Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - XI ZR 169/13

bei uns veröffentlicht am25.11.2014
vorgehend
Landgericht Hamburg, 334 O 95/09, 18.11.2010
Hanseatisches Oberlandesgericht, 6 U 235/10, 11.04.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I Z R 1 6 9 / 1 3 Verkündet am:
25. November 2014
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei Inhaberschuldverschreibungen mit 100%igem Kapitalschutz oder mit bedingtem
Kapitalschutz bezogen auf das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten
bestimmter Schwellenwerte oder Barrierepuffer stellt ein Sonderkündigungsrecht
der Emittentin, verbunden mit dem Risiko eines teilweisen oder völligen Kapitalverlustes
, eine für die Anlageentscheidung eines an Zertifikaten mit Kapitalschutz
interessierten Anlegers wesentliche Anleihebedingung dar, über die ein solcher
Kunde durch die ihn beratende Bank ungefragt aufzuklären ist.
BGH, Urteil vom 25. November 2014 - XI ZR 169/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2014 durch den Richter Dr. Joeres als Vorsitzenden und die
Richter Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterin
Dr. Derstadt

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 11. April 2013 werden zurückgewiesen. Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger 17% und die Beklagte 83%. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der minderjährige Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen.
2
Die Eltern des im Jahr 2002 geborenen Klägers eröffneten im selben Jahr für den Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend: Beklagte ) ein Wertpapierdepot, wobei sie sich wechselseitig das alleinige Verfügungsrecht einräumten. Die Mutter des Klägers erwarb im Mai 2008 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der Beklagten (nachfolgend: Berater) für den Kläger "Lehman Brothers Aktien Kupon Anleihen auf sechs DAX Werte" zum Kurswert von insgesamt 33.099 €. Emittentin der Zertifikate war die niederländische Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin), deren Verbindlichkeiten die US-amerikanische Lehman Brothers Holdings Inc. garantierte (nachfolgend: Garantin). In zwei Kurzinformationen über die Zertifikate heißt es u.a. "100% Kapitalschutz am Laufzeitende" bzw. "Kapitalschutz bzw. Rückzahlung : 100% des Emissionspreises (EUR 1.000,00)". Die Zertifikate hatten eine Laufzeit von sechs Jahren bis zum 23. Mai 2014 und waren auf die Aktienkurse von sechs DAX-Unternehmen als Basiswerte (Underlyings) bezogen. Nach den Anleihebedingungen sollten Anleger an sechs jährlichen Beobachtungstagen bis zu einem Kursrückgang der Basiswerte um 50% Kuponzahlungen in Höhe von 8,25% erhalten. Bei Berührung dieser Barriere durch einen der Basiswerte sollte die Kuponzahlung für die jeweilige Beobachtungsperiode entfallen. Entfallene Kuponauszahlungen sollten jedoch in den nachfolgenden Beobachtungsperioden nachgezahlt werden, wenn keiner der Basiswerte die 50%-Barriere berührte.
3
Den Zertifikaten lagen die Endgültigen Bedingungen der Emittentin vom 20. Mai 2008 zum Basisprospekt vom 28. August 2007 zu Grunde. Weder der Basisprospekt noch die Endgültigen Bedingungen einschließlich der darin enthaltenen Konsolidierten Bedingungen wurden der Mutter des Klägers ausgehändigt. Im Basisprospekt vom 28. August 2007 heißt es unter der Überschrift "Zusammenfassung der Risikofaktoren" unter anderem: "Sollte einer oder sollten mehrere der unten beschriebenen Umstände eintreten, könnte es zu wesentlichen und nachhaltigen Kursrückgängen der Schuldverschreibung oder im Extremfall zu einem Totalverlust der Zinsen und des vom Anleger eingesetzten Kapitals kommen."
4
An anderer Stelle enthält der Basisprospekt folgende Hinweise: "Die vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibungen kann dazu führen, dass negative Abweichungen gegenüber der erwarteten Rendite eintreten und das eingesetzte Kapital zum Teil oder vollständig verloren ist.
… Schuldverschreibungen können aus Steuergründen, nach Eintritt eines Kündigungsgrundes oder eines anderen in den Endgültigen Bedingungen festgelegten zusätzlichen Kündigungsereignisses vorzeitig zurückgezahlt werden. Die Endgültigen Bedingungen können vorsehen, [dass] der in diesem Zusammenhang zu zahlende vorzeitige Rückzahlungsbetrag der marktgerechte Wert der Schuldverschreibungen ist, der angepasst wurde, um etwaigen angemessenen Aufwendungen und Kosten bei der Auflösung von damit in Zusammenhang stehende[n] Absicherungs- und Finanzierungsvereinbarungen der Emittentin [Rechnung zu tragen]."
5
In den Endgültigen Bedingungen vom 20. Mai 2008 zum Basisprospekt vom 28. August 2007 heißt es unter der Überschrift "Vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibungen": "Gemäß den Konsolidierten Bedingungen kann die Emittentin die Schuldverschreibungen (unter anderem aus steuerlichen Gründen gemäß § 6(I) der Konsolidierten Bedingungen oder als mögliche, durch die Berechnungsstelle bestimmte Folge eines Fusionsereignisses, Übernahmeangebots, Delistings, einer Verstaatlichung oder Insolvenz gemäß § 4(f) der Konsolidierten Bedingungen) vor dem Endfälligkeitstag zu- rückzahlen. … Der in einem solchen Fall fällige Vorzeitige Rückzahlungsbetrag (wie in § 4(b) definiert ) wird von der Berechnungsstelle nach deren billigem Ermessen in kaufmännisch vernünftiger Weise als der zu diesem Zeitpunkt marktgerechte Wert der Schuldverschreibungen festgestellt, wie näher in den Konsolidierten Bedingungen beschrieben. [Im Original fett gedruckt:] Investoren sollten beachten, dass im Falle einer solchen Vorzeitigen Rückzahlung dieser marktgerechte Wert unter Umständen unter dem Festgelegten Nennbetrag pro Schuldverschreibung bzw. dem Betrag, den ein Inves- tor für die Schuldverschreibungen gezahlt hat, liegen kann und möglicherweise Null betragen kann."
6
In den Konsolidierten Bedingungen, die in den Endgültigen Bedingungen der Emittentin enthalten sind, werden als steuerliche Gründe geplante oder durchgeführte Veränderungen oder Ergänzungen steuerrechtlicher Vorschriften in den Ländern genannt, in denen die Emittentin und die Garantin ihren Sitz haben. Außerdem heißt es in der Zusammenfassung der Konsolidierten Anleihebedingungen in den Endgültigen Bedingungen unter der Überschrift "Vorzeitige Rückzahlung": "Die Schuldverschreibungen können aufgrund bestimmter Ereignisse, wie in § 4(f), § 6(l) oder § 8 der Konsolidierten Bedingungen ausgeführt, vorzeitig zurückgezahlt werden.
[Im Original fett gedruckt:] In einem solchen Fall kann der Vorzeitige Rückzahlungsbetrag pro Schuldverschreibung unter dem Festgelegten Nennbetrag pro Schuldverschreibung liegen oder Null betragen."
7
Im September 2008 wurde die Garantin insolvent, was die Insolvenz der Emittentin nach sich zog. Forderungen gegen die Garantin konnten in deren Insolvenzverfahren bis zum 2. November 2009 angemeldet werden, wovon der Kläger allerdings keinen Gebrauch machte.
8
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des Anlagebetrages in Höhe von 33.099 € sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 27.472,17 € Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate sowie der Ansprüche des Klägers aus dem Insolvenzverfahren der Emittentin verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

A. Revision der Beklagten
9
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

I.

10
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision der Beklagten von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
11
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen einer Falschberatung zu. Die Beklagte habe den Kläger nicht zutreffend über die Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt, weil sie ihn nicht darüber informiert habe, dass es infolge des Sonderkündigungsrechts der Emittentin zu einer vorzeitigen Rückzahlung mit einem Kapitalverlust kommen könne. Die Beklagte habe hierüber aufklären müssen, weil durch die Betonung des 100%igen Kapitalschutzes am Laufzeitende der Zertifikate der Eindruck erweckt worden sei, die Emittentin sei in jedem Fall verpflichtet, das eingesetzte Kapital in vollem Umfang zurückzuzahlen und ein Risiko bestehe lediglich hinsichtlich der Verzinsung. Die als Kündigungsgründe der Emittentin genannten Ereignisse einer Fusion, einer Übernahme, einer Hedging-Störung oder eines Delistings eines der Basiswerte seien nicht von vornherein völlig unwahrscheinlich und würden beim Anleger im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung der Schuldverschreibungen einen nicht unerheblichen finanziellen Schaden verursachen. Bei den in den Anleihebedingungen geregelten Kündigungsfolgen handele es sich auch nicht um Fälle eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage, da vertragliche Regelungen nicht Geschäftsgrundlage sein könnten. Die Anleger würden im Falle einer Kündigung der Emittentin wirtschaftlich auch erheblich schlechter gestellt, da der versprochene Kapitalschutz entfalle und der kostenbereinigte Rückzahlungswert unterhalb des Nennbetrages liegen und sogar Null betragen könne. Der in den für verschiedene Anlageprodukte geltenden "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" enthaltene Hinweis auf das Kündigungsrecht der Emittentin, die die Mutter des Klägers bei Depoteröffnung erhalten habe, sei nicht ausreichend gewesen. Bei den streitgegenständlichen Zertifikaten sei durch die Betonung des 100%igen Kapitalschutzes der Eindruck erweckt worden, die Emittentin müsse das eingesetzte Kapital auf jeden Fall in voller Höhe zurückzahlen.

II.

