. Die kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht (§ 108 PatG).
1. Ausweislich der Patentanmeldung war es bekannt, daß ein Kunde unter Nutzung des Browsers seines Computers die von einem Anbieter im Internet präsentierten Seiten aufruft, eine dort angebotene Ware oder Dienstleistung auswählt und unter Angabe seiner persönlichen Daten als Bestellung deklariert. Hierdurch wird der Anbieter zur Auslieferung/Erbringung der Ware /Dienstleistung, der Kunde zur Bezahlung verpflichtet. Die Sicherung der Bezahlung soll nach der Darstellung in der Patentanmeldung allerdings problematisch sein. Ein gleichzeitiger Austausch der Leistungen setze voraus, daß der Kunde im Zeitpunkt der Lieferung anwesend sei. Eine Bezahlung unter Verwendung eines Kreditkartensystems erfordere hingegen neben der Kreditfähig-
keit des Kunden auch die Mitteilung der Kreditkartendaten des Kunden an den Anbieter. Bei dieser Vorgehensweise bestehe deshalb die Gefahr des Abfangens dieser Daten im Internet. Die Sicherung der Zahlung durch Abfrage von Codenummern über eine Mobilfunkverbindung schließlich setze die gleichzeitige Nutzung einer solchen Verbindung voraus. Bei Diebstahl des Mobiltelefons könne dieses außerdem für Zahlungszwecke mißbraucht werden.
Hieraus wird abgeleitet, ein Verfahren zur gesicherten Durchführung einer Transaktion im elektronischen Zahlungsverkehr, insbesondere im Internet, anzugeben, das eine gegen Mißbrauch weitestgehend resistente Ausführung eines Zahlungsvorgangs bei Bestellung einer Ware oder Dienstleistung im elektronischen Zahlungsverkehr, insbesondere im Internet, ermögliche.
In der zuletzt beanspruchten Fassung schlägt Patentanspruch 1 hierzu folgendes Verfahren zur gesicherten Durchführung einer Transaktion im elektronischen Zahlungsverkehr im Internet vor, wobei im folgenden sich aus der Beschreibung der Anmeldung ergebende Erläuterungen oder Ergänzungen in Klammern wiedergegeben sind:
A. Das Verfahren benötigt vier Computer, nämlich
1. den Computer des Anbieters, der über eine elektronische Datenverbindung mit dem Computer des Kunden verbunden ist,
2. den Computer des Kunden, an dem ein Angebot des Anbieters elektronisch abrufbar ist,
3. den Computer eines Kreditinstituts des Kunden und
4. einen zentralen Server.
B. Das Verfahren besteht in der automatisierten Abfolge folgender Schritte:
1. (Im Falle der Annahme eines Angebots des Anbieters durch den Kunden) erzeugt der Computer des Anbieters

a) einen Identifikationsdatensatz

b) einschließlich einer ersten Schlüsselinformation
sowie

c) eine zweite (mit der ersten übereinstimmende) Schlüsselinformation.
2. Der Computer des Anbieters übermittelt

a) den erzeugten Identifikationsdatensatz

b) nebst der erzeugten ersten Schlüsselinformation
an den Computer des Kunden
sowie

c) (gleichzeitig oder später) die erzeugte zweite Schlüsselinformation an den zentralen Server.
3. Der Computer des Kunden erzeugt einen elektronischen Überweisungsdatensatz

a) unter Verwendung des erhaltenen Identifikationsdatensatzes

b) unter Verwendung eines elektronischen Zahlungssystems – "electronic banking".
4. Der Computer des Kunden übermittelt

a) den erzeugten elektronischen Überweisungsdatensatz

b) nebst der erhaltenen ersten Schlüsselinformation
an den Computer des Kreditinstituts.
5. (Wenn Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft besteht), übermittelt der Computer des Kreditinstituts (nur) die erhaltene erste Schlüsselinformation an den zentralen Server.
6. Der zentrale Server vergleicht die erhaltene erste Schlüsselinformation mit der erhaltenen zweiten Schlüsselinformation und stellt fest, ob die erhaltenen Schlüsselinformationen übereinstimmen.
7. (Nur) bei Übereinstimmung übermittelt der zentrale Server

a) sowohl an den Computer des Anbieters ein Bestätigungssignal zur Freigabe der Durchführung des Auftrags

b) als auch an den Computer des Kreditinstituts ein Ausführungssignal für die Zahlungstransaktion.
C. (Erst) als Folge dieser Schritte gelangen der Auftrag (und die Zahlungstransaktion) zur Ausführung.
Dieser Vorschlag geht - wie der Anmeldung Seite 1 zu entnehmen ist - davon aus, daß beim "electronic banking" über Internetverbindungen zwischen dem Kunden und seinem Kreditinstitut zur Sicherung der Datenübertragung Verschlüsselungstechniken verwendet werden, die gegen unberechtigte Angriffe weitestgehend resistent sind. Zwischen dem Computer des Anbieters und
demjenigen des Kunden werden hingegen nur bestellrelevante Daten übermittelt , die für Dritte vergleichsweise wertlos sind. Die Schlüsselinformation ist nach den auch mit der Rechtsbeschwerde nicht angezweifelten Feststellungen des Bundespatentgerichts eine bloße Nummer.
2. Entgegen der Meinung des Bundespatentgerichts kann mit den von diesem getroffenen Feststellungen die Technizität der angemeldeten Lehre nicht verneint werden.

a) Das Bundespatentgericht hat sich bei seiner Entscheidung wesentlich von dem Beschluß des Senats vom 17. Oktober 2001 (X ZB 16/00, BGHZ 149, 68 - Suche fehlerhafter Zeichenketten) leiten lassen, wie dem Hinweis auf diesen Senatsbeschluß und der Wiedergabe verschiedener in diesem enthaltener Aussagen in dem angefochtenen Beschluß entnommen werden kann. Das Bundespatentgericht hat dabei übersehen, daß der Senatsbeschluß "Suche fehlerhafter Zeichenketten" nicht von dem sich aus § 1 Abs. 1 PatG ergebenden Erfordernis der Technizität des Gegenstands handelt, für den um Patentschutz nachgesucht wird (vgl. hierzu BGHZ 143, 255 - Logikverifikation; BGHZ 144, 282 - Sprachanalyseeinrichtung), sondern sich mit der Frage des in § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG geregelten Patentierungsausschlusses befaßt. Ob die für einen Patentschutz erforderliche Technizität gegeben ist, erschließt sich bei hierauf ausgerichteter wertender Betrachtung des in dem angemeldeten Patentanspruch definierten Gegenstands (BGHZ 143, 255, 263 - Logikverifikation

).



b) Bei seiner insoweit angestellten Würdigung, im Vordergrund des angemeldeten Verfahrens stehe ein geschäftliches Zahlungsmodell, hat das Bundespatentgericht einseitig auf die in der Anmeldung als Aufgabenstellung bezeichnete Sicherung des Zahlungsverkehrs gegen Mißbrauch und darauf abgestellt , daß diese vorschlagsgemäß durch die Einschaltung einer gegenüber dem Kunden und dem Anbieter neutralen Instanz erreicht werde. Denn dabei ist unberücksichtigt geblieben, daß nach den Merkmalen 3 und 4 ein mit der Anmeldung vorgeschlagenes Lösungsmittel darin besteht, bestimmte Daten unter Verwendung eines ausweislich der Beschreibung sicheren elektronischen Zahlungssystems zu übermitteln. Mithin ist bei der angemeldeten Lehre auch das Problem betroffen, bestimmte schützenswerte Daten, die ohne den Lösungsvorschlag beispielsweise über eine unsichere Leitung weitergegeben werden müßten, von einem Ort zu einem anderen zu schaffen. Jedenfalls deshalb kann im Streitfall die erforderliche Technizität des Gegenstands, um dessen Patentschutz nachgesucht wird, durchaus gegeben sein. Diese Möglichkeit kann insbesondere dann nicht verneint werden, wenn bedacht wird, daß - was angesichts entsprechender Hinweise in der Anmeldung nicht fern liegt - der Fachmann, dessen Sicht in diesem Zusammenhang maßgeblich ist (Senat aaO. - Logikverifikation), unter dem insoweit vorgeschlagenen "electronic banking" ein System verstehen kann, das u.a. mit Verschlüsselungstechniken arbeitet , denen offenbar auch das Bundespatentgericht technischen Charakter zugestehen will.
3. Auf der Grundlage der Feststellungen des Bundespatentgerichts rechtfertigt auch der in § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG geregelte Patentierungsausschluß die ausgesprochene Zurückweisung der Anmeldung nicht.


a) Angesichts des Umstands, daß Pläne, Regeln und Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen nach diesen Vorschriften von Gesetzes wegen vom Patentschutz ausgenommen sind, wenn für sie als solche Schutz begeht wird, kann ein Verfahren, das der Abwicklung eines im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung liegenden Geschäfts dient, allerdings nicht bereits deshalb patentierbar sein, weil es bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordert (vgl. Senat BGHZ 149, 68, 73 f. - Suche fehlerhafter Zeichenketten). Auch die Erweiterung des Vorschlags dahin , zur Abwicklung des Geschäfts mehrere Computer zu nutzen, kann deshalb für sich allein keinen Grund bilden, einem solchen Verfahren Patentfähigkeit zuzubilligen. Wegen der umfassenden Eignung und Nützlichkeit des Computers für die Verarbeitung von Daten kann hierfür aber auch noch nicht ausreichen , daß die angemeldete Lehre über den Vorschlag hinaus, für die Abwicklung des Geschäfts einen oder mehrere Computer als Mittel zur Verarbeitung verfahrensrelevanter Daten einzusetzen, weitere Anweisungen umfaßt, die für das Verfahren bestimmend sein sollen (vgl. Senat aaO. - Suche fehlerhafter Zeichenketten). Diese (weiteren) Anweisungen müssen vielmehr die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben. Denn wegen des Patentierungsausschlusses und der umfassenden Eignung von Computern vermögen regelmäßig erst sie die Patentfähigkeit eines Verfahrens zu begründen, das Computer nutzt. Außerhalb der Technik liegende Anweisungen , insbesondere wenn sie sich darauf beschränken, zu umschreiben, wozu der Computer eingesetzt werden soll, genügen in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht; sie sind nur in dem Umfang von Bedeutung, in dem sie auf die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln Einfluß
nehmen. Den (weiteren) Anweisungen muß daher ein konkretes technisches Problem zugrunde liegen, das sie lösen sollen (vgl. wiederum Senat aaO. - Suche fehlerhafter Zeichenketten). Eine Aufgabe, die sich im Rahmen geschäftlicher Tätigkeit stellt, die abgewickelt werden soll, ist - auch wenn sie im Vorfeld technischer Maßnahmen gelöst werden muß - für sich nicht genügend. Das folgt aus dem Zweck des Patentrechts, ausschließlich erfinderische Problemlösungen auf dem Gebiet der Technik durch ein zeitlich beschränktes Ausschließlichkeitsrecht zu fördern.

