Bundessozialgericht Beschluss, 08. Feb. 2012 - B 5 RS 76/11 B

bei uns veröffentlicht am08.02.2012

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. August 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Mit Gerichtsbescheid vom 12.4.2011, der dem Kläger am 18.4.2011 zugestellt worden ist, hat das SG Chemnitz die Feststellung der Zeiten vom 1.10.1966 bis 16.1.1972 und vom 1.7.1986 bis 16.4.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte verneint. Der Berufungsschriftsatz des Klägers vom 17.5.2011 trägt den Posteingangsstempel des Sächsischen LSG von Donnerstag, den "19. Mai 2011", sowie den Zusatz "Nachtbriefkasten". Das LSG wies den Kläger darauf hin, dass die Berufung nach Lage der Akten verfristet sei, und übermittelte ihm eine Auskunft der Poststelle zur Funktionsweise des Nachtbriefkastens. Der Klägerbevollmächtigte versicherte anwaltlich, er habe den kuvertierten Berufungsschriftsatz am 18.5.2011 zwischen 18.30 Uhr und 18.45 Uhr persönlich in den Nachtbriefkasten des LSG eingelegt, hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Urteil vom 23.8.2011 hat das LSG die Berufung als unzulässig verworfen. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei - ebenso wie seine anwaltliche, gegebenenfalls eidesstattliche Versicherung - nicht geeignet, "die Richtigkeit des Posteingangsstempels" zu widerlegen und den Nachweis eines fristgerechten Berufungseingangs zu erbringen. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt seien am Nachtbriefkasten keine technischen Defekte aufgetreten; Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bearbeitung durch das zuständige Personal bestünden nicht. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht.

2

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

3

Der Kläger hat ordnungsgemäß dargetan, dass das LSG gegen §§ 62, 128 Abs 2 SGG verstoßen habe und das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Der Eingangsstempel auf der bei Gericht eingegangenen Berufungsschrift des Klägers ist eine öffentliche Urkunde iS von § 418 Abs 1 ZPO und erbringt damit grundsätzlich den vollen Beweis für den Zeitpunkt der Ausstellung(BSG SozR 4100 § 59e Nr 1). Auch die rechtzeitige Vornahme einer Prozesshandlung - hier die fristgerechte Einlegung der Berufung - wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem Berufungsschriftsatz bewiesen (BSG Beschluss vom 9.3.2011 - B 4 AS 60/10 BH - Juris RdNr 5). Das LSG ist davon ausgegangen, dass der durch den Eingangsstempel bezeugte Tag vorliegend dem Tag des Eingangs, dh des Zugangs in den Zugriffsbereich des Berufungsgerichts entspricht. Doch ist vorbehaltlich abweichenden Landesrechts gemäß § 418 Abs 2 ZPO grundsätzlich der Gegenbeweis zulässig. Hinsichtlich dieses Gegenbeweises hat das LSG gegen § 128 Abs 2 SGG verstoßen. Bei den negativen Feststellungen des LSG, zum "streitgegenständlichen Zeitpunkt" seien am Nachtbriefkasten keine technischen Defekte aufgetreten und es hätten auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bearbeitung durch das zuständige Personal bestanden, kann es sich jeweils nur um die schlussfolgernde Erkenntnis des Wahrheitsgehalts dieser Aussagen im Sinne des Beweises handeln. Ihnen müssen daher denknotwendig vom Berufungsgericht bereits als feststehend und rechtlich relevant erkannte Einzelumstände (Tatsachen) und/oder Beweismittel und Beweisergebnisse vorangehen, die nach der Auffassung des Tatsachengerichts derartige Schlussfolgerungen mit der notwendigen Verlässlichkeit erlauben. Umstände dieser Art hat das LSG dem Kläger indessen weder vor dem noch im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt; auch ergibt sich nicht umgekehrt, dass er hiervon auf sonstige Weise Kenntnis erlangt und Stellung genommen bzw die an sich eröffnete Gelegenheit zur Stellungnahme nur ungenutzt gelassen hat. Er hatte damit vor Abschluss des Verfahrens in der Tatsacheninstanz keine Gelegenheit zur Stellungnahme, obwohl § 62 SGG gebietet, den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren und das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten(§ 128 Abs 2 SGG).

