Bundessozialgericht Urteil, 13. Juli 2017 - B 4 AS 12/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:130717UB4AS1216R0
bei uns veröffentlicht am13.07.2017

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme einer im Mai 2010 fälligen Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Jahr 2009 für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

2

Die 1982 geborene, erwerbsfähige Klägerin, die nicht über eigenes Einkommen verfügte, und ihre beiden Kinder bezogen im Jahr 2009 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von dem beklagten Jobcenter. Sie bewohnten eine 60 qm große Wohnung in N, für welche sie eine Grundmiete in Höhe von 191,21 Euro, (kalte) Betriebskosten in Höhe von 71,31 Euro sowie Heiz- und Warmwasserkosten in Höhe von 50,00 Euro zu zahlen hatten. Nach fristgemäßer Kündigung dieser Wohnung zum 31.12.2009 durch den damaligen Vermieter erteilte der Beklagte die Zusicherung zu einem Umzug in die nunmehr bewohnte Wohnung in W (Schreiben vom 6.10.2009). Der Umzug der Klägerin und ihrer Kinder in die neue Wohnung, für die eine Grundmiete in Höhe von 268,07 Euro, (kalte) Betriebskosten in Höhe von 68,58 Euro und Heiz- bzw Warmwasserkosten in Höhe von 68,35 Euro zu erbringen waren, erfolgte im November 2009. Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 weiterhin SGB II-Leistungen, so auch im Mai 2010 (Bescheid vom 1.12.2009).

3

Im Mai 2010 reichte die Klägerin eine Betriebs- und Heizkostenabrechnung (im Folgenden: Nebenkostenabrechnung) für die frühere Wohnung für das Jahr 2009 bei dem Beklagten ein, die einen am 17.5.2010 fälligen Nachzahlbetrag in Höhe von 274,48 Euro auswies. Der Beklagte lehnte den darin gesehenen Antrag auf Kostenübernahme ab (Bescheid vom 4.6.2010; Widerspruchsbescheid vom 21.9.2010). Einer Übernahme der Beträge aus der Nachforderung stehe entgegen, dass es sich um Kosten für eine nicht mehr bewohnte Wohnung handele. Auch mit dem weiteren Bescheid vom 22.9.2010 lehnte der Beklagte den "Antrag auf Überprüfung" des Bescheids vom 1.12.2009 mit Bezug auf die "Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis 15.12.2009" ab. Während des sozialgerichtlichen Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 4.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2010 hat die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 22.9.2010 beantragt (Schreiben vom 25.3.2011). Die gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten (Bescheid vom 28.3.2011; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2011) erhobene weitere sozialgerichtliche Klage hat das SG mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden.

4

Das SG hat den Beklagten "unter Abänderung des Bescheids vom 01.12.2009 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 04.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2010 sowie des Bescheids vom 22.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.07.2011" verpflichtet, der Klägerin für den Monat Mai 2010 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von 90,01 Euro und den Kindern in Höhe von 91,97 Euro bzw in Höhe von 92,58 Euro zu bewilligen und auszuzahlen (Urteil vom 14.3.2013).

5

Nachdem die Klägerin die ihre minderjährigen Kinder betreffenden Klagen in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zurückgenommen hatte, hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24.2.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ua ausgeführt, der Tenor des erstinstanzlichen Urteils sei dahingehend auszulegen, dass der Beklagte unter Aufhebung des mit den Klagen angefochtenen Bescheids vom 4.6.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2010, des Bescheids vom 22.9.2010 und des Bescheids vom 28.3.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2011 verpflichtet werde, der Klägerin weitere KdUH für den Monat Mai 2010 in Höhe von 90,01 Euro zu zahlen. Mit der Fälligkeit der Nebenkostennachforderung, die als einmaliger Bedarf an KdUH zu berücksichtigen sei, sei eine rechtserhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nachforderung für die nicht mehr bewohnte Wohnung mit diesem unterkunftsbezogenen Bedarf liege vor, weil die Klägerin in der Zeit des tatsächlichen Entstehens der Betriebs- und Heizkosten im Leistungsbezug gewesen sei. Es sei nicht gerechtfertigt, demjenigen Leistungsberechtigten, der laufend die vom Jobcenter zur Verfügung gestellten Mittel an seinen Vermieter weiterleite, mit den im Bedarfszeitraum entstandenen KdUH zurückzulassen. Auch liege dem Umzug eine Zusicherung des Beklagten zugrunde und sei die Erforderlichkeit eines Umzugs anerkannt. Anhaltspunkte dafür, dass die streitigen Kosten im Entstehungszeitpunkt unangemessen gewesen seien, bestünden nicht. Unter Berücksichtigung der Bedarfe und des zu berücksichtigenden Einkommens ergebe sich für die Klägerin der vom SG zuerkannte Betrag für den Monat Mai 2010.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Der Anspruch auf Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens beziehe sich nur auf die Übernahme von Aufwendungen für die tatsächlich konkret genutzte Wohnung. Nachforderungen für nicht mehr bewohnte Unterkünfte könnten nur in Ausnahmefällen über die eigentliche Grenze des § 22 SGB II hinaus übernommen werden, wenn der Leistungsträger zu einem Wechsel der Mietwohnung Veranlassung gegeben habe. Die Gründe der Klägerin für einen Wohnungswechsel seien nicht derart schwerwiegend, dass sie der Fallgestaltung einer Kostensenkungsaufforderung gleichzusetzen seien.

7

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte den Bescheid vom 28.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2011 aufgehoben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 14. März 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf die kopfteilige Übernahme der im Mai 2010 fälligen Nebenkostennachforderung für ihre im Jahre 2009 bewohnte Wohnung.

11

1. Im Revisionsverfahren ist (nur) noch ein höherer Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Monat Mai 2010 unter Berücksichtigung des auf sie entfallenden und vom SG zuerkannten Anteils der Nebenkostennachforderung für das Jahr 2009 in Höhe von 90,01 Euro im Streit.

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher zunächst der Bescheid vom 4.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2010. Insofern sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte bereits mit diesen Bescheiden höhere SGB II-Leistungen wegen der Nebenkostennachforderung und damit eine Änderung der laufenden Alg II-Bewilligung vom 1.12.2009 zu Gunsten der Klägerin abgelehnt hat. Dies ergibt die Auslegung der Bescheide nach ihrem objektiven Sinngehalt, dh danach, wie der Empfänger diese bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (stRspr; statt vieler BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 25; BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 18). Den Bescheiden ist ohne Weiteres zu entnehmen, dass es der Beklagte abgelehnt hat, wegen der Nachforderung aus April 2010 höhere als die bereits bewilligten SGB II-Leistungen zu erbringen. Der den Beteiligten bekannte Bewilligungsbescheid vom 1.12.2009 zu laufenden SGB II-Leistungen sollte auch für den Monat Mai 2010 unverändert Bestand haben (zur Befugnis des Revisionsgerichts, das Vorliegen und den Inhalt von Verwaltungsakten selbstständig und damit auch abweichend von den Vorinstanzen auszulegen: vgl nur BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 19/09 R - juris, RdNr 21). Es ist unschädlich, dass der Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2010 ua ausgeführt hat, dass eine Entscheidung über die Höhe des Alg II für einen bestimmten Monat wegen Fehlens eines Verwaltungsakts bisher unterlassen worden sei. Besondere Anforderungen an die Durchführung eines Vorverfahrens (insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs) stellt § 78 Abs 1 SGG schon deshalb nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre(zuletzt BSG vom 11.3.2014 - B 11 AL 19/12 R - BSGE 115, 185 = SozR 4-4300 § 421g Nr 5, RdNr 19).

13

Der Bescheid vom 22.9.2010, mit dem es der Beklagte im Ergebnis erneut abgelehnt hat, den Bewilligungsbescheid vom 1.12.2009 wegen der im Mai 2010 fällig gewordenen Nebenkostennachforderung zu ändern, ist mit der Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.9.2010 nach § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden(B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 2; Behrend in Hennig, SGG, § 96 RdNr 13 ff mwN, Stand Juni 2015). In der Betreffzeile und Begründung dieses Bescheids hat der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids vom 1.12.2009 nicht nur bezogen auf dessen Erlasszeitpunkt, sondern insgesamt wegen der im Mai 2010 fällig gewordenen Betriebs- und Heizkostennachforderung der Sache nach überprüft werden sollte. Es handelt sich zudem nicht nur um eine wiederholende Verfügung, der kein eigener Regelungsgegenstand zukommt. Für die Einbeziehung eines Bescheids ist nicht erforderlich, dass der neue Bescheid - also hier derjenige vom 22.9.2010 - inhaltlich mit einer anderen Regelung bzw mit einer Änderung der Beschwer verbunden ist (vgl nur BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2; Behrend in Hennig, SGG, § 96 RdNr 24, Stand Juni 2015 mwN).

14

Bezogen auf den Bescheid vom 4.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2010, beide in der Gestalt des Bescheids vom 22.9.2010, verfolgt die Klägerin ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Die weitere Klage gegen den Bescheid vom 28.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2011 hat sich durch die Aufhebung dieser Bescheide durch den Beklagten erledigt.

15

2. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Monat Mai 2010 ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm den leistungsrechtlichen Vorschriften zur Anspruchsermittlung nach den §§ 19 ff SGB II iVm § 7 SGB II.

16

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bewilligungsbescheid vom 1.12.2009 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X). Eine solche wesentliche Änderung zugunsten der Klägerin ist hier im Monat Mai 2010 eingetreten, weil sie Anspruch auf die anteilige Übernahme der Nebenkostennachforderung für das Jahr 2009 hatte und sich auch um eine rechtserhebliche Änderung zu ihren Gunsten im Monat Mai 2010 in dem vom SG zuerkannten Umfang ergeben hat.

17

Der Anspruch der Klägerin auf höhere KdUH folgt aus § 22 Abs 1 SGB II. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II haben Leistungsberechtigte Anspruch auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. § 22 Abs 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung für die bewohnte Wohnung. Soweit einzelne Nebenkosten - wie hier bei einer Betriebs- und Heizkostennachforderung - in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Monat ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13). Nachforderungen, die nach regelmäßiger Übernahme der Nebenkostenvorauszahlungen bzw -abschlägen der jeweiligen Monate entstehen, gehören dann als einmalig geschuldete Zahlungen grundsätzlich zum tatsächlichen aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat der weiterhin bewohnten Unterkunft eines Leistungsberechtigten nach dem SGB II (BSG vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 13; BSG vom 22.3.2010 aaO; BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 14; vgl bereits BVerwG vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 51; vgl ausführlich BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 zur Abgrenzung von Schulden für eine Unterkunft von den übrigen KdUH).

18

Diese, das laufende Mietverhältnis betreffenden, Grundsätze finden jedenfalls auch dann nach einem Umzug, bezogen auf Nebenkostennachforderungen für die vormalige Wohnung Anwendung, wenn die Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostennachforderung erhoben wird, bis zu deren Geltendmachung und Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II standen und - wie vorliegend - eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs während des Bezugs von Alg II vorlag (so auch bereits BSG vom 30.3.2017 - B 14 AS 13/16 R). Bezogen auf Konstellationen von Kostensenkungsaufforderungen hat der Senat bereits entschieden, dass es nicht darauf ankommt, dass ein Leistungsberechtigter die Wohnung, für welche die Betriebskosten nachgefordert worden sind, im Monat des Erhalts einer Nebenkostennachforderung nicht mehr bewohnt, wenn die Wohnung aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers aufgegeben und der Leistungsberechtigte im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Aufwendungen und des Auftretens des (erhöhten) Bedarfs durch die Nachforderung weiterhin im SGB II-Leistungsbezug stand. Auch Nebenkostennachforderungen sind dann als tatsächlich noch nicht gedeckter grundsicherungsrechtlicher Bedarf im Bereich des Wohnens anzusehen, weil der Leistungsträger schon wegen der Kostensenkungsaufforderung nicht von seiner Verantwortung für die Berücksichtigung unterkunftsbezogener Bedarfe für die frühere Wohnung entbunden ist (BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17; anders für Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht mehr bewohnt wird, und deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht: BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83).

19

Auch eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs des Leistungsberechtigten durch das Jobcenter begründet eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf jedenfalls dann, wenn sowohl die Entstehung der Nachforderung als auch ihre Fälligkeit einen Zeitraum der ununterbrochenen Hilfebedürftigkeit betrifft, in dem der SGB II-Träger für die unterkunftsbezogenen Bedarfe der Leistungsbezieher einschließlich der Nebenkosten aufzukommen hat. Zudem mindert eine Nebenkostenerstattung unabhängig von der Frage eines vorangegangenen Umzugs nach § 22 Abs 3 SGB II die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung(vgl zu diesem Aspekt BSG vom 30.3.2017 - B 14 AS 13/16 R).

20

Die durch die Nebenkostennachforderung für das Jahr 2009 eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse "zugunsten des Betroffenen" iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X war auch wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, dh rechtserheblich, weil die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Mai 2010 in neuer Höhe zu bemessen waren, der Bewilligungsbescheid vom 1.12.2009 also unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 15 mwN). Die Nebenkostennachforderung des vormaligen Vermieters der Klägerin führt dazu, dass ihr im Ergebnis im Mai 2010 höhere SGB II-Leistungen in der vom SG erkannten Höhe von 90,01 Euro zustehen. Unter Berücksichtigung der Nebenkostennachforderung in Höhe von 274,48 Euro sowie der Aufwendungen für die Grundmiete (268,07 Euro) und der Heiz- und Betriebskosten (136,93 Euro) ergeben sich für die Klägerin kopfanteilige Kosten der Unterkunft in Höhe von 226,49 Euro, von denen der Betrag für die Warmwasserkosten für die Klägerin in Höhe von 6,47 Euro abzusetzen ist. Hieraus folgt ein Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 708,02 Euro (359 Euro zuzüglich Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 129 Euro zuzüglich 220,02 Euro). Hiervon ist der bereits erbrachte Betrag in Höhe von 618,01 Euro abzusetzen. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte für unangemessen hohe Betriebs- oder Heizkosten oder sonstige Unrichtigkeiten in der Berechnung der mit Bescheid vom 1.12.2009 bewilligten SGB II-Leistungen, die sich mindernd auf den nachzuzahlenden Betrag hätten auswirken können.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 13. Juli 2017 - B 4 AS 12/16 R

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(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung der Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung für die Monate November und Dezember 2008 wegen Hinzuverdienstes und die Erstattung der in diesen Monaten entstandenen Überzahlung von 921,80 Euro.

2

Die 1958 geborene Klägerin war Erzieherin bei der C.-U. Berlin (nachfolgend: C-U Berlin). Auf ihr Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für die C.-U. Berlin (TV-C.) vom 1.1.2007 Anwendung.

3

Mit Bescheid vom 13.10.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom März 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.10.2008 bis 31.8.2010. Seit 1.9.2010 bezieht sie Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (Bescheid vom 30.6.2010). Im Dezember 2008 wurden der Beklagten Einmalzahlungen an die Klägerin für November 2008 iHv 1082 Euro (anteilige tarifliche Jahressonderzahlung) und für Dezember 2008 iHv 3362 Euro (Urlaubsabgeltung) gemeldet.

4

Nach vorheriger Anhörung berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2009 die Rente ab 1.11.2008 neu und stellte für November und Dezember 2008 eine zu erstattende Überzahlung von 921,80 Euro fest. Wegen Überschreitens der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe der Klägerin die Rente für die Zeit vom 1.11. bis 30.11.2008 nur in Höhe von drei Vierteln und vom 1.12. bis 31.12.2008 nur in Höhe von einem Viertel zu; ab 1.1.2009 habe sie wieder Anspruch auf die volle Rente. In der Anlage 10 zum Bescheid ("Ergänzende Begründungen und Hinweise") hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 nach § 48 SGB X auf und forderte die Erstattung der entstandenen Überzahlung nach § 50 SGB X. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4.5.2009).

5

Auf die Klage hat das SG mit Urteil vom 12.2.2010 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Bescheid vom 24.2.2009 enthalte weder auf der ersten Seite noch in der Anlage 10 einen wirksamen Verwaltungsakt iS des § 31 S 1 SGB X über die Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2008.

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 23.6.2011 das SG-Urteil geändert, soweit der Bescheid vom 24.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2009 für die Zeit ab 1.1.2009 aufgehoben worden sei. Insoweit hat es die Klage abgewiesen, weil der Bescheid für die Zeit ab 1.1.2009 rechtmäßig sei. Für diese Zeit sei nach seinem Inhalt die Rente wegen voller Erwerbsminderung wieder in der ursprünglichen Höhe zuerkannt worden.

7

Im Übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zwar sei entgegen der Rechtsmeinung des SG im Bescheid vom 24.2.2009 die Regelung über die Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2008 hinreichend bestimmt. Denn ausgehend von einem verständigen, objektiven Erklärungsempfänger sei ersichtlich, dass die Beklagte an ihrer letzten Verwaltungsentscheidung über die zu leistende Rente wegen voller Erwerbsminderung hinsichtlich der Rentenhöhe nicht mehr festhalten wolle. Es sei deutlich zum Ausdruck gekommen und nicht ansatzweise zweifelhaft, dass und in welchem Umfang die Beklagte den Bescheid vom 13.10.2008 geändert habe.

8

Der Bescheid vom 24.2.2009 sei jedoch hinsichtlich der Änderung der Rentenhöhe für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 rechtswidrig, denn die von § 48 Abs 1 S 1 SGB X vorausgesetzte wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen sei durch die Zahlung der beiden einmaligen Arbeitsentgelte nicht eingetreten. Die strittigen Einmalzahlungen stammten nicht aus einer Beschäftigung iS des § 96a SGB VI. Denn eine solche habe seit dem Rentenbeginn ab 1.10.2008 nicht mehr bestanden. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Zeitrentenbewilligung ab 1.10.2008 nach dem hier maßgeblichen TV-C. habe zur Beendigung der Beschäftigung der Klägerin geführt.

9

Der Begriff der Beschäftigung iS des § 96a SGB VI sei iS des § 7 Abs 1 SGB IV zu verstehen. Er werde charakterisiert durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers bzw die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber und damit durch die Eingliederung des Beschäftigten in einen Betrieb oder eine Verwaltung. Eine solche persönliche Abhängigkeit der Klägerin ab Rentenbezug sei jedoch nicht festzustellen. Denn sie habe keine Dienste im Rahmen des Arbeitsvertrags angeboten oder erbracht. Umgekehrt habe die C-U Berlin ihr auch kein Arbeitsentgelt für eine Arbeitsleistung geschuldet.

10

Dies entspreche der arbeitsrechtlichen Situation. Denn auch im Arbeitsrecht ende die Beschäftigung bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten suspendiert seien (Hinweis auf Urteile des BAG vom 7.9.2004 - 9 AZR 587/03 - und vom 14.3.2006 - 9 AZR 312/05).

11

Nichts anderes folge aus der Rechtsprechung des BSG. Danach sei eine "funktionsdifferente Auslegung" des Begriffs des Beschäftigungsverhältnisses vorzunehmen. Insbesondere ließen sich die Merkmale des die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses nicht unbesehen auf das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis übertragen (Hinweis auf Urteile des BSG vom 9.9.1993 - 7 RAr 96/92 - und vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92). Eine Beschäftigung iS des § 96a Abs 1 SGB VI setze ein Arbeitsentgelt aus einer tatsächlichen Arbeitsleistung während des Bezugs der Rentenleistung voraus. Denn diese Norm bezwecke die Anrechnung eines Arbeitsentgelts aus einer neben dem Rentenbezug geleisteten Arbeit auf Kosten der Gesundheit. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien (Hinweis auf BT-Drucks 13/2590 S 19, 20, 23). Die Klägerin habe aber ausschließlich vor Bezug der Rente gearbeitet.

12

Entgegen der Ansicht der Klägerin komme für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Einmalzahlung als Hinzuverdienst im Rahmen des § 96a Abs 1 SGB VI zu berücksichtigen sei, die Anwendung des § 23a Abs 1 S 3 und Abs 2 SGB IV nicht in Betracht; nach dieser Vorschrift sei einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach Beendigung oder bei Ruhen der Beschäftigung gezahlt werde, dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zuzurechnen. § 23a SGB IV sei jedoch eine rein beitragsrechtliche Regelung.

13

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 96a SGB VI. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die Norm auch auf Arbeitsentgelt aus einer nicht tatsächlich ausgeübten Beschäftigung anzuwenden. Gegenteiliges ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des § 96a Abs 1 SGB VI oder aus den Gesetzesmaterialien. Vielmehr stelle die Bestimmung für die Berücksichtigung von Hinzuverdienst ohne weitere Einschränkungen nur auf Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung ab. Dafür spreche auch Sinn und Zweck des § 96a SGB VI, der die "Lohnersatzfunktion der Rente" stärken und eine "Übersicherung" beim Versicherten verhindern solle. Denn dieser solle aus der gezahlten Rente und einem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung kein höheres Gesamteinkommen erzielen als vor dem Rentenbezug. Da aber eine Übersicherung sowohl bei einer ausgeübten als auch bei einer nicht ausgeübten Beschäftigung eintreten könne, sei § 96a SGB VI auf beide Beschäftigungsarten anzuwenden. Denn die Lohnersatzfunktion der Rente werde in beiden Fällen verletzt. Vorliegend habe während des Rentenbezugs auch eine Beschäftigung iS des § 7 SGB IV bestanden. Zur Begriffsbestimmung könne auf Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zurückgegriffen werden (Bezugnahme auf Urteile vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R und B 12 KR 27/07 R). Danach hindere der Wegfall der tatsächlichen Arbeitsleistung das Vorliegen einer Beschäftigung nicht. Denn die Arbeitsvertragsparteien hätten am Arbeitsverhältnis festgehalten, um es zu gegebener Zeit fortzusetzen. Dieser Sachverhalt gewährleiste eine gemeinsame Bestätigung des vertraglichen Bandes wie insbesondere ein hinreichendes Substitut für die Arbeitspflicht. Die Rente sei der Klägerin zunächst nur befristet bewilligt worden, weil nicht auszuschließen gewesen sei, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand bessere und sie dann wieder für ihre Arbeitgeberin tätig sein könne. Deshalb sei das Arbeitsverhältnis als rechtliches Band gerade nicht zerschnitten, sondern in Form des Ruhens aufrechterhalten worden. Zwar beträfen die in Bezug genommenen BSG-Urteile vom 24.9.2008 (aaO) Rechtsfragen des Versicherungs- und Beitragsrechts. Die dortigen Ausführungen zum Rechtsbegriff der Beschäftigung iS des § 7 SGB IV seien aber auch für das Leistungsrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung heranzuziehen.

14

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2011 und des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das LSG sei zutreffend davon ausgegangen, dass es allein darauf ankomme, ob während des Rentenbezugs ein Beschäftigungsverhältnis mit Hinzuverdienst bestanden habe. Zwar setze eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Bei den von der Beklagten in Bezug genommenen BSG-Entscheidungen habe jedoch eine Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden, während derer der Arbeitgeber die Vergütung weiter gezahlt habe. Hierin bestehe der wesentliche Unterschied zum vorliegenden Fall. Denn hier habe während des Rentenbezugs aufgrund des tarifvertraglich angeordneten Ruhens des Arbeitsverhältnisses keine Vergütungspflicht der Arbeitgeberin mehr bestanden. Nachträgliche Zahlungen aus einem ruhenden Arbeitsverhältnis seien nach dem Zweck des § 96a SGB VI nicht auf die laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen, denn sie beruhten auf einer vor Rentenbeginn erbrachten Arbeitsleistung.

17

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

19

A. Zu Recht hat das LSG den Bescheid vom 24.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2009 (vgl § 95 SGG) aufgehoben, soweit die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2008 für den Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2008 die Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung gemindert und die Erstattung von 921,80 Euro gefordert hat. Die angefochtenen Bescheide sind in diesem Umfang rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

20

Denn die im November und Dezember 2008 zugeflossenen Einmalzahlungen (Jahressonderzahlung und Urlaubsabgeltung) sind nicht gemäß § 96a Abs 1 SGB VI als Hinzuverdienst für diese Monate zu berücksichtigen, weil sie nicht aus einer während des Rentenbezugs noch bestehenden Beschäftigung der Klägerin stammen. Ihre Beschäftigung bei der C-U Berlin war vielmehr durch das tarifvertraglich bestimmte Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses ab Oktober 2008 aufgrund der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit unterbrochen. Einmalzahlungen, die einem Versicherten nach Rentenbeginn bei ruhendem Arbeitsverhältnis und einem zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis (im leistungsrechtlichen Sinne) noch zufließen, sind kein ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI. Auf deren beitragsrechtliche Zuordnung nach § 23a Abs 2 SGB IV kommt es daher im Rahmen der rentenrechtlichen Hinzuverdienstregelung nicht an.

21

B. Als Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des die befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligenden Bescheids vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate November und Dezember 2008 kommt hier (nur) § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 und S 3 SGB X iVm § 96a Abs 1 S 2 und § 100 Abs 1 SGB VI in Betracht.

22

Nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt hierbei in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs 1 S 3 SGB X).

23

Ergänzend bestimmt § 100 Abs 1 S 2 SGB VI(in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27.12.2003, BGBl I 3019), dass im Falle des § 96a SGB VI - also bei Zusammentreffen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Hinzuverdienst - die Regelung in § 100 Abs 1 S 1 SGB VI zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Änderung der Rentenhöhe anzuwenden ist. Danach wird bei einer für die Rentenhöhe bedeutsamen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist. Bezogen auf die Anrechnung von Hinzuverdienst bedeutet dies gemäß § 96a Abs 1 S 2 SGB VI in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung iVm § 48 Abs 1 S 3 SGB X, dass bei einem Überschreiten der monatlichen Hinzuverdienstgrenzen im Laufe eines Kalendermonats die Rente bereits von Beginn des betreffenden Monats an in angepasster Höhe zu leisten ist. Denn § 96a Abs 1 S 2 SGB VI stellt auf das Arbeitsentgelt "im Monat" ab, um für diesen Monat des Zusammentreffens mit der Rente das Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze festzustellen. Unerheblich ist insoweit, zu welchem Zeitpunkt im Monat (am Anfang, in der Mitte oder am Ende) das Arbeitsentgelt als "rentenschädlicher" Hinzuverdienst erzielt wird. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs 1 S 3 SGB X stets der Beginn des Anrechnungszeitraums und hier somit der Monatsbeginn.

24

C. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2009 die angefochtenen Regelungen durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X) getroffen und den Bescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate November und Dezember 2008 teilweise aufgehoben und die entstandene Überzahlung von 921,80 Euro zurückgefordert hat.

25

Denn ausgehend vom objektivierten Empfängerverständnis (zu diesem Auslegungsmaßstab: BSG vom 29.10.1992 - SozR 3-1300 § 50 Nr 13 S 34 mwN) war für die Klägerin eindeutig erkennbar, dass die Beklagte - wie mit der Anhörung bereits angekündigt - an ihrer letzten Verwaltungsentscheidung über die zu leistende Rente wegen voller Erwerbsminderung hinsichtlich der Rentenhöhe für die vorgenannten Monate wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen nicht mehr festhalten wollte. Unerheblich ist, dass die Beklagte die Regelung nicht (bereits) zu Beginn (auf S 1) des Bescheids getroffen (vgl BSG vom 8.12.1993 - SozR 3-1300 § 34 Nr 2 LS 2 und S 5; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 26), sondern erst in der Anlage 10 des Bescheids vom 24.2.2009 unter der Überschrift "Ergänzende Begründungen und Hinweise" verfügt hat, dass der Rentenbescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 teilweise aufgehoben wird und die entstandene Überzahlung zu erstatten ist. Denn der Klägerin ist auf S 6 unter der Überschrift "Weitere Hinweise" ausdrücklich mitgeteilt worden, dass (auch) die Anlage 10 Bestandteil des Bescheids ist. Unabhängig davon haben aber bereits die Hinweise auf S 1 des Bescheids vom 24.2.2009 mit ihrem deutlich persönlichen Bezug: "Ihre bisherige Rente wegen voller Erwerbsminderung wird ab 01.11.2008 neu berechnet" und "… Überzahlung von 921,80 EUR … ist zu erstatten" sowie auf S 2: "Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen steht die Rente für die Zeit vom 01.11.2008 bis zum 30.11.2008 nur in Höhe von drei Vierteln, vom 01.12.2008 bis zum 31.12.2008 nur in Höhe von einem Viertel und ab 01.01.2009 in voller Höhe zu" deutlich gemacht, dass die Beklagte die frühere Bewilligung abändern, dh teilweise aufheben wollte (vgl BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 66/99 R - Juris RdNr 20).

26

D. Der Bescheid vom 24.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2009, der die Rentenhöhe (nur) für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 geändert hat, ist rechtswidrig. Die von § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X vorausgesetzte Änderung der Verhältnisse ist aufgrund der beiden Einmalzahlungen in diesen Monaten nicht eingetreten. Diese sind vielmehr als Hinzuverdienst bei der Prüfung des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs 1 S 1 und 2, Abs 1a Nr 2 und Abs 2 Nr 2 und 3 SGB VI unberücksichtigt zu lassen, weil sie nicht aus einer Beschäftigung der Klägerin im Zeitraum des Rentenbezugs stammen.

