Bundessozialgericht Beschluss, 06. Okt. 2011 - B 9 SB 45/11 B

bei uns veröffentlicht am06.10.2011

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. April 2011 abgeändert.

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. Dezember 2010 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für das Berufungs- und das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage.

2

Nachdem das Sozialgericht Hildesheim (SG) mit Beschluss vom 19.6.2009 die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen hatte, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 1.7.2009 beim beklagten Land, die Gebühren für ihre Tätigkeit im Erinnerungsverfahren auf 124,95 Euro festzusetzen. Dieses teilte daraufhin mit Schreiben vom 4.8.2009 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass es nicht bereit sei, Gebühren für das Erinnerungsverfahren zu erstatten. Das SG habe mit Beschluss vom 19.6.2009 entschieden, dass im Erinnerungsverfahren keine Kostenentscheidung ergehe und insofern auch kein Kostenerstattungsanspruch bestehe. Hiergegen legten die Prozessbevollmächtigten am 13.8.2009 Widerspruch ein.

3

Nachdem der Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 19.8.2009 und 3.12.2009 die Auffassung geäußert hatte, bei dem Schreiben vom 4.8.2009 habe es sich nicht um einen Bescheid, sondern nur um eine Mitteilung gehandelt, sodass der Erlass eines Widerspruchsbescheids nicht in Betracht komme, erhoben die Prozessbevollmächtigten am 11.12.2009 (Untätigkeits-)Klage zum SG mit dem Ziel, den Beklagten zur Bescheidung des Widerspruchs zu verpflichten. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2010 der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den Widerspruch zu bescheiden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) mit Urteil vom 11.4.2011 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die (Untätigkeits-)Klage abgewiesen, weil diese unzulässig sei.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt, die sie mit grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),dem Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG)sowie eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)begründet. Das LSG hätte im Hinblick auf den Gegenstandswert des Verfahrens die Berufung des beklagten Landes als unzulässig verwerfen müssen.

5

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist unter Verstoß gegen Verfahrensrecht ergangen. Das LSG hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen. Der von der Klägerin schlüssig gerügte Verfahrensmangel führt entsprechend § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Abänderung des Urteils des LSG und zur Verwerfung der Berufung des Beklagten.

6

Die Klägerin hat den als Zulassungsgrund geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)formgerecht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG)gerügt. Mit ihrer Rüge, das LSG hätte im Hinblick auf den Gegenstandswert des Verfahrens die Berufung des Beklagten als unzulässig verwerfen müssen, macht die Klägerin sinngemäß geltend, dass statt der Entscheidung in der Sache ein Prozessurteil hätte ergehen müssen. Damit hat sie einen Verfahrensmangel bezeichnet (vgl BSGE 34, 236, 237 = SozR Nr 57 zu § 51 SGG; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 6 RdNr 16; BSG SozR 4-1750 § 174 Nr 1 RdNr 4).

7

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt auch vor, denn das LSG hat zu Unrecht in der Sache entschieden. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 13.12.2010 war nicht zulässig, sie hätte gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG der Zulassung bedurft.

8

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG(in der hier anwendbaren Fassung des Art 1 Nr 24 Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 - BGBl I 444) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt.

9

Verschiedene Senate der Landessozialgerichte (vgl etwa LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 8.11.2007 - L 15 B 174/07 SO NZB - RdNr 2; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 15.9.2009 - L 5 AS 925/09 NZB - RdNr 8; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 22.9.2010 - L 10 AS 886/10 - RdNr 23, 27; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.11.2010 - L 7 SO 2708/10 - RdNr 15) sind zwar der Auffassung, dass die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG nicht für Untätigkeitsklagen gelte, weil mit diesen nur der Erlass eines beantragten, aber bisher nicht ergangenen Verwaltungsakts oder die Bescheidung eines Widerspruchs begehrt werden könne; eine Untätigkeitsklage sei demnach nicht auf eine Geld- oder Sachleistung gerichtet. Diese Auffassung übersieht jedoch, dass der Wortlaut des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG zwei Alternativen enthält, zum einen Klagen, "die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung" betreffen (1. Alt), zum anderen Klagen, die "einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt" betreffen (2. Alt).

10

Von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Alt SGG werden auch Untätigkeitsklagen erfasst, denn diese sind entweder auf die Vornahme eines beantragten, aber ohne zureichenden Grund innerhalb von sechs Monaten nicht erlassenen Verwaltungsakts gerichtet (§ 88 Abs 1 SGG), oder sie haben den Erlass eines Widerspruchsbescheides zum Gegenstand, wenn ohne zureichenden Grund innerhalb von drei Monaten über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist (§ 88 Abs 2 SGG). Betreffen die zu erlassenden Verwaltungsakte Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, die einen Wert von 750 Euro nicht übersteigen, unterliegt auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung.

