Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2006 - XI ZR 405/04

bei uns veröffentlicht am24.01.2006
vorgehend
Landgericht Darmstadt, 20 O 200/02, 15.01.2003
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 12 U 50/03, 18.11.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 405/04 Verkündet am:
24. Januar 2006
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller und Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den
Richter Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen beider Parteien wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Klägerin Die nimmt die beklagte Volksbank aus abgetretenem Recht des P. R. (im Folgenden: Zedent) auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der Nichtgewährung eines Kredits in Anspruch.
2
Zedent Der beabsichtigte 1991, auf einem von ihm erworbenen Grundstück in G. ein Hotel zu errichten. Mit Schreiben vom 19. Juni 1991 teilte ihm die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden : Beklagte) mit, sie sei grundsätzlich bereit, das Bauvorhaben zu finanzieren, die Finanzierung dürfe 70% des Grundstücks- und Baupreises nicht übersteigen, Voraussetzung sei, dass eine schlüssige Kostenaufstellung des Architekten vorgelegt und die Erfolgsaussicht des geplanten Objekts durch ein Gutachten nachgewiesen werde. Der Zedent legte eine Kostenaufstellung seines Architekten über 8.000.000 DM, davon 6.550.000 DM reine Baukosten, zuzüglich 1.300.000 DM Grundstückskosten , insgesamt also 9.300.000 DM, und ein Gutachten des Unternehmensberaters Dr. F. über Investitionskosten von insgesamt 7.500.000 DM, davon 5.850.000 DM Grundstücks- und Baukosten, mit einem Finanzierungsplan vor, der ein Hausbankdarlehen über 4.500.000 DM und Förderkredite der öffentlichen Hand über 600.000 DM vorsah. Die Beklagte gewährte daraufhin Zwischenkredite über 1.280.000 DM und 1.330.000 DM jeweils bis zum 15. Juni 1993.
3
Nach Veräußerung des von ihm betriebenen Altenheims begann der Zedent im Jahre 1992 mit dem Bau des Hotels. Anfallende Rechnungen wurden nach Vorlage bei der Beklagten mit Hilfe der eingeräumten Kredite beglichen. Mit Schreiben vom 14. April 1993 teilte die Beklagte dem Zedenten mit, wegen des inzwischen gestiegenen Preisniveaus und geänderter Baupläne könne sie die überschlägige Investitionssumme nicht akzeptieren, sondern benötige detaillierte Berechnungen der einzelnen Baugewerke und weitere Sicherheiten, bewilligte aber gleichwohl mit Verträgen vom 19. Mai/7. Juni 1993 Kontokorrentkredite über 3.000.000 DM für den Hotelneubau bis zum 30. April 1994 und über 1.000.000 DM für den parallel laufenden Bau eines aufwändigen Einfamilienhauses des Zedenten bis zum 28. Februar 1994.

4
Mitte September 1993 verlangte die Beklagte vor weiteren Kreditzusagen Gespräche darüber, inwieweit der Zedent den Kapitaldienst auch für den Kredit für sein Einfamilienhaus erbringen könne und welche weiteren Sicherheiten gestellt werden könnten. Ende September 1993 teilte sie ihm mit, sie stelle lediglich noch Gelder zur Verfügung, um den Hotelbau winterfest zu machen, lehne eine weitere Kreditierung aber ab. Nachdem der Zedent die Kreditkonten überzogen hatte, kündigte die Beklagte im März 1994 nach vorheriger Androhung sämtliche Kredite und leitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Zur Abwendung der Versteigerung veräußerte der Zedent das Hotelgrundstück auf Drängen der Beklagten für 4.200.000 DM.
5
ihrer Mit Teilklage über 383.557,16 € nebst Zinsen verlangt die Klägerin aus abgetretenem Recht des Zedenten Schadensersatz wegen Verletzung einer Finanzierungszusage und widersprüchlichen Verhaltens durch die Beklagte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 250.000 € zuzüglich Zinsen stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte mit ihrer Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revisionen beider Parteien sind begründet; sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch aus der Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten in Höhe von 250.000 € zu. Die Beklagte sei aufgrund der erklärten grundsätzlichen Bereitschaft, den Hotelneubau unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Obergrenze von 70% des Grundstücks- und Baupreises zu finanzieren, zwar nicht verpflichtet gewesen, dem Zedenten eine bestimmte Darlehenssumme zur Verfügung zu stellen. Sie habe sich aber treuwidrig verhalten, indem sie den Zedenten das Bauvorhaben in dem Glauben habe beginnen und fortsetzen lassen, die Finanzierung sei gesichert, die Weiterfinanzierung dann aber ohne rechtfertigenden Grund verweigert habe. Der Zedent habe der Erklärung der Finanzierungsbereitschaft im Schreiben vom 19. Juni 1991 die Bedeutung einer verbindlichen Finanzierungszusage beigemessen. Der Beklagten sei die irrige Vorstellung des Zedenten bekannt, jedenfalls aber erkennbar gewesen. Da diese geeignet sei, den Vertragszweck zu gefährden und einen vermeidbaren hohen Schaden zu verursachen, habe die Beklagte ihn spätestens bei ihrem Angebot vom 19. Mai 1993, weitere Kreditmittel in Höhe von 4.000.000 DM zur Verfügung zu stellen, darauf hinweisen müssen, dass er das Risiko eingehe, mit einer Bauruine dazustehen, falls sie von ihrem Recht Gebrauch mache, die Verlängerung und Erhöhung der einzelnen Zwischenkredite ohne Grund zu verweigern.

9
DieseschuldhaftePflichtverletz ung sei für einen Schaden des Zedenten mitursächlich geworden. Nach der Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens sei davon auszugehen, dass er vor dem Weiterbau des Hotels eine abgesicherte Finanzierung organisiert oder das Vorhaben frühzeitig abgebrochen hätte. Die Mitursächlichkeit sei nicht durch spätere Ereignisse entfallen.
10
Bei der Entstehung des Schadens sei ein Mitverschulden des Zedenten in Höhe von 50% zu berücksichtigen, weil der Schaden Folge seines vermeidbaren Rechtsirrtums gewesen sei, weil der Zedent zeitlich parallel zum Hotelneubau ein teures Privathaus habe bauen lassen, ohne eine realistische Vorstellung über die Rückführung der dafür benötigten Kredite von über einer Million DM zu haben, und weil er die Vorgaben im Gutachten des Unternehmensberaters Dr. F. nicht vollständig umgesetzt habe. Im Hinblick auf das hälftige Mitverschulden des Zedenten sei dessen zu ersetzender Vertrauensschaden auf 250.000 € zu schätzen. Unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens sei der Zedent so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn ihn die Beklagte vor Gewährung des Zwischenkredits über 3.000.000 DM im Frühjahr 1993 darauf hingewiesen hätte, sie könne aus der Finanzierung jederzeit aussteigen. Dann wären Bauaufträge über 809.172,48 DM nicht vergeben worden.

II.