27

1. Nach § 96a Abs 1 SGB VI in seiner hier maßgeblichen, ab 1.1.2008 geltenden Fassung wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (S 1; zur Verfassungsmäßigkeit der Einführung von Hinzuverdienstgrenzen bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit s BSG vom 28.4.2004 - SozR 4-2600 § 313 Nr 3 RdNr 22 ff; BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 41 ff; BVerfG Beschluss vom 14.6.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 10). Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Abs 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt (aaO S 2). Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird gemäß § 96a Abs 1a Nr 2 SGB VI eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, der Hälfte oder in Höhe eines Viertels geleistet. Durch die Formulierung "geleistet" in der vorgenannten Norm wird klargestellt, dass ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen - anders als bei den Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze in § 34 Abs 2 und 3 SGB VI - nicht unmittelbar den Rentenanspruch selbst betrifft, sondern nur Auswirkungen auf die Rentenhöhe haben soll(vgl Senatsurteil vom 9.12.2010 - SozR 4-2600 § 96a Nr 13 RdNr 17 mwN ).

28

2. Die Jahressonderzahlung und die Urlaubsabgeltung waren kein "rentenschädlicher" Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI.

29

Zwar handelt es sich bei diesen Einmalzahlungen um Arbeitsentgelt iS des § 96a Abs 1 SGB VI, das der Klägerin nach Rentenbeginn zugeflossen ist(dazu unter a). Dennoch bleiben sie im Rahmen des § 96a Abs 1 SGB VI unberücksichtigt. Denn diese einmalig gezahlten Arbeitsentgelte stammen nicht aus einer Beschäftigung der Klägerin während des Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Trotz (rechtlichen) Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses wurde nämlich mit dessen tarifvertraglich vereinbartem (bzw angeordnetem) Ruhen aufgrund der zeitlich befristeten Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung zum 1.10.2008 ihre Beschäftigung bei der C-U Berlin mit Ablauf des 30.9.2008 unterbrochen (dazu unter b). Einmalig gezahlte Arbeitsentgelte, die - wie hier - allein aufgrund arbeits- bzw tarifvertraglicher Regelung während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (dh ohne tatsächliche Arbeitsleistung) dem Versicherten nach Rentenbeginn bei einem aus leistungsrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis noch zufließen, werden von § 96a Abs 1 SGB VI nicht erfasst(dazu unter c).

30

a) Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass der Begriff des "Arbeitsentgelts" in § 96a Abs 1 S 2 SGB VI durch § 14 SGB IV legal definiert ist(vgl BSG vom 17.12.2002 - SozR 3-2600 § 96a Nr 1 S 7; BSG vom 6.3.2003 - SozR 4-2600 § 313 Nr 2 RdNr 28; Senatsurteil vom 20.11.2003 - BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 13; BSG vom 23.8.2005 - SozR 4-2600 § 313 Nr 4 RdNr 33; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; Brähler in Ruland/Försterling, GemeinschaftsKomm zum SGB VI, § 96a RdNr 69, Stand Einzelkommentierung November 2011; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 96a RdNr 6, Stand Einzelkommentierung März 2012; vgl auch BSG vom 4.5.1999 - SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 6; BSG vom 23.2.2000 - SozR 3-2600 § 34 Nr 3 S 21, jeweils zu § 34 Abs 2 SGB VI). Nach dessen Abs 1 S 1 sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

31

Hiernach sind sowohl die anteilige tarifliche Jahressonderzahlung als auch die Urlaubsabgeltung Arbeitsentgelt. Denn bei ihnen handelt es sich um Einmalzahlungen, die der Klägerin in ursächlichem Zusammenhang mit ihrem (früheren) Beschäftigungsverhältnis bei der C-U Berlin zugeflossen sind.

32

Die anteilige tarifliche Sonderzahlung wurde ihr nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG von der C-U Berlin im November 2008 iHv 1081,58 Euro (brutto) in Nachwirkung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund tarifvertraglicher Regelung (vgl § 20 TV-C.) bei bestehendem, aber ruhendem Arbeitsverhältnis ausgezahlt.

33

Auch die von der C-U Berlin nach Maßgabe des Tarifvertrags beim Ruhen eines Arbeitsverhältnisses (vgl § 26 Abs 2 Buchst c TV-C.) zu zahlende Urlaubsabgeltung ist Arbeitsentgelt (vgl BSG vom 29.7.1993 - 11 RAr 17/92 - Juris RdNr 15; BSG vom 23.1.1997 - SozR 3-4100 § 117 Nr 14 S 98; BAG vom 14.3.2006 - BAGE 117, 231, 243; Seewald in Kasseler Komm, § 14 SGB IV RdNr 94, Stand Einzelkommentierung April 2008). Nach den Feststellungen des LSG hat die C-U Berlin der Klägerin die Urlaubsabgeltung im Dezember 2008 iHv 3362,04 Euro (brutto) ausgezahlt.

34

b) Mit dem tarifvertraglich angeordneten Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (dazu unter aa) wurde die Beschäftigung der Klägerin bei der C-U Berlin für die Dauer der Zeitrentenbewilligung unterbrochen (dazu unter bb).

35

aa) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der C-U Berlin ruhte ab 1.10.2008. Dies ergibt sich aus dem nach den Feststellungen des LSG für die beiden Arbeitsvertragsparteien maßgebenden TV-Ch. In dessen § 33 Abs 2 S 1 ist bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach der Arbeitnehmer voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Nach S 5 und 6 endet das Arbeitsverhältnis (jedoch) nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers lediglich eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum der Zeitrentenbewilligung.

36

Das Ruhen eines Arbeitsverhältnisses führt zur Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien, nämlich der Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der vereinbarten Vergütung, mit der Folge, dass der jeweilige Gläubiger die Erbringung der Leistungen nicht mehr verlangen und durchsetzen kann (BAG vom 14.3.2006 - BAGE 117, 231, 236, 238 mwN).

37

Mit Bescheid vom 13.10.2008 hatte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.10.2008 bis 31.8.2010 bewilligt. Aus diesem Grunde ruhte gemäß der vorgenannten tarifvertraglichen Normen für den genannten Zeitraum ihr Arbeitsverhältnis, sodass ab Rentenbeginn die Klägerin keine Arbeitsleistung mehr anbieten oder erbringen musste und (im Gegenzug) die C-U Berlin auch kein Arbeitsentgelt mehr schuldete.

38

bb) Das tarifvertraglich (zwingend) angeordnete Ruhen des Arbeitsverhältnisses führte zur Unterbrechung der Beschäftigung der Klägerin für den Zeitraum der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.

39

Der Begriff der "Beschäftigung" in § 96a Abs 1 SGB VI ist iS des § 7 Abs 1 SGB IV zu verstehen(vgl auch BSG vom 4.5.1999 - SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 9 f; BSG vom 23.2.2000 - SozR 3-2600 § 34 Nr 3 S 22, jeweils zu § 34 Abs 2 SGB VI). Beschäftigung ist nach S 1 der Vorschrift die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (aaO S 2).

40

Die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung in der Sozialversicherung hat nach der ständigen Rechtsprechung sowohl der für das Leistungs- als auch der für das Beitragsrecht zuständigen Senate des BSG "funktionsdifferent" zu erfolgen. Der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne unterscheidet sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne (vgl zum leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung zB BSG vom 28.9.1993 - BSGE 73, 126, 128 f = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f; BSG vom 5.2.1998 - B 11 AL 55/97 R - Juris RdNr 14 f; BSG vom 3.6.2004 - SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 15; BSG vom 9.2.2006 - B 7a AL 58/05 R - Juris RdNr 14; BSG vom 21.3.2007 - SozR 4-4300 § 118 Nr 1 RdNr 27; zum beitragsrechtlichen Begriff der Beschäftigung zB BSG vom 24.9.2008 - BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 24 und SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 21). Auch das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist jedoch nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen (vgl BSG vom 24.7.1986 - BSGE 60, 168, 170 = SozR 4100 § 117 Nr 16 S 72; BSG vom 29.6.1995 - SozR 3-4100 § 101 Nr 6 S 18; BSG vom 9.2.2006 - B 7a AL 58/05 R - Juris RdNr 14 mwN).

41

Das LSG ist zu Recht bei der Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsentgelt "aus einer Beschäftigung" auf eine für den betreffenden Monat zu leistende Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als Hinzuverdienst iS von § 96a Abs 1 SGB VI anzurechnen ist, vom leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung ausgegangen. Dabei hat es zutreffend den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses beurteilt. Denn eine Beschäftigung endet trotz eines rechtlich (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits dann, wenn - wie zB bei seinem Ruhen - die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat (BSG vom 28.9.1993 - BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15; BSG vom 5.2.1998 - B 11 AL 55/97 R - Juris RdNr 14 f; BSG vom 3.6.2004 - SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 15; BSG vom 8.7.2009 - SozR 4-4300 § 130 Nr 6 RdNr 22; vgl auch BAG vom 14.3.2006 - BAGE 117, 231, 244).

42

Dies war vorliegend der Fall. Denn mit dem Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 1.10.2008 wurde gemäß § 33 Abs 2 S 5 und 6 TV-Ch. das zwischen der Klägerin und der C-U Berlin fortbestehende Arbeitsverhältnis zum Ruhen gebracht. Dadurch wurden die Dienstleistungspflicht der Klägerin und gleichzeitig die Vergütungspflicht der C-U Berlin suspendiert. In dieser Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten liegt auf Seiten der Arbeitgeberin ein (tarifvertraglich zwingend angeordneter) Verzicht auf ihr Direktionsrecht und damit auf ihre Verfügungsmacht über die Arbeitsleistung der Klägerin. Dies führte hier aus leistungsrechtlicher Sicht zur Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des 30.9.2008.

43

Diesem Ergebnis stehen nicht die von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen des 12. Senats des BSG vom 24.9.2008 (SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10)entgegen. Denn zum einen ist Gegenstand der dortigen Ausführungen das Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinne, und zum anderen hat der 12. Senat in den dortigen Fallkonstellationen das (Fort-)Bestehen eines (beitragsrechtlichen) Beschäftigungsverhältnisses bei Freistellung von der Arbeit, jedoch mit fortlaufender Zahlung des Arbeitsentgelts angenommen. Letzteres war vorliegend aber für die Zeit ab 1.10.2008 nicht der Fall.

44

Nichts anderes ergibt sich entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten aus der Vorschrift des § 7 Abs 1a SGB IV. Denn die dort spezialgesetzlich erfasste Fallgruppe der Freistellung von der Arbeitspflicht bei durchgehender Entgeltzahlung auf der Grundlage von Wertguthaben liegt hier ersichtlich nicht vor.

45

c) Einmalig gezahlte Arbeitsentgelte, die dem Versicherten nach Rentenbeginn aufgrund arbeits- bzw tarifvertraglicher Regelung aus ruhendem Arbeitsverhältnis, zu diesem Zeitpunkt aber bereits unterbrochener oder beendeter Beschäftigung (nachträglich) noch zufließen, bleiben im Rahmen des § 96a Abs 1 SGB VI unberücksichtigt(vgl auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; zum Hinzuverdienst bei ruhenden Sozialleistungen vgl die besondere Regelung in § 96a Abs 3 S 4 SGB VI).

46

aa) Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 96a SGB VI ergibt sich zwar nicht aus dessen Wortlaut. Denn Abs 1 S 2 spricht nur von "Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung". Daraus erschließt sich nicht unmittelbar, ob auch das nach Rentenbeginn gezahlte Arbeitsentgelt aus einer mit Rentenbeginn aufgegebenen Beschäftigung als Hinzuverdienst gilt.

47

bb) Aus Sinn und Zweck des § 96a SGB VI folgt aber, dass Arbeitsentgelt, das nach Rentenbeginn dem nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne stehenden Rentenempfänger nach arbeits- bzw tarifvertraglicher Regelung bei ruhendem Arbeitsverhältnis noch zufließt, nicht als ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst zu berücksichtigen ist.

48

Mit der Einführung der Hinzuverdienstgrenzen zum 1.1.1996 verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, die "Lohnersatzfunktion" der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stärken (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 11.10.1995 eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze, BT-Drucks 13/2590 S 19 f; BSG vom 17.12.2002 - SozR 3-2600 § 96a Nr 1 S 12; Senatsurteil vom 7.10.2004 - BSGE 93, 222 = SozR 4-2400 § 15 Nr 2, RdNr 20; BVerfG Beschluss vom 14.6.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 10 RdNr 9). Sie sollen verhindern, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Erwerbseinkommen und einer als Ersatz für Erwerbseinkommen konzipierten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit möglicherweise sogar ein höheres Gesamteinkommen erzielt wird als vor Eintritt der Erwerbsminderung (vgl BVerfG aaO).

49

Dem entspricht, dass der Gesetzgeber durch die Hinzuverdienstgrenzen insbesondere die Möglichkeit des Versicherten einschränken wollte, durch Arbeit "neben einer Rente" wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - "auf Kosten seiner Gesundheit" - unbegrenzt hinzuzuverdienen. Denn mit Blick auf "die Zielsetzung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetretenen Einkommensverlust auszugleichen", sah er "keine Rechtfertigung dafür, ein Einkommen, das durch Arbeit auf Kosten der Gesundheit erzielt wird, unberücksichtigt zu lassen" (BT-Drucks 13/2590 S 20).

50

Insgesamt erschließt sich hieraus mit hinreichender Deutlichkeit, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers "rentenschädlich" grundsätzlich nur ein Hinzuverdienst aus einer "Arbeit" des Versicherten (gleichzeitig) "neben" der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sein soll, also Arbeitsentgelt, das der Versicherte durch Arbeitsleistung aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigung erzielt hat (vgl auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; Quinten in Reinhardt, LPK-SGB VI, 2. Aufl 2010, § 96a RdNr 6). Denn in einer solchen Konstellation ist trotz des Eintritts des versicherten Risikos der Erwerbsminderung, eine finanzielle Kompensation durch die Rente aufgrund des gleichwohl weiter erzielten Arbeitsverdienstes nicht geboten. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Arbeitsentgelte, die dem Rentenempfänger nach Aufgabe der Beschäftigung (Unterbrechung oder Beendigung) für Zeiten vor Rentenbeginn noch zufließen, nicht als ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI zu berücksichtigen sind(vgl KomGRV, § 96a SGB VI, Anm 3, Stand Einzelkommentierung April 2008; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a SGB VI RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008).

51

Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr als bei der Berechnung der anteiligen Jahressonderzahlung die Kalendermonate ohne Entgeltanspruch - hier also (auch) die des Ruhens des Arbeitsverhältnisses - nicht mitzählten (vgl § 20 Abs 4 S 1 TV-C.); entsprechendes gilt für die Urlaubsabgeltung, weil für die Zeit eines ruhenden Arbeitsverhältnisses kein Urlaubsanspruch bestand (vgl § 26 Abs 2 Buchst c TV-C.).

52

cc) Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch den systematischen Vergleich mit dem bis zum 31.12.2007 die Anrechnung von Arbeitsentgelt auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit regelnden § 94 SGB VI bestätigt. Diese Bestimmung war neben - in der Reihenfolge aber vor - § 96a SGB VI anzuwenden(§ 98 S 1 Nr 7, 7a SGB VI in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung). § 94 SGB VI hat der Gesetzgeber wegen der "Ziel- und Wirkungsgleichheit" mit § 96a SGB VI mit Wirkung vom 1.1.2008 "gestrichen". Die "sehr ähnlichen Sachverhalte" sollen nur noch im Rahmen des § 96a SGB VI beurteilt werden(vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 12.12.2006 eines RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes, BT-Drucks 16/3794 S 36).

53

Nach dessen Abs 1 war das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anzurechnen, wenn die "Beschäftigung vor Rentenbeginn aufgenommen und solange sie danach nicht ausgeübt" worden war (S 1). Das Arbeitsentgelt war um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und um die gesetzlichen Abzüge zu mindern (S 2).

54

Übertragen auf den vorliegenden Fall wären auch nach dieser Vorschrift die Jahressonderzahlung und die Urlaubsabgeltung als einmalig gezahlte Arbeitsentgelte nicht auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen gewesen. Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Zusammenhang über für Zeiten des Rentenbezugs fortgezahltes laufendes Arbeitsentgelt.

55

E. War die Beklagte somit nicht berechtigt, ihren Rentenbescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate November und Dezember 2008 teilweise aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs 1 S 1, Abs 3 SGB X nicht vor.

56

F. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. März 2008 als endgültige Leistungen begehrt. Im Übrigen wird das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die endgültige, hilfsweise vorläufige Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs an Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) und ohne die Berücksichtigung von Einkommen.

2

Die 1947 geborene Klägerin bezieht seit 1.1.2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnte bis Mai 2008 alleine eine 81,83 qm große Dreizimmerwohnung in Berlin. Für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 30.11.2006 gewährte ihr der Beklagte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen (monatliche Bruttowarmmiete 663,53 Euro, ab 1.4.2005 684,78 Euro).

3

Mit dem Antrag vom 24.4.2007 auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab 1.5.2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich zum 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojektes beim Förderverein H eV (wieder) aufnehmen werde. Den voraussichtlichen Betriebseinnahmen von monatlich 500 Euro im Zeitraum 1.9.2007 bis 31.3.2008 würden 100 Euro Betriebsausgaben gegenüberstehen. Für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 bewilligte der Beklagte monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 387 Euro einschließlich eines Betrags von 360 Euro für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 5.10.2007) und eines monatlichen Regelbedarfs von 347 Euro, dem er monatliches Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 320 Euro gegenüberstellte. Auf Seite 2 des Bescheides heißt es ua: "Die Bewilligung ist nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III nur vorläufig aufgrund des unterschiedlichen Einkommens Ihrer Honorartätigkeit." Dem Bescheid war zudem ein Erläuterungsschreiben vom selben Tag zur vorläufigen Leistungsgewährung beigefügt, in dem ua ausgeführt wird, dass auf den Antrag der Klägerin vom 5.10.2007 die Leistung wegen der Unklarheit der Einkommenshöhe nur vorläufig in Bezug auf die Leistungshöhe bewilligt werde und eine abschließende Entscheidung zur Höhe des Leistungsanspruches erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids erfolgen könne.

4

Gegen den Bescheid vom 5.10.2007 legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie Leistungen für KdU in Höhe von 513,59 Euro, den Abzug von Betriebsausgaben vom Einkommen und die Nichtanrechnung von Einkommen für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 begehrte, da ihre berufliche Tätigkeit zum 31.3.2008 ende. Von Januar bis Oktober 2007 habe sie monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro gehabt.

5

Auf den Antrag der Klägerin verpflichtete das SG den Beklagten durch Beschluss vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - im Wege einstweiliger Anordnung, der Klägerin für den Monat Oktober 2007 unter Anrechnung bereits gezahlter Leistungen insgesamt 707 Euro zu zahlen und für den Zeitraum vom 1.11. bis zum 31.12.2007 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 504,78 Euro zu gewähren. Dies führte der Beklagte durch Bescheid vom 9.11.2007 aus.

6

Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2008 gewährte der Beklagte der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5.10.2007 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für
den Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2007 in Höhe von 740,44 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 504,78 Euro für KdU,
für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2008 in Höhe von 595,66 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU und
für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 in Höhe von 707 Euro, hiervon ebenfalls einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU.
Dabei berücksichtigte der Beklagte im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 als Betriebsausgaben 260,83 Euro und ging von einem laufenden Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 239,17 Euro aus, von dem ein Betrag in Höhe von 111,34 Euro als Einnahme iS des § 11 SGB II zu berücksichtigen sei. Zudem berücksichtigte er das Auslaufen des Honorarvertrages der Klägerin zum 31.3.2008 mit der Folge, dass für April 2008 kein Einkommen berücksichtigt wurde. Auch in diesem Bescheid hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Bewilligung vorläufig erfolge, weil die Höhe des Einkommens nicht hinreichend bekannt sei. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.1.2008 unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligung und der Entscheidung des SG vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - sowie seiner bisherigen Berechnungen zum Einkommen zurück.

7

Hiergegen hat die Klägerin am 21.2.2008 Klage zum SG Berlin "wegen Kosten der Unterkunft" erhoben und ausgeführt, ihr würden höhere Leistungen für KdU zustehen. Mit am 16.5.2008 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat sie zudem die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Kosten ihres Arbeitszimmers als Betriebsausgabe geltend gemacht. Durch Gerichtsbescheid vom 6.8.2008 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit die Klägerin die Gewährung höherer Regelleistungen geltend gemacht habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien.

8

Auf die Berufung der Klägerin hiergegen hat das LSG Berlin-Brandenburg in der mündlichen Verhandlung vom 22.4.2010 darauf hingewiesen, dass Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Bescheide eine vorläufige Leistungsbewilligung sei, woraufhin die Klägerin erklärt hat, eine endgültige, hilfsweise vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II zu erstreben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22.4.2010). Im Hinblick auf die Gewährung höherer Regelleistungen hat es die Klage als unzulässig angesehen, weil sie nicht fristgerecht erhoben sei. Das auf die Gewährung höherer Regelleistungen gerichtete Begehren sei nicht bereits Gegenstand der Klageschrift vom 21.2.2008 gewesen. Die Klägerin habe den Streitgegenstand auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzt. Auch die endgültige Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat es als unzulässig - in Ermangelung einer Klagebefugnis der Klägerin - bewertet. Es fehle insoweit an einem Verwaltungsakt, der über die von ihr begehrten endgültigen Leistungen entschieden habe. Der Beklagte habe durch die streitgegenständlichen Bescheide nur vorläufige Leistungen bewilligt. Die auf vorläufige Leistungen gerichtete Klage sei jedoch ebenfalls unzulässig. Insoweit sei der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden, denn dieses Begehren sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem SG gewesen. Die Klage sei von Anfang an eindeutig auf eine endgültige Leistungsgewährung gerichtet gewesen. Hierin sei nicht (als Minus) ein auf die vorläufige Bewilligung von Leistungen gerichtetes Begehren enthalten. Die erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) begehrte vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III sei ihrer Rechtsnatur nach etwas anderes als eine endgültige Leistungsbewilligung, ein so genanntes aliud.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III, § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, §§ 95, 123 SGG und Art 19 Abs 4 GG. Die Klagebefugnis könne nicht verneint werden. Außerdem sei der Vorläufigkeitsvorbehalt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, weshalb von einer endgültigen Bewilligung auszugehen sei. Eine nur vorläufige Bewilligung unterstellt, hätten die Klaganträge, ausgehend vom Klagebegehren, gemäß § 123 SGG von Anfang an dahingehend ausgelegt werden müssen, dass die Klage auf die vorläufige Gewährung höherer Leistungen gerichtet gewesen sei. Eine Beschränkung des Streitgegenstands auf die Leistungen der KdU sei nicht erfolgt. In der Sache bestehe ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit von April 2007 bis Januar 2008 sei ihr zudem aus familiären Gründen eine gesteigerte Wohnungssuche nicht zumutbar gewesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung sei nicht erfolgt.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen und unter Berücksichtigung eines Bedarfs für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 675,78 Euro zu gewähren,

11

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehrt. Der Beklagte hat insoweit zu Recht zwischen dem 1.11.2007 und dem 31.3.2008 die Leistungen vorläufig bewilligt (2.). Im Hinblick auf die vorläufige Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG)(3.). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG erstreckt sich die Klage insoweit nicht alleine auf die Gewährung endgültiger Leistungen. Auch im Hinblick auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet. Es kann nicht abschließend festgestellt werden, ob in diesem Monat - trotz der Beendigung des Honorarvertrags der Klägerin zum 31.3.2008 - die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung noch rechtmäßig war (4.).

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1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

15

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).

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2. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 keinen Anspruch auf endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Klägerin ab dem 1.11.2007 nur vorläufige Leistungen bewilligt (a). Ihre gleichwohl auf endgültige Leistungen gerichtete Klage ist jedoch im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht unzulässig (b). Die angefochtenen Bescheide sind jedoch im Hinblick auf die Bewilligung vorläufiger Leistungen rechtmäßig (c).

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a) Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5.10.2007 idF des Änderungsbescheides vom 2.1.2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.1.2008, mit welchem der Beklagte eine vorläufige Entscheidung iS des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III getroffen hat. Die Auslegung des Bescheides vom 5.10.2007 durch das LSG insoweit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

18

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass bei der Auslegung eines Bescheids maßgebend ist, wie der Empfänger ihn verstehen durfte (§ 133 BGB). Auszugehen ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (zur Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswertes vgl BSG Urteil vom 1.3.1979 - 6 RKa 3/78 = BSGE 48, 56 <58 f> = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10). Die Regelung der Vorläufigkeit für sich hat Verfügungscharakter (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 30; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301, vgl auch BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr 1 S 5). Es ist deshalb erforderlich, dass sich aus dem Verwaltungsakt eindeutig ergibt, ob und inwieweit die Verwaltung eine vorläufige Bewilligung verfügt hat (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 46). Die "Typus prägenden Merkmale" der vorläufigen Entscheidung müssen unzweifelhaft erkennbar sein (vgl BSG Urteil vom 29.4.1997 - 4 RA 46/96 - SozR 3-1200 § 42 Nr 9 S 37 mwN; Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 20, 30; Gagel/Pilz, SGB III, § 328 RdNr 34 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301). Das ist hier der Fall.

19

Selbst wenn man annehmen wollte, die Verfügung der Vorläufigkeit der Bewilligung in dem Bescheid vom 5.10.2007 sei nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen, weil der Beklagte den Verfügungssatz insoweit nicht dem Bescheidtext voran-, sondern an das Ende des Verwaltungsaktes gestellt hat, konnte die Klägerin durch das dem Bescheid beigefügte Erläuterungsschreiben die Vorläufigkeit der Leistungsgewährung erkennen. Das Erläuterungsschreiben des Beklagten und der Bewilligungsbescheid vom 5.10.2007 bilden zusammen eine rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsaktes (vgl BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 11 AL 19/09 R, zur Erläuterung der Vorläufigkeit einer Entscheidung auf einem Anlagenblatt zum Bescheid; s auch BSG Urteile vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 2; 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95, 191 <193> = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 S 3; 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 6 S 20). In dem Schreiben des Beklagten vom 5.10.2007 ist unter Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom selben Tag klar und eindeutig ausgeführt, dass und warum und in Bezug auf welchen Inhalt der Leistungsbewilligung eine Vorläufigkeitsregelung getroffen wird. In der Gesamtschau der im Bescheid vom 5.10.2007 enthaltenen Verfügungen und den darauf bezogenen Ausführungen im Erläuterungsschreiben vom 5.10.2007 sind die "Typus prägenden Merkmale der vorläufigen Entscheidung" für den an Treu und Glauben orientierten Adressaten unzweifelhaft erkennbar.

20

b) Die Klage auf endgültige Leistungen ist im Gegensatz zur Auffassung des LSG gleichwohl nicht unzulässig. Zwar ist die vorläufige Leistung - wie vom LSG zutreffend ausgeführt - eine Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung (stRspr, vgl BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 = SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <109 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 = SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R = SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 56). Materiell-rechtlich handelt es sich mithin um zwei verschiedene Ansprüche. Soweit das LSG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine die vorläufige Bewilligung von Leistungen verfügende Entscheidung der Verwaltung jedoch in Ermangelung einer Klagebefugnis für unzulässig hält, verkennt es die Grenzen der Rechtsschutzgewährung gegen vorläufige Entscheidungen. Unabhängig von der jeweils zutreffenden Klageart ist auch gegen vorläufige Entscheidungen grundsätzlich gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren. Im Falle einer den Kläger im Verhältnis zur vorläufigen Bewilligung belastenden endgültigen Entscheidung kann er im Klageverfahren gegen die endgültige Entscheidung nicht mehr damit gehört werden, die Verwaltung habe nicht vorläufig bewilligen dürfen. Ist die vorläufige Bewilligung bestandskräftig geworden, ist sie auch im Rahmen eines Erstattungsbescheides nach § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III hinsichtlich der Vorläufigkeit nicht mehr überprüfbar(BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R, SozR 3-4100 § 147 Nr 1). Der eine vorläufige Leistung bewilligende Bescheid ist mithin ebenso wie ein solcher über die Bewilligung von endgültigen Leistungen mit der Begründung anfechtbar, die Verwaltung habe rechtswidrig gehandelt, hier zu Unrecht vorläufige Leistungen anstatt endgültige bewilligt. Die zutreffende Klageart ist dann zu förderst die Anfechtungsklage (vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92).

21

Gleichwohl ist ein auf endgültige Leistungen gerichtetes Begehren in Gestalt der Leistungsklage nicht grundsätzlich unzulässig ( § 54 Abs 2 SGG - vgl BSG Urteil vom 21.7.2009 - B 7 AL 49/07 R, BSGE 104, 76 = SozR 4-4300 § 22 Nr 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315; aA Düe in Niesel/Brand, SGB III, 6. Aufl 2010, § 328 RdNr 30 f, der nur die Anfechtung für rechtlich zulässig hält ) - ein Kläger ist wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht ausschließlich gehalten, ebenfalls nur Leistungen in vorläufiger Höhe zu beantragen, wenn die Verwaltung eine endgültige Leistungsgewährung durch gesonderten Verfügungssatz zumindest konkludent ablehnt. Die Entscheidung der vorläufigen Bewilligung einer Leistung ist nach § 328 Abs 1 SGB III eine Ermessensentscheidung, wobei der Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne von Entschließungs- und Auswahlermessen hat(vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42). Die grundsätzlich richtige Klageart im Falle nicht gebundener Entscheidungen ist damit zwar die Verpflichtungsklage (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b; so auch Eicher in Eicher/Schlegel, § 328 SGB III, RdNr 92 im Hinblick auf vorläufige Leistungen wegen der Entscheidungsfreiräume der Verwaltung). Sie hält auch der erkennende Senat für die zutreffende Klageart im Falle der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach § 328 Abs 1 SGB III, um der Einebnung der Verschiedenartigkeit der Ansprüche auf endgültige und vorläufige Leistungen entgegenzuwirken. Geht der Kläger jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung nicht vorliegen oder das Ermessen der Behörde sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst, als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, ist die Beantragung der Leistung selbst (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315 - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage)und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. Die Verpflichtungsklage ist dann jedoch ggf als ein Minus (Hilfsantrag) in der Leistungsklage enthalten (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IV, RdNr 18). Im Hinblick auf die Verpflichtung des Richters nach § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG, den erhobenen Anspruch festzustellen und auf eine entsprechende Antragstellung hinzuwirken(BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1), hätte sich das LSG in dieser Hinsicht mit dem klägerischen Vortrag auseinandersetzen und seinen prozessualen Hinweispflichten nachkommen oder die Klage insoweit ggf als unbegründet behandeln müssen.