5

Um den Verfahrensmangel darzulegen, durfte sich die Beschwerdebegründung zunächst auf die negative Beweiskraft der Sitzungsniederschrift (§ 122 SGG iVm § 165 S 1 ZPO) berufen. Diese erbringt vorbehaltlich der Fälle des § 165 S 2 ZPO grundsätzlich abschließend ("nur") Beweis über die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, beweist also bei Fehlen einer Feststellung im Protokoll auch negativ, dass eine Förmlichkeit nicht beachtet wurde (Stöber in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 165 RdNr 3). Zu den Förmlichkeiten in diesem Sinne gehören ua die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung iS von § 160 Abs 2 ZPO, dh der Verfahrensablauf, soweit er für die Entscheidung und die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens durch das Rechtsmittelgericht erforderlich ist(Stöber aaO § 160 RdNr 3). Im Rahmen der entsprechenden Anwendung von § 160 Abs 2 ZPO in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit gehört hierzu ua § 128 Abs 2 SGG. Die Vorschrift gebietet, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Ein Hinweis darauf, dass der Kläger zu den Tatsachen und Beweisergebnissen hätte Stellung nehmen können, die den genannten Feststellungen des LSG zugrunde liegen, findet sich im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.8.2011 nicht. Nicht anders als bei Verletzungen der Pflicht der Zivilgerichte, das Beweisergebnis mit den Parteien "zu erörtern" (§ 279 Abs 3 ZPO) steht damit hinsichtlich der mündlichen Verhandlung der Verstoß gegen § 128 Abs 2 SGG und damit zugleich gegen das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör bereits allein aufgrund der fehlenden Erwähnung im Protokoll exklusiv und abschließend fest(vgl BGH Beschluss vom 20.12.2005 - VI ZR 307/04 - BGHReport 2006, 529).

6

Der in der Sitzungsniederschrift enthaltene Satz "Das Sach- und Streitverhältnis wird mit ihnen (den Beteiligten) erörtert", ist demgegenüber für sich allein keinesfalls geeignet, verlässlichen Nachweis für eine ausreichende Unterrichtung der Beteiligten über die entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisquellen zu liefern. Als bloß formelhafte Wiederholung des Gesetzeswortlauts lässt er weder Inhalt noch Umfang der Erörterung erkennen, sondern gibt Raum für Spekulationen. Infolge dieser Unschärfe kann er keinesfalls Grundlage für die Entscheidung sein, ob das Gericht seine konkreten Mitteilungs- und Erörterungspflichten erfüllt, dh den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Einzelfall be- oder missachtet hat (BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 4 S 5 f).

7

Hinsichtlich des Gangs der mündlichen Verhandlung kommt es unter diesen Umständen auch von vornherein weder auf die nachrangige und allein positive Beweiskraft des Protokolls als öffentlicher Urkunde iS von § 418 ZPO(vgl BGH Urteil vom 8.12.1993 - XII ZR 133/92 - FamRZ 1994, 300 ff) noch auf die ebenfalls nachrangige und nur positiv auf das mündliche Parteivorbringen beschränkte Beweiskraft des Urteilstatbestandes (§ 314 S 1 ZPO) an. Beide haben neben der exklusiven negativen Beweiswirkung des § 165 S 1 ZPO keine eigenständige Bedeutung.

