Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2001 - XI ZR 118/00

bei uns veröffentlicht am30.01.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 118/00 Verkündet am:
30. Januar 2001
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB § 1191; AGBG § 3

a) Sind für eine Grundschuld mehrere zeitlich aufeinander folgende
formularmäßige Sicherungszweckerklärungen abgegeben worden, ist
bei der Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 3 AGBG auf die
jüngste und den Anlaß ihrer Abgabe abzustellen.

b) Je größer der zeitliche Abstand zwischen der Darlehensgewährung
und den für eine Grundschuld abgegebenen neuen formularmäßigen
Zweckerklärungen ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß der ursprüngliche
auf die Absicherung eines bestimmten Darlehens gerichtete
Sicherungszweck durch einen anderen ersetzt oder erweitert
worden ist.
BGH, Urteil vom 30. Januar 2001 - XI ZR 118/00 - OLG München
LG Memmingen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 30. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 24. Februar 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Memmingen vom 7. Dezember 1998 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Bank nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehens und auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Grund-
schuld über 400.000 DM in Anspruch. Die Beklagte verlangt widerklagend Zustimmung zur Löschung der Grundschuld.
Die Klägerin gewährte der Beklagten am 3. Februar 1988 für den Erwerb eines Hausgrundstücks ein Darlehen in Höhe von 400.000 DM, das mit Hilfe einer Kapitallebensversicherung getilgt werden sollte. Als Sicherheit diente der Klägerin außer der Abtretung der Lebensversicherung eine Bürgschaft des Ehemannes der Beklagten über 400.000 DM.
Im März 1988 bestellte die Beklagte für die Klägerin eine vollstreckbare Grundschuld in Höhe von 100.000 DM zuzüglich 15% Zinsen und trat ihr eine weitere Grundschuld über 400.000 DM ebenfalls zuzüglich 15% Zinsen ab. Die Beklagte unterschrieb am 3. Februar 1988, 12. Oktober 1989, 19. Juli 1994 und 23. Mai 1996 vorformulierte Sicherungszweckerklärungen. Die erste Zweckerklärung bestimmte, daß die Grundschulden zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen die R. GmbH, deren Geschäftsführer der Ehemann der Beklagten war, dienen sollten. Die zweite Zweckerklärung vom 12. Oktober 1989 legte fest, daß die Grundschulden alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte und gegen die R. GmbH sichern sollten. Die beiden weiteren Zweckerklärungen vom 19. Juli 1994 und 23. Mai 1996 nannten als Schuldner der durch die Grundschulden gesicherten Ansprüche die Beklagte, ihre Tochter und die Re. GmbH, die das Unternehmen und die Verbindlichkeiten der R. GmbH übernommen hatte und deren Geschäftsführerin die Tochter der Beklagten war.
Im September 1997 kündigte die Klägerin die der Re. GmbH gewährten Kredite in Höhe von ca. 12 Millionen DM, nachdem die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft
beantragt worden war. Da die Beklagte seit September 1997 die fälligen Beiträge auf den Lebensversicherungsvertrag nicht mehr zahlte, kündigte die Klägerin im November 1997 auch das der Beklagten gewährte Darlehen und verlangte nach Verrechnung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung Zahlung von 332.846,58 DM.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte sei vor Unterzeichnung der einzelnen Zweckerklärungen über die Haftung der Grundschulden für Verbindlichkeiten Dritter aufgeklärt worden. Die Beklagte hat dies bestritten und vorgetragen, sie habe zwar von den Verbindlichkeiten der Re. GmbH und der R. GmbH gegenüber der Klägerin gewußt, aber angenommen, daß die Grundschulden nur ihre eigene Verbindlichkeit sichern sollten. Ihr Sohn habe auf die Grundschuld in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen 247.500 DM gezahlt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 332.846,58 DM und zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld über 400.000 DM jeweils zuzüglich Zinsen verurteilt. Die Widerklage auf Bewilligung der Löschung dieser Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung von 85.346,58 DM hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht diese zur Zahlung von 85.346,58 DM zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Zustimmung zur Löschung der Grundschuld in Höhe von 400.000 DM sowie zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus dieser Grundschuld bis zu einem Betrag von 85.346,58 DM Zug um Zug gegen Löschung der Grundschuld im übrigen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es die Klägerin zur Bewilligung der Löschung der Grundschuld über 400.000 DM Zug um Zug gegen Zahlung von 85.346,58 DM verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne von der Beklagten gemäß § 607 Abs. 1 BGB lediglich Rückzahlung von 85.346,58 DM verlangen. Die Darlehensforderung in Höhe von 332.846,58 DM sei durch die Zahlung des Sohnes der Beklagten um 247.500 DM gemindert worden. Die Zahlung sei nach einer Klausel der formularmäßigen Zweckerklärung vom 23. Mai 1996 nicht auf die Grundschuld in Höhe von 100.000 DM, sondern auf die Darlehensverbindlichkeit der Beklagten anzurechnen. Dem teilweise begründeten Rückzahlungsanspruch könne die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten, weil sie gegen die Klägerin einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf teilweise Freigabe der Grundschuld in Höhe von 400.000 DM habe. Die Zweckerklärung vom 23. Mai 1996, wonach die Grundschuld Ansprüche gegen die Re. GmbH sichere, sei gemäß § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Beklagte habe als Sicherungsgeberin nicht damit rechnen müssen, daß die Grundschuld nicht nur ihre eigene Verbindlichkeit, sondern auch alle Ansprüche der Klägerin gegen die Re. GmbH sichern solle. Nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme habe die Klägerin nicht bewiesen, daß sie die Beklagte individuell auf die Haftung der Grundschuld für Ansprüche gegen die Re. GmbH hingewiesen habe.
Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld in Höhe von 400.000 DM bestehe daher nur noch in Höhe der restlichen Kreditschuld der Beklagten von 85.346,58 DM. Aus denselben Gründen sei die Widerklage begründet.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 607 Abs. 1 BGB einen Anspruch in Höhe von 332.846,58 DM zuzüglich Zinsen.