b) Mit diesen Fragen hat sich das Bundespatentgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht befaßt. Dem Senat ist insoweit auch eine bestätigende abschließende Entscheidung verwehrt, weil es noch weiterer tatrichterlicher Aufklärung bedarf. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nach dem zu 2 b bereits Ausgeführten nicht abschließend beurteilt werden , ob denjenigen Anweisungen der angemeldeten Lehre, die über den Einsatz von Computern ihrer Bestimmung und Eignung gemäß hinausgehen, ein konkretes technisches Problem zu Grunde liegt, das die sichere Übermittlung von Daten von einem Computer zu einem anderen betrifft.
(1) Dies kann im Streitfall nicht etwa deshalb vernachlässigt werden, weil das Lösungsmittel "electronic banking" in der Anmeldung nur allgemein und als an sich bekannt bezeichnet ist. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Bundespatentgerichts liegt es nämlich nahe, daß der Fachmann der Angabe "electronic banking" die Beanspruchung eines Systems bestimmter Beschaffenheit und damit einen möglicherweise technischen Gegenstand entnimmt. Dessen Bekanntheit hingegen ist ein Gesichtspunkt, der nicht die Frage
eines Patentierungsausschlusses, sondern die nach den Patentierungsvoraussetzungen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit (§§ 3, 4 PatG) berührt. Wie der Senat bereits hinsichtlich des Erfordernisses der Technizität ausgeführt hat (BGHZ 143, 255, 263 - Logikverifikation), darf auch bei computerbezogenen oder Datenverarbeitung nutzenden Lehren die Wertung, ob ein konkretes technisches Problem besteht und gelöst wird oder ob mangels eines solchen ein gesetzlicher Patentierungsausschluß nach § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG greift, im Ergebnis nicht davon abhängen, ob der zu beurteilende Vorschlag neu und erfinderisch ist.
(2) Wegen der Bekanntheit des vorgeschlagenen "electronic banking" kann schließlich auch nicht angenommen werden, das betreffende Merkmal des angemeldeten Patentanspruchs gehöre nicht zu den prägenden Anweisungen dieser Lehre. Wenn das Bundespatentgericht dieses Merkmal mangels prägenden Charakters vernachlässigt haben sollte, beruhte dies auf einem unrichtigen Verständnis der Senatsentscheidung "Suche fehlerhafter Zeichenketten". Mit der Forderung, auf die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre abzustellen, hat der Senat nicht eine Wertigkeit zum Maßstab erhoben, welche die im Patentanspruch zum Ausdruck kommende Leistung unabhängig von einem technischen Bezug kennzeichnet. Mit ihr soll sichergestellt werden, daß sich die Feststellung erfinderischer Tätigkeit auf der Grundlage vollzieht, derentwegen der angemeldete Gegenstand eine Lehre zum technischen Handeln darstellt. Im Hinblick darauf, daß über den Patentschutz ausschließlich Problemlösungen auf einem Gebiet der Technik gefördert werden sollen, weil sie in Ansehung des Stands der Technik auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, geht es allein darum, diejenigen Anweisungen zu erfassen, die insoweit be-
deutsam sind, weil sie eine Aussage darüber erlauben, ob eine schutzwürdige Bereicherung der Technik vorliegt. Diese Notwendigkeit mag kein Erfordernis sein, das ausschließlich Computer oder Datenverarbeitung nutzende Lehren betrifft, weil vor der Gewährung eines Patentschutzes immer die Frage steht, was den Schutz dieses Immaterialgüterrechts rechtfertigt, und weil deshalb grundsätzlich zu fragen ist, ob die angemeldete Lehre Anweisungen enthält und welche es sind, die sich mit den bisherigen Lösungen im Stand der Technik vergleichen lassen. Bei einer Patentanmeldung, die auf die Nutzung von Computer und Datenverarbeitung setzt, hat diese Frage jedoch besondere Bedeutung , weil hier zum einen die gedankliche Trennung zwischen der technischen Problemstellung und der ihr nur vorgelagerten Aufgabe, deren Bewältigung die Nutzung des Computers dienen soll, nicht in gleicher Weise ins Auge fällt und zum anderen der Gesetzgeber zwar Lehren zum technischen Handeln nicht wegen der Nutzung von Computer und Datenverarbeitung vom Patentschutz ausschließen wollte, durch § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG aber zum Ausdruck gebracht hat, daß ein Patentschutz erst in Betracht kommt, wenn der Gegenstand, für den Patentschutz begehrt wird, über ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches hinausgeht.
4. Das Bundespatentgericht wird deshalb die Anmeldung einer erneuten sachlichen Überprüfung unterziehen müssen, wobei hinsichtlich der gesetzlichen Patentierungsvoraussetzungen und Patentierungsausschlüsse keine bestimmte Prüfungsreihenfolge eingehalten werden muß.
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 2. Halbsatz PatG).

Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck
31
Dafür genügt es jedoch, dass ein Teilaspekt der geschützten Lehre ein technisches Problem bewältigt. Das vom Gesetzgeber mit den Ausschlusstatbeständen verfolgte Anliegen wird nach der Rechtsprechung des Senats - nicht anders als nach der Rechtsprechung der Technischen Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (vgl. EPA, GBK, Beschluss vom 12. Mai 2010 - G 3/08 Rn. 10.7.1, 10.8.2, 10.13 bis 10.13.2 - Program for computers) - im Wesentlichen dadurch verwirklicht, dass jedenfalls bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen berücksichtigt werden, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - Xa ZB 20/08, GRUR 2010, 613 Rn. 23 f. - Dynamische Dokumentengenerierung, mwN). Die vorgelagerte Prüfung auf das Vorliegen eines Ausschlusstatbestands dient daher nur einer Art Grobsichtung zur Ausfilterung derjenigen Fälle, in denen der Patentanspruch überhaupt keine technische Anweisung enthält, die sinnvollerweise der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zugrunde gelegt werden kann.
42
Die Merkmale 3 a und 3 b betreffen die Auswahl bestimmter Daten unabhängig von technischen Zusammenhängen. Als vorgegebene Eigenschaft kommt grundsätzlich jede Eigenschaft in Betracht, die Anlass geben kann, einen Streckenabschnitt zu meiden, insbesondere auch der in Merkmal 3 b hervorgehobene Aspekt der Gebührenpflicht. Darin liegt keine Anweisung, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmt oder zumindest beeinflusst.
29
Eine automatische Auswahl des Stadtzentrums als Fahrtziel infolge der Auswahl einer nicht digitalisierten Stadt in einem Navigationssystem unter der Option, das Fahrtziel mittels Ortsname und Straßenname zu bezeichnen, entlastet den Benutzer von der Mühe, dieses Fahrtziel noch bestätigen zu müssen. Das Merkmal dient damit ausschließlich der Erhöhung des Komforts für den Benutzer bei der Handhabung des Geräts. Das gelöste Problem ist damit nicht ein technisches, welches außerhalb der Datenverarbeitungsanlage liegt, sondern eine Adaption des Programms an die menschlichen Möglichkeiten für eine schnellere Eingabe des Fahrtziels. Technische Probleme, die sich aus einer technischen Vorrichtung oder einem technischen Ablauf außerhalb einer Datenverarbeitungsanlage ergeben würden, haben für dieses Merkmal ebenso wenig eine Bedeutung wie die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage selbst. Eine erfinderische Tätigkeit ist daher aufgrund eines sich allenfalls aus Merkmal 3 ergebenden Abstands zum Stand der Technik nicht zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 109/08 Verkündet am:
29. September 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sensoranordnung
Wenn sich der Gegenstand eines Patentanspruchs als nicht patentfähig erweist
, führt dies nicht ohne weiteres dazu, dass auch der Gegenstand eines auf
ihn zurückbezogenen Unteranspruchs als nicht patentfähig angesehen werden
kann. Das Patent ist aber auch hinsichtlich des angegriffenen Unteranspruchs
für nichtig zu erklären, wenn weder geltend gemacht wird noch sonst ersichtlich
ist, dass die zusätzlichen Merkmale zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit
führen.
Der Erwerber des Patents, der einem vor der Eintragung des Rechtsübergangs
eingeleiteten Nichtigkeitsverfahren auf Seiten des Beklagten beitritt, ist nicht
streitgenössischer Nebenintervenient.
BGH, Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. September 2011 durch die Richter Keukenschrijver, Gröning,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung und die Anschlussberufung gegen das am 16. Juli 2008 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das europäische Patent 866 971 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt wird, als es über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht: 1. Steueranordnung für ein Rückhaltemittel in einem Kraftfahrzeug - mit einer Sensoranordnung zum Erkennen eines Aufpralls, mit einer Vorrichtung (11, 12) zum Aufnehmen einer Beschleunigung (LS1, LS2, QS1, QS2) in jeder Fahrzeughälfte (LH, RH), bezogen auf die Fahrzeuglängsachse (A-A´), wobei jede Vorrichtung (11, 12) einen Längsbeschleunigungssensor (111, 121) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung in Richtung der Fahrzeuglängsachse (A-A´) und einen Querbeschleunigungssensor (112, 122) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung quer zur Fahrzeuglängs-achse (A-A´) aufweist , - mit zwei Steuergeräten (31, 32), wobei jedes Steuergerät (31, 32) eine Vorrichtung (11, 12) und eine ihr zugeordnete Auswerteeinheit (21, 22) zum Auswerten der von den Vorrichtungen (11, 12) gelieferten Signale (LS1, LS2, QS1, QS2) und zum Erzeugen von Steuersignalen (S) für Rückhaltemittel (4) abhängig davon aufweist, - bei der beide Steuergeräte (31, 32) über eine Leitung (3) zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind, und - bei der das eine Steuergerät (31) in der linken Fahrzeughälfte (LH) und das andere Steuergerät (32) in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordnet ist.
2. Insassenschutzsystem mit einer Steueranordnung nach Anspruch 1, mit mindestens einem Rückhaltemittel (42) zum Seitenaufprallschutz und mit mindestens einem Rückhaltemittel (41) zum Frontaufprallschutz in jeder Fahrzeughälfte (LH, RH), bei dem die in der linken Fahrzeughälfte (LH) angeordneten Rückhaltemittel zum Seitenaufprallschutz (421) und zum Frontaufprallschutz (411) elektrisch mit der in der linken Fahrzeughälfte (LH) angeordneten Auswerteeinheit (21) verbunden sind, und bei dem die in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordneten Rückhaltemittel zum Seitenaufprallschutz (422) und zum Frontaufprallschutz (412) elektrisch mit der in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordneten Auswerteeinheit (22) verbunden sind.
Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Beklagte zwei Drittel und die Klägerin ein Drittel. Die Klägerin trägt ferner ein Drittel der zweitinstanzlichen Kosten der Nebenintervention.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 866 971 (Streitpatents), das sie im Laufe des Rechtsstreits an die Streithelferin übertragen hat. Das Streitpatent ist am 9. Dezember 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 195 46 358 (BK2, Prioritätsdokument) vom 12. Dezember 1995 angemeldet worden. Es betrifft eine Sensoranordnung für ein Kraftfahrzeug zum Erkennen eines Aufpralls. Patentanspruch 1, auf den die übrigen Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache Deutsch: "Sensoranordnung für ein Kraftfahrzeug zum Erkennen eines Aufpralls, mit einer Vorrichtung (11, 12) zum Aufnehmen einer Beschleunigung (LS1, LS2, QS1, QS2) in jeder Fahrzeughälfte (LH, RH), bezogen auf die Fahrzeuglängsachse (A-A’), dadurch gekennzeichnet, dass jede Vorrichtung (11, 12) zwei Beschleunigungssensoren (111, 112, 121, 122) mit unterschiedlich gerichteten Empfindlichkeitsachsen aufweist."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären.
3
Die Beklagte hat das Streitpatent in einer geänderten Fassung verteidigt, die die nachfolgend wiedergegebenen Patentansprüche 1 bis 3 sowie die unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 3 zurückbezogenen Patentansprüche 4 bis 7 umfasst: "1. Steueranordnung für ein Rückhaltemittel in einem Kraftfahrzeug - mit einer Sensoranordnung zum Erkennen eines Aufpralls, mit einer Vorrichtung (11, 12) zum Aufnehmen einer Beschleunigung (LS1, LS2, QS1, QS2) in jeder Fahrzeughälfte (LH, RH), bezogen auf die Fahrzeuglängsachse (A-A´), wobei jede Vorrichtung (11, 12) einen Längsbeschleunigungssensor (111, 121) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung in Richtung der Fahrzeuglängsachse (A-A´) und einen Querbeschleunigungssensor (112, 122) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung quer zur Fahrzeuglängs-achse (A-A´) aufweist , - mit zwei Steuergeräten (31, 32), wobei jedes Steuergerät (31, 32) eine Vorrichtung (11, 12) und eine ihr zugeordnete Auswerteeinheit (21, 22) zum Auswerten der von den Vorrichtungen (11, 12) gelieferten Signale (LS1, LS2, QS1, QS2) und zum Erzeugen von Steuersignalen (S) für Rückhaltemittel (4) abhängig davon aufweist, - bei der beide Auswerteeinheiten (21, 22) über eine Leitung (3) zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind, und - bei der das eine Steuergerät (31) in der linken Fahrzeughälfte (LH) und das andere Steuergerät (32) in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordnet ist.
2. Insassenschutzsystem mit einer Steueranordnung nach Anspruch 1, mit mindestens einem Rückhaltemittel (42) zum Seitenaufprallschutz und mit mindestens einem Rückhaltemittel (41) zum Frontaufprallschutz in jeder Fahrzeughälfte (LH, RH), bei dem die in der linken Fahrzeughälfte (LH) angeordneten Rückhaltemittel zum Seitenaufprallschutz (421) und zum Front[en]aufprallschutz (411) elektrisch mit der in der linken Fahrzeughälfte (LH) angeordneten Auswerteeinheit (21) verbunden sind, und bei dem die in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordneten Rückhaltemittel zum Seitenaufprallschutz (422) und zum Frontaufprallschutz (412) elektrisch mit der in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordneten Auswerteeinheit (22) verbunden sind.
3. Steueranordnung für ein Rückhaltemittel in einem Kraftfahrzeug - mit einer Sensoranordnung zum Erkennen eines Aufpralls, mit einer Vorrichtung (11, 12) zum Aufnehmen einer Beschleunigung (LS1, LS2, QS1, QS2) in jeder Fahrzeughälfte (LH, RH), bezogen auf die Fahrzeuglängsachse (A-A’), wobei jede Vorrichtung (11, 12) einen Längsbeschleunigungssensor (111, 121) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung in Richtung der Fahrzeuglängsachse (A-A’) und einen Querbeschleunigungssensor (112, 122) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung quer zur Fahrzeuglängsachse (A-A’) aufweist , - mit einer Auswerteeinrichtung (2) zum Auswerten der von den Vorrichtungen 11, 12) gelieferten Signale (LS1, LS2, QS1, QS2) derart, dass Signale (LS1, LS2, QS1, QS2) der aufprallortentfernten Fahrzeughälfte (LH, RH) in die Auslöseentscheidung für Rückhaltemittel der aufprallortnahen Fahrzeughälfte (LH, RH) miteinbezogen werden, und zum Erzeugen eines Steuersignals (S) für das Rückhaltemittel (4) abhängig davon."
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über eine Fassung hinausgeht, die die verteidigten Patentansprüche 1 und 2 um- fasst, und die weitergehende Klage abgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerin mit der Berufung und die Beklagte mit der Anschlussberufung.
5
Die Klägerin strebt weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents an. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent mit einem gegenüber der ersten Instanz geringfügig geänderten Hauptantrag und sieben Hilfsanträgen.
6
Nach dem Hauptantrag der Beklagten soll die in erster Instanz verteidigte Fassung des Streitpatents dahin modifiziert werden, dass es in Patentanspruch 1 im vorletzten Spiegelstrich statt "Auswerteeinheiten (21, 22)" nunmehr "Steuergeräte (31, 32)" heißt.
7
Nach Hilfsantrag I soll in den Patentansprüchen 1 und 3 gemäß der in erster Linie verteidigten Fassung hinter den Worten "Steueranordnung für ein Rückhaltemittel in einem Kraftfahrzeug" jeweils eingefügt werden: ", nämlich für mindestens ein Rückhaltemittel zum Seitenaufprallschutz in jeder Fahrzeughälfte, bezogen auf die Fahrzeuglängsachse, und mindestens ein Rückhaltemittel zum Frontaufprallschutz,"
8
Nach Hilfsantrag II sollen in den Patentansprüchen 1 und 3 gemäß Hauptantrag die Worte "wobei jede Vorrichtung (11, 12) einen Längsbeschleuni- gungssensor … und einen Querbeschleunigungssensor … aufweist" jeweils ersetzt werden durch: "wobei jede Vorrichtung (11, 12) aus einem Längsbeschleunigungssensor … und einem Querbeschleunigungssensor … besteht"
9
Nach Hilfsantrag III sollen die Patentansprüche 1 und 3 sowohl mit den in Hilfsantrag I als auch mit den in Hilfsantrag II vorgesehenen Änderungen versehen werden.
10
Mit den Hilfsanträgen IV bis VII wird das Streitpatent jeweils nur im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 verteidigt, deren Fassung derjenigen nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis III entspricht.
11
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. M. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