12
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
13
1. Die Klage ist - wie die Revision nunmehr einräumt - zulässig, da der Vater des Klägers durch seine Erklärung vom 2. Oktober 2014 sämtliche Prozesshandlungen und -erklärungen der Mutter im bisherigen Verfahren geneh- migt hat und dem Revisionsverfahren als gesetzlicher Vertreter des Klägers beigetreten ist. Damit wurde der auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigende Vertretungsmangel geheilt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2010 - II ZR 56/09, WM 2010, 1654 Rn. 8 mwN).
14
2. Soweit das Berufungsgericht den Inhalt der Endgültigen Bedingungen der streitgegenständlichen Zertifikate auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter www.bafin.de nach der Wertpapierkennnummer der Zertifikate WKN A0TVK2 recherchiert und als offenkundige Tatsache im Sinne von § 291 ZPO behandelt hat, ohne diese Bedingungen zu den Akten zu nehmen, verfolgt die Revision ihren Einwand eines Tatbestandsoder Begründungsmangels im Sinne von § 547 Nr. 6 ZPO nicht mehr weiter.
15
3. Das Berufungsgericht hat dem Kläger auch zu Recht einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zuerkannt, weil die Beklagte seine Mutter bei ihrer Empfehlung der streitgegenständlichen Zertifikate nicht ungefragt über das in den Anleihebedingungen vorgesehene Sonderkündigungsrecht der Emittentin aufgeklärt hat.
16
a) Nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwischen dem Kläger, vertreten durch seine Mutter, und der Beklagten in Bezug auf die Empfehlung der Zertifikate ein Anlageberatungsvertrag zu Stande gekommen.
17
b) Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre Pflichten aus diesem Beratungsvertrag schuldhaft verletzt hat.
18
aa) Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissens- stand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger - und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 22 und vom 29. April 2014 - XI ZR 130/13, WM 2014, 1221 Rn. 16, jeweils mwN).
19
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Mutter des Klägers vor dem Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate darüber aufzuklären, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen der Emittentin bereits vor dem Laufzeitende ein Sonderkündigungsrecht zusteht. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwände bleiben ohne Erfolg.
20
(1) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte der Mutter des Klägers im Zusammenhang mit dem Beratungsgespräch am 20. Mai 2008 weder den Basisprospekt vom 28. August 2007 noch die auf dessen Grundlage erstellten Endgültigen Bedingungen vom 20. Mai 2008, in denen eine Zusammenfassung der Konsolidierten Anleihebedingungen enthalten war, übergeben und der Mutter des Klägers auch sonst keinen Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht der Emittentin erteilt.
21
(2) Anders als die Revision meint, handelt es sich bei dem Sonderkündigungsrecht um einen Umstand, der für die Anlageentscheidung des Klägers zum Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate wesentliche Bedeutung hatte. Bei der Empfehlung von Inhaberschuldverschreibungen mit einem unbedingten Kapitalschutz zum Laufzeitende oder einem bedingten Kapitalschutz bis zum Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten einer bestimmten Sicherheitsbarriere ist die beratende Bank deshalb verpflichtet, einen Anleger ungefragt über ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin aufzuklären, bei dessen Ausübung für den Anleger das Risiko eines teilweisen oder vollständigen Kapitalverlustes besteht.
22
(a) Kennzeichnend für Inhaberschuldverschreibungen mit einem 100%igen Kapitalschutz ist, dass durch den Kapitalschutz dem Anleger die Rückzahlung seines Anlagebetrages zum Laufzeitende vorbehaltlos garantiert wird. Dadurch beschränkt sich das über das Bonitätsrisiko der Emittentin hinausgehende Risiko des Anlegers bei solchen Zertifikaten darauf, dass er mit dem Anlagebetrag keinen Gewinn erwirtschaftet. Bei Zertifikaten mit bedingtem Kapitalschutz bezogen auf das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten von bestimmten Schwellenwerten oder Barrierepuffern der Basiswerte führt der Kapitalschutz demgegenüber dazu, dass dem Anleger die Rückzahlung seines Anlagebetrages jedenfalls bis zum Eintritt eines prozentual bestimmten Anstieges oder Rückganges der Basiswertkurse gewährleistet wird. Bis zu diesem Zeitpunkt trägt auch hier der Anleger lediglich das Bonitätsrisiko der Emittentin, nicht jedoch ein Kapitalverlustrisiko.
23
Ein Sonderkündigungsrecht als zusätzliche einseitige Einwirkungsbefugnis der Emittentin auf diese Rahmenbedingungen schafft demgegenüber für den Anleger ein zusätzliches Risiko (Podewils, ZHR 174 (2010), 192, 193), das dem Wesensmerkmal des Kapitalschutzes diametral entgegensteht, denn der im Kündigungsfall von der Berechnungsstelle der Emittentin festzulegende kostenbereinigte Marktwert der Zertifikate kann den Anlagebetrag unterschreiten, dessen Garantie dann gerade entfällt. Dabei handelt es sich um eine für die Anlageentscheidung eines an Zertifikaten mit Kapitalschutz interessierten Anlegers wesentliche Anleihebedingung, über die ein solcher Kunde durch die ihn beratende Bank aufzuklären ist. In entsprechender Anwendung der für die bürgerlich -rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne entwickelten Grundsätze, wonach ein Prospekt über alle Umstände sachlich richtig, vollständig und zeitnah unterrichten muss, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können, ist eine Anleihebedingung als wesentlich anzusehen, wenn sie Umstände betrifft, die den Zweck der Kapitalanlage vereiteln können und die ein Anleger deshalb bei seiner Anlageentscheidung "eher als nicht" berücksichtigen würde (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 23 f. mwN). Dies ist bei einem Kündigungsrecht der Emittentin, dessen Ausübung zu einer Reduzierung des Rückzahlungsbetrages einer Anleihe mit Kapitalschutz bis auf Null führen kann, ohne weiteres der Fall.
24
Auch die Emittentin hat dies offensichtlich so gesehen, denn sie hat in ihren - dem Kläger freilich vorenthaltenen - Anleihebedingungen gleich an mehreren Stellen im Fettdruck hervorgehoben, dass Investoren beachten sollten, dass der im Falle einer Kündigung der Emittentin zu ermittelnde Marktwert der Zertifikate unter Umständen unter dem festgelegten Nennbetrag pro Schuldverschreibung bzw. dem Betrag, den ein Investor für die Schuldverschreibungen gezahlt hat, liegen kann und möglicherweise Null betragen kann.
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(b) Entgegen der Auffassung der Revision entfällt diese Aufklärungspflicht der beratenden Bank nicht deshalb, weil in den Anleihebedingungen ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin nur für Ausnahmekonstellationen geregelt wäre, deren Eintritt von vornherein völlig unwahrscheinlich wäre. Zutreffend ist das Berufungsgericht demgegenüber davon ausgegangen, dass auch der wenig wahrscheinliche Eintritt eines solchen Kündigungsgrundes, wie etwa eines Delistings, einer Verstaatlichung oder einer Insolvenz einer Großbank oder eines DAX-Unternehmens, für einen auf den Erhalt seines eingesetzten Kapitals bedachten Anleger von entscheidender Bedeutung sein kann. Da die Berechnungsstelle der Emittentin den kostenbereinigten Rückzahlungsbetrag nach billigem Ermessen festsetzen kann, droht bei einer Kündigung der Emittentin dem Erwerber von Zertifikaten mit 100%igem oder mit bedingtem Kapitalschutz bereits vor dem Erreichen des Barrierepuffers ein erheblicher finanzieller Schaden bis hin zum Totalverlust seines eingesetzten Kapitals.
26
Zu Recht weist die Revisionserwiderung auch darauf hin, dass dies hinsichtlich des streitgegenständlichen Zertifikats umso mehr gilt, als zu den Gründen für das Sonderkündigungsrecht der Emittentin nicht nur eine tatsächlich erfolgte, sondern bereits eine nur geplante Änderung oder Ergänzung steuerrechtlicher Vorschriften in einem der Herkunftsländer der Emittentin bzw. der Garantin zählt. Da Planungen zur Änderung oder Ergänzung steuerrechtlicher Vorschiften angesichts der Komplexität und der Dauer nationalstaatlicher Gesetzgebungsverfahren im Grunde immer stattfinden und darüber hinaus völlig offen ist, ab wann im Sinne der Anleihebedingungen von der "Planung" einer Steuerrechtsänderung auszugehen ist, wird der Emittentin durch diesen Sonderkündigungsgrund praktisch die Möglichkeit eingeräumt, sich bei einer für sie ungünstigen Entwicklung der Underlyings ohne Weiteres ihren Verpflichtungen aus dem Kapitalschutz der Zertifikate zu entziehen.
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(c) Gleichfalls ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass der wirtschaftliche Nachteil, den der Anleger bei einer Kündigung durch die Emittentin vor Ablauf des Anlagezeitraumes erleidet, nur gering und deshalb zu vernachlässigen sei. Davon kann angesichts der in den Anleihebedingungen geregelten Folgen einer Emittentenkündigung schon deshalb keine Rede sein, weil die Emittentin selbst davon ausgeht, dass der von der Berechnungsstelle im Kündigungsfalle zu ermittelnde marktgerechte Wert der Zertifikate deren Nennbetrag bzw. den Anlagebetrag nicht nur unterschreiten, sondern sogar Null betragen kann. Für den auf die Sicherheit seines Kapitals bedachten Erwerber eines Zertifikats mit Kapitalschutz ist dies kein zu vernachlässigender Nachteil.
28
(d) Soweit die Revision außerdem geltend macht, bei den Fällen, in denen der Emittentin ein Sonderkündigungsrecht zusteht, handle es sich um Sachverhalte, in denen das aus dem Zertifikat resultierende Schuldverhältnis zwischen ihr und dem Anleger ohnehin nicht mehr durchführbar bzw. so erheblich gestört sei, dass eine Anpassung der Anleihebedingungen schon nach § 313 BGB geboten sei, ist dieser Einwand für die Beantwortung der Frage nach den Anforderungen an eine objektgerechte Beratung der Bank bei der Empfehlung von Zertifikaten mit Kapitalschutz ohne Aussagekraft. Einer Emittentin , die eine Kapitalgarantie in den Fällen einer schwerwiegenden Veränderung der bei Vertragsschluß maßgeblichen Umstände nicht mehr übernehmen will, ist es unbenommen, dem Instrumentarium des § 313 BGB nachgebildete Regelungen in ihre Anleihebedingungen aufzunehmen. Versieht sie ihre Schuldverschreibungen jedoch gleichwohl mit werbenden Bezeichnungen wie z.B. "Garantiezertifikat", "Kapitalschutz", "Sicherheitsschwelle" oder "Barrierepuffer" , so handelt es sich bei den dazu im Widerspruch stehenden Rechtsfolgen ihrer Kündigung um für den Anlageentschluss eines Kapitalanlegers wesentliche Umstände, über die er durch die ihn beratende Bank, wenn diese ihm - wie hier - die Anleihebedingungen der Emittentin nicht zur Verfügung stellt, jedenfalls auf andere Weise aufgeklärt werden muss. Denn anders als die Revision meint, entsprechen die streitgegenständlichen Regelungen zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Sonderkündigung der Emittentin weder bei Zertifikaten mit 100%igem noch bei solchen mit bedingtem Kapitalschutz dem allgemeinen Erwartungshorizont eines Anlegers.
29
(3) Schließlich hat das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen das Verschulden der Beklagten hinsichtlich der Verletzung ihrer Pflicht zur objektgerechten Beratung des Klägers über das Kündigungsrecht der Emittentin bejaht (§ 276 BGB).
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4. Da die Beklagte somit ihre Verpflichtung zur objektgerechten Beratung durch die unterlassene Aufklärung über das Kündigungsrecht der Emittentin schuldhaft verletzt hat, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob ihr - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auch deshalb ein Beratungsfehler vorzuwerfen ist, weil sie die Mutter des Klägers vor der Anlageentscheidung im Mai 2008 nicht auf Presseberichte aus dem Zeitraum März/April 2008 hingewiesen hat, in denen Zweifel an der Liquidität und wirtschaftlichen Stabilität der Emittentin geäußert worden waren.
B. Anschlussrevision des Klägers
31
Die Anschlussrevision des Klägers ist gleichfalls unbegründet.

I.

32
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision des Klägers von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
33
Die Beklagte könne sich mit Erfolg auf eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Klägers berufen, weil dieser seine Forderung im Insol- venzverfahren der Garantin in den USA nicht angemeldet habe. Nach der Insolvenz der Emittentin sei klar gewesen, dass der Kläger seinen Schaden nicht allein durch eine Anmeldung seiner Insolvenzforderung gegenüber der Emittentin würde ausgleichen können. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt habe er seine Forderung auch im Insolvenzverfahren der Garantin anmelden müssen , worauf er seinerzeit in der Presse und durch Verbraucherzentralen hingewiesen worden sei. Zudem sei die Frist zur Forderungsanmeldung in den USA auch bei Rechtshängigkeit der Klage noch nicht abgelaufen gewesen, so dass die Mutter des Klägers bereits fachkundigen Rechtsbeistand gehabt habe. Soweit der Kläger für die Forderungsanmeldung eigene finanzielle Mittel hätte aufwenden müssen, hätte er diese als Schaden geltend machen können. Den Mitverschuldensanteil könne das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 17% des Anlagebetrages , mithin auf 5.626,83 € schätzen. Die Beklagte habe belegt, dass sämtliche Insolvenzforderungen bis zu einem Betrag von 50.000 US-Dollar pauschal mit 17% vergütet würden.

II.