11
A. Revision der Beklagten
12
Die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus einem Aufklärungsverschulden zu, halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nicht zu beanstanden ist lediglich die nicht angegriffene Ansicht des Berufungsgerichts, das Schreiben der Beklagten vom 19. Juni 1991 enthalte keine verbindliche Finanzierungszusage.
13
Die 1. Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Zedenten spätestens im Mai 1993 darauf hinzuweisen, dass er das Risiko eingehe, mit einer Bauruine dazustehen, wenn sie von ihrem Recht Gebrauch mache, die Verlängerung und Erhöhung der einzelnen Zwischenkredite ohne Grund zu verweigern, und dadurch einen Schaden von rund 500.000 € verursacht, ist aus mehreren Gründen rechtsfehlerhaft.
14
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Aufklärungs- und Warnpflicht der kreditgebenden Bank nur ausnahmsweise gegeben, nämlich dann, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers besteht und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist. Das ist etwa der Fall, wenn die Bank einen konkreten Wissensvorsprung in Bezug auf ein spezielles Risiko, an dem das zu finanzierende Vorhaben scheitern kann, vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann. Nur in diesem Rahmen ist die Bank auch bei (rechtlich) fehlerhaften Vorstel- lungen oder Erwartungen des Darlehensnehmers zu einem aufklärenden Hinweis verpflichtet (vgl. BGH, Urteile vom 17. Mai 1979 - III ZR 118/77, WM 1979, 1035, 1037, vom 18. April 2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1246, vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00, WM 1991, 1775, 1777 und vom 1. Juli 1999 - IX ZR 161/99, WM 1999, 1614, 1615; OLG Düsseldorf WM 1977, 428, 432; Siol, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch 2. Aufl. § 43 Rdn. 26). Eine für die Beklagte erkennbare Fehlvorstellung des Zedenten über die Bedeutung des Schreibens vom 19. Juni 1991 hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
15
Das aa) Berufungsgericht hat schon nicht, wie erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02, NJW-RR 2004, 425 f. und vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, NJW-RR 2005, 897, 898), nachvollziehbar dargelegt, auf welchen Tatsachen seine formelhafte Begründung beruht, es sei davon überzeugt, dass der Zedent dem Schreiben vom 19. Juni 1991 die Bedeutung einer verbindlichen Finanzierungszusage beigemessen habe. Die Beklagte rügt gemäß § 286 ZPO zu Recht, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausgeschöpft und nicht widerspruchsfrei gewürdigt.
16
Nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Berufungsgerichts ist dem Schreiben vom 19. Juni 1991 schon seinem Wortlaut nach "deutlich" zu entnehmen, dass die Beklagte noch keine abschließende Kreditentscheidung getroffen habe, sondern lediglich die Bereitschaft bestehe, unter bestimmten Voraussetzungen Darlehensverträge bis zu einer Obergrenze von 70% der Grundstücks- und Baukosten abzuschließen. Auch der Zedent hatte nach seinem eigenen, vom Berufungsgericht berücksichtigten Bekunden in "jenem frühen Stadium kein Interesse" an einer festen Bindung. Dass der Zedent, ein geschäftlich erfahrener und - vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen - mit Kreditgeschäften vertrauter Darlehensnehmer, trotz der Befristung der Zwischenkredite über 1.280.000 DM und 1.330.000 DM die irrige Vorstellung gehabt haben soll, ihm stehe nach Vorlage "des Gutachtens der Unternehmensberatung Dr. F. 70% der Gesamtbausumme (von 5.000.000 DM + Grundstück 1.300.000 DM) als Baukredit sicher zur Verfügung", ist nicht nachvollziehbar. Das gilt besonders, da der Unternehmensberater Dr. F. keineswegs von Grundstücks- und Baukosten in Höhe von 6.300.000 DM, sondern von nur 5.850.000 DM ausgegangen ist. Dass der Zedent mit dem Hotelneubau begonnen hat, lässt nicht den Schluss zu, er sei sich der Ungewissheiten der Finanzierung nicht bewusst gewesen. Auch den Bau seines Privathauses mit einer Bausumme von über einer Million DM hat er ohne gesicherte Finanzierung und ohne klares Konzept für die Erbringung der Zins- und Tilgungsleistungen in Angriff genommen.
17
bb) Rechtsfehlerhaft ist auch die Ansicht des Berufungsgericht, der Beklagten sei die angebliche Fehlvorstellung des Zedenten über eine verbindliche Finanzierungszusage bekannt, jedenfalls aber erkennbar gewesen. Für eine positive Kenntnis des angeblichen Rechtsirrtums des Zedenten fehlt nicht nur jede Begründung, sondern auch Vorbringen der Klägerin und erst recht ein Beweisantritt. Der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, dass dem damaligen Vorstandsmitglied der Beklagten H. Beginn und Fortschritt des Hotelneubaus bekannt waren, ist für die Erkennbarkeit einer angeblichen Fehlvorstellung des Zedenten, das Schreiben der Beklagten vom 19. Juni 1991 enthalte eine verbindliche Finanzierungszusage der Beklagten, ersichtlich bedeutungslos.