22

c) Gleichwohl vermag die Klägerin mit ihrem Begehren auf endgültige Leistungen nicht durchzudringen. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Klägerin die Leistungen als vorläufige und nicht in Gestalt endgültiger Leistungen erbracht hat.

23

Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III kann der Leistungsträger über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruches eines Hilfebedürftigen auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

24

Die Klägerin hat bereits bei Antragstellung am 24.4.2007 mitgeteilt, dass sie ab dem 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojekts beim Förderverein H eV aufnehmen und voraussichtliche Betriebseinnahmen von 500 Euro haben werde, denen vom 1.9.2007 bis 31.3.2008 voraussichtlich Betriebsausgaben von 100 Euro monatlich entgegenstehen würden. Da somit zum Entscheidungszeitpunkt nicht eindeutig festzustellen war, in welcher Höhe Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen sein werde, was nach § 9 SGB II wiederum Einfluss sowohl auf das "Ob" des Bestehens eines Leistungsanspruchs, als auch auf die endgültige Leistungshöhe hat, entspricht die Ausfüllung des Ermessensfreiraums durch Bewilligung vorläufiger Leistungen pflichtgemäßer Ermessensbetätigung(vgl zum grundsätzlichen Verbot, einen Geldleistungsanspruch durch "endgültigen" Verwaltungsakt - von Sonderfällen und speziellen gesetzlichen Regelungen abgesehen - anzuerkennen, bevor die Sach- und Rechtslage vollständig geklärt ist: BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 126/95 R, BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2; BSGE 62, 32 , 39 = SozR 4100 § 71 Nr 2; BSGE 67, 104 , 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; SozR 3-1300 § 32 Nr 4).

25

Mit Rücksicht auf den hier vorliegenden Streitgegenstand brauchte sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, inwieweit die Voraussetzungen des § 3 Abs 6 Alg II-V idF vom 17.12.2007 (BGBl I 2942), der hier nach § 9 Satz 3 Alg II-V für den Zeitraum ab dem 1.1.2008 zur Anwendung gelangen könnte, gegeben sind.

26

3. Im Hinblick auf die Höhe der vorläufigen Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vermochte der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG keine abschließende Entscheidung zu treffen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG ist die Klage auf höhere vorläufige Regelleistungen und Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ebenfalls nicht bereits unzulässig.

27

a) Die Klage ist im Hinblick auf die Gewährung vorläufig höherer Leistungen nicht verfristet. Wenn auch die Klägerin erst auf die Hinweise des LSG hilfsweise ausdrücklich vorläufige Leistungen beantragt hat, war die Bewilligung vorläufiger Leistungen gleichwohl von Anfang an Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens.

28

Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie (vgl BSG Urteil vom 25.10.1995 - 5 RJ 40/93 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 4 S 7) der prozessuale Anspruch, nämlich das von der Klägerin aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (stRspr, vgl hierzu nur BSG Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B = SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 18 f und Urteil vom 25.2.2004 - B 5 RJ 62/02 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 2 S 20; ebenso BVerwG vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 = BVerwGE 96, 24, 25).

29

Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl hierzu nur: BSG Urteil vom 4.2.1999 - B 7 AL 120/97 R = SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93, BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f, jeweils mwN; s auch BVerfG vom 29.10.1975 - 2 BvR 630/73 = BVerfGE 40, 272 <275>, das auf eine "dem Beschwerdeführer günstige Auslegung" abstellt) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen (§ 123 SGG), dass das Begehren der Klägerin möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 3 S 17; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 123 RdNr 8). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden(BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94> = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94 f> = SozR 2200 § 205 Nr 65; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 92 RdNr 12).

30

Die Klägerin hat, wie oben dargelegt, den Bescheid vom 5.10.2007, mit dem Leistungen vorläufig bewilligt worden sind, angefochten und höhere Leistungen begehrt. Damit ist die Gewährung höherer vorläufiger Leistungen zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, unabhängig von der konkreten Formulierung ihres Antrags. Die Neufassung des Antrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG stellte mithin keine Klageänderung iS des § 99 SGG dar. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufgrund des rechtlichen Hinweises der Vorsitzenden gemäß § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG erfolgte Konkretisierung des Klageantrags und die Differenzierung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten(vgl BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 1 S 3 f).

31

b) Ebenso wenig ist die Klage im Hinblick auf die Gewährung auch einer höheren Regelleistung verfristet. Die Klägerin hat den Streitgegenstand nicht auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Die Regelleistung ist von Anfang an im Streit gewesen. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Bescheid nicht nur teilweise angefochten und auch die Klage zu keinem Zeitpunkt teilweise zurückgenommen.

32

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R = BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 S 10 mwN; BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7 S 37). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X) enthält (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 mwN). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich zwar bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes insoweit zulässig ist(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 9 S 74). Es bedarf aber hierfür einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <224> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93 = BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 f; BVerwG vom 9.7.1997 - 1 B 209/96; Behrend in Hennig, SGG, § 95 RdNr 27a; Jansen/Humpert, SGG, § 123 RdNr 4a), an der es vorliegend fehlt. Allein aus fehlenden Äußerungen zu abtrennbaren Teilen eines Verwaltungsakts kann nicht geschlossen werden, dass die betreffende Teilregelung nicht angefochten sei, sondern in Bestandskraft erwachsen solle.

33

c) Statthafte Klageart betreffend den Hilfsantrag der Klägerin auf Gewährung höherer vorläufiger Leistungen ist - wie oben bereits dargelegt - die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage, da der Verwaltung hinsichtlich der Höhe der Leistung grundsätzlich ein - wenn auch eng begrenzter - Ermessensspielraum verbleibt (Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92; Wehrhahn in Estelmann, SGB II, § 40 RdNr 109; LSG Berlin-Brandenburg vom 15.2.2008 - L 28 B 1869/07 AS PKH). Ob der Beklagte die vorläufige Leistung hier in zutreffender Höhe bewilligt hat, vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Es mangelt an Feststellungen des LSG zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, sodass bereits aus diesem Grunde die Rechtmäßigkeit der Höhe der vorläufigen Leistungen nicht überprüft werden konnte. Nicht zu beanstanden ist hingegen die prognostische Entscheidung des Beklagten im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens.

34

§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 SGB III räumt der Verwaltung zwar grundsätzlich sowohl hinsichtlich des "Ob" als des "Wie" (Art, Höhe, Dauer) der Leistung Ermessen ein, also ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Allerdings verbleibt dem Beklagten im Bereich der Leistungen nach dem SGB II nur ein sehr eng begrenzter Entscheidungsfreiraum. So ist zunächst die Höhe der Leistung ohne das zu berücksichtigende Einkommen auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei sind alle Leistungsbestandteile in zutreffender Höhe zu ermitteln, hier Regelleistung und Leistung für Unterkunft und Heizung. Erst im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens, das sodann die zuvor ermittelte Leistungshöhe senkt, ist das Vorhandensein eines Ermessensspielraums im Sinne eines Auswahlermessens denkbar (vgl dazu Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42 ff), der gerichtlich gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG überprüft werden kann. Zu beachten ist jedoch auch dabei, dass die Leistungen nach dem SGB II der Gewährleistung des Existenzminimums dienen, weshalb die Ermessensspielräume sich verengen, soweit es um die Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnung) des Leistungsempfängers geht (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175). Eine zweckentsprechende Ermessensbetätigung hat im Rahmen des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III deshalb regelmäßig zur Folge, dass die Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen voraussichtlich auch endgültig zu leisten sein wird. Ein "vorsorglicher" Abschlag aufgrund der Vorläufigkeit scheidet im Regelungskreis des SGB II wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen regelmäßig aus (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 18; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <246>; Leopold, info also 2008, 104 <106>; im Ergebnis ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 189; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 44; vgl auch BT-Drucks 13/2440, S 32 zu Art 4 Nr 3 , wonach die vorläufige Bewilligung gerade den Zweck habe, den Bezug von Sozialhilfe zu vermeiden).

35

Unter Berücksichtigung dessen hat der Beklagte den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu bemessen, also festzustellen, ob und in welcher Höhe die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit setzt dabei eine Einzelfallprüfung voraus (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 <238> = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 S 23; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254 <258 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 S 30 f). Diese wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren unter Beachtung der nachfolgenden Erwägungen vorzunehmen haben:

36

Die Angemessenheit von Unterkunfts- und Heizkosten ist (getrennt voneinander vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der so genannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (vgl grundsätzlich zum schlüssigen Konzept: BSG Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Insoweit wird auf die Rechtsprechung des 14. Senats des BSG zu den angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt Berlin verwiesen, der sich der erkennende Senat anschließt (Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R). Kosten für ein Arbeitszimmer, welches die Klägerin als Betriebsausgabe in Abzug bringen will, sind nicht als Kosten der Unterkunft anzusehen, da § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur Leistungen für privaten Wohnraum umfasst(BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1 Satz 3 mwN).

37

Sollten sich die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung dessen als unangemessen erweisen, könnten ihr gleichwohl höhere Leistungen zustehen, wenn ihr die nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vorzunehmende Kostensenkung nicht zumutbar sein sollte. Nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, die den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung durchzuführen haben.

38

Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 19.2.2009 (B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 27) beispielhaft Umstände aufgeführt, die der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegenstehen können. Ob vorliegend ein Fall subjektiver Unzumutbarkeit vorliegt, kann der erkennende Senat aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht beurteilen.

39

Einer Aufforderung zur Kostensenkung bedurfte es jedenfalls ab November 2006 nicht mehr, weil der Klägerin hinreichend verdeutlicht war, dass der Beklagte ihre Aufwendungen für KdU für unangemessen hält. Offen bleiben kann insoweit, ob das Schreiben des Beklagten vom 2.5.2006 mit der darin enthaltenen Kostensenkungsaufforderung der Klägerin zuging und ob sie vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis erlangte. Denn jedenfalls mit dem Bewilligungsbescheid vom 7.11.2006 und in der Folge im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem SG um die Angemessenheit der Kaltmiete brachte der Beklagte gegenüber der Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck, welche Kaltmiete er für angemessen erachtete. Einer weiteren Kostensenkungsaufforderung bedurfte es nicht mehr, da deren Zweck der Aufklärung und Warnung erreicht war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 8). Der Klägerin war der von dem Beklagten zugrunde gelegte angemessene Mietpreis bekannt.

40

Hinsichtlich der Höhe des zugrunde gelegten Regelleistungsbedarfs ergeben sich keine Beanstandungen. Auf Basis dessen sowie der zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist alsdann die vorläufige Höhe des Alg II unter Berücksichtigung der prognostischen Höhe des Einkommens, das die Gesamtleistung durch Anrechnung senkt, zu bestimmen.

41

Die prognostische Ermittlung des anzurechnenden Einkommens durch den Beklagten ist hier nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Prognose sind die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände und die Angaben des Antragstellers im Leistungsantrag (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 Reg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hat zunächst im Antrag vom 24.4.2007 angegeben, sie erwarte monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 100 Euro ab dem 1.9.2007 bis zum 31.3.2008. Sie hat sodann in der Begründung ihres Widerspruchs mitgeteilt, sie habe seit dem 1.1.2007 durchschnittliche monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro verzeichnet. Der Beklagte hat dies im Änderungsbescheid vom 2.1.2008 der Berechnung zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die erst im Klageverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen, nach denen nach Auffassung der Klägerin überhaupt kein Einkommen anzurechnen ist, können die Prognose des Beklagten nicht erschüttern, da sie die Richtigkeit der ursprünglichen Prognose nicht widerlegten (vgl zur Prognose bei beruflichen Bildungsmaßnahmen: BSGE 37, 163 = SozR 4100 § 41 Nr 1).

42

4. Ob die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung auch für den Monat April 2008 rechtmäßig war, vermochte der Senat ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen. Der vorläufige Verwaltungsakt ergeht auf Grundlage eines nicht vollständig ermittelbaren Sachverhalts und einer hierauf beruhenden Prognose (Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, 1989, S 106; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <242>). Die Verwaltung muss die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände fehlerfrei ermitteln (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 REg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hatte zwar bereits im Antrag vom 24.4.2007 erklärt, dass der Honorarvertrag nur bis 31.3.2008 laufe. Ob hieraus jedoch folgt, dass sie ab dem 1.4.2008 auch keinen Einkommenszufluss aus dieser Beschäftigung mehr haben würde, ist offen. Es mangelt an Tatsachenfeststellungen des LSG hierzu. Der Beklagte hat im Hinblick auf die Beendigung der Beschäftigung zwar bereits kein Einkommen mehr bei der Berechnung der vorläufigen Leistungen berücksichtigt, ob insoweit allerdings bereits die Grundlage für die Vorläufigkeit der Bewilligung entfallen und der Beklagte eine endgültige Entscheidung hätte treffen müssen, wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren ebenso aufzuklären haben, wie es unter den oben dargelegten Gesichtspunkten auch die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat April 2008 wird überprüfen müssen.

43

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen aus laufenden Leistungen, die der Kläger aus den französischen Zusatzalterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO erhält.

2

Der 1940 geborene Kläger bezieht seit Oktober 2000 eine Rente der (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung und ist seit 1.4.2002 als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Daneben erhält er von der Alterssicherungskasse CNAV eine Rente der allgemeinen französischen Rentenversicherung sowie von den Trägerorganisationen CIRCACIC und IREPS jeweils laufende Leistungen aus den Zusatz-Alterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO (im Folgenden: französische Zusatzrenten). Die französischen Zusatzrenten machten im April 2002 (ohne die französische Rente) etwa drei Viertel seines Gesamtalterseinkommens aus.

3

Mit Bescheid vom 27.3.2002 stellte die beklagte AOK die Versicherungspflicht des Klägers als Rentner in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.4.2002 fest und führte ua aus: "Für Ihre Beitragsbelastung ab 01.04.2002 gilt Folgendes: Die Zusatzrenten von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht." Mit Bescheid vom 11.4.2002 setzte die Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus diesen Leistungen ab 1.4.2002 fest und übernahm die genannten Ausführungen zu deren Beitragspflicht als "betriebliche Zusatzrenten" wortgleich aus dem vorangegangenen Schreiben. Mit dem nachfolgenden Bescheid vom 26.2.2003 setzte die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.4.2002 neu fest. Im Hinblick auf die zum 1.1.2004 wirksam werdenden, auf dem GKV-Modernisierungsgesetz beruhenden Rechtsänderungen teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2.12.2003 ua mit, dass Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen ab 1.1.2004 unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes zu berechnen seien. Unter Bezugnahme hierauf wandte sich der Kläger gegen die "Erhöhung des monatlichen Beitragssatzes um ca 100 %" für seine französischen Zusatzrenten ab 1.1.2004 und bat die Beklagte um Bestätigung, dass für diese "nur die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes" gelte. Zur Begründung führte er ua aus, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten nicht um Betriebsrenten oder ähnliche Versorgungsbezüge handele (Schreiben des Klägers vom 21.1.2004). Die Beklagte reagierte darauf mit Schreiben vom 2.2.2004, betonte, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V handele, und fügte hinzu, dass dies "bereits seit Jahren mehrfach besprochen" sei, sich "an dieser Rechtsauslegung" auch zum 1.1.2004 "nichts geändert" habe und es deshalb bei der Beitragsberechnung … "verbleibe". Der Kläger erhob gegen die "neue Beitragsberechnung des (vollen) Beitragssatzes für die französischen Zusatzrenten" unter Bezugnahme auf dieses Schreiben Widerspruch und bat die Beklagte, von dieser "außerordentlich hohen Mehrbelastung (Verdoppelung des Beitrags …) Abstand zu nehmen" (Widerspruch vom 9.2.2004). Mit Bescheid vom 3.3.2004 setzte die Klägerin die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen Veränderungen der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2003 und unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes ab 1.1.2004 neu fest. Der Kläger wandte sich daraufhin erneut "gegen die Beitragsberechnung ab 1.1.2004" und trug ua vor, dass es sich bei seinen französischen Zusatzrenten "nicht um Versorgungsbezüge ähnlich wie in Deutschland die Betriebsrenten, sondern um gesetzliche Renten und gesetzliche Zusatzrenten …" handele (Widerspruch vom 15.3.2004).

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 wies die Beklagte den wegen der "Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz ab 1.1.2004" erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. Bei den französischen Zusatzrenten handele es sich um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V. Das sei bereits durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt und dem Kläger mit Schreiben vom 2.2.2004 später nochmals erläutert worden. Die Krankenversicherungsbeiträge habe sie ab 1.1.2004 zutreffend nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben.

5

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 aufzuheben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mit Bescheid vom 14.4.2005 wegen Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2004 neu festgesetzt. Mit Urteil vom 19.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil vom 20.10.2009 das erstinstanzliche Urteil sowie die "Bescheide" der Beklagten vom 11.4.2002, 2.2.2004 und 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2005 und den Bescheid vom 14.4.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Weil die Beklagte unter dem 2.2.2004 über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als Versorgungsbezüge erneut entschieden habe, könne das im Gerichtsverfahren überprüft werden. Die Zusatzrenten unterlägen allerdings nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, sodass Beiträge zu diesen Sozialversicherungszweigen für die streitige Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 nicht hätten erhoben werden dürfen. Beitragspflicht bestehe deshalb nicht, weil französische Zusatzrenten, wie sie der Kläger beziehe, wegen einer Notifizierung der französischen Regierung unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst j der EWGV 1408/71 Leistungen nach Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 und damit ihrer Art nach Renten darstellten, die in der deutschen Krankenversicherung nicht verbeitragt werden dürften.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 229 Abs 1 S 1 Nr 5, S 2 SGB V. Bei seiner Abgrenzung der Renten von den Versorgungsbezügen habe das LSG Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 fehlerhaft ausgelegt. Diese Vorschrift bezwecke lediglich die Festlegung des sachlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Für die Einordnung und Bewertung der französischen Zusatzrenten als gesetzliche Renten oder Versorgungsbezüge besage sie indessen nichts. Insoweit komme es für die Beurteilung als beitragspflichtige Einnahmen - auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH - allein auf das nationale, hier das deutsche Sozialversicherungsrecht an. Nach deutschem Recht seien aber alle Voraussetzungen für die Annahme erfüllt, dass es sich bei den Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V handele.

7

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.10.2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.12.2005 zurückzuweisen.

8

Der Kläger stellt keinen Antrag und äußert sich auch in der Sache nicht.

9

Mit Schreiben vom 7.12.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) im vorliegenden Revisionsverfahren inhaltlich (überhaupt) noch zu entscheiden ist.

10

Unter dem 14.2.2012 hat die Beklagte die angefochtenen Ausgangsbescheide aufgehoben, soweit darin auch Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, sodass das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen war. Hierüber durfte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 165, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG) entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

12

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist der Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002, daneben das vom LSG als Bescheid angesehene - mit Widerspruch vom 9.2.2004 angefochtene - Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 und der - mit Widerspruch vom 15.3.2004 angefochtene - Bescheid vom 3.3.2004, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004. Nachdem der Klageantrag das Schreiben vom 2.2.2004 und den Bescheid vom 3.3.2004 ursprünglich nicht umfasst und das SG hierüber auch nicht befunden hatte, hat das Berufungsgericht diese - bei Zugrundelegung des Schreibens vom 2.2.2004 als Bescheid - zutreffend in sein Verfahren einbezogen. Der Senat kann dabei offenlassen, ob eine Einbeziehung solcher Ausgangsbescheide im Wege einer bloßen Klarstellung des Streitgegenstands erfolgt, als Erweiterung des Klageantrags nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG oder als Klageänderung. Jedenfalls hat die Beklagte in deren Einbeziehung eingewilligt, diese war auch sachdienlich.

13

Zu beurteilen ist ferner der Bescheid der Beklagten vom 14.4.2005. Dieser bereits während des Klageverfahrens ergangene, vom SG aber nicht berücksichtigte Bescheid ist nach § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung Verfahrensgegenstand geworden, weil er den vorangegangenen Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 über die Beitragsfestsetzung aus den französischen Zusatzrenten für die Zeit ab 1.1.2004 ersetzt.

14

Ob die Festsetzung von Beiträgen aus den französischen Zusatzrenten rechtmäßig ist, ist lediglich für den Zeitraum vom 1.4.2002 (Beginn der Versicherungspflicht) bis 28.2.2006 zu prüfen, nachdem sich die Beklagte in einem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich dazu verpflichtet hat, die "ab 2006 ergangenen Beitragsbescheide" entsprechend dem Ausgang des Rechtsstreits erneut zu überprüfen, und der Kläger sein Begehren insoweit beschränkt hat. Der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt auch nur (noch) die Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge, nachdem die Beklagte im Revisionsverfahren ihre (Beitrags)Bescheide hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung aufgehoben hat.

15

2. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das SG hat die gegen die Bescheide der Beklagten erhobene Anfechtungsklage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 (dazu a) und ihr Schreiben vom 2.2.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) (dazu b) erhobene Klage ist allerdings bereits unzulässig. Zulässig, aber unbegründet ist demgegenüber die Klage gegen den Bescheid vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005 (dazu c).

16

a) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 gerichtete Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Bescheid, der neben der (ersten) Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1.4.2002 auch den Passus enthält: "Wie bereits bekannt, gilt für Ihre Beitragsbelastung ab 01.04.2002 Folgendes: … Die Zusatzrenten von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht", war im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits (formell) bestandskräftig. Gegen den Bescheid, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, wurden nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG Rechtsbehelfe nicht eingelegt.

17

Der Senat kann offenlassen, ob die Beklagte mit diesem oder bereits dem früheren - hier nicht angefochtenen - Bescheid vom 27.3.2002 oder mit beiden Bescheiden (auch) über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden hat, was zur Folge hätte, dass der Bescheid vom 11.4.2002 jenen nur wiederholte oder eine weitere neue Sachentscheidung darstellte. Denn auch der Bescheid vom 27.3.2002 war - mangels fristgerechter Einlegung eines Rechtsbehelfs - (formell) bestandskräftig. Die weiteren vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3.3.2004 und 14.4.2005 enthielten demgegenüber nur noch Beitrags(neu)festsetzungen infolge veränderter Beitragsbemessungsgrundlagen bzw veränderten Beitragssatzes.

18

Die Beklagte hat damit dem Kläger gegenüber eigenständig und mit bindender Wirkung (§ 77 SGG) festgestellt, dass die französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) iS des § 229 Abs 1 SGB V anzusehen sind und deshalb der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegen. Zwar hat sie sich bei dieser Feststellung insoweit auf ein einzelnes Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes beschränkt. Das ist jedoch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich dürfen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung eine einzelne Größe zur Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags nicht für sich zum Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts machen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 70, 105, 106 f = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 2 f; ferner BSGE 58, 10 = SozR 2200 § 180 Nr 25 und SozR aaO, Nr 38)ist jedoch - in Abweichung hiervon - die Beitragspflicht von Einnahmen als Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes gesondert feststellungsfähig.

19

Die gegen den bestandskräftigen feststellenden Verwaltungsakt über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten erhobene Klage ist nicht deshalb (gleichwohl) zulässig, weil die Beklagte über einen hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 in der Sache entschieden hätte, dadurch eine "Heilung" der Fristversäumung eingetreten und ein (Rechtsbehelfs)Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht (wieder) "eröffnet" worden wäre. Ein solches - als verfristeter Widerspruch auszulegendes - Überprüfungsbegehren des Klägers ist nicht erkennbar. Es könnte allenfalls in seinem Schreiben vom 21.1.2004 gesehen werden. Mit diesem hat sich der Kläger jedoch - wenn auch unter Hinweis auf das Fehlen der Beitragspflicht als einer der (Grund)Voraussetzungen der Beitragserhebung - (explizit) nur zu der Mitteilung der Beklagten vom 2.12.2003 geäußert, dass Beiträge aus Versorgungsbezügen ab Januar 2004 nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu berechnen seien. Dieses Verständnis liegt auch dem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 zugrunde. Denn mit ihm hat die Beklagte vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts keine Überprüfung ihrer Feststellungen zur Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten im Rechtsbehelfsverfahren vorgenommen, sondern sich allein auf den Hinweis zur Bestandskraft (ihres Bescheides vom 11.4.2002) beschränkt.

20

b) Die Anfechtungsklage ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen das vom LSG als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) richtet. Weil das Schreiben keinen Verwaltungsakt enthält und der Kläger aufgrund der Begleitumstände dieses Schreibens auch nicht davon ausgehen musste - und wie sich aus seinen Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 ergibt (dazu unten) - tatsächlich auch nicht davon ausgegangen ist, dass hiermit von der Beklagten einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellungen gewollt waren (zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in solchen Fällen vgl BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Urteil des Senats vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9), ist die Anfechtungsklage nicht statthaft. Weder handelt es sich bei dem Schreiben vom 2.2.2004 nämlich um eine weitere neue Sachentscheidung der Beklagten über die Feststellung der Beitragspflicht, die ein Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht insoweit (neu) "eröffnete", noch hat die Beklagte unter dem 2.2.2004 auf einen nach § 44 SGB X gestellten Antrag des Klägers die Aufnahme eines entsprechenden Überprüfungsverfahrens abgelehnt oder nach Aufnahme und erneuter Sachentscheidung einen für den Kläger negativen Zweitbescheid erlassen. In diesen Fällen fehlte für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage im Zweifel auch das Vorverfahren (dazu unten).

21

Der vom Berufungsgericht hierzu vertretenen Auffassung folgt der Senat nicht, weil die Bewertung des Schriftverkehrs zwischen dem Kläger und der Beklagten insoweit zu einem anderen Ergebnis führt. Zum einen wollte der Kläger mit seinem Schreiben vom 21.1.2004 keine Überprüfung - und zwar auch keine solche nach § 44 SGB X - erreichen(dazu oben a). Zum anderen befand die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 2.2.2004 vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungswerts dieses Schreibens nicht über einen solchen Überprüfungsantrag und traf auch keine neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten. Sie teilte vielmehr (nur) - unter Hinweis auf zurückliegende Korrespondenz - mit, dass sich an ihrer Auslegung "nichts geändert" habe und es deshalb bei der Beitragserhebung "verbleibe". Der Senat ist im Revisionsverfahren befugt, den Inhalt von Verwaltungsakten (und Schreiben) selbstständig - und damit auch abweichend von den Vorinstanzen - auszulegen, dh, die sich aus ihnen ergebenden Rechtsfolgen selbstständig zu bestimmen, etwa soweit es um die vollständige Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände und die Beachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln geht (stRspr des BSG, vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3b mwN; BSGE 48, 56, 58 f = SozR 2200 § 368a Nr 5).

22

Ebenso wenig hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 - was abschließend zu prüfen ist - in der Sache über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden. Sie hat also auch insoweit das Verfahren nicht (wieder) "eröffnet". Vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts ist im Widerspruchsbescheid (selbst) weder eine weitere neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht getroffen worden noch enthält dieser (selbst) eine Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Abgesehen davon, dass sich die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid darauf beschränkt hat, die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als bestandskräftig festgestellt zu bezeichnen, und ihr Schreiben vom 2.2.2004 als (bloßes) Erläuterungsschreiben vorgestellt hat (und solche Entscheidungen von ihr als Widerspruchsbehörde auch gar nicht getroffen werden dürften), hat sich der Kläger mit seinen Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 gegen die Beitragspflicht dieser Einnahmen auch (gar) nicht gewandt. Weil er sich dort jedenfalls mit der Anwendung des halben allgemeinen Beitragssatzes auf diese Einnahmen einverstanden erklärt hat, hat er deren Beitragspflicht akzeptiert.

23

c) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005 erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

24

In diesen Bescheiden hat die Beklagte, ohne sich mit der Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als (Grund)Voraussetzung der Beitragserhebung ein wiederholtes Mal - im Wege einer neuer Sachentscheidung oder in einem Überprüfungsverfahren - zu befassen, über (die) weitere(n) Elemente des Beitrags(tragungs)tatbestandes entschieden und die Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit ab 1.3.2003 bzw 1.1.2004 wegen Veränderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage und unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes neu festgesetzt. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen ab 1.1.2004 in Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes, die der Kläger im Rahmen seines um die Höhe der Beiträge geführten Rechtsstreits allein beanstandet, ist indessen rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und dem Bescheid vom 14.4.2005 die aus den französischen Zusatzrenten vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung der auf (beitragspflichtige) Versorgungsbezüge ab 1.1.2004 anzuwendenden Vorschrift des § 248 SGB V ermittelt. - Soweit es die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen für den vorangegangenen Zeitraum - vom 1.4.2002 bis 31.12.2002 - betrifft, ist die Beitragsfestsetzung vom Kläger (allerdings) schon deshalb hinzunehmen, weil der (Beitrags)Bescheid vom 11.4.2002 und der - hier nicht angefochtene - (Beitrags)Bescheid vom 26.2.2003 - wie bereits erörtert (dazu oben a) - (formell) bestandskräftig geworden sind.