8

Schließlich ergibt sich hinsichtlich des Verfahrensgangs im Übrigen aus den Akten des Berufungsgerichts kein positiver Hinweis darauf, dass der Kläger außerhalb der mündlichen Verhandlung auf Tatsachen und Beweisergebnisse hingewiesen worden wäre, denen das Berufungsgericht entnehmen will, zum "streitgegenständlichen Zeitpunkt" seien am Nachtbriefkasten keine technischen Defekte aufgetreten und es hätten auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bearbeitung durch das zuständige Personal bestanden. Insofern hätte sich bei Beachtung des sozialgerichtlichen Verfahrensrechts ein Hinweis darauf finden müssen, dass dem Kläger gemäß § 107 SGG nach Anordnung des Vorsitzenden entweder eine Abschrift der Niederschrift einer durchgeführten Beweisaufnahme oder deren Inhalt und bei Anordnungen nach § 106 SGG jedenfalls eine Unterrichtung von der durchgeführten Maßnahme und ihrer Bedeutung für eine Entscheidung des Rechtsstreits mitgeteilt wurde(vgl BSG Beschluss vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 215/04 B -, Juris RdNr 9 f). Ebenso wenig lässt der Akteninhalt auch nur andeutungsweise erkennen, dass dem Kläger entsprechende Umstände auf sonstige Weise bekannt gewesen sein könnten und er hierzu schriftlich Stellung genommen haben oder trotz Kenntnis der rechtlichen Relevanz dieser Umstände von einer Stellungnahme Abstand genommen haben könnte. Da auch die Beweiskraft in der Gerichtsakte des Berufungsgerichts enthaltener öffentlicher und privater Urkunden stets nur auf einen positiven Inhalt beschränkt wäre (§§ 415 ff ZPO), steht damit die Verletzung von § 128 Abs 2 SGG zwar hinsichtlich des Verfahrensgangs außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht auch abschließend negativ fest, doch gilt auch bei der Feststellung der Sachurteilsvoraussetzungen, dass § 103 S 1 Halbs 1 SGG keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" gebietet. Gibt daher auch der Akteninhalt keinen Anlass, der Frage weiter nachzugehen, ob sich der Kläger zu den Grundlagen der in Frage stehenden Beweisfeststellungen des LSG äußern konnte, darf das Revisionsgericht seine abschließende Überzeugung, dass dies entsprechend dem Beschwerdevorbringen nicht der Fall war, auch ohne Durchführung aller nur denkbaren Maßnahmen der Sachaufklärung bilden. Dies gilt vorliegend umso mehr, als auch der Prozessgegner des Klägers dessen Vorbringen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nur mit einer nicht näher substantiierten Verneinung der gesetzlichen Revisionszulassungsgründe entgegentritt.

9

Auf dem Verfahrensmangel kann die angefochtene Entscheidung auch beruhen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn der Kläger zuvor Gelegenheit gehabt hätte, sich zu denjenigen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern, denen das LSG entnehmen will, dass am Nachtbriefkasten keine technischen Defekte aufgetreten seien und auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bearbeitung durch das zuständige Personal bestanden hätten. Er hätte dann ihm während des Verfahrens bekannt gewordene Umstände möglicherweise qualifiziert bestreiten und damit erreichen können, dass das LSG - nach einer etwaigen weiteren Beweiserhebung - zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre (BSG vom 19.1.2005 aaO RdNr 11). Mögliche Konkretisierungsdefizite bei der Darlegung dieses Vorbringens im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde können dem Kläger, dem das rechtliche Gehör durch das Verschweigen entscheidungsrelevanter Umstände verweigert wurde und der die für die Beweiserkenntnis des LSG maßgeblichen Umstände auch nicht wenigstens nachträglich dem angefochtenen Urteil oder den Prozessakten entnehmen konnte, nicht entgegengehalten werden. Eine Verpflichtung "ins Blaue hinein" vorzutragen, obwohl das Berufungsgericht Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht mitgeteilt hat, stünde Art 19 Abs 4 GG entgegen. Der Kläger hat darüber hinaus auch Umstände dargelegt, die es als möglich erscheinen lassen, dass der gemäß § 418 Abs 2 ZPO erforderliche Beweis der Unrichtigkeit des gerichtlichen Eingangsstempels als öffentliche Urkunde aufgrund am Schluss der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisanträge zu seinen Gunsten als geführt angesehen werden könnte. Er hätte dann zumindest die Zeugenvernehmungen seines Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwaltsfachangestellten R. und der Auszubildenden G. zum Zeitpunkt von Kuvertierung und Einwurf des Berufungsschriftsatzes, die Zeugenvernehmung des zuständigen Poststellenmitarbeiters zur Nachtbriefkastenleerung und Postbearbeitung sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Funktionsweise des Nachtbriefkastens beantragen können, um der Tatsacheninstanz unmittelbar vor deren Entscheidung zu signalisieren, dass er die bisherige Sachaufklärung für defizitär hält ("Warnfunktion") und wie diesem Mangel konkret abgeholfen werden kann ("Hinweisfunktion").

10

Darauf, ob sich aus den Darlegungen des Klägers weitere Verfahrensfehler - so etwa eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Zurückweisung seines Vorbringens zu den Umständen der Berufungseinlegung ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung oder das teilweise Fehlen von Urteilsgründen - ergeben, bedarf unter diesen Umständen keiner näheren Erörterung.