18
cc) Nicht nachvollziehbar ist, wie die Klägerin zu Recht rügt, weiter , warum das Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten, die angebliche Fehlvorstellung des Zedenten über die Verbindlichkeit der gemachten Zusage durch einen aufklärenden Hinweis zu beseitigen, erst im Mai 1993, d.h. etwa ein Jahr nach Baubeginn, und nicht bereits mit diesem angenommen hat, obwohl die Erkennbarkeit der angeblichen Fehlvorstellung des Zedenten aus dem der Beklagten bekannten Baubeginn folgen soll.
19
b) Rechtsfehlerhaft ist, wie die Beklagte zu Recht rügt, weiter die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Kausalität der angeblichen Aufklärungspflichtverletzung für den von ihm auf 500.000 € geschätzten Schaden des Zedenten bejaht hat. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, auf die das Berufungsgericht meint sich stützen zu können, greift nur ein, wenn es für den aufzuklärenden Partner vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt, die vollständige und richtige Aufklärung also keinen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte (Senatsurteile BGHZ 124, 151, 161; 151, 5, 12; vom 10. Mai 1994 - XI ZR 115/93, WM 1994, 1466, 1467, vom 11. März 1997 - XI ZR 92/96, WM 1997, 811, 813 und vom 9. Juni 1998 - XI ZR 220/97, WM 1998, 1527, 1529) oder wenn vernünftigerweise mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen, deren Wahrnehmung jeweils geeignet wäre, den entstandenen Schaden zu vermeiden (Senatsurteil BGHZ 151, 5, 12).
20
Davon kann hier keine Rede sein. Hätte die Beklagte den Zedenten , wie vom Berufungsgericht für notwendig erachtet, spätestens am 19. Mai 1993 auf das Risiko der Fortführung des Hotelneubaus trotz Feh- lens einer verbindlich zugesagten Finanzierung hingewiesen, hätte der Zedent vor einem Entscheidungskonflikt gestanden. Er hätte das Bauvorhaben abbrechen oder erst nach Sicherung der Gesamtfinanzierung durch ein anderes Kreditinstitut fortführen können. Eine andere, angesichts seines bisherigen Verhaltens näher liegende Handlungsalternative bestand darin, den schon recht weit fortgeschrittenen Hotelneubau im Vertrauen darauf fortzusetzen, die Beklagte werde wie bisher trotz fehlender Verpflichtung weitere Zwischenkredite bis zur Fertigstellung des Objekts gewähren.
21
Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greift hier danach nicht ein. Die beweisbelastete Klägerin ist deshalb gehalten, den Ursachenzusammenhang zwischen der angeblichen Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten und dem Schaden des Zedenten zu beweisen. Ein Beweisantritt der Klägerin liegt nicht vor. Dies geht zu ihren Lasten.
22
c) Rechtsfehlerhaft ist weiter die Bemessung des Schadens des Zedenten auf rund 500.000 €. Das Berufungsgericht hat, wie die Beklagte zu Recht rügt, unberücksichtigt gelassen, dass der Hotelneubau durch die nach dem 14. April 1993 in Auftrag gegebenen Arbeiten mit einem Volumen von 809.172,48 DM eine Wertsteigerung erfahren hat, ohne die der Verkaufserlös von 4.200.000 DM möglicherweise nicht erzielt worden wäre. Außerdem berücksichtigt das Berufungsgericht, wie die Klägerin zu Recht rügt, unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO insoweit 20% aufgelaufene Zinsen, die die Klägerin nicht beansprucht hat.
23
2. Die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz des dem Zedenten entstandenen Vertrauensschadens in Höhe von 250.000 € stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
24
a) Die Klägerin hat ihre Klage auch auf die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung gestützt, das damalige Vorstandsmitglied der Beklagten H. habe mündlich die später nicht eingehaltene verbindliche Zusage erteilt, die Beklagte werde das gesamte Bauvorhaben mit 70% finanzieren. Dieses Vorbringen ist zwar geeignet, einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zu begründen. Feststellungen des Berufungsgerichts dazu fehlen aber.
25
b) Die Klägerin hat außerdem geltend gemacht, die Beklagte habe durch ihr Schreiben vom 19. Juni 1991 und ihr nachfolgendes Verhalten beim Zedenten in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt, sie werde die für das Bauvorhaben erforderlichen Darlehen bis zur Höhe von 70% der Grundstücks- und Baukosten bewilligen, die Verhandlungen über die als bloße Formsache bezeichnete weitere Finanzierung des Hotelneubaus im September 1993 aber grundlos abgebrochen. Insoweit kommt ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen auf Ersatz des Vertrauensschadens, d.h. aller Aufwendungen in Betracht, die der Zedent im Vertrauen auf das Zustandekommen der Finanzierung des Hotelneubaus gemacht hat (vgl. BGHZ 71, 386, 395; 76, 343, 349; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1983 - III ZR 32/83, WM 1984, 205; BGH, Urteile vom 10. Januar 1996 - VIII ZR 327/94, WM 1996, 738, 740 und vom 29. März 1996 - V ZR 332/94, WM 1996, 1728, 1729).
26
Auch mit diesem Vorbringen hat sich das Berufungsgericht nicht ausreichend befasst. Es fehlen rechtsfehlerfreie Feststellungen dazu, ob und ab wann genau der Zedent annehmen durfte, der Abschluss weiterer zur Fertigstellung des Hotelneubaus erforderlicher Kreditverträge bis zur Höhe von 70% der Grundstücks- und Baukosten sei eine bloße Formsache. Insoweit sind insbesondere die Erklärungen des damaligen Vorstandsmitglieds der Beklagten H. und die Bewilligung von drei Zwischenkrediten über 1.280.000 DM, 1.330.000 DM und 3.000.000 DM durch die Beklagte zu berücksichtigen. Auch die Frage, ob die Beklagte im September 1993 einen triftigen Grund - an einen solchen dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, Urteil vom 10. Januar 1996 - VIII ZR 327/94, WM 1996, 738, 740) - hatte, den Abschluss eines weiteren Kreditvertrages abzulehnen, hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei geklärt. So hat es etwa übergangen, dass der Unternehmensberater Dr. F. in seinem nach dem 14. April 1993 vorgelegten Gutachten die Gesamtinvestitionskosten nicht mehr mit 7.500.000 DM, sondern mit 8.750.000 DM und die Finanzierung durch die Beklagte nicht mehr mit 4.500.000 DM, sondern mit 5.750.000 DM angesetzt hat. Ferner hat es in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt , dass der Zedent davon abgesehen hat, die in beiden Gutachten des Unternehmensberaters Dr. F. vorgesehenen Förderdarlehen der öffentlichen Hand über insgesamt 600.000 DM zu beantragen. Dass die Finanzierung der Investitionskosten des Hotels von insgesamt 8.750.000 DM und die Erbringung der erforderlichen Zins- und Tilgungsleistungen durch den Zedenten gleichwohl gesichert war, als die Beklagte im September 1993 weitere Kredite verweigerte, ist ungeklärt.
27
B. Revision der Klägerin
28
Auch die Revision der Klägerin ist begründet. Da ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus einem Aufklärungsverschulden der Beklagten , wie dargelegt, nicht besteht, weil eine Fehlvorstellung des Zedenten über die rechtliche Bedeutung des Schreibens vom 19. Juni 1991 nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist, ist den Ausführungen des Berufungsgerichts, der Rechtsirrtum des Zedenten sei vermeidbar gewesen und begründe ein Mitverschulden, sowie seinen Erwägungen über die beiderseitigen Mitverschuldensanteile die Grundlage entzogen.

III.


29
die Auf Revisionen beider Parteien war das angefochtene Urteil daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endent- scheidung reif ist, war sie an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Nobbe Müller Joeres
Mayen Ellenberger

Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 15.01.2003 - 20 O 200/02 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 18.11.2004 - 12 U 50/03 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2006 - XI ZR 405/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2006 - XI ZR 405/04

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh
Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2006 - XI ZR 405/04 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

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Landgericht Mannheim Urteil, 20. März 2009 - 1 S 174/08

