Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04

bei uns veröffentlicht am20.12.2006
vorgehend
Amtsgericht Linz am Rhein, 4 F 120/03, 10.02.2004
Oberlandesgericht Koblenz, 13 UF 199/04, 17.05.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 137/04 Verkündet am:
20. Dezember 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin
Weber-Monecke, die Richter Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs und die Richterin
Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Mai 2004 wird zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten werden dem Kläger zu 1 zu 55 % und dem Kläger zu 2 zu 45 % auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger nehmen die Beklagte, ihre Großmutter väterlicherseits, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch.
2
Die 1987 und 1990 geborenen Kläger entstammen der geschiedenen Ehe des Sohnes der Beklagten mit ihrer Mutter. Ihr Vater wurde durch Versäumnisurteil vom 27. Februar 2002 verurteilt, für sie monatlichen Unterhalt in Höhe des jeweiligen Regelbetrages zu zahlen. Vollstreckungsversuche gegen ihn blieben erfolglos; auch freiwillige Zahlungen erfolgten nicht. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht wurde mit der Begründung eingestellt, der Vater sei nicht leistungsfähig.
3
Die Kläger nahmen deshalb zunächst die Beklagte und deren Ehemann, ihren Großvater väterlicherseits, für die Zeit ab Januar 2003 auf Unterhalt in Höhe der Regelbeträge in Anspruch, der Kläger zu 1 allerdings mit Ausnahme der Zeit von März bis August 2003, während der er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezog. Der Großvater verstarb während des Rechtsstreits im Juni 2003. Die Kläger beanspruchten daraufhin für die Zeit bis zu seinem Tod von der Beklagten zugleich als Miterbin Unterhalt.
4
Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Klägern zeitlich gestaffelt Unterhaltsbeträge zuerkannt, die zwischen monatlich 44 € und 236 € liegen. Auf die Berufung der Kläger wurde die Beklagte - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - zu weitergehenden Unterhaltszahlungen verurteilt. Mit ihrer - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist nicht begründet.
6
1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in OLG-Report 2005, 22 ff. veröffentlicht ist, hat die Beklagte nach § 1607 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit § 1603 Abs. 1 BGB für unterhaltspflichtig gehalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Für die Ersatzhaftung reiche es aus, wenn der Anspruch selbst aufgrund eines - gegebenenfalls auf der Zurechnung fiktiven Einkommens beruhenden - Vollstreckungstitels nicht durchgesetzt werden könne. Die Mutter der Kläger sei unstreitig nicht leistungsfähig. Die Beklagte sei aufgrund gesetzlicher Erbfolge jedenfalls Miterbin nach ihrem verstorbenen Ehemann geworden (§ 1931 BGB); als solche hafte sie gesamtschuldnerisch für die Nachlassverbindlichkeiten (§§ 2058, 1907 BGB), zu denen auch die bis zum Tod des Verstorbenen fällig gewordenen Unterhaltsschulden gehörten. Für die Zeit danach sei die Beklagte alleine unterhaltspflichtig.
7
Von den Renten- und Versorgungseinkünften der Beklagten und ihres Ehemannes seien für den Zeitraum bis August 2003 die Kreditraten für einen Pkw in Abzug zu bringen. Eine zeitlich weitergehende Berücksichtigung sei dagegen nicht gerechtfertigt. Da die Beklagte unstreitig keine Fahrerlaubnis besitze , sei die Pkw-Haltung nach dem Tod ihres Ehemannes nicht mehr als angemessener Aufwand anzusehen. Die Beklagte, die nicht dargelegt habe, in besonderem Maße auf die Nutzung eines Pkw angewiesen zu sein, könne sich mit einem Taxi deutlich billiger zum Einkaufen sowie zu Arzt- oder Verwandtenbesuchen fahren lassen. Ihr sei jedoch eine Übergangszeit bis Ende August 2003 zuzubilligen, in der sie den Pkw veräußern und sich anderweit einrichten könne.
8
Der einem Großelternteil zuzubilligende Selbstbehalt sei mit 1.250 € zu bemessen; für den anderen Großelternteil sei dagegen wegen der mit der gemeinsamen Haushaltsführung verbundenen Ersparnis nur ein Betrag von 950 € anzusetzen, so dass bis zum Tod des Großvaters von einem Selbstbehalt von insgesamt 2.200 € auszugehen sei. Das darüber hinausgehende Einkommen generell in Höhe der Hälfte anrechnungsfrei zu lassen, erscheine nicht gerechtfertigt , wenn es - wie hier - um den Unterhalt für minderjährige Kinder gehe. Allerdings seien konkrete Belastungen großzügig zu berücksichtigen. Dies gelte zum einen für die Kreditrate zur Finanzierung des Pkw, solange dieser von der Beklagten und ihrem Ehemann genutzt worden sei. Zum anderen sei der Beklagten zuzugestehen, weiterhin in der 1998 angemieteten ehelichen Wohnung zu verbleiben. Da sie hierfür eine Warmmiete von 650 € monatlich zu zahlen habe, sei der Selbstbehalt um den Betrag von 210 € zu erhöhen (650 € abzüglich im Selbstbehalt enthaltener Warmmiete von 440 €). Danach könnten die Kläger zwar höheren Unterhalt als vom Amtsgericht zuerkannt verlangen; in vollem Umfang des Klagebegehrens bestünden Unterhaltsansprüche mangels Leistungsfähigkeit indessen nicht.
9
2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision als ihr günstig nicht, soweit sie die Voraussetzungen der Ersatzhaftung und die Haftung der Großmutter als Miterbin nach ihrem Ehemann betrifft. Sie greift allerdings die Ausführungen zur Leistungsfähigkeit der Beklagten an. Damit kann sie indessen nicht durchdringen.
10
a) Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn Großeltern im Fall der Inanspruchnahme auf Unterhalt für ihre Enkel zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zugebilligt werden, die auch erwachsene Kinder gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern verteidigen können. Das gilt auch gegenüber minderjährigen Enkeln. Zwar sind diese in der Regel nicht in der Lage, ihren Lebensbedarf selbst zu decken. Deshalb ordnet das Gesetz in § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB an, dass ihnen gegenüber eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht. Die vorgenannte Bestimmung gilt aber nur im Verhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern. Für Großeltern besteht dagegen keine gesteigerte Unterhaltspflicht , sondern sie haften allein unter Berücksichtigung ihres angemessenen Eigenbedarfs, und zwar nachrangig. Das rechtfertigt es, ihnen generell die erhöhten Selbstbehaltsbeträge, wie sie auch im Rahmen des Elternunterhalts gelten, zuzubilligen (Senatsurteile vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - FamRZ 2006, 26, 28 m.Anm. Duderstadt FamRZ 2006, 30 f. und Luthin FamRB 2006, 4 f. und ff. 206, 54 f. und vom 3. Mai 2006 - XII ZR 35/04 - FamRZ 2006, 1099).
11
b) Deshalb hat das Oberlandesgericht zu Recht den Selbstbehaltsbetrag zugrunde gelegt, der gegenüber der Inanspruchnahme durch Eltern verteidigt werden kann. Dieser belief sich nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Januar 2002) auf monatlich 1.250 € bzw. auf 950 € für den mit dem Unterhaltspflichtigen zusammen lebenden Ehegatten. Nach der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Düsseldorfer Tabelle sind Beträge von 1.400 € bzw. von 1.050 € anzusetzen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für die Zeit bis zum Tod des Großvaters (Juni 2003) einen Selbstbehalt von insgesamt 2200 € und danach von 1.250 € zugrunde gelegt hat.
12
c) Die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens der Beklagten bzw. der Beklagten und ihres Ehemannes ist ebenfalls rechtsbedenkenfrei. Das Berufungsgericht hat die jeweiligen - unstreitigen - Renteneinkünfte zugrunde gelegt. Soweit die Revision beanstandet, dass von dem Einkommen zunächst die Kreditrate für den Pkw in Abzug gebracht und der Selbstbehalt wegen erhöhter Wohnkosten angehoben worden ist, hat sie keinen Erfolg.
13
Der Selbstbehalt umfasst nur die Mittel, die der Unterhaltspflichtige zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt. Dazu gehören Kreditraten für einen Pkw nicht. Derartige Aufwendungen können als abzugsfähig anerkannt werden, wenn und soweit sie sich in einer im Verhältnis zu den vorhandenen Einkünften angemessenen Höhe halten und die Verpflichtung bereits eingegangen wurde, als der Unterhaltspflichtige noch nicht damit zu rechnen brauchte, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden. Denn Großeltern brauchen - ebenso wenig wie Kinder im Verhältnis zu ihren unterhaltsbedürftigen Eltern - keine spürbare und dauerhafte Senkung ihres einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinzunehmen, soweit sie keinen unangemessenen Aufwand betreiben (Senatsurteil vom 8. Juni 2006 aaO S. 28). Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die bei Gesamteinkünften der Großeltern von monatlich ca. 2560 € nicht unangemessen hohen Kreditraten abgesetzt und der Beklagten nach dem Tod ihres Ehemannes eine Übergangszeit von etwa zwei Monaten zugebilligt hat, um den Pkw zu veräußern.
14
Rechtsbedenkenfrei ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts , der Beklagten sei zuzugestehen, in der früheren ehelichen Wohnung zu verbleiben, um nicht im Alter noch umziehen zu müssen. Da die Warmmiete von 650 € den insoweit im Selbstbehalt enthaltenen Betrag von 440 € überschreitet , konnte der Selbstbehalt um den Mehrbetrag von 210 € erhöht werden.
15
d) Gegen die auf dieser Grundlage erfolgte Unterhaltsberechnung hat die Revision keine Einwendungen erhoben. Dagegen ist auch revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Fuchs Vézina