12
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung hat nur insoweit Erfolg, als die erstinstanzliche Einfügung "Auswerteeinheiten (21, 22)" ersetzt wird durch "Steuergeräte (31, 32)".
13
I. Das Streitpatent betrifft eine Sensoranordnung für ein Kraftfahrzeug zum Erkennen eines Aufpralls.
14
1. Nach den Ausführungen im Streitpatent waren im Stand der Technik Anordnungen dieser Art bekannt, bei denen in den Seitentüren jeweils ein Querbeschleunigungssensor zur Erkennung von Fahrzeugbeschleunigungen quer zur Fahrzeugachse und in einem zentralen Steuergerät zwei um jeweils 45° zur Fahrzeuglängsachse versetzt angeordnete Beschleunigungssensoren zur Erkennung eines Frontaufpralls angebracht waren.
15
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Sensoranordnung zur Verfügung zu stellen, die bei geringem Aufwand an Beschleunigungsaufnehmern eine zuverlässige Auslösung bei gleichzeitiger Verhinderung von Fehlauslösungen bereitstellt.
16
2. Zur Lösung dieses Problems sieht Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung eine Steueranordnung vor, die folgende Merkmale aufweist: A Die Anordnung dient der Steuerung eines Rückhaltemittels in einem Kraftfahrzeug.
B Die Anordnung umfasst eine Sensoranordnung zum Erkennen eines Aufpralls. B1 In jeder Fahrzeughälfte (LH, RH) ist eine Vorrichtung (11, 12) zum Aufnehmen einer Beschleunigung (LS1, LS2, QS1, QS2), bezogen auf die Fahrzeuglängsachse (A-A’), angeordnet. Diese Vorrichtung weist auf: B2 einen Längsbeschleunigungssensor (111, 121) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung in Richtung der Fahrzeuglängsachse und B3 einen Querbeschleunigungssensor (112, 122) zum Erfassen einer Fahrzeugbeschleunigung quer zur Fahrzeuglängsachse.
C Die Anordnung umfasst zwei Steuergeräte (31, 32). C1 Das eine Steuergerät (31) ist in der linken Fahrzeughälfte (LH) angeordnet. C2 Das andere Steuergerät (32) ist in der rechten Fahrzeughälfte (RH) angeordnet.
D Jedes Steuergerät weist (eine der Vorrichtung (11, 12) zugeordnete ) Auswerteeinheit (21, 22) auf D1 zum Auswerten der von den Vorrichtungen (11, 12) gelieferten Signale (LS1, LS2, QS1, QS2) und
D2 zum Erzeugen von Steuersignalen (S) für Rückhaltemittel (4) abhängig von diesen Signalen.
E Beide Steuergeräte (31, 32) sind über eine Leitung (3) zur Codesignalübertragung miteinander verbunden.
17
Nach Patentanspruch 3 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung weist die Steueranordnung die Merkmale A und B sowie das nachfolgend aufgegliederte Merkmal D' auf: D' Die Anordnung umfasst eine Auswerteeinrichtung (2) D1' zum Auswerten der von den Vorrichtungen (11, 12) gelieferten Signale (LS1, LS2, QS1, QS2), und zwar derart, dass Signale (LS1, LS2, QS1, QS2) der aufprallortentfernten Fahrzeughälfte (LH, RH) in die Auslöseentscheidung für Rückhaltemittel der aufprallortnahen Fahrzeughälfte (LH, RH) miteinbezogen werden, und D2' zum Erzeugen eines Steuersignals (S) für das Rückhaltemittel (4) abhängig von diesen Signalen.
18
Der Unterschied zwischen den beiden Lösungen liegt hauptsächlich darin, dass nach Patentanspruch 1 zwei separate Auswerteeinheiten (21, 22) vorgesehen sind, die zusammen mit den in Merkmal B vorgesehenen Vorrichtungen (11, 12) in jeweils einem Steuergerät (31, 32) in der linken und der rechten Fahrzeughälfte angeordnet sind, wobei die Steuergeräte über eine Leitung miteinander verbunden sind, während von Patentanspruch 3 auch Anordnungen mit nur einer Auswerteeinrichtung (2) erfasst werden, die die Steuersignale von beiden Beschleunigungsaufnehmervorrichtungen in der in Merkmal D1' näher festgelegten Weise auswertet.
19
3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.
20
a) Die in beiden Patentansprüchen in Merkmal B vorgesehene dezentrale Anordnung der Beschleunigungssensoren eröffnet die Möglichkeit, genaue Informationen über den Ort des Aufpralls zu gewinnen.
21
Die bei einem Aufprall entstehenden Kräfte treten aufgrund der plastischen und elastischen Eigenschaften der Karosserie bei zunehmendem Abstand vom Aufprallort mit zunehmender Zeitverzögerung (Abs. 9 und 13) und mit abnehmender Intensität auf. Ein näher an der Aufprallstelle angeordneter Sensor liefert deshalb andere Messwerte als ein weiter entfernt angeordneter Sensor.
22
Dies kann dazu genutzt werden, die auf einer Fahrzeugseite angeordneten Rückhaltemittel (Airbags oder Gurtstraffer) nur dann auszulösen, wenn die auf dieser Seite angeordneten Beschleunigungssensoren ein entsprechendes Signal liefern. Genaue Informationen können gewonnen werden, wenn die Signale der auf beiden Seiten angeordneten Sensoren miteinander verglichen und die Rückhaltemittel nur dann ausgelöst werden, wenn beide Werte bestimmte Kriterien erfüllen.
23
Die Nutzung dieser Möglichkeit ist nur in der verteidigten Fassung von Patentanspruch 3 (dort Merkmal D1') und den darauf zurückbezogenen Patentansprüchen vorgesehen. Nach der insgesamt zulässigerweise verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 (dort Merkmal E), die insoweit auf die erteilte Fassung von Patentanspruch 5 zurückgeht, ist hingegen nur vorgesehen, dass die beiden Steuergeräte über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, beide Signale in der beschriebenen Weise zu nutzen, aber keine Festlegung getroffen, dass dies tatsächlich zu geschehen hat.
24
Die Leitung zur Codesignalübertragung kann auch dafür genutzt werden, dass beim Ausfall eines Steuergeräts das verbleibende Steuergerät zur Steuerung sämtlicher Rückhaltemittel genutzt wird (Abs. 21).
25
b) Nach der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 muss die Anordnung (mindestens) zwei Steuergeräte umfassen (Merkmal C), die jeweils eine Vorrichtung mit einem Längs- und einem Querbeschleunigungssensor und eine ihr zugeordnete Auswerteeinheit aufweisen (Merkmal D) und die über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind (Merkmal E).
26
Entgegen der Auffassung der Klägerin werden damit Anordnungen, bei denen die Auswerteeinheit oder eine Auswerteeinrichtung mit mehreren logisch getrennten Auswerteeinheiten an zentraler Stelle im Fahrzeug angeordnet ist, nicht erfasst. Zwar könnte die Formulierung, dass die Auswerteeinheit der Vorrichtung mit den Beschleunigungssensoren zugeordnet ist, bei isolierter Betrachtung auch diese Möglichkeit einschließen. Nach der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ist jedoch zusätzlich erforderlich, dass das Steuergerät die Auswerteeinheit umfasst. Daraus ergibt sich, wie auch der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, dass sowohl die Beschleunigungssensoren als auch die Auswerteeinheit einen Bestandteil des Steuergeräts bilden und an der gleichen Stelle im Fahrzeug angeordnet sind. Dieses Verständnis wird bestätigt durch die Ausführungen in der Beschreibung, wonach bei dem in Figur 2 wiedergegebenen Ausführungsbeispiel, das mit der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 korrespondiert, jede Vorrichtung zum Erkennen einer Beschleunigung mit einer zugeordneten und räumlich bei ihr angeordneten Auswerteeinheit verbunden ist (Abs. 42). Die in Figur 1 wiedergegebene alternative Ausführungsform , die nur eine zentrale Auswerteeinheit umfasst, hat in der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 hingegen keinen Niederschlag gefunden.
27
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
28
Der Gegenstand von Patentanspruch 3 in der verteidigten Fassung sei durch den Inhalt der im Prioritätsintervall veröffentlichten Entgegenhaltung K6 (BK3, Vogt und Witt) nahegelegt. Dieser Patentanspruch könne sich nicht auf die geltend gemachte Priorität stützen. Im Prioritätsdokument sei nur eine Anordnung mit zwei getrennten, über eine Leitung miteinander verbundenen Steuergeräten offenbart, nicht aber eine Anordnung mit einer einzigen integralen Auswerteeinrichtung. Dass eine derartige Abwandlung im Griffbereich des Fachmanns gelegen habe, reiche für eine Offenbarung gemäß den Prinzipien der Neuheitsprüfung nicht aus. In BK3 sei zwar auch eine Anordnung mit zwei getrennten Auswerteeinheiten beschrieben. Dem Fachmann seien am Prioritätstag aber sowohl integrale, baulich einheitliche als auch verteilte Auswerteeinheiten geläufig gewesen. Deshalb habe er ohne erfinderische Überlegungen zum Gegenstand von Patentanspruch 3 in der verteidigten Fassung gelangen können.
29