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Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert: (1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 360/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Bürk,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur arglistigen Täuschung durch stillschweigendes Verhalten und durch
Unterlassen bei Abschluß eines Bürgschaftsvertrages.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - OLG Jena
LG Erfurt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 27. April 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Agentur B., deren Inhaberin A. B. war, vermittelte für die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, den Abschluß von Versicherungsverträgen. Der Beklagte war für die Agentur tätig; ob er Abschlußvertreter war oder nur Büroarbeiten verrichtete, ist zwischen den Parteien streitig. Ende 1994/Anfang 1995 meinte die Klägerin festgestellt zu haben, daß die Prämien für abgeschlossene Lebensversicherungen nicht aus eigenen Mitteln der Versicherungsnehmer , sondern aus den bevorschußten Abschlußprovisionen aufge-
bracht worden seien. Sie stornierte sämtliche von der Agentur vermittelten Verträge und forderte die vorschußweise gezahlten Provisionen zurück. Am 26. Januar 1995 gaben A. B. und ihr geschiedener Ehemann R. B. der Klägerin gegenüber jeweils ein "abstraktes Schuldanerkenntnis" über 642.240,89 DM ab. Außerdem verlangte die Klägerin Mitverpflichtungserklärungen der Mitarbeiter der Agentur. Am 1. Februar 1995 gab der Beklagte - ebenso wie zahlreiche andere Mitarbeiter der Agentur - eine Erklärung ab, mit der er sich für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen A. B.s aus ihrer "Tätigkeit oder aus sonstigem Rechtsgrund" gegenüber allen namentlich aufgeführten Gesellschaften , die damals zur "Versicherungsgruppe" der Klägerin gehörten, bis zu einem Höchstbetrag, der im Falle des Beklagten 98.323 DM betrug, selbstschuldnerisch und mit der Maßgabe verbürgte, daß er "auf erste schriftliche Anforderung" zu zahlen habe. Mit Schreiben vom 15. März 1995 focht der Beklagte die Bürgschaftserklärung mit der Begründung an, sie sei durch Täuschung und Drohung zustande gekommen.
Die Klägerin verlangt mit der Behauptung, die von der Agentur B. vermittelten Verträge seien nur zum Schein abgeschlossen worden und der Beklagte sei an der "Provisionsbeschaffung" beteiligt gewesen, von ihm die Zahlung der Bürgschaftssumme. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten sei wirksam zustande gekommen.
1. Die Revision meint, der Bürgschaftsvertrag sei wegen Verstoßes gegen die §§ 3 und 9 AGBG insgesamt unwirksam. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Fragen nicht befaßt. Die Revisionsangriffe sind auf der Grundlage des vorgetragenen und festgestellten Sachverhalts nicht begründet.
Eine formularmäßige Erstreckung der Haftung des Bürgen auf alle bestehenden und künftigen Forderungen des Gläubigers - und, wie hier, noch dazu weiterer mit diesem verbundener Gesellschaften - ist zwar nach § 3 AGBG unwirksam, wenn die Bürgschaft lediglich im Hinblick auf eine bestimmte Verbindlichkeit übernommen worden ist; der Bürge braucht mit einer solchen Ausweitung seiner Verpflichtung nicht zu rechnen, wenn sie sich nicht aus dem Gang der zur Abgabe der Bürgschaftserklärung führenden Verhandlungen ergibt (BGHZ 130, 19, 24 f.). Ebenso verstößt eine weite, über den Anlaß der Verbürgung hinausgehende Zweckerklärung grundsätzlich gegen § 9 AGBG; das gilt, selbst bei einer Höchstbetragsbürgschaft, nicht nur für die Haftungserstreckung auf künftige, sondern auch auf bereits bestehende Ver-
bindlichkeiten (BGHZ 143, 95, 98 ff.). Die Unwirksamkeit der formularmäßigen globalen Zweckerklärung ändert indessen nichts daran, daß der Bürge für die Verbindlichkeit einzustehen hat, die Anlaß der Bürgschaftsübernahme war (BGHZ 143, 95, 102).
Die Revision, die das nicht verkennt, meint, an einem Anlaß für die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten fehle es insgesamt, weil er nach seiner Behauptung - mangels einer Tätigkeit als Versicherungsvertreter - keine noch nicht durch Prämienzahlungen "verdienten" Provisionen erhalten habe. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Anlaß für die Verbürgung waren die vermeintlichen, von der Klägerin auf mehr als 640.000 DM bezifferten Provisionsrückzahlungsansprüche ; das war dem Beklagten bekannt. Die interne Aufteilung dieser Summe auf die einzelnen Mitarbeiter der Agentur - der Zeuge B. will, wie er ausgesagt hat, "die Zahlen willkürlich gegriffen" haben - hat mit der Frage, was Anlaß der Bürgschaft war, nichts zu tun. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erfaßte deshalb im Rahmen des festgesetzten Höchstbetrags eine etwaige Rückzahlungsverbindlichkeit A. B.s gegenüber der Klägerin unabhängig davon, was der Beklagte selbst davon erhalten hatte.
2. Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrags im Sinne des § 138 BGB verneint hat. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , wonach ein Bürgschaftsvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Vermögensverhältnisse übersteigt, und durch weitere , dem Gläubiger zurechenbare Umstände - insbesondere durch Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit - zusätzlich so erheblich belastet wird,
daß ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird (Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516 m.w.N.). Der Beklagte hat indessen schon keine Einzelheiten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme vorgetragen. Für die Klägerin bestand kein Anlaß, sich danach zu erkundigen; denn der Beklagte war aus ihrer Sicht einer von vielen Mitarbeitern, der von den Provisionsvorschüssen in dem intern festgelegten Umfang profitiert und deshalb am Fortbestand der Agentur ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte.

II.


Die Revision ist begründet, soweit sie die Ausführungen angreift, mit denen das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten, die ihm abverlangte Bürgschaftserklärung habe auf einer Täuschung beruht, als nicht bewiesen angesehen hat.
1. Das Berufungsgericht hat sich nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten und von ihm selbst wiederholten Beweisaufnahme nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Beklagte durch die Mitarbeiter der Klägerin arglistig getäuscht worden sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht sowohl in verfahrens- als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht auf Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß der Beklagte gewußt habe, welche "Folgen" die Bürgschaft für ihn habe und welchem Zweck (nämlich "den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Agentur zu garantieren")
sie diene. Darum ging es aber bei der Frage, ob der Beklagte arglistig getäuscht worden ist, jedenfalls nicht in erster Linie. Der Beklagte hat behauptet - von dieser Darstellung ist mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich auszugehen -, er hätte die Bürgschaftserklärung nicht abgegeben, wenn er gewußt hätte, daß, wie es später geschehen sei, die Klägerin der Agentur B. keine weiteren Vermittlungsaufträge mehr erteilen und die Auszahlung der noch ausstehenden Provisionen für schon abgeschlossene Versicherungsverträge von einer Untersuchung der Geschäftspraxis der Agentur abhängig machen werde. Schon die Inhaberin habe das Schuldanerkenntnis vom 26. Januar 1995 nur im Hinblick darauf unterschrieben, daß die Klägerin ihr unter dieser Voraussetzung die Auszahlung der weiteren Provisionen in Aussicht gestellt habe.
Nach den protokollierten Aussagen der Zeugen R. und R. B. hatte letzterer den Mitarbeitern gesagt, das Geld - in Form eines Schecks über rund 180.000 DM - werde ausgezahlt, sobald die Bürgschaftserklärungen unterschrieben seien. Die sich darauf gründende Erwartung war - wiederum nach den Zeugenaussagen - den beiden Angestellten der Klägerin, W. und K., die die Abgabe der Bürgschaftserklärungen herbeiführten, bekannt. W. hat als Zeuge erklärt, R. B. habe bei der am 1. Februar 1995 mit den Mitarbeitern der Agentur veranstalteten Zusammenkunft, bei der er und sein Kollege K. anwesend waren, gesagt, die Besicherung der Provisionen sei wichtig, um den Fortbestand der Firma zu garantieren; möglicherweise, so hat sich der Zeuge ausgedrückt , habe der Eindruck bestanden, "daß die künftigen Provisionen fließen würden". Nach der Aussage K.s "motivierte" R. B. die Mitarbeiter, "die Bürgschaften zu unterschreiben, damit endlich Geld fließe". Er selbst habe das nicht gesagt. Er hat aber hinzugefügt: "Wir haben die Aussage des Herrn B. ...
nicht korrigiert". Ein weiterer Mitarbeiter der Agentur, der bereits erwähnte Zeuge R., hat bekundet, bei einer kurz zuvor abgehaltenen ersten Versammlung habe einer der beiden Vertreter der Klägerin mehrmals einen Scheck aus der Jackentasche gezogen und "ansatzweise gezeigt". W. und K. haben bei ihren erstinstanzlichen Aussagen die Taktik geschildert, mit der sie - in Absprache mit A. und R. B. - in der entscheidenden Versammlung am 1. Februar 1995 vorgegangen seien: Die Verhandlung sei in zwei getrennte Tagesordnungspunkte aufgegliedert worden; zunächst sei nur über die Gewährung von Sicherheiten durch die anwesenden Mitarbeiter gesprochen worden; erst, nachdem die Bürgschaftserklärungen unterschrieben gewesen seien, sei "die Frage, wie die Geschäfte betrieben werden", erörtert worden; "wir wollten eine Sache nach der anderen abhandeln". Im Protokoll über die erstinstanzliche Aussage K.s heißt es wörtlich: "Die Bürgschaft wurde zuerst abgefordert, da ich unterstelle, daß wir nach der Erörterung der Probleme über die Ordnungsgemäßheit der Versicherungsverträge die Bürgschaften nicht bekommen hätten". Tatsächlich kam es bei der Erörterung des zweiten Tagesordnungspunkts zu einem von allen Zeugen geschilderten Tumult, bei dem den Versicherungsvertretern die Aktentasche mit den soeben unterschriebenen Bürgschaften für kurze Zeit entrissen wurde und sie sich nur durch gewaltsame Flucht retten konnten, wobei nach der Schilderung, die der in einem anderen Prozeß verklagte Mitarbeiter G. dort bei seiner persönlichen Anhörung gegeben hat, "der eine ... dann noch eine Tür eingetreten" hat.