Vorinstanzen:
AG Linz am Rhein, Entscheidung vom 10.02.2004 - 4 F 120/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 17.05.2004 - 13 UF 199/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1603 Leistungsfähigkeit


(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. (2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren min

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1931 Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten


(1) Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmling

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2058 Gesamtschuldnerische Haftung


Die Erben haften für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner.
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04 zitiert 3 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1603 Leistungsfähigkeit


(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. (2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren min

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1931 Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten


(1) Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmling

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2058 Gesamtschuldnerische Haftung


Die Erben haften für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2005 - XII ZR 75/04

bei uns veröffentlicht am 08.06.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 75/04 Verkündet am: 8. Juni 2005 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2006 - XII ZR 35/04

bei uns veröffentlicht am 03.05.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 35/04 Verkündet am: 3. Mai 2006 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat a
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - XII ZR 137/04.

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2013 - XII ZB 249/12

bei uns veröffentlicht am 02.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 249/12 Verkündet am: 2. Oktober 2013 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 19. Mai 2016 - 5 C 36/15

bei uns veröffentlicht am 19.05.2016

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Höhe des Betrages, um den gemäß § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII derjenige Teil des Pflegegeldes gekürzt werden darf, der die K

Referenzen

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Anteil, der nach § 1926 den Abkömmlingen zufallen würde.

(2) Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.

(3) Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.

(4) Bestand beim Erbfall Gütertrennung und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen; § 1924 Abs. 3 gilt auch in diesem Falle.

Die Erben haften für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 75/04 Verkündet am:
8. Juni 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zu den gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO an eine Berufungsbegründung
zu stellenden Anforderungen.

b) Zur Höhe des eigenen angemessenen Unterhalts bei Unterhaltsansprüchen
von Enkeln gegen ihre Großeltern (im Anschluss an Senatsurteil vom
26. Februar 1992 - XII ZR 93/91 - FamRZ 1992, 795).