25

Nach § 248 S 1 SGB V in der im streitigen Zeitraum maßgebenden, unverändert geltenden Fassung des Art 1 Nr 148 Buchst a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) gilt bei Versicherungspflichtigen - und damit auch bei Rentnern (§ 237 SGB V iVm § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 und § 229 SGB V) -für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der jeweils am 1. Juli geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Gegen die Berechnung des Betrags aus den französischen Zusatzrenten in Anwendung dieser Vorschrift und unter Beachtung des satzungsmäßigen allgemeinen Beitragssatzes hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen aus Versorgungsbezügen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz ist auch in Ansehung des vom Kläger behaupteten "drastischen" und "unvorhergesehenen" Eingriffs in seine Alterssicherung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

26

§ 248 S 1 SGB V hat faktisch eine Verdoppelung der bei versicherungspflichtigen Rentnern aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge gegenüber dem bis zum 31.12.2003 geltenden Recht bewirkt, denn nach § 248 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung galt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nur die Hälfte des jeweils am 1. Juli geltenden allgemeinen Beitragssatzes ihrer Krankenkasse. Weil nach § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V in seiner unveränderten Fassung die Beiträge weiterhin allein vom Mitglied zu tragen sind, trifft die Erhöhung im wirtschaftlichen Ergebnis allein das Mitglied und verdoppelt dessen Beitragslast aus Versorgungsbezügen.

27

Versorgungsbezüge sind in der Krankenversicherung bei Versicherungspflichtigen wie bei freiwillig Versicherten seit 1983 beitragspflichtige Einnahmen (vgl § 180 Abs 5 bis 8 RVO idF des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1.12.1981, BGBl I 1205). Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen (vgl Urteile des Senats vom 24.8.2005 - B 12 KR 29/04 R - SozR 4-2500 § 248 Nr 1, vom 10.5.2006, ua B 12 KR 5/05 R - USK 2006-25, B 12 KR 7/05 R - WzS 2007, 155 - und B 12 KR 21/05 R - WzS 2007, 155, sowie vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12) - an denen er festhält - ausgeführt hat, ist er nicht davon überzeugt, dass § 248 SGB V verfassungswidrig ist. Insbesondere hat er dargelegt, dass sich an der Zumutbarkeit der jetzigen Beitragslast auf Versorgungsbezüge nichts ändert, wenn die Belastung von Versorgungsbeziehern im Einzelfall - wie hier - aufgrund eines höheren Anteils der Versorgung am individuellen Arbeitseinkommen höher ist. Er hat auch weder eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu freiwillig versicherten Rentenbeziehern gesehen noch einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG angenommen, soweit nach § 248 S 2 SGB V für Versorgungsbezüge iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, dh Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, weiterhin nur der halbe allgemeine Beitragssatz gilt. Weiter hat der Senat weder die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG als verletzt angesehen noch die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge als Verletzung des Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bewertet. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 28.2.2008 (1 BvR 2137/06 - SozR 4-2500 § 248 Nr 3) die Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats vom 10.5.2006 (B 12 KR 3/05 R - WzS 2007, 154, B 12 KR 5/05 R - aaO, B 12 KR 7/05 R - aaO, B 12 KR 9/05 R - WzS 2007, 153 und B 12 KR 13/05 R - WzS 2007, 153) nicht zur Entscheidung angenommen. Im Zusammenhang mit der Verdoppelung der Beitragslast einer pflichtversicherten Rentnerin mit einer Witwenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (Urteil des Senats vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12) hat das BVerfG § 248 SGB V ebenfalls nicht beanstandet(Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 2325/07 - SozR 4-2500 § 248 Nr 4; vgl außerdem BVerfG Beschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR 2257/06 - SozR 4-2500 § 240 Nr 11: Verdoppelung der Beitragslast für beamtenrechtliche Versorgungsbezüge durch Aufhebung von § 240 Abs 3a SGB V). In diesen Entscheidungen hat das BVerfG § 248 S 1 SGB V als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen. Einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG hat es verneint und ua ausgeführt, die Belastung mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz sei auch dann hinzunehmen, wenn die Versorgungsbezüge - wie hier - ausnahmsweise einen hohen Anteil der Alterseinkünfte ausmachten. Es ist weder ersichtlich noch macht der Kläger geltend, dass in seinem Fall Besonderheiten vorliegen, die Anlass zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung geben könnten.

28

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. August 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 1000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Vergütung von 1000 Euro aus einem Vermittlungsgutschein.

2

Am 27.5.2010 stellte die Beklagte für die zu diesem Zeitpunkt arbeitslos gemeldete und Arbeitslosengeld (Alg) beziehende Beigeladene einen für die Zeit vom 27.5.2010 bis 25.8.2010 gültigen Vermittlungsgutschein über 2000 Euro nach § 421g Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) aus. Der Vermittlungsgutschein enthielt ua folgende Hinweise: "Der oben angegebene Betrag wird an einen von Ihnen eingeschalteten privaten Vermittler gezahlt, wenn Sie von ihm in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt wurden. Die Zahlung erfolgt in Höhe von 1000 Euro nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Der Restbetrag wird gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis mindestens sechs Monate gedauert hat. … …Die Vermittlung muss innerhalb der Gültigkeitsdauer erfolgen. Maßgebend ist der Tag, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen wird, bei vorheriger mündlicher Einigung oder im Falle einer Einstellungszusage jedoch der Tag der Einigung oder Zusage."

3

Am 30.6.2010 schloss die Beigeladene mit der Klägerin, die ein Unternehmen der privaten Arbeitsvermittlung betreibt und dies als Gegenstand ihres Gewerbes angezeigt hat, einen schriftlichen Arbeitsvermittlungsvertrag, mit dem die Klägerin mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle als Produktionshelferin, Kommissioniererin oder Lagerhelferin beauftragt wurde.

4

Am 14.7.2010 kam auf Vermittlung der Klägerin ein Arbeitsvertrag zwischen der Beigeladenen und der K GmbH & Co OHG - bei der die Beigeladene vorher nicht beschäftigt war - für die Zeit vom 19.7. bis 17.12.2010 zustande. Der Arbeitsvertrag sah eine versicherungspflichtige Beschäftigung der Beigeladenen mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vor.

5

Nachdem die Beigeladene am 19.7.2010 die Beschäftigung aufgenommen hatte, beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 7.9.2010 die Auszahlung der ersten Rate des Vermittlungsgutscheins. Sie legte der Beklagten ua den Vermittlungsgutschein, den Vermittlungsvertrag mit der Beigeladenen, die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung des Arbeitgebers sowie die Gewerbeanmeldung für die private Arbeitsvermittlung vor.

6

Mit Bescheid vom 9.9.2010 teilte die Beklagte, die bereits im Juli 2010 Kenntnis von einer nicht angezeigten versicherungspflichtigen Beschäftigung der Beigeladenen im Zeitraum 25.4. bis 28.5.2010 erhalten und deshalb der Beigeladenen gegenüber die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 26.4.2010 aufgehoben hatte, der Klägerin mit, dem Antrag auf Auszahlung könne nicht entsprochen werden. Der Arbeitsvertrag sei nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins abgeschlossen worden. Die Gültigkeit sei ua davon abhängig, wie lange ein Anspruch auf Alg bestehe. Der Anspruch der Beigeladenen sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits erloschen gewesen. Der gegen den Bescheid vom 9.9.2010 erhobene Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27.9.2010). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an die Klägerin 1000 Euro zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 17.1.2011, hinsichtlich des Aktivrubrums berichtigt mit Beschluss vom 9.3.2011).

7

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen (Urteil vom 15.8.2012). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 421g SGB III in der hier maßgeblichen Fassung seien erfüllt. Die Beklagte habe der Beigeladenen einen gültigen Vermittlungsgutschein ausgestellt und innerhalb des Gültigkeitszeitraums habe die Klägerin die Beigeladene aufgrund eines schriftlichen Vermittlungsvertrags in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins nicht dadurch rückwirkend erloschen, dass die Beklagte gegenüber der Beigeladenen die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben habe. Zwar sei dadurch eine der Voraussetzungen für die Erteilung eines Vermittlungsgutscheins entfallen. Um die anhaltende Rechtswirkung des Vermittlungsgutscheins einschließlich des auf ihm beruhenden Zahlungsanspruchs zu beseitigen, habe es aber einer Rücknahme nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 2 SGB III oder einer Aufhebung nach § 48 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III bedurft. Bei einem Vermittlungsgutschein handele es sich um einen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X. Von den Wirkungen eines solchen Verwaltungsakts könne sich die ausstellende Behörde nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff SGB X lösen. Dies sei vorliegend nicht geschehen.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 SGB X. Das LSG vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass der Vermittlungsgutschein einen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X darstelle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in der Entscheidung vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - die gegenteilige Meinung vertreten. Es habe ausgeführt, dass es sich bei einem Vermittlungsgutschein nicht um eine Zusicherung iS des § 34 SGB X gegenüber dem Vermittler handele, aus der sich dann die Zahlungspflicht der Beklagten ergebe. Damit habe das BSG zugleich die Rechtsauffassung vertreten, ein Vermittlungsgutschein stelle keinen Verwaltungsakt dar. Da es sich nach Auffassung des BSG beim Anspruch des privaten Arbeitsvermittlers gegen die Beklagte ohnehin um einen unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch handle, sei die Beklagte der Klägerin gegenüber zur Zahlungsverweigerung auch ohne Aufhebung des Vermittlungsgutscheins berechtigt gewesen. Aus § 421g Abs 1 SGB III, der den Anspruch auf Alg als Voraussetzung für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins nenne, folge für den vorliegenden Fall, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht mehr bestehe, weil der Alg-Anspruch der Beigeladenen vor Ablauf der im Vermittlungsgutschein angegebenen Gültigkeitsdauer erloschen sei bzw gar nicht vorgelegen habe. Dieser Auffassung stehe nicht entgegen, dass das BSG in der Entscheidung vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 8/07 R - ausgeführt habe, die Voraussetzungen für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins seien im Rahmen des Abrechnungsverfahrens zwischen Vermittler und Beklagter nicht mehr zu überprüfen; denn weder dem Tatbestand noch den Gründen dieser Entscheidung lasse sich entnehmen, ob bei Ablauf der Gültigkeitsdauer wirklich noch ein Alg-Anspruch bestanden habe oder nicht.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. August 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 1000 Euro hat.

13

Ob der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht, richtet sich nach § 421g SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.7.2009 (BGBl I 1939) erhalten hat. Danach haben bestimmte Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins, mit dem sich die Beklagte nach näherer Maßgabe der Vorschrift verpflichtet, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers zu erfüllen, der den Arbeitnehmer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat (Abs 1 S 1 und 4). Der Vermittlungsgutschein gilt für einen Zeitraum von drei Monaten (Abs 1 S 6). Die Vergütung wird in Höhe von 1000 Euro nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses unmittelbar an den Vermittler gezahlt (Abs 2 S 3 und 4).

14

Nach der Rechtsprechung des BSG ist der private Arbeitsvermittler selbst Inhaber des Zahlungsanspruchs, der zunächst einen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitnehmer voraussetzt, der sich seinerseits aus einem zivilrechtlichen Vertrag ergibt, dessen Wirksamkeit und nähere Ausgestaltung sich nach den Vorschriften des Bürgerliches Gesetzbuchs (BGB) richtet, wobei diese Vorschriften von öffentlich-rechtlichen Normen überlagert sind (BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 13 ff; Urteil vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 8/07 R - BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3, RdNr 11; BSG Urteil vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 10/07 R - Juris RdNr 11; Urteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 10/10 R - Juris RdNr 15; Urteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 11/10 R - Juris RdNr 19 ff; vgl auch BGH Urteil vom 18.3.2010 - III ZR 254/09 - NJW 2010, 3222). Der Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen die Beklagte hat danach im Wesentlichen folgende Voraussetzungen: Erstens die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins; zweitens ein wirksamer, vor Beginn der Vermittlungstätigkeit abgeschlossener schriftlicher Vermittlungsvertrag mit daraus resultierendem Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitnehmer; drittens innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheins die erfolgreiche Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden; viertens für die Auszahlung der ersten Rate eine sechswöchige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses (vgl BSG aaO).

15

Nach den unangegriffenen und den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist davon auszugehen und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass jeweils unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben die Beklagte der Beigeladenen einen Vermittlungsgutschein ausgestellt hat, dass ein Vermittlungsvertrag zwischen Beigeladener und Klägerin mit daraus folgendem Zahlungsanspruch der Klägerin zustande gekommen ist, dass die Beigeladene innerhalb der im Vermittlungsgutschein angegebenen Geltungsdauer durch die Klägerin erfolgreich vermittelt worden ist und dass das Beschäftigungsverhältnis die erforderliche Mindestdauer erreicht hat. Streitig ist allein, ob das Vorbringen der Beklagten zutrifft, die Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins sei vom Bestehen des Anspruchs auf Alg abhängig und sie könne bei Entfallen des Alg-Anspruchs auch ohne Aufhebung des Vermittlungsgutscheins gegenüber dem Vermittler die Zahlung verweigern. Diesem Vorbringen der Beklagten folgt der Senat nicht.

16

Der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist bereits zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins selbst im Abrechnungsverfahren zwischen dem Vermittler und der Beklagten nicht mehr zu überprüfen sind und dass sich der Vermittler auf die im Gutschein selbst angegebene Geltungsdauer verlassen darf (Urteil vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 8/07 R - BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3, RdNr 17, mit Hinweisen auf Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421g RdNr 31, Stand April 2008, und SGb 2006, 144, 151). Der Senat hat außerdem bereits ausgeführt, dass nach Erteilung eines Vermittlungsgutscheins sich die Dauer grundsätzlich nach § 421g Abs 1 S 6 SGB III richtet(drei Monate, vgl Beschlüsse vom 25.10.2012 - B 11 AL 34/12 B - Juris RdNr 4, und vom 26.11.2012 - B 11 AL 65/12 B - Juris RdNr 4) und dass sich aus dem Gesetz keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, der Wegfall eines Alg-Anspruchs habe unmittelbar das Erlöschen der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins zur Folge (Beschluss vom 6.3.2013 - B 11 AL 93/12 B - Juris RdNr 12). Selbst wenn also der Auffassung der Beklagten, der Vermittlungsgutschein stelle keinen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X dar, zu folgen wäre, ist nicht ersichtlich, welcher Einwand dem gesetzlichen Zahlungsanspruch des Vermittlers entgegengehalten werden könnte. Wäre etwa von einer Schuldübernahme nach Maßgabe der §§ 414 ff BGB auszugehen, so könnte sich die Beklagte ihrer Verpflichtung nur nach einem Rücktritt bzw Abgabe einer rechtsgestaltenden Erklärung entziehen(vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.6.2013 - L 9 AL 36/12 - NZS 2013, 835, 837 f). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch unstreitig im Vermittlungsgutschein eine bestimmte Geltungsdauer unzweifelhaft bezeichnet und auch erläutert und sie hat sich der Klägerin gegenüber erstmals nach Ablauf der angegebenen Geltungsdauer auf das angebliche Entfallen der Gültigkeit berufen.

17

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen folgt der Senat jedoch der Auffassung des LSG, wonach die Erteilung des Vermittlungsgutscheines im Verhältnis zwischen der BA und dem Arbeitsuchenden einen Verwaltungsakt darstellt. Gemäß § 31 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung und andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Erteilung des Vermittlungsgutscheins erfüllt. Die Beziehungen zwischen der Beklagten und dem den Vermittlungsgutschein beanspruchenden Arbeitnehmer sind unzweifelhaft öffentlich-rechtlicher Art. Mit Erteilung des Vermittlungsgutscheins wird gegenüber dem Arbeitnehmer verbindlich festgestellt, dass er die Fördervoraussetzungen erfüllt und dass er von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermittler freizustellen ist. Die Erteilung ist also auf die Feststellung eines subjektiven Rechts der Arbeitnehmers gerichtet (vgl BSGE 97, 63, 66 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1), weshalb von einer Einzelfallregelung iS des § 31 S 1 SGB X auszugehen ist(in diesem Sinne auch ua Sächsisches LSG Urteile vom 18.3.2010 - L 3 AL 19/09 - Juris RdNr 31, und vom 26.4.2012 - L 3 AL 255/10 - Juris RdNr 24; Brandts in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 421g RdNr 7).

18

Der Ansicht, es handle sich bei der Erteilung des Vermittlungsgutscheins nur um eine Verfahrenshandlung, die der Vorbereitung der eigentlichen Sachentscheidung diene (Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Einzelkommentierung Mai 2012, § 421g RdNr 29), ist nicht zu folgen. Denn die Beziehung zwischen der Beklagten und dem Arbeitnehmer einerseits und das Schuldverhältnis zwischen der Beklagten und dem Vermittler andererseits sind zu trennen (vgl BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 16). Die Entscheidung der Beklagten über die Erteilung des Vermittlungsgutscheins entfaltet bereits unmittelbar Rechtswirkungen gegenüber dem Arbeitnehmer. Dieser Entscheidung muss nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung - vorbehaltlich einer etwaigen späteren Änderung - für die weitere Abwicklung Verbindlichkeit zukommen. Deswegen kann auch entgegen dem Vorbringen der Revision aus den Ausführungen des BSG, bei dem Vermittlungsgutschein handle es sich nicht um eine Zusicherung iS des § 34 SGB X zugunsten des Vermittlers(BSG aaO RdNr 16), nicht gefolgert werden, im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Arbeitnehmer werde nicht durch Verwaltungsakt entschieden.

19

Dass die Erteilung des Vermittlungsgutscheins gemäß § 421g SGB III einen Verwaltungsakt darstellt, wird bestätigt durch die weitere Rechtsentwicklung(vgl seit 1.4.2012 Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein gemäß § 45 Abs 4 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Bei der Nachfolgeregelung ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein eine verbindliche Förderzusage enthält (BT-Drucks 17/6277 S 93; vgl auch Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 45 RdNr 23, 24).

20

Liegt somit ein Verwaltungsakt iS des § 31 S 1 SGB X vor, ist die Auffassung des LSG nicht zu beanstanden, dass dieser Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben worden oder durch Zeitablauf erledigt ist(§ 39 Abs 2 SGB X). Da die Beklagte die Wirksamkeit des Vermittlungsgutscheins nicht beseitigt hat und dem Zahlungsanspruch der Klägerin auch sonstige Einwendungen nicht entgegenhalten kann, bleibt ihr Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Frage, ob der Beklagten Ansprüche gegen die Beigeladene auf Rückabwicklung bzw Erstattung zustehen könnten, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung; die Festsetzung des Streitwerts auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts vom 30. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt für die Zeit vom 1.3.2011 bis zum 23.8.2012 einen Zuschuss zu seinen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II.

2

Der 1991 geborene und als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger absolvierte vom 24.8.2009 bis 23.8.2012 eine berufliche Ausbildung zum Malerfachwerker in einem Berufsbildungswerk. Die BA gewährte ihm wegen dieser Ausbildung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Ausbildungsgeld, Lehrgangskosten und Reisekosten. Das Ausbildungsgeld belief sich im streitbefangenen Zeitraum auf monatlich 572 Euro. Zusätzlich bezog der Kläger Kindergeld in Höhe von monatlich 184 Euro. Eine Ausbildungsvergütung erhielt er nicht. Für eine von ihm ab dem 1.7.2010 alleine bewohnte Mietwohnung hatte er eine monatliche Gesamtmiete von 305 Euro (Grundmiete 210 Euro; "kalte" Nebenkosten 45 Euro; Heizkosten 50 Euro) zu zahlen.

3

In der Zeit vom 1.6.2010 bis zum 28.2.2011 erhielt der Kläger neben den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von dem Beklagten Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 4 SGB II für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden. Seinen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 1.3.2011 lehnte der Beklagte ab, da Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen der §§ 60 bis 62 SGB III förderungsfähig sei, gemäß § 7 Abs 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten(Bescheid vom 17.2.2011; Widerspruchsbescheid vom 15.6.2011).

4

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, er habe gemäß § 27 Abs 3 SGB II einen von dem Beklagten bislang nicht geprüften Anspruch auf Übernahme der angemessen ungedeckten Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Im Verlauf des Klageverfahrens lehnte der Beklagte einen solchen Zuschuss durch einen gesonderten Bescheid mit der Begründung ab, der Kläger könne mit dem von ihm nachgewiesenen Einkommen seine Bedarfe für Unterkunft und Heizung mit eigenen Mitteln bestreiten; der Bescheid werde gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens(Bescheid vom 30.8.2011).

5

Das SG hat, nachdem der Kläger seinen Klageantrag auf die Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hatte, den "Bescheid des Beklagten vom 17.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2011 in der Fassung des Bescheids vom 30.8.2011" aufgehoben und den Beklagten verurteilt, einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.3.2011 bis zum 31.7.2012 in Höhe von monatlich 107,40 Euro sowie für die Zeit vom 1.8.2012 bis zum 23.8.2012 in Höhe von 82,34 Euro zu zahlen. Das als Einkommen anzurechnende Ausbildungsgeld sei um die Erwerbstätigenfreibeträge zu bereinigen (Urteil vom 3.6.2013).

6

Auf die Berufung des Beklagten hat das Bayerische LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei vom Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB II erfasst, sodass dem Grunde nach ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 22 Abs 7 SGB II aF bzw § 27 Abs 3 SGB II nF zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestehe. Doch mangele es dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund seines Einkommens an einem ungedeckten Unterkunftsbedarf. Das Ausbildungsgeld sei als Einkommen zu berücksichtigen. Der Erwerbstätigenfreibetrag sei aber nur von einer Ausbildungsvergütung und nicht von dem Ausbildungsgeld in Abzug zu bringen, denn dieses stelle kein Entgelt für eine Erwerbstätigkeit dar (Urteil vom 30.7.2014).

7

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 22 Abs 7 SGB II aF bzw § 27 Abs 3 SGB II(gültig ab 1.4.2011) und § 11 Abs 2 SGB II bzw § 11b SGB II(gültig ab 1.4.2011). Von dem Ausbildungsgeld seien die Freibeträge wegen Erwerbstätigkeit in Abzug zu bringen, sodass sich aufgrund des geringeren zu berücksichtigenden Einkommens ein ungedeckter Bedarf für Unterkunft und Heizung in der vom SG zuerkannten Höhe ergebe. Das Ausbildungsgeld sei wie Einkommen aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit zu behandeln. Unter Berücksichtigung von Art 3 GG dürfe er als behinderter Auszubildender auch nicht schlechter gestellt werden als ein nicht behinderter Auszubildender, der eine Ausbildungsvergütung erhalte, von der die Absetzbeträge wegen Erwerbstätigkeit in Abzug zu bringen seien.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. Juli 2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 3. Juni 2013 zurückzuweisen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger ist als Auszubildender nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II(in der bis zum 31.3.2011 geltenden Normfassung des 22. Gesetzes zur Änderung des BAFöG vom 23.12.2007, BGBl I 3254) bzw § 7 Abs 5 SGB II (in der ab dem 1.4.2011 geltenden Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Er hat auch keinen Anspruch auf einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 7 SGB II(in der Normfassung des 23. Gesetzes zur Änderung des BAFöG vom 24.10.2010, BGBl I 1422, im Folgenden aF) bzw nach § 27 Abs 3 SGB II(in der ab dem 1.4.2011 geltenden Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG).

12

1. Streitgegenstand des Rechtstreits ist nur noch ein Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, begrenzt auf die Zeit vom 1.3.2011 bis 23.8.2012. Soweit der Kläger zunächst andere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, insbesondere Mehrbedarfsleistungen für behinderte Leistungsberechtigte, geltend gemacht und der Beklagte solche Leistungen durch den angefochtenen Bescheid vom 17.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2011 abgelehnt hatte, verfolgt er diese Ansprüche nach seinen im Klageverfahren beschränkten Antrag nicht mehr weiter. Diese Begrenzung des Streitgegenstandes auf den Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist auch zulässig. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die als Alg II oder Sozialgeld geltend gemacht werden, sind nach ständiger Rechtsprechung als eigener abtrennbarer Streitgegenstand anzusehen (Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38 RdNr 12 im Anschluss an BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff). Diese Rechtsprechung ist zu übertragen auf den Zuschuss nach § 22 Abs 7 SGB II aF bzw § 27 Abs 3 SGB II, denn dieser ist als dem Anspruch auf Kosten der Unterkunft vergleichbare eigenständige Leistung ausgestaltet. Zudem könnte der Grundsicherungsträger auch unabhängig von anderen Leistungen nach dem SGB II über den Zuschuss entscheiden (vgl zu diesem Gesichtspunkt Nolte, NZS 2013, 10, 11).

13

Zu Recht sind SG und LSG auch davon ausgegangen, dass der im Verlauf des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 30.8.2011, durch den der Beklagte ausdrücklich die Gewährung eines Zuschusses zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abgelehnt hat, gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG geworden ist. Nach dieser Vorschrift wird ein neuer Verwaltungsakt, der nach Klageerhebung erlassen wird, dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer dann, wenn der neue Bescheid denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft (so bereits BSG Urteil vom 23.6.1959 - 7 RAr 117/57 - BSGE 10, 103; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 96 RdNr 4 mwN) und in dessen Regelung so eingreift, dass die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl Senatsurteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 21 RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R - BSGE 91, 277, 279 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 7 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 96 RdNr 4b). Dem steht es gleich, wenn die Verwaltung - etwa aufgrund neuer Umstände - die von ihr vorgenommene Regelung zum Streitgegenstand überprüft, daraufhin neu entscheidet, in der Sache aber an ihrer Regelung festhält. Formal ist in einem solchem Fall zwar keine Änderung der Beschwer eingetreten. Doch rechtfertigt es die vorgenommene neue Sachprüfung, auch eine solche Entscheidung wie eine Änderung oder Ersetzung iS von § 96 Abs 1 SGG zu behandeln, mit der Folge der unmittelbaren Anwendung dieser Vorschrift(vgl Senatsurteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 21 RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 20.7.2005 - B 13 RJ 23/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 3 RdNr 17; s auch zur unmittelbaren Anwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG bei einer unterbliebenen Anhörung oder der Nachholung fehlender Ermessenserwägungen, wenn der neu erlassene Bescheid die bisherige Entscheidung in der Sache bestätigt, Großer Senat des BSG Urteil vom 6.10.1994 - GS 1/91 - BSGE 75, 179 = SozR 3-1300 § 41 Nr 7).

14

So liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hatte zunächst durch Bescheid vom 17.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2011 den Fortzahlungsantrag des Klägers, den er unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes zu Recht auf alle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen hatte, insgesamt abgelehnt. Dieser Bescheid ist nicht nur als Ablehnung von Alg II in Form von Regelbedarfs- und Mehrbedarfsleistungen sowie von Leistungen für Unterkunft und Heizung anzusehen. Er umfasst auch die Ablehnung des Zuschusses nach § 22 Abs 7 SGB II aF/§ 27 Abs 3 SGB II, denn auch dieser Zuschuss ist trotz seiner besonderen Ausgestaltung mit eigenen Anspruchsvoraussetzungen nach der Konzeption des Gesetzes als Leistung zum Lebensunterhalt anzusehen. Das ergab sich bis zu Erlass des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG aus der Verortung dieses Anspruchs in § 22 SGB II. Die Vorschrift regelte die Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Kapitel 1 Abschnitt 2 des SGB II unter der Überschrift "Leistungen zur Sicherung des Unterhalts". Seit dem 1.4.2011 beschreibt § 27 Abs 1 SGB II sogar ausdrücklich die Ansprüche aus § 27 SGB II als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Auszubildende. Durch Bescheid vom 30.8.2011 hat der Beklagte die in dem Bescheid vom 17.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2011 verfügte Ablehnung der Leistungsgewährung teilweise - bezogen auf den Zuschuss zu den Unterkunftskosten - einer erneuten Sachprüfung unterzogen, weil der Kläger einen entsprechenden ungedeckten Bedarf geltend gemacht hat. Die verfügte Ablehnung nach dieser Sachprüfung ersetzt damit den im Klageverfahren ursprünglich angegriffenen Bescheid.

15

2. Anspruchsgrundlage für den ab dem 1.3.2011 geltend gemachten Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist für die Zeit bis zum 31.3.2011 noch § 22 Abs 7 SGB II in seiner bis zum 31.12.2010 geltenden, aber noch weiter anwendbaren Fassung, und für die Zeit danach § 27 Abs 3 SGB II(dazu a). Wie SG und LSG zutreffend festgestellt haben, liegen bei dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Anspruch dem Grunde nach zwar vor (dazu b). Doch fehlt es an einem ungedecktem Bedarf des Klägers (dazu c).