b) Das Berufungsgericht hat sich mit diesen für die Frage einer arglistigen Täuschung ausschlaggebenden Einzelheiten der Zeugenaussagen nicht befaßt. Diese vermitteln insgesamt den Eindruck, daß die Angestellten der
Klägerin dem Beklagten und den anderen Mitarbeitern der Agentur zwar nicht selbst gesagt haben, nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen gebe es Geld, daß sie aber deren für sie erkennbare Erwartung nicht richtig gestellt, sondern stillschweigend ausgenutzt haben. Für die beiden Vertreter der Klägerin scheint danach klar gewesen zu sein, daß die Mitarbeiter der Agentur die Bürgschaften zur Absicherung der Ansprüche der Klägerin nicht übernommen hätten, wenn sie ernstlich damit hätten rechnen müssen, daß die Agentur ihre Tätigkeit für die Klägerin so oder so einstellen mußte.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die den Vertretern der Klägerin bekannte , auf Ä ußerungen R. B.s beruhende Erwartung, "daß die künftigen Provisionen fließen würden", begründe für sich allein keine Täuschung, weil "derartiges von den Mitarbeitern der Klägerin ... zu keiner Zeit geäußert worden" sei. Darin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler. Dabei spielt es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keine Rolle, unter welchen Voraussetzungen die Täuschung durch einen Dritten dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist und ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind; denn die Vertreter der Klägerin haben nach dem für die Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt den Beklagten (und die übrigen Bürgen) durch eigenes Verhalten getäuscht. In ihrem Schweigen zu der ihnen bekannten Erwartung lag unter den hier gegebenen Umständen eine Täuschung durch konkludentes Verhalten. Sie hatten, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, jene Erwartung auf dem Umweg über die (geschiedenen) Eheleute B. selbst geweckt. Das ist der Aussage der Zeugin A. B. zu entnehmen, die danach ausgesagt hat: "Wir haben uns 'verarscht' gefühlt". Vor diesem Hintergrund war die Taktik, die Erörterungen am 1. Februar 1995 in zwei Teile aufzuspalten und erst nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen zu offenbaren, daß man vor weiteren Provisionszahlungen
zunächst die Geschäftspraktiken der Agentur weiter untersuchen wolle, ein Vorgehen, durch das den Adressaten stillschweigend ein unzutreffender Sachverhalt vorgespiegelt wurde. In Wirklichkeit gingen die Vertreter der Klägerin offenbar bereits damals davon aus, daß es sich um ein unzulässiges "Schneeballsystem" handle.
Jedenfalls hätten die Vertreter der Klägerin auf der Grundlage des Geschehens , das der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen ist, nicht einfach schweigen dürfen. Eine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entscheidung von Bedeutung sein können, besteht zwar nicht allgemein (BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 142/82, ZIP 1983, 1073, 1075; vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1047), wohl aber dann, wenn er eine solche Mitteilung aufgrund der konkreten Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (BGH, Urteil vom 2. März 1979 - V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; vom 13. Dezember 1990 - III ZR 333/89, WM 1991, 604, 606). Das war hier entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Fall. R. B. gab die auf den eigenen Ä ußerungen der Vertreter der Klägerin beruhende Erwartung, es werde "Geld fließen", nicht nur mit ihrem Wissen , sondern sogar in ihrer Gegenwart an die Mitarbeiter der Agentur weiter. Die Vertreter der Klägerin durften unter diesen Umständen nicht schweigen, sondern waren verpflichtet, die Mitarbeiter, für die bei Übernahme der Bürgschaften jene Erwartung offensichtlich von entscheidender Bedeutung war, darüber aufzuklären, daß sie bei der Abgabe der Bürgschaftserklärungen von einer falschen Voraussetzung ausgingen.
2. Da somit für die Revisionsinstanz davon auszugehen ist, daß die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung gegeben sind, und die Anfech-
tungsfrist des § 124 BGB durch das Anfechtungsschreiben des Beklagten vom 15. März 1995 gewahrt ist, kommt es nicht darauf an, daß, worauf die Revision hinweist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Pflicht zur Rückgängigmachung des Bürgschaftsvertrags auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2311 m.w.N.) in Betracht zu ziehen ist. Ebensowenig ist es jedenfalls in der Revisionsinstanz entscheidungserheblich , daß - auch darauf weist die Revision zutreffend hin - auf dieser Rechtsgrundlage die Inhaberin der Agentur, wenn das von ihr abgegebene Schuldanerkenntnis auf Täuschung beruhen sollte, ihrerseits ein nicht durch Fristablauf verlorengegangenes Recht hätte, sich von dem Anerkenntnis zu lösen. Darauf könnte sich der Kläger als Bürge nach den §§ 767 Abs. 1, 768 Abs. 1 BGB berufen. Gegebenenfalls wird zu prüfen sein, ob die formularmäßige Klausel, mit der die Bürgschaft als solche auf erstes Anfordern ausgestaltet ist, wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 658; vom 2. April 1998 - IX ZR 79/97, ZIP 1998, 905, 906).

III.


Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit - nach Wiederholung der Beweisaufnahme - eine rechtlich einwandfreie Beweiswürdigung vorgenommen werden kann. Der Senat macht dabei von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter Raebel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 425/02 Verkündet am:
14. Oktober 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Der Tatrichter verstößt gegen § 286 Abs. 1 ZPO, wenn er den ihm unterbreiteten
Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nicht ausschöpft und die Beweise nicht umfassend
würdigt.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - OLG München
LG München I
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Januar 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger fordert von dem Beklagten, einem Bankdirektor, Schadensersatz wegen des Vorwurfs täuschender Angaben bei der Bewilligung einer Bürgschaft und einer Grundschuld für an den Zeugen H. und dessen Ehefrau gewährte Kredite. Die Bank des Beklagten gewährte im März 1991 dem Ehepaar H. zwei Barkredite über 100.000 DM und 40.000 DM, die bereits per 24. April 1991 mit fast 70.000 DM überzogen waren. Sie forderte die Eheleute deshalb an diesem Tag auf, die Überziehung bis spätestens 6. Mai 1991 zurückzuführen.
Am 15. Mai 1991 übernahm der Kläger für die Verbindlichkeiten eine Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 DM und gab für eine bereits am 8. August 1990 bestellte Grundschuld in Höhe von 200.000 DM an seinem Hausgrundstück die Zweckbestimmungserklärung ab, daß die Grundschuld Forderungen der Bank gegen das Ehepaar H. sichern solle. Zu diesem Zeitpunkt wies der Bankkredit einen Sollsaldo von rund 227.000 DM auf. Am 23. Mai 1991 räumte die Bank dem Ehepaar H. einen Ratenkredit in Höhe von 200.000 DM ein, der teilweise zur Umschuldung des Barkredits verwandt wurde, so daß im Endergebnis die weitere Krediteinräumung 100.000 DM betrug. Da das Ehepaar die Kredite nicht bediente, wurden diese am 6. August 1992 mit einem Sollsaldo von insgesamt 433.931,88 DM gekündigt. Der Kläger wurde von der Bank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen ; sein Hausgrundstück wurde zwangsweise verwertet. Der Kläger macht den erlittenen Schaden gegen den Beklagten geltend, weil er bei der Gewährung der Kreditsicherungen von dem Zeugen H. und dem Beklagten getäuscht worden sei. Der Beklagte habe die Rückführung des ungesicherten Kredits gefährdet gesehen. Daher habe er mit dem Zeugen H. vereinbart , im Rahmen seines neuen Kreditwunsches einen Sicherungsgeber beizubringen , dem er vorspiegeln sollte, daß es um einen Erstkredit gehe, bei dessen Absicherung es sich nur um eine Formsache handle. Dies habe der Beklagte bei der der Sicherungsstellung vorausgehenden Besprechung bestätigt. Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 290.506,14 DM abzüglich 10.800 DM verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB, §§ 263, 26 StGB zum Schadensersatz verpflichtet. Es ist auf Grund der Aussage des Zeugen H. davon überzeugt, der Beklagte habe diesen wegen des überzogenen und ungesicherten Kredits angesprochen und an R. verwiesen mit dem Hinweis, daß dieser jemanden – nämlich den Kläger - kenne , der ihm früher mit einer Grundschuld ausgeholfen habe. Er habe dem H. auch gesagt, dieser dürfe dem Sicherungsgeber nicht sagen, daß es sich um einen bereits laufenden Kredit handele, der schon überzogen sei, vielmehr solle er erklären, es handle sich um einen neuen Kredit, um geschäftlich expandieren zu können. Damit habe er den Kläger durch falsche Angaben und Verschweigen des wahren Sachverhalts zur Stellung von Sicherheiten bewegt. Dies habe letztlich zum Verlust von dessen Hausgrundstück geführt.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht nach § 561 ZPO a.F., § 559 ZPO gebunden ist. Revisionsrechtlich ist indessen zu überprüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozeßstoff und den Beweiser-
gebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364; BGH, Urteile vom 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - NJW 1999, 3481, 3482 und vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - NJW 1993, 935, 937). 2. Die Revision macht mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO den ihm unterbreiteten Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nicht ausgeschöpft und die Beweise nicht umfassend gewürdigt habe.
a) Eine tragende Erwägung der angegriffenen Entscheidung ist die Annahme , der Beklagte habe den Zeugen H. wegen des überzogenen und ungesicherten Kredits angesprochen und an R. verwiesen, dem der Kläger früher mit einer Grundschuld ausgeholfen hatte. Die „Beibringung“ des Klägers als Sicherungsgeber für den Zeugen H. habe auf dem „Beklagtentip R." beruht. Diese Würdigung stützt das Berufungsgericht entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. und dessen Glaubwürdigkeit. Insoweit beanstandet die Revision zu Recht, daß sich das Berufungsgericht nicht mit dem Vorgang auseinandergesetzt hat, den der Zeuge G. bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung geschildert hat und den das Berufungsgericht lediglich im Tatbestand seines Urteils erwähnt, noch mit weiteren, sich im Zusammenhang mit dieser Aussage aus der beigezogenen Strafakte ergebenden objektiven Umständen, deren Berücksichtigung möglicherweise zu einem für den Beklagten günstigen Ergebnis geführt hätte. Mit Recht macht die Revision geltend, daß sich hieraus Zweifel an der Darstellung des Zeugen H. und des Klägers ergeben könnten. Sie verweist dar-
auf, daß der Kläger am 10. April 1991, also deutlich vor dem Schreiben der Bank vom 24. April 1991, durch das die Gespräche zwischen dem Beklagten und dem Zeugen H. in Gang gesetzt wurden, die Eintragung einer Grundschuld über 120.000 DM für den Zeugen G. bewilligt habe, die dann allerdings nicht zum Tragen gekommen sei. Ausweislich des Protokolls seiner erstinstanzlichen Vernehmung habe der Zeuge G. dazu ausgesagt, er habe im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe an den Zeugen H. auf einer dinglichen Sicherheit bestanden. Dieser habe ihm dann eine nachrangige Grundschuld des Klägers gebracht. Die Sache habe sich aber dadurch erledigt, daß der Kredit nicht ausgereicht worden sei. Diese Aussage werde dadurch gestützt, daß ausweislich des vom Beklagten vorgelegten Grundbuchauszugs des Amtsgerichts R. tatsächlich am 10. April 1991 auf dem Grundstück des Klägers eine Grundschuld für den Zeugen G. bewilligt worden sei. Zudem habe der Beklagte vorgetragen, der Zeuge H. habe die Rechte und Ansprüche aus einer am 10. April 1991 abgeschlossenen Lebensversicherung über 100.000 DM an den Kläger abgetreten. Die Revision weist insoweit darauf hin, daß sich aus dem amtsgerichtlichen Strafurteil gegen den Zeugen H. und aus dem in der beigezogenen Strafakte befindlichen Lebensversicherungsantrag ergebe, daß der Zeuge H. am 10. April 1991 einen solchen Lebensversicherungsvertrag beantragt habe und der Kläger im Ablebensfall als Begünstigter eingesetzt worden sei.
b) Die vorstehend erörterten Gesichtspunkte sind geeignet, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in Frage zu stellen. Es ist nicht ausgeschlossen , daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Sachvortrags die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. und des Klägers sowie die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben für den Beklagten günstiger gewürdigt hätte. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß sowohl der Zeuge H. als auch der Kläger schriftsätzlich