c) Zu den Voraussetzungen der nach § 1607 Abs. 2 BGB eintretenden Ersatzhaftung
eines nachrangig haftenden Verwandten.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - OLG Dresden
AG Freiberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 6. Februar 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren Großvater, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch.
2
Die am 14. August 1986 geborene Klägerin entstammt der geschiedenen Ehe des Sohnes des Beklagten mit ihrer Mutter. Ihr Vater war durch Versäumnisurteil vom 9. Juli 1999 verurteilt worden, für sie monatlichen Kindesunterhalt von 341 DM zu zahlen. Von einer Vollstreckung aus diesem Titel sah die Klägerin im Hinblick auf das unzureichende Einkommen des Vaters aus Arbeitslosengeld und später aus Arbeitslosenhilfe (im Jahr 2000: monatlich 1.000 DM) ab. Die Mutter der Klägerin, deren Eltern (nicht: Kinder) verstorben sind, bezieht Leistungen der Sozialhilfe.
3
Der 1932 geborene Beklagte und seine 1934 geborene Ehefrau sind Rentner. Die Rente des Beklagten betrug bis zum 30. Juni 2000 monatlich 2.092,55 DM und seit dem 1. Juli 2000 monatlich 2.109,56 DM (nicht: 2.109,86 DM). Die Rente der Ehefrau belief sich bis 30. Juni 2000 auf monatlich 1.284,20 DM und seit dem 1. Juli 2000 auf monatlich 1.314,14 DM. Bis zum 31. Juli 2000 wohnten die Großeltern in einem eigenen Haus in F./Sachsen. Für zwei zur Modernisierung des Hauses aufgenommene Darlehen hatten sie monatliche Raten von 69,50 DM und 68,13 DM (nicht: 48,13 DM) zu zahlen. Seit dem 1. August 2000 leben die Großeltern in S./Niedersachsen. Für ihre dortige Wohnung hatten sie im Jahr 2000 einen monatlichen Mietzins von insgesamt 810 DM zu entrichten.
4
Die Klägerin hat Zahlung von Unterhalt für die Zeit ab 1. Februar 2000 verlangt, und zwar in Höhe von monatlich 483 DM bis Juli 2000, von monatlich 411 DM für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2000 und von monatlich 493 DM ab Januar 2001. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hält sich mit Rücksicht auf den Unterhaltsbedarf seiner Ehefrau und den ihm zustehenden Selbstbehalt für nicht leistungsfähig.
5
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2000 monatlichen Unterhalt von 161,06 € (= 315 DM; nicht: 161,02 €) zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihren Anspruch in Höhe von monatlich 169 € für die Zeit bis Dezember 2000 (insoweit nach Abzug anteiligen Kindergeldes von 69 €), von monatlich 238 € für die Zeit von Januar bis Juni 2001 und von monatlich 249 € ab Juli 2001 (insoweit jeweils ohne Anrechnung anteiligen Kindergeldes) weiterverfolgt, während der Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt begehrt hat. Das Oberlandesgericht hat - unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin - das angefochtene Urteil auf die Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision hat die Klägerin zunächst beantragt, entsprechend ihrem zweitinstanzlichen Antrag zu erkennen. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2005 hat sie den Rechtsstreit hinsichtlich des ab September 2003 begehrten Unterhalts in der Hauptsache für erledigt erklärt, da sie zum 1. September 2003 ein Ausbildungsverhältnis angetreten habe und aufgrund des daraus bezogenen Einkommens nicht mehr unterhaltsbedürftig sei. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist nicht begründet.

I.

7
Das Oberlandesgericht, dessen Urteil in FamRZ 2003, 1211 ff. veröffentlicht ist, hat angenommen, daß das Urteil des Amtsgerichts allein auf die in zulässiger Weise eingelegte und begründete Berufung des Beklagten abzuändern sei. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt:
8
Die Berufungsbegründung des Beklagten genüge den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Die erforderliche Darlegung einer Rechtsverletzung sei in dem Vortrag zu sehen, für Großeltern müsse wegen der Alterssicherungsfunktion der Rente und der fehlenden steuerlichen Absetzbarkeit von Unterhaltsleistungen ein erhöhter Selbstbehalt zugrunde gelegt werden. Einer Auseinandersetzung mit der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung zur Höhe des Selbstbehalts habe es daneben nicht bedurft. Die Berufung des Beklagten sei auch begründet, weil die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum gegen ihn keinen Anspruch auf Unterhalt habe. Dabei könne dahinstehen, ob sie zu den Voraussetzungen einer Ersatzhaftung des Großvaters gemäß § 1607 Abs. 2 BGB hinreichend vorgetragen habe, indem sie allein auf das für eine Vollstreckung unzureichende Einkommen ihres Vaters verwiesen, nicht aber Angaben zu dessen Vermögensverhältnissen gemacht habe. Denn auch im Falle einer Leistungsunfähigkeit beider Elternteile scheide ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten wegen des ihm zustehenden Selbstbehalts aus. Zwar sei dem Renteneinkommen für die Zeit bis zum 31. Juli 2000 ein Wohnvorteil hinzuzurechnen. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin sei von einem Wohnwert von monatlich 585 DM auszugehen. Da das Haus den Großeltern zu gleichen Teilen gehört habe, sei bei beiden jeweils der halbe Wohnwert zu berücksichtigen und der Betrag von 292,50 DM jeweils um die hälftigen Darlehensraten zu bereinigen. Danach verbleibe ein anzurechnender Wohnvorteil von jeweils 223,69 DM (292,50 DM abzüglich 68,81 DM, nämlich: [69,50 DM + 68,13 DM] : 2). Von dem Gesamteinkommen des Beklagten von 2.316,24 DM bzw. ab 1. Juli 2000 von 2.333,25 DM sei jedoch zunächst der seiner Ehefrau geschuldete Familienunterhalt in Abzug zu bringen. Dieser sei als Quote von ½ der Differenz der beiderseitigen Renteneinkünfte anzusetzen und belaufe sich deshalb auf 404,18 DM bzw. ab 1. Juli 2000 auf 397,76 DM. Danach ergebe sich ein bereinigtes Gesamteinkommen des Beklagten von 1.912,06 DM bis 30. Juni 2000 und von 1.935,49 DM für die Zeit danach. Dieses Einkommen unterschreite den dem Beklagten zuzubilligenden Selbstbehalt, der für die Zeit ab 1. Juli 1999 entsprechend Ziff. II 16 b der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden mit 2.055 DM - und nicht mit dem im Verhältnis von Eltern gegenüber ihren nicht privilegierten volljährigen Kindern maßgeblichen geringeren Selbstbehalt - angesetzt werde. Eine Verringerung des Selbstbehalts wegen Unterschreitung der hierin eingearbeiteten Mietaufwen- dungen komme nicht in Betracht. Für die Zeit ab 1. August 2000, dem Umzug des Beklagten nach Niedersachsen, sei von einem Mindestselbstbehalt von 2.450 DM (Ziff. IV 1 b) 4. Spiegelstrich der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Oldenburg, Stand: 1. Juli 2001) bzw. ab 1. Januar 2002 von 1.250 € auszugehen, so daß eine Unterhaltsverpflichtung durchgehend nicht bestehe.
9
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

II.