11

Diese sich aus dem Wortlaut des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Alt SGG ergebende Auslegung wird auch vom Sinn und Zweck der durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl I 50) eingeführten Regelung gestützt. Danach sollen die Berufungsgerichte von vermögensrechtlichen Streitsachen von geringem Wert (sog Bagatellfälle) entlastet werden (vgl BT-Drucks 12/1217, S 52, 71; BT-Drucks 16/7716, S 21; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 16 S 45; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 8 S 40). Die gewählte Klageart ist mithin für die Anwendung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedeutungslos(so bereits Kummer, NZS 1993, 285, 288; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 144 RdNr 8). Entscheidend ist, dass die Berufung einen Rechtsstreit von geringem Wert betrifft. Demnach kann auch eine Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG unterliegen, etwa wenn die Untätigkeit der Verwaltung darin besteht, dass sie über einen geltend gemachten Leistungsanspruch von geringem Wert nicht entscheidet oder einen Widerspruch, der einen sog Bagatellfall betrifft, nicht bescheidet(im Ergebnis ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 5.9.2008 - L 1 KR 13/08 NZB - RdNr 11; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.4.2010 - L 12 AL 5449/09 - Breith 2010, 877, 879 = NZS 2011, 77, 78). So liegt der Fall hier.

12

Die Klägerin hat, nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 4.8.2009 mitgeteilt hatte, es bestehe kein Kostenerstattungsanspruch (in Höhe der von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemachten 124,95 Euro), Widerspruch eingelegt und, nachdem dieser nach Ablauf von drei Monaten nicht beschieden worden war, Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 2 SGG erhoben. Die Berufung des Beklagten gegen den der Untätigkeitsklage stattgebenden Gerichtsbescheid hätte mithin im Hinblick auf den Rechtsmittelstreitwert von 124,95 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG der Zulassung im Gerichtsbescheid des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG bedurft. Eine solche Zulassung liegt nicht vor. Eine Entscheidung über die Zulassung ist weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides zu entnehmen. Das SG hat dem Gerichtsbescheid lediglich die bei zulässiger Berufung übliche Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Diese genügt jedoch nicht den Anforderungen an eine positive Entscheidung über die Zulassung der Berufung (vgl etwa BSGE 5, 92, 95; BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 3 S 13). Das LSG hätte deshalb die Berufung des Beklagten nach § 158 SGG als unzulässig verwerfen müssen. Zugleich hätte es diesen darauf hinweisen können, dass innerhalb der noch offenen Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde(§ 145 SGG) eingelegt werden kann.

13

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit insoweit Gebrauch, als er das in der Sache entscheidende Urteil des LSG abändert. Von einer Zurückverweisung sieht er deshalb ab, weil das LSG - wie ausgeführt - die Berufung nur als unzulässig verwerfen könnte. Unter diesen Umständen kann der Senat die gebotene Entscheidung auch selbst treffen (zum ausnahmsweise zulässigen Durchentscheiden bei unzulässiger Klage: BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 22 f; BSG Beschluss vom 30.11.2006 - B 9a VJ 7/05 B - RdNr 18).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 06. Okt. 2011 - B 9 SB 45/11 B

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
Bundessozialgericht Beschluss, 06. Okt. 2011 - B 9 SB 45/11 B zitiert 12 §§.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

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(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhalten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 88


(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt

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Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entsc

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Mai 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verpflichtet wird, den Widerspruch der Klägerin vom 11. September 2010 zu bescheiden.

Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Beklagte wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Bescheidung eines Widerspruches.
Mit Bescheid vom 13. August 2008 bewilligte der Beklagte der am … 1944 geborenen Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2009 zurück. Im dagegen angestrengten, noch anhängigen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg ( S 4 SO 629/09) macht die Klägerin nach Annahme eines Teilanerkenntnisses hinsichtlich der Nebenkosten für den Kabelanschluss noch die Übernahme der tatsächlichen und nicht der vom Beklagten als angemessen erachteten Grundmiete sowie der vollständigen Betreuungspauschale im Rahmen des betreuten Seniorenwohnens geltend.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11. August 2009 Leistungen der Grundsicherung auch für den Folgezeitraum vom 1. September 2009 bis 31. August 2010. Mit dem am 11. September 2009 per Fax beim Beklagten eingegangenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die vorgenommene Einkommensanrechnung und machte wiederum die Übernahme der Miete und der Betreuungspauschale in vollständiger Höhe geltend. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 verwies der Beklagte gegenüber dem Bevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich der Punkte Miete und Betreuungsentgelt auf das bereits anhängige Klageverfahren; im Falle eines Obsiegens der Klägerin werde der Beklagte auch den nun mit Widerspruch angefochtenen Bescheid aufheben und entsprechend der gerichtlichen Entscheidung korrigieren. Unter Hinweis auf die nicht absehbare Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens bat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24. November 2009 um baldige Entscheidung über den Widerspruch.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 berücksichtigte der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11. August 2009 monatliche Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die Kabelanschlussgebühren von EUR 5.-. Ein Widerspruchsbescheid erging nicht.
Am 30. Dezember 2009 hat die Klägerin Untätigkeitsklage beim SG erhoben, auf die das SG den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2010 verurteilte, den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11. August 2009 innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung zu bescheiden.
Am 7. Juni 2010 hat der Beklagte hiergegen Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zu deren Begründung ausgeführt, entgegen der noch im sozialgerichtlichen Verfahren vertretenen Auffassung sei der Bewilligungsbescheid über den Folgezeitraum zwar nicht kraft Gesetzes Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens geworden. Die Untätigkeitsklage sei bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da der Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 die Korrektur auch des Bescheides vom 11. August 2009 im Falle eines Obsiegens der Klägerin im Verfahren S 4 SO 629/09 verbindlich zugesichert worden sei. Die Bescheidung des Widerspruches vom 11. September 2009 erbrächte der Klägerin mithin keinerlei eigenen Vorteil; die Gebühreninteressen ihres Bevollmächtigten könnten nicht als eigene Interessen der Klägerin gewertet werden. Andererseits werde er durch die Vermehrung von Gerichtsverfahren, denen im Kern derselbe Streitpunkt zugrunde liege, einer vielfachen Kostenbelastung ausgesetzt. Dieser könne er nicht ausweichen, weil der Gesetzgeber den Grundsicherungsträger zwinge, Leistungen jeweils (nur) auf ein Jahr zu bewilligen, so dass eigenständige Gerichtsverfahren über Folgezeiträume bei konsequentem Festhalten an der jeweiligen Rechtsauffassung unvermeidlich seien. Schließlich könne die Klägerin ihre Interessen auch in einem Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) wahren, weshalb sowohl der Klage als auch bereits dem Widerspruch das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Mai 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und hat ergänzend ausgeführt, der Beklagte könne auch durch eine Zusicherung nach § 34 SGB X nicht ihr Widerspruchsrecht ausschließen. Ein gerichtliches Verfahren könne sich über Jahre hinziehen, ohne dass sichergestellt werden kann, dass die gerichtliche Entscheidung tatsächlich präjudiziell für den Folgezeitraum werde, der Änderungen unterliegen könne, z.B. hinsichtlich einer neuen Mietobergrenze.
12 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats, des SG und des Beklagten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, insbesondere auch statthaft. Sie unterliegt nicht der Beschwerdewert bezogenen Zulässigkeitsbegrenzung des § 144 Abs. 1 SGG.
15 
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nach Abs. 1 Satz 2 nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen die der Untätigkeitsklage der Klägerin stattgebende Entscheidung des SG, in dem dieser zum Erlass eines Widerspruchsbescheides verpflichtet worden war. Wie sich aus dem Wortlaut des § 131 Abs. 3 SGG ergibt, ist Gegenstand der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nur die Bescheidung des Antrags (§ 88 Abs. 1 SGG) bzw. des Widerspruches (Abs. 2), also die Erteilung eines Bescheides, nicht der materielle (Leistungs-)Anspruch, auf den sich der Antrag oder Widerspruch bezieht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts , vgl. SozR 3-1500 § 88 Nr. 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 88 Rdnr. 2; Hk-SGG, 3. Aufl., § 88 Rdnr. 4). Eine unmittelbare Klage auf Leistung oder den Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt ist im Gegensatz zu den Parallelvorschriften des § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung oder des § 46 der Finanzgerichtsordnung ausgeschlossen. Im Rahmen des § 144 Abs. 1 SGG kann somit nicht auf den materiellen Anspruch abgestellt werden, da dieser nicht Streitgegenstand der Untätigkeitsklage ist (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. November 2007 - L 15 B 174/07 SO NZB - ; a.A. LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 2010, 877). Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass auf diese Weise gegen die Wertung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG Bagatellstreitigkeiten an das Berufungsgericht gelangen. Denn § 88 SGG geht über den Schutz eines materiellen Anspruches hinaus, sichert den Bürger davor, durch bloßes Untätigbleiben der Verwaltung in seinen Rechten verletzt zu werden und eröffnet auf diese Weise erst dessen Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung (ggf. allein durch ein erstinstanzliches Gericht). Schutzgut des § 88 SGG ist somit auch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Der Erlass eines Verwaltungsaktes ist auch nicht als „Dienstleistung“ i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG anzusehen. Bereits der Wortlaut (Klage, die eine … Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft“) zeigt, dass der Erlass eines Verwaltungsakts gerade nicht die Dienstleistung selbst darstellt. Nicht dieser Beschränkung der Berufung unterfallen, wie bereits nach dem bis zum 31. März 2008 geltenden Recht, Dienstleistungen, die in keiner Hinsicht unter einen Sachleistungsbegriff fallen können, wie gerade der Erlass eines Widerspruchsbescheides im Rahmen des § 88 Abs. 2 SGG. Die Erweiterung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG um den Begriff der Dienstleistung durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zum 1. April 2008 sollte nach gesetzgeberischer Wertung nur klarstellen, dass solche Leistungen bereits nach altem Recht von der Ratio der Norm erfasst seien (BT-Drucks. 16/7716 S. 21 zu Nr. 24). Somit geben die Materialien zur Neuregelung keinen Anhalt zur Annahme, dass nunmehr auch solches nicht als Sachleistung im weiteren Sinne zu verstehendes Verwaltungshandeln der Beschränkung unterworfen werden sollte (wie hier Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 9b; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 144 Rdnr. 10). Ohnehin ist das Schutzgut „Sicherung des Rechtswegs“ nicht wirtschaftlich bewertbar.
16 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht zur Bescheidung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 11. August 2009 verpflichtet. Nach § 88 Abs. 1 SGG ist die Klage, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Das Gleiche gilt nach Abs. 2, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.
17 
Über den am 11. September 2009 gegen den Bescheid vom 11. August 2009 eingelegten Widerspruch hat der Beklagte bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht entschieden. Die dreimonatige Frist des § 88 Abs. 2 SGG ist somit längst verstrichen. Im Übrigen hat der Beklagte den Erlass eines Widerspruchsbescheides ausdrücklich abgelehnt, so dass die Erhebung der Untätigkeitsklage schon vor Ablauf dieser Frist zulässig gewesen wäre. Zutreffend ist das SG im Übrigen davon ausgegangen, dass der Bewilligungsbescheid vom 11. August 2009 über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vom 1. September 2009 bis 31. August 2010 nicht nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens S 4 SO 629/09 geworden ist, das den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2008 bis 31. August 2009 zum Gegenstand hat. Auch wenn „im Kern“ in beiden Bewilligungszeiträumen derselbe Punkt streitig ist, findet § 96 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume keine Anwendung (so schon BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 zur Grundsicherung für Arbeitsuchende). Durch die Neuregelung des § 96 Abs. 1 SGG zum 1. April 2008 ist einer erweiterten Anwendung des § 96 SGG nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen ohnehin die Grundlage entzogen (BT-Drucks. 16/7716 S. 22 zu Nr. 16). Auch der Beklagte hat an seiner abweichenden Auffassung nicht mehr festgehalten. Im Übrigen hätte auch dies den Beklagten nicht berechtigt, den Widerspruch nicht zu bescheiden; vielmehr hätte er ihn, wenn die Klägerin daran festgehalten hätte, als unzulässig verwerfen müssen.
18 
Entgegen der Ansicht des Beklagten fehlt der erhobenen Untätigkeitsklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zutreffend weist er zunächst darauf hin, dass der durch § 88 SGG abgesicherte Bescheidungsanspruch kein Selbstzweck ist. Vielmehr dient er letztlich dem Schutz des Klägers davor, durch die Untätigkeit der Verwaltung gerade in seinen materiellen Rechten verletzt zu werden. Auch wenn der materiell-rechtliche Anspruch nicht Gegenstand der Untätigkeitsklage ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf sachliche Bescheidung, wenn der beantragte Bescheid keinerlei materiell-rechtliche Wirkung für ihn haben kann (vgl. Hk-SGG, a.a.O., § 88 Rdnr. 3). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Frage, ob eine Betroffenheit und Verletzung in einem materiellen Recht vorliegt, gerade der gerichtlichen Beurteilung unterliegen muss, die die entsprechenden Verwaltungsakte darauf überprüft. Der betroffene Bürger hat daher zunächst einen grundsätzlichen Anspruch auf Bescheiderteilung, um diese gerichtliche Kontrolle zu eröffnen. Diesen Anspruch sichert die Untätigkeitsklage. Einer solchen kann daher nur dann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch offensichtlich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet und die Erhebung der Untätigkeitsklage sich lediglich als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ohne eigenen Nutzen und zum Schaden für den anderen Beteiligten darstellt (Gedanke des Rechtsmissbrauchs; LSG Bremen, Beschluss vom 3. Juli 1996 - L 4 BR 39/95 - ; LSG Niedersachsen NZS 98, 448; Leitherer a.a.O., § 88 Rdnr. 4a; offengelassen BSG SozR 4-1500 § 88 Nr. 1).
