Bundessozialgericht Beschluss, 04. Juli 2017 - B 10 EG 20/16 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:040717BB10EG2016B0
bei uns veröffentlicht am04.07.2017

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens Gewährung weiteren Elterngelds für ihre am 18.4.2009 geborenen Zwillinge S. und S.

2

Der Beklagte gewährte der Klägerin antragsgemäß Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat der Zwillinge von 300 Euro unter Berücksichtigung des Mehrlingszuschlags (Bescheid vom 21.7.2009).

3

Am 14.1.2015 begehrte die Klägerin zusätzliches Elterngeld mit Blick auf die zwischenzeitlich ergangene Zwillingsrechtsprechung des Senats. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Für länger als vier Jahre zurückliegende Zeiträume könne Elterngeld nicht gewährt werden (Bescheid vom 15.1.2015, Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, § 44 Abs 4 SGB X schließe die Gewährung weiterer Leistungen im Fall der Klägerin aus. Das gelte nach der Rechtsprechung des BSG auch für eine eventuelle Gewährung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Beklagte habe es ohnehin nicht treuwidrig unterlassen, im Fall der Klägerin von Amts wegen rechtzeitig ein Überprüfungsverfahren einzuleiten. Im Übrigen würde selbst ein treuwidriges Unterlassen nichts am Leistungsausschluss durch die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs 4 SGB X ändern(Urteil vom 15.11.2016).

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil eine grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

7

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG)beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit dem Wortlaut der entscheidungserheblichen Norm, ihrem gesetzlichen Kontext sowie der vorinstanzlichen Entscheidung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzen (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 50 mwN). Daran fehlt es.

8

Die Beschwerde meint, es komme darauf an, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X von Amts wegen einzuleiten. Damit diskutiert sie aber nur den Einzelfall der Klägerin, ohne mit der hinreichenden Klarheit eine darüber hinausgehende, allgemeine Rechtsfrage aufzuwerfen.

9

Die Beschwerde hält es für klärungsbedürftig,

ob die zuständige Behörde einen unanfechtbaren Verwaltungsakt auch dann nicht mit Wirkung für die Vergangenheit von Amts wegen zurückzunehmen brauche, wenn sie durch Entscheidungen, die in Parallelverfahren ergangen seien, erfahren habe, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien.

10

Insoweit setzt die Beschwerde sich aber bereits nicht ausreichend mit dem Wortlaut der Norm des § 44 Abs 1 S 1 SGB X auseinander. Danach muss sich die unrichtige Rechtsanwendung bzw das Ausgehen von einem unrichtigen Sachverhalt gerade im Einzelfall ergeben. Nach der Rechtsprechung des BSG befreit diese Voraussetzung den Leistungsträger von der Verpflichtung, regelmäßig oder aus besonderem Anlass den gesamten Aktenbestand daraufhin zu überprüfen, ob sich ein Anlass zu einem Vorgehen nach § 44 SGB X ergibt(BSG Urteil vom 26.1.1988 - 2 RU 5/87 - BSGE 63, 18 = SozR 1300 § 44 Nr 31; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 5/17, § 44 RdNr 56; Baumeister in juris-PK SGB X, 1. Aufl 2013, § 44 SGB X RdNr 133 mwN). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und zeigt daher keinen höchstrichterlichen Klärungsbedarf auf.

11

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang behauptet, das LSG widerspreche mit seiner Rechtsauffassung der Kommentierung von Schütze, weil es dessen Auffassung als zu pauschal bezeichnet hat, hat sie diesen vermeintlichen Widerspruch nicht substantiiert dargelegt. Tatsächlich betont Schütze, die Behörde sei nicht verpflichtet, auch nicht aufgrund einer neuen Rechtslage, Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Aus der Formulierung im Einzelfall ergebe sich, dass sich konkret in der Bearbeitung eines Falls ein Anhaltspunkt für eine Aufhebung ergeben haben müsse (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 44 RdNr 39 mwN).

12

Die Beschwerde hält es außerdem für klärungsbedürftig,

ob in Fällen, in denen die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts von Amts wegen geboten ist, für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nicht die unterlassene Rücknahme, sondern der Zeitpunkt der tatsächlichen Rücknahme von Amts wegen maßgeblich sei.