a) Die Forderung ist nicht in Höhe von 247.500 DM erloschen, weil die Zahlung dieses Betrages nach dem Vortrag beider Parteien nicht auf die Darlehensschuld der Beklagten zu verrechnen ist. Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde die Zahlung von der Tochter der Beklagten geleistet und auf Verbindlichkeiten der Re. GmbH verrechnet. Die Beklagte hat behauptet, ihr Sohn habe 247.500 DM auf die vollstreckbare Grundschuld über 100.000 DM gezahlt. Diese Zahlung ist, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht auf die Darlehensschuld der Beklagten zu verrechnen. Die Zweckerklärung vom 23. Mai 1996, daß Zahlungen nicht auf die Grundschuld, sondern auf die persönliche Schuld anzurechnen sind, ist insoweit schon deshalb ohne Belang, weil der Sohn der Beklagten nach ihrem Vortrag gemäß § 268 BGB zur Abwendung der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks gezahlt hat. In einem solchen Falle ist nicht einmal der Sicherungsgeber durch die genannte Anrechnungsabrede gehindert, auf die Grundschuld zu zahlen. Erst recht gilt dies für den an der Siche-
rungsabrede nicht beteiligten Sohn der Beklagten (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 1986 - V ZR 266/85, WM 1987, 202, 203 und vom 2. Oktober 1990 - XI ZR 306/89, WM 1990, 1927, 1929).
Die sich anschließende Frage, ob die Zahlung eines ablösungsberechtigten Dritten auf die Grundschuld zum Erlöschen der gesicherten Forderung führt, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet (zum Meinungsstand: MünchKomm/Eickmann, BGB 3. Aufl. § 1191 Rdn. 86; Soergel/Konzen, BGB 12. Aufl. § 1191 Rdn. 41; Palandt /Bassenge, BGB 60. Aufl. § 1191 Rdn. 46). Der Bundesgerichtshof hat die Frage noch nicht entschieden. Sie kann auch hier offenbleiben, da nicht ersichtlich ist, daß gerade die Darlehensschuld der Beklagten in Höhe von 247.500 DM erloschen wäre.
Die Grundschuld über 100.000 DM sichert, wie unter 1. b) bb) näher dargelegt wird, nach der wirksamen Sicherungszweckerklärung vom 23. Mai 1996 ebenso wie die über 400.000 DM nicht nur die Darlehensforderung der Klägerin gegen die Beklagte, sondern auch die Ansprüche der Klägerin gegen die Re. GmbH über ca. 12 Millionen DM. Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, daß die Zahlung des Sohnes der Beklagten auf die Grundschuld von 100.000 DM gerade auf die Darlehensschuld der Beklagten anzurechnen ist. Für eine entsprechende Tilgungsbestimmung ihres Sohnes bei der Zahlung hat die Beklagte nichts vorgetragen. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung ist unbeachtlich, da ihr ein Tilgungsbestimmungsrecht nicht zustand; sie hat nicht geleistet. Die in der formularmäßigen Zweckbestimmungserklärung enthaltene Klausel, daß die Klägerin wählen kann, auf welche von mehreren gesicherten Forderungen Zahlungseingänge verrechnet werden, verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG, da sie die ohnehin schon sehr gläubigerfreundliche Vorschrift des § 366
Abs. 2 BGB zugunsten des Sicherungsnehmers modifiziert (Senatsurteil vom 9. März 1999 - XI ZR 155/98, WM 1999, 948, 949). Eine etwaige Anrechnung der auf die Grundschuld erfolgten Zahlung ihres Sohnes von 247.500 DM auf die gesicherten Forderungen hätte daher in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB zu erfolgen (Senatsurteile vom 29. April 1997 - XI ZR 176/96, WM 1997, 1247, 1249 und vom 9. März 1999 - XI ZR 155/98, aaO). Danach kommt eine Anrechnung auf die Klageforderung jedoch nicht in Betracht, da von der Beklagten nicht vorgetragen und nicht ersichtlich ist, daß die fällige Darlehensschuld der Beklagten über noch 332.846,58 DM der Klägerin geringere Sicherheit bot als die gleichfalls fälligen Verbindlichkeiten der Re. GmbH über ca. 12 Millionen DM.