19 
Eine solche Konstellation liegt aber im Falle der Klägerin nicht vor. Der hinter dem Bescheidungsgehren stehende materielle Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft, insbesondere auch unter Berücksichtigung der vertraglich geschuldeten Betreuungspauschale, ist bereits aufgrund des Wortlauts des § 29 SGB XII nicht ausgeschlossen; die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Klägerin steht ohnehin nicht in Zweifel. Dem Begehren auf Erteilung gerade auch des ausstehenden Widerspruchsbescheides kann der Beklagte nicht entgegenhalten, ein Bedürfnis für diesen bestehe nicht, weil er der Klägerin zugesichert habe, bei Erfolg im gerichtlichen Verfahren über den vorangegangen Bewilligungszeitraum die Leistungen auch für den vom angefochtenen Bewilligungsbescheid erfassten Zeitraum entsprechend der gerichtlichen Entscheidung zu bewilligen. Der Klägerin ist durch die Einlegung des Widerspruches ein Anspruch auf Bescheidung entstanden. Das Gesetz sieht weder im SGG noch im SGB X eine Befugnis der Verwaltung vor, ein Widerspruchsverfahren von sich aus auszusetzen oder ohne Einverständnis des Widerspruchsführers ruhen zu lassen und ihm auf diese Weise die Möglichkeit zu nehmen, eine unmittelbare Klärung durch ein Gericht herbeizuführen. Diese Möglichkeit ist auch dann nicht vorgesehen, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in dem es „im Kern“ um dieselben Streitpunkte geht. Vielmehr regelt § 9 Satz 2 SGB X die Vorgabe u.a. einer „zügigen“ Durchführung des Verwaltungsverfahrens, was nach § 62 SGB X auch für das Widerspruchsverfahren gilt. Lediglich in sog. Massenverfahren im Rahmen des § 85 Abs. 4 SGG spricht das Gesetz die Möglichkeit ausdrücklich an, einen Widerspruch ruhend zu stellen. Auch dort findet sich aber keinerlei Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Berechtigung der Widerspruchsbehörde annimmt, ein solches Ruhen einseitig und ohne Einverständnis des Widerspruchsführers anzuordnen (vgl. Hk-SGG, a.a.O., § 85 Rdnr. 22).
20 
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann nicht angenommen werden, hinter dem Bescheidungsbegehren der Klägerin stünden keine eigenen Interessen. Die Erteilung des Widerspruchsbescheides ermöglicht ihr die unmittelbare gerichtliche Klärung auch für den Folgezeitraum. Es kann zwar im Interesse der Klägerin - und des Beklagten - liegen, weitere gerichtliche Verfahren zu vermeiden und den Streit in einem Verfahren - quasi musterhaft - klären zu lassen. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass ein abweichendes Verhalten rechtsmissbräuchlich wäre. Die Klägerin muss sich nicht mit der „Zusicherung“ der Übernahme des Verfahrensergebnisses durch den Beklagten zufrieden geben, wie auch das Abwarten eines Musterverfahrens allgemein nicht als sachlicher Grund für die Nichtbescheidung angesehen wird (vgl. Leitherer, a.a.O., Rdnr. 7b). Sucht die Klägerin die unmittelbare gerichtliche Klärung auch des Folgezeitraums, wozu sie den Widerspruchsbescheid als Sachurteilsvoraussetzung benötigt, kann sie Auslegungsschwierigkeiten bei der Übertragung des gerichtlichen Urteils auf den Folgezeitraum vermeiden oder Änderungen unmittelbar - und damit - zeitnah geltend machen. Dabei geht sie selbst auch das Risiko ein, in mehreren gerichtlichen Verfahren zu unterliegen und ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu müssen. Da der Beklagte im vorliegenden Fall im Übrigen u.a. auch die Notwendigkeit der Unterkunft mit Betreuungsangebot aus gesundheitlichen Gründen verneint, ist es nicht fern liegend, dass eine von der Klägerin ggf. angenommene Veränderung im Gesundheitszustand eine wesentliche Abweichung von einem Bewilligungszeitraum zum anderen darstellt, die der Beklagte unter Umständen bei der Übertragung des Verfahrensergebnisses nicht anerkennt. Das Interesse des Beklagten, Verfahrensgebühren zu vermeiden, kann nicht zur Bewertung des klägerischen Begehrens als rechtsmissbräuchlich führen. Ohnehin ist der Grundsicherungsträger selbst gem. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X von der Pauschgebühr nach § 184 SGG befreit.
21 
Fehl geht schließlich auch die Annahme des Beklagten, die „Zusicherung“ der späteren Anpassung würde sogar das Rechtsschutzbedürfnis für den Widerspruch entfallen lassen. Dieser ist aus Sicht der Klägerin schon unabdingbar notwendig, um die Bestandskraft des Bescheides zu verhindern. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Klägerin habe über § 44 SGB X die Möglichkeit einer Korrektur auch bestandskräftiger Entscheidungen. Ein solcher Vorrang des § 44 SGB X gegenüber dem Rechtsbehelf gegen die Ausgangsentscheidung widerspricht dem gesamten Rechtsschutzsystem. Im Übrigen wäre der Beklagte auch dann zur Bescheidung verpflichtet, nämlich der Verwerfung als unzulässig.
22 
Da für das Unterbleiben der Widerspruchsentscheidung auch kein sachlicher Grund vorliegt, konnte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben. Da die vom SG gesetzte Frist zur Bescheidung bereits verstrichen ist und §§ 88, 131 Abs. 2 SGG die Möglichkeit einer Fristsetzung bei Verurteilung zur Bescheiderteilung nicht vorsehen, war der Tenor entsprechend neu zu fassen.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
24 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Zwar ist angesichts der divergierenden obergerichtlichen Entscheidungen die Frage der Zulässigkeit der Berufung bei Untätigkeitsklagen nicht geklärt. Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich, da die Berufung im Falle ihrer Unzulässigkeit ohnehin keinen Erfolg hätte.

Gründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, insbesondere auch statthaft. Sie unterliegt nicht der Beschwerdewert bezogenen Zulässigkeitsbegrenzung des § 144 Abs. 1 SGG.
15 
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nach Abs. 1 Satz 2 nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen die der Untätigkeitsklage der Klägerin stattgebende Entscheidung des SG, in dem dieser zum Erlass eines Widerspruchsbescheides verpflichtet worden war. Wie sich aus dem Wortlaut des § 131 Abs. 3 SGG ergibt, ist Gegenstand der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nur die Bescheidung des Antrags (§ 88 Abs. 1 SGG) bzw. des Widerspruches (Abs. 2), also die Erteilung eines Bescheides, nicht der materielle (Leistungs-)Anspruch, auf den sich der Antrag oder Widerspruch bezieht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts , vgl. SozR 3-1500 § 88 Nr. 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 88 Rdnr. 2; Hk-SGG, 3. Aufl., § 88 Rdnr. 4). Eine unmittelbare Klage auf Leistung oder den Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt ist im Gegensatz zu den Parallelvorschriften des § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung oder des § 46 der Finanzgerichtsordnung ausgeschlossen. Im Rahmen des § 144 Abs. 1 SGG kann somit nicht auf den materiellen Anspruch abgestellt werden, da dieser nicht Streitgegenstand der Untätigkeitsklage ist (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. November 2007 - L 15 B 174/07 SO NZB - ; a.A. LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 2010, 877). Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass auf diese Weise gegen die Wertung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG Bagatellstreitigkeiten an das Berufungsgericht gelangen. Denn § 88 SGG geht über den Schutz eines materiellen Anspruches hinaus, sichert den Bürger davor, durch bloßes Untätigbleiben der Verwaltung in seinen Rechten verletzt zu werden und eröffnet auf diese Weise erst dessen Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung (ggf. allein durch ein erstinstanzliches Gericht). Schutzgut des § 88 SGG ist somit auch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Der Erlass eines Verwaltungsaktes ist auch nicht als „Dienstleistung“ i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG anzusehen. Bereits der Wortlaut (Klage, die eine … Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft“) zeigt, dass der Erlass eines Verwaltungsakts gerade nicht die Dienstleistung selbst darstellt. Nicht dieser Beschränkung der Berufung unterfallen, wie bereits nach dem bis zum 31. März 2008 geltenden Recht, Dienstleistungen, die in keiner Hinsicht unter einen Sachleistungsbegriff fallen können, wie gerade der Erlass eines Widerspruchsbescheides im Rahmen des § 88 Abs. 2 SGG. Die Erweiterung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG um den Begriff der Dienstleistung durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zum 1. April 2008 sollte nach gesetzgeberischer Wertung nur klarstellen, dass solche Leistungen bereits nach altem Recht von der Ratio der Norm erfasst seien (BT-Drucks. 16/7716 S. 21 zu Nr. 24). Somit geben die Materialien zur Neuregelung keinen Anhalt zur Annahme, dass nunmehr auch solches nicht als Sachleistung im weiteren Sinne zu verstehendes Verwaltungshandeln der Beschränkung unterworfen werden sollte (wie hier Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 9b; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 144 Rdnr. 10). Ohnehin ist das Schutzgut „Sicherung des Rechtswegs“ nicht wirtschaftlich bewertbar.
16 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht zur Bescheidung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 11. August 2009 verpflichtet. Nach § 88 Abs. 1 SGG ist die Klage, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Das Gleiche gilt nach Abs. 2, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.
17 