16

a) Für den vor dem 1.4.2011 liegenden streitbefangenen Zeitraum fehlt es zwar an einer förmlichen gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch. Denn § 22 SGB II aF war bereits mit Wirkung vom 1.1.2011 durch § 22 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG ersetzt worden(Art 14 Abs 1 RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). § 22 SGB II in seiner neuen Fassung regelt den Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung jedoch nicht mehr. § 27 Abs 3 SGB II mit der entsprechenden Neuregelung trat wiederum erst zum 1.4.2011 in Kraft (Art 14 Abs 3 RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Diese Lücke ist aber durch die Anwendung des § 22 Abs 7 SGB II aF im Wege der Analogie über den 31.12.2010 hinaus zu schließen, denn sie beruht auf einem offenkundigen Versehen des Gesetzgebers. Ursprünglich war nach Art 13 des Entwurfs zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG das Inkrafttreten aller Vorschriften dieses Gesetzes zum 1.1.2011 vorgesehen. Dass das Gesetz tatsächlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft getreten ist, beruht allein darauf, dass das Gesetzgebungsverfahren zum 1.1.2011 noch nicht abgeschlossen war (vgl dazu Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, RdNr 177 ff). Die unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens sind erstmals in die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 9.2.2011 (BT-Drucks 17/4719 S 10) aufgenommen worden. Begründet wurde der Vorschlag nicht. Im ursprünglichen Gesetzentwurf ist zur Begründung von § 27 SGB II nF ausgeführt, dass mit dieser neuen Vorschrift die möglichen Leistungen für die vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II betroffenen Auszubildenden systematisch zusammengefasst werden sollten und § 27 Abs 3 SGB II im Wesentlichen dem bisherigen § 22 Abs 7 SGB II entspreche(BT-Drucks 17/3404 S 103). Dies belegt die Absicht einer lückenlosen Ablösung der einen Vorschrift durch die andere. Das Auseinanderfallen des Aufhebungszeitpunkts von § 22 Abs 7 SGB II aF und des Zeitpunkts des Inkrafttretens von § 27 Abs 3 SGB II dürfte dem Gesetzgeber schlicht aus dem Blick geraten sein. Davon abgesehen wurde das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 erst am 29.3.2011 verkündet, sodass § 22 Abs 7 SGB II bis zu diesem Zeitpunkt mangels entgegenstehender rechtlicher Regelungen praktisch noch angewendet werden musste.

17

b) Nach § 22 Abs 7 SGB II aF und § 27 Abs 3 SGB II, die insoweit übereinstimmen, erhalten von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossene Auszubildende, die bestimmte im Einzelnen bezeichnete Ausbildungsförderungsleistungen beziehen, einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II, wenn ein - noch näher zu bestimmender - Bedarf ungedeckt ist.

18

Dem Grunde nach erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen hier. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist er volljährig sowie erwerbsfähig, und hat einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, sodass er dem Leistungsregime des SGB II grundsätzlich unterfällt. Der Kläger gehört auch, wie es § 22 Abs 7 SGB II aF/§ 27 Abs 3 SGB II voraussetzen, zum Kreis der nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II aF/§ 7 Abs 5 SGB II von der Leistungsberechtigung nach § 7 SGB II ausgeschlossenen Auszubildenden. Durch die Rechtsprechung beider für das Grundsicherungsrecht zuständigen Senate des BSG ist geklärt, dass auch Auszubildende, die durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen gefördert werden, dem Leistungsausschluss unterfallen (vgl dazu Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38 RdNr 14 ff mwN zum Streitstand: BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 AS 25/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 40 RdNr 20 ff). Hieran hält der erkennende Senat fest, denn ein solches Verständnis der Vorschrift folgt aus dem Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II und entspricht der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck des Ausschlusses der Auszubildenden von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Vorliegend absolvierte der Kläger im hier streitigen Zeitraum mit der Ausbildung zum Malerfachwerker in einem Berufsförderungswerk eine dem Grunde nach iS von § 7 Abs 5 SGB II förderungsfähige Ausbildung, die ihn von der Leistungsberechtigung iS von § 7 SGB II ausschloss.

19

Als Auszubildender erhielt er auch eine der in § 22 Abs 7 SGB II aF/§ 27 Abs 3 SGB II näher bezeichneten Leistungen in Gestalt des Ausbildungsgeldes nach dem SGB III. Sein Bedarf hat sich insoweit wegen seiner anderweitiger Unterbringung ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung nach § 105 Abs 1 Nr 4 SGB III(in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung des 23. BAföGÄndG vom 24.10.2010, BGBl I 1422, im Folgenden SGB III aF) bemessen. Die Regelungen zum Ausbildungsgeld finden sich seit dem 1.4.2012 nach der Neufassung des SGB III durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (EinglVerbG) vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) - ohne wesentliche inhaltliche Änderungen - zwar in den §§ 122 ff SGB III. Diese Rechtsänderung ist auch durch die Änderung des § 27 Abs 3 SGB II (Bezugnahme auf die geänderten Vorschriften des SGB III) zum 1.4.2012 mit dem EinglVerbG nachvollzogen worden. Nach § 422 Abs 1 Nr 2 SGB III sind hier indes die bis zum 31.3.2012 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden, weil bereits vor der Rechtsänderung die Leistungen bis zum Ende der Maßnahme, an der der Kläger teilgenommen hat, zuerkannt worden sind (vgl BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 11 AL 3/13 R - BSGE 116, 25 = SozR 4-4300 § 108 Nr 2, RdNr 10).

20

c) Ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 22 Abs 7 SGB II aF/§ 27 Abs 3 SGB II besteht vorliegend gleichwohl nicht. Es mangelt wegen des zu berücksichtigenden Einkommens des Klägers aus Ausbildungsgeld und Kindergeld an einem ungedeckten Bedarf. Wie beide für das Grundsicherungsrecht zuständigen Senate des BSG zu § 22 Abs 7 S 1 SGB II aF bereits entschieden haben, ist nur der angemessene Unterkunftsbedarf iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II zuschussfähig. Es ist bei der Berechnung zunächst die abstrakte Höhe der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu bestimmen. In einem zweiten Schritt muss sodann der konkrete (Unterkunfts-)Bedarf nach den Regeln des SGB II ermittelt werden, ausgehend von einer fiktiven Leistungsberechtigung nach dem SGB II (vgl Senatsurteile vom 22.3.2010 - B 4 AS 69/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 32 RdNr 17 ff und - B 4 AS 39/09 R - RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 23/09 R, RdNr 18 ff).

21

Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 305 Euro unter Einschluss der Kosten für die Warmwasserbereitung. Anhaltpunkte dafür, dass diese Kosten im grundsicherungsrechtlichen Sinne nicht angemessen waren, bestehen nicht.

22

Der weiter in die Berechnung einzustellende Bedarf des Auszubildenden ist anhand einer fiktiven "Bedarfsberechnung" nach den Regeln der §§ 9, 11 und 12 SGB II zu ermitteln(vgl Senatsurteile vom 22.3.2010 - B 4 AS 69/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 32 RdNr 21 ff, und - B 4 AS 39/09 R, RdNr 22 ff; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 23/09 R, RdNr 21 ff). Es ist die Differenz zwischen zwei Werten zu bestimmen, wobei die eine Größe die Leistung ist, wie sie sich nach den Regeln des BAföG oder des SGB III berechnet. Die weitere Größe stellt der angemessene Unterkunftsbedarf nach dem SGB II dar. Es ist ein bedarfsabhängiger Ausgleich der ungedeckten Kosten vorzunehmen, der sich aus der Differenz zwischen den beiden genannten Größen bestimmt. Dies macht jedoch im Einzelfall eine vollständige Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach den Regeln des Grundsicherungsrechts erforderlich, denn die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens kann die Höhe des Unterkunftsbedarfs nach dem SGB II beeinflussen. Als Einkommen sind deshalb bei der Berechnung alle Gelder zu berücksichtigen, die dem Auszubildenden tatsächlich zufließen und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen.

23

Die fiktive Leistungsberechnung nach dem SGB II auf der Grundlage einer Bedürftigkeitsprüfung ergibt vorliegend, dass kein ungedeckter Bedarf im Sinne des Grundsicherungsrechts, also auch kein ungedeckter Unterkunftsbedarf iS des § 22 Abs 7 SGB II aF oder § 27 Abs 3 SGB II besteht. Der Kläger hatte einem Gesamtbedarf nach dem SGB II in Höhe von 669 Euro für das Jahr 2011, der sich ergibt aus dem Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 364 Euro (§ 20 Abs 2 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) und 305 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung, bzw in Höhe von 679 Euro für das Jahr 2012 (374 Euro Regelbedarf, § 20 Abs 2 SGB II iVm Nr 1 der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs 5 des SGB II für die Zeit ab 1.1.2012 vom 20.10.2011, BGBl I 2093, zuzüglich 305 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung).

24

Weitere Bedarfe sind in die fiktive Leistungsberechnung nicht einzustellen. Feststellungen zu Mehrbedarfen, die unabhängig von dem in § 21 Abs 4 SGB II genannten Mehrbedarf für behinderte Leistungsberechtigte bestehen, oder Bedarfen nach § 24 Abs 3 SGB II, hat das LSG nicht getroffen. Außerdem besteht wegen solcher Bedarfe nach § 27 Abs 2 SGB II ein eigenständiger Anspruch, der unabhängig ist von den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Diese Bedarfe werden nach dieser Vorschrift auch erfüllt, wenn Auszubildende nicht dem Kreis der Leistungsberechtigten nach § 7 SGB II angehören, was einer (erneuten) Berücksichtigung im Rahmen hier vorzunehmenden fiktiven Bedarfsberechnung entgegensteht.

25

Darüber hinaus hat auch der Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II bei der fiktiven Bedarfsberechnung unberücksichtigt zu bleiben. Dieser Mehrbedarf wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten anerkannt, denen - wie hier dem Kläger - Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden. Vom Leistungsausschluss betroffenen Auszubildenden steht dieser Mehrbedarf, im Unterschied zu den anderen Mehrbedarfen, aber nicht zu, weil er in der Aufzählung des § 27 Abs 2 SGB II fehlt. Ein Anspruch auf diesen Mehrbedarf für Auszubildende ist also von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen worden. Zwar lässt sich dem Wortlaut der Vorschriften und den entsprechenden Gesetzesmaterialien nicht sicher entnehmen, dass er schon deshalb auch bei der fiktiven Bedarfsberechnung, die im Rahmen des § 22 Abs 7 SGB II aF bzw § 27 Abs 3 SGB II vorzunehmen ist, unberücksichtigt bleiben muss. Die Neureglung wurde zwar ergänzt um die Wendung, dass der Zuschussanspruch besteht, "soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs 3 ungedeckt ist"(§ 27 Abs 3 S 1 Halbs 2 SGB II). Doch ist auch § 19 Abs 3 SGB II nichts zu entnehmen, was im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sein könnte. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, dass bestimmte Bedarfe bestehen und regelt lediglich, in welcher Reihenfolge Einkommen und Vermögen zur Deckung dieser Bedarfe einzusetzen sind. Hintergrund dafür ist die geteilte Leistungsträgerschaft im SGB II zwischen der BA und den kommunalen Trägern nach § 6 Abs 2 SGB II, verbunden mit einer nur teilweisen Finanzierung der Leistungen durch Bundesmittel(§ 46 SGB II). Dies erfordert eine klare Zurechnung der konkret erbachten Sozialleistungen, die durch die Anrechnungsregelung ermöglicht wird (vgl dazu Spellbrink/G. Becker, SGB II, 3. Aufl 2013, § 19 RdNr 21 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 19 RdNr 24 ff). Weitere Erkenntnisse ergeben sich zudem weder aus den Gesetzesmaterialien zu § 27 Abs 7 SGB II aF(vgl zur Entstehungsgeschichte Senatsurteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 69/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 32 RdNr 25 und 30)noch zu § 27 Abs 3 SGB II(vgl BT-Drucks 17/3404, S 103). Ob und ggf wie Mehrbedarfe zu berücksichtigen sind, wird jeweils nicht thematisiert.

26

Allerdings sprechen systematische Zusammenhänge sowie Sinn und Zweck der Leistungen für Auszubildende nach dem SGB II gegen eine Berücksichtigung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II im Rahmen der fiktiven Bedarfsberechnung. Denn dieser Mehrbedarf ist bewusst aus dem Katalog der Mehrbedarfsleistungen für Auszubildende nach § 27 Abs 2 SGB II herausgenommen worden. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird zum einen ausgeführt, dass der Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II, im Gegensatz zu den anderen genannten Bedarfen, ausbildungsgeprägt sei(BT-Drucks 17/3404, S 103 zu § 27 Abs 2) und nach der Rechtsprechung des BSG auch bisher - im Unterschied zu den anderen Mehrbedarfen - nicht von Auszubildenden beansprucht werden konnte (vgl BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, RdNr 23; BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 8 RdNr 28). Zudem wird dort zutreffend darauf hingewiesen, dass ausbildungsgeprägte Mehrbedarfe durch andere, besondere Teilhabeleistungen gedeckt würden (BT-Drucks 17/3404, S 103 zu § 27 Abs 2). Die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II bei der fiktiven Bedarfsberechnung käme dann jedoch in der Sache einer (verdeckten) Ausbildungsfinanzierung gleich, die durch den Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB II gerade vermieden werden soll(vgl nur Senatsurteile vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 9 RdNr 14 und vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Sie würde auch über die mit den Leistungen für Auszubildende verfolgten Zwecke, nämlich nichtausbildungsgeprägte Bedarfe zu decken, bzw Lücken durch die Pauschalierung von Ausbildungsleistungen zu schließen, hinausgehen (so im Ergebnis auch Bernzen in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 27 RdNr 30 u 54 ff; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 27 SGB II RdNr 14 - Stand Oktober 2014).

27

Dem somit anzusetzenden fiktiven Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 669 Euro (2011) bzw 679 Euro (2012) stehen höhere monatliche Einkünfte gegenüber. Als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind dabei das Ausbildungsgeld in Höhe von 572 Euro monatlich und das Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich. Dieses Gesamteinkommen ist um die Versicherungspauschale von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V vom 17.12.2007, BGBl I 2942) zu bereinigen. Es ergibt sich damit zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 726 Euro. Dieses übersteigt den Gesamtbedarf des Jahres 2011 um 57 Euro und den des Jahres 2012 um 47 Euro.

28

3. Das Ausbildungsgeld ist auch nicht aus anderen Gründen von der Berücksichtigung bei der Bedarfsberechnung nach dem SGB II ausgeschlossen oder nur in geringerer Höhe zu berücksichtigen. Es ist weder eine berücksichtigungsfreie zweckbestimmte Leistung iS von § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II aF bzw § 11a Abs 3 S 1 SGB II noch reduziert sich der von ihr zu berücksichtigende Anteil durch weitere Absetzungen in einem Umfang, der zu einem ungedeckten Bedarf iS des § 22 Abs 7 SGB II aF/§ 27 Abs 3 SGB II führte.

29

a) § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II aF bzw § 11a Abs 3 S 1 SGB II setzen voraus, dass die Leistung zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt wird, der über den auch durch die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II verfolgten Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht. Eine derartige andere, ausdrücklich genannte Zweckbestimmung ist mit der Leistung "Ausbildungsgeld" nicht verbunden. Eine solche lässt sich weder dem Wortlaut der Regelungen über das Ausbildungsgeld entnehmen noch gibt es entstehungsgeschichtlich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Gewährung von Ausbildungsgeld eine besondere über die Lebensunterhaltssicherung hinausgehende Zwecksetzung verfolgt hätte (ausführlich dazu BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R - BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, RdNr 24 ff). Im Übrigen gelten für das Ausbildungsgeld die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend (§ 104 Abs 2 SGB III aF/§ 122 Abs 2 SGB III). Zur Berufsausbildungsbeihilfe hat der Senat bereits entschieden, dass diese - anders als die Leistung nach dem BAföG - nicht um einen zweckbestimmten ausbildungsbedingten Bedarf zu bereinigen ist, da in den entsprechenden Regelungen lediglich auf den Bedarf zum Lebensunterhalt abgestellt wird und zudem das SGB III zahlreiche Sonderregelungen bezüglich des ausbildungsbedingten Bedarfs enthält (vgl Senatsurteile vom 22.3.2010 - B 4 AS 69/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 32 RdNr 31 und - B 4 AS 39/09 R, RdNr 34).

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b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Ausbildungsgeld auch nicht um die Erwerbstätigenpauschale (§ 11 Abs 2 S 2 SGB II aF; ab 1.4.2011: § 11b Abs 2 S 1 SGB II) oder den Erwerbstätigenfreibetrag (§ 30 SGB II aF; ab 1.4.2011: § 11b Abs 3 SGB II) zu bereinigen. Denn das Ausbildungsgeld ist kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit und auch nicht wie solches zu behandeln.

31

Erwerbstätig ist nur jemand, der eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als Erwerbstätigkeit kann daher auch nur eine Tätigkeit angesehen werden, die zu Erträgen zur Bestreitung des Lebensunterhalts führt, sodass der Hilfeempfänger durch eigenes Erwerbseinkommen in der Lage ist, jedenfalls zu einem Teil für seine Lebensgrundlage aus eigenen Kräften zu sorgen. Nur unter diesen Voraussetzungen können die Absetzbeträge ihren Sinn und Zweck erfüllen, der einerseits darin liegt, einen pauschalierten Ausgleich für arbeitsbedingte Mehraufwendungen zu schaffen und andererseits einen Anreiz zur Stärkung des Arbeits- und Selbsthilfewillens zu bieten (vgl Senatsurteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 21 unter Hinweis auf die stRspr zum BSHG). Vor diesem Hintergrund sind Lohnersatzleistungen wie etwa Krankengeld oder Arbeitslosengeld, die erbracht werden, weil eine Erwerbstätigkeit gerade nicht (mehr) verrichtet wird, kein Arbeitsentgelt (vgl Senatsurteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 17; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11b RdNr 365, Stand Februar 2015). Soweit demgegenüber Insolvenzgeld, Kurzarbeitergeld und die durch den Arbeitgeber zu leistende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EntgFG in der Rechtsprechung wie Arbeitsentgelt behandelt werden, beruht dies darauf, dass diese Leistungen an ein bestehendes Arbeitsverhältnis anknüpfen oder Entgeltansprüche aus einem solchen voraussetzten (vgl Senatsurteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 17 ff; Senatsurteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R - SozR 4-4200 § 30 Nr 2 RdNr 14 ff).

32

Ein solcher Bezug zu einem Arbeitsverhältnis liegt beim Ausbildungsgeld gerade nicht vor. Vielmehr stellt das Ausbildungsgeld eine bedarfsorientierte spezifische Teilhabeleistung des Arbeitsförderungsrechts für behinderte Menschen dar, die der Förderung einer auf Ausbildung gerichteten Maßnahme dient. Ihr Ziel ist es, die Lebenshaltungskosten des behinderten Menschen in etwa abzudecken (BSG Urteil vom 8.6.1989 - 7 RAr 122/88 - SozR 4100 § 59 Nr 8, juris RdNr 26; vgl auch Luik in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 122 RdNr 1, Stand April 2013; Kador in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 122 RdNr 2). Dem mag zwar als Motiv auch zugrunde liegen, einen Anreiz zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung zu schaffen (vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R - BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, RdNr 26). Gleichwohl wird es nicht dadurch zu einer Gegenleistung für erbrachte Arbeit im Sinne von Arbeitsentgelt, sondern bleibt eine fürsorgerische Leistung mit Taschengeldcharakter. Wegen dieser Ausgestaltung des Ausbildungsgeldes als rein bedarfsorientierte Sozialleistung können auch die mit den Absetzbeträgen nach dem SGB II verfolgten Ziele nicht greifen (näher dazu Senatsurteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 29/14 R, RdNr 21 mwN). Denn durch die Notwendigkeit der Erbringung von Ausbildungsgeld wird gerade unterstrichen, dass dem Geförderten eine wettbewerbsfähige Betätigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (noch) nicht möglich ist.

33

4. Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand der Revision nicht durch, es liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Auszubildenden vor, die eine Ausbildungsvergütung erhielten. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (stRspr; vgl BVerfG Urteil vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06 ua - BVerfGE 26, 233 RdNr 80; dazu auch BSG Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 56/13 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 8 RdNr 20). Dabei bedarf es einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn - wie es hier auch der Fall ist - Personengruppen und nicht nur Sachverhalte ungleich behandelt werden (vgl nur BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 - BVerfGE 111, 160, 171; Senatsurteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 36). So ist es dem Gesetzgeber zwar untersagt, gleichartige Einnahmen bei verschiedenen Personengruppen ohne besondere Rechtfertigung unterschiedlich der Einkommensanrechnung zu unterwerfen. Art 3 Abs 1 GG ist hingegen nicht einschlägig, wenn verschiedenartige Einnahmen bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich berücksichtigt werden (so ausdrücklich BVerfG Kammerbeschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - RdNr 18). Vorliegend unterscheiden sich sowohl die beiden Personengruppen als auch die Art ihrer Einnahmen im Kontext ihrer Ausbildung so grundsätzlich, dass ihre Ungleichbehandlung auch unter Anlegung strenger Maßstäbe die Grenzen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht überschreitet.

34

Einen Verstoß gegen Art 3 Abs 3 S 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Dieses Grundrecht verstärkt den Schutz des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG und setzt der staatlichen Gewalt engere Grenzen, indem es auf die Behinderung bezogene Ungleichbehandlungen untersagt, die für den behinderten Menschen zu einem Nachteil führen (vgl BVerfG Urteil vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288, juris RdNr 67 mwN; zuletzt BVerfG Urteil vom 25.3.2015 - 1 BvR 2803/11, RdNr 5). Eine direkte benachteiligende Anknüpfung an eine Behinderung enthalten die Regelungen zur Erwerbstätigenpauschale und zum Erwerbstätigenfreibetrag jedoch schon deshalb nicht, weil sie auf alle Leistungsberechtigten nach dem SGB II anwendbar sind. Auch eine mittelbare Benachteiligung behinderter Menschen im Sinne von faktischen Belastungen, die überwiegend Behinderte betreffen (vgl dazu Luthe in Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl 2015, § 1 RdNr 20) ist nicht erkennbar. Das Vorliegen einer Behinderung ist nämlich nur einer von zahlreichen Gründen, die der Erzielung von Arbeitsentgelt bzw einer Ausbildungsvergütung entgegenstehen kann. Auf die stattdessen gewährten Sozialleistungen werden die Einkommensanrechnungsregelungen des SGB II stets in gleicher Weise angewandt.

35

Den faktischen Nachteilen, denen Behinderte im Arbeitsleben ausgesetzt sind, begegnet der Staat durch die vielfältigen Teilhabeleistungen. Dies entspricht dem ebenfalls aus Art 3 Abs 3 S 2 GG ableitbaren Förderauftrag des Staates in Bezug auf Behinderte (dazu Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl 2014, Art 3 RdNr 142, 147; vgl auch BVerfG Urteil vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288, juris RdNr 72). Die Unterstützung des Klägers durch Ausbildungsgeld und weitere Teilhabeleistungen dient also gerade der Umsetzung der sich aus Art 3 Abs 3 S 2 GG ergebenden Rechte Behinderter. Einer Gleichsetzung dieser Teilhabeleistungen mit Arbeitsentgelt bzw Ausbildungsvergütung bedarf es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht.

36

5. Der Kläger vermag auch nicht damit durchzudringen, das soziokulturelle Existenzminimum werde unterschritten, wenn bei der Ermittlung seines monatlichen Bedarfs das vollständige Einkommen ohne die mit der Erzielung dieses Einkommens verbundenen Kosten Berücksichtigung finde. Insoweit übersieht er schon, dass die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Kosten durchaus zu berücksichtigen wären, allerdings nur in konkret nachgewiesener Höhe auf der Grundlage von § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II aF bzw ab dem 1.4.2011 auf der Grundlage von § 11b Abs 1 Nr 5 SGB II und nicht als Pauschale(vgl nur Senatsurteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 26 ff). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG und vor dem Hintergrund, dass der Kläger nicht nur durch das Ausbildungsgeld, sondern auch durch die Übernahme von Reisekosten und Lehrgangskosten seitens der BA gefördert wurde, sind diesem solche Kosten nicht entstanden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für Aufwendungen des Klägers iS von § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II aF/§ 11b Abs 1 Nr 3 SGB II für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen oder nach Grund und Höhe angemessene Aufwendungen für private Versicherungen, die den Betrag der Pauschale von 30 Euro monatlich(§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V)übersteigen würden.

37

6. Entgegen der Auffassung der Revision zwingt auch die Entscheidung des 8. Senats vom 23.3.2010 (B 8 SO 17/09 R - BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6)zu keiner anderen Beurteilung. Gegenstand dieser Entscheidung war Ausbildungsgeld, das auf der Grundlage von § 104 Abs 1 Nr 3 SGB III(in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung; jetzt § 122 SGB III) für eine Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen gezahlt wurde. Die (vollständige) Nichtanrechnung dieses verhältnismäßig niedrigen Pauschalbetrages in Höhe von maximal 75 Euro (vgl § 107 SGB III aF/§ 125 SGB III) ist unter Anwendung des Auffangtatbestandes nach § 82 Abs 3 S 3 SGB XII damit begründet worden, dass ansonsten eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit dem Arbeitsförderungsgeld nach § 43 SGB IX eintreten würde, das an Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen gezahlt wird und weitergehend freigestellt ist. Für das nach § 105 Abs 1 Nr 4 SGB III aF(jetzt § 123 SGB III)bemessene Ausbildungsgeld, das während seiner Berufsausbildung an den Kläger gezahlt wurde, ist eine solche Ungleichbehandlung nicht erkennbar. Zudem enthält das SGB II keine vergleichbare Auffangregelung.

38

Da es somit schon an einem ungedeckten Unterkunftsbedarf fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Zuschuss ggf begrenzt ("gedeckelt") ist auf die Höhe der Differenz zwischen dem Unterkunftsbedarf nach dem SGB II und dem in der Ausbildungsförderungsleistung enthaltenen Unterkunftsanteil (vgl dazu die zu § 22 Abs 7 SGB II ergangenen Senatsurteile vom 22.3.2010 - B 4 AS 69/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 32 RdNr 29 f und - B 4 AS 39/09 R, RdNr 31 f; s a BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 23/09 R, RdNr 24).

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung, insbesondere die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung, für das Kalenderjahr 2006.

2

Der 1965 geborene Kläger zu 1 und die 1970 geborene Klägerin zu 2 sind erwerbsfähig und Eltern der 1990, 1991, 1995, 1996, 1999, 2002 sowie am 22.11.2006 geborenen Kläger zu 3 bis 9. Zusammen bewohnen sie eine 114 m² große 5-Zimmer-Wohnung. Für diese Wohnung hatten die Kläger zu 1 und 2, die gemeinsam Vertragspartner des 2003 geschlossenen Wohnungsmietvertrags sind, im Jahre 2006 547,20 Euro Kaltmiete und 228 Euro Vorauszahlung auf die Betriebs- und Heizkosten monatlich an ihren Vermieter zu zahlen (§ 4 des Mietvertrags). In der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung waren Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten. Ab 1.1.2007 erhöhten sich die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen auf monatlich 285 Euro. Den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehenden Klägern bewilligte die Beklagte im gesamten Jahr 2006 SGB II-Leistungen unter Anerkennung der tatsächlichen Kosten für die Kaltmiete (547,20 Euro) und der monatlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 228 Euro (Bescheide vom 15.12.2005, 8.6.2006 und 22.12.2006). Mit weiterem Bescheid vom 22.12.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern auf ihren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 19.12.2006 für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung unter Anerkennung von Mietkosten in Höhe von 547,20 Euro mtl und Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 228 Euro mtl. Nach Vorlage einer Bescheinigung zu geänderten Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen (ab Januar 2007 in Höhe von 285 Euro) wurden für die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung der Kosten für die Miete und die geänderten Nebenkosten in Höhe von insgesamt 835,14 Euro bewilligt (Bescheid vom 10.1.2007).

3

Der Vermieter der Kläger übersandte diesen mit Schreiben vom 21.3.2007 die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2006, nach der im Jahre 2006 insgesamt 897,77 Euro an Heizkosten und 3251,26 Euro an Hausnebenkosten entstanden waren. Nach Abzug der im Jahre 2006 geleisteten Vorauszahlungen von insgesamt 2736 Euro (12 Monate x 228 Euro) ergab sich eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 1413 Euro. Der Vermieter gab den Klägern auf, den Betrag bis zum 30.4.2007 auf sein Konto zu überweisen.

4

Die Beklagte lehnte die Übernahme der erst am 4.6.2007 bei ihr eingereichten Heiz- und Betriebskostennachforderung ab (Bescheid vom 14.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 9.10.2007). Zur Begründung führte sie aus, eine Übernahme der Nachforderung als Zuschuss nach § 22 Abs 1 SGB II sei nicht möglich, weil es sich nicht um laufende Unterkunftskosten handele. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Übernahme der Nebenkostenabrechnung vor Ablauf der eingeräumten Frist zur Begleichung der Rechnung beantragt werde. Eine darlehensweise Übernahme der Nachforderung als Mietschulden komme gleichfalls nicht in Betracht, weil die rückständige Nachforderung keine Kündigung rechtfertige und somit keine Wohnungslosigkeit einzutreten drohe.