13

Dabei setzt sie sich aber nicht hinreichend mit dem angefochtenen Urteil auseinander, das zu Recht den Wortlaut des § 44 Abs 4 S 2 SGB X hervorhebt. Danach wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Die Beschwerde führt nicht aus, unter welchem methodischen Gesichtspunkt das BSG diesen Wortlaut anders auslegen sollte, als es das LSG getan hat.

14

Die Beschwerde fragt weiter,

ob auch in Fällen treuwidrig unterlassener Rücknahme des Verwaltungsakts überhaupt eine Frist läuft und ab wann eine Frist ggf zu berechnen wäre.

15

Indes hat die Beschwerde weder hinreichend substantiiert dargelegt, aus welchen Vorschriften oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine solche Treuwidrigkeit abzuleiten sein könnte, noch, warum die Beklagte sich gegenüber der Klägerin überhaupt treuwidrig verhalten haben sollte. Nach den für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG hatte sich im Fall der Klägerin kein konkreter Anlass für ein Aufgreifen des Überprüfungsverfahrens von Amts wegen ergeben. Insbesondere hatte zwischen der Elterngeldbewilligung und dem Überprüfungsantrag der Klägerin überhaupt keine irgendwie veranlasste Aktenbearbeitung stattgefunden.

16

Unabhängig davon geht die Beschwerde nicht ausreichend auf die vom LSG zutreffend zitierte Rechtsprechung des BSG ein. Danach kommt der Herstellungsanspruch auch dann nicht zur Anwendung, wenn es um Leistungen geht, die länger als vier Jahre zurückliegen. Selbst wenn die Versäumung der Frist des § 44 Abs 4 SGB X auf einem Fehlverhalten der Behörde beruht, kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht zu einer mehr als vier Jahre rückwirkenden nachträglichen Leistungspflicht führen. Denn die Verletzung einer Nebenpflicht kann nicht weiterreichende Folgen haben als die Verletzung der Hauptpflicht (BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 23/13 R - Juris mwN; Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 67). Mit diesen Entscheidungen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und führt daher auch nicht aus, warum sich damit nicht die von ihr für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen beantworten lassen.

17

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

18

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

19

2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 04. Juli 2017 - B 10 EG 20/16 B

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Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder
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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 169


Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

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Bundessozialgericht Urteil, 24. Apr. 2014 - B 13 R 23/13 R

bei uns veröffentlicht am 24.04.2014

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
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Sozialgericht Augsburg Urteil, 20. Nov. 2017 - S 8 AS 794/17

bei uns veröffentlicht am 20.11.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Der Kläger begehrt die Nachzahlung unterbliebener Sozialleistungen und Schadensersatz im Wege eines Amts

Referenzen

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen früheren Beginn der ab Januar 2006 gewährten Erziehungsrente.

2

Die Ehe der 1956 geborenen Klägerin mit dem Versicherten wurde Ende 2000 geschieden. Aus der Ehe stammt der 1994 geborene Sohn. Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet.

3

Der Versicherte verstarb am 29.6.2001. Auf den Antrag der Klägerin vom Juli 2001 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Halbwaisenrente für ihren Sohn. Ein Hinweis der BfA auf die Möglichkeit des Antrags auf Erziehungsrente nach § 47 SGB VI erfolgte nicht.

4

Auf den erst im Dezember 2010 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin Erziehungsrente (Bescheid vom 20.4.2011) für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 31.7.2012 (dem Monatsende der Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes). Ab Mai 2011 ergab sich ein laufender Rentenzahlbetrag iHv 441,14 Euro monatlich und für die Zeit vom 1.1.2006 bis 30.4.2011 eine einmalige Nachzahlung von 29 435 Euro. Die Beklagte ging - wegen des unterbliebenen Hinweises der BfA auf die Möglichkeit eines Antrags auf Erziehungsrente im Juli 2001 - von einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus und begrenzte die rückwirkend zu leistende Erziehungsrente auf einen Zeitraum von vier Jahren.