Über den am 11. September 2009 gegen den Bescheid vom 11. August 2009 eingelegten Widerspruch hat der Beklagte bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht entschieden. Die dreimonatige Frist des § 88 Abs. 2 SGG ist somit längst verstrichen. Im Übrigen hat der Beklagte den Erlass eines Widerspruchsbescheides ausdrücklich abgelehnt, so dass die Erhebung der Untätigkeitsklage schon vor Ablauf dieser Frist zulässig gewesen wäre. Zutreffend ist das SG im Übrigen davon ausgegangen, dass der Bewilligungsbescheid vom 11. August 2009 über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vom 1. September 2009 bis 31. August 2010 nicht nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens S 4 SO 629/09 geworden ist, das den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2008 bis 31. August 2009 zum Gegenstand hat. Auch wenn „im Kern“ in beiden Bewilligungszeiträumen derselbe Punkt streitig ist, findet § 96 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume keine Anwendung (so schon BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 zur Grundsicherung für Arbeitsuchende). Durch die Neuregelung des § 96 Abs. 1 SGG zum 1. April 2008 ist einer erweiterten Anwendung des § 96 SGG nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen ohnehin die Grundlage entzogen (BT-Drucks. 16/7716 S. 22 zu Nr. 16). Auch der Beklagte hat an seiner abweichenden Auffassung nicht mehr festgehalten. Im Übrigen hätte auch dies den Beklagten nicht berechtigt, den Widerspruch nicht zu bescheiden; vielmehr hätte er ihn, wenn die Klägerin daran festgehalten hätte, als unzulässig verwerfen müssen.
18 
Entgegen der Ansicht des Beklagten fehlt der erhobenen Untätigkeitsklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zutreffend weist er zunächst darauf hin, dass der durch § 88 SGG abgesicherte Bescheidungsanspruch kein Selbstzweck ist. Vielmehr dient er letztlich dem Schutz des Klägers davor, durch die Untätigkeit der Verwaltung gerade in seinen materiellen Rechten verletzt zu werden. Auch wenn der materiell-rechtliche Anspruch nicht Gegenstand der Untätigkeitsklage ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf sachliche Bescheidung, wenn der beantragte Bescheid keinerlei materiell-rechtliche Wirkung für ihn haben kann (vgl. Hk-SGG, a.a.O., § 88 Rdnr. 3). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Frage, ob eine Betroffenheit und Verletzung in einem materiellen Recht vorliegt, gerade der gerichtlichen Beurteilung unterliegen muss, die die entsprechenden Verwaltungsakte darauf überprüft. Der betroffene Bürger hat daher zunächst einen grundsätzlichen Anspruch auf Bescheiderteilung, um diese gerichtliche Kontrolle zu eröffnen. Diesen Anspruch sichert die Untätigkeitsklage. Einer solchen kann daher nur dann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch offensichtlich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet und die Erhebung der Untätigkeitsklage sich lediglich als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ohne eigenen Nutzen und zum Schaden für den anderen Beteiligten darstellt (Gedanke des Rechtsmissbrauchs; LSG Bremen, Beschluss vom 3. Juli 1996 - L 4 BR 39/95 - ; LSG Niedersachsen NZS 98, 448; Leitherer a.a.O., § 88 Rdnr. 4a; offengelassen BSG SozR 4-1500 § 88 Nr. 1).
19 
Eine solche Konstellation liegt aber im Falle der Klägerin nicht vor. Der hinter dem Bescheidungsgehren stehende materielle Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft, insbesondere auch unter Berücksichtigung der vertraglich geschuldeten Betreuungspauschale, ist bereits aufgrund des Wortlauts des § 29 SGB XII nicht ausgeschlossen; die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Klägerin steht ohnehin nicht in Zweifel. Dem Begehren auf Erteilung gerade auch des ausstehenden Widerspruchsbescheides kann der Beklagte nicht entgegenhalten, ein Bedürfnis für diesen bestehe nicht, weil er der Klägerin zugesichert habe, bei Erfolg im gerichtlichen Verfahren über den vorangegangen Bewilligungszeitraum die Leistungen auch für den vom angefochtenen Bewilligungsbescheid erfassten Zeitraum entsprechend der gerichtlichen Entscheidung zu bewilligen. Der Klägerin ist durch die Einlegung des Widerspruches ein Anspruch auf Bescheidung entstanden. Das Gesetz sieht weder im SGG noch im SGB X eine Befugnis der Verwaltung vor, ein Widerspruchsverfahren von sich aus auszusetzen oder ohne Einverständnis des Widerspruchsführers ruhen zu lassen und ihm auf diese Weise die Möglichkeit zu nehmen, eine unmittelbare Klärung durch ein Gericht herbeizuführen. Diese Möglichkeit ist auch dann nicht