b) Die Beklagte kann gegenüber dem Anspruch der Klägerin gemäß § 607 Abs. 1 BGB kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB geltend machen.
aa) Sie hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 894 BGB auf Zustimmung zur Löschung der Grundschuld. Die Grundschuld ist wirksam bestellt worden. § 138 Abs. 1 BGB greift zugunsten der Beklagten nicht ein.
(1) Eine sittenwidrige, ursprüngliche Übersicherung liegt nicht vor. Sie setzt voraus, daß bereits bei Bestellung bzw. Abtretung der Grundschuld feststeht, daß im Verwertungsfall ein auffälliges Mißverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheiten und der gesicherten Forderung besteht (BGH, Urteil vom 12. März 1998 - IX ZR 74/95, WM 1998, 856, 857). Davon kann hier keine Rede sein.
Nach der Sicherungszweckerklärung vom 3. Februar 1988 sicherten die Grundschulden über 400.000 DM und 100.000 DM nur die Ansprüche der Klägerin gegen die R. GmbH. Wie hoch deren Verbindlichkeiten waren, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Abgesehen davon überstiegen die beiden Grundschulden die Darlehensforderung gegen die Beklagte nur um 25%. Zur Werthaltigkeit der weiteren Sicherheiten, nämlich der Lebensversicherung und der Bürgschaft ihres Ehemannes, im Zeitpunkt der Grundschuldbestellung bzw. -abtretung hat die Beklagte nichts vorgetragen.
(2) Die Grundschuldbestellung und -abtretung ist auch nicht wegen finanzieller Überforderung der Beklagten sittenwidrig, weil deren dingliche Haftung auf das belastete Grundstück beschränkt ist.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Beklagten nach Tilgung ihrer Darlehensschuld (vgl. zu einem Zurückbehaltungsrecht in derartigen Fällen: BGHZ 73, 317, 319) aufgrund der Sicherungsabrede auch kein Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld wegen Wegfalls des Sicherungszwecks zu. Die Grundschuld sichert nämlich nicht nur die Darlehensschuld der Beklagten, sondern auch die Verbindlichkeiten der Re. GmbH in Höhe von ca. 12 Millionen DM.
(1) Auszugehen ist, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, von der Sicherungszweckerklärung vom 23. Mai 1996. Sind für eine Grundschuld - wie hier - mehrere zeitlich aufeinander folgende Zwekkerklärungen abgegeben worden, so ist bei der Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 3 AGBG auf die jüngste und den Anlaß ihrer Abgabe abzustellen (Senatsurteile vom 28. März 1995 - XI ZR 151/94,
WM 1995, 790, 791 und vom 16. Januar 2001 - XI ZR 84/00, Urteilsumdruck S. 8).
(2) Nach § 3 AGBG wird eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den konkreten Umständen so ungewöhnlich ist, daß der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen braucht. Das ist der Fall, wenn die Regelung von den berechtigten Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht. Nach diesen Grundsätzen ist die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten bei der Abtretung oder Bestellung einer Grundschuld aus Anlaß einer bestimmten Kreditaufnahme in aller Regel überraschend im Sinne des § 3 AGBG (st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 126, 174, 177; Senatsurteile vom 23. Mai 2000 - XI ZR 214/99, WM 2000, 1328 und vom 16. Januar 2001 - XI ZR 84/00, Urteilsumdruck S. 7).
Zu den für die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners maßgebenden Umständen und Verhältnissen kann durchaus auch eine frühere Darlehensgewährung gehören, wenn zwischen ihr und der mit einer Grundschuldbestellung oder –abtretung in Zusammenhang stehenden Zweckerklärung ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (Senatsurteile vom 28. März 1995 - XI ZR 151/94, WM 1995, 790, 791 und vom 16. Januar 2001 - XI ZR 84/00, Urteilsumdruck S. 7, jeweils m.w.Nachw.). Je größer der zeitliche Abstand zwischen der Darlehensgewährung und den für eine Grundschuld abgegebenen neuen formularmäßigen Zweckerklärungen ist, desto wahrscheinlicher ist es aber, daß der ursprüngliche auf die Absicherung eines bestimmten Darlehens gerichtete Sicherungszweck durch einen anderen ersetzt oder erweitert worden ist.