5

Der Widerspruch, mit dem die Klägerin eine Rentenzahlung bereits ab Juli 2001 beanspruchte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011), ebenso das Klage- und Berufungsverfahren (Urteile des SG Gelsenkirchen vom 25.4.2012 und des LSG vom 24.5.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil es - wie schon die Beklagte und das SG - von einer analogen Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgegangen ist und sich hierfür auf Rechtsprechung des BSG berufen hat(Hinweis auf BSG 4b/9a. Senat vom 11.4.1985 - 4b/9a RV 5/84 - SozR 1300 § 44 Nr 17; BSG 11a. Senat vom 9.9.1986 - 11a RA 28/85 - BSGE 60, 245 = SozR 1300 § 44 Nr 24; BSG 1. Senat vom 21.1.1987 - 1 RA 27/86 - SozR 1300 § 44 Nr 25; BSG 14. Senat vom 28.1.1999 - B 14 EG 6/98 B - SozR 3-1300 § 44 Nr 25; BSG 9. Senat vom 14.2.2001 - B 9 V 9/00 R - BSGE 87, 280 = SozR 3-1200 § 14 Nr 31; BSG 13. Senat vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R - BSGE 98, 162 = SozR 4-1300 § 44 Nr 9). Für die Begrenzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch analoge Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X bei Beratungsfehlern in einem Erstfeststellungsverfahren spreche, dass die Interessenlage mit der bei nachträglicher Korrektur eines bindenden belastenden Verwaltungsakts(§ 44 SGB X in direkter Anwendung)vergleichbar sei. Der 9. Senat (aaO) habe zu Recht darauf verwiesen, dass der Herstellungsanspruch, der die Verletzung einer Nebenpflicht des Leistungsträgers (zB Beratung) sanktioniere, nicht weiter reichen könne als der Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB X als Rechtsfolge der Verletzung einer Hauptpflicht (Leistungsgewährung durch rechtmäßigen Verwaltungsakt). Der 13. Senat (aaO) habe diese Argumentation dahin ergänzt, dass die Vermeidung unterschiedlicher Rechtsfolgen im Grenzbereich beider Rechtsinstitute für eine Gleichbehandlung beider Fallkonstellationen spreche. Hinzu komme, dass der Herstellungsanspruch auf gesetzlich zulässige Amtshandlungen beschränkt sei; bei der nachträglichen Leistungsgewährung seien deshalb auch gesetzliche Ausschlussfristen zu beachten. Insofern könne, worauf der 1. Senat (aaO) zutreffend hingewiesen habe, der neben dem Korrekturanspruch aus § 44 SGB X bestehende Herstellungsanspruch auch nicht über den gesetzlichen Anspruch(aus § 44 SGB X) hinausgehen. Schließlich spreche - so der 11a. Senat (aaO) - für die analoge Anwendung und damit zeitliche Begrenzung der Rückwirkung des Herstellungsanspruchs im Rahmen der Erstfeststellung auch die Aktualität der Sozialleistungen, die im Wesentlichen dem laufenden Unterhalt des Berechtigten dienten sowie das Interesse des Leistungsträgers an einer Überschaubarkeit seiner Leistungsverpflichtungen.