10
1. Hinsichtlich der vom Berufungsgericht bejahten Zulässigkeit der Berufung rügt die Revision: Die Berufung sei unzulässig gewesen, weil ihre Begründung nicht im Sinne von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO Umstände bezeichne, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergebe. Dazu genüge nicht die Angabe, aufgrund der vom Erstgericht festgestellten Tatsachen habe die Klage insgesamt abgewiesen werden müssen. Erforderlich sei vielmehr eine Auseinandersetzung mit dem Ersturteil, die über die Mitteilung des für richtig gehaltenen Ergebnisses hinausgehe.
11
2. Damit vermag die Revision nicht durchzudringen. Die Berufungsbegründung des Beklagten genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
12
a) Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden. Besondere formale Anforderungen bestehen insofern nicht. Die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm ist entbehrlich, soweit aus den mitgeteilten Rechtsansichten deutlich wird, worin der Rechtsfehler gesehen wird (BGH Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02 - WM 2003, 1581, 1582 m.w.N.).
13
Mit seiner Berufung hat der Beklagte gerügt, daß das Berufungsgericht den ihm zuzubilligenden Selbstbehalt zu niedrig angesetzt und damit seine Leistungsfähigkeit unzutreffend beurteilt habe. Auszugehen sei nicht von dem angemessenen , sondern von einem erhöhten Selbstbehalt, wie er bei der Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt zugrunde gelegt werde, und zwar sowohl für den Unterhaltspflichtigen selbst als auch für seinen Ehegatten. Beide hätten sich darauf einrichten können, von ihren Enkeln nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden, zumal sie Rentner seien und das Renteneinkommen dazu dienen solle, ihren Lebensabend in ausreichendem Maße zu sichern. Überdies rechtfertige sich der erhöhte Selbstbehalt auch aus dem Umstand , daß ein Großvater nicht in der Lage sei, den einem Enkel gezahlten Unterhalt steuerlich in Abzug zu bringen.
14
Daraus wird erkennbar, in welchem Punkt der Beklagte das amtsgerichtliche Urteil angreift und welche Rechtsansicht er demgegenüber aus den angegebenen Gründen für richtig hält. Das genügte.
15
b) Zur Bezeichnung des Umstandes, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt. Dieses formale Begründungserfordernis setzt nicht die Schlüssigkeit der Berufungsgründe voraus (BGH Urteil vom 24. Juni 2003 aaO).
16
Nach der Berufungsbegründung ergibt sich aus der vom Beklagten für richtig gehaltenen Rechtsauffassung dessen fehlende Leistungsfähigkeit und damit die von ihm erstrebte volle Klageabweisung.

III.