Im vorliegenden Fall lagen zwischen der Kreditaufnahme der Beklagten und der Abtretung der Grundschuld über 400.000 DM im Februar und März 1988 einerseits sowie der neuen formularmäßigen Sicherungszweckerklärung vom 23. Mai 1996 andererseits mehr als acht Jahre. In dieser Zeit hatte die Beklagte bereits drei andere Zweckerklärungen abgegeben, die sämtlich zumindest auch eine Haftung der Grundschuld für Verbindlichkeiten der R. GmbH oder der Re. GmbH vorsahen. Angesichts dessen, insbesondere des langen Zeitraums zwischen der Darlehensaufnahme und der neuen Zweckerklärung, hatte die Beklagte vernünftigerweise keinen Anlaß zu der Annahme, diese Zweckerklärung hänge immer noch und ausschließlich mit dem von ihr am 3. Februar 1988 aufgenommenen Darlehen zusammen.
Besondere Umstände, die eine solche Annahme gleichwohl rechtfertigen könnten, hat die Beklagte, die die tatsächlichen Voraussetzungen des § 3 AGBG darzulegen und zu beweisen hat (vgl. Senatsurteile vom 28. März 1995 - XI ZR 151/94, WM 1995, 790, 791 und vom 16. Januar 2001 - XI ZR 84/00, Urteilsumdruck S. 9), nicht vorgetragen. Sie hat lediglich geltend gemacht, sie habe zwar von den Ansprüchen der Klägerin gegen die Re. GmbH gewußt, aber gleichwohl angenommen, die Zweckerklärung vom 23. Mai 1996 beziehe sich ausschließlich auf ihre eigene Darlehensverbindlichkeit. Dies ist umso weniger verständlich, als die Beklagte selbst erklärt hat, wegen der ihr bekannten Verbindlichkeiten der von ihrer Tochter geführten Re. GmbH sei in der Familie "jeden Tag ... Druck" vorhanden gewesen. Die Beklagte hatte deshalb allen Anlaß zu der Annahme, die neue Sicherungszweckerklärung hänge mit den Verbindlichkeiten der Re. GmbH zusammen. Von einem Verstoß der Zweckerklärung vom 23. Mai 1996 gegen § 3 AGBG kann danach keine Rede sein, ohne daß es auf die in
den Vorinstanzen breit erörterte Frage ankommt, ob die Beklagte auf eine Haftung der Grundschuld für Verbindlichkeiten der Re. GmbH ausdrücklich hingewiesen worden ist.
(3) Die Zweckerklärung ist auch nicht gemäß § 9 AGBG unwirksam. Da Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung von Grundschulden anders als die von Bürgschaften gesetzlich nicht geregelt sind, sondern - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - freier Vereinbarung unterliegen, weicht die formularmäßig vereinbarte Erstrekkung des Sicherungszwecks einer Grundschuld auf alle Forderungen des Gläubigers gegen einen Dritten nicht vom dispositiven Gesetzesrecht ab (BGHZ 131, 55, 58; Senatsurteil vom 24. Juni 1997 - XI ZR 288/96, WM 1997, 1615, 1616).
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch gemäß §§ 1147, 1192 Abs. 1 BGB auf Duldung der Zwangsvollstrekkung aus der Grundschuld in voller Höhe von 400.000 DM. Die Grundschuld ist, wie dargelegt, wirksam bestellt worden und sichert neben der Darlehensforderung der Klägerin gegen die Beklagte auch die Ansprüche der Klägerin gegen die Re. GmbH in Höhe von ca. 12 Millionen DM.
3. Die Widerklage ist unbegründet. Der Beklagten steht gegen die Klägerin, wie dargelegt, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Bewilligung der Löschung der Grundschuld zu.