6

Demgegenüber seien die vom 4. Senat des BSG gegen die analoge Anwendung von § 44 Abs 4 SGB X vorgebrachten Argumente (Verweis auf BSG 4. Senat vom 2.8.2000 - B 4 RA 54/99 R - SozR 3-2600 § 99 Nr 5 und vom 6.3.2003 - B 4 RA 38/02 R - BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1)nicht überzeugend. Soweit der 4. Senat darauf verweise, dass der Gesetzgeber mit § 99 SGB VI, § 44 Abs 4 SGB X und § 45 SGB I ein in sich stimmiges und lückenfreies Regelungskonzept für das Rentenversicherungsrecht ausgestaltet habe, das einer richterrechtlichen Ergänzung oder gar Durchbrechung nicht offenstehe, sei nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber bisher von einer gesetzlichen Regelung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs abgesehen habe. Auch aus dem Gebot, die sozialen Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen (§ 2 Abs 2 SGB I), könne nicht abgeleitet werden, auf den Herstellungsanspruch lediglich die Verjährungsregelung des § 45 SGB I, nicht jedoch die Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X anzuwenden. Bereits die Begründung des Herstellungsanspruchs durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung (Schließung einer Lücke im Schadensersatzrecht) sei eine Begünstigung gegenüber der Gesetzeslage (Hinweis auf Senatsurteil vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R - BSGE 98, 162 = SozR 4-1300 § 44 Nr 9). Die von der Klägerin angeführte, dem 4. Senat des BSG folgende Entscheidung des SG Freiburg (vom 4.11.2009 - S 19 R 4538/08 - Juris) stehe dem nicht entgegen.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die entsprechende Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der Anwendungsbereich der Norm sei auf die Fälle der Korrektur von Verwaltungsakten beschränkt. Die Vorschrift sei weder Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, noch sei eine analoge Anwendung auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geboten. Daher sei der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zu folgen. § 44 Abs 4 SGB X finde im hier vorliegenden Erstfeststellungsverfahren keine Anwendung.

8

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2013 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. April 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2011 zu verurteilen, ihr Erziehungsrente nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB VI bereits ab dem 1. Juli 2001 zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt die Entscheidungen der Vorinstanzen und verweist ergänzend darauf, dass sich Umfang und Grenzen des auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs an der Rechtsordnung als Ganzes zu orientieren hätten. Hierzu gehöre wegen der strukturellen Ähnlichkeit zu § 44 SGB X auch die Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB X.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

12

Die Vorinstanzen haben zu Recht die auf einen früheren Rentenbeginn gerichtete Anfechtungs-und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Erziehungsrente für die Zeit vor Januar 2006.

13

Auf der Grundlage der bindenden Tatsachenfeststellung des LSG (§ 163 SGG)hat die Klägerin einen Anspruch auf rückwirkende Leistung der Erziehungsrente wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch Verletzung von Beratungspflichten im Juli 2001 (§§ 14, 15 SGB I). Die Beklagte hat ihr daher zu Recht auf ihren im Dezember 2010 gestellten Antrag rückwirkend Leistungen ab Januar 2006 gewährt. Der Klägerin steht kein weitergehender Leistungsanspruch - bereits ab Juli 2001 - zu, als ihn die Beklagte im angefochtenen Bescheid anerkannt hat.

14

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest: Wenn ein Berechtigter Anspruch auf rückwirkende Leistungen aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat, werden diese längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend erbracht. Die Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X ist insoweit entsprechend anzuwenden(1.). Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht iS des § 41 Abs 3 SGG von Rechtsprechung anderer Senate des BSG ab(2.).

15

1. Nach § 44 Abs 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist(Satz 1). Dabei wird nach Satz 2 der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt nach Satz 3 bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

16

Zwar kommt § 44 Abs 4 SGB X im vorliegenden Fall nicht unmittelbar zur Anwendung. Denn ein bindender (§ 77 SGG) rechtswidriger Verwaltungsakt, der in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zurückzunehmen wäre, liegt nicht vor. Der Senat hat jedoch bereits entschieden, dass in Erstfeststellungsverfahren, in denen - wie hier - ein Anspruch auf rückwirkende Leistungserbringung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erhoben wird, § 44 Abs 4 SGB X entsprechende Anwendung findet(vgl Senatsurteil vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R - BSGE 98, 162 = SozR 4-1300 § 44 Nr 9). Hieran hält der Senat fest.