34
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Rechtsauffassung der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 287 ZPO rechtsfehlerfrei um 17% gekürzt.
35
1. Die im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gebotene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden (BGH, Urteile vom 8. Juli 1986 - VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148, 158 und vom 28. Mai 2002 - XI ZR 336/01, WM 2002, 1502, 1503), ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und seiner Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929, 1931 mwN). Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
36
2. Anders als die Anschlussrevision meint, hat das Berufungsgericht weder die Anforderungen an die Schadensminderungspflicht des Klägers überspannt (a) noch die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für vergleichbare Fälle entwickelten Grundsätze verkannt (b) noch den Mitverschuldensanteil des Klägers zu hoch bemessen (c).
37
a) Für das Bestehen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Verpflichtung des Geschädigten zur Schadensminderung ist es - anders als die Anschlussrevision meint - ohne Belang, dass der dem Kläger durch den Beratungsfehler der Beklagten zugefügte Vermögensschaden bereits mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Zertifikats im Mai 2008entstanden ist (Senatsurteil vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 309 f. mwN).
38
Bei der Schadensminderungspflicht des Geschädigten im Sinne von § 254 BGB handelt es sich um ein Verschulden in eigener Angelegenheit, infolge dessen derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines eigenen Schadensersatzanspruches in Kauf nehmen muss (BGH, Urteil vom 22. Januar 1959 - VIII ZR 15/58, WM 1959, 347 mwN). Dass die Obliegenheit des Geschädigten zur Schadensminderung über den Zeitpunkt der Schadensentstehung hinaus fortbesteht, ergibt sich denknotwendig bereits daraus, dass nur ein bereits entstandener Schaden gemindert werden kann. Eine zeitliche Grenze für die diesbezügliche Obliegenheit des Geschädigten besteht nicht.
39
b) Entgegen der Rechtsauffassung der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht auch die Anwendbarkeit der im dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22. Januar 1959 (VIII ZR 15/58, WM 1959, 347 f.) entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall zu Recht verneint, da dieser Entscheidung kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof in der o.g. Entscheidung die Inanspruchnahme einer Bank aus einer Garantie mit der Begründung abgelehnt, dass es dem in § 771 BGB geregelten Schutz des Bürgen durch die Einrede der Vorausklage zuwiderlaufe , wenn ein Geschädigter zuerst von einem Bürgen oder einem Garanten Erfüllung verlange, um die Hauptschuldner vor einer Inanspruchnahme aus einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu bewahren (BGH, Urteil vom 22. Januar 1959 - VIII ZR 15/58, WM 1959, 347, 348).
40
Vorliegend geht es demgegenüber - worauf die Anschlussrevisionserwiderung zu Recht hinweist - um eine damit nicht vergleichbare Konstellation, denn die Lehman Brothers Holding Inc. hat keineswegs die Erfüllung der Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte, sondern die Erfüllung der im streitgegenständlichen Zertifikat verbrieften Rückzahlungsansprüche des Klägers gegen die Emittentin garantiert. Eine Inanspruchnahme der Beklagten ist deshalb - anders als in dem der o.g. Entscheidung des VIII. Zivilsenats zugrunde liegenden Fall - gerade nicht vorrangig im Sinne von § 771 BGB gegenüber einer Inanspruchnahme der Garantin. Zudem würde die Erlangung von Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren der Garantin durch den Kläger - ebenfalls anders als in dem o.g. Fall - durchaus dazu führen, dass die Beklagte von ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz gegenüber dem Kläger frei würde.
41
c) Das Berufungsgericht hat den Mitverschuldensanteil des Klägers mit 17% des Anlagebetrages auch nicht zu hoch bemessen. Bei ihrer gegenteiligen Auffassung verkennt die Anschlussrevision, dass das Berufungsgericht eine Schadensschätzung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 287 ZPO vorgenommen hat. Diese hat der Tatrichter - anders als eine Ursachenabwägung gemäß § 286 ZPO - nach freiem Ermessen vorzunehmen. Sie unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahingehend, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 345/10, BKR 2013, 283 Rn. 48 mwN).
42
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Schätzung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Soweit die Anschlussrevision geltend macht, dass das Berufungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass es sich bei der vom Insolvenzverwalter der Garantin auf Forderungen bis zu einer Höhe von 50.000 USDollar pauschal geleisteten Zahlung von 17% nicht um eine feste und endgültige Insolvenzquote, sondern lediglich um eine geschätzte Erwartung gehandelt habe, trifft dies nicht zu. Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner Schätzung ausdrücklich davon ausgegangen, dass die von ihm als Anhaltspunkt gewählten Zahlungen in Höhe von 17% auf Insolvenzforderungen bis zu 50.000 US-Dollar vor der ordnungsgemäßen Beendigung des Insolvenzverfahrens der Garantin lediglich pauschal erfolgt waren. Anders als die Anschlussrevision meint, hat das Berufungsgericht damit sein Ermessen gemäß § 287 ZPO tatsächlich ausgeübt.
Joeres Ellenberger Maihold Matthias Derstadt
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.11.2010 - 334 O 95/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 11.04.2013 - 6 U 235/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - XI ZR 169/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - XI ZR 169/13

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.
Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - XI ZR 169/13 zitiert 12 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 313 Störung der Geschäftsgrundlage


(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 291 Offenkundige Tatsachen


Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 771 Einrede der Vorausklage


Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). Erhebt der Bürge die Einrede der Vorausklage, ist die Verjähr

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - XI ZR 169/13 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2011 - XI ZR 182/10

bei uns veröffentlicht am 27.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 182/10 Verkündet am: 27. September 2011 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2002 - XI ZR 336/01

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR 336/01 vom 28. Mai 2002 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ BGB §§ 249 Fb, 254 Dc HGB § 383 a) Der Schadensersatzanspruch gegen einen Effektenkommissionär, der eine Gel

Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2003 - VI ZR 161/02

bei uns veröffentlicht am 25.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 161/02 Verkündet am: 25. März 2003 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2010 - II ZR 56/09

bei uns veröffentlicht am 19.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 56/09 Verkündet am: 19. Juli 2010 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 08. März 2005 - XI ZR 170/04

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 170/04 Verkündet am: 8. März 2005 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja _________

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2014 - XI ZR 130/13

bei uns veröffentlicht am 29.04.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2013 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die ausg

Referenzen

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

8
3. Der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigende Vertretungsmangel wurde nicht geheilt. Eine Heilung ist dadurch möglich, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin als solche in den Prozess eintreten und die Prozessführung des vollmachtlosen Vertreters genehmigen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rn. 10; vom 21. Juni 1999 - II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669, 1670; vom 8. September 1997 - II ZR 55/96, WM 1998, 308, 309). Die Gesellschafter sind - trotz des Hinweises des Senats auf den Vertretungsmangel in der Terminsbestimmung - nicht in den Prozess eingetreten und haben die Prozessführung ihrer Gesellschafterin nicht genehmigt. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er erkläre in Vollmacht der Gesellschafter, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin die Prozessführung genehmigen und als gesetzliche Vertreter in den Prozess eintreten, führt nicht zu ihrem Eintritt oder zur Genehmigung der Prozessführung. Er hat seine - bestrittene - Vollmacht , für die Gesellschafter Erklärungen abgeben zu können, nicht nachgewiesen. Die Prozessvollmacht, die die vollmachtlose Vertreterin der Gesell- schaft oder die Geschäftsbesorgerin, die keine geschäftsführungsberechtigte Gesellschafterin ist, erteilt hat, umfasst Erklärungen der Gesellschafter nicht.

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

22
a) Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes , sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben (Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f., vom 7. Oktober 2008 - XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149 Rn. 12, vom 9. Mai 2000 - XI ZR 159/99, WM 2000, 1441,1442 und vom 14. Juli 2009 - XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 Rn. 49). In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat (Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 129, vom 9. Mai 2000 - XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1442 und vom 21. März 2006 - XI ZR 63/05, WM 2006, 851 Rn. 12), muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (Senatsurteile vom 21. März 2006 - XI ZR 63/05, WM 2006, 851 Rn. 12, vom 14. Juli 2009 - XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 Rn. 49 und vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn. 19).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2013 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die ausgesprochene Verurteilung über die im Berufungsurteil angeführten weiteren Zahlungen hinaus abzüglich der weiter erbrachten Zahlungen vom 19. Juli 2013 in Höhe von 2.443,50 € und vom 20. Dezember 2013 in Höhe von 1.276,05 € erfolgt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an dem offenen Immobilienfonds Morgan Stanley P2 Value (nachfolgend: Fonds). Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Klägerin war seit 1999 Kundin der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend: Beklagte). Im Rahmen eines Beratungsgesprächs am 31. Juli 2008 empfahl eine Mitarbeiterin der Beklagten (nachfolgend: Beraterin) der Klägerin, Anteile an dem Fonds zu erwerben. Die Beraterin wies die Klägerin nicht darauf hin, dass die Rücknahme der Fondsanteile ausgesetzt werden kann. Die Klägerin zeichnete 543 Anteile des Fonds für insgesamt 30.476,67 €. Am Ende des Gesprächs übergab die Beraterin der Klägerin eine Werbebroschüre mit den Worten: "Damit Sie auch wissen, was Sie gekauft haben." In dieser Broschüre findet sich sowohl auf der Titelseite als auch auf Seite 7 folgender Hinweis:

"Offene Immobilienfonds können grundsätzlich börsentäglich zurückgegeben werden. Offene Immobilienfonds können zum Schutz der Anleger nach § 81 Investmentgesetz die Rücknahme von Anteilen bis zu einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist aussetzen, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach § 80 Abs. 1 Investmentgesetz angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Der Fonds wendet sich an Anleger, die beabsichtigen, langfristig in eine indirekte Immobilienanlage in Form eines Offenen Immobilienfonds zu investieren."

3

Die Rücknahme der Anteile des Fonds wurde im Oktober 2008 ausgesetzt. Der Fonds wird inzwischen abgewickelt. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten das investierte Kapital in Höhe von ursprünglich 27.490,17 € abzüglich in den Vorinstanzen erhaltener Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 5.049,90 € zurück. Die Klägerin meint, dass sie auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme habe hingewiesen werden müssen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

4

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. In der Revisionsverhandlung haben die Parteien wegen weiterer Ausschüttungen die Hauptsache in Höhe von insgesamt 3.719,55 € übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BKR 2013, 290 ff. veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Im Rahmen einer Anlageberatung sei der Anlageinteressent grundsätzlich auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Rücknahme der Fondsanteile gemäß § 81 InvG hinzuweisen. Dass dieser Gesichtspunkt für die Anlageentscheidung wesentlich sei, ergebe sich bereits daraus, dass im Verkaufsprospekt, in einer Werbebroschüre (nachfolgend: Flyer) sowie in den "Basisinformationen über die Vermögensanlagen in Wertpapieren" (nachfolgend: Basisinformationen) auf diese Möglichkeit hingewiesen werde, die ein Liquiditätsrisiko für die Anleger begründe. Der im Falle einer Aussetzung der Rücknahme mögliche Verkauf der Anteile über die Börse berge erkennbar das Risiko, dass nur ein niedrigerer Preis als bei einer ordnungsgemäßen Rückgabe erzielt werden könne. Die Tatsache der Aussetzung der Anteilsrücknahme werde in den Kurs eingepreist und führe zu Abschlägen. Bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme handele es sich auch nicht nur um "graue Theorie", da bereits Ende 2005/Anfang 2006 drei offene Immobilienfonds die Rücknahme ihrer Anteile ausgesetzt hätten.