17
In der Sache ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte gemäß § 1603 Abs. 1 BGB zu Unterhaltsleistungen für die Klägerin unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts nicht in der Lage sei, weshalb es nicht entscheidend darauf ankomme, ob die Voraussetzungen der Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 2 BGB erfüllt seien und ob die Sozialhilfeleistungen für die Klägerin ihren Bedarf gemindert hätten.
18
Zwar vermag der Senat den Ausführungen zur Leistungsfähigkeit des Beklagten nicht in allen Punkten zu folgen; das stellt die Entscheidung im Ergebnis aber nicht in Frage.
19
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Selbstbehalt des Beklagten - ebenso wie bei der Inanspruchnahme durch Eltern - mit 2.055 DM (vgl. die Unterhaltsleitlinien des OLG Dresden, Stand: 1. Juli 1999) anzusetzen sei. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
20
a) § 1603 Abs. 1 BGB gewährleistet jedem Unterhaltspflichtigen vorrangig die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts; ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt (Senatsurteile vom 26. Februar 1992 - XII ZR 93/91 - FamRZ 1992, 795, 797 und vom 7. Dezember 1988 - IVb ZR 15/88 - FamRZ 1989, 272). In welcher Höhe dieser Bedarf des Verpflichteten zu bemessen ist, obliegt der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls. Das dabei gewonnene Ergebnis ist revisionsrechtlich jedoch darauf zu überprüfen, ob es den anzuwendenden Rechtsgrundsätzen Rechnung trägt und angemessen ist (vgl. Senatsurteile vom 27. April 1983 - IVb ZR 372/81 - FamRZ 1983, 678 und vom 6. November 1985 - IVb ZR 45/84 - FamRZ 1986, 151). Das ist hier der Fall.
21
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß den in den Unterhaltstabellen angesetzten Selbstbehaltsbeträgen, die ein Unterhaltsverpflichteter gegenüber einem minderjährigen oder einem volljährigen Kind verteidigen kann, andere Lebensverhältnisse zugrunde liegen, als im vorliegenden Fall zu beurteilen sind. Eltern müssen regelmäßig damit rechnen, ihren Kindern auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus zu Unterhaltsleistungen verpflichtet zu sein, bis diese ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben und wirtschaftlich selbständig sind. Mit einer solchen, der natürlichen Generationenfolge entsprechenden Entwicklung kann indessen weder die Inanspruchnahme auf Elternunterhalt noch der Fall gleichgestellt werden, daß Enkel von ihren Großeltern Unterhalt verlangen, weil die - gemäß § 1606 Abs. 2 BGB vorrangig haftenden - Eltern mangels Leistungsfähigkeit oder deswegen ausfallen , weil die Rechtsverfolgung gegen sie im Inland ausgeschlossen oder wesentlich erschwert ist (§ 1607 Abs. 1 und 2 BGB). Der Senat hat deshalb die Auffassung gebilligt, daß der angemessene Selbstbehalt, der einem Verpflichteten bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen gegenüber dem Unterhaltsbegehren eines volljährigen Kindes als Mindestbetrag gewährt wird, um einen maßvollen Zuschlag erhöht wird, wenn das Unterhaltsbegehren anderer Verwandter zu beurteilen ist (Senatsurteil vom 26. Februar 1992 aaO S. 797).
22
Wie der Senat zum Elternunterhalt entschieden hat, braucht der Unterhaltspflichtige eine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und ein- kommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls insoweit nicht hinzunehmen, als er nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt. Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt, daß der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinen unterhaltsbedürftigen Eltern mit einem erhöhten Betrag, wie er in den Tabellen und Leitlinien insoweit als Mindestbetrag vorgesehen ist, angesetzt und gegebenenfalls noch dadurch erhöht wird, daß dem Unterhaltspflichtigen ein etwa hälftiger Anteil seines für den Elternunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zusätzlich verbleibt (Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1700 ff.).
23
c) Diese Erwägungen können auf das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen Großeltern und Enkeln übertragen werden. Auch insofern gilt, daß eine Inanspruchnahme in der Regel erst stattfindet, wenn der Unterhaltsverpflichtete sich selbst bereits in einem höheren Lebensalter befindet, seine Lebensverhältnisse demzufolge bereits längerfristig seinem Einkommensniveau angepaßt hat, Vorsorge für sein eigenes Alter treffen möchte oder sogar bereits Rente bezieht und sich dann einer Unterhaltsforderung ausgesetzt sieht, für die nach der natürlichen Generationenfolge die Eltern aufzukommen haben und für die er deshalb nur nachrangig haftet. Den Enkeln des Unterhaltspflichtigen gehen im übrigen sein Ehegatte oder geschiedener Ehegatte, die nach § 1615 l BGB Unterhaltsberechtigten und seine Kinder im Rang vor (§§ 1609 Abs. 1 und 2, 1605 l Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BGB).
24
In tatsächlicher Hinsicht würde die Notwendigkeit, nicht unerhebliche Abstriche von dem derzeitigen Lebensstandard hinzunehmen, auf eine übermäßige Belastung des Unterhaltspflichtigen hinauslaufen. Er ist gehalten, soweit noch möglich, Vorsorge für seine weiteren Lebensjahre, auch unter Berücksichtigung einer eventuell eintretenden Pflegebedürftigkeit, zu treffen. Das gilt insbesondere , wenn er seinen Abkömmling im Fall der Bedürftigkeit nicht seiner- seits auf Zahlung von Elternunterhalt wird in Anspruch nehmen können, weil dieser schon keinen Kindesunterhalt gezahlt hat.
25
Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Wenn Eltern außerstande sind, ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Bedarfs Unterhalt für ein Kind zu leisten, kommt gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB die Haftung eines anderen unterhaltspflichtigen Verwandten in Betracht. Das kann auch ein Großelternteil sein (ebenso MünchKomm/Luthin 4. Aufl. § 1603 Rdn. 81). Eine unterschiedslose Festsetzung des angemessenen Selbstbehalts der Eltern und der Großeltern würde aber dazu führen, daß ein minderjähriges Kind seinen leistungsfähigen Großvater schon dann in Anspruch nehmen könnte, wenn seinem Vater infolge der Unterhaltsleistung weniger als - derzeit - 1.000 € verblieben und die Mutter nicht leistungsfähig ist. Wegen ihrer nur nachrangigen Verpflichtung müssen sich Großeltern indessen finanziell nicht in demselben Maße einschränken wie Eltern, zumal sie - anders als diese gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB - nicht gesteigert unterhaltspflichtig sind. Unbillige Ergebnisse können dadurch vermieden werden, daß der Selbstbehalt anderer unterhaltspflichtiger Verwandter als der Eltern, insbesondere der Großeltern, mit einem gegenüber dem angemessenen Selbstbehalt erhöhten Betrag angesetzt wird (so auch Wendl/Scholz aaO § 6 Rdn. 273; Luthin/Seidel Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 5042; Luthin FamRB 2004, 177, 178).
26