5

Das SG Köln hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2007 verurteilt, den Klägern auf die Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1336 Euro zu gewähren, diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen und hat die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 11.4.2008). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern "auf die Heiz- und Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 976 Euro zu gewähren und diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen"; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen (Urteil vom 22.1.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Betriebs- und Heizkostennachforderungen führten zu einem gegenwärtigen Bedarf, der durch einmalige Leistung nach § 22 Abs 1 SGB II unter der Voraussetzung zu befriedigen sei, dass zur Zeit der Entstehung, Fälligkeit und Geltendmachung der Nachforderung ein Hilfebedarf nach dem SGB II bestehe. Sie verwandelten sich nicht gemäß § 22 Abs 5 SGB II in Mietschulden, wenn der Hilfebedürftige mit der Erfüllung der Nachforderung in Verzug sei, weil sich das SGB II erkennbar von der Konzeption eines einmonatigen "Bedarfszeitraums" verabschiedet habe. Die Aufwendungen der Kläger seien in dem tenorierten Umfang hinsichtlich der für das Kalenderjahr 2006 nachgeforderten Betriebs- und Heizkosten auch angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der Betriebskosten folge dies daraus, dass diese Kosten, die hier für das Kalenderjahr 2006 im Streit stünden und mit der Nachforderung vom Vermieter der Kläger geltend gemacht worden seien, mietvertraglich wirksam vereinbart seien und sämtlich der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl I 2346 f) unterfielen. Unabhängig hiervon bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Nebenkosten der Kläger die "marktüblichen Nebenkosten" vergleichbarer Wohnungen überschritten. Auch hinsichtlich der Angemessenheit der Heizkosten bestehe keine Pflicht zu einer weitergehenden Sachaufklärung, zumal die Beklagte diese ebenso wenig wie die Angemessenheit der Betriebskosten in Frage stelle. Allerdings könnten die geforderten Heizkosten nicht in voller Höhe übernommen werden, weil hierin enthaltene Kosten der Warmwasserbereitung als Kosten der Haushaltsenergie iS von § 20 Abs 1 SGB II aus der pauschal gewährten Regelleistung zu decken seien. Entgegen der Ansicht des SG sei bei der Ermittlung des Absetzbetrags nicht die Heizkostenabrechnung des Vermieters und sein Abrechnungsmodus zu Grunde zu legen. Vielmehr sei - entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) und der unterschiedlichen Höhe der Regelleistung der Kläger für das Jahr 2006 ein Gesamtbetrag in Höhe von 436,69 Euro abzusetzen. Für die Kläger zu 1 bis 8 errechne sich für das Kalenderjahr 2006 der Betrag von 432,96 Euro (42 Monate x 36,08 Euro); zusätzlich sei für den am 22.11.2006 geborenen Kläger zu 9 der Monat Dezember 2006 mit einem "Warmwasserabzug" von 3,73 Euro zu berücksichtigen. Dieser Betrag sei von der Gesamtnachzahlung in Höhe von 1413,03 Euro abzusetzen, sodass sich ein abgerundeter Nachforderungsbetrag in Höhe von 976 Euro ergebe.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 22 Abs 1 und 5 SGB II. Die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, dass Mietschulden nur dasjenige sei, was aus der Zeit vor Leistungsbeginn schon Schulden seien oder was der Leistungsempfänger trotz ordnungsgemäßer Zahlung des Leistungsträgers nicht an den Vermieter weitergeleitet habe, finde keine Begründung im Gesetz. Vielmehr umfasse der Begriff der Mietschulden alles, was zur Zahlung fällig, seitens des Mieters aber dennoch nicht geleistet worden sei. Die Anknüpfung an die Fälligkeit der Forderung sei der geeignete Maßstab für eine Unterscheidung zwischen aktuellem Bedarf und Schulden.

7

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Köln vom 11.4.2008 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie halten die Entscheidung des LSG für zutreffend und vertreten die Ansicht, dass es sich bereits nach einer umgangssprachlichen Auslegung bei der Nachforderung aus der Heiz- und Betriebskostenabrechnung nicht um Schulden handele.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Klägern wegen der Heiz- und Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 21.3.2007 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. In der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten durch den Vermieter für das Kalenderjahr 2006 liegt eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass der laufenden SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 bewilligenden Bescheids vom 10.1.2007 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vorlagen. Eines gesonderten Antrags der Kläger auf Übernahme dieser Kosten bedurfte es nicht. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist auch iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, weil das SGB II keine gesonderten, § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X vorgehenden Regelungen zum Zeitpunkt der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse enthält. Der aktuelle tatsächliche Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft und Heizung hat sich auch nicht durch Zeitablauf in Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II verwandelt.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.10.2007, mit dem die Beklagte die Übernahme der im März/April 2007 zu leistenden Heiz- und Betriebskostennachzahlung abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Die Rechtmäßigkeit dieser Ablehnungsbescheide misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil die Beklagte den Klägern mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 bewilligt hatte und das Nachforderungsverlangen des Vermieters zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Mit ihrem Antrag vor dem LSG auf Übernahme der Nachzahlungsforderungen des Vermieters aus der Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 haben die Kläger den Streitstoff dabei inhaltlich ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung: BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18; zur rechtlich nicht möglichen weiteren Aufspaltung des Streitgegenstands, etwa in Unterkunfts- und Heizkosten: BSG, aaO, RdNr 18, 22). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 976 Euro begrenzt, weil nur die Beklagte Revision eingelegt hat. Auch die Auszahlung des Nachforderungsbetrags an den Vermieter ist daher nicht im Streit.

12

2. a) Ob den Klägern ein Anspruch auf die Heizkostennachforderung zusteht, beurteilt sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 10.1.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - bezogen auf die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung - dazu führt, dass der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R, BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 jeweils RdNr 13; BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R, SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 6; BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 23). Es ergeben sich hier allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit Bescheid vom 10.1.2007 für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung unzutreffend festgesetzt sein könnten. Die Kläger erfüllten in dem vom diesem Bescheid umfassten Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm §§ 19 Satz 1, 22 SGB II.

13

b) Eine Änderung gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 10.1.2007 vorlagen, ist hier mit der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten eingetreten. Der Anspruch der Kläger auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung folgt aus § 22 Abs 1 SGB II. Zwar handelt es sich bei der Übernahme einer Heiz- und Betriebskostennachzahlung anders als im Regelfall des § 22 Abs 1 SGB II nicht um eine laufende, sondern um eine einmalige Leistung. § 22 Abs 1 SGB II erfasst jedoch nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung (BSG, Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; BSG, Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 19, FEVS 60, 490, 494; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, jeweils RdNr 26). Soweit einzelne Nebenkosten - wie hier bei der Nachforderung - in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Nachforderungen, die nach regelmäßiger Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen bzw -abschläge der jeweiligen Monate entstehen, gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 RdNr 16, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 16; vgl bereits BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 51).

14

c) Dem Anspruch der Kläger auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung und damit der Annahme einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse steht auch nicht entgegen, dass die Kläger vor Entstehung der Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Kalenderjahr 2006 bzw deren Begleichung nach Zugang des Schreibens vom 21.3.2007 keinen gesonderten Antrag auf Deckung dieses Bedarfs gestellt haben. Zwar werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 1 und 2 Satz 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 62; BSG, Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG, Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R, RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes ist aber davon auszugehen, dass ein bereits gestellter Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts diejenigen Leistungen beinhaltet, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - RdNr 11 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Klageantrag: BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11) und dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eine "Türöffner-Funktion" für diese Leistungen zukommt (vgl zur Funktion des Antrags bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; zur "Türöffner-Funktion" der Arbeitslosmeldung im SGB III: BSG, Urteil vom 7.10.2004 - B 11 AL 23/04 R - BSGE 93, 209 = SozR 4-4300 § 122 Nr 2 jeweils RdNr 13). Der Antrag der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 19.12.2006 umfasste auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Eine sachliche und zeitliche Konkretisierung der von der Antragstellung umfassten Bedarfe kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich weitere Bedarfe erst während des laufenden Leistungsbezugs ergeben, also die Forderung - wie hier - erst nach Antragstellung fällig wird. Mit der Vorlage der Heiz- und Betriebskostennachforderung bei der Beklagten haben die Kläger die Höhe ihres Bedarfs insofern lediglich weiter konkretisiert, jedoch keine weitere, vom Antrag nicht erfasste Leistung beantragt.

15

d) Die durch die Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Jahr 2006 eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse "zugunsten des Betroffenen" iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X war auch wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, dh rechtserheblich, weil die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in neuer Höhe zu bemessen waren, der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 also unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (vgl BSG, Urteil vom 9.6.1988 - 4/1 RA 57/87 - SozR 2200 § 1255a Nr 19 S 56). Die Nachforderung des Vermieters der Kläger führt dazu, dass diesen in dem vom Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 umfassten Zeitraum höhere Kosten für Unterkunft und Heizung mit dem vom LSG angenommenen Gesamtbetrag in Höhe von 976 Euro zustehen. Leistungen für die Heizung werden gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der unangemessenes Heizen indiziert(vgl hierzu BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, gehen die Beteiligten übereinstimmend von der Angemessenheit der für das Jahr 2006 nachgeforderten Betriebs- und Heizkosten aus. Es ergeben sich auf der Grundlage der Feststellungen des LSG für den Senat auch keine Anhaltspunkte für zu hohe Betriebs- oder Heizkosten. Das LSG ist schließlich auch zutreffend davon ausgegangen, dass die tatsächlich angefallenen Heizkosten um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen sind, wobei die in Ansehung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 rechnerisch für die Warmwasserbereitung aus den Regelleistungen ermittelbaren Anteile zu berücksichtigen waren (vgl dazu BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - RdNr 28 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

16

3. Der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 war auch vom Zeitpunkt dieser Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X aufzuheben, weil das SGB II - anders als zB das SGB XII für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung(vgl § 44 Abs 1 SGB XII) und das SGB VI für Änderungen bei der Höhe der Rente (§ 100 Abs 1 SGB VI; vgl zB BSG, Urteil vom 22.4.2008 - B 5a R 72/07 R - RdNr 17) - keine gesonderten, § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vorgehenden Regelungen zum Zeitpunkt der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse enthält. Insofern steht die verspätete Information der Beklagten über die Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten durch die Kläger dem Ausgleich der Nachforderung an Betriebs- und Heizkosten nicht entgegen.

17

4. Allein der Umstand, dass die Kläger die Nachforderung offenbar nicht innerhalb der vom Vermieter gesetzten Frist, also mit Ablauf des Fälligkeitsmonats (April 2007), beglichen haben, führt nicht dazu, dass es sich - allein durch Zeitablauf - bei den nachgeforderten Heiz- und Betriebskosten nicht mehr um einen aktuellen Bedarf, sondern (nur noch) um nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II durch Darlehen auszugleichende Schulden handelt(so auch Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 19; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 36, Stand 9/2009 mit Beschränkung auf den laufenden Bewilligungsabschnitt). Die Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten für das Kalenderjahr 2006 erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem die Kläger während des Bewilligungsabschnitts vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 im durchgehenden SGB II-Bezug waren, ihre Hilfebedürftigkeit also bereits eingetreten war. Ob Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II vorliegen, ist - unabhängig von deren zivilrechtlicher Einordnung - ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf aufzufangen. Bezieht sich die Nachforderung an Heiz- und Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB II-Leistungsberechtigten eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich jedenfalls um vom SGB II-Träger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II. Dabei besteht bei den Kosten für Heizung der Bedarf darin, dass der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten die Geldmittel zur Verfügung stellt, die dieser benötigt, um die Lieferung der Wärme durch den Vermieter bzw das Energieversorgungsunternehmen zahlen zu können (BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; vgl auch bereits BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 50). Hat der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten bereits die monatlich an den Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen zu zahlenden Abschlagsbeträge zur Verfügung gestellt, den aktuellen Bedarf in der Vergangenheit also bereits gedeckt, und beruht die Nachforderung auf der Nichtzahlung der als Vorauszahlung vom Vermieter geforderten Abschläge für Heiz- und Betriebskosten, handelt es sich dagegen um Schulden (Schmidt in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 22 SGB II RdNr 59, Stand Februar 2008).

18

Nach diesen Grundsätzen liegen hier tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II vor, weil die Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum des gesamten Kalenderjahres 2006 ihre mietvertraglichen Verbindlichkeiten in Gestalt der vereinbarten Vorauszahlung von monatlich 228 Euro vollständig erfüllt haben und zum Zeitpunkt der Nachforderung von Heiz- und Betriebskosten hilfebedürftig waren.

19

5. Demnach war die Entscheidung des LSG auch zu bestätigen, soweit es wegen der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der als Dauerleistung mit Bescheid vom 10.1.2007 bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung bei zeitgleich fortbestehender Hilfebedürftigkeit den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 976 Euro zugesprochen hat (§ 48 Abs 4 iVm § 44 Abs 4 SGB X).

20

6. Lediglich im Sinne einer Klarstellung hat der Senat den Tenor des LSG-Urteils unter Einbeziehung des Bescheides vom 10.1.2007 teilweise neu gefasst. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Aufwendungen aus einer Betriebskostennachforderung für eine im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht mehr bewohnte Wohnung als eine einmalige Leistung für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen.

2

Die Klägerin bezog vom 1.1.2006 bis 31.12.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Landkreis B. Darin enthalten waren auch die Kosten von insgesamt 263 Euro für eine von ihr bewohnte Mietwohnung in W. Durch Schreiben vom 28.6.2006 forderte der Grundsicherungsträger sie auf, die Kosten für die Unterkunft bis zum 31.3.2007 zu senken. Die Obergrenze für angemessenen Mietraum betrage 245 Euro. Die Klägerin zog daraufhin zum 1.11.2006 in eine Wohnung in H. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten - um. Der monatliche Mietpreis betrug dort insgesamt 234 Euro. Der Landkreis B. gewährte gleichwohl bis zum 31.12.2006 Alg II weiter und hob alsdann seine Bewilligungsentscheidung zum 1.1.2007 auf. Durch Bescheide vom 12.1.2007 und 15.6.2007 bewilligte der Beklagte Alg II einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2007.

3

In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 27.8.2007 machte der Vermieter der Klägerin in H. eine Betriebskostennachforderung für die Monate November und Dezember 2006 und in einem Schreiben vom 10.9.2007 der Vermieter aus W. eine solche für die Monate Januar bis Oktober 2006 geltend. Die Betriebskostennachforderung für die Wohnung in W. betrug 548,85 Euro - fällig zum 31.12.2007. Für beide Nachforderungen beantragte die Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten. Dies lehnte der Beklagte für die Nachforderung bezogen auf die Wohnung in W. wegen der Unangemessenheit der Aufwendungen - seiner Ansicht nach festgestellt durch die Kostensenkungsaufforderung des Landkreises B. durch Bescheid vom 11.10.2007 ab. Den Widerspruch der Klägerin wies er mit der Begründung zurück, die Aufwendungen für die Wohnung in W. stellten keinen aktuellen Bedarf für Unterkunft und Heizung dar, da die Klägerin die Wohnung nicht mehr bewohne (Widerspruchsbescheid vom 6.10.2008).

4

Im Klageverfahren vor dem SG Dresden war die Klägerin erfolgreich. Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2008 verurteilt, die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung vom 10.9.2007 für die Wohnung in W. in Höhe von 548,85 Euro zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 SGB X, die der Erteilung des Bewilligungsbescheids vom 15.6.2007 zugrunde gelegen hätten, durch die Betriebskostennachforderung für die Wohnung in W. eingetreten. Die Klägerin habe Anspruch auf höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Zwar seien Leistungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich nur dazu da, den aktuellen Bedarf des Wohnens durch Sicherung der Unterkunft zu gewährleisten. Hiervon sei jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn - wie hier - der Umzug in die neue Unterkunft auf Veranlassung des Grundsicherungsträgers erfolgt sei. Dann sei es unbillig, Nachforderungen aus dem alten Mietverhältnis als Schulden zu werten. Der Bewilligungsbescheid vom 15.6.2007 sei daher zu ändern, ohne dass es darauf ankomme, ob die Aufwendungen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung angemessen gewesen seien. Eine rückwirkende Kostensenkung sei nicht möglich.

5

Der Beklagte hat mit Zustimmung der Klägerin die von dem SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er macht geltend, bei der Betriebskostennachforderung handele es sich um Schulden, die von ihm nicht zu übernehmen seien. Hieran ändere es nichts, dass der Umzug durch den Grundsicherungsträger veranlasst worden sei. Der Verlust der zur Zeit bewohnten Wohnung drohe bei Nichtbegleichung der Schulden nicht.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Ausführungen in dem Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet.

10

Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachforderung für ihre Wohnung in W. in Höhe von 548,85 Euro. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist vorliegend die Betriebskostennachforderung auch für die im Fälligkeitszeitpunkt der Nachforderung nicht mehr bewohnte Wohnung ein einmaliger Bedarf für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid vom 11.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2008, mit dem der Beklagte die Übernahme der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 in Höhe von 548,85 Euro abgelehnt hat. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG).

12

2. Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte bei der Leistungsbewilligung mit dem Bescheid vom 15.6.2007 für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.12.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hat und die Betriebskostenabrechnung vom 10.9.2007 zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Mit ihrem in der Vorinstanz gestellten Antrag auf Übernahme der Betriebskostenerstattung hat die Klägerin den Streitstoff ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung siehe nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 548,85 Euro begrenzt, weil nur der Beklagte gegen das zusprechende Urteil des SG Dresden Revision eingelegt hat.

13

3. Ob der Klägerin die Betriebskostennachforderung zusteht, richtet sich nach § 48 Abs 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier der Bewilligungsbescheid vom 15.6.2007 betreffend den Zeitraum 1.7.2007 bis 31.12.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Hierzu ist der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2010, SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Es ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Unterkunftskosten der Klägerin, die die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II erfüllt, zu hoch festgesetzt worden sein könnten.

14

Mit der Geltendmachung der Betriebskostennachforderung durch den Vermieter ist eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. § 22 Abs 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung( BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 19, FEVS 60, 490, 494; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 26; BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13). Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Nachzahlungen gehören demzufolge zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13).

15

Eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 SGB X kann nicht mit der Argumentation verneint werden, die Klägerin habe für den Entstehungszeitraum der Nebenkosten keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen können, weil der Landkreis B. als für die Kosten der Wohnung in W. zuständiger kommunaler Träger durch das Schreiben vom 28.6.2006 mit der Aufforderung zur Kostensenkung die Unangemessenheit der damaligen Unterkunftskosten festgestellt habe. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn die Kosten im Entstehungszeitpunkt unangemessen sind und im Zeitpunkt des Bedarfseintritts - also der Fälligkeit der Betriebskostennachforderung - Leistungen für Unterkunft in tatsächlich entstandener Höhe der Aufwendungen erbracht werden. Selbst wenn die Aufwendungen der Klägerin für die Wohnung in W. unangemessen waren, so befand sich die Klägerin noch in der vom Landkreis B. gesetzten "Schonfrist" des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bis zum 31.3.2007, innerhalb derer die unangemessenen Kosten weiter zu tragen sind, soweit sofortige Kostensenkungsmaßnahmen nicht möglich oder zumutbar sind (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die Klägerin hat die Wohnung bereits zum 31.10.2006 gewechselt, also vier Monate nach Aufforderung. Hinweise, dass ihr frühere Kostensenkungsmaßnahmen möglich oder zumutbar waren, sind nicht ersichtlich.

16

Der Annahme einer wesentlichen Änderung steht auch nicht entgegen, dass der Bedarf durch die Betriebskostennachforderung vom 10.9.2007 nicht materiell diesem Monat oder dem Monat der Fälligkeit am 31.12.2007 zuzuordnen ist. Wie der Senat bereits entschieden hat, beurteilt sich die Rechtslage vielmehr nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (vgl BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Für eine derartige Auslegung spricht insbesondere der dem § 22 SGB II innewohnende Schutzgedanke. Kostensenkungsmaßnahmen können nur in dem Zeitpunkt realisiert werden, in dem die Kosten entstehen. Der Anspruch beurteilt sich deshalb dem Grunde und der Höhe nach ausschließlich nach den Verhältnissen des Jahres 2006.

17

Es kommt im Gegensatz zu der vom Beklagten vertretenen Auffassung hier nicht darauf an, dass die Klägerin die Wohnung, für die die Betriebskosten nachgefordert worden sind, im Monat des Erhalts der Betriebskostennachforderung nicht mehr bewohnt hat. Sie hat die Wohnung aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers iS von § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aufgegeben. Zudem stand sie im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Aufwendungen und des Auftretens des Bedarfs durch die Nachforderung im Leistungsbezug und es ist keine anderweitige Bedarfsdeckung eingetreten. Jedenfalls in einem solchen Fall ist der Grundsicherungsträger verpflichtet, den Bedarf durch Leistungen für Unterkunft und Heizung zu decken.

18

Hat der Leistungsberechtigte die Wohnung für die die Betriebskostennachforderung geltend gemacht wird, aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aufgegeben, ist er mit dem Wohnungswechsel lediglich einer gesetzlich auferlegten Obliegenheit nachgekommen. Solange die Leistungen für Unterkunft bis zum Vollzug der Kostensenkungsaufforderung jedoch in tatsächlicher Höhe zu erbringen waren (s oben), stellen sie einen grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Existenzsicherung im Bereich des Wohnens dar und sind nicht wie Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II zu behandeln. Insoweit hat der Senat ebenfalls schon erkannt, dass die Frage, ob Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II vorliegen, unabhängig von deren zivilrechtlicher Einordnung ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen ist, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf aufzufangen(BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38; Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41). Bezieht sich die Nachforderung an Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB II-Leistungsberechtigten eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich mithin um vom SGB II-Träger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II. Hat der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten bereits die monatlich an den Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen zu zahlenden Abschlagsbeträge zur Verfügung gestellt, den aktuellen Bedarf in der Vergangenheit also bereits gedeckt, und beruht die Nachforderung auf der Nichtzahlung der als Vorauszahlung vom Vermieter geforderten Abschläge für Heiz- und Betriebskosten, handelt es sich dagegen um Schulden (BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41; Urteil vom 23.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Das ist hier, wie oben bereits dargelegt, jedoch nicht der Fall.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 2010 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Juli 2009 aufgehoben sowie der Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2008 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere 52,85 Euro zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Kosten, die aus einer Heizkostennachforderung entstanden sind.

2

Der 1947 geborene Kläger bewohnt eine Mietwohnung mit zentraler Wärmeversorgung (Heizung und Warmwasser) in einem Mehrfamilienhaus, für die er eine Kaltmiete in Höhe von 432,55 Euro monatlich zahlt. Zudem entrichtete er in den Jahren 2005 und 2006 eine Vorauszahlung für Heizkosten einschließlich Warmwasserkosten in Höhe von 43,46 Euro monatlich.

3

Nach dem Ende einer Beschäftigung zum 31.8.2005 bezog er vom 1.9.2005 an Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Höhe von monatlich 758,40 Euro. Auf seine Anträge hin bewilligte der beklagte Träger der Grundsicherung für den Bewilligungszeitraum vom 1.9.2005 bis zum 28.2.2006 (Bescheid vom 30.8.2005 in der Gestalt des Bescheides vom 27.6.2007), für den Bewilligungszeitraum vom 1.3.2006 bis zum 31.8.2006 (Bescheid vom 3.2.2006 in der Gestalt des Bescheides vom 27.6.2007) und für den Bewilligungszeitraum vom 1.9.2006 bis zum 28.2.2007 (Bescheid vom 13.9.2006 in der Gestalt des Bescheides vom 27.6.2007) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 85,37 Euro monatlich. Dabei berücksichtigte er als Bedarf die Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie als Kosten der Unterkunft eine Kaltmiete in Höhe von 432,55 Euro und Heizkosten in Höhe von 36,22 Euro (5/6 der Heizkostenvorauszahlung) und als bedarfsminderndes Einkommen das Alg abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro.

4

Anfang März 2007 legte der Kläger die Jahresabrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten der zentralen Wärmeversorgung vor, die entsprechend den Regelungen der Heizkostenverordnung (HeizkostenV, in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) zu 50 Prozent nach dem für seine Wohnung erfassten Wärmeverbrauch und zu 50 Prozent nach dem Anteil seiner Wohnfläche zur Gesamtwohnfläche des Hauses berechnet ist. Für den Verbrauchszeitraum vom 1.6.2005 bis zum 31.5.2006 ergab sich daraus eine Nachforderung des Vermieters in Höhe von 211,43 Euro.

5

Mit Bescheid vom 15.6.2007 bewilligte der Beklagte zusätzliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 158,58 Euro (9/12 der Gesamtsumme). Der Widerspruch gerichtet auf die Zahlung der gesamten Summe, die Klage zum Sozialgericht (SG) München und die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 2.10.2008, Urteil des SG vom 1.7.2009 und Urteil des LSG vom 10.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zugunsten des Klägers, der Berechtigter nach dem SGB II sei, sei zwar hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung mit Vorlage der Jahresabrechnung eine Änderung in den Verhältnissen iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingetreten. Als zu berücksichtigender zusätzlicher Bedarf ergebe sich aus der Jahresabrechnung aber lediglich ein Betrag von 133 Euro. Da der Kläger in sämtlichen der abgerechneten Verbrauchsmonate die Heizkostenvorauszahlungen tatsächlich geleistet habe, handele es sich bei den Nachforderungen nicht um Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II, sondern um Kosten nach § 22 Abs 1 SGB II. Soweit eine Abrechnung von Warmwasserkosten gemäß den Vorgaben der HeizkostenV erfolge, liege aber eine konkrete Erfassung des individuellen Warmwasserverbrauchs im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 27)vor. Diese Kosten seien vom Gesamtverbrauch abzuziehen. Ebenso seien die darauf entfallenden Heiznebenkosten (Betriebsstrom, Eichaustausch und die Kosten der Verbrauchsabrechnung selbst) als Teil der Warmwasserkosten keine Kosten der Unterkunft und Heizung. Von den vom Kläger in den Monaten vor seiner Bedürftigkeit geleisteten Vorauszahlungen seien schließlich die jeweiligen Warmwasserpauschalen (6,22 Euro monatlich) abzuziehen. Daraus ergebe sich der genannte Bedarf, was das LSG im Einzelnen dargelegt hat.

6

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er macht eine Verletzung von § 22 Abs 1 und § 20 Abs 1 SGB II geltend. Erfolge die Heizkostenabrechnung nach den Vorgaben der HeizkostenV, handele es sich nicht um die Erfassung des tatsächlichen Verbrauchs des Hilfebedürftigen im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG. Weder würden nach der HeizkostenV die Energiekosten der Warmwasserbereitung isoliert erfasst noch ausschließlich nach dem eigenen Verbrauch umgelegt.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 2010 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Juli 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere 52,85 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG den Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten am rechtlichen Maßstab des § 48 SGB X geprüft. Zutreffend ist das LSG ferner davon ausgegangen, dass es sich bei den mit der Nachforderung entstandenen weiteren Kosten auch insoweit um berücksichtigungsfähige Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II handelt, als die Nachforderung auf Verbrauchszeiträumen beruht, in denen der Kläger nicht hilfebedürftig war. Entgegen der Auffassung des LSG ist jedoch mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, dass die gesamten, auf Grundlage von § 2 HeizkostenV abgerechneten und nachgeforderten Kosten zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung gehören. Sie sind in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Ihre Angemessenheit ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit, weil es schon an einer vorangegangenen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten fehlt.

11

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für den Monat Februar 2007. Der Kläger, der wegen der Berücksichtigung von Einkommen von vornherein lediglich Ansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend macht, hat den Streitstoff in der Sache auf den Monat der Fälligkeit der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten beschränkt. Dies ist der Monat des Zugangs des Nachforderungsverlangens des Vermieters (§ 271 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch und dazu Bundesgerichtshof, Urteil vom 8.3.2006 - VIII ZR 78/05 - NJW 2006, 1419 = juris RdNr 20 mwN auch zur abweichenden Auffassung in der Literatur), mithin nach seinem Vortrag und dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG der Monat Februar 2007. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 15.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.10.2008, mit dem der Beklagte das klägerische Begehren teilweise abgelehnt hat. Betragsmäßig ist der Rechtsstreit durch den bezifferten Antrag des Klägers begrenzt.

12

2. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13.9.2006 für den Bewilligungsabschnitt vom 1.9.2006 bis zum 28.2.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hatte und die Fälligkeit der weiteren, streitigen Kosten zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 13.9.2006 in der Fassung des Bescheides vom 27.6.2006, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.6.2007 weitergehend zu Gunsten des Klägers abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 12 mwN).

13

a) Nach den bindenden Feststellungen des LSG ist der Kläger im streitigen Zeitraum Berechtigter nach § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1 SGB II. Vorliegend hat der Kläger ein Einkommen erzielt, das seine Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 SGB II teilweise - nämlich in Höhe des Regelbedarfs und eines Teils der Kosten der Unterkunft und Heizung - deckt. Der Kläger hat damit Anspruch lediglich auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach den Feststellungen des LSG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die ursprünglich bewilligten Kosten für Unterkunft unzutreffend festgesetzt sein könnten. Wegen der Kosten für Heizung hat der Beklagte allerdings entgegen der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) einen zu hohen pauschalen Anteil für die in der Heizkostenvorauszahlung enthaltenen Warmwasserkosten in Abzug gebracht (7,24 Euro statt 6,22 Euro), sodass im Monat Februar 2007 Anspruch auf laufende Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 86,39 Euro bestand.

14

b) Auch die weitergehenden, im Februar 2007 fällig gewordenen Kosten aus der Nachzahlung gehören in diesem Monat zu den berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung. Mit ihrer Fälligkeit ist eine wesentliche Änderung in den bei Bewilligung bestehenden Verhältnissen eingetreten.