11

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das erkennende Gericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Damit entfällt gleichzeitig auch die Ablehnungsentscheidung des LSG über den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag. Denn über ihn ist erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger die Berufungsfrist gewahrt hat (vgl dazu BGH Beschluss vom 27.5.2003 - VI ZB 77/02 - NJW 2003, 2460). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil ungeklärt ist, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufungsschrift noch fristgerecht am 18.5.2011 in den Nachtbriefkasten des LSG eingeworfen hat.

12

Das LSG wird schließlich auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 08. Feb. 2012 - B 5 RS 76/11 B

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Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder
Bundessozialgericht Beschluss, 08. Feb. 2012 - B 5 RS 76/11 B zitiert 17 §§.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 418 Beweiskraft öffentlicher Urkunden mit anderem Inhalt


(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 314 Beweiskraft des Tatbestandes


Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 160 Inhalt des Protokolls


(1) Das Protokoll enthält 1. den Ort und den Tag der Verhandlung;2. die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers;3. die Bezeichnung des Rechtsstreits;4. die Namen der erschienenen Parteien, Neben

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen


(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 165 Beweiskraft des Protokolls


Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 122


Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 279 Mündliche Verhandlung


(1) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, soll sich die mündliche Verhandlung (früher erster Termin oder Haupttermin) unmittelbar anschließen. Andernfalls ist unverzüglich Termin zur mündlichen Ver

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 107


Den Beteiligten ist nach Anordnung des Vorsitzenden entweder eine Abschrift des Protokolls der Beweisaufnahme oder deren Inhalt mitzuteilen.

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Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 2010 - L 6 AS 381/08 - vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin A beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Streitig sind Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von Januar 2005 bis Juni 2008.

2

Der Berufungsschriftsatz des Klägers gegen das am 7.10.2008 zugestellte klageabweisende Urteil des SG vom 11.9.2008 trägt den Eingangsstempel des SG vom 10.11.2008. Der zugehörige Umschlag enthält als vom Kläger unterschriebenen Vermerk ua "Einwurf Fristenbriefkasten, Sozialgericht MR am 7.11.2008 um 19.30 Uhr" (Unterschrift). Nachdem dem Kläger zunächst mitgeteilt worden war, die Berufung sei fristgerecht eingelegt worden, weil der 10.11.2008 ein Montag sei (Schreiben vom 20.11.2008), hat das LSG nach Berichterstatterwechsel im März 2010 Auskünfte des SG Marburg angefordert, danach den früheren Leiter der Poststelle des SG zur Frage des Eingangs der Berufungsschrift vernommen und die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil des LSG vom 18.8.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ausweislich des Eingangsstempels sei die Berufungsschrift erst am Montag, dem 10.11.2008, und damit verspätet beim SG eingegangen. Der Vermerk auf dem Umschlag spreche gegen den fristgerechten Einwurf in den Gerichtsbriefkasten. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass und/oder warum er Anlass gehabt habe, der Fristendokumentation des Briefkastens zu misstrauen. Der als Zeuge vernommene ehemalige Leiter der Poststelle habe ausgeführt, dass er sich an den Vorgang noch gut erinnern könne, weil der Berufungsschriftsatz mit dem auffallenden Umschlag am 10.11.2008 auf der Klappe des Nachtbriefkastens zusammen mit der Tagespresse vom selben Tag gelegen habe, also nach Schließen der Klappe eingeworfen worden sei. Eine Störung des Mechanismus sei ihm nicht erinnerlich und wäre selbst bei einem Stromausfall nicht anzunehmen, weil dann der Kontakt zur Klappenschließung nicht ausgelöst worden wäre.

3

II. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG unter Berücksichtigung der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe erfolgreich begründen könnte.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG die hier angestrebte Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und tatsächlich vorliegt. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Klägervorbringen wird deutlich, worin eine grundsätzliche, über den Fall des Klägers hinausgehende allgemeine Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen könnte, die rechtlich noch ungeklärte Fragestellungen aufwirft. Auch eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ist weder zu erkennen noch geltend gemacht.