8

Soweit die Beklagte die "Mündelsicherheit" der Anlage in offene Immobilienfonds betone, stehe dies zur Aufklärungsbedürftigkeit der Aussetzung der Rücknahme in keinem Spannungsverhältnis. Eine anlagegerechte Beratung erfordere eine Aufklärung über die Funktionsweise und die strukturtypischen Chancen und Risiken der empfohlenen Anlage. Auch bei einer grundsätzlich als "sicher" einzustufenden Kapitalanlage seien dem Anleger deren charakteristische Merkmale, Chancen und Risiken aufzuzeigen. Die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme sei als Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht der Kapitalanlagegesellschaften zur Anteilsrücknahme ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip, das dem Interessenten aufgezeigt werden müsse.

9

Der grundsätzlichen Aufklärungsbedürftigkeit des Risikos einer Aussetzung der Anteilsrücknahme könne nicht damit begegnet werden, dass diese dem Schutz der Anleger diene, weil so verhindert werde, dass Fondsvermögen unter Zeitdruck und damit ggf. zu einem niedrigeren Preis veräußert werde. Eine Aussetzung der Anteilsrücknahme möge zur Aufrechterhaltung des Wertes der Fondsanteile vorteilhaft sein, berühre aber nicht die mit ihr verbundenen Konsequenzen für den auf Liquidität angewiesenen Anleger.

10

Bei der Aussetzung der Anteilsrücknahme handele es sich um ein grundsätzliches, immer bestehendes Liquiditätsrisiko. Zur Begründung der Aufklärungspflicht und der Wesentlichkeit dieses Gesichtspunktes für die Anlageentscheidung bedürfe es daher keiner sich verdichtenden Anzeichen für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme. Im Übrigen hätten im Juli 2008 hinreichende Anhaltspunkte für die Krise am Immobilienmarkt und die sich daraus ergebende besondere Relevanz der Möglichkeit einer Rücknahmeaussetzung bestanden.

11

Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung über diese Möglichkeit auch nicht durch die Übergabe der Basisinformationen im November 2007 erfüllt. Die Übergabe eines mehr als 100seitigen Kompendiums ohne ausdrücklichen Hinweis auf die für die konkrete Anlageentscheidung relevanten Risikohinweise sei nicht geeignet, die Unvollständigkeit eines vorangegangenen Aufklärungsgesprächs zu beseitigen. Das gelte erst recht, wenn die Übergabe der Informationen geraume Zeit vor dem Beratungsgespräch erfolge und in keinem konkreten Zusammenhang mit der streitigen Anlageentscheidung stehe. Der der Klägerin übergebene Flyer enthalte zwar einen entsprechenden Risikohinweis. Von dessen rechtzeitiger Übergabe könne jedoch nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Flyer erst nach ihrer Anlageentscheidung erhalten habe.

12

Die fehlende Aufklärung sei für die Anlageentscheidung der Klägerin auch kausal gewesen. Der Ursachenzusammenhang sei auf Basis der sog. "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" anzunehmen. Die Aufklärungspflichtverletzung sei zudem fahrlässig erfolgt. Die Beklagte habe entgegen § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht hinreichend dargelegt, sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden zu haben. Nach ihrem Vortrag bleibe schon unklar, wer sich wann auf Seiten der Beklagten mit der hier im Streit stehenden Problematik eingehend befasst habe.

II.

13

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zusteht. Dabei hat es die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine beratende Bank verpflichtet ist, ihre Kunden im Zusammenhang mit der Empfehlung eines offenen Immobilienfonds über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme nach § 81 InvG (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung, nachfolgend: aF; nunmehr § 257 KAGB) ungefragt aufzuklären, zu Recht bejaht.

14

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen worden ist.

15

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Beratungspflichtverletzung der Beklagten bejaht.

16

a) Eine beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 22 und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 23 sowie vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 20).

17

b) Danach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme gemäß § 81 InvG aF aufzuklären. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwände bleiben ohne Erfolg.

18

aa) Die Frage, ob eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Kapitalanlagegesellschaft aufklären muss, wird in der Instanzrechtsprechung und der Literatur unterschiedlich beantwortet.

19

Nach einer Auffassung hat bis zum Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 eine solche Aufklärungspflicht nicht bestanden, weil es sich bei der Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, bis dahin um ein fernliegendes, rein theoretisches Risiko gehandelt habe, die Aussetzung der Anteilsrücknahme ein Instrument zum Anlegerschutz sei und die Anleger auch während einer solchen Aussetzung ihre Anteile jederzeit an der Börse veräußern könnten (vgl. OLG Dresden, WM 2013, 363, 366; OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262 ff.; Homberger, EWiR 2013, 475 f.; Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, WuB I G 5.- 3.13).

20

Demgegenüber bejaht die Gegenansicht, die vom Berufungsgericht geteilt wird, eine Aufklärungspflicht der Bank, weil die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip und ein ihr grundsätzlich innewohnendes (Liquiditäts-)Risiko darstelle (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. August 2012 - 4 U 512/12, juris Rn. 8 f.; Schröder, jurisPR-BKR 7/2012 Anm. 6; Merk, BKR 2013, 290, 294).

21

bb) Der erkennende Senat entscheidet die Frage im Sinne der zuletzt genannten Meinung.

22

(1) Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß § 37 Abs. 1 InvG aF (nunmehr § 187 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren und deren Rückgabe zu einem in § 23 Abs. 2 Satz 3, § 79 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 InvG aF geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft verlangen können (sog. Open-End-Prinzip; vgl. Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 113 Rn. 140; Baur/Ziegler, BuB Rn. 9/277; Gutsche in Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, InvG, 2013, § 37 Rn. 7 ff.;Reiter in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 9.55; Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, KAGG AuslInvestG, 2003, § 11 Rn. 5 ff.; Gringel, ZBB 2012, 106, 107; Hartrott/Goller, BB 2013, 1603, 1604; Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1614; Döser, jurisPR-BKR 5/2009 Anm. 3). Von diesem Grundsatz macht § 81 InvG aF eine Ausnahme (vgl. BT-Drucks. 17/3628, S. 28; Schultz-Süchting in Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, aaO, § 81 Rn. 1). Danach wird der Kapitalanlagegesellschaft bei nicht ausreichender Liquidität das Recht eingeräumt, die Rücknahme der Anteile vorrübergehend zu verweigern mit der Folge, dass die Anleger ihre Fondsanteile nicht mehr zu dem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis zurückgeben können.

23

Über dieses Risiko hat die Bank den Anleger im Rahmen der von ihr geschuldeten vollständigen Risikodarstellung in verständlicher Weise aufzuklären. Diese Verpflichtung besteht, weil das dem Anleger kraft Gesetzes gemäß § 37 Abs. 1 InvG aF gemachte Versprechen, seine Investition in einen offenen Immobilienfonds jederzeit durch die Rückgabe seiner Anteile an die Kapitalanlagegesellschaft zu einem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis liquidieren zu können, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81 InvG aF nicht eingehalten wird.

24

(2) Ob hier zum Zeitpunkt der Beratung im Juli 2008 bei dem Fonds bereits konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme vorgelegen haben, ist für das Bestehen dieser Aufklärungspflicht ohne Bedeutung, da es für die Entscheidung des Anlegers auch ohne solche konkreten Anhaltspunkte von wesentlicher Bedeutung sein kann, dass er dieses Risiko während der gesamten Investitionsphase übernimmt. Soweit sich die Revision in dem Zusammenhang gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, dass es im Juli 2008 bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Aussetzung der Anteilsrücknahme gegeben habe, handelt es sich lediglich um eine nicht tragende Hilfsbegründung. Das Berufungsgericht hat in erster Linie rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass es zur Begründung der Aufklärungspflicht und der Wesentlichkeit dieses Gesichtspunktes für die Anlageentscheidung keiner sich verdichtender Anzeichen für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme bedarf.

25

(3) Dementsprechend ist es für die Beantwortung der Frage, ob die Bank den Anleger über dieses Risiko aufklären muss, ebenfalls unerheblich, ob bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Oktober 2008 insoweit ein fernliegendes oder gar ein nur theoretisches Risiko (so OLG Dresden, WM 2013, 363, 366; OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262; vgl. auch Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, WuB I G 5.- 3.13) bestanden hat. Die Möglichkeit, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, stellt ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Entscheidung trifft.

26

(4) Der Umstand, dass die Anleger eines offenen Immobilienfonds ihre Anteile während einer Aussetzung der Anteilsrücknahme jederzeit an der Börse veräußern können, spricht - wie das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision zutreffend angenommen hat - ebenfalls nicht gegen die Pflicht der Bank, über die Möglichkeit einer solchen Aussetzung aufzuklären (ebenso Schröder, jurisPR-BKR 7/2012 Anm. 6; a.A. OLG Dresden, WM 2013, 363, 366; OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262; Homberger, EWiR 2013, 475 f.; Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617).

27

Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Anleger damit weiter die Möglichkeit haben, ihre Anteile jederzeit zu liquidieren. Diese Möglichkeit stellt aber angesichts der an einer Börse oder an einem sonstigen Sekundärmarkt bestehenden Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente keinen gleichwertigen Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit dar, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurück zu geben. Dem Anleger wird die Liquidität seiner Fondsanteile im Fall einer Aussetzung der Anteilsrücknahme daher nicht mehr mit der Qualität eines vorab im Gesetz bestimmten Rücknahmepreises gewährleistet.

28

(5) Soweit die Revision meint, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme um eine Schutzmaßnahme zugunsten der Anleger handele, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank hierauf nicht an. Die Regelungen des § 81 InvG aF über die Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an offenen Immobilienfonds sollen es der Kapitalanlagegesellschaft ermöglichen, sich im Fall einer unerwartet hohen Zahl ihr zur Rückgabe angedienter Fondsanteile während der Aussetzung die Liquidität zu beschaffen, die für die Bedienung der rückgabewilligen Anleger erforderlich ist (vgl. Gringel, ZBB 2012, 106, 108; Schultz-Süchting in Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, InvG, 2013, § 81 Rn. 2; Baur, Investmentgesetze, 1997, § 36 KAGG Rn. 1; Baur/Ziegler in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 9/283; vgl. auch BT-Drucks. 17/3628, S. 28 und zu BT-Drucks. V/4414, S. 6). Zugleich soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorgebeugt werden. Da die Aussetzung jedoch - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.

29

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihre Pflicht, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme aufzuklären, nicht erfüllt.

30

a) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Erfüllung dieser Pflicht durch die Übergabe der Basisinformationen verneint hat. Dabei kann allerdings offen bleiben, ob deren Übergabe im November 2007 im Hinblick auf die Anlageentscheidung der Klägerin Ende Juli 2008 noch als zeitnahe Unterrichtung der Klägerin anzusehen ist.

31

Das Berufungsgericht hat die fehlende Erfüllungswirkung dieser Übergabe nämlich rechtsfehlerfrei auch darauf gestützt, dass zwischen der Anlageentscheidung und der Übergabe der Basisinformationen kein konkreter Zusammenhang bestand. Die Revisionserwiderung weist insoweit zutreffend darauf hin, dass bei einem offenen Immobilienfonds nach § 81 InvG aF die Anteilsrücknahme nur dann ausgesetzt werden konnte, wenn die Vertragsbedingungen des jeweiligen Fonds eine solche Befugnis vorsahen (vgl. Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 113 Rn. 141). Informationen darüber, ob hier der Kapitalanlagegesellschaft in den Vertragsbedingungen eine solche Befugnis eingeräumt worden war, enthalten die allgemeinen Basisinformationen naturgemäß nicht. Hierüber hätte die Beklagte die Klägerin entweder in verständlicher Weise mündlich oder durch die rechtzeitige Übergabe eines auf den streitgegenständlichen Fonds bezogenen Informationsmaterials schriftlich aufklären müssen. Entgegen der Auffassung der Revision ist es deshalb auch unerheblich, ob die Klägerin im Rahmen ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung zur Beklagten bereits seit 2003 Anteile an offenen Immobilienfonds erworben hat.