15

Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, dass die im Februar 2007 fällig gewordene Nachzahlung wegen sämtlicher abgerechneter Monate dem Grunde nach zu den Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zählt. Es handelt sich nicht - auch nicht teilweise - um solche Kosten, die lediglich als Schulden iS von § 22 Abs 5 SGB II übernahmefähig wären. Die Abgrenzung von Schulden für eine Unterkunft von den übrigen Kosten der Unterkunft und Heizung ist nach der Rechtsprechung beider Senate unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung zu treffen. Ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II ist danach zu unterscheiden, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht (vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 17 und Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 17). Diese Abgrenzung ist auch maßgeblich, soweit es sich um Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis handelt, die bereits vor Eintritt der Bedürftigkeit begründet worden sind. Lediglich wenn der Hilfebedürftige seinen fälligen Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis in Zeiträumen nicht nachkommt, in denen er keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen hat, sind solche Belastungen als Schulden anzusehen und nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 22 Abs 5 SGB II übernahmefähig. Unerheblich für die Abgrenzung ist dagegen, dass hinzutretende Verbindlichkeiten teilweise auf dem Verbrauch in Zeiträumen beruhen, in denen keine Hilfebedürftigkeit bestand. Soweit Verbindlichkeiten erst nach Eintritt der Bedürftigkeit entstanden sind, gehören sie - jedenfalls solange die Wohnung weiterhin bewohnt wird - zu den Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II(vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 19).

16

c) Von den danach berücksichtigungsfähigen weiteren Kosten für Heizung sind (über die Warmwasserpauschale für Februar 2007 hinaus) keine Kosten für die Warmwasserbereitung in Abzug zu bringen. Entgegen der Auffassung des LSG bedeutet eine Erfassung des Warmwasserverbrauchs in Mietwohnungen mittels (Warm-)Wasserzählern bei anschließender Verteilung der Kosten auf Grundlage des tatsächlichen Warmwasserverbrauchs des Hilfebedürftigen einerseits und nach Flächenanteilen seiner Wohnung zu der beheizbaren Gesamtfläche der Wohnanlage andererseits, wie sie nach der HeizkostenV für Wohnhäuser wie das vorliegende zwingend erfolgen muss (vgl §§ 2, 7 HeizkostenV), keine "konkrete Erfassung der Kosten der Warmwasserbereitung" im Sinne der bereits zitierten Rechtsprechung (vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 27). Wie der Senat im Einzelnen bereits dargelegt hat, ermöglicht es diese Abrechnungsmethode dem Hilfebedürftigen nicht, seinen Verbrauch umfassend zu steuern. Allein das Vorhandensein einer technischen Vorrichtung für eine isolierte Erfassung des Verbrauchs für Warmwasser genügt im Anwendungsbereich der HeizkostenV deshalb nicht, um eine Abweichung von dem Grundsatz des lediglich pauschalen Abzugs von bereits in der Regelleistung enthaltenen Anteilen für Warmwasserzubereitung zu rechtfertigen (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 154/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das gilt hinsichtlich sämtlicher in der Heizkostenabrechnung erfasster, rechtlich und tatsächlich nicht abtrennbarer Kosten, also auch wegen des Betriebsstroms für die Heizungsanlage und der Kosten des Eichaustauschs.

17

d) Auch von den Vorauszahlungen, die der Kläger in den Monaten vor Eintritt der Bedürftigkeit geleistet hat, sind entgegen der Auffassung des LSG nachträglich keine ("fiktiven") Abzüge für eine Warmwasserpauschale vorzunehmen. Der Abzug der Warmwasserpauschale soll lediglich verhindern, dass für einen im laufenden Monat bestehenden Bedarf für die Zubereitung von Warmwasserbereitung, der bereits pauschal mit der Regelleistung abgedeckt wird, ein weiteres Mal Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt werden. Entsteht in dem Monat darüber hinaus ein Bedarf für die Zubereitung von Warmwasser - sei es durch eine höhere Vorauszahlung als den angesetzten pauschalen Betrag, sei es durch eine einmalige Nachforderung - werden keine weiteren "Pauschalen" abgezogen. Solche Kosten sind nicht bereits in der Regelleistung für diesen Monat (hier also Februar 2007) abgebildet und dürfen deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der "Doppelleistung" weitergehend von den Kosten der Unterkunft und Heizung abgesetzt werden (vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 23).

18

e) Die tatsächlich angefallenen Kosten sind in gesamter (beantragter) Höhe zu übernehmen. Unabhängig davon, ob nach der Rechtsprechung des BSG Anhaltspunkte für ihre Unangemessenheit bestehen (vgl dazu nur Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23), sind die tatsächlichen Heizkosten vorliegend in entsprechender Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu übernehmen. Einen Hinweis auf die aus seiner Sicht unangemessen hohen Kosten hat der Beklagte erst in dem angefochtenen Bescheid gegeben (zu diesem Erfordernis BSG, aaO, RdNr 26 und Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 = juris RdNr 22).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 15. Mai 2012 wird wie folgt gefasst: Der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2011 wird aufgehoben, und der Beklagte wird verurteilt, beiden Klägerinnen jeweils für September 2011 weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 188,56 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Übernahme einer im September 2011 fälligen Nachforderung von Nebenkosten des Jahres 2010 für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

2

Die 1970 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2002 geborenen Klägerin zu 2. Beide lebten im Jahre 2010 in einem Haushalt mit dem damaligen Lebenspartner M der Mutter in der R.-Straße 56. Alle drei bezogen von dem beklagten Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe. Nachdem die Klägerin zu 1 sich von M getrennt hatte, erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 4.4.2011 die Zusicherung zum Umzug in eine Mietwohnung in der R.-Straße 67, die die Klägerinnen am 1.5.2011 bezogen. Sie erhielten weiterhin Alg II bzw Sozialgeld, auch für den Zeitraum ab 1.5.2011 bis 31.10.2011 (zuletzt durch Bescheid vom 20.6.2011).

3

Im August 2011 legte die Klägerin zu 1 dem Beklagten eine an M adressierte, im September 2011 fällige Nebenkostennachforderung über 565,69 Euro für die frühere Wohnung und das Jahr 2010 vor. Den darin gesehenen Antrag auf Kostenübernahme lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 24.8.2011; Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011).

4

Auf die hiergegen erhobenen Klagen hat das SG den Beklagten verurteilt, zwei Drittel der Nachforderung zu übernehmen (Urteil vom 15.5.2012). Das LSG hat die Berufung zugelassen und diese sodann mit Urteil vom 24.2.2016 zurückgewiesen sowie den Tenor des SG-Urteils dahingehend neu gefasst, dass der Beklagte verpflichtet wird, "jeder Klägerin für den Monat September 2011 weitere KdU in Höhe von 188,56 Euro" zu bewilligen und auszuzahlen. Durch den Leistungsbezug der Klägerinnen sowohl im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten als auch zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit bestehe eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nachforderung mit dem unterkunftsbezogenen Bedarf der Klägerinnen.

5

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision und rügt eine Verletzung von § 22 SGB II, weil nur die Aufwendungen für die gegenwärtig bewohnte Wohnung zu übernehmen seien und eine Ausnahme davon nur bei einem Wohnungswechsel aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung anzuerkennen sei.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 15. Mai 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Klägerinnen haben Anspruch auf die kopfteilige Übernahme der im September 2011 fälligen Nebenkostennachforderung für ihre frühere, in 2010 bewohnte Wohnung. Klarstellend war daher auszusprechen, dass der Bescheid des Beklagten vom 24.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011 aufgehoben und der Beklagte verurteilt wird, beiden Klägerinnen für September 2011 weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von je 188,56 Euro zu zahlen.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen sowie der Bescheid vom 24.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011, mit dem die Übernahme der Nebenkostennachforderung abgelehnt worden ist. Die Klägerinnen begehren die Aufhebung dieses Bescheids und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer Leistungen für die Unterkunft und Heizung für September 2011 an sie. Die Klägerinnen haben ihr Begehren durch ihren Antrag auf Übernahme der Nebenkostennachforderung wirksam auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78). Die Nebenkosten, bestehend aus den Betriebskosten gemäß § 556 BGB und den Heizkosten, sind von den Bedarfen für Unterkunft und Heizung erfasst(vgl zB BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf 188,56 Euro für jede Klägerin begrenzt, weil nur der Beklagte gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat. Die Klägerinnen verfolgen ihre Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG).

10

2. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war der frühere Lebensgefährte M der Klägerin zu 1 nicht notwendig beizuladen, weil durch die Entscheidung nicht unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingegriffen wird und diese somit nicht einheitlich gegenüber M zu ergehen hat (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG). Auch die Neufassung des Tenors durch das LSG begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne einer Verböserung für den Beklagten (vgl Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 123 RdNr 5a, § 157 RdNr 1a).

11

3. Rechtsgrundlage für den von den Klägerinnen geltend gemachten Anspruch sind § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X und §§ 19 ff SGB II iVm §§ 7 ff SGB II in der Fassung des SGB II, die es zuletzt vor dem hier streitbefangenen Zeitraum durch das Gesetz zur Neufassung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011 (BGBl I 850) erhalten hatte. Die Klägerin zu 1 war eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person und bildete mit der Klägerin zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft. Der Beklagte hatte zuletzt mit Bescheid vom 20.6.2011 den Klägerinnen Alg II bzw Sozialgeld einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vom 1.5.2011 bis 31.10.2011 bewilligt. Die von der Klägerin zu 1 vorgelegte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 war am 13.9.2011 fällig und fiel somit in den von dem genannten Bescheid umfassten Monat September 2011.

12

4. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier der Bescheid vom 20.6.2011, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. So liegt es hier, weil die Klägerinnen Anspruch auf Übernahme der Nebenkostennachforderung haben, obwohl es sich um eine Nebenkostennachforderung für ihre frühere, in 2010 bewohnte Wohnung handelt, und sich eine rechtserhebliche Änderung zu ihren Gunsten für den Monat September 2011 ergeben hat.

13

a) Die Klägerinnen haben Anspruch auf Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Hiervon erfasst werden nicht nur Leistungen für laufende, sondern auch für einmalige Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Durch diese existenzsichernden Leistungen soll der persönliche Lebensbereich "Wohnung" geschützt werden, sodass sich der Leistungsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auf die Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens bezieht und deshalb grundsätzlich nur die Übernahme der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte konkrete Wohnung umfasst, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt(stRspr, vgl zuletzt BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 15 mwN). Besteht das Mietverhältnis noch, gehören danach auch Nebenkostennachforderungen, die vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit tatsächlich entstanden sind, aber erst nach deren Eintritt fällig werden, zu den übernahmefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (so BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15; BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 16). Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf (vgl BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 14).

14

b) Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit geprägt, dass das einstige Mietverhältnis bei Fälligkeit der Nebenkostennachforderung gerade nicht mehr bestand. Für einen solchen Fall ist von den vorgenannten Grundsätzen eine Ausnahme anerkannt worden, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug nach dem SGB II stand und die Aufgabe der bisherigen Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt und keine andere Bedarfsdeckung eingetreten ist. In einem solchen Fall sind auch die Aufwendungen für eine Betriebs- und Heizkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17; vgl auch BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 22).

15

c) Dies gilt über diese besondere Konstellation hinaus jedenfalls dann, wenn die Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostenforderung erhoben wird, bis zu deren Geltendmachung und Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II standen und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs vorlag. Es besteht dann eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf, weil sowohl die Entstehung der Nachforderung als auch ihre Fälligkeit einen Zeitraum der ununterbrochenen Hilfebedürftigkeit betrifft, in dem der SGB II-Träger für die unterkunftsbezogenen Bedarfe der Leistungsbezieher einschließlich der Nebenkosten aufzukommen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass es eine faktische Umzugssperre bewirken könnte, würden Nachforderungen für eine frühere Wohnung bei durchgehender Hilfebedürftigkeit nicht übernommen, weil Leistungsbezieher sich dann dem Risiko ausgesetzt sähen, nur wegen nicht auskömmlich festgesetzter Nebenkostenvorauszahlungen mit Schulden belastet zu werden, zumal sie die Höhe der Abschläge regelmäßig nicht beeinflussen können. Im Übrigen mindert eine Nebenkostenerstattung unabhängig von der Frage eines vorangegangenen Umzugs nach § 22 Abs 3 SGB II die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Zudem könnten Folgeprobleme für die aktuelle Wohnsituation drohen, sei es, dass die neue Wohnung beim Vermieter der früheren Wohnung gemietet ist, oder sei es, dass für die Heizenergieversorgung derselbe Energielieferant zuständig ist, und deshalb Zahlungsschwierigkeiten aus dem früheren Miet- oder Versorgungsverhältnis auf die gegenwärtigen Rechtsbeziehungen durchschlagen, was wiederum Beratungspflichten auf Seiten der Jobcenter auslösen würde (vgl nur BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 16 ff mwN).

16

5. Einer Übernahme der anteiligen Nebenkostennachforderung steht auch nicht entgegen, dass diese Nachforderung an M - den früheren Lebensgefährten der Klägerin zu 1 - adressiert war, da sowohl für laufende Aufwendungen als auch für Nachforderungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich vom Kopfteilprinzip auszugehen ist und ein Auszug nicht zur Aufhebung dieses Prinzips führt. Bei der Anwendung des Kopfteilprinzips kommt es gerade nicht darauf an, wer zivilrechtlich Hauptmieter einer Wohnung ist.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Aufwendungen aus einer Betriebskostennachforderung für eine im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht mehr bewohnte Wohnung als eine einmalige Leistung für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen.

2

Die Klägerin bezog vom 1.1.2006 bis 31.12.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Landkreis B. Darin enthalten waren auch die Kosten von insgesamt 263 Euro für eine von ihr bewohnte Mietwohnung in W. Durch Schreiben vom 28.6.2006 forderte der Grundsicherungsträger sie auf, die Kosten für die Unterkunft bis zum 31.3.2007 zu senken. Die Obergrenze für angemessenen Mietraum betrage 245 Euro. Die Klägerin zog daraufhin zum 1.11.2006 in eine Wohnung in H. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten - um. Der monatliche Mietpreis betrug dort insgesamt 234 Euro. Der Landkreis B. gewährte gleichwohl bis zum 31.12.2006 Alg II weiter und hob alsdann seine Bewilligungsentscheidung zum 1.1.2007 auf. Durch Bescheide vom 12.1.2007 und 15.6.2007 bewilligte der Beklagte Alg II einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2007.

3

In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 27.8.2007 machte der Vermieter der Klägerin in H. eine Betriebskostennachforderung für die Monate November und Dezember 2006 und in einem Schreiben vom 10.9.2007 der Vermieter aus W. eine solche für die Monate Januar bis Oktober 2006 geltend. Die Betriebskostennachforderung für die Wohnung in W. betrug 548,85 Euro - fällig zum 31.12.2007. Für beide Nachforderungen beantragte die Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten. Dies lehnte der Beklagte für die Nachforderung bezogen auf die Wohnung in W. wegen der Unangemessenheit der Aufwendungen - seiner Ansicht nach festgestellt durch die Kostensenkungsaufforderung des Landkreises B. durch Bescheid vom 11.10.2007 ab. Den Widerspruch der Klägerin wies er mit der Begründung zurück, die Aufwendungen für die Wohnung in W. stellten keinen aktuellen Bedarf für Unterkunft und Heizung dar, da die Klägerin die Wohnung nicht mehr bewohne (Widerspruchsbescheid vom 6.10.2008).

4

Im Klageverfahren vor dem SG Dresden war die Klägerin erfolgreich. Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2008 verurteilt, die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung vom 10.9.2007 für die Wohnung in W. in Höhe von 548,85 Euro zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 SGB X, die der Erteilung des Bewilligungsbescheids vom 15.6.2007 zugrunde gelegen hätten, durch die Betriebskostennachforderung für die Wohnung in W. eingetreten. Die Klägerin habe Anspruch auf höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Zwar seien Leistungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich nur dazu da, den aktuellen Bedarf des Wohnens durch Sicherung der Unterkunft zu gewährleisten. Hiervon sei jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn - wie hier - der Umzug in die neue Unterkunft auf Veranlassung des Grundsicherungsträgers erfolgt sei. Dann sei es unbillig, Nachforderungen aus dem alten Mietverhältnis als Schulden zu werten. Der Bewilligungsbescheid vom 15.6.2007 sei daher zu ändern, ohne dass es darauf ankomme, ob die Aufwendungen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung angemessen gewesen seien. Eine rückwirkende Kostensenkung sei nicht möglich.

5

Der Beklagte hat mit Zustimmung der Klägerin die von dem SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er macht geltend, bei der Betriebskostennachforderung handele es sich um Schulden, die von ihm nicht zu übernehmen seien. Hieran ändere es nichts, dass der Umzug durch den Grundsicherungsträger veranlasst worden sei. Der Verlust der zur Zeit bewohnten Wohnung drohe bei Nichtbegleichung der Schulden nicht.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Ausführungen in dem Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet.

10

Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachforderung für ihre Wohnung in W. in Höhe von 548,85 Euro. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist vorliegend die Betriebskostennachforderung auch für die im Fälligkeitszeitpunkt der Nachforderung nicht mehr bewohnte Wohnung ein einmaliger Bedarf für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid vom 11.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2008, mit dem der Beklagte die Übernahme der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 in Höhe von 548,85 Euro abgelehnt hat. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG).

12

2. Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte bei der Leistungsbewilligung mit dem Bescheid vom 15.6.2007 für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.12.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hat und die Betriebskostenabrechnung vom 10.9.2007 zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Mit ihrem in der Vorinstanz gestellten Antrag auf Übernahme der Betriebskostenerstattung hat die Klägerin den Streitstoff ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung siehe nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 548,85 Euro begrenzt, weil nur der Beklagte gegen das zusprechende Urteil des SG Dresden Revision eingelegt hat.

13

3. Ob der Klägerin die Betriebskostennachforderung zusteht, richtet sich nach § 48 Abs 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier der Bewilligungsbescheid vom 15.6.2007 betreffend den Zeitraum 1.7.2007 bis 31.12.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Hierzu ist der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2010, SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Es ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Unterkunftskosten der Klägerin, die die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II erfüllt, zu hoch festgesetzt worden sein könnten.

14

Mit der Geltendmachung der Betriebskostennachforderung durch den Vermieter ist eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. § 22 Abs 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung( BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 19, FEVS 60, 490, 494; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 26; BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13). Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Nachzahlungen gehören demzufolge zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13).

15

Eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 SGB X kann nicht mit der Argumentation verneint werden, die Klägerin habe für den Entstehungszeitraum der Nebenkosten keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen können, weil der Landkreis B. als für die Kosten der Wohnung in W. zuständiger kommunaler Träger durch das Schreiben vom 28.6.2006 mit der Aufforderung zur Kostensenkung die Unangemessenheit der damaligen Unterkunftskosten festgestellt habe. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn die Kosten im Entstehungszeitpunkt unangemessen sind und im Zeitpunkt des Bedarfseintritts - also der Fälligkeit der Betriebskostennachforderung - Leistungen für Unterkunft in tatsächlich entstandener Höhe der Aufwendungen erbracht werden. Selbst wenn die Aufwendungen der Klägerin für die Wohnung in W. unangemessen waren, so befand sich die Klägerin noch in der vom Landkreis B. gesetzten "Schonfrist" des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bis zum 31.3.2007, innerhalb derer die unangemessenen Kosten weiter zu tragen sind, soweit sofortige Kostensenkungsmaßnahmen nicht möglich oder zumutbar sind (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die Klägerin hat die Wohnung bereits zum 31.10.2006 gewechselt, also vier Monate nach Aufforderung. Hinweise, dass ihr frühere Kostensenkungsmaßnahmen möglich oder zumutbar waren, sind nicht ersichtlich.

16

Der Annahme einer wesentlichen Änderung steht auch nicht entgegen, dass der Bedarf durch die Betriebskostennachforderung vom 10.9.2007 nicht materiell diesem Monat oder dem Monat der Fälligkeit am 31.12.2007 zuzuordnen ist. Wie der Senat bereits entschieden hat, beurteilt sich die Rechtslage vielmehr nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (vgl BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Für eine derartige Auslegung spricht insbesondere der dem § 22 SGB II innewohnende Schutzgedanke. Kostensenkungsmaßnahmen können nur in dem Zeitpunkt realisiert werden, in dem die Kosten entstehen. Der Anspruch beurteilt sich deshalb dem Grunde und der Höhe nach ausschließlich nach den Verhältnissen des Jahres 2006.

17

Es kommt im Gegensatz zu der vom Beklagten vertretenen Auffassung hier nicht darauf an, dass die Klägerin die Wohnung, für die die Betriebskosten nachgefordert worden sind, im Monat des Erhalts der Betriebskostennachforderung nicht mehr bewohnt hat. Sie hat die Wohnung aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers iS von § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aufgegeben. Zudem stand sie im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Aufwendungen und des Auftretens des Bedarfs durch die Nachforderung im Leistungsbezug und es ist keine anderweitige Bedarfsdeckung eingetreten. Jedenfalls in einem solchen Fall ist der Grundsicherungsträger verpflichtet, den Bedarf durch Leistungen für Unterkunft und Heizung zu decken.

18

Hat der Leistungsberechtigte die Wohnung für die die Betriebskostennachforderung geltend gemacht wird, aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aufgegeben, ist er mit dem Wohnungswechsel lediglich einer gesetzlich auferlegten Obliegenheit nachgekommen. Solange die Leistungen für Unterkunft bis zum Vollzug der Kostensenkungsaufforderung jedoch in tatsächlicher Höhe zu erbringen waren (s oben), stellen sie einen grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Existenzsicherung im Bereich des Wohnens dar und sind nicht wie Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II zu behandeln. Insoweit hat der Senat ebenfalls schon erkannt, dass die Frage, ob Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II vorliegen, unabhängig von deren zivilrechtlicher Einordnung ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen ist, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf aufzufangen(BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38; Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41). Bezieht sich die Nachforderung an Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB II-Leistungsberechtigten eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich mithin um vom SGB II-Träger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II. Hat der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten bereits die monatlich an den Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen zu zahlenden Abschlagsbeträge zur Verfügung gestellt, den aktuellen Bedarf in der Vergangenheit also bereits gedeckt, und beruht die Nachforderung auf der Nichtzahlung der als Vorauszahlung vom Vermieter geforderten Abschläge für Heiz- und Betriebskosten, handelt es sich dagegen um Schulden (BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41; Urteil vom 23.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Das ist hier, wie oben bereits dargelegt, jedoch nicht der Fall.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. August 2014 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. Dezember 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist der Anspruch des Klägers auf höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) wegen einer Nachforderung von Betriebs- und Heizkosten, die außerhalb des Leistungsbezugs entstanden sind, für eine im Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bewohnte Wohnung.

2

Der Kläger und seine Ehefrau wohnten in einer Dreizimmerwohnung in N. im P. Ring und bezogen vom beklagten Jobcenter Alg II bis Juli 2008. Anschließend war der Kläger erwerbstätig. Im September 2009 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren. Nachdem die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit des Klägers im April 2010 endete, bewilligte der Beklagte dem Kläger, seiner Ehefrau und seinem Sohn für die Zeit von Mai bis Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid vom 11.5.2010, Änderungsbescheide vom 25.5.2010, 24.8.2010 und 19.10.2010), die er für den Monat Oktober 2010 nach Vorlage einer Entgeltabrechnung des Klägers hinsichtlich der Regelleistungen teilweise aufhob (Bescheide vom 4.11.2010). Zum 1.10.2010 mietete der Kläger vom bisherigen Vermieter eine Dreizimmerwohnung in N. im P.-Ring und zog die Familie in diese um, wozu der Beklagte die Zusicherung erteilte.

3

Am 14.10.2010 rechnete der Vermieter die Betriebs- und Heizkosten für die frühere Wohnung im P.-Ring für das Jahr 2009 ab. Der Kläger legte am 21.10.2010 dem Beklagten die Abrechnung vor, deren im selben Monat fällige Nachforderung sich auf 559,72 Euro belief. Die Übernahme dieser Nachforderung lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 4.11.2010, Widerspruchsbescheid vom 8.2.2011); es handele sich um Verbindlichkeiten aus einem früheren Mietverhältnis.

4

Auf die zunächst nur vom Kläger erhobene und während des Klageverfahrens um die Ehefrau und den Sohn erweiterte Klage verpflichtete das Sozialgericht (SG) den Beklagten, den Klägern Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 559,72 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren (Urteil vom 13.12.2012). Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten wurde vom Landessozialgericht (LSG) - nach Rücknahme der Klagen der Ehefrau und des Sohnes - zurückgewiesen (Urteil vom 26.8.2014). Den Tenor des SG-Urteils fasste das LSG "klarstellend" dahingehend neu, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger Grundsicherungsleistungen für Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 416,61 Euro zu gewähren. Dass der Kläger im Jahr 2009 nicht im Leistungsbezug gestanden habe und nun die frühere Wohnung nicht mehr bewohne, sei ohne Belang, weil er damals seinen Pflichten aus dem Mietverhältnis nachgekommen sei und zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug des Beklagten gestanden habe. Unter Einbeziehung seiner laufenden Bedarfe und des zu berücksichtigenden Einkommens sowie seines Kopfteils in Höhe von einem Drittel der Nachforderung ergebe sich ein Leistungsanspruch des Klägers im Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 416,61 Euro.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung des § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geltend. Nebenkostennachforderungen für eine frühere Wohnung seien nur zu übernehmen, wenn der Mieter im Zeitpunkt ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit im Leistungsbezug gestanden habe und der Umzug in Erfüllung einer Kostensenkungsaufforderung erfolgt sei.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. August 2014 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. Dezember 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen, weil der Beklagte zu Recht einen Anspruch des Klägers auf höheres Alg II wegen einer Nachforderung von Betriebs- und Heizkosten abgelehnt hat.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das nur den Kläger betreffende Urteil des LSG und das Urteil des SG, soweit es den Kläger betrifft, durch die der Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger Alg II für Oktober 2010 unter kopfteiliger Berücksichtigung der Nachforderung aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 416,61 Euro zu zahlen, sowie der Bescheid des Beklagten vom 4.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2011. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Sozialgerichtsgesetz), denn er begehrt die Aufhebung dieses Bescheides, durch den der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachforderung und eine entsprechende Änderung seiner Bewilligungsentscheidung für Oktober 2010 abgelehnt hat, und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höheren Alg II für Oktober 2010 an ihn.

10

2. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres als das ihm für Oktober 2010 zuletzt bewilligte Alg II sind § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 und §§ 20 ff SGB II, hier hinsichtlich der umstrittenen Nachforderung § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der im Oktober 2010 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; SGB II aF). Denn der Beklagte hat bei der Leistungsbewilligung durch den Änderungsbescheid vom 19.10.2010 für Oktober 2010 dem Kläger Alg II einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF bewilligt und die vom Kläger am 21.10.2010 vorgelegte Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 14.10.2010 fällt zeitlich in diesen Monat.

11

3. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier der Änderungsbescheid vom 19.10.2010 für Oktober 2010, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Doch an einer rechtserheblichen Änderung zugunsten des Klägers fehlt es hier.

12

Mit der Betriebs- und Heizkostennachforderung des Vermieters hinsichtlich der vom Kläger früher bewohnten Wohnung für das Jahr 2009, in dem er wegen fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug bei dem Beklagten stand, ist keine solche Änderung eingetreten, weil der Kläger im Fälligkeitsmonat Oktober 2010 keinen Anspruch auf (kopfteilige) Übernahme dieser Nachforderung hat (dazu 4.). Im Übrigen ergeben sich weder Anhaltspunkte dafür, dass das vom Beklagten für Oktober 2010 bewilligte Alg II einschließlich der Leistungen für laufende Kosten der Unterkunft und Heizung für den Kläger, der nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG die Voraussetzungen des § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte, zu niedrig festgesetzt worden sein könnte, noch dafür, dass dem Kläger aus anderen Gründen als der Nachforderung höheres als das bewilligte Alg II im Oktober 2010 zustehen könnte. Insbesondere berücksichtigt der Änderungsbescheid vom 19.10.2010 die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die aktuell bewohnte Wohnung abzüglich nur der Warmwasserpauschale bei der Bedarfsberechnung.

13

4. Der Kläger hat im Fälligkeitsmonat Oktober 2010 keinen Anspruch auf (kopfteilige) Übernahme der Nachforderung aus § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

14

a) Hierdurch erfasst werden nicht nur Leistungen für laufende, sondern auch für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf (vgl Bundessozialgericht Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 14).

15

Die Leistungen für laufende wie für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF dienen indes der Unterkunftssicherung. Hieran hat sich durch die Neufassung dieser Regelung mit Wirkung vom 1.1.2011 ("Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.") nichts geändert (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; SGB II nF). Durch die existenzsichernden Leistungen soll der aktuelle räumliche Lebensmittelpunkt beibehalten werden können und sollen so der persönliche Lebensbereich "Wohnung" sowie das Grundbedürfnis "Wohnen" geschützt werden. Der Leistungsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zur Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens bezieht sich deshalb grundsätzlich nur auf die Übernahme der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte konkrete Wohnung, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt(vgl - in unterschiedlichen Zusammenhängen - BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - juris RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 19; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - juris RdNr 20; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 28; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23; BSG Urteil vom 23.5.2012 - B 14 AS 133/11 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 17; vgl auch Boerner in Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Mietwohnung, Bedarfe für" RdNr 3). Entsprechend haben die bisherigen Entscheidungen des BSG zur Übernahme von Betriebs- und/oder Heizkostennachforderungen - mit einer Ausnahme (dazu b) - jeweils Forderungen aus bestehenden Mietverhältnissen für im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit weiterhin genutzte Wohnungen zum Gegenstand (s nur BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58).