5

Aus dem Akteninhalt und dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter des Klägers erfolgreich einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend machen kann, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Halbs 2 SGG). Soweit der Kläger als Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens (vgl hierzu zB BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B) rügt, das LSG habe die angebotene Gegenbeweisführung vereitelt, indem es ihm erst 20 Monate nach Eingang des Rechtsmittels der Berufung mitgeteilt habe, dass diese verfristet sei, liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das LSG zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können. Ein entsprechender Beweisantrag liegt nicht vor. Das LSG hat insofern eine Beweiswürdigung vorgenommen, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zugänglich ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Gerichtliche Eingangsstempel erbringen im Übrigen regelmäßig den Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreiben oder eines Schriftsatzes (BGH Beschluss vom 30.10.1997 - VII ZB 19/97 - NJW 1998, 461). Wird die Unrichtigkeit eines gerichtlichen Eingangsstempels nach Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten vorgetragen, muss das Gericht zunächst durch Einholung einer dienstlichen Äußerung der Wachtmeisterei aufklären, ob es im Hinblick auf die Funktionsweise des Nachtbriefkastens oder das bei der Leerung zu beachtende Verfahren einen Fehler gegeben hat (vgl zB BGH Beschluss vom 3.7.2008 - IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501). Diese Überprüfung hat das LSG mit für den Kläger negativem Ergebnis durchgeführt, welches durch die Vernehmung des Zeugen B bestätigt worden ist. Dabei ist in Ausnahmefällen - hier der vorgelagerten Prüfung der Zulässigkeit der Berufung - die Vernehmung von Zeugen im Verfahren der Bewilligung von PKH nach § 118 Abs 2 Satz 3 ZPO möglich.

6

Auch soweit der Kläger als Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 GG) geltend macht, mangels zeitnaher Entscheidung über seinen PKH-Antrag habe das LSG seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 18.8.2010 vereitelt und ihm die Möglichkeit genommen, dem Zeugen Fragen zu stellen, ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter insofern erfolgreich einen Verfahrensfehler im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte. Prüfungsgegenstand bei der Nichtzulassungsbeschwerde ist insofern nicht die Rechtmäßigkeit des Beschlusses über die Ablehnung der PKH, sondern die Frage, ob dem Kläger durch rechtswidrige Vorenthaltung der beantragten PKH eine sachgerechte Prozessführung und insbesondere die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts vom 18.8.2010 verwehrt und dadurch sein in Art 103 Abs 1 GG verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Insofern muss rückschauend beurteilt werden, ob dem Kläger bei zeitgerechter Entscheidung über seinen Antrag PKH zugestanden hätte (BSG Beschluss vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9, RdNr 10). Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg iS des § 114 ZPO ist ua gegeben, wenn das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Umgekehrt kann die Erfolgsaussicht verneint werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfGE 81, 347, 356 ff). Nach diesen Maßstäben war - wegen der Beweiskraft des gerichtlichen Eingangsstempels - im konkreten Fall bereits bei Einlegung der Berufung im November 2008 eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht anzunehmen.

7

Mit der Ablehnung der beantragten PKH entfällt zugleich die Beiordnung von Rechtsanwältin A im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 ZPO).

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Das Protokoll enthält

1.
den Ort und den Tag der Verhandlung;
2.
die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers;
3.
die Bezeichnung des Rechtsstreits;
4.
die Namen der erschienenen Parteien, Nebenintervenienten, Vertreter, Bevollmächtigten, Beistände, Zeugen und Sachverständigen und im Falle des § 128a den Ort, von dem aus sie an der Verhandlung teilnehmen;
5.
die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.

(2) Die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung sind aufzunehmen.

(3) Im Protokoll sind festzustellen

1.
Anerkenntnis, Anspruchsverzicht und Vergleich;
2.
die Anträge;
3.
Geständnis und Erklärung über einen Antrag auf Parteivernehmung sowie sonstige Erklärungen, wenn ihre Feststellung vorgeschrieben ist;
4.
die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien; bei einer wiederholten Vernehmung braucht die Aussage nur insoweit in das Protokoll aufgenommen zu werden, als sie von der früheren abweicht;
5.
das Ergebnis eines Augenscheins;
6.
die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts;
7.
die Verkündung der Entscheidungen;
8.
die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels;
9.
der Verzicht auf Rechtsmittel;
10.
das Ergebnis der Güteverhandlung.

(4) Die Beteiligten können beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Das Gericht kann von der Aufnahme absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar; er ist in das Protokoll aufzunehmen.

(5) Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die dem Protokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, soll sich die mündliche Verhandlung (früher erster Termin oder Haupttermin) unmittelbar anschließen. Andernfalls ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

(2) Im Haupttermin soll der streitigen Verhandlung die Beweisaufnahme unmittelbar folgen.