III.


Das angefochtene Urteil war aufzuheben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, war in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das landgerichtliche Urteil wieder herzustellen.
Nobbe Siol Müller
Joeres Wassermann

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2001 - XI ZR 118/00

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(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (Grundschuld).

(2) Die Belastung kann auch in der Weise erfolgen, dass Zinsen von der Geldsumme sowie andere Nebenleistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind.

(1) Durch den Sachdarlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen. Der Darlehensnehmer ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.

(2) Die Vorschriften dieses Titels finden keine Anwendung auf die Überlassung von Geld.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Durch den Sachdarlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen. Der Darlehensnehmer ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.

(2) Die Vorschriften dieses Titels finden keine Anwendung auf die Überlassung von Geld.

(1) Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in einen dem Schuldner gehörenden Gegenstand, so ist jeder, der Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an dem Gegenstand zu verlieren, berechtigt, den Gläubiger zu befriedigen. Das gleiche Recht steht dem Besitzer einer Sache zu, wenn er Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung den Besitz zu verlieren.

(2) Die Befriedigung kann auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung erfolgen.

(3) Soweit der Dritte den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.

(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.

(1) Durch den Sachdarlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen. Der Darlehensnehmer ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.

(2) Die Vorschriften dieses Titels finden keine Anwendung auf die Überlassung von Geld.