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung sei nicht durch den Stand der Technik nahegelegt. In einigen Entgegenhaltungen (K8, K10 und K15) seien Anordnungen mit mehreren Sensoren, aber nur einem Steuergerät offenbart. In anderen Entgegenhaltungen (K4 = BK10, K7 = BK9 und K10) seien zwar Anordnungen mit mehreren Steuergeräten offenbart; diese seien aber nicht wie beim Streitpatent über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden. Aus diesen Entgegenhaltungen und dem übrigen Stand der Technik habe sich für den Fachmann auch keine Anregung ergeben, die einzelnen Vorrichtungen in der in Patentanspruch 1 festgelegten Weise anzuordnen.
30
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Wesentlichen stand.
31
1. Der Gegenstand der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ist patentfähig.
32
a) Der Gegenstand dieses Patentanspruchs ist neu.
33
(1) Der im Prioritätsintervall veröffentlichte Aufsatz von Vogt und Witt (Restraint System Electronics, in: Automotive Engineering, August 1996, S. 27-31, BK3) gehört hinsichtlich dieses Anspruchs nicht zum Stand der Technik im Sinne von Art. 54 Abs. 2 EPÜ. Maßgebliches Datum ist insoweit gemäß Art. 89 EPÜ der Anmeldetag des Prioritätsdokuments. Dieses betrifft dieselbe Erfindung wie die verteidigte Fassung von Patentanspruch 1.
34
Gemäß Art. 87 Abs. 1 EPÜ kann die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch genommen werden, wenn die nachfolgende Anmeldung dieselbe Erfindung betrifft. Nach der auch vom Patentgericht herangezogenen Rechtsprechung des Senats ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist (BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Rn. 17 - Betonstraßenfertiger ; Urteil vom 9. Dezember 2008 - X ZR 124/05, GRUR 2009, 390 Rn. 23 - Lagerregal; Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 ff. = GRUR 2002, 146 - Luftverteiler).
35
Im Prioritätsdokument wird ein Insassenschutzsystem für ein Fahrzeug zum Auslösen von jeweils mindestens einem Rückhaltemittel zum Front- und Seitenaufprallschutz mit zwei Steuergeräten offenbart. Gemäß Patentanspruch 1 des Prioritätsdokuments umfasst jedes Steuergerät einen Längsbeschleunigungssensor , einen Querbeschleunigungssensor und eine Auswer- teeinheit, die die von den Sensoren gelieferten Daten auswertet und unter bestimmten Voraussetzungen für die Auslösung der Rückhaltemittel sorgt. Das eine Steuergerät ist in der linken Fahrzeughälfte angeordnet, das andere in der rechten Fahrzeughälfte. Beide Steuergeräte sind über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden. Damit sind alle Merkmale der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 offenbart.
36
Ob im Prioritätsdokument auch Ausgestaltungsformen offenbart sind, bei denen die beiden Auswerteeinheiten über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind, bedarf keiner Entscheidung, weil die in zweiter Instanz verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 dieses Merkmal nicht mehr vorsieht. Die Beklagte war nicht gehindert, als Anschlussberufungsklägerin die in erster Instanz verteidigte Fassung dahin zu erweitern, dass die genannte Verbindung nicht zwischen den Auswerteeinheiten besteht, sondern zwischen den beiden Steuergeräten, deren Teil die Auswerteeinheiten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1994 - X ZB 9/94, BGHZ 128, 149, 154 = GRUR 1995, 210 - Lüfterkappe).
37
(2) Der Aufsatz von Wetzel (Steuerung eines MehrfachRückhaltesystems , Automobiltechnische Zeitschrift 96 (1994), 618 f., BK4) befasst sich mit der Frage, an welcher Stelle die Sensoren für die Feststellung eines seitlichen Aufpralls zweckmäßigerweise angebracht werden. Die zentrale Anbringung im Bereich des Fahrzeugtunnels, die für Messstellen für einen Frontalaufprall als üblich bezeichnet wird, habe sich bei ersten Messungen nicht als ohne weiteres geeignet erwiesen. Durch Vermeiden der kritischen Stellen (Tunnel und Quersicken) lasse sich ein wesentlich besseres Ergebnis erzielen. Deshalb werde bei einem neueren System ein "Assistent-Sensor" in der Nähe der Aufprallstelle, zum Beispiel auf einem Querträger oder bei steifer Tür auch dort eingesetzt. Die Information über den Crashzustand werde dem Zentralgerät übermittelt, das die vorverarbeitete Information des "Assistenten" mit Rich- tungsinformation und geringen Beschleunigungsdaten bestätige und zum Triggersignal ergänze. In Bild 2 der Entgegenhaltung wird eine schematische Zeichnung wiedergegeben, die ein Zentralgerät im Bereich des Tunnels und je ein ausgelagertes Sensorsystem in der rechten und der linken Fahrzeughälfte zeigt.
38
Damit sind die Merkmale A, B1 und B3 offenbart. Die beiden "AssistentSensoren" können ferner als Steuergeräte mit den Merkmalen C1, C2, D1 und E angesehen werden, weil sie die Beschleunigungsdaten nicht nur erfassen und weiterleiten, sondern vorverarbeiten und daraus die Informationswerte "mittelschwerer Crash", "schwerer Crash" oder "Crash von gegenüberliegender Seite" erzeugen. Das Zentralgerät ergänzt diese Informationen um die Angaben "Richtung erkannt (Li/Re)", "mittelschwerer Crash", "schwerer Crash".
39
Nicht offenbart ist Merkmal D2. Das Steuersignal für die Rückhaltemittel wird nicht von den "Assistent-Sensoren", sondern vom Zentralgerät erzeugt, auch wenn dieses die vorverarbeiteten Informationen dieser Sensoren mit berücksichtigt.
40
Nicht offenbart ist ferner das Merkmal B2. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann den Ausführungen in BK4 nicht entnommen werden, dass die "Assistent-Sensoren" auch Sensoren für einen Frontalaufprall aufweisen. In Abschnitt 3 der Entgegenhaltung ("Prinzipbeschreibung") wird zwischen einer Messstelle für den Frontalaufprall ("Tunnelgegend") und den Messstellen für einen seitlichen Aufprall unterschieden. Dies deutet darauf hin, dass der zur Feststellung eines Frontalaufpralls erforderliche Längssensor an anderer Stelle angeordnet ist als der "Assistent-Sensor". Den Ausführungen in Abschnitt 4 ("Systembeschreibung"), wonach die Richtungsinformation durch die Auswertung von zwei in einem Winkel angeordneten Beschleunigungsaufnehmern gewonnen wird, kann entgegen der Auffassung der Klägerin ebenfalls nicht ent- nommen werden, dass diese beiden Aufnehmer in den Assistent-Sensoren angebracht sind. Nach den weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt wird die Richtungsinformation nicht von den "Assistent-Sensoren" geliefert, sondern vom Zentralgerät.
41
Vor diesem Hintergrund führt die vom gerichtlichen Sachverständigen angestellte Überlegung, aus Sicht des Fachmanns komme auch eine Ausgestaltung in Betracht, bei der bereits die "Assistent-Sensoren" eine Richtungsinformation liefern und deshalb sowohl einen Quer- als auch einen Längsbeschleunigungssensor aufweisen, nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Selbst wenn der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens in der Lage gewesen wäre, eine solche Lösung aufzufinden, enthalten die Darlegungen in BK4, wie auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, keinen Hinweis darauf.
42
(3) In der im Jahr 1975 veröffentlichten japanischen Offenlegungsschrift Shō-50-149026 (BK9) ist ein Aufprallsensor für Insassenschutzgeräte offenbart, der aus mehreren Verzögerungssensorpaaren besteht, die jeweils auf der Beifahrer - und auf der Fahrerseite angeordnet sind.
43
In der Beschreibung wird anhand von schematisch dargestellten Messwerten dargelegt, dass die in einzelnen Teilen der Karosserie auftretenden Verzögerungen in Abhängigkeit des Aufprallwinkels, des Aufprallgegenstands und der Aufprallstelle differieren. Wenn beispielsweise die linke Vorderseite einer Karosserie mit einem Winkel von 30° und einer Geschwindigkeit von 50 km/h gegen eine Wand pralle, trete auf der linken Fahrzeugseite bereits nach vier Millisekunden eine Beschleunigung von 15g auf. Auf der rechten Fahrzeugseite werde dieser Wert erst nach 43 Millisekunden erreicht.
44
Um auch für solche Situationen eine zuverlässige Auslösung der Insassenschutzgeräte zu gewährleisten, wird in BK9 vorgeschlagen, in der linken und der rechten Fahrzeughälfte jeweils ein Sensorpaar anzuordnen. In einem der beiden näher geschilderten Ausführungsbeispiele werden dazu Sensoren ohne besondere Richtungsfähigkeit eingesetzt. Die Auslösung des Insassenschutzgeräts erfolgt nur dann, wenn beide Sensoren eines Paars aktiviert werden, um Fehlfunktionen zu vermeiden. Die beiden Sensorpaare sind in der Weise gekoppelt , dass jedes von ihnen sowohl die Anlassvorrichtung für das auf der rechten Seite angebrachte Insassenschutzgerät als auch die Auslassvorrichtung für die linke Seite auslöst.
45
In einem zweiten Ausführungsbeispiel enthalten die Sensorpaare Verzögerungssensoren mit Richtungsfähigkeit. In der dazu gehörenden Figur 4 sind die zu einem Paar zusammengefassten Sensoren jeweils in einem Winkel von 90° zueinander versetzt angeordnet.