und bei ihren Aussagen vor dem Berufungsgericht die Sache so dargestellt ha- ben, daß sie sich erst nach dem Tip des Beklagten und zeitlich erst im Mai 1991 kennengelernt hätten. Daran haben sie in Kenntnis der abweichenden Darstellung des Beklagten und auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht festgehalten. Ihre Behauptung wird jedoch durch die Aussage des Zeugen G. und durch die im Zusammenhang mit dem "Vorgang G." vorliegenden Unterlagen in Frage gestellt. 3. Deshalb kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Bei der neuerlichen Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht auch die unterschiedliche Darstellung der Parteien zum Zeitpunkt der Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Zeugen H. zu würdigen haben, soweit sich hieraus Schlüsse auf die Überzeugungskraft und Glaubhaftigkeit der Aussagen ergeben. Es wird auch Gelegenheit haben, das weitere Vorbringen der Revision zu berücksichtigen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 175/04 Verkündet am:
19. April 2005
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch eine Beweiswürdigung nach § 287 ZPO kann vom Revisionsgericht (wie bei
Anwendung des § 286 ZPO) lediglich darauf überprüft werden, ob sich der Tatrichter
mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei
auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich
ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze verstößt.
Die Annahme eines Ursachenzusammenhangs erfordert im zivilen Haftungsrecht
auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht die Feststellung einer
richtunggebenden Veränderung, vielmehr reicht schon eine bloße Mitverursachung
aus, um einen Ursachenzusammenhang zu bejahen.
BGH, Urteil vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 15. April 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Klägers entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der im Jahre 1970 geborene Kläger war Student. Er wurde 1991 überfallen und ist seitdem querschnittgelähmt. Trotz seiner Behinderung nahm er 1992 das Studium der Umwelttechnik wieder auf. Nach einem bestandenen Sprachtest beabsichtigte er, das Studium in den USA fortzusetzen. Am 17. Januar
1995 erlitt er einen Verkehrsunfall, für den die Beklagte dem Grunde nach in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Der Kläger macht geltend, seine Gesamtverfassung habe sich unfallbedingt erheblich verschlechtert und er könne u.a. wegen einer erheblichen Verminderung der groben Kraft von Muskelgruppen in den Armen, die von der Querschnittlähmung nicht betroffen seien, erforderliche Lagewechsel seit dem Unfall nicht mehr ohne Hilfe anderer ausführen. Er begehrt über die vorprozessual gezahlten 1.500 DM Schmerzensgeld hinaus ein weiteres Schmerzensgeld , das er in das Ermessen des Gerichts stellt, das aber mindestens 30.000 DM betragen solle. Ferner macht er eine Kapitalabfindung, hilfsweise eine indexierte Rente wegen erhöhten Pflegebedarfs geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle ihm infolge des Unfalls künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden. Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines weiteren Schmerzensgeldes von 1.500 DM sowie wegen eines erhöhten Pflegebedarfs für die Dauer von sechs Monaten nach dem Unfall stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Kammergericht die Beklagte verurteilt, über den vorprozessual bezahlten Betrag von 1.500 DM hinaus weitere 1.766,94 € Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen, die Klage im übrigen aber abgewiesen und die weitergehenden Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, es stehe fest, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 17. Januar 1995 eine Distorsion der Halswirbelsäule leichteren bis höchstens mittleren Grades erlitten habe. Der Kläger habe nämlich bereits unmittelbar nach dem Unfall über typische Beschwerden, insbesondere über starke Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich und ein Schwindelgefühl geklagt und sich deshalb unter Einhaltung verordneter Bettruhe ärztlich behandeln lassen. Ein solches Verhalten des Klägers, der vor dem Unfall sein Leben soweit wie möglich trotz seiner Behinderung aktiv selbst gestaltet habe, erscheine ohne unfallbedingte Beschwerden wenig plausibel. Auch der orthopädische und der neurologisch-psychiatrische Sachverständige hätten die Überzeugung von einer unfallbedingten Halswirbelsäulen-Distorsion gewonnen, die bei der Vorschädigung des Klägers auch bei einer nur geringen Differenzgeschwindigkeit von 5 bis 8 km/h habe eintreten können. Das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld sei allerdings nur um 1.000 € höher als vom Landgericht zu bemessen. Darüber hinausgehende Forderungen des Klägers seien nicht berechtigt. Das Berufungsgericht habe sich auch unter Anwendung des § 287 ZPO nicht davon überzeugen können, daß der Verkehrsunfall zu einem anhaltenden Dauerschaden des Klägers geführt habe. Vielmehr habe der Kläger lediglich bis zur Dauer von zwei Jahren in abnehmendem Maße unter Folgen der unfallbedingten HalswirbelsäulenDistorsion gelitten, wie aus dem Gutachten des orthopädischen Sachverständigen W. folge. Auch der Sachverständige H. habe in seinem neurologischpsychiatrischen Gutachten ausgeführt, daß der Zeitraum mit unfallbedingten Beschwerden des Klägers zwar länger sei als gewöhnlich, man aber davon
ausgehen müsse, daß nach zwei Jahren keine unfallbedingten Folgen mehr verblieben seien. Eine dauerhafte Beeinträchtigung des Klägers im Sinne einer richtunggebenden Verschlechterung des Zustandes nach Querschnittlähmung sei nicht zu begründen und nicht nachzuweisen, weil die Querschnittlähmung nicht fortschreiten könne. Die vom Kläger als Unfallfolge angesehenen Beschwerden wie insbesondere ein Kräfteverlust in den Armen, Kopfschmerzen und hierdurch bedingte Konzentrationsstörungen seien typische Erscheinungen bei einer Querschnittlähmung im Wirbelbereich C 6. Auch habe der Sachverständige H. den Grad der Wahrscheinlichkeit, zu dem die Beschwerden des Klägers organisch auf den Unfall zurückzuführen seien, gegen Null bewertet. Die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO für die Einholung weiterer Gutachten , wie vom Kläger beantragt, seien nicht gegeben. Daß der Kläger nach Ansicht des Sachverständigen H. den Überfall im Jahre 1991 nicht richtig verarbeitet habe und deshalb in dem Unfall vom 17. Januar 1995 die Ursache für sein Schicksal suche, könne eine Haftung der Beklagten nicht begründen. Symptome für eine durch den Verkehrsunfall ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung fehlten nämlich. Eine bloße Fehleinstellung des Klägers habe keinen Krankheitswert. Der Sachverständige habe die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Bedeutung des Unfalls für die vom Kläger geklagten Beschwerden auf nur 30-40 % bemessen. Das reiche zur Überzeugungsbildung nicht aus. Mithin könne mehr als zwei Jahre nach dem Verkehrsunfall nicht mehr von unfallbedingten Beschwerden und einem unfallbedingt erhöhten Pflegebedarf ausgegangen werden. Einen Pflegemehraufwand für die ersten beiden Jahre nach dem Verkehrsunfall aber habe der Kläger trotz deutlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 15. April 2003 nicht hinreichend dargetan. Damit sei auch der Feststellungsantrag des Klägers unbegründet , weil mit Spätfolgen des Unfalls nicht mehr zu rechnen sei.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in wesentlichen Punkten nicht stand. 1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien nicht beanstandet geht das Berufungsgericht vorliegend davon aus, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 17. Januar 1995 eine Halswirbelsäulen-Distorsion erlitten hat und daß die Beklagte ihm für diesen Schaden und die hieraus folgende Beeinträchtigung ersatzpflichtig ist (§§ 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG). 2. Mit Erfolg beanstandet die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die geltend gemachten Folgeschäden des Unfalls als nicht unfallbedingt angesehen und eine Beeinträchtigung nur bis zur Dauer von zwei Jahren für bewiesen erachtet hat.