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 84/00 Verkündet am:
16. Januar 2001
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB § 1191; AGBG § 3
Zur Frage, ob eine sieben Jahre nach Gewährung eines durch Grundschulden
abgesicherten Darlehens erneut vereinbarte formularmäßige weite Sicherungsabrede
überraschend i.S.d. § 3 AGBG ist.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 - XI ZR 84/00 - OLG Karlsruhe
LG Baden-Baden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 16. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder, Dr. Müller und
Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer formularmäßigen Sicherungszweckerklärung für eine Grundschuld. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Zur Finanzierung eines Bauvorhabens nahmen die Klägerin und ihr Ehemann 1985 bei der beklagten Sparkasse zwei inzwischen getilgte Kredite über 95.000 DM und 800.000 DM auf. Diese wurden durch Grundschulden von 80.000 DM und 795.000 DM auf dem im Alleineigentum der Klägerin stehenden Baugrundstück gesichert. Nach den von
beiden Eheleuten unterzeichneten vorformulierten Zweckerklärungen sind "alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen" der Beklagten gegen die Klägerin und ihren Ehemann in die dingliche Haftung einbezogen. Am 10. August 1992 unterzeichneten beide auf Wunsch der Beklagten eine dritte formularmäßige Zweckerklärung desselben Inhalts. Anlaß und Umstände dieser Sicherungsvereinbarung sind streitig.
Der Ehemann der Klägerin betätigte sich seit Anfang der neunziger Jahre als Bauträger. Bei Abgabe der Formularzweckerklärung vom 10. August 1992 unterhielt er bei der Beklagten ein im Haben geführtes Girokonto. In den Jahren 1994 und 1995 wurden weitere Geschäftskonten eröffnet. Nachdem es infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Ehemannes der Klägerin zu Kontoüberziehungen von rund 600.000 DM gekommen war, kündigte die Beklagte die Geschäftsverbindung fristlos und stellte die Kredite zum 1. Februar 1999 fällig. Wegen ihrer offenen Forderungen geht sie aus der im Jahre 1985 erworbenen Grundschuld über 80.000 DM gegen die Klägerin vor.
Die Klägerin ist der Auffassung, die drei Sicherungszweckerklärungen seien nach § 3 AGBG unwirksam, soweit in ihnen die Haftung der Grundschulden auf alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten ihres Ehemannes erstreckt worden sei. Auch die neueste formularmäßige Vereinbarung vom 10. August 1992 stehe nicht im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes, sondern sei aus Anlaß der im Jahre 1985 aufgenommenen Bankkredite getroffen worden. Wegen ihres darüber hinausgehenden Inhalts sei sie sowohl für sie als auch für ihren Ehemann überraschend.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten unter anderem die Bewilligung der Löschung der Grundschuld über 80.000 DM. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld.
Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat die Formularzweckerklärung vom 10. August 1992 für unwirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten - auch eines Ehepartners - sei in aller Regel überraschend im Sinne des § 3 AGBG und daher nichtig. Überraschend seien Klauseln, deren Inhalt in deutlichem Widerspruch zu den durch die Umstände bei Vertragsschluß begründeten Erwartungen stehe und mit de-
nen der Vertragspartner des Verwenders deshalb nicht zu rechnen brauche. Dies könne hier angenommen werden. Für die darlegungspflichtige Klägerin sei es durchaus überraschend gewesen, daß die Zweckerklärung vom 10. August 1992 über die Absicherung der im Jahre 1985 aufgenommenen Baukredite hinausgehe. Zwar hätten die Grundschuldbestellung und -übertragung sowie die zugrunde liegenden Kreditaufnahmen schon mehrere Jahre zurückgelegen, so daß sich ein Zusammenhang mit der jüngsten Sicherungsabrede nicht zwangsläufig ergebe. Die Klägerin habe aber schlüssig dargelegt, daß die ausgereichten Baukredite im Sommer 1992 noch nicht vollständig zurückgezahlt gewesen und neue Darlehen weder gewährt noch beantragt worden seien.
Der Sachvortrag der Beklagten, Anlaß für die Sicherungszwekkerklärung vom 10. August 1992 sei die Aufnahme der Geschäftstätigkeit des Ehemannes der Klägerin gewesen, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn es bei dieser Zweckerklärung für die Klägerin ohne weiteres erkennbar um die dingliche Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Geschäftsverbindlichkeiten ihres Ehemannes gegangen sei. Bei Abgabe der Zweckerklärung habe aber lediglich ein im Haben geführtes Girokonto bestanden. Wenn der Ehemann der Klägerin das Bauträgergeschäft damals tatsächlich schon betrieben haben sollte, sei für eine wirksame Ausweitung des Sicherungszwecks eine individuelle Aufklärung der Klägerin über diesen Umstand und die damit verbundenen Risiken erforderlich gewesen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Der Revision kann allerdings nicht gefolgt werden, das sich aus dem weiten Inhalt der formularmäßigen Sicherungsabrede ergebende Haftungsrisiko sei für die Klägerin beherrschbar und enthalte jedenfalls deshalb kein überraschendes Moment im Sinne des § 3 AGBG.
Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bürgschaftsrecht, daß Geschäftsführer und Gesellschafter, die maßgeblichen Einfluß auf die Art und Höhe der verbürgten Geschäftsverbindlichkeiten der Gesellschaft haben, von einer weiten Zweckerklärung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht überrascht werden, die die Bürgenhaftung über den konkreten Anlaß der Kreditaufnahme hinaus auf weitere Forderungen erstreckt (siehe etwa BGHZ 130, 19, 30; BGH, Urteil vom 24. September 1996 - IX ZR 316/95, ZIP 1997, 449 m.w.Nachw.). Die Tatsache, daß die Klägerin nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten als kaufmännische Angestellte im Bauträgergeschäft ihres Ehemannes beschäftigt war und über die Geschäftskonten verfügen konnte, sicherte ihr aber keine Einflußmöglichkeiten , die denen eines Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafters oder eines Geschäftsführers entsprechen. Daß die Klägerin auf die Geschäftspolitik tatsächlich maßgebenden Einfluß genommen hat oder dazu in der Lage gewesen wäre, ist nicht substantiiert behauptet worden.
2. Indessen rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts es nicht, die formularmäßige Sicherungszweckerklärung vom 10. August 1992 als überraschend anzusehen und ihr die Wirksamkeit zu versagen.


a) Eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den konkreten Umständen und Verhältnissen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich ist, daß der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen braucht (§ 3 AGBG), liegt dann vor, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie muß eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden von allgemeinen und individuellen Begleitumständen bestimmt. Zu ersteren zählen etwa der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht sowie die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung, zu letzteren der Gang und der Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages (BGHZ 102, 152, 158 f.; BGH, Urteile vom 9. April 1987 - III ZR 84/86, WM 1987, 646, 647 und 30. Oktober 1987 - V ZR 174/85, WM 1988, 12, 14; Senatsurteil vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 273/99, WM 2000, 2423, 2425). Nach diesen Grundsätzen ist die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten bei Bestellung einer Grundschuld aus Anlaß einer bestimmten Kreditaufnahme in aller Regel überraschend im Sinne des § 3 AGBG. Das gilt auch dann, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist (st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 126, 174, 177; Senatsurteile vom 23. Februar 1999 - XI ZR 129/98, WM 1999, 685, 686 und 23. Mai 2000 - XI ZR 214/99, WM 2000, 1328).
Zu den für die berechtigten Erwartungen des Vertragsgegners maßgebenden Umständen und Verhältnissen kann durchaus auch eine frühere Darlehensgewährung gehören, wenn zwischen ihr und der Grundschuldbestellung mit formularmäßiger Zweckerklärung ein un-
mittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (Senatsurteil vom 28. März 1995 - XI ZR 151/94, WM 1995, 790, 791 m.w.Nachw.). Je größer der zeitliche Abstand zwischen der Darlehensgewährung und den für eine Grundschuld abgegebenen neuen formularmäßigen Zweckerklärungen ist, desto wahrscheinlicher ist es aber, daß der ursprüngliche, auf die Absicherung eines bestimmten Darlehens gerichtete Sicherungszweck durch einen anderen ersetzt oder erweitert worden ist. Dementsprechend hat der erkennende Senat bei einer neuen Zweckerklärung für eine bereits vor zwei Jahren und acht Monaten bestellte Grundschuld im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung nur noch auf den Anlaß für die jüngste Sicherungsabrede abgestellt und der Darlehensgewährung, die der Grundschuldbestellung zugrunde lag, keine Bedeutung mehr beigemessen (Urteil vom 28. März 1995 - XI ZR 151/94, aaO; vgl. auch Urteil vom 14. Juli 1992 - XI ZR 256/91, WM 1992, 1648, 1649). Ebenso hat er eine neun bis zehn Monate nach Darlehensgewährung zusammen mit der Grundschuldbestellung formularmäßig getroffene Sicherungsvereinbarung unter Würdigung der konkreten Fallumstände nicht für überraschend im Sinne des § 3 AGBG erachtet (Urteil vom 6. Februar 1996 - XI ZR 121/95, WM 1996, 2233,