16

Besteht das Mietverhältnis noch, gehören danach auch Nebenkostennachforderungen für Unterkunft und Heizung, die vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit tatsächlich entstanden sind, aber erst nach deren Eintritt fällig werden, zu den übernahmefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (so BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15). Daran ist festzuhalten.

17

Im Zeitpunkt der Fälligkeit der Betriebs- und Heizkostennachforderung vom 14.10.2010 - nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Oktober 2010 - war das Mietverhältnis über die frühere Wohnung, auf die sich die Nachforderung bezog, jedoch bereits beendet. Für diese Wohnung kamen unterkunftssichernde Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

18

b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das BSG anerkannt, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten im Leistungsbezug nach dem SGB II stand als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch steht sowie die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt ist und keine anderweitige Bedarfsdeckung eingetreten ist. In diesem Fall sind auch Aufwendungen für eine Betriebs- und Heizkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17 und Leitsatz).

19

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat die frühere Wohnung nicht während des ununterbrochenen Leistungsbezugs aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers aufgegeben.

20

c) Es gibt keinen Grund, vorliegend eine weitere Ausnahme anzuerkennen. Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht mehr bewohnt wird, und deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht, sind kein anzuerkennender Bedarf iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II(vgl auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 65, Stand Oktober 2012).

21

Den vorliegenden Fall prägt nicht die vom 4. Senat betonte Besonderheit eines Umzugs während des Leistungsbezugs in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit nach Aufforderung durch den Leistungsträger (§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II), die auch in anderen Zusammenhängen Berücksichtigung gefunden hat (§ 22 Abs 6 Satz 2 SGB II: Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, wenn der Umzug durch den Leistungsträger veranlasst ist; zu einem Erstausstattungsanspruch bei unbrauchbar gewordenen Möbeln durch einen vom Leistungsträger veranlassten Umzug vgl BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4). Der Leistungsträger ist in diesen Fällen nicht von seiner Verantwortung für die Berücksichtigung unterkunftsbezogener Bedarfe für die frühere Wohnung enthoben und er soll die Folgekosten des von ihm veranlassten Umzugs übernehmen (vgl § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II: "unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen").

22

Mit einem in diesem Sinne vom Leistungsträger veranlassten Umzug nicht vergleichbar ist der Umzug der Familie des Klägers in die neue Wohnung, der nach den Feststellungen des LSG aufgrund von Mängeln der früheren Wohnung erfolgte und dessen Erforderlichkeit der Beklagte durch seine Zusicherung anerkannte. Die Erteilung einer Zusicherung verschafft dem Leistungsberechtigten zwar Gewissheit über die Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft (§ 22 Abs 4 Satz 1 SGB II), begründet aber keinen Übernahmeanspruch für nach dem Umzug fällig werdende Forderungen für die frühere Wohnung. Eine anderweitige existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nachforderung von Nebenkosten für das Jahr 2009, deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht, mit dem anzuerkennenden unterkunftsbezogenen Bedarf im Fälligkeitsmonat Oktober 2010 ist nicht zu erkennen, weil der Beklagte im Jahr 2009 keine unterkunftsbezogenen Bedarfe des Klägers zu übernehmen hatte.

23

5. Eine Übernahme der Nachforderung als Schulden iS von § 22 Abs 5 SGB II(in der im Oktober 2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558) kam von vornherein nicht in Betracht. Diese Schuldenübernahme dient allein der Sicherung der aktuell genutzten Unterkunft (vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 28; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 80 RdNr 17; vgl auch Boerner in Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Mietschulden" RdNr 12). Hieran hat sich durch die Neufassung der Regelung zur Schuldenübernahme in § 22 Abs 8 SGB II nF mit Wirkung vom 1.1.2011 nichts geändert. Für die im Oktober 2010 durch den Kläger genutzte neue Wohnung bestanden indes keine Schulden.

24

6. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom LSG wiedergegebenen Vortrag des Klägers, der Vermieter der aktuellen Wohnung, der mit dem früheren Vermieter identisch sei, habe mit der Kündigung der Wohnung gedroht, wenn die Nachforderung nicht gezahlt werde. Denn eine Rechtsgrundlage für eine Vermieter-Kündigung des vertragstreu durchgeführten bestehenden Mietverhältnisses über die aktuell genutzte Wohnung wegen der ausstehenden Erfüllung einer Nachforderung aus dem anderen, bereits beendeten Mietverhältnis über die frühere Wohnung sehen die Regelungen zum Wohnraumkündigungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht vor. Sie knüpfen insoweit vielmehr an das jeweilige Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter sowie an die Verletzung vertraglicher Pflichten des Mieters in diesem Mietverhältnis an (vgl § 542 Abs 1, § 543 Abs 1 Satz 1, § 568 Abs 1, § 573 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Nr 1 BGB).

25

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 15. Mai 2012 wird wie folgt gefasst: Der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2011 wird aufgehoben, und der Beklagte wird verurteilt, beiden Klägerinnen jeweils für September 2011 weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 188,56 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Übernahme einer im September 2011 fälligen Nachforderung von Nebenkosten des Jahres 2010 für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

2

Die 1970 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2002 geborenen Klägerin zu 2. Beide lebten im Jahre 2010 in einem Haushalt mit dem damaligen Lebenspartner M der Mutter in der R.-Straße 56. Alle drei bezogen von dem beklagten Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe. Nachdem die Klägerin zu 1 sich von M getrennt hatte, erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 4.4.2011 die Zusicherung zum Umzug in eine Mietwohnung in der R.-Straße 67, die die Klägerinnen am 1.5.2011 bezogen. Sie erhielten weiterhin Alg II bzw Sozialgeld, auch für den Zeitraum ab 1.5.2011 bis 31.10.2011 (zuletzt durch Bescheid vom 20.6.2011).

3

Im August 2011 legte die Klägerin zu 1 dem Beklagten eine an M adressierte, im September 2011 fällige Nebenkostennachforderung über 565,69 Euro für die frühere Wohnung und das Jahr 2010 vor. Den darin gesehenen Antrag auf Kostenübernahme lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 24.8.2011; Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011).

4

Auf die hiergegen erhobenen Klagen hat das SG den Beklagten verurteilt, zwei Drittel der Nachforderung zu übernehmen (Urteil vom 15.5.2012). Das LSG hat die Berufung zugelassen und diese sodann mit Urteil vom 24.2.2016 zurückgewiesen sowie den Tenor des SG-Urteils dahingehend neu gefasst, dass der Beklagte verpflichtet wird, "jeder Klägerin für den Monat September 2011 weitere KdU in Höhe von 188,56 Euro" zu bewilligen und auszuzahlen. Durch den Leistungsbezug der Klägerinnen sowohl im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten als auch zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit bestehe eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nachforderung mit dem unterkunftsbezogenen Bedarf der Klägerinnen.

5

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision und rügt eine Verletzung von § 22 SGB II, weil nur die Aufwendungen für die gegenwärtig bewohnte Wohnung zu übernehmen seien und eine Ausnahme davon nur bei einem Wohnungswechsel aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung anzuerkennen sei.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 15. Mai 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Klägerinnen haben Anspruch auf die kopfteilige Übernahme der im September 2011 fälligen Nebenkostennachforderung für ihre frühere, in 2010 bewohnte Wohnung. Klarstellend war daher auszusprechen, dass der Bescheid des Beklagten vom 24.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011 aufgehoben und der Beklagte verurteilt wird, beiden Klägerinnen für September 2011 weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von je 188,56 Euro zu zahlen.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen sowie der Bescheid vom 24.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011, mit dem die Übernahme der Nebenkostennachforderung abgelehnt worden ist. Die Klägerinnen begehren die Aufhebung dieses Bescheids und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer Leistungen für die Unterkunft und Heizung für September 2011 an sie. Die Klägerinnen haben ihr Begehren durch ihren Antrag auf Übernahme der Nebenkostennachforderung wirksam auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78). Die Nebenkosten, bestehend aus den Betriebskosten gemäß § 556 BGB und den Heizkosten, sind von den Bedarfen für Unterkunft und Heizung erfasst(vgl zB BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf 188,56 Euro für jede Klägerin begrenzt, weil nur der Beklagte gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat. Die Klägerinnen verfolgen ihre Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG).

10

2. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war der frühere Lebensgefährte M der Klägerin zu 1 nicht notwendig beizuladen, weil durch die Entscheidung nicht unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingegriffen wird und diese somit nicht einheitlich gegenüber M zu ergehen hat (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG). Auch die Neufassung des Tenors durch das LSG begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne einer Verböserung für den Beklagten (vgl Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 123 RdNr 5a, § 157 RdNr 1a).

11

3. Rechtsgrundlage für den von den Klägerinnen geltend gemachten Anspruch sind § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X und §§ 19 ff SGB II iVm §§ 7 ff SGB II in der Fassung des SGB II, die es zuletzt vor dem hier streitbefangenen Zeitraum durch das Gesetz zur Neufassung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011 (BGBl I 850) erhalten hatte. Die Klägerin zu 1 war eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person und bildete mit der Klägerin zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft. Der Beklagte hatte zuletzt mit Bescheid vom 20.6.2011 den Klägerinnen Alg II bzw Sozialgeld einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vom 1.5.2011 bis 31.10.2011 bewilligt. Die von der Klägerin zu 1 vorgelegte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 war am 13.9.2011 fällig und fiel somit in den von dem genannten Bescheid umfassten Monat September 2011.

12

4. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier der Bescheid vom 20.6.2011, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. So liegt es hier, weil die Klägerinnen Anspruch auf Übernahme der Nebenkostennachforderung haben, obwohl es sich um eine Nebenkostennachforderung für ihre frühere, in 2010 bewohnte Wohnung handelt, und sich eine rechtserhebliche Änderung zu ihren Gunsten für den Monat September 2011 ergeben hat.

13

a) Die Klägerinnen haben Anspruch auf Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Hiervon erfasst werden nicht nur Leistungen für laufende, sondern auch für einmalige Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Durch diese existenzsichernden Leistungen soll der persönliche Lebensbereich "Wohnung" geschützt werden, sodass sich der Leistungsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auf die Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens bezieht und deshalb grundsätzlich nur die Übernahme der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte konkrete Wohnung umfasst, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt(stRspr, vgl zuletzt BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 15 mwN). Besteht das Mietverhältnis noch, gehören danach auch Nebenkostennachforderungen, die vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit tatsächlich entstanden sind, aber erst nach deren Eintritt fällig werden, zu den übernahmefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (so BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15; BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 16). Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf (vgl BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 14).

14

b) Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit geprägt, dass das einstige Mietverhältnis bei Fälligkeit der Nebenkostennachforderung gerade nicht mehr bestand. Für einen solchen Fall ist von den vorgenannten Grundsätzen eine Ausnahme anerkannt worden, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug nach dem SGB II stand und die Aufgabe der bisherigen Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt und keine andere Bedarfsdeckung eingetreten ist. In einem solchen Fall sind auch die Aufwendungen für eine Betriebs- und Heizkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17; vgl auch BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 22).

15

c) Dies gilt über diese besondere Konstellation hinaus jedenfalls dann, wenn die Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostenforderung erhoben wird, bis zu deren Geltendmachung und Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II standen und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs vorlag. Es besteht dann eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf, weil sowohl die Entstehung der Nachforderung als auch ihre Fälligkeit einen Zeitraum der ununterbrochenen Hilfebedürftigkeit betrifft, in dem der SGB II-Träger für die unterkunftsbezogenen Bedarfe der Leistungsbezieher einschließlich der Nebenkosten aufzukommen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass es eine faktische Umzugssperre bewirken könnte, würden Nachforderungen für eine frühere Wohnung bei durchgehender Hilfebedürftigkeit nicht übernommen, weil Leistungsbezieher sich dann dem Risiko ausgesetzt sähen, nur wegen nicht auskömmlich festgesetzter Nebenkostenvorauszahlungen mit Schulden belastet zu werden, zumal sie die Höhe der Abschläge regelmäßig nicht beeinflussen können. Im Übrigen mindert eine Nebenkostenerstattung unabhängig von der Frage eines vorangegangenen Umzugs nach § 22 Abs 3 SGB II die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Zudem könnten Folgeprobleme für die aktuelle Wohnsituation drohen, sei es, dass die neue Wohnung beim Vermieter der früheren Wohnung gemietet ist, oder sei es, dass für die Heizenergieversorgung derselbe Energielieferant zuständig ist, und deshalb Zahlungsschwierigkeiten aus dem früheren Miet- oder Versorgungsverhältnis auf die gegenwärtigen Rechtsbeziehungen durchschlagen, was wiederum Beratungspflichten auf Seiten der Jobcenter auslösen würde (vgl nur BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 16 ff mwN).

16

5. Einer Übernahme der anteiligen Nebenkostennachforderung steht auch nicht entgegen, dass diese Nachforderung an M - den früheren Lebensgefährten der Klägerin zu 1 - adressiert war, da sowohl für laufende Aufwendungen als auch für Nachforderungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich vom Kopfteilprinzip auszugehen ist und ein Auszug nicht zur Aufhebung dieses Prinzips führt. Bei der Anwendung des Kopfteilprinzips kommt es gerade nicht darauf an, wer zivilrechtlich Hauptmieter einer Wohnung ist.

17

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung, insbesondere die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung, für das Kalenderjahr 2006.

2

Der 1965 geborene Kläger zu 1 und die 1970 geborene Klägerin zu 2 sind erwerbsfähig und Eltern der 1990, 1991, 1995, 1996, 1999, 2002 sowie am 22.11.2006 geborenen Kläger zu 3 bis 9. Zusammen bewohnen sie eine 114 m² große 5-Zimmer-Wohnung. Für diese Wohnung hatten die Kläger zu 1 und 2, die gemeinsam Vertragspartner des 2003 geschlossenen Wohnungsmietvertrags sind, im Jahre 2006 547,20 Euro Kaltmiete und 228 Euro Vorauszahlung auf die Betriebs- und Heizkosten monatlich an ihren Vermieter zu zahlen (§ 4 des Mietvertrags). In der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung waren Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten. Ab 1.1.2007 erhöhten sich die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen auf monatlich 285 Euro. Den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehenden Klägern bewilligte die Beklagte im gesamten Jahr 2006 SGB II-Leistungen unter Anerkennung der tatsächlichen Kosten für die Kaltmiete (547,20 Euro) und der monatlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 228 Euro (Bescheide vom 15.12.2005, 8.6.2006 und 22.12.2006). Mit weiterem Bescheid vom 22.12.2006 bewilligte die Beklagte den Klägern auf ihren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 19.12.2006 für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung unter Anerkennung von Mietkosten in Höhe von 547,20 Euro mtl und Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 228 Euro mtl. Nach Vorlage einer Bescheinigung zu geänderten Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen (ab Januar 2007 in Höhe von 285 Euro) wurden für die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung der Kosten für die Miete und die geänderten Nebenkosten in Höhe von insgesamt 835,14 Euro bewilligt (Bescheid vom 10.1.2007).

3

Der Vermieter der Kläger übersandte diesen mit Schreiben vom 21.3.2007 die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2006, nach der im Jahre 2006 insgesamt 897,77 Euro an Heizkosten und 3251,26 Euro an Hausnebenkosten entstanden waren. Nach Abzug der im Jahre 2006 geleisteten Vorauszahlungen von insgesamt 2736 Euro (12 Monate x 228 Euro) ergab sich eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 1413 Euro. Der Vermieter gab den Klägern auf, den Betrag bis zum 30.4.2007 auf sein Konto zu überweisen.

4

Die Beklagte lehnte die Übernahme der erst am 4.6.2007 bei ihr eingereichten Heiz- und Betriebskostennachforderung ab (Bescheid vom 14.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 9.10.2007). Zur Begründung führte sie aus, eine Übernahme der Nachforderung als Zuschuss nach § 22 Abs 1 SGB II sei nicht möglich, weil es sich nicht um laufende Unterkunftskosten handele. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Übernahme der Nebenkostenabrechnung vor Ablauf der eingeräumten Frist zur Begleichung der Rechnung beantragt werde. Eine darlehensweise Übernahme der Nachforderung als Mietschulden komme gleichfalls nicht in Betracht, weil die rückständige Nachforderung keine Kündigung rechtfertige und somit keine Wohnungslosigkeit einzutreten drohe.

5

Das SG Köln hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2007 verurteilt, den Klägern auf die Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1336 Euro zu gewähren, diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen und hat die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 11.4.2008). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern "auf die Heiz- und Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 976 Euro zu gewähren und diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen"; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen (Urteil vom 22.1.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Betriebs- und Heizkostennachforderungen führten zu einem gegenwärtigen Bedarf, der durch einmalige Leistung nach § 22 Abs 1 SGB II unter der Voraussetzung zu befriedigen sei, dass zur Zeit der Entstehung, Fälligkeit und Geltendmachung der Nachforderung ein Hilfebedarf nach dem SGB II bestehe. Sie verwandelten sich nicht gemäß § 22 Abs 5 SGB II in Mietschulden, wenn der Hilfebedürftige mit der Erfüllung der Nachforderung in Verzug sei, weil sich das SGB II erkennbar von der Konzeption eines einmonatigen "Bedarfszeitraums" verabschiedet habe. Die Aufwendungen der Kläger seien in dem tenorierten Umfang hinsichtlich der für das Kalenderjahr 2006 nachgeforderten Betriebs- und Heizkosten auch angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der Betriebskosten folge dies daraus, dass diese Kosten, die hier für das Kalenderjahr 2006 im Streit stünden und mit der Nachforderung vom Vermieter der Kläger geltend gemacht worden seien, mietvertraglich wirksam vereinbart seien und sämtlich der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl I 2346 f) unterfielen. Unabhängig hiervon bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Nebenkosten der Kläger die "marktüblichen Nebenkosten" vergleichbarer Wohnungen überschritten. Auch hinsichtlich der Angemessenheit der Heizkosten bestehe keine Pflicht zu einer weitergehenden Sachaufklärung, zumal die Beklagte diese ebenso wenig wie die Angemessenheit der Betriebskosten in Frage stelle. Allerdings könnten die geforderten Heizkosten nicht in voller Höhe übernommen werden, weil hierin enthaltene Kosten der Warmwasserbereitung als Kosten der Haushaltsenergie iS von § 20 Abs 1 SGB II aus der pauschal gewährten Regelleistung zu decken seien. Entgegen der Ansicht des SG sei bei der Ermittlung des Absetzbetrags nicht die Heizkostenabrechnung des Vermieters und sein Abrechnungsmodus zu Grunde zu legen. Vielmehr sei - entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) und der unterschiedlichen Höhe der Regelleistung der Kläger für das Jahr 2006 ein Gesamtbetrag in Höhe von 436,69 Euro abzusetzen. Für die Kläger zu 1 bis 8 errechne sich für das Kalenderjahr 2006 der Betrag von 432,96 Euro (42 Monate x 36,08 Euro); zusätzlich sei für den am 22.11.2006 geborenen Kläger zu 9 der Monat Dezember 2006 mit einem "Warmwasserabzug" von 3,73 Euro zu berücksichtigen. Dieser Betrag sei von der Gesamtnachzahlung in Höhe von 1413,03 Euro abzusetzen, sodass sich ein abgerundeter Nachforderungsbetrag in Höhe von 976 Euro ergebe.

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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 22 Abs 1 und 5 SGB II. Die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, dass Mietschulden nur dasjenige sei, was aus der Zeit vor Leistungsbeginn schon Schulden seien oder was der Leistungsempfänger trotz ordnungsgemäßer Zahlung des Leistungsträgers nicht an den Vermieter weitergeleitet habe, finde keine Begründung im Gesetz. Vielmehr umfasse der Begriff der Mietschulden alles, was zur Zahlung fällig, seitens des Mieters aber dennoch nicht geleistet worden sei. Die Anknüpfung an die Fälligkeit der Forderung sei der geeignete Maßstab für eine Unterscheidung zwischen aktuellem Bedarf und Schulden.

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Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Köln vom 11.4.2008 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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Sie halten die Entscheidung des LSG für zutreffend und vertreten die Ansicht, dass es sich bereits nach einer umgangssprachlichen Auslegung bei der Nachforderung aus der Heiz- und Betriebskostenabrechnung nicht um Schulden handele.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Klägern wegen der Heiz- und Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 21.3.2007 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. In der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten durch den Vermieter für das Kalenderjahr 2006 liegt eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass der laufenden SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 bewilligenden Bescheids vom 10.1.2007 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vorlagen. Eines gesonderten Antrags der Kläger auf Übernahme dieser Kosten bedurfte es nicht. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist auch iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, weil das SGB II keine gesonderten, § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X vorgehenden Regelungen zum Zeitpunkt der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse enthält. Der aktuelle tatsächliche Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft und Heizung hat sich auch nicht durch Zeitablauf in Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II verwandelt.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.10.2007, mit dem die Beklagte die Übernahme der im März/April 2007 zu leistenden Heiz- und Betriebskostennachzahlung abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Die Rechtmäßigkeit dieser Ablehnungsbescheide misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil die Beklagte den Klägern mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 bewilligt hatte und das Nachforderungsverlangen des Vermieters zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Mit ihrem Antrag vor dem LSG auf Übernahme der Nachzahlungsforderungen des Vermieters aus der Nebenkostenabrechnung vom 21.3.2007 haben die Kläger den Streitstoff dabei inhaltlich ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung: BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18; zur rechtlich nicht möglichen weiteren Aufspaltung des Streitgegenstands, etwa in Unterkunfts- und Heizkosten: BSG, aaO, RdNr 18, 22). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 976 Euro begrenzt, weil nur die Beklagte Revision eingelegt hat. Auch die Auszahlung des Nachforderungsbetrags an den Vermieter ist daher nicht im Streit.

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2. a) Ob den Klägern ein Anspruch auf die Heizkostennachforderung zusteht, beurteilt sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 10.1.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - bezogen auf die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung - dazu führt, dass der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R, BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 jeweils RdNr 13; BSG, Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R, SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 6; BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 23). Es ergeben sich hier allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit Bescheid vom 10.1.2007 für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung unzutreffend festgesetzt sein könnten. Die Kläger erfüllten in dem vom diesem Bescheid umfassten Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.5.2007 die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm §§ 19 Satz 1, 22 SGB II.

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b) Eine Änderung gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 10.1.2007 vorlagen, ist hier mit der Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten eingetreten. Der Anspruch der Kläger auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung folgt aus § 22 Abs 1 SGB II. Zwar handelt es sich bei der Übernahme einer Heiz- und Betriebskostennachzahlung anders als im Regelfall des § 22 Abs 1 SGB II nicht um eine laufende, sondern um eine einmalige Leistung. § 22 Abs 1 SGB II erfasst jedoch nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung (BSG, Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; BSG, Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 19, FEVS 60, 490, 494; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, jeweils RdNr 26). Soweit einzelne Nebenkosten - wie hier bei der Nachforderung - in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Nachforderungen, die nach regelmäßiger Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen bzw -abschläge der jeweiligen Monate entstehen, gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 RdNr 16, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 16; vgl bereits BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 51).

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c) Dem Anspruch der Kläger auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung und damit der Annahme einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse steht auch nicht entgegen, dass die Kläger vor Entstehung der Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Kalenderjahr 2006 bzw deren Begleichung nach Zugang des Schreibens vom 21.3.2007 keinen gesonderten Antrag auf Deckung dieses Bedarfs gestellt haben. Zwar werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 1 und 2 Satz 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 62; BSG, Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG, Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R, RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes ist aber davon auszugehen, dass ein bereits gestellter Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts diejenigen Leistungen beinhaltet, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - RdNr 11 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Klageantrag: BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11) und dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eine "Türöffner-Funktion" für diese Leistungen zukommt (vgl zur Funktion des Antrags bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; zur "Türöffner-Funktion" der Arbeitslosmeldung im SGB III: BSG, Urteil vom 7.10.2004 - B 11 AL 23/04 R - BSGE 93, 209 = SozR 4-4300 § 122 Nr 2 jeweils RdNr 13). Der Antrag der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 19.12.2006 umfasste auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Eine sachliche und zeitliche Konkretisierung der von der Antragstellung umfassten Bedarfe kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich weitere Bedarfe erst während des laufenden Leistungsbezugs ergeben, also die Forderung - wie hier - erst nach Antragstellung fällig wird. Mit der Vorlage der Heiz- und Betriebskostennachforderung bei der Beklagten haben die Kläger die Höhe ihres Bedarfs insofern lediglich weiter konkretisiert, jedoch keine weitere, vom Antrag nicht erfasste Leistung beantragt.

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d) Die durch die Heiz- und Betriebskostennachforderung für das Jahr 2006 eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse "zugunsten des Betroffenen" iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X war auch wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, dh rechtserheblich, weil die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in neuer Höhe zu bemessen waren, der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 also unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (vgl BSG, Urteil vom 9.6.1988 - 4/1 RA 57/87 - SozR 2200 § 1255a Nr 19 S 56). Die Nachforderung des Vermieters der Kläger führt dazu, dass diesen in dem vom Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 umfassten Zeitraum höhere Kosten für Unterkunft und Heizung mit dem vom LSG angenommenen Gesamtbetrag in Höhe von 976 Euro zustehen. Leistungen für die Heizung werden gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der unangemessenes Heizen indiziert(vgl hierzu BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, gehen die Beteiligten übereinstimmend von der Angemessenheit der für das Jahr 2006 nachgeforderten Betriebs- und Heizkosten aus. Es ergeben sich auf der Grundlage der Feststellungen des LSG für den Senat auch keine Anhaltspunkte für zu hohe Betriebs- oder Heizkosten. Das LSG ist schließlich auch zutreffend davon ausgegangen, dass die tatsächlich angefallenen Heizkosten um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen sind, wobei die in Ansehung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 rechnerisch für die Warmwasserbereitung aus den Regelleistungen ermittelbaren Anteile zu berücksichtigen waren (vgl dazu BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - RdNr 28 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

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3. Der Bewilligungsbescheid vom 10.1.2007 war auch vom Zeitpunkt dieser Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X aufzuheben, weil das SGB II - anders als zB das SGB XII für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung(vgl § 44 Abs 1 SGB XII) und das SGB VI für Änderungen bei der Höhe der Rente (§ 100 Abs 1 SGB VI; vgl zB BSG, Urteil vom 22.4.2008 - B 5a R 72/07 R - RdNr 17) - keine gesonderten, § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vorgehenden Regelungen zum Zeitpunkt der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse enthält. Insofern steht die verspätete Information der Beklagten über die Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten durch die Kläger dem Ausgleich der Nachforderung an Betriebs- und Heizkosten nicht entgegen.

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4. Allein der Umstand, dass die Kläger die Nachforderung offenbar nicht innerhalb der vom Vermieter gesetzten Frist, also mit Ablauf des Fälligkeitsmonats (April 2007), beglichen haben, führt nicht dazu, dass es sich - allein durch Zeitablauf - bei den nachgeforderten Heiz- und Betriebskosten nicht mehr um einen aktuellen Bedarf, sondern (nur noch) um nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II durch Darlehen auszugleichende Schulden handelt(so auch Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 19; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 36, Stand 9/2009 mit Beschränkung auf den laufenden Bewilligungsabschnitt). Die Nachforderung der Heiz- und Betriebskosten für das Kalenderjahr 2006 erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem die Kläger während des Bewilligungsabschnitts vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 im durchgehenden SGB II-Bezug waren, ihre Hilfebedürftigkeit also bereits eingetreten war. Ob Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II vorliegen, ist - unabhängig von deren zivilrechtlicher Einordnung - ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf aufzufangen. Bezieht sich die Nachforderung an Heiz- und Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB II-Leistungsberechtigten eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich jedenfalls um vom SGB II-Träger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II. Dabei besteht bei den Kosten für Heizung der Bedarf darin, dass der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten die Geldmittel zur Verfügung stellt, die dieser benötigt, um die Lieferung der Wärme durch den Vermieter bzw das Energieversorgungsunternehmen zahlen zu können (BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9; vgl auch bereits BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46, 50). Hat der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten bereits die monatlich an den Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen zu zahlenden Abschlagsbeträge zur Verfügung gestellt, den aktuellen Bedarf in der Vergangenheit also bereits gedeckt, und beruht die Nachforderung auf der Nichtzahlung der als Vorauszahlung vom Vermieter geforderten Abschläge für Heiz- und Betriebskosten, handelt es sich dagegen um Schulden (Schmidt in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 22 SGB II RdNr 59, Stand Februar 2008).

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Nach diesen Grundsätzen liegen hier tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II vor, weil die Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum des gesamten Kalenderjahres 2006 ihre mietvertraglichen Verbindlichkeiten in Gestalt der vereinbarten Vorauszahlung von monatlich 228 Euro vollständig erfüllt haben und zum Zeitpunkt der Nachforderung von Heiz- und Betriebskosten hilfebedürftig waren.

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5. Demnach war die Entscheidung des LSG auch zu bestätigen, soweit es wegen der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der als Dauerleistung mit Bescheid vom 10.1.2007 bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung bei zeitgleich fortbestehender Hilfebedürftigkeit den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 976 Euro zugesprochen hat (§ 48 Abs 4 iVm § 44 Abs 4 SGB X).

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6. Lediglich im Sinne einer Klarstellung hat der Senat den Tenor des LSG-Urteils unter Einbeziehung des Bescheides vom 10.1.2007 teilweise neu gefasst. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.