vorgesehen, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in dem es „im Kern“ um dieselben Streitpunkte geht. Vielmehr regelt § 9 Satz 2 SGB X die Vorgabe u.a. einer „zügigen“ Durchführung des Verwaltungsverfahrens, was nach § 62 SGB X auch für das Widerspruchsverfahren gilt. Lediglich in sog. Massenverfahren im Rahmen des § 85 Abs. 4 SGG spricht das Gesetz die Möglichkeit ausdrücklich an, einen Widerspruch ruhend zu stellen. Auch dort findet sich aber keinerlei Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Berechtigung der Widerspruchsbehörde annimmt, ein solches Ruhen einseitig und ohne Einverständnis des Widerspruchsführers anzuordnen (vgl. Hk-SGG, a.a.O., § 85 Rdnr. 22).
20 
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann nicht angenommen werden, hinter dem Bescheidungsbegehren der Klägerin stünden keine eigenen Interessen. Die Erteilung des Widerspruchsbescheides ermöglicht ihr die unmittelbare gerichtliche Klärung auch für den Folgezeitraum. Es kann zwar im Interesse der Klägerin - und des Beklagten - liegen, weitere gerichtliche Verfahren zu vermeiden und den Streit in einem Verfahren - quasi musterhaft - klären zu lassen. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass ein abweichendes Verhalten rechtsmissbräuchlich wäre. Die Klägerin muss sich nicht mit der „Zusicherung“ der Übernahme des Verfahrensergebnisses durch den Beklagten zufrieden geben, wie auch das Abwarten eines Musterverfahrens allgemein nicht als sachlicher Grund für die Nichtbescheidung angesehen wird (vgl. Leitherer, a.a.O., Rdnr. 7b). Sucht die Klägerin die unmittelbare gerichtliche Klärung auch des Folgezeitraums, wozu sie den Widerspruchsbescheid als Sachurteilsvoraussetzung benötigt, kann sie Auslegungsschwierigkeiten bei der Übertragung des gerichtlichen Urteils auf den Folgezeitraum vermeiden oder Änderungen unmittelbar - und damit - zeitnah geltend machen. Dabei geht sie selbst auch das Risiko ein, in mehreren gerichtlichen Verfahren zu unterliegen und ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu müssen. Da der Beklagte im vorliegenden Fall im Übrigen u.a. auch die Notwendigkeit der Unterkunft mit Betreuungsangebot aus gesundheitlichen Gründen verneint, ist es nicht fern liegend, dass eine von der Klägerin ggf. angenommene Veränderung im Gesundheitszustand eine wesentliche Abweichung von einem Bewilligungszeitraum zum anderen darstellt, die der Beklagte unter Umständen bei der Übertragung des Verfahrensergebnisses nicht anerkennt. Das Interesse des Beklagten, Verfahrensgebühren zu vermeiden, kann nicht zur Bewertung des klägerischen Begehrens als rechtsmissbräuchlich führen. Ohnehin ist der Grundsicherungsträger selbst gem. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X von der Pauschgebühr nach § 184 SGG befreit.
21 
Fehl geht schließlich auch die Annahme des Beklagten, die „Zusicherung“ der späteren Anpassung würde sogar das Rechtsschutzbedürfnis für den Widerspruch entfallen lassen. Dieser ist aus Sicht der Klägerin schon unabdingbar notwendig, um die Bestandskraft des Bescheides zu verhindern. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Klägerin habe über § 44 SGB X die Möglichkeit einer Korrektur auch bestandskräftiger Entscheidungen. Ein solcher Vorrang des § 44 SGB X gegenüber dem Rechtsbehelf gegen die Ausgangsentscheidung widerspricht dem gesamten Rechtsschutzsystem. Im Übrigen wäre der Beklagte auch dann zur Bescheidung verpflichtet, nämlich der Verwerfung als unzulässig.
22 
Da für das Unterbleiben der Widerspruchsentscheidung auch kein sachlicher Grund vorliegt, konnte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben. Da die vom SG gesetzte Frist zur Bescheidung bereits verstrichen ist und §§ 88, 131 Abs. 2 SGG die Möglichkeit einer Fristsetzung bei Verurteilung zur Bescheiderteilung nicht vorsehen, war der Tenor entsprechend neu zu fassen.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
24 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Zwar ist angesichts der divergierenden obergerichtlichen Entscheidungen die Frage der Zulässigkeit der Berufung bei Untätigkeitsklagen nicht geklärt. Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich, da die Berufung im Falle ihrer Unzulässigkeit ohnehin keinen Erfolg hätte.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.