32

b) Soweit sich die Revision weiter gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, die Klägerin habe den Flyer des Fonds, auf dessen Titelseite ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme abgedruckt ist, erst nach ihrer Anlageentscheidung und damit nicht rechtzeitig erhalten, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Die Revision hat gegen diese tatrichterliche Feststellung keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben (§ 564 ZPO).

33

4. Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zur "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff.) davon ausgegangen, dass die unterlassene Aufklärung über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin war.

34

Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Senatsrechtsprechung auf die hier streitige Aufklärungspflichtverletzung ohne weiteres anzuwenden. Die Argumentation der Revision, ein Anleger würde mit der Information über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme kein zusätzliches Risiko verbinden, sondern eine solche Aussetzung als Schutzmaßnahme gegen Verluste des Fonds und damit gegen eine Wertminderung seiner Beteiligung begreifen, weshalb der Anleger bei der gebotenen Aufklärung in seiner Anlageentscheidung sogar bestärkt werde, verkennt bereits im Ansatz, dass die Aussetzung der Anteilsrücknahme - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse des Anlegers entgegensteht.

35

5. Nicht zu beanstanden ist schließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten sei fahrlässig erfolgt.

36

Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB muss der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Beklagte hat folglich bereits für Fahrlässigkeit einzustehen. Eine Haftung wegen Fahrlässigkeit ist zwar bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen. An das Vorliegen eines solchen Rechtsirrtums sind aber strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt mithin schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 3).

37

Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Fahrlässigkeit der Beklagten bejaht. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass sie sich hinsichtlich ihrer Pflicht, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme aufzuklären, in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden habe. Einem unvermeidbaren Rechtsirrtum steht hier schon entgegen, dass für die Beklagte im Juli 2008 ein konkreter Anhaltspunkt bestand, aus dem sie ohne weiteres hätte erkennen können, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme um eine aufklärungspflichtige Eigenschaft des Fonds handeln kann. Im Flyer des Fonds wird nämlich bereits auf der Titelseite - und damit an exponierter Stelle - darauf aufmerksam gemacht, dass die Rücknahme von Anteilen gemäß § 81 InvG aF binnen einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist ausgesetzt werden kann.

Wiechers                      Joeres                       Ellenberger

                 Matthias                   Menges

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 336/01
vom
28. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB §§ 249 Fb, 254 Dc

a) Der Schadensersatzanspruch gegen einen Effektenkommissionär, der eine
Gelegenheit zum auftragsgemäßen Erwerb von Aktien versäumt hat, ist auf
Naturalrestitution gerichtet.

b) Zur Frage der Anwendbarkeit des § 254 Abs. 2 BGB in Fällen, in denen
der Kommittent es unterlassen hat, den Schaden durch einen Deckungskauf
zu mindern.
BGH, Beschluß vom 28. Mai 2002 - XI ZR 336/01 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die
Richterin Mayen
am 28. Mai 2002

beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Gründe:


I.


Der Kläger hat das beklagte Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen verspäteter Weiterleitung von Aufträgen zum Kauf von Aktien auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Der Kläger erteilte der Beklagten als Kommissionärin am 15. Dezember 1999 zwei tagesgültige, auf bestimmte Kurse limitierte Aufträge zur Beschaffung von 2.000 bzw. 200 an der EASDAQ-Börse in Brüssel gehandelten Aktien der A. C. plc. Die Aufträge wurden von der Beklagten erst verspätet an einen an der EASDAQ zugelassenen Zwischenhändler weitergeleitet und, da infolgedessen die Limits überschritten wurden, nicht ausgeführt.
Nachdem der Kläger am 16. Dezember 1999 die unterbliebene Ausführung seiner Aufträge beanstandet hatte, teilte die Beklagte ihm am 22. Dezember 1999 mit, daû sie die Beschaffung der Aktien ablehne, und stellte ihm anheim, einen neuen Kaufauftrag zu erteilen. In der Folgezeit stieg der Aktienkurs weiter.
Das Landgericht hat die Klage auf Lieferung von 2.200 Aktien Zug um Zug gegen Zahlung der Erwerbskosten, die bei ordnungsgemäûer Ausführung der Aufträge am 15. Dezember 1999 angefallen wären, abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Anspruch auf Lieferung von Aktien weiterverfolgt und hilfsweise Schadensersatz in Geld verlangt. Auf diesen Hilfsantrag hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung der Differenz in Höhe von 18.452,99 ? zwischen den Erwerbskosten am 15. und denen am 22. Dezember 1999 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen hat sich der Kläger mit der Revision gewandt. Während des Revisionsverfahrens hat er die Aktien nach einem Kursverfall zu einem seinen Aufträgen vom 15. Dezember 1999 entsprechenden Preis erworben. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

II.


Über die Kosten des Rechtsstreits war gemäû § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil der Revision des Klägers bei Fortführung des Verfahrens stattzugeben gewesen wäre.
Der Kläger hatte im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit seiner Klage gegen die Beklagte einen Anspruch wegen positiver Vertragsverletzung oder gemäû § 385 Abs. 1 Halbs. 1 HGB (vgl. hierzu Krüger, in: Ebenroth/ Boujong/Joost, HGB § 385 Rdn. 2) auf Lieferung der Aktien Zug um Zug gegen Zahlung der Erwerbskosten, die bei ordnungsgemäûer Ausführung seiner Aufträge am 15. Dezember 1999 angefallen wären.
1. Die Parteien haben einen Effektenkommissionsvertrag im Sinne der §§ 383 ff. HGB geschlossen, der die Beklagte verpflichtete, sich mit der gebotenen Sorgfalt um den Abschluû den Aufträgen des Klägers entsprechender Kaufverträge zu bemühen (vgl. Roth, in: Assmann /Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl. § 11 Rdn. 78; Kümpel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 104 Rdn. 117, jeweils m.w.Nachw.). Der Abschluûerfolg war nicht Gegenstand des Leistungsversprechens der Beklagten (vgl. Ekkenga, in: MünchKommHGB Bd. 5 Effektengeschäft Rdn. 257).
2. Die von der Beklagten geschuldete Tätigkeit zur Herbeiführung von Kaufverträgen ist nicht mit dem Überschreiten der vom Kläger gesetzten Limits unmöglich geworden. Die Beklagte hat zwar eine Gelegenheit zum auftragsgemäûen Abschluû der Kaufverträge versäumt (vgl. hierzu Ekkenga aaO Rdn. 377, 381), weil infolge der verzögerten Weiterleitung der Aufträge die vom Kläger gesetzten Limits überschritten
wurden. Nach diesem Zeitpunkt war die Beklagte aber weiterhin verpflichtet und in der Lage, die Kursentwicklung zu überwachen und bei einem etwaigen Unterschreiten der Limits Kaufaufträge zu erteilen. Diese Pflicht erlosch erst mit Ablauf der vom Kläger durch Erteilung eines tagesgültigen Auftrags gesetzten Frist (§§ 158 Abs. 2, 163 BGB; vgl. BGHZ 99, 288, 291).
3. Die Beklagte hat ihre Pflicht, die erteilten Kommissionsaufträge sorgfältig auszuführen, verletzt. Sie hat im Berufungsverfahren selbst eingeräumt, die Aufträge des Klägers erst verspätet an einen Zwischenhändler weitergeleitet zu haben. Infolgedessen konnten sie wegen Überschreitung der vom Kläger gesetzten Limits nicht mehr ausgeführt werden. Da die Beklagte die verspätete Weiterleitung zu vertreten hat, schuldete sie dem Kläger Schadensersatz.
4. Der Anspruch war gemäû § 249 Satz 1 BGB auf Naturalrestitution gerichtet. Der Kläger war so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn die Beklagte ordnungsgemäû erfüllt hätte (vgl. für Ansprüche wegen positiver Vertragsverletzung: BGH, Urteil vom 16. März 1993 - VIII ZR 261/92, NJW 1994, 1653, 1654 und für § 385 Abs. 1 Halbs. 1 HGB: Krüger aaO Rdn. 3). Ihm stand mithin ein Anspruch auf Lieferung der Aktien Zug um Zug gegen Zahlung der bei ordnungsgemäûer Ausführung seiner Aufträge aufzuwendenden Erwerbskosten zu.
5. Der Schadensersatzanspruch war, anders als das Berufungsgericht meint, nicht gemäû § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB herabzusetzen. Die Frage, ob der Kläger es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch
Abschluû eines Deckungskaufs am 22. Dezember 1999 zu mindern, oder ob ihm dies wegen der nicht vorhersehbaren weiteren Kursentwicklung unzumutbar war (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 24. Juli 2001 - XI ZR 164/00, WM 2001, 1716, 1717; OLG Köln WM 1989, 1529, 1531 f.), bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls ergibt die - auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gebotene (Senat, Urteil vom 24. Juli 2001 aaO) - Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge beider Parteien, daû der Anspruch des Klägers nicht wegen eines Mitverschuldens zu mindern war.

a) Die Abwägung ist zwar grundsätzlich dem Tatgericht vorbehalten und kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden (BGHZ 98, 148, 158; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82, WM 1984, 126). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht aber rechtsfehlerhaft überhaupt keine Abwägung vorgenommen, sondern gemeint , der dem Kläger entgangene Vermögenszuwachs aufgrund des Kursanstiegs nach dem 22. Dezember 1999 sei keine der Verletzungshandlung der Beklagten zurechenbare Folge.

b) Der Senat kann die unterlassene Abwägung aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nachholen. Danach war der Anspruch des Klägers nicht zu mindern.
aa) Allein das Verhalten der Beklagten war ursächlich dafür, daû überhaupt ein Schaden entstanden ist. Hätte die Beklagte die Aufträge des Klägers rechtzeitig weitergeleitet, hätte dieser keinen Nachteil erlitten. Dieses Versäumnis wirkt um so schwerer, als die Beklagte in ihrer
Werbung "schnellste Abwicklung" von Aufträgen verspricht und in Aussicht stellt, Aufträge "in Sekunden direkt in den Börsensaal" zu bringen.
bb) Auch das Ausmaû, das der Schaden durch die weitere Kursentwicklung angenommen hat, ist ganz überwiegend von der Beklagten verschuldet worden. Sie hat sich trotz der Beanstandung des Klägers vom 16. Dezember 1999 rechtswidrig und grob schuldhaft geweigert, den Kläger schadlos zu stellen, obwohl sie nach ihrem vorangegangenen Fehlverhalten die Rechtslage besonders sorgfältig prüfen und ihre Pflicht, dem Kläger Schadensersatz zu leisten, unbedingt erkennen muûte (vgl. Senatsurteil vom 24. Juli 2001 - XI ZR 164/00, WM 2001, 1716, 1717). Demgegenüber ist ein etwaiges Mitverschulden des Klägers , der am 22. Dezember 1999 vor dem weiteren Kursanstieg keinen Deckungskauf getätigt hat, nur als verhältnismäûig gering zu beurteilen. Er war bei seinem Verlangen, von der Beklagten schadlos gestellt zu werden, im Recht. Eine Minderung seines Schadensersatzanspruches war deshalb nicht gerechtfertigt.
Nobbe Siol Bungeroth
Joeres Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 161/02 Verkündet am:
25. März 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nr. 2 c, 9 Abs. 3

a) Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen einer Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit und einem Verkehrsunfall ist zu bejahen, wenn bei
Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen
Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre.

b) Die kritische Verkehrssituation beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn
die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, daß eine Gefahrensituation
unmittelbar entstehen kann.