(3) Im Anschluss an die Beweisaufnahme hat das Gericht erneut den Sach- und Streitstand und, soweit bereits möglich, das Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Parteien zu erörtern.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 307/04
vom
20. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gewährt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. November 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 305.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, weil er nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Wiedereinsetzung innerhalb der zweiwöchigen Frist beantragt und zugleich die Nichtzulassungsbeschwerde begründet hat (§§ 233, 234 ZPO).

II.

2
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht sein Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Deshalb verweist der Senat den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
3
Nach §§ 285 Abs. 1, 279 Abs. 3 ZPO ist über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu verhandeln und der Sach- und Streitstand erneut mit den Parteien zu erörtern. Findet sich im Protokoll kein Hinweis darauf, dass die Parteien zum Beweisergebnis verhandelt haben, steht ein Verstoß gegen §§ 285 Abs. 1, 279 Abs. 3 ZPO fest (§§ 165, 160 Abs. 2 ZPO). Dies ist - schon im Hinblick auf die damit regelmäßig verbundene Verletzung des rechtlichen Gehörs - grundsätzlich als Verfahrensfehler anzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2001 - IV ZR 264/99 - MDR 2001, 830; vom 26. April 1989 - I ZR 220/87 - NJW 1990, 121, 122). Ein solcher Verstoß liegt hier vor. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2004 findet sich kein Hinweis darauf, dass die Parteien nach Anhörung des Gerichtssachverständigen zum Beweisergebnis verhandelt haben.
4
Dieser Verfahrensfehler stellt zugleich eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör dar, weil nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf ihm beruht. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Beweisergebnis hätte nämlich zu einer für ihn günstigeren Entscheidung führen können (vgl. BVerfG NJW 1994, 1210). Der Beschwerdeführer hat mit der Nichtzulassungsbeschwerde und in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 29. Oktober 2004 und vom 5. November 2004 Umstände vorgetragen, die die Ausführungen des Gerichtssachverständigen, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, in Frage stellen, soweit dieses die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Befund verneint hat, der am 23. März 1995 bereits in der Zeit vor 10.20 Uhr ein sofortiges Handeln erforderlich gemacht hätte. Wenn dem Kläger Gelegenheit zu einer Stellungnahme zum Beweisergebnis gegeben worden wäre und er diese Gesichtspunkte vorgetragen hätte, hätte sich das Berufungsgericht damit auseinandersetzen und die Beweisaufnahme ergänzen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass es in diesem Fall unter Berücksichtigung der hierfür geltenden Kriterien (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - VersR 2002, 1026, 1027 f.; vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99 - VersR 2001, 1116, 1117; vom 19. Juni 2001 - VI ZR 286/00 - VersR 2001, 1115, 1116 und vom 29. Mai 2001 - VI ZR 120/00 - VersR 2001, 1030, jeweils m.w.N.) einen etwaigen Behandlungsfehler als grob fehlerhaft bewertet hätte und damit zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Ursächlichkeit des Fehlers für die Behinderung des Klägers gekommen wäre.
5
Das Berufungsgericht wird nach einer Zurückverweisung Gelegenheit haben, auch die im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Einwände des Klägers zu berücksichtigen und in seine Entscheidung einzubeziehen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 28.05.2004 - 4 O 31/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 08.11.2004 - 1 U 51/04 -

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Den Beteiligten ist nach Anordnung des Vorsitzenden entweder eine Abschrift des Protokolls der Beweisaufnahme oder deren Inhalt mitzuteilen.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 77/02
vom
27. Mai 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Eines Wiedereinsetzungsantrags bedarf es nur dann, wenn eine der in § 233 ZPO
genannten Fristen versäumt wurde. Dies muß das Berufungsgericht klären, bevor es
über eine hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheidet.
BGH, Beschluß vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - LG Erfurt
AG Gotha
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2003 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 9. September 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.088,21