a) Allerdings kann die Beweiswürdigung vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364; vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - BGHReport 2004, 185, 186; BGH, Urteile vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 23/86 - NJW 1987, 1557, 1558; vom 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - WM 1999, 1889, 1890; vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03 - VersR 2005, 272, 273). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Beweiswürdigung, die - wie hier - nach § 287 ZPO vorzunehmen ist. Diese Vorschrift stellt nämlich lediglich geringere Anforderungen an das Maß für eine Überzeugungsbildung des Tatrichters, ist aber hinsichtlich der
revisionsrechtlichen Überprüfung keinen anderen Maßstäben als die Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO unterworfen. Den Erwägungen des Berufungsgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität nach § 287 ZPO liegt aber ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Das Berufungsgericht hat zwar revisionsrechtlich beanstandungsfrei dargelegt, daß die Sachverständigen H. und W. übereinstimmend ausgeführt hätten, beim Kläger seien durch den Unfall keine substantiellen Verletzungen des Kopfhalteapparates oder der Bandscheiben eingetreten, die sich später noch feststellen ließen. Es hat sich dann aber auf den Sachverständigen H. bezogen, der ausgeführt habe, daß eine dauerhafte Beeinträchtigung des Zustandes des Klägers nach seiner Querschnittlähmung im Sinne einer "richtunggebenden" Verschlechterung nicht nachzuweisen sei, weil die Querschnittlähmung des Klägers nicht fortschreiten könne. Diese aus dem Sozialversicherungsrecht stammende Formulierung (vgl. BSGE 6, 87; 6, 192, BSG, Urteil vom 25. März 1999 - B 9 V 11/98 R - Soz-R 3-3100 § 10 Nr. 6) gibt für die Beurteilung der für die zivilrechtliche Haftung notwendigen Ursächlichkeit im juristischen Sinn nichts her (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 341, 347; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201). Haftungsrechtlich ist eine richtunggebende Veränderung nicht erforderlich, vielmehr kann auch die Mitverursachung einer Verschlechterung im Befinden ausreichen, um die volle Haftung auszulösen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein Ereignis die "ausschließliche" oder "alleinige" Ursache einer Gesundheitsbeeinträchtigung ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - aaO).
Der Schädiger kann sich nach ständiger Rechtsprechung auch nicht darauf berufen, daß der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders anfällig zur erneuten Beeinträchtigung gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne daß die Vorschäden "richtunggebend" verstärkt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 20, 137, 139; 107, 359, 363; 132, 341, 345; vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts, ist nach den dargelegten Grundsätzen fehlerhaft. Dieser Fehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des Ursachenzusammenhangs gelangt wäre, wenn es erkannt hätte , daß die bloße Mitverursachung des Unfalls für die Verschlechterung im Befinden des Klägers ausreichen kann. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden könnten jetzt nicht mehr Folge einer HWS-Distorsion sein, sondern stellten typische Erscheinungen einer Querschnittlähmung dar, als Tatsachenfeststellung zu verstehen ist, kann dahinstehen , da diese Auffassung nicht frei von Widersprüchen und deshalb revisionsrechtlich nicht bindend ist. Mit Recht weist die Revision darauf hin, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die auch nach der Überzeugung des Berufungsgerichts zunächst unfallbedingten Beschwerden nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums plötzlich zu "typischen Erscheinungen bei einer Querschnittlähmung" werden sollten, zumal sich an der Querschnittlähmung als solcher nichts geändert habe. Bei seiner erneuten Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht daher auch diesem Einwand der Revision nachzugehen und mit sachverständi-
ger Hilfe zu prüfen haben, ob und welche Beschwerden nach dem Unfall neu aufgetreten sind und fortdauern sowie ob persistierende Beschwerden durch den Unfall (mit-) verursacht oder auch nur ausgelöst worden sind (§ 287 ZPO). Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, daß die Kausalität - anders als der Sachverständige offenbar meint - nicht aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht anhand reproduzierbarer, valider und objektiver Befunde , sondern nach juristischen Maßstäben festzustellen ist und eine Überzeugung des Gerichts deshalb lediglich die Beseitigung vernünftiger Zweifel erfordert. Das Berufungsgericht wird hierzu den Zustand des Klägers vor dem Unfall (vgl. Gutachten vom 17. Dezember 1993) mit seinem Zustand nach dem Unfall zu vergleichen haben.
c) Bei seiner erneuten Befassung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß nach den dargelegten Grundsätzen die bloße Mitverursachung durch den Verkehrsunfall für eine Haftung des Schädigers grundsätzlich auch dann ausreichen kann, wenn eine psychische Fehlverarbeitung des Geschädigten hinzutritt (zur Grenze vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - VersR 1996, 990, 991; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200, 201; vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - VersR 2004, 874). Insoweit macht die Revision zwar vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe auch eine psychische Beeinträchtigung bejahen müssen , weil der Sachverständige H. eine Beeinflussung des Schadensbildes durch sie in Höhe von 30-40 % bejaht habe. Das beruht auf einem Mißverständnis, weil das Berufungsgericht ersichtlich dem Sachverständigen in der Auffassung gefolgt ist, daß eine Wahrscheinlichkeit für eine psychische Mitwirkung am Schaden nur in dieser Höhe bestehe und dies dem Berufungsgericht nicht zur Überzeugungsbildung ausgereicht hat. Das könnte revisionsrechtlich nicht angegriffen werden. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß die Verneinung des Ursachenzusammenhangs auch insoweit auf der rechtsfehlerhaften Annahme
des Berufungsgerichts beruht, daß eine richtunggebende Veränderung erforderlich sei, während richtigerweise auch hinsichtlich des psychischen Schadens eine Mitursächlichkeit ausreichen würde. 3. Die Abweisung der Klage auf erhöhten Pflegemehrbedarf während der vom Berufungsgericht als unfallbedingt beurteilten Beeinträchtigungen für eine Zeit bis zwei Jahre nach dem Unfall hält revisionsrechtlicher Prüfung gleichfalls nicht stand. Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht trotz eines Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2003 ausreichenden Vortrag vermißt hat. Ein deutlicher und unmißverständlicher Hinweis gemäß § 139 ZPO ist weder aus den Akten noch aus dem Berufungsurteil ersichtlich. Der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2004, die vermutlich gemeint ist, läßt sich ein solcher Hinweis nicht entnehmen. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils gibt den Inhalt des Hinweises nicht mit einer solchen Deutlichkeit wieder, daß dem Revisionsgericht eine Prüfung möglich wäre, ob der Hinweis inhaltlich ausreichend war. Ein unmißverständlicher und deutlicher Hinweis war hier schon deshalb erforderlich, weil das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu seinem unfallbedingt erhöhten Pflegebedarf für nicht ausreichend hielt, obwohl das Landgericht einen solchen jedenfalls für die ersten sechs Monate nach dem Unfallzeitpunkt für ausreichend dargetan gehalten hatte (vgl. BVerfGE 84, 188, 190 f.; BVerfG, Beschluß vom 29. Mai 1991
- 1 BvR 1383/90 - NJW 1991, 2823, 2824). Das Berufungsgericht wird sich deshalb mit dem in der Revisionsbegründung nunmehr nachgereichten - schlüssigen - Vortrag, der an entsprechenden Vortrag in der Tatsacheninstanz anknüpft, auseinandersetzen müssen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.