c) Gibt der Vorfahrtberechtigte dem Wartepflichtigen durch einen Verkehrsverstoß
Anlaß, die Wartepflicht - namentlich infolge einer Fehleinschätzung der Verkehrssituation
- zu verletzen, so kann die kritische Verkehrssituation bereits vor der eigentlichen
Vorfahrtsverletzung eintreten.

d) Der Vertrauensgrundsatz kommt regelmäßig demjenigen nicht zugute, der sich
selbst über Verkehrsregeln hinwegsetzt, die auch dem Schutz des unfallbeteiligten
Verkehrsteilnehmers dienen.
BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 - OLG Hamm
LG Siegen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. März 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich der Feststellungsausspruch nur auf zukünftige Schäden des Klägers bezieht und die Klage im übrigen abgewiesen wird. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 19. Mai 1998 auf einer Landstraße im Bereich der Gemeinde D. geltend, bei dem er als Motorradfahrer von dem ihm entgegenkommenden Beklagten zu 1 (künftig: der Beklagte), der mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw nach links in eine Autobahnauffahrt abbiegen wollte, beim Abbiegevorgang erfaßt und schwer verletzt wurde. Vor der Annäherung an die Unfallstelle durchfuhr der Kläger eine ansteigende Linkskurve. Der Beklagte hatte sich vor dem Abbiegen auf eine hierzu bestimmte Linksabbiegespur eingeordnet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine vom Sachverständigen ermittelte Geschwindigkeit von 120 bis 150 km/h sei für den Unfall nicht mitursächlich gewesen, weil er auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h den Unfall nicht mehr hätte vermeiden können, als die Vorfahrtsverletzung durch den Beklagten für ihn erkennbar geworden sei. Vorher habe er keine Veranlassung gehabt, seine Geschwindigkeit zu reduzieren, sondern darauf vertrauen können, daß der Beklagte sein Vorfahrtsrecht beachten werde. Vorprozessual bezahlte die Beklagte zu 2 an den Kläger 120.000 DM, von denen sie in der Klageerwiderung 80.000 DM auf den Schmerzensgeldanspruch und 40.000 DM auf die Sachschäden des Klägers verrechnete. Das Landgericht hat dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 DM zuerkannt, den Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Sachschäden dem Grunde nach zu 80 % für gerechtfertigt erklärt und festgestellt , daß die Beklagten dem Kläger zum Ersatz seiner zukünftigen immateriellen Schäden zu 100 % sowie seiner zukünftigen materiellen Schäden zu 80 %
verpflichtet sind, soweit kein Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger stattfindet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu 2/3 und sämtliche immateriellen Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 1/3 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Verkehrsunfall vom 19. Mai 1998 von beiden Fahrzeugführern schuldhaft mitverursacht worden sei. Die unfallursächliche schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Beklagten stehe zu Recht außer Streit. Aber auch den Kläger treffe ein Mitverschulden an der Entstehung des Unfalls, da er die an der Unfallstelle zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 20 km/h überschritten habe und dies als kausal für das Unfallgeschehen zu bewerten sei. Zwar sei nach dem eingeholten Gutachten der Unfall auch bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h nicht zu vermeiden gewesen, wenn man eine Reaktion des Klägers erst zu dem Zeitpunkt verlange, in dem er habe erkennen können, daß der Unfallgegner ihm die Vorfahrt nicht gewähren und in seine Fahrspur hineinfahren werde. Jedoch sei im Hinblick auf das dem Kläger erkennbare Verkehrsgeschehen eine frühere Reaktion von ihm zu fordern gewesen. Im Regelfall dürfe der Vorfahrtbe-
rechtigte auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts vertrauen. In der konkreten Situation hätten jedoch besondere Umstände vorgelegen, aufgrund derer der Kläger schon im Zeitpunkt des ersten Sichtkontakts mit einer Vorfahrtsverletzung durch den Beklagten habe rechnen müssen, falls er seine überhöhte Geschwindigkeit beibehalte, so daß er schon aus diesem Grunde spätestens zu diesem Zeitpunkt seine Geschwindigkeit auf 100 km/h hätte reduzieren müssen. Er habe nämlich aufgrund der Besonderheiten der Unfallörtlichkeit damit rechnen müssen, daß er im Falle einer weiteren Annäherung mit seiner überhöhten Geschwindigkeit vom Beklagten nicht rechtzeitig wahrgenommen, dieser seine Geschwindigkeit falsch einschätzen und abbiegen werde. Ein frühzeitiges Verlangsamen sei vom Kläger umso mehr zu fordern gewesen, als er nach eigenem Bekunden die Stelle gekannt und gewußt habe, daß es dort schon viele gleichartige Unfälle gegeben habe. Deshalb könne er sich vorliegend nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Hätte der Kläger seine Geschwindigkeit beim ersten Sichtkontakt zum Pkw des Beklagten auf 100 km/h verringert, so wäre der Unfall bei der vom Sachverständigen angenommenen Abbiegegeschwindigkeit des Pkw des Beklagten von 18 km/h vermieden worden. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile liege die entscheidende Unfallursache im Vorfahrtverstoß des Beklagten. Sein Verschulden wiege allerdings deshalb nicht allzu schwer, weil zu seinen Gunsten davon auszugehen sei, daß sich der Kläger mit 150 km/h der Unfallstelle genähert und deshalb erst direkt vor dem Anfahrtbeginn für den Beklagten sichtbar geworden sei. Da die Geschwindigkeit des Klägers für den Beklagten nicht sofort erkennbar gewesen sei, sei darin, daß er den begonnenen Abbiegevorgang nicht wieder abgebrochen habe, noch keine grobe Fahrlässigkeit zu sehen. Unter Berücksichtigung der erhöhten Betriebsgefahr beim Linksabbiegen sei eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Beklagten angemessen.
Auf dieser Grundlage sei bei Abwägung aller Gesichtspunkte, namentlich des beiderseitigen Ausmaßes der Unfallverursachung und der Schwere der vom Kläger erlittenen Unfallverletzungen, ein Schmerzensgeld von 80.000 DM angemessen. Die Zahlung der Beklagten zu 2 habe deshalb das Schmerzensgeld und alle vom Kläger geltend gemachten materiellen Schäden abgegolten, weshalb nur noch die Haftung beider Beklagten für zukünftige Schäden des Klägers im Raum stehe.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte , für dessen Haftpflicht die Beklagte zu 2 einzustehen hat, den Verkehrsunfall und den daraus entstandenen Schaden des Klägers schuldhaft dadurch verursacht hat, daß er entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO nach links abbog, ohne den entgegenkommenden Kläger durchfahren zu lassen, der sein Vorrecht nicht deshalb verloren hatte, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr (Senatsurteile vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - VersR 1977, 524, 525 und vom 21. Januar 1986 - VI ZR 35/85 - VersR 1986, 579). 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Kläger habe durch Überschreiten der außerhalb geschlossener Ortschaften nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 c StVO vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 20 km/h den Unfall schuldhaft mitverursacht.