2234).



b) Im vorliegenden Fall lagen zwischen der Abtretung der Grundschuld über 80.000 DM zur Absicherung eines im Jahre 1985 aufgenommenen Darlehens und der neuen formularmäßigen Zweckerklärung vom 10. August 1992 rund sieben Jahre. Die für eine Überrumpelung notwendige zeitliche Nähe fehlte daher - wie die Revision zu Recht geltend macht - völlig. Darin, daß die neue formularmäßige Vereinbarung über die dingliche Absicherung des ausschließlich zu Bauzwecken aufgenommenen Kredites deutlich hinausging, kann deshalb entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts keine Überraschung im Sinne des § 3 AGBG gesehen werden.

III.


Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Nach dem derzeitigen Sachund Streitstand hat die Klägerin nicht bewiesen, daß der Inhalt der formularmäßigen Zweckerklärung vom 10. August 1992 deutlich von den Erwartungen abweicht, die sie und ihr Ehemann aufgrund des Anlasses der neuen Vereinbarung hegen durften.
Zu diesem Anlaß hat die Klägerin, die für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 3 AGBG die Darlegungs- und Beweislast trägt, erstmals in der Berufungsinstanz unter Beweisantritt vorgetragen, die Beklagte habe lediglich ihre Kreditunterlagen - ohne konkreten Anlaß - auf den neuesten Stand bringen wollen. Dem ist die Beklagte mit der unter Beweis gestellten Behauptung entgegengetreten, Anlaß für die neue Formularzweckerklärung sei ausschließlich die zeitnahe Eröffnung des Bauträgergeschäfts des Ehemanns der Klägerin und die Sicherung etwaiger zukünftiger Geschäftskredite gewesen. Das Berufungsgericht hätte daher in die Beweisaufnahme eintreten und die von den Prozeßparteien benannten Zeugen vernehmen müssen. Dies wird nachzuholen sein. Sollte sich dabei ein non liquet ergeben, ginge dies zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin.
Weitere Nichtigkeitsgründe sind nicht dargetan oder ersichtlich. Auf die Bedeutung und Tragweite des Sicherungszwecks wird im äußeren Schriftbild der Urkunde durch größere und fettgedruckte Schriftzei-
chen deutlich hingewiesen. Außerdem hatte die Klägerin bereits zwei gleichlautende Schriftstücke unterzeichnet, so daß ihr das Vertragsformular hinlänglich vertraut war.

IV.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Nobbe Bungeroth Richter am Bundesgerichtshof Dr. van Gelder ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert Nobbe Müller Wassermann

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück und den Gegenständen, auf die sich die Hypothek erstreckt, erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung.

(1) Auf die Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein anderes ergibt, dass die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt.

(1a) Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden (Sicherungsgrundschuld), können Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 findet insoweit keine Anwendung. Im Übrigen bleibt § 1157 unberührt.

(2) Für Zinsen der Grundschuld gelten die Vorschriften über die Zinsen einer Hypothekenforderung.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.