17

Bereits in seiner Entscheidung vom 27.3.2007 hat der Senat unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des BSG (BSG 11a. Senat vom 9.9.1986 - 11a RA 28/85 - BSGE 60, 245, 246 ff = SozR 1300 § 44 Nr 24 S 62 ff; BSG 11a. Senat vom 9.9.1986 - 11a RA 10/86 - Juris; BSG 1. Senat vom 21.1.1987 - 1 RA 27/86 - SozR 1300 § 44 Nr 25 S 67 f; BSG 14. Senat vom 28.1.1999 - B 14 EG 6/98 B - SozR 3-1300 § 44 Nr 25 S 60 f; BSG 9. Senat vom 14.2.2001 - B 9 V 9/00 R - BSGE 87, 280, 288 f = SozR 3-1200 § 14 Nr 31 S 114 f; BSG 9. Senat vom 16.12.2004 - B 9 VJ 2/03 R - Juris RdNr 30) auf die vergleichbare Interessenlage bei der nachträglichen Korrektur eines bindenden Verwaltungsakts (§ 44 SGB X) und beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verwiesen. In beiden Fällen wird vom Leistungsträger das Recht unrichtig angewandt, und in beiden Fällen hat dies zur Folge, dass der Leistungsberechtigte nicht die ihm zustehende Leistung erlangt. Einen ins Gewicht fallenden Unterschied hat das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht darin gesehen, dass der Berechtigte einmal einen ablehnenden Verwaltungsakt erhalten, ein andermal dagegen schon im Vorfeld von der Anspruchsverfolgung abgesehen hat. Denn so oder so ist der Leistungsträger gleichermaßen zur Korrektur verpflichtet. Auf ein Verschulden des Leistungsträgers kommt es hier wie dort nicht an; auch der Umfang seiner Verpflichtung ist grundsätzlich der gleiche. Aus diesen Gründen kann es für den zeitlichen Umfang der rückwirkenden Leistung nicht wesentlich sein, ob der Leistungsträger eine Leistung durch Verwaltungsakt zu Unrecht versagt oder er aus anderen ihm zuzurechnenden Gründen den Berechtigten nicht in den Leistungsgenuss kommen lässt; der Berechtigte ist im letzteren Fall keinesfalls schutzwürdiger als im ersten. Die Rechtsähnlichkeit der Fallgruppen erfordert daher die Gleichbehandlung. Der Herstellungsanspruch, der die Verletzung einer Nebenpflicht des Leistungsträgers (zB Beratung) sanktioniert, kann nicht weiter reichen als der Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB X als Rechtsfolge der Verletzung der Hauptpflicht. Für die Gleichbehandlung der Fälle einer nachträglichen Korrektur eines bindenden Verwaltungsakts (§ 44 SGB X) mit denen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs spricht auch, dass hiermit im Grenzbereich beider Rechtsinstitute unterschiedliche Rechtsfolgen vermieden werden (so Senatsurteil vom 27.3.2007, aaO, RdNr 16 bis 19; dem folgend für den Bereich der Ausgleichsleistungen nach dem Recht der beruflichen Rehabilitierung: BVerwG vom 30.6.2011, BVerwGE 140, 103, 112).

18

Die gegenteilige - einen Analogieschluss ablehnende - Rechtsansicht des 4. Senats des BSG (vgl die Nachweise im Einzelnen unter 2.) überzeugt hingegen nicht. Zwar wird argumentiert, dass ein Berechtigter, der einen rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakt erhalten hat, Anlass zu Überlegungen habe, ob hiergegen Rechtsmittel einzulegen seien, demgegenüber wisse der aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Berechtigte typischerweise nichts von seinen Ansprüchen, weil kein Verwaltungsakt ergangen ist. Diese Argumentation wird jedoch durch die Regelung des § 48 Abs 4 SGB X und deren Verweisung auf § 44 Abs 4 SGB X entkräftet. Der Senat hat schon darauf hingewiesen, dass auch hier typischerweise Fallkonstellationen erfasst werden, in denen der Bürger nicht durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt auf ein (fehlerhaftes) Verwaltungshandeln aufmerksam gemacht worden ist (vgl Senatsurteil vom 27.3.2007, aaO, RdNr 25). Demgegenüber tritt in den Hintergrund, dass auch bei Nichtausnutzung einer nach § 48 Abs 1 SGB X für den Betroffenen günstigeren Änderung dieser zumindest den ursprünglichen, von der Änderung betroffenen Bescheid in den Händen hat.