a) Allerdings kann ein späterer Unfall einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht allein schon deshalb zugerechnet werden, weil das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre, vielmehr muß sich in dem Unfall gerade die auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende erhöhte Gefahrenlage aktualisieren. Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 1959 - VI ZR 215/58 - VersR 1960, 183, 184; vom 27. November 1962 - VI ZR 240/61 - VersR 1963, 165, 166; vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO und vom 7. April 1987 - VI ZR 30/86 - VersR 1987, 821, 822; vgl. auch BGHSt 33, 61, 63 f. m.w.N.).
b) Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, daß eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann (vgl. Senatsurteile vom 27. November 1962 - VI ZR 240/61 - aaO; vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO; vom 25. September 1990 - VI ZR 19/90 - VersR 1990, 1366, 1367 und vom 5. Mai 1992 - VI ZR 262/91 - VersR 1992, 890; vgl. auch VGS BGHZ 14, 232, 239 = BGHSt 7, 118, 124; BGH, Urteil vom 26. Juli 1963 - 4 StR 258/63 - VRS 25, 262, 263 f.; BGHSt 24, 31, 34 m.w.N.; BGH, Urteil vom 21. März 1978 - 4 StR 683/77 - VRS 54, 436, 437; BGHSt 33, 61, 63 ff.; OLG Celle VRS 63, 72, 73; OLG Köln VRS 70, 373, 374 f.; OLG Frankfurt JR 1994, 77, 78 m. Anm. Lange; OLG Düsseldorf VRS 88, 268 f.; OLG Köln VersR 2001, 1577, 1578; OLG Karlsruhe VRS 100, 460, 461). Für einen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer ist dies in Bezug auf seinen Vorrang zwar nicht bereits der Fall, wenn nur die abstrakte, stets gegebene Gefahr eines Fehlverhaltens anderer besteht, vielmehr müssen erkennbare Umstände eine bevorstehende Verletzung seines Vorrechts nahelegen. Von Bedeutung sind hierbei neben der
Fahrweise des Wartepflichtigen alle Umstände, die sich auf dessen Fahrweise auswirken können, also auch die Fahrweise des Bevorrechtigten selbst. Gibt er dem Wartepflichtigen durch einen Verkehrsverstoß Anlaß, die Wartepflicht - namentlich infolge einer Fehleinschätzung der Verkehrslage - zu verletzen, so kann die kritische Verkehrslage bereits vor der eigentlichen Vorfahrtsverletzung eintreten.
c) Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht aufgrund der von ihm im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß der Kläger bereits beim ersten möglichen Sichtkontakt zum Pkw des Beklagten konkret damit rechnen mußte, daß der Beklagte sein Vorfahrtsrecht verletzen könnte. Die überhöhte Geschwindigkeit des Klägers war auch im Hinblick auf die Besonderheit der Unfallörtlichkeit geeignet, den Beklagten die Verkehrslage falsch einschätzen zu lassen und ihn zu veranlassen, noch vor dem Kläger abzubiegen, obgleich ihm dies nicht mehr gefahrlos möglich war (vgl. VGS BGHZ 14, 232, 234 = BGHSt 7, 118, 120). Das Berufungsgericht hat sich verfahrensfehlerfrei aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens und der diesem beigefügten Lichtbilder die Überzeugung gebildet, daß der vor einem Wald auf seinem Motorrad aus einer ansteigenden Kurve sich nähernde Kläger für den Beklagten als schmale Silhouette nur schwer erkennbar war. Zwar habe der Beklagte während der Entschlußdauer zum Anfahren den Kläger erstmals sehen, jedoch noch nicht dessen gefahrene Geschwindigkeit erkennen können, wofür er nochmals einige Sekunden benötigt habe. Dies hätte sich auch der Kläger sagen und deshalb damit rechnen müssen , daß der Pkw, der sich für ihn erkennbar auf der Linksabbiegerspur befand, den Abbiegevorgang einleiten und durchführen werde. Hiergegen ist aus Rechtsgründen auch deshalb nichts zu erinnern, weil der Kläger - worauf das Berufungsgericht mit Recht abhebt (vgl. BGHSt 15,
191, 193) - nach seinem eigenen Vortrag wußte, daß es an der späteren Unfall- stelle zuvor bereits viele Unfälle infolge falschen Linksabbiegens gegeben hatte.
d) Entgegen der Auffassung der Revision kann sich der Kläger vorliegend - was die Vermeidbarkeit des Verkehrsunfalls anbelangt - nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf zwar ein Verkehrsteilnehmer, der sich selbst regelgerecht verhält, grundsätzlich darauf vertrauen, daß andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls die Verkehrsregeln einhalten, z.B. sein Vorfahrtsrecht beachten (vgl. Senatsurteile vom 15. Mai 1973 - VI ZR 62/72 - VersR 1973, 765, 766 und vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 98/91 - VersR 1992, 203, 204; VGS BGHZ 14, 232, 235 f. = BGHSt 7, 118, 122; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - VersR 1975, 37, 38 m.w.N.; BGHSt 9, 92, 93 f.; BGHSt 12, 81, 83; BGHSt 13, 169, 172 f.). Der Vertrauensgrundsatz kommt jedoch regelmäßig demjenigen nicht zugute, der sich selbst über die Verkehrsregeln hinwegsetzt (Senatsurteil vom 15. November 1966 - VI ZR 57/65 - VersR 1967, 157, 158; vom 15. Mai 1973 - VI ZR 62/72 - aaO und vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 98/91 - aaO; BGH, Urteile vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - aaO S. 38 f. m.w.N.; vom 21. Februar 1985 - III ZR 205/83 – VersR 1985, 637, 639 und vom 6. Februar 1958 - 4 StR 687/57 - bei juris; BGHSt 9, 92, 93 f.; BGHSt 13, 169, 172 f.; BGHSt 15, 191, 193; OLG Frankfurt JR 1994, 77 mit Anm. Lampe; OLG Karlsruhe VRS 100, 460, 461). Dies gilt freilich nicht uneingeschränkt. Dient eine Verkehrsregel nur dem Schutz vor bestimmten Gefahren des Straßenverkehrs, so zeigt ein Verkehrsverstoß gegen diese Regel nur die Vorhersehbarkeit derjenigen Gefahr an, zu deren Abwehr die verletzte Vorschrift bestimmt ist. Dem-
entsprechend büßt der Verletzer den Schutz des Vertrauensgrundsatzes nur gegenüber solchen Verkehrsteilnehmern ein, die an dem Verkehrsvorgang beteiligt sind, dessen typischen Gefahren die verletzte Vorschrift begegnen soll (BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - aaO m.w.N.). Die vom Kläger übertretene allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen schützt jeden Verkehrsteilnehmer; sie dient insbesondere auch dazu, Quer- und Kreuzungsverkehr ohne die aus hohen Geschwindigkeiten drohenden besonderen Gefahren zu ermöglichen (vgl. Senatsurteile vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO; vom 14. Februar 1984 - VI ZR 229/82 - VersR 1984, 440 und vom 25. September 1990 - VI ZR 19/90 - aaO; vgl. auch VGS BGHZ 14, 232, 234 und 238 = BGHSt 7, 118, 120 f. und 126; BGHSt 33, 61, 65; OLG Koblenz VersR 1990, 1021 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 20. März 1990 - VI ZR 204/89). Indem der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der ihm wegen einschlägiger Unfälle bekannten Stelle um - wovon insoweit zu seinen Gunsten auszugehen ist - 20 km/h überschritt, durfte er sich auf ein regelgerechtes Verkehrsverhalten des Beklagten nicht mehr verlassen.
c) Im Ergebnis mit Recht geht das Berufungsgericht ferner davon aus, daß der Kläger den Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte vermeiden können. aa) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei ohne konkrete Feststellungen hinsichtlich der angenommenen Abbiegegeschwindigkeit des Beklagten verfahrensfehlerhaft von einem rechnerischen Mittelwert von 18 km/h ausgegangen, hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat diese Geschwindigkeit nicht lediglich unterstellt, sondern hat sich aufgrund der Angaben des Sachverständigen in Verbindung mit den sonstigen Umständen des vorliegen-
den Falles in tatrichterlicher Würdigung verfahrensfehlerfrei eine entsprechende Überzeugung gebildet, indem es darauf hinweist, daß es weder gegenteiligen Vortrag der Parteien, noch Spuren auf der Fahrbahn noch sonstige Anhaltspunkte für eine andere als die vom Sachverständigen angenommene mittlere Abbiegegeschwindigkeit gebe, etwa infolge eines Bremsvorgangs. bb) Darüber hinaus käme dem Kläger vorliegend entgegen der Annahme des Berufungsgerichts im Rahmen der Vermeidbarkeitsprüfung keine Zeit für eine Verringerung der Geschwindigkeit auf 100 km/h bei Beginn der kritischen Verkehrslage zugute. Anders als bei der Verletzung einer situationsbedingten Beschränkung der zulässigen Geschwindigkeit, etwa nach § 3 Abs. 2 a StVO, bei der erst das Vorliegen bestimmter Umstände eine Verminderung der Geschwindigkeit unter das bis dahin zulässige Maß gebietet (vgl. Senatsurteil vom 23. April 2002 - VI ZR 180/01 - VersR 2002, 911, 912 m.w.N.) und dem verkehrsgerecht Fahrenden deshalb bei Eintritt der kritischen Verkehrslage eine Reaktions- und Bremszeit zuzubilligen ist, ist der Verkehrsteilnehmer, der die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, ständig gehalten, seine Geschwindigkeit auf das zulässige Maß zu reduzieren. Deswegen besteht für diesen das rechtmäßige Alternativverhalten, welches (fiktiv) der Kausalitätsprüfung zugrunde zu legen ist, nicht in einem sofortigen Abbremsen auf die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, sondern in der Einhaltung dieser Geschwindigkeit bereits bei Beginn der kritischen Verkehrslage (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74 - aaO; BGHSt 33, 61, 63 f.). Diese Betrachtungsweise ist auch deshalb geboten, weil ansonsten die haftungsrechtliche Zurechnung eines Schadens zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung desto eher entfiele, je stärker die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde. Hiernach folgt aus den Feststellungen des Berufungsgerichts für den vorliegenden Fall, daß der Kläger den Unfall erst recht hätte vermeiden können,
wenn er bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrslage nicht schneller als 100 km/h gefahren wäre. 3. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die vom Berufungsgericht vorgenommene Haftungsverteilung.
a) Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1373 und vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - VersR 2002, 613, 615 f.; jeweils m.w.N.; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - X ZR 139/96 - NJW 2000, 217, 219 m.w.N. und vom 14. September 1999 - X ZR 89/97 - NJW 2000, 280, 281 f.). In erster Linie ist hierbei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - VersR 1998, 474, 475 m.w.N.). Die Abwägung kann nicht schematisch erfolgen. Sie ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht nicht verkannt.
b) Die Revision rügt insoweit erfolglos, das Berufungsgericht habe das Verhalten des Beklagten zu Unrecht nicht als grob fahrlässig gewertet. Die tatrichterliche Beurteilung, ob dem Schädiger der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision ebenfalls nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände
außer Betracht gelassen hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - VersR 2001, 985; BGHZ 145, 337, 340 jeweils m.w.N.). Daß das Berufungsgericht nach den getroffenen Feststellungen ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten verneint hat, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Zwar beging der Beklagte einen objektiv schweren Verkehrsverstoß, indem er abbog und dadurch das Vorrecht des Klägers verletzte, was bei verkehrsgerechtem Verhalten des Klägers angesichts des Schutzcharakters des § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO zugunsten des Gegenverkehrs ein starkes Anzeichen für ein schweres Verschulden ergeben hätte. Jedoch begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne die Verkehrslage diesbezüglich lediglich fahrlässig falsch eingeschätzt haben, nach den getroffenen Feststellungen keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit konnte das Berufungsgericht im Rahmen der vom Sachverständigen im Bereich zwischen 120 bis 150 km/h angegebenen Geschwindigkeit des Klägers zugunsten des Beklagten ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h fuhr, als der Beklagte seinen Abbiegevorgang einleitete. Denn die Tatsachen, aus denen sich eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten ergeben könnte, stehen zur Beweislast des Klägers. Eine Fehleinschätzung des Wartepflichtigen hat das Berufungsgericht angesichts einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht für ausgeschlossen erachten müssen.

III.

Nach alledem muß der Revision der Erfolg versagt bleiben. Das Berufungsurteil ist lediglich nach § 319 Abs. 1 ZPO von Amts wegen durch den Senat (BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 - IV ZR 155/90 - NJW-RR 1991, 1278 m.w.N.) entsprechend den diesbezüglich eindeutigen Entscheidungsgründen dahin zu berichtigen, daß sich der Feststellungsausspruch nur auf zukünftige materielle und immaterielle Schäden des Klägers bezieht und die Klage im übrigen abgewiesen wird.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 170/04 Verkündet am:
8. März 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________

a) Der auf Verletzung einer Aufklärungs- oder Beratungspflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens
beruhende Schadensersatzanspruch entsteht bereits
mit dem Erwerb der pflichtwidrig empfohlenen Wertpapiere.

b) Die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG gilt auch für deliktische Schadensersatzansprüche
, die auf einer fahrlässig begangenen Informationspflichtverletzung
beruhen. Für Ansprüche aus vorsätzlich falscher Anlageberatung verbleibt es bei
der deliktischen Regelverjährung.

c) Die zur Berufshaftung von Rechtsanwälten entwickelten Grundsätze der Sekundärverjährung
sind auf die Haftung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen
aus fehlerhafter Anlageberatung nicht übertragbar.
BGH, Urteil vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 11. März 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus abgetretene m Recht auf Schadensersatz wegen eines angeblichen Beratungsverschuldens bei Wertpapiergeschäften in Anspruch.
Die Zedentin erwarb am 8. Februar 2000 nach einer Beratung durch einen Angestellten der Beklagten Anteile an den Investmentfonds "D. -T. ", "D. -E. " und "B. W. ". Die Kurswerte der Fondsanteile sanken ab End e 2000 erheblich, was die Zedentin zum Anlaß nahm, der Beklagten mit Schreiben vom 30. Januar 2001 ein grobes Beratungsverschulden vorzuwerfen.
Mit seiner am 28. Februar 2003 bei Gericht eingega ngenen und auf eine Beratungspflichtverletzung gestützten Klage hat der Kläger zunächst Schadensersatz in Höhe der bis zum 31. Dezember 2002 eingetretenen , von ihm auf 24.771,52 € bezifferten Verluste nebst Zinsen verlangt. Im Berufungsverfahren hat er in erster Linie Schadensersatz in Höhe des Anlagebetrages von 49.266,59 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Wertpapiere begehrt. Seinen ursprünglichen Antrag hat er hilfsweise aufrecht erhalten. Der Kläger behauptet, daß die Zedentin in dem Beratungsgespräch erklärt habe, ausschließlich an einer sicheren und risikolosen Geldanlage interessiert zu sein. Der Angestellte der Beklagten habe auf die Risiken der von ihm empfohlenen Anlage in Investmentfonds, insbesondere die Möglichkeit von Kursverlusten , nicht hingewiesen. Die Beklagte stellt eine fehlerhafte Beratung der Zedentin in Abrede und erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg gebl ieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht (WM 2004, 1872) hat seine Ent scheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe einen Schadensersatzanspruch aus p ositiver Vertragsverletzung gegen die Beklagte sowie einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG schlüssig dargelegt. Nach seinem Vorbringen habe die Beklagte die Zedentin fehlerhaft beraten.
Ein etwa bestehender vertraglicher Anspruch sei je doch verjährt. Der Anspruch verjähre nach § 37 a WpHG in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem er entstanden sei. Diese Voraussetzung sei nicht erst mit dem Eintritt von Kursverlusten, sondern schon mit dem Erwerb der Wertpapiere am 8. Februar 2000 erfüllt gewesen, da die Zedentin die risikoreichen Wertpapiere bei sachgerechter Beratung nicht erworben hätte. Bei Eingang der Klage am 28. Februar 2003 sei die Verjährungsfrist daher abgelaufen gewesen.
Ein - noch nicht verjährter - Schadensersatzanspru ch des Klägers ergebe sich auch nicht daraus, daß die Beklagte es nach dem 8. Februar 2000 unterlassen habe, die Zedentin auf die ungünstige Kursentwicklung der Fondsanteile hinzuweisen. Mangels Vorliegens eines Vermögensverwaltungsvertrages habe eine solche Hinweispflicht der Beklagten nicht bestanden.
Die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG erfasse auch die nach dem Klägervortrag bestehenden, mit dem Anspruch aus dem Beratungsvertrag konkurrierenden deliktischen Ansprüche wegen fahrlässiger fehlerhafter Beratung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Bei Zusammentreffen von Ansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung unterliege zwar jeder Anspruch grundsätzlich seiner eigenen Verjährungsfrist. Etwas anderes gelte aber dann, wenn das Ausweichen des Geschädigten auf einen aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Anspruch den Zweck der kurz bemessenen vertraglichen Verjährungsfrist vereiteln oder die gesetzliche Regelung aushöhlen würde. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Die Pflichten aus einem Beratungsvertrag und nach dem Wertpapierhandelsgesetz seien gleich und schützten dasselbe Interesse, nämlich eine anlegergerechte Beratung. Der Gesetzgeber habe die gemäß § 195 a.F. für Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung und Verschulden bei Vertragsschluß geltende dreißigjährige Verjährungsfrist abkürzen wollen, die er als international unüblich und als Hemmnis bei der Beratung von Aktienanlegern wegen des unüberschaubar langen Zeitraums einer möglichen Haftung angesehen habe. Ansprüche aus unerlaubter Handlung verjährten zwar gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F., §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F. ebenfalls in drei Jahren. Der Verjährungsbeginn hänge aber von subjektiven, für die Bank nicht kalkulierbaren Voraussetzungen ab. Insbesondere könne die Kenntnis des Geschädigten vom Schaden erst Jahre nach der Beratung eintreten.
Ein vorsätzliches Handeln des Angestellten der Bek lagten, das nicht unter die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG falle, habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt.