46
Nach den ergänzenden Angaben in der Beschreibung werden auch bei dieser Ausführungsform beide Anlassvorrichtungen (11, 12) aktiviert, wenn ei- nes der beiden Sensorpaare aktiviert wird. Zur Aktivierung eines Sensorpaars genügt hier, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Aktivierung eines einzelnen Richtungssensors.
47
Damit sind zwar die Merkmale A, B und C, entgegen der Auffassung der Klägerin aber nicht die Merkmale D und E offenbart.
48
Weder die Sensorpaare (13, 14) noch die Anlassvorrichtungen (11, 12) sind Steuergeräte mit den in Merkmal D beschriebenen Funktionen. Wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt und auch die Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat, wurden im Zeitpunkt der Veröffentlichung von BK9 mechanische Aufprallsensoren eingesetzt, die die Funktion eines elektrischen Schalters hatten. Dies entspricht der Darstellung in den Figuren 3 und 4. Die in BK9 offenbarten Sensoren geben mithin keine Signale aus, die in den Anlassvorrichtungen oder an anderer Stelle ausgewertet und zum Erzeugen eines Steuersignals herangezogen werden können. Sie geben vielmehr selbst das Steuersignal, indem sie bei ihrer Aktivierung eine Verbindung zwischen der Stromquelle (8) und den beiden Anlassvorrichtungen herstellen. Dieses Signal wird durch mechanische Vorgänge in den Sensoren ausgelöst und nicht durch ein Steuergerät , das von den Sensoren erzeugte Signale auswertet.
49
Damit fehlt es auch, wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend dargelegt hat, an einer Leitungsverbindung zur Codesignalübertragung im Sinne von Merkmal E. Zwar sind die beiden Sensorpaare in Figur 4 in Parallelschaltung angeordnet und damit, wie die Klägerin im Ansatz zutreffend darlegt, über eine Leitung miteinander verbunden. Diese Leitung dient aber nicht der Übertragung von Codesignalen im Sinne des Streitpatents, sondern der Spannungszufuhr zu beiden Anlassvorrichtungen, also zur Übertragung des Auslösesignals.
50
(4) In der Abhandlung von Härtl et al. (Physically Different Sensor Concepts for Reliable Detection of Side-Impact Collisions, BK7) werden zwei verschiedene Konzepte zur Erkennung eines Seitenaufpralls vorgestellt.
51
Eines dieser Konzepte sieht vor, innerhalb der Fahrzeugtür eine als Satellit bezeichnete Vorrichtung anzubringen, die aus einem Drucksensor und einer Schaltung zur Signalkonditionierung und Entscheidungsfällung besteht. Kommt es innerhalb der Tür zu einem Druckanstieg, der bestimmte Kriterien erfüllt, wird ein Seitenairbag ausgelöst.
52
Das andere Konzept sieht vor, innerhalb der Fahrzeugtür oder in deren Nähe eine Beschleunigungssensorik anzubringen, die die als bekannt bezeichnete Single-Point-Sensing-Technologie nutzt. Das Signal des im "g-Satellit" angeordneten herkömmlichen Beschleunigungsmessers wird an einen Mikrocontroller weitergeleitet, der es anhand bestimmter Kriterien auswertet und gegebenenfalls die Zündung des Airbags auslöst. Entscheidende Bedeutung für die Funktionssicherheit wird dem Anbringungsort des Sensors beigemessen. Bei einer Anbringung in der Fahrzeugtür sei es schwer, zwischen einem Aufprall und einer Missbrauchsituation zu unterscheiden. Bei einer Anbringung außerhalb der Tür könne hingegen klar zwischen diesen beiden Fällen unterschieden werden. An welcher Stelle der Mikrocontroller angeordnet ist, wird nicht ausdrücklich dargelegt. Im Zusammenhang mit den Erwägungen zum Anbringungsort des Sensors wird ausgeführt, bei hinreichend steifer Fahrzeugstruktur könnten die Signale eines zusätzlichen Querbeschleunigungssensors im zentralen Steuergerät mit den Signalen der Satelliten kombiniert werden, um eine Aufprallsituation festzustellen.
53
In den Ausführungen zum zweiten Konzept ist eine Anordnung mit den Merkmalen A und B3 offenbart. Aus dem Zusammenhang kann zudem ent- nommen werden, dass ein Sensor der beschriebenen Art wie in Merkmal B1 vorgesehen auf beiden Seiten des Fahrzeugs angebracht werden kann.
54
Nicht offenbart ist hingegen, dass der Beschleunigungssatellit auch einen Längsbeschleunigungssensor aufweist, wie dies in Merkmal B2 vorgesehen ist.
55
Nicht offenbart ist ferner, dass die in der Nähe der Türen angebrachten Beschleunigungssensoren zugleich Steuergeräte im Sinne von Merkmal C mit den Merkmal D beschriebenen Funktionen sind, also die gelieferten Signale auswerten und ein Steuersignal für die Auslösung des Airbags erzeugen. Diese Funktion kommt zwar den beim ersten Konzept beschriebenen "Satelliten" zu. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang der Ausführungen kann aber entnommen werden, dass dies auch für die nach dem zweiten Konzept vorgesehenen Beschleunigungssensoren gilt. Die Ausführungen, wonach ein herkömmlicher Beschleunigungsmesser eingesetzt und dessen Signal an "den" Mikrocontroller weitergeleitet wird, und die Erwähnung eines zentralen Steuergeräts, das die von den Satelliten gelieferten Signale mit den Signalen eines zusätzlichen, zentral angeordneten Querbeschleunigungssensors kombiniert , sprechen entgegen der Auffassung der Klägerin eher dafür, dass der Satellit selbst keine Auswertungs- und Steuerungsfunktion hat.
56
Ebenfalls nicht offenbart ist Merkmal E. Erwähnt ist lediglich eine Verbindung der in der Nähe der Tür angebrachten Satelliten mit einem zentralen Steuergerät, nicht aber eine Leitungsverbindung zur Codeübertragung zwischen mehreren Steuergeräten.
57
(5) In der deutschen Offenlegungsschrift 38 11 217 (BK8) ist eine elektronische Einrichtung für die Sicherung von Fahrzeuginsassen offenbart, die aus mehreren Sensoren und einem zentralen Steuergerät besteht. Jede Sensoreinheit umfasst neben einem Sensor auch eine zugeordnete Auswerteschaltung, die die Ausgangssignale aufbereitet. Die aufbereitete Information kann über eine Schnittstelle an ein zentrales Steuergerät übermittelt werden. Besonderes Gewicht wird auf die Kommunikation zwischen dem Steuergerät und den Sensoren in der Einschaltphase gelegt. Hierfür werden mehrere alternative Ausführungsformen aufgezeigt. Bei einer dieser Ausführungsformen überwachen alle Sensoren die gemeinsame Verbindungsleitung zum Steuergerät und können so die von den übrigen Sensoren ausgesendeten Signale erkennen (BK8 Sp. 7 Z. 5-7).
58
Als Vorteil der offenbarten Lösung wird unter anderem angeführt, dass das System beim Ausfall einzelner Sensoren funktionsfähig bleibt, beispielsweise dadurch, dass das Steuergerät in diesem Fall die Informationen der verbliebenen Sensoren nach anderen Kriterien auswertet (BK8 Sp. 1 Z. 37 ff., Sp. 8 Z. 49 ff.). Die in den Sensoreinheiten enthaltenen Auswerteschaltungen können nach den Ausführungen in der Beschreibung unter anderem dazu genutzt werden , um dem zentralen Steuergerät nicht nur das eigentliche Ausgangssignal des jeweiligen Sensors zu übermitteln, sondern auch lediglich die Spitzenwerte, einen bestimmten Mittelwert, einen Integrationswert oder auch Fehlerinformationen , die auf einen schleichenden Leistungsabfall des Sensors hinweisen (BK8 Sp. 9 Z. 22-38). Der Einbauort der Sensoren wird nicht näher beschrieben. Als allgemeiner Vorteil der Erfindung wird hervorgehoben, die Sensoren könnten an einem geeigneten Einbauort angebracht werden (BK8 Sp. 9 Z. 56-60). Als vorteilhafte weitere Ausgestaltung wird die Anbringung mindestens eines weiteren Sensors im Steuergerät selbst angeführt, um eine Auslösung der Rückhaltemittel auch dann noch zu ermöglichen, wenn die externen Sensoren oder deren Verbindung zum Steuergerät wegen eines Defekts oder aufgrund des Unfallgeschehens ausfallen (BK8 Sp. 9 Z. 60 ff.)
59
Damit sind die Merkmale A, B1, C, D1 und E verwirklicht. Die in den Sensoreinheiten angebrachten Auswerteschaltungen dienen der Auswertung der von den Sensoren gelieferten Signale und können in dieser Funktion als Steu- ergeräte im Sinne des Streitpatents angesehen werden. Zumindest in einer der in BK8 offenbarten Ausführungsformen sind diese Geräte auch über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden.
60
Nicht offenbart ist die Kombination der Merkmale B2 und B3. Zwar mag der Fachmann aus dem allgemeinen Hinweis, die Sensoren könnten "an den dafür geeignetsten Einbauorten" angebracht werden, die Schlussfolgerung ziehen , zumindest die Querbeschleunigungssensoren dezentral anzubringen. Eine ausdrückliche oder zumindest konkludente Anregung, an der gleichen Stelle jeweils auch einen Längsbeschleunigungssensor anzubringen, lässt sich der Entgegenhaltung hingegen nicht entnehmen.
61
Nicht offenbart ist ferner das Merkmal D2. Die Steuersignale für die Auslösung der Rückhaltemittel werden nicht von den Auswerteschaltungen, sondern von dem zentralen Steuergerät erzeugt.
62
(6) In der US-Patentschrift 5 441 300 (BK10) wird ein in drei Dimensionen wirksamer Beschleunigungssensor offenbart, der für die Betätigung eines Airbag oder für eine aktive Federung bei der Steuerung von Karosseriebewegungen eingesetzt werden kann. In Figur 12 ist die schematische Abbildung eines Personenkraftwagens wiedergegeben, bei dem im Bereich des rechten und des linken vorderen Radkastens jeweils ein erfindungsgemäßer Sensor angebracht ist. Aus dem ebenfalls in Figur 12 wiedergegebenen Blockschaltbild ergibt sich, dass der Sensor aus mehreren feststehenden (1 bis 4) und einer beweglichen Elektrode (movable electrode), einem Detektor für die Erkennung von Kapazitätsschwankungen (50), einem Verstärker (51), einer Einheit zur Pulsbreitenmodulation (52) und einer Rechenausgabeeinheit (arithmetic output unit, 53) besteht. Nach den Ausführungen in der Beschreibung liefert die Rechenausgabeeinheit drei Spannungswerte, die die Beschleunigung in Richtung der drei Raumachsen angeben (BK10 Sp. 5 Z. 24-29).
63
Damit sind die Merkmale A, B, C und D1 offenbart, nicht aber das Merkmal E und entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht das Merkmal D2.
64
Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, kann die arithmetische Ausgabeeinheit (53) mit ihrer in der Beschreibung angegebenen Funktion als Steuergerät angesehen werden, das die von den Beschleunigungssensoren gelieferten Signale auswertet. Sie erzeugt daraus jedoch kein Steuersignal für die Rückhaltemittel, sondern lediglich drei Spannungswerte, die die gemessenen Beschleunigungswerte wiedergeben. Wo und in welcher Weise diese Werte in ein Signal für die Auslösung des Airbag umgesetzt werden, ist in BK10 nicht beschrieben.