19

Nicht überzeugend ist auch das Argument, dem Analogieschluss stehe entgegen, dass der Normkomplex von § 99 SGB VI, § 44 Abs 4 SGB X und § 45 SGB I ein in sich stimmiges und lückenfreies Regelungskonzept sei, das keiner richterrechtlichen Ergänzung oder gar Durchbrechung bedürfe. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber bisher von einer gesetzlichen Regelung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs abgesehen und die Verantwortung zur näheren Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts weiterhin bei der Rechtsprechung belassen hat. Der Senat folgt ferner nicht der Argumentation, der Rechtsprechung sei verwehrt, den Versicherten eine vollständige Herstellung des grundrechtlich geschützten Zustands mit allen rechtmäßigen und faktisch noch möglichen Mitteln zu verweigern, falls der Rentenversicherungsträger ein derartiges Recht verletzt hat. Denn zwar kann der Herstellungsanspruch auch als Verwirklichung des Gebots verstanden werden, soziale Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen (§ 2 Abs 2 SGB I). Hieraus kann jedoch keine - erst recht keine grundrechtlich bewehrte - Pflicht gefolgert werden, auf den Herstellungsanspruch lediglich die Verjährungsregelung des § 45 SGB I, nicht jedoch die Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X anzuwenden. Denn die Begründung des Herstellungsanspruchs durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung (Schließung einer Lücke im Schadensersatzrecht) stellt bereits eine Begünstigung gegenüber der Gesetzeslage dar und hieran ändert auch die Begrenzung seiner Rückwirkung in entsprechender Anwendung des § 44 SGB X nichts(so Senatsurteil vom 27.3.2007, aaO, RdNr 25, 27, 30).

20

Diese Überlegungen hält der erkennende Senat nach wie vor für ausschlaggebend. Sie stehen insbesondere nicht im Widerspruch zu den Senatsurteilen vom 8.12.2005 (BSGE 95, 300 = SozR 4-2200 § 1290 Nr 1) und 22.10.1996 (BSGE 79, 177, 180 = SozR 3-1200 § 45 Nr 6), in denen der Senat die Herleitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus § 44 Abs 4 SGB X dahingehend, dass die rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen durchweg auf vier Jahre begrenzt ist(so BSG 11a. Senat vom 9.9.1986 - 11a RA 28/85 - BSGE 60, 245, 247 = SozR 1300 § 44 Nr 24 S 63; BSG 1. Senat vom 21.1.1987 - 1 RA 27/86 - SozR 1300 § 44 Nr 25 S 66 f; BSG 14. Senat vom 28.1.1999 - B 14 EG 6/98 B - SozR 3-1300 § 44 Nr 25 S 60 f), abgelehnt hat. Denn den dortigen Fällen lag kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zugrunde. Streitgegenständlich waren vielmehr Ansprüche auf Altersruhegeld, die nach dem bis zum 1.1.1992 geltenden Recht antragsunabhängig entstanden waren, so dass es einer Antragsfiktion über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht bedurfte, und sich somit allein die Frage nach der Verjährung der Ansprüche (§ 45 SGB I) stellte. Die analoge Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X im vorliegenden Fall rechtfertigt sich demgegenüber gerade durch die besondere Nähe der Erstfeststellung mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu den Fällen des § 44 Abs 1 SGB X. So wäre es mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung schwer zu vereinbaren, wenn der Leistungsberechtigte in Fällen, in denen der Leistungsträger die Folgen einer rechtswidrigen Leistungsversagung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 44 SGB X) beseitigen muss, Leistungseinschränkungen für die Vergangenheit hinnehmen muss, hingegen in Fällen, in denen zum Ausgleich vorenthaltener Leistungen aufgrund der Verletzung bloßer (sanktionsloser) Nebenpflichten kraft Richterrechts eine dem geschriebenen Recht vergleichbare "Folgenbeseitigung" angestrebt wird, der Berechtigte weiter zurückreichende Leistungen als im erstgenannten Fall in Anspruch nehmen könnte. Deshalb darf der neben dem Korrekturanspruch aus § 44 SGB X bestehende Herstellungsanspruch nicht über den gesetzlichen Anspruch hinausgehen. Nur dies wird schließlich dem Umstand gerecht, dass sich in zahlreichen Fallgestaltungen die Anwendungsbereiche des § 44 SGB X und des Herstellungsanspruchs so nahe kommen bzw überschneiden, dass eine unterschiedliche Rückwirkung je nach schließlich einschlägiger Rechtsgrundlage nicht nachvollziehbar wäre: Den im Senatsurteil vom 27.3.2007 (aaO, RdNr 19) genannten Beispielsfällen kann noch die Fallkonstellation hinzugefügt werden, dass vorgetragen wird, der Träger habe dem Beschwerdeadressaten Informationen vorenthalten, die ihn zur rechtzeitigen Anfechtung veranlasst hätten (hierzu Hessisches LSG vom 23.8.2013 - L 5 R 359/12 - Juris).