Der Umstand, daß der unterhaltsrechtlichen Verantwortung von Großeltern ein geringeres Gewicht zukommt, wird auch durch den ihnen sozialhilferechtlich zugebilligten Schutz deutlich: Ein gesetzlicher Forderungsübergang von Unterhaltsansprüchen gegen Großeltern findet nach § 91 Abs. 1 Satz 2 BSHG bzw. § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht statt.
27
d) Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn Großeltern im Fall der Inanspruchnahme auf Unterhalt für ihre Enkel zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zugebilligt werden, die auch erwachsene Kinder gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern verteidigen können (ebenso OLG Koblenz OLG-Report 2005, 22, 23 f.; OLG Schleswig FamRZ 2004, 1058, 1060 mit Anmerkung Luthin und OLG-Report 2004, 429; OLG Hamm FamRZ 2005, 57, 58; Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 273; Schwab in Schwab/Henrich Familiäre Solidarität S. 55 und 53 f.; Lipp NJW 2002, 2201, 2204 f.; vgl. auch Luthin FamRB 2005, 19, 21; gegenüber volljährigen Enkeln: Wendl/Pauling aaO § 6 Rdn. 20; Luthin/Seidel aaO Rdn. 5041; Gerhardt aaO 6. Kap. Rdn. 208 b; für eine großzügige Bemessung des Selbstbehalts: OLG Oldenburg NJW-RR 2000, 2516). Das gilt auch gegenüber minderjährigen Enkeln. Zwar sind diese in der Regel nicht in der Lage, ihren Lebensbedarf selbst zu decken. Deshalb ordnet das Gesetz in § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB an, daß ihnen gegenüber eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht. Die vorgenannte Bestimmung gilt aber nur im Verhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern. Für Großeltern besteht dagegen keine gesteigerte Unterhaltspflicht, sondern sie haften allein unter Berücksichtigung ihres angemessenen Eigenbedarfs, und zwar nachrangig. Das rechtfertigt es, ihnen generell die erhöhten Selbstbehaltsbeträge zuzubilligen. Auf die Frage, ob Großeltern das nach Abzug des Selbstbehalts verbleibende bereinigte Einkommen grundsätzlich nur zur Hälfte für den Unterhalt von Enkeln einzusetzen haben oder ob dies nur im Verhältnis zu volljährigen Enkeln gilt (so OLG Koblenz aaO), kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
28
2. Die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung des bis 31. Juli 2000 bestehenden Wohnvorteils, den das Berufungsgericht durch Abzug der Darlehensraten von dem als unstreitig fest- gestellten Wohnwert von monatlich 585 DM ermittelt hat. Daß ein zu geringer Wohnwert des ehemals im Miteigentum der Großeltern stehenden Hauses zugrunde gelegt worden sei, macht die Revision nicht geltend. Den Abzug der vollständigen Darlehensraten, also sowohl des Zins- als auch des Tilgungsanteils , hat der Senat bei der Inanspruchnahme eines Unterhaltspflichtigen auf Zahlung von Elternunterhalt jedenfalls dann für rechtsbedenkenfrei gehalten, wenn und soweit sich die Verbindlichkeiten und die hieraus resultierenden Annuitäten in einer im Verhältnis zu den vorhandenen Einkünften angemessenen Höhe halten und die Verpflichtungen bereits zu einer Zeit eingegangen wurden, als der Unterhaltspflichtige noch nicht damit zu rechnen brauchte, für den Unterhalt seiner Eltern aufkommen zu müssen (Senatsurteil vom 19. März 2003 - XII ZR 123/00 - FamRZ 2003, 1179, 1180 ff.). Maßgebend dafür war die Erwägung , daß der Unterhaltspflichtige andernfalls gezwungen sein könnte, das Familienheim zu verwerten, was ihm im Verhältnis zu seinen Eltern nicht obliegt.
29
Diese Bewertung gilt für die hier vorliegende Fallgestaltung des Verwandtenunterhalts gleichermaßen, wie sich zum einen aus den in der vorgenannten Entscheidung angeführten Gründen und zum anderen aus den vorstehenden Erwägungen zum Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Großelternteils bei der Inanspruchnahme auf Zahlung von Unterhalt für einen Enkel ergibt. Danach begegnet es keinen Bedenken, daß das Berufungsgericht die ohnehin geringen Darlehensraten von insgesamt 137,63 DM monatlich als abzugsfähig anerkannt hat. Anhaltspunkte dafür, daß die Verbindlichkeiten erst nach Eingang der an den Beklagten gerichteten Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 27. Februar 2000 begründet wurden, sind nicht ersichtlich.
30
3. a) Zu den nach § 1603 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden sonstigen Verbindlichkeiten des Beklagten gehört, wie das Berufungsgericht nicht ver- kannt hat, die Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau, soweit diese nicht über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt. Der Beklagte schuldet ihr insoweit gemäß §§ 1360, 1360 a BGB Familienunterhalt. Dieser Unterhaltsanspruch läßt sich zwar nicht ohne weiteres nach den zum Ehegattenunterhalt nach Trennung oder Scheidung entwickelten Grundsätzen bemessen. Denn er ist nach seiner Ausgestaltung nicht auf die Gewährung einer - frei verfügbaren - laufenden Geldrente für den jeweils anderen Ehegatten, sondern vielmehr als gegenseitiger Anspruch der Ehegatten darauf gerichtet, daß jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funktion leistet. Seinem Umfang nach umfaßt der Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360 a BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und eventueller Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt sich aber nach den ehelichen Lebensverhältnissen , so daß § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen werden kann (Senatsurteil vom 22. Februar 1995 - XII ZR 80/94 - FamRZ 1995, 537 und vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - FamRZ 2003, 363 m.Anm. Scholz aaO S. 514). Es begegnet deshalb keinen Bedenken, den - hier maßgeblichen - Anspruch auf Familienunterhalt im Fall der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen auf die einzelnen Familienmitglieder aufzuteilen und in Geldbeträgen zu veranschlagen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 864 m.w.N.).
31
b) Bei einem auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen hat der Senat die Auffassung vertreten, daß der Unterhaltsanspruch des Ehegatten nicht auf einen Mindestbetrag beschränkt ist, sondern nach den individuell ermittelten Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen, die den ehelichen Lebensstandard bestimmen, zu bemessen ist (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da der Ehegatte zudem dem Schwiegerelternteil gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist, braucht er mit Rücksicht auf dessen - gemäß § 1609 BGB nachrangige - Unterhaltsansprüche keine Schmälerung seines angemessenen Anteils am Familienunterhalt hinzunehmen. Für ihn ist deshalb nicht von vornherein nur ein bestimmter Mindestbetrag anzusetzen, sondern der nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse bemessene Unterhalt (Senatsurteil vom 19. Februar 2003 aaO S. 865).
32
Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau nach den ehelichen Lebensverhältnissen stellt sich allerdings die Frage, ob diese bereits durch Unterhaltsleistungen für einen Elternteil geprägt waren. Denn der Unterhaltsanspruch eines Ehegatten kann auch durch Unterhaltsansprüche nachrangig Berechtigter eingeschränkt werden, soweit die sich aus einem entsprechenden Vorwegabzug ergebende Verteilung der zum Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu einem Mißverhältnis hinsichtlich des wechselnden Bedarfs der Beteiligten führt. Dabei kann auch schon die latente Unterhaltslast für einen Elternteil die ehelichen Lebensverhältnisse mitbestimmen (Senatsurteile vom 19. Februar 2003 aaO S. 865 und vom 25. Juni 2003 - XII ZR 63/00 - FamRZ 2004, 186, 187 f.).
33
c) Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich von einer solchen auf Inanspruchnahme auf Elternunterhalt dadurch, daß auch der nicht in Anspruch genommene Großelternteil mit dem Enkel - anders als die Ehefrau mit der Schwiegermutter - verwandt ist und ihm - Leistungsfähigkeit unterstellt - deshalb ebenfalls unterhaltspflichtig sein kann. Mit Rücksicht hierauf kann für beide Großelternteile bei absehbarem Ausfall eines vorrangig Unterhaltspflichtigen Anlass bestehen, sich darauf einzustellen, für den Unterhalt eines Enkels in Anspruch genommen zu werden (ebenso Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 2 Rdn. 273; vgl. auch Luthin FamRB 2005, 19, 21 f.; anderer Ansicht Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 5. Aufl. 6. Kap. Rdn. 208 b).
34
Durch eine solche latent bestehende Unterhaltspflicht sind die ehelichen Lebensverhältnisse der Großeltern nach den getroffenen Feststellungen geprägt gewesen. Denn ihr Sohn hat seit Erlaß des Versäumnisurteils am 9. Juli 1999 keinen Unterhalt gezahlt und war offensichtlich schon zuvor arbeitslos. Das hat zur Folge, daß - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - der der Ehefrau des Beklagten zustehende Familienunterhalt nicht als Quote von ½ der Differenz der beiderseitigen Einkünfte, sondern nur mit einem Mindestbedarfssatz in Ansatz zu bringen ist, von dem ihr Einkommen abzusetzen ist.
35
d) Dieser Mindestbedarfssatz ist indessen nicht mit dem notwendigen Eigenbedarf anzusetzen, wie er in den Unterhaltstabellen für einen Ehegatten vorgesehen ist, der mit dem Unterhaltspflichtigen in einem gemeinsamen Haushalt lebt (vgl. etwa B VI der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Juli 1999, die für den nicht erwerbstätigen Ehegatten einen notwendigen Eigenbedarf von 950 DM vorsieht). Vielmehr kann die Ehefrau des Beklagten verlangen, daß auch für sie der angemessene Eigenbedarf veranschlagt wird. Dieser ist in der Düsseldorfer Tabelle - unter Berücksichtigung der durch das Zusammenleben mit dem Unterhaltspflichtigen eintretenden Haushaltsersparnis - im Rahmen des Elternunterhalts mit mindestens 1.750 DM (unter B I) vorgesehen. Da die Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden (Stand: 1. Juli 1999) einen entsprechenden Betrag nicht enthalten, kann dieser in Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle ermittelt werden. Ausgehend von dem in den Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden vorgesehenen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen von 2.055 DM und dem entsprechenden Betrag der Düsseldorfer Tabelle von 2.250 DM errechnet sich ein Eigenbedarf von rund 1.600 DM (2.055 : 2.250 x 1.750). Hierauf ist das eigene Einkommen der Großmutter anzurechnen , das unter Berücksichtigung des Wohnvorteils bis zum 30. Juni 2000 monatlich 1.507,89 DM und ab 1. Juli 2000 monatlich 1.537,83 DM betrug, so daß ein ungedeckter Bedarf von 92 DM bzw. von 62 DM (jeweils gerundet) verbleibt.
36
4. Danach erweist sich die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei durchgehend zu Unterhaltsleistungen an die Klägerin außerstande gewesen, als unzutreffend, auch wenn zu Recht davon abgesehen worden ist, den Selbstbehalt des Beklagten deshalb herabzusetzen, weil er preisgünstiger wohnte, als es der in den Mindestselbstbehalten eingearbeiteten Warmmiete entspricht (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2003 aaO S. 189). Bis Juni 2000 war der Beklagte zu monatlichen Unterhaltszahlungen von (2.092,55 DM + 223,69 DM = 2.316,24 DM - 2.055 DM - 92 DM) 169,24 DM und für Juli 2000 von (2.109,56 DM + 223,69 DM = 2.333,25 DM - 2.055 DM - 62 DM) 216,25 DM in der Lage. Erst ab August 2000 war der Beklagte nicht mehr leistungsfähig, da sein Einkommen unter dem ihm an seinem neuen Wohnort in Niedersachsen zuzubilligenden Selbstbehalt von 2.450 DM lag.
37
5. Gleichwohl ist das Berufungsurteil im Ergebnis zutreffend. Das Berufungsgericht ist nämlich zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin zu den Voraussetzungen einer Ersatzhaftung des Beklagten nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat, auch wenn es seine Entscheidung letztlich nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat.
38
§ 1607 Abs. 2 Satz 1 BGB begründet eine Unterhaltspflicht des nachrangig haftenden Verwandten, wenn die Rechtsverfolgung gegen den vorrangig Haftenden im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Voraussetzung ist mithin zunächst, daß der nähere Verwandte an sich leistungsfähig ist, was im vorliegenden Fall jedenfalls in Höhe einer möglichen Inanspruchnahme des Beklagten zu bejahen ist. Denn der Vater der Kläger hat nach dem ihm ge- genüber ergangenen Versäumnisurteil monatlichen Kindesunterhalt von 341 DM zu zahlen.
39
Ausgeschlossen oder zumindest erheblich erschwert ist die Rechtsverfolgung etwa, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem - auf der Zurechnung fiktiven Einkommens beruhenden - Vollstreckungstitel keinen Unterhalt erlangen kann, weil der Unterhaltspflichtige kein vollstreckungsfähiges Vermögen besitzt oder von dem Berechtigten nicht erwartet werden kann, die Zwangsvollstreckung in auch ihm dienende Vermögenswerte (etwa ein von ihm mitbewohntes Haus) zu betreiben (vgl. OLG Hamm FamRZ 2005, 57; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 971, 973; MünchKomm/Luthin aaO § 1607 Rdn. 5; Staudinger/ Engler BGB Neubearbeitung 2000 § 1407 Rdn. 21; Erman/Hammermann BGB 11. Aufl. § 1607 Rdn. 10; Palandt/Diederichsen BGB 64. Aufl. § 1607 Rdn. 11).
40
Daß Vollstreckungsversuche gegen ihren Vater erfolglos waren, hat die Klägerin nach den getroffenen Feststellungen nicht vorgetragen. Sie hat auch nicht dargetan, daß ihr Vater kein vollstreckungsfähiges Vermögen besitze, sondern sich auf die Angabe beschränkt, die Zwangsvollstreckung sei gegen ihn nicht erfolgversprechend, weil sein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze der §§ 850 c, 850 d ZPO liege. Das genügte zur Darlegung einer Ersatzhaftung des Beklagten gemäß § 1607 Abs. 2 BGB nicht.
Hahne Sprick Weber-Monecke RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist Dose krankheitsbedingt an der Unterschriftsleistung verhindert. Hahne

Vorinstanzen:
AG Freiberg, Entscheidung vom 27.09.2002 - 1 F 283/00 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 06.02.2003 - 10 UF 771/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 35/04 Verkündet am:
3. Mai 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Dr. Ahlt und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte, seine Großmutter väterlicherseits, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch.
2
Der am 25. Oktober 1987 geborene Kläger, der bei seiner Mutter lebt, befindet sich in der allgemeinen Schulausbildung. Sein Vater hatte sich durch Urkunde des Rates des Kreises P. vom 1. Dezember 1987 verpflichtet, für den Kläger bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres monatlichen Unterhalt von 90 M/DDR und für die Zeit danach von 105 M/DDR zu zahlen. Durch Urteil vom 31. Dezember 1992 ist er in Abänderung dieser Urkunde zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 285 DM ab Juli 1992 verurteilt worden. Mit einer von ihm erhobenen Abänderungsklage hat der Vater den Wegfall dieser Unterhaltsverpflichtung mangels Leistungsfähigkeit begehrt.
3
Die 1927 geborene, verwitwete Beklagte ist Rentnerin. Ihr Renteneinkommen belief sich - jeweils durchschnittlich im Monat und gerundet - auf 1.303 € im Jahr 2001, auf 1.337 € im Jahr 2002 und auf 1.360 € im Jahr 2003.
4
Der Kläger hat Zahlung monatlichen Unterhalts in Höhe von 487 DM bzw. 249 € für die Zeit ab Oktober 2001 verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hält sich mit Rücksicht auf den ihr zuzubilligenden Selbstbehalt sowie den ihr entstehenden krankheitsbedingten Mehrbedarf nicht für leistungsfähig.
5
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin Klageabweisung erstrebt hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe von 25,56 € monatlich für die Zeit von (richtig) Dezember 2001 bis Dezember 2002 und in Höhe von monatlich 50 € für die Zeit von Januar bis November 2003 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Schlussantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist nicht begründet.
7
1. Das Oberlandesgericht hat die Frage offen gelassen, ob die Voraussetzungen einer Ersatzhaftung der Beklagten gemäß § 1607 Abs. 1 oder 2 BGB erfüllt sind. Es hat ebenfalls dahinstehen lassen, ob der Kläger mit Rücksicht auf die anteilige Haftung gleichnaher Verwandter gemäß § 1606 Abs. 3 BGB auch zu den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Großmutter mütterlicherseits , deren Ehemann verstorben ist, hätte vortragen müssen. Auf beides komme es nicht an, da die Beklagte jedenfalls nicht leistungsfähig sei. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt: Von dem Renteneinkommen der Beklagten sei zunächst ihr alters- bzw. behinderungsbedingter Mehrbedarf abzuziehen. Ein solcher Mehrbedarf sei angesichts der in erster Instanz vorgelegten ärztlichen Atteste und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte zunächst zu 50 % und seit dem 27. August 2002 zu 60 %, jeweils mit dem Merkzeichen "G", schwerbehindert sei, anzunehmen. Ob die Beklagte darüber hinaus eine Haushaltshilfe benötige, bedürfe keiner Entscheidung. Denn schon unter Berücksichtigung der von ihr beispielhaft genannten Aufwendungen sei im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) davon auszugehen, dass jedenfalls ein Mehraufwand in dem vom Amtsgericht angenommenen Umfang von 110 € monatlich anfalle. Bereits bei Abzug dieses Betrages sei die Beklagte nicht leistungsfähig. Ihr müsse nach § 1603 Abs. 1 BGB der angemessene Selbstbehalt verbleiben. Dieser sei mit Rücksicht auf ihren Wohnort im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe an sich unter Heranziehung der Süddeutschen Leitlinien zu bemessen, so dass - nach deren Nr. 21.3.1, Stand: 1. Juli 2003 - gegenüber Enkeln von einem Selbstbehalt von 1.000 € auszugehen sei. Es sei allerdings gerechtfertigt, den auf Unterhalt in Anspruch genommenen Großeltern einen erhöhten angemessenen Selbstbehalt zuzubilligen, wie er auch für Kinder im Verhältnis zu ihren unterhaltsbedürftigen Eltern gelte. Deshalb sei ein Betrag von 1.250 € zugrunde zu legen, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibe. Das um den Mehrbedarf bereinigte Einkommen der Beklagten übersteige aber bereits den Betrag von 1.250 € nicht (1.193 € im Jahr 2001, 1.227 € im Jahr 2002 und 1.250 € ab 2003).
8
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
9
2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist, weil sie außerstande ist, ihm ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren.
10
a) Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn Großeltern im Fall der Inanspruchnahme auf Unterhalt für ihre Enkel zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zugebilligt werden, die auch erwachsene Kinder gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern verteidigen können. Das gilt auch gegenüber minderjährigen Enkeln. Zwar sind diese in der Regel nicht in der Lage, ihren Lebensbedarf selbst zu decken. Deshalb ordnet das Gesetz in § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB an, dass ihnen gegenüber eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht. Die vorgenannte Bestimmung gilt aber nur im Verhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern. Für Großeltern besteht dagegen keine gesteigerte Unterhaltspflicht , sondern sie haften allein unter Berücksichtigung ihres angemessenen Eigenbedarfs, und zwar nachrangig. Das rechtfertigt es, ihnen generell die erhöhten Selbstbehaltsbeträge, wie sie auch im Rahmen des Elternunterhalts gelten, zuzubilligen (Senatsurteil vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - FamRZ 2006, 26, 28 m. Anm. Duderstadt FamRZ 2006, 30 f. und Luthin FamRB 2006, 4 f. und FF 2006, 54 f.).
11
Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht den Selbstbehaltsbetrag zugrunde gelegt, der gegenüber der Inanspruchnahme durch Eltern verteidigt werden kann. Dieser beläuft sich nach den Süddeutschen Leitlinien für den hier maßgeblichen Zeitraum - bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - auf 1.250 €, wobei allerdings für die Zeit bis 30. Juni 2003 für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige nur ein Selbstbehalt von 1.130 € vorgesehen war. Dass das Berufungsgericht diese Differenzierung nicht herangezogen , sondern durchgehend auf den Betrag von 1.250 € abgestellt hat, wie er etwa auch in der Düsseldorfer Tabelle bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt vorgesehen ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
12
b) Die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens der Beklagten ist ebenfalls rechtsbedenkenfrei. Das Berufungsgericht hat die jeweiligen Renteneinkünfte der Beklagten errechnet und - insoweit ihrem Vortrag folgend - hiervon einen aus den im Einzelnen angegebenen Gründen angenommenen und auf monatlich jedenfalls 110 € geschätzten alters- bzw. behinderungsbedingten Mehrbedarf in Abzug gebracht. Dagegen erinnert auch die Revision nichts.
13
c) Da das sodann verbleibende Einkommen der Beklagten (1.193 € im Jahr 2001, 1.227 € im Jahr 2002 und 1.250 € ab 2003) den jeweiligen Selbstbehalt unterschreitet bzw. diesem entspricht, schuldet sie dem Kläger mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt. Die Frage, ob Großeltern das ihnen nach Abzug des Selbstbehalts zur Verfügung stehende bereinigte Einkommen grundsätzlich nur zur Hälfte für den Unterhalt von Enkeln einzusetzen haben oder ob dies nur im Verhältnis zu volljährigen Eltern gilt, bedarf deshalb auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Hahne Sprick Weber-Monecke Ahlt Dose

Vorinstanzen:
AG Perleberg, Entscheidung vom 13.11.2002 - 19 F 228/01 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 15.01.2004 - 10 UF 267/02 -