65
(7) In der Veröffentlichung "Elektronik, die auf die Millisekunde entscheidet" (BK22) sind Auslösegeräte für Rückhaltesysteme aus dem Haus der Klägerin offenbart. Dazu gehört ein Seitenairbag-Auslösegerät mit der Bezeichnung SSU1, das als "völlig eigenständig" bezeichnet und als dessen Standardfunktion die Überwachung und Aktivierung je eines Seitenairbag-Zündkreises angegeben wird (BK22 S. 7 Mitte). In einem Blockdiagramm ist eine Schnittstelle dargestellt, über die dieses Gerät mit einer Diagnosevorrichtung verbunden ist (BK22 S. 7 unten). Eine Diagnoseschnittstelle weist auch das ebenfalls in BK22 beschriebene zentrale Auslösegerät AB7.1 auf (BK22 S. 7 oben).
66
Damit sind die Merkmale A, B, B1, B3 und die Merkmalsgruppen C und D offenbart.
67
Nicht offenbart ist, wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, das Merkmal B2. Aus den Ausführungen in BK22 kann nicht entnommen werden, dass die auf beiden Fahrzeugseiten angebrachten Auslösegeräte vom Typ SSU1 einen Längsbeschleunigungssensor aufweisen.
68
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann den Ausführungen in BK22 ferner nicht entnommen werden, dass die beiden Steuergeräte vom Typ SSU1 über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind, wie dies in Merkmal E vorgesehen ist. Die in BK22 dargestellte Diagnoseschnittstelle könnte zwar theoretisch so ausgestaltet werden, dass sie auch zur Codesignalübertragung zwischen den beiden Steuergeräten geeignet ist. Hierfür bedürfte es aber, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, weiterer Maßnahmen , insbesondere einer geeigneten Software, die eine solche Kommunikation zwischen den Steuergeräten ermöglicht. BK7 enthält keine Hinweise oder Anregungen, die Diagnoseschnittstelle in dieser Weise auszugestalten.
69
b) Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
70
(1) Im Stand der Technik waren verschiedene Anordnungen bekannt, bei denen ein zentrales Steuergerät - teils mit, teils ohne eingebaute Sensoren - mit dezentral in der linken und der rechten Fahrzeughälfte angeordneten Sensoren kombiniert wird. Bei einigen dieser Anordnungen sind die dezentral angeordneten Sensoren - anders bei der in der Streitpatentschrift abgehandelten Anordnung nach der (im Prioritätsintervall veröffentlichten) deutschen Offenlegungsschrift 44 25 846 (BK5) - auch dafür geeignet, sowohl eine Längs- als auch eine Querbeschleunigung zu erfassen. Bei allen diesen Anordnungen erfolgt die Umsetzung der von den Sensoren gelieferten Messwerte in ein Steuersignal jedoch in einer zentralen Vorrichtung.
71
(2) Diese Veröffentlichungen gaben dem Fachmann, einem Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung bei der Entwicklung von Insassenschutzsystemen für Fahrzeuge, keine Veranlassung, auch die zuletzt genannte Funktion in die dezentral angeordneten Sensorvorrichtungen auszulagern.
72
In BK4 sind zwar gewisse Ansätze in diese Richtung offenbart, indem darauf hingewiesen wird, dass die Vorverarbeitung der von den Sensoren gelieferten Daten im Assistenten dazu führt, dass die Anzahl und die Frequenz der zu übermittelnden Informationen klein gehalten werden kann. Dies gab dem Fachmann jedoch auch bei ergänzender Berücksichtigung von allgemeinem Fachwissen keine hinreichende Veranlassung, über eine bloße Vorverarbeitung der Sensordaten hinaus die gesamte Logik zur Erzeugung des Steuersignals für die Auslösung der Rückhaltemittel in die dezentralen Vorrichtungen auszulagern , so dass ein zentrales Steuergerät - von dessen Vorhandensein die Ausführungen in BK4 unausgesprochen ausgehen - entbehrlich wird.
73
Entsprechendes gilt für die Ausführungen in den Entgegenhaltungen BK8 und BK10. Auch dort sind die dezentral angeordneten Sensoreinheiten zwar mit gewissen Steuerungsfunktionen und in BK8 sogar mit der Fähigkeit versehen, die von den übrigen Sensoren ausgegebenen Informationen entgegenzunehmen. Dies wird dort jedoch nicht zum Anlass genommen, die Erzeugung des Steuersignals für die Rückhaltemittel in die externen Einheiten auszulagern. Der Schwerpunkt der Ausführungen in BK8 betrifft das möglichst zuverlässige Zusammenspiel zwischen den externen Sensoreinheiten und dem zentralen Steuergerät. Diese Überlegungen wären zu einem großen Teil obsolet, wenn auf ein zentrales Steuergerät verzichtet würde, wie dies in der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 geschützt werden soll.
74
In der Entgegenhaltung BK7 werden zwar Sensoren offenbart, die zugleich für die Auslösung der Rückhaltemittel eingesetzt werden. Eine solche Anordnung wird dort aber nur im Zusammenhang mit Drucksensoren aufgezeigt. Bei der als Alternative dargestellten Anordnung mit Beschleunigungs- sensoren werden die Signale der Sensoren demgegenüber an einen zentralen Mikrocontroller weitergeleitet. Weder aus BK7 noch aus sonstigen Veröffentlichungen oder aus allgemeinen Fachkenntnissen ergaben sich hinreichende Hinweise darauf, dass einzelne Merkmale aus den beiden in BK7 alternativ dargestellten Lösungskonzepten kombiniert werden können, so dass auch bei Verwendung von Beschleunigungssensoren das im Stand der Technik übliche zentrale Steuergerät entfallen kann.
75
Die Ausführungen in BK9 führen nicht zu einer anderen Beurteilung. In dieser Veröffentlichung, die von der Verwendung mechanischer Beschleunigungssensoren ausgeht, sind die Beschleunigungserkennung und die Erzeugung des Auslösesignals zwar in einer Vorrichtung zusammengefasst. Diese Zusammenfassung ergibt sich aber aus dem anderen Konstruktionsprinzip, das den eingesetzten Sensoren zu Grunde liegt. Ausgehend von den am Prioritätstag bekannten Anordnungen, bei denen die von den Beschleunigungssensoren erzeugten Signale in einer zentralen elektronischen Steuerungsvorrichtung ausgewertet und unter Anwendung von mehr oder weniger komplexen Regeln zur Erzeugung des Auslösesignals genutzt werden, hätte sich der Fachmann vom seither erreichten Stand der Technik weitgehend lösen und die Eigenschaften einer als überholt betrachteten Sensortechnologie auf die elektronischen Sensoren übertragen müssen.
76
Auch aus BK22 lassen sich keine ausreichenden Anregungen für eine Ausgestaltung nach Patentanspruch 1 entnehmen. Dort werden die Seitenairbag -Auslösegeräte SSU1 zwar als "völlig eigenständig" bezeichnet. Es finden sich aber keine Hinweise darauf, diese Auslösegeräte mit einem Längsbeschleunigungssensor auszurüsten und dessen Signale in die Entscheidung über die Auslösung des Seitenairbags mit einzubeziehen.
77
(3) Die vom gerichtlichen Sachverständigen aufgezeigten allgemeinen fachlichen Zusammenhänge führen ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung.
78
Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen führt die Festlegung der für ein Insassenschutzsystem benötigten Teilsysteme und der von diesen zu erfüllenden Funktionen nicht ohne weiteres zu einer Vorentscheidung hinsichtlich der räumlichen Verteilung oder Anordnung dieser Teilsysteme im Fahrzeug. Der oben behandelte Stand der Technik gab dem Fachmann indes keine hinreichende Veranlassung, die dort offenbarten Vorschläge zur räumlichen Verteilung und Anordnung der einzelnen Komponenten grundlegend in Frage zu stellen und alle damit zusammenhängenden Fragen von Grund auf neu zu thematisieren. Zwar hätte der Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige im Einzelnen aufgezeigt hat, die Möglichkeit gehabt, aufgrund von bekannten Prinzipien und Lösungsansätzen zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen. Weder die oben behandelten Veröffentlichungen noch sonstige Umstände gaben jedoch Anlass, diesen Weg zu beschreiten.
79
2. Der Gegenstand der mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen verteidigten Fassung von Patentanspruch 3 ist nicht patentfähig. Er beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
80
a) In diesem Zusammenhang zählt auch die im Prioritätsintervall veröffentlichte Entgegenhaltung BK3 zum Stand der Technik. Eine Steuerungsanordnung mit den Merkmalen A, B und D' ist im Prioritätsdokument nicht als zur Erfindung gehörend offenbart.
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Im Prioritätsdokument wird ein Insassenschutzsystem beschrieben, das zwei Steuergeräte aufweist, von denen jedes einen Längsbeschleunigungssensor , einen Querbeschleunigungssensor und eine Auswerteeinheit enthält und die über eine Leitung zur Codesignalübertragung miteinander verbunden sind. Als Vorteil einer solchen Anordnung wird in der Beschreibung des Prioritätsdokuments unter anderem aufgeführt, dass die Steuergeräte an den Stellen im Fahrzeug angeordnet seien, die ohnehin eine große Anzahl von Sensorikund Aktuarikeinrichtungen wie Seitenairbags, Gurtstraffer, Sitzbelegungssensoren , Querbeschleunigungssensoren, Kindersitzerkennungseinrichtungen und dergleichen enthielten (BK2 S. 3 Z. 8-12). Ferner könne die Zahl der Steuergeräte von drei auf zwei verringert werden, während bei herkömmlichen Systemen Querbeschleunigungssignale gleich vor Ort, also dezentral in einer vorverarbeitenden Auswerteeinheit ausgewertet würden (BK2 S. 3 Z. 13-17). Außerdem sei ein Totalausfall des Systems unwahrscheinlich, weil beim Ausfall eines der Steuergeräte dessen Auslösefunktionen vom verbliebenen Steuergerät übernommen werden könnten (BK2 S. 3 Z. 19-26). Die Anordnung der Steuergeräte bei dem Fahrer- bzw. Beifahrersitz ermögliche gleichzeitig eine kurze Leitungsführung zu Sitzbelegungserkennungs- und Kindersitzerkennungssensoren (BK2 S. 3 Z. 33 bis S. 4 Z. 2). In der einzigen Figur des Prioritätsdokuments ist je ein Steuergerät im Bereich jedes Vordersitzes dargestellt. Patentanspruch 1 des Prioritätsdokuments, auf den die übrigen Patentansprüche zurückbezogen sind, betrifft ebenfalls ausschließlich ein Insassenschutzsystem mit zwei Steuergeräten , von denen eines in der linken und das andere in der rechten Fahrzeughälfte angeordnet ist.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Umstand, dass weite Passagen in der Beschreibung des Prioritätsdokuments sich mit der Frage befassen , in welcher Weise die Signale der Beschleunigungssensoren ausgewertet werden können, nicht dazu, dass auch Systeme als zur Erfindung gehörend offenbart sind, bei denen es nur eine Auswerteeinrichtung gibt. Zwar mag es zur Realisierung der beschriebenen Verfahren ausreichen, wenn das System jeweils zwei Längs- und zwei Querbeschleunigungssensoren, aber nur eine Auswerteeinrichtung umfasst. Den Ausführungen im Prioritätsdokument kann jedoch nicht entnommen werden, dass auch solche Systeme, bei denen auf die in der Beschreibung geschilderten Vorteile des Vorhandenseins von zwei Steuergeräten vollständig verzichtet wird, zur offenbarten Erfindung gehören. Sowohl nach der Beschreibung als auch nach dem Wortsinn der im Prioritätsdokument formulierten Patentansprüche gehört es vielmehr zu den unabdingbaren Merkmalen der offenbarten Erfindung, dass nicht nur die Sensoren, sondern auch die Steuergeräte redundant ausgelegt sind.