21

Diesem Ergebnis stehen auch keine verfassungsrechtlichen Gründe entgegen. Wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 7.2.2012 - B 13 R 40/11 R - BSGE 110, 97 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2, RdNr 27), ist der Gesetzgeber bei der Regelung der Rechtsbeständigkeit unanfechtbarer Verwaltungsakte zwischen dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem Grundsatz der (materiellen) Gerechtigkeit über das verfassungsrechtlich Gebotene mit der seit 1.1.1981 in Kraft getretenen Regelung von § 44 Abs 1 SGB X bereits hinausgegangen. Zudem ist die Regelung des § 44 Abs 4 SGB X eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende und damit zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums iS des Art 14 Abs 1 S 2 GG(so schon BSG vom 23.7.1986 - 1 RA 31/85 - BSGE 60, 158, 161 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23 S 54). Im Fall der analogen Anwendung der Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X beim richterrechtlich entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann daher kein weitergehender Grundrechtsschutz bestehen.

22

2. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht iS des § 41 Abs 2 SGG von der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteile vom 2.8.2000 - B 4 RA 54/99 R - SozR 3-2600 § 99 Nr 5, vom 6.3.2003 - B 4 RA 38/02 R - BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1 und vom 26.6.2007 - B 4 R 19/07 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 12)ab, in denen der 4. Senat die entsprechende Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X im Rahmen von Erstfeststellungsverfahren, denen ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zugrunde liegt, ablehnt.

23

Eine Vorlage wegen abweichender Rechtsprechung an den Großen Senat des BSG (§ 41 Abs 2 SGG)kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei den Ausführungen des 4. Senats in den vorbezeichneten Entscheidungen jeweils um nicht tragende Erwägungen handelt. Voraussetzung für eine Divergenzvorlage ist aber, dass die aufgeworfene Rechtsfrage sowohl für die neue als auch die frühere Entscheidung entscheidungserheblich ist. Die Beantwortung der Rechtsfrage muss die Entscheidung derart tragen, dass sie ein unabdingbares Glied in der Gedankenkette des erkennenden Senats ist (BSG vom 18.11.1980 - GS 3/79 - BSGE 51, 23, 25 = SozR 1500 § 42 Nr 7 S 11). Hieran fehlt es vorliegend.

24

In dem vom 4. Senat am 2.8.2000 entschiedenen Fall war - wovon dieser Senat bei seiner Entscheidung selbst ausging (BSG 4. Senat, aaO, S 30) - der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bereits tatbestandlich nicht anwendbar (so Senatsurteil vom 27.3.2007, aaO, RdNr 35). Im Urteil des 4. Senats vom 6.3.2003 (BSG 4. Senat, aaO) waren die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 44 Abs 4 SGB X auf den Herstellungsanspruch ebenfalls nicht tragend. Denn sie erfolgten lediglich im Rahmen der Hinweise an das LSG, wie ggf zu entscheiden sein werde, wenn bestimmte weitere Feststellungen getroffen würden (s Senatsurteil vom 27.3.2007, aaO, RdNr 36 bis 37). Dem vom 4. Senat am 26.6.2007 entschiedenen Fall lag schließlich kein Erstfeststellungsverfahren, sondern ein Überprüfungsverfahren zugrunde, so dass § 44 Abs 4 SGB X unmittelbar anzuwenden war(BSG 4. Senat, aaO, RdNr 51 f). Auch hier erfolgten die Ausführungen zur analogen Anwendbarkeit des § 44 Abs 4 SGB X im Rahmen eines Obiter Dictum und gehörten somit nicht zu den tragenden Erwägungen.

25

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.