Schließlich stehe dem Kläger auch ein Sekundäransp ruch, der entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 51 b BRAO, 68 StBerG darauf gerichtet sei, daß die Beklagte sich hinsichtlich des Primäranspruchs nicht auf Verjährung berufen könne, nicht zu, weil die zur Sekundärverjährung entwickelten Grundsätze auf § 37 a WpHG nicht anwendbar seien.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend zu dem Erge bnis gelangt, daß ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung der Zedentin gemäß § 37 a WpHG verjährt ist. Danach verjährt der Anspruch des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.

a) Die Beklagte hat als Wertpapierdienstleistungsu nternehmen (§ 2 Abs. 4 WpHG) im Zusammenhang mit einer Wertpapiernebendienstleistung (§ 2 Abs. 3 a Nr. 3 WpHG) nach dem in der Revisionsinstanz als wahr zu unterstellenden Vortrag des Klägers ihre Beratungspflichten verletzt.


b) Das Berufungsgericht hat, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, mit Recht angenommen, daß ein auf der Beratungspflichtverletzung beruhender Schadensersatzanspruch bereits mit dem Erwerb der Wertpapiere durch die Zedentin am 8. Februar 2000 entstanden ist. Das entspricht der zu § 37 a WpHG in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung (LG Zweibrücken BB 2004, 2373 f.; LG Düsseldorf BKR 2004, 413, 414; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG 3. Aufl. § 37 a Rdn. 7; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 16.568 f.; Schäfer, WpHG § 37 a Rdn. 4; Manfred Wolf EWiR 2005, 91, 92; a.A. LG Hof BKR 2004, 489, 490 f.; Schwark, Kapitalmarktrechts -Kommentar 3. Aufl. § 37 a WpHG Rdn. 4), der der Senat sich anschließt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtsho fs ist der Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, in der Regel bereits durch deren Erwerb geschädigt (BGH, Urteile vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1305 und vom 27. Januar 1994 - IX ZR 195/93, WM 1994, 504, 506). Wer durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages verleitet wird, den er ohne dieses Verhalten nicht geschlossen hätte, kann sogar bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden dadurch erleiden, daß die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2312; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, WM 2004, 1721, 1724, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Diese Rechtsprechung ist auf den zu entscheidenden Fall, daß der Kunde eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens infolge der Verletzung einer Aufklärungspflicht oder fehlerhafter Beratung Wertpapiere erworben hat, die mit den von ihm verfolgten Anlagezielen nicht in Einklang stehen, übertragbar. Der Anleger ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung von diesem Zeitpunkt an nicht lediglich dem - bei spekulativen Wertpapieranlagen erhöhten - Risiko eines Vermögensnachteils ausgesetzt, sondern bereits geschädigt. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Wertpapiere möglicherweise zunächst, solange ein Kursverlust nicht eingetreten ist, ohne Einbuße wieder veräußert bzw. zurückgegeben werden können. Denn bei einer Beratung schuldet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine auf die Anlageziele des Kunden abgestimmte Empfehlung von Produkten (Senat BGHZ 123, 126, 128 f.). Der Erwerb einer diesen Zielen nicht entsprechenden empfohlenen Wertpapierkapitalanlage läßt auch bei objektiver Betrachtung bereits den Vertragsschluß den konkreten Vermögensinteressen des Anlegers nicht angemessen und damit als nachteilig erscheinen.

c) Die Verjährungsfrist von drei Jahren, die demna ch mit Ablauf (§ 187 Abs. 1 BGB) des 8. Februar 2000 begann, wurde durch die Zustellung der am 28. Februar 2003 eingereichten Klage nicht mehr rechtzeitig gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
2. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon au sgegangen, daß der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte wegen eines nach dem Erwerb der Kapitalanlage unterlassenen Hinweises auf eingetretene Kursverluste hat.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Zedentin nach dem 8. Februar 2000 ungefragt auf die nachteilige Wertentwicklung der erworbenen Fondsanteile hinzuweisen. Entgegen der Ansicht der Revision spricht nichts dafür, daß eine Bank außerhalb eines Vermögensverwaltungsvertrages nach beendeter Anlageberatung, die zum Erwerb von Wertpapieren geführt hat, ohne weitere Vergütung verpflichtet ist, die Entwicklung der Wertpapierkurse fortlaufend zu beobachten und den Kunden im Falle einer ungünstigen Entwicklung zu warnen (vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1994, 1256, 1257).
3. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht ang enommen, daß offen bleiben kann, ob § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist (so auch Senatsurteile BGHZ 142, 345, 356 und vom 11. November 2003 - XI ZR 21/03, WM 2004, 24, 26), da ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus einem allein zur Entscheidung stehenden fahrlässigen Verstoß gegen § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG ebenfalls nach § 37 a WpHG verjährt ist.

a) Es entspricht - soweit ersichtlich - der einhel ligen instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur , daß die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG nicht nur für Ansprüche aus vertraglichen und vorvertraglichen Pflichtverletzungen gilt, sondern auch für Ansprüche aus fahrlässigen deliktischen Ansprüchen wegen der Verletzung der Pflichten aus § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG (LG Zweibrücken BB 2004, 2373, 2375; LG Düsseldorf BKR 2004, 413, 414 f.; LG Berlin BKR 2004, 127 (LS.); LG Göttingen EWiR 2005, 91;
Kümpel, aaO Rdn. 16.572; Schwark, aaO § 37 a WpHG Rdn. 5; MünchKomm /Ekkenga, HGB Bd. 5 Effektengeschäft Rdn. 248; Schäfer, WpHG § 37 a Rdn. 7 f.; ders., in: Festschrift für Schimansky S. 699, 712 ff.; Lang, aaO § 20 Rdn. 12 f.; Kritter BKR 2004, 261, 263; a.A. Koller, aaO § 37 a Rdn. 6; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel S. 123 ff.; ders. WM 2001 Sonderbeilage Nr. 1 S. 16; Roller/Hackenberg ZBB 2004, 227, 235 f.; Berg VuR 1999, 335, 337 Fn. 102). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an.
Sowohl nach dem Wortlaut des § 37 a WpHG als auch nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/8933 S. 96) unterfallen dieser Verjährungsvorschrift Informationspflichtverletzungen unabhängig davon, ob sie auf vertraglicher Grundlage beruhen oder gesetzlich - insbesondere durch § 31 Abs. 2 WpHG - angeordnet werden. Entscheidend spricht für diese Auslegung auch der mit der Vorschrift verfolgte Zweck. Der Gesetzgeber wollte mit der Verkürzung der bis dahin geltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren die Haftung von Anlageberatern begrenzen, um die Kapitalbeschaffung für junge und innovative Unternehmen zu erleichtern. Den Anlageberatern sollte eine zuverlässige Einschätzung möglicher Haftungsansprüche ermöglicht werden, um so ihre Bereitschaft zu stärken, den Anlegern vermehrt risikoreiche Kapitalanlagen zu empfehlen (BT-Drucks. 13/8933 S. 59, 96). Da eine vertragliche Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzung stets auch eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG darstellt, würde dieser Gesetzeszweck verfehlt, wenn die kurze Verjährungsfrist des § 37 a WpHG bei deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen wegen fahrlässiger Fehlberatung keine Anwendung fände. Wollte man dies anders sehen, würde sich durch die Rege-
lung des § 37 a WpHG für angestellte Anlageberater, die aus Verschulden bei Vertragsschluß oder bei einem Beratungsverschulden aus positiver Vertragsverletzung persönlich nicht haften, entgegen der erklärten Absicht des Gesetzgebers nichts ändern.

b) Demgegenüber verbleibt es für Schadensersatzans prüche aus vorsätzlichen Beratungspflichtverletzungen bei der Regelverjährung für deliktsrechtliche Ersatzansprüche (BT-Drucks. 13/8933 S. 97). Wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, stehen solche Ansprüche vorliegend jedoch nicht zur Entscheidung.
4. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht in Übere instimmung mit der herrschenden Meinung (LG Zweibrücken BB 2004, 2373, 2374; LG Düsseldorf BKR 2004, 413, 414; Schwark, aaO Rdn. 6; Schäfer, Festschrift für Schimansky S. 699, 712; Kritter BKR 2004, 261, 263 f.; a.A. Koller, aaO § 37 a Rdn. 18; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel S. 121 ff.; ders. WM 2001 Sonderbeilage Nr. 1 S. 15 f.; Roller/Hackenberg ZBB 2004, 227, 229 ff.; dies. VuR 2004, 46, 48 ff.), der sich der Senat anschließt, angenommen, daß die zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Rechtsanwälte entwickelte Sekundärverjährung (RGZ 158, 130, 134 und 136; BGH, Urteil vom 11. Juli 1967 - VI ZR 41/66, VersR 1967, 979, 980) auf die Fälle schuldhafter Anlageberatung durch Wertpapierdienstleister mangels eines vergleichbaren dauerhaften Vertrauensverhältnisses nicht übertragbar ist. Aus der Erwähnung der §§ 51 b BRAO, 68 StBerG und 51 a WPO in der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts anderes, zumal die Sekundärverjährung der Absicht des Gesetzgebers, die Verjährungsfrist im Interesse von
Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihrer Anlageberater erheblich zu verkürzen, zuwider läuft.
Abgesehen davon ist es Aufgabe des Gesetzgebers, a ls zu kurz erachtete Verjährungsfristen aufzuheben, wie er das bei § 51 a WPO mit Gesetz vom 1. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2446, 2451) und bei §§ 51 b BRAO, 68 StBerG mit Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214, 3217) getan hat und in bezug auf § 37 a WpHG in Erwägung zieht (BTDrucks. 15/3653 S. 30 und 32; siehe auch den am 17. November 2004 vom Bundeskabinett zurückgestellten Entwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes - KapInHaG, NZG 2004, 1042, 1044).

III.


Die Revision war daher zurückzuweisen.
Nobbe Müller Wassermann Appl Ellenberger

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). Erhebt der Bürge die Einrede der Vorausklage, ist die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Bürgen gehemmt, bis der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.