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Dass es aus Sicht des Fachmanns nahegelegen haben mag, diese Lehre in Richtung auf Systeme mit nur einer Auswerteeinrichtung abzuwandeln, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine Priorität kann nur dann beansprucht werden , wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung nicht nur nahegelegt, sondern in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist.
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Der von der Beklagten angeführte Grundsatz, wonach bei der Beschränkung auf ein Ausführungsbeispiel nicht unbedingt alle Merkmale des Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden müssen, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Für die Anwendung dieses Grundsatzes ist nur Raum, soweit der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen entnommen werden kann, dass auch Ausführungsformen ohne die in Rede stehenden Merkmale als zur Erfindung gehörend offenbart sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 Rn. 30 - Sammelhefter II). Dies ist hier aus den genannten Gründen nicht der Fall.
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b) Der Gegenstand der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 3 ist durch die Entgegenhaltung BK3 jedenfalls nahegelegt.
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(1) In BK3 werden verschiedene Möglichkeiten zur Anordnung von Sensoren und Steuereinheiten (electronic control units) zur Auslösung von Rückhaltemitteln in Kraftfahrzeugen aufgezeigt. Hierbei wird unterschieden zwischen Systemen mit Fernzündschaltung (remote firing circuitry), bei denen die Schal- tungen für die Auslösung der einzelnen Rückhaltemittel nicht in einer zentralen Steuereinheit, sondern in der Nähe der jeweiligen Zündpille (firing squib) angeordnet sind, und Systemen mit intelligenten Knoten (intelligent nodes), bei denen mehrere Steuereinheiten eingesetzt werden, die über einen Kommunikationskanal miteinander verbunden sind. Ein Ausführungsbeispiel für ein System mit intelligenten Knoten, das in Figur 4 der Entgegenhaltung illustriert ist, umfasst insgesamt drei Steuereinheiten, von denen eine im Bereich des linken und eine im Bereich des rechten Vordersitzes angebracht ist. Eine weitere Einheit ist an zentraler Position hinter dem Rücksitz angeordnet. Alle drei Steuereinheiten sind untereinander mit einem Bussystem verbunden. Die im Bereich der Vordersitze angebrachten Steuereinheiten dienen der Erfassung und Auswertung eines Seiten- oder Frontaufpralls und der Aktivierung der Rückhaltemittel auf der jeweiligen Fahrzeugseite. Die Beschleunigungssignalwerte werden jeweils auch an die andere Einheit übertragen. Als Vorteil dieser Anordnung wird angeführt, durch die Übertragung der Signalwerte könnten Unzulänglichkeiten bei der Erfassung eines Aufpralls kompensiert werden. Die Verfügbarkeit von zwei Längsbeschleunigungssensoren ermögliche ferner die Umsetzung einer Safing-Funktion.
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(2) Damit sind die Merkmale A, B, D1' und D2' offenbart.
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(3) Merkmal D', wonach die Anordnung "eine" Auswerteeinrichtung umfasst , ist ebenfalls offenbart, wenn dieses Merkmal - wofür vieles spricht - dahin auszulegen ist, dass auch weitere Auswerteeinrichtungen vorhanden sein können.
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(4) Selbst wenn Merkmal D' dahin auszulegen wäre, dass die Anordnung nur eine einzige Auswerteeinrichtung umfassen darf, wäre eine Ausgestaltung gemäß Patentanspruch 3 dem Fachmann durch die Ausführungen in BK3 jedenfalls nahegelegt.
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In BK3 wird als weiteres Beispiel für den Einsatz von intelligenten Knoten in Abbildung 3 ein System dargestellt, das drei zentral angeordnete, untereinander verbundene Steuereinheiten umfasst, an die unter anderem zwei in den beiden Vordertüren angebrachte "Satelliten" für die Erkennung eines Seitenaufpralls angeschlossen sind. Jeder dieser Steuereinheiten sind bestimmte Rückhalteeinrichtungen zugeordnet. Als Aufgabe der ersten Steuereinheit werden beispielhaft die Ansteuerung der Frontairbags und der Gurtstraffer sowie der linken und rechten Seitenairbags genannt (BK3 S. 31 links). Sowohl bei der Beschreibung dieser Ausführungsform als auch bei der Beschreibung der bereits erwähnten Ausführungsform gemäß Abbildung 4 werden die Vorteile einer Modularisierung und Standardisierung hervorgehoben.
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Dies gab dem Fachmann hinreichend Anlass, neben den in den Abbildungen 3 und 4 offenbarten Ausführungsformen auch ähnliche Ausgestaltungen in den Blick zu nehmen, und zwar auch eine Anordnung, bei der die seitlich angebrachten "Satelliten" wie in Abbildung 4 nicht nur zur Detektion eines Seitenaufpralls , sondern auch zur Detektion eines Längsaufpralls geeignet sind, die Auswerteeinrichtung für Front- und Seitenairbags aber wie in Abbildung 3 zentral angeordnet ist. Zwar musste sich der Fachmann hierzu von der aus anderen Entgegenhaltungen geläufigen Vorstellung lösen, dass die Längsbeschleunigungssensoren zweckmäßigerweise zentral angebracht werden. Hierzu gaben die in BK3 enthaltenen Ausführungen über die Vorteile einer Modularisierung jedoch hinreichende Veranlassung.
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c) Für den Gegenstand der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung von Patentanspruch 3 ergibt sich keine andere Beurteilung.
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(1) Nach Hilfsantrag I werden die Rückhaltemittel dahin konkretisiert, dass mindestens eines dem Seitenaufprallschutz in jeder Fahrzeughälfte und mindestens eines dem Frontaufprallschutz dient. Dies führt zu keiner anderen Beurteilung im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit. Auch in BK3 werden Front- und Seitenairbags ausdrücklich als Beispiele für Rückhaltemittel aufgeführt. Bei dem in Abbildung 3 dargestellten Ausführungsbeispiel werden diese Rückhaltemittel auch über eine gemeinsame Steuerungseinrichtung angesteuert.
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(2) Nach Hilfsantrag II werden die Anforderungen an den Aufbau der Vorrichtung zum Aufnehmen einer Beschleunigung dahin konkretisiert, dass diese nicht nur je einen Längs- und einem Querbeschleunigungssensor umfasst , sondern aus diesen Teilen besteht. Dies betrifft die konkrete räumliche Ausgestaltung dieser Vorrichtung. Anlass, insoweit nach verfügbaren Alternativen zu suchen, gaben jedenfalls die Ausführungen in BK3 über die Vorteile einer Modularisierung und Standardisierung von Komponenten und die in den einzelnen Ausführungsbeispielen aufgezeigten Möglichkeiten, die einzelnen Funktionen eines Insassenschutzsystems an unterschiedlichen Stellen im Fahrzeug anzuordnen.
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(3) Die in Hilfsantrag III vorgesehene Kombination der beiden zusätzlichen Merkmale ist durch die aufgezeigten Ausführungen in BK3 ebenfalls nahegelegt.
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d) Dass die zusätzlichen Merkmale, die in der verteidigten Fassung der auf Patentanspruch 3 zurückbezogenen Patentansprüche 4 bis 7 vorgesehen sind, zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen könnten, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Dies trägt im Ergebnis die Entscheidung des Patentgerichts, das allerdings zu Unrecht darauf abgestellt hat, dass die Nichtigerklärung des Patentanspruchs 3 den nachgeordneten Patentansprüchen ohne weiteres die Grundlage entziehe.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92 Abs. 1, § 97 ZPO und § 101 Abs. 1 ZPO.
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Entsprechend § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist die Nebenintervenientin, die dem Rechtsstreit als Rechtsnachfolgerin der Beklagten beigetreten ist, nicht als deren Streitgenossin anzusehen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat die Veräußerung eines Patents entsprechend § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich keinen Einfluss auf einen vor der Veräußerung eingeleiteten Nichtigkeitsrechtsstreit (BGH, Urteil vom 4. Februar 1992 - X ZR 43/91, BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer ). Die Regelung des § 265 Abs. 2 ZPO beruht auf dem allgemeinen Gedanken , dass der Beklagte nicht ohne weiteres die Möglichkeit haben darf, sich einem bestehenden Prozessrechtsverhältnis zu entziehen und den Kläger so dazu zu zwingen, einen neuen Prozess gegen einen anderen Gegner von neuem zu beginnen. Dieser Gedanke greift auch im Patentnichtigkeitsverfahren (BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer).
100
Zu den danach entsprechend anwendbaren Vorschriften gehört auch § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Diese Vorschrift hindert den Rechtsnachfolger des Beklagten, der dem Rechtsstreit beigetreten ist, daran, entgegen § 67 ZPO Angriffs - und Verteidigungsmittel geltend zu machen, die mit Erklärungen und Handlungen des Beklagten in Widerspruch stehen. Sie stellt damit sicher, dass die prozessuale Lage des Klägers durch die Veräußerung des Patents nicht verschlechtert wird, und beruht mithin auf demselben allgemeinen Gedanken wie die beiden übrigen Sätze von § 265 Abs. 2 ZPO.
Keukenschrijver Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.07.2008 - 4 Ni 73/06 (EU) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)