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die vom Kläger erhobene Klage durch Urteil vom 22. Mai 2002 abgewiesen. Die Zustellung dieses Urteils an den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers erfolgte mittels Empfangsbekenntnis gemäß § 212a ZPO a.F.. Das zu den Akten zurückgelangte, von dem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Empfangsbekenntnis trägt das aufgestempelte Datum vom 1. Juni 2002; dabei handelte es sich um einen Samstag. Die Berufung des Klägers ist am 2. Juli 2002 beim Landgericht eingegangen und mit einem am 8. Juli 2002 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
Auf den Hinweis des Landgerichts, die Berufungseinlegung dürfte verfristet sein, hat der Kläger vorgetragen, die Berufung sei nicht verfristet und hilfsweise beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das amtsgerichtliche Urteil sei - wie auch in der Berufungsschrift angegeben - am 3. Juni 2002 zugestellt worden. Am Freitag, den 31. Mai 2002 habe eine Angestellte den Poststempel versehentlich auf den 1. Juni 2002 statt auf Montag, den 3. Juni 2002 umgestellt. Der das Empfangsbekenntnis unterzeichnende Rechtsanwalt habe das Versehen am Montag, den 3. Juni 2002, bei Vorlage der Akten mit der eingegangenen Tagespost nicht bemerkt. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Das angefochtene Urteil sei dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 1. Juni 2002 zugestellt worden. Wenn sich der Kläger nunmehr darauf berufe, dieses Datum sei versehentlich aufgestempelt worden, während die Zustellung tatsächlich erst am 3. Juni 2002 erfolgt sei, so vermöge dies den Wiedereinsetzungsantrag nicht hinreichend zu begründen. Die Fristversäumung sei gerade nicht ohne Verschulden im Sinne des § 233 ZPO erfolgt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; NJW-RR 2002, 1004).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht durfte nicht offenlassen, ob das Berufungsurteil dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers wie im Empfangsbekenntnis ausgewiesen bereits am 1. Juni 2002 oder - wie vom Kläger vorgetragen – tatsächlich erst am 3. Juni 2002 zugestellt worden ist. Eines Wiedereinsetzungsantrags bedarf es nur dann, wenn eine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt wurde, hier also die Berufung verspätet eingelegt worden ist. Nur dann wäre über den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden. Der ergangene Beschluß ist demgemäß schon deswegen aufzuheben, weil das Berufungsgericht insoweit keine Beweiswürdigung vorgenommen und keine Feststellungen getroffen hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aus dem Versäumnis des Klägervertreters , das von seiner Angestellten versehentlich aufgestempelte Datum zu überprüfen, sei zu folgern, daß er das zugestellte Urteil mit dem Willen entgegengenommen habe, es als unter dem 1. Juni 2002 zugestellt gegen sich gelten zu lassen, ist bereits im Ansatz verfehlt. Die nach § 212a ZPO a.F. vorzunehmende Zustellung kann erst dann als bewirkt angesehen werden, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet. Zustellungsdatum ist also der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (vgl. Senatsurteil vom 6. November 1984 - VI ZR 2/83 - VersR 1985, 142, 143; BGH, Beschluß vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98 - NJWRR 1998, 1442, 1443 und Urteil vom 28. September 1994 - XII ZR 250/93 - FamRZ 1995, 799). Hierzu hat der Kläger unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen dargelegt, daß die Zustellung tatsächlich erst am 3. Juni 2002 erfolgt sei.
Zwar erbringt das Empfangsbekenntnis grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - VersR 2001, 1262, 1263 und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 448/01 - VersR 2002, 1171; BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 1996 - VII ZB 12/96 - NJW 1996, 2514, 2515 und vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98 - aaO). Der Beweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist jedoch zulässig. An ihn sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Er verlangt, daß die Beweiswirkung des § 212a ZPO a.F. vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; hingegen ist der Beweis des Gegenteils nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - aaO und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 448/01 - VersR 2002, 1171 f.). Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Zustellungsdatums genügen nicht (BVerfG NJW 2001, 1563, 1564). Bei dieser Sachlage hatte das Berufungsgericht zu würdigen, ob der Kläger den Beweis für die Unrichtigkeit des im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums geführt hat mit der Folge, daß in diesem Fall die Berufungsfrist nicht versäumt worden wäre. Diese Prüfung wird das Berufungsgericht nachzuholen und dabei folgendes zu beachten haben: Eidesstattliche Versicherungen können als Beweismittel berücksichtigt werden, da für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Einlegung und in diesem Rahmen um die Entkräftung des aus einem Empfangsbekenntnis ersichtlichen Zustellungsdatums geht - der sogenannte Freibeweis gilt. Ihr Beweiswert, der le-
diglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, wird aber zum Nachweis der Frist- wahrung regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit muß dann auf die Vernehmung der Beweispersonen - etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals - als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - VersR 2000, 1129).
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr