Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 16. Jan. 2017 - 1 BvR 1593/16

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170116.1bvr159316
bei uns veröffentlicht am16.01.2017

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 8. Juni 2016 - 5 OLG 13 Ss 210/16 - und das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 16. Februar 2016 - 3 Ns 13 Js 11454/15 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Ingolstadt zurückverwiesen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Der Beschwerdeführer bestellte bei einem Versandhandel einen Aufnäher mit den Buchstaben A.C.A.B. sowie zwei Aufnäher mit den Zahlen 13 und 12 und befestigte diese auf einer Weste links vorne auf der Brustseite; den Aufnäher A.C.A.B. mittig, die beiden Zahlenaufnäher darunter. Im März 2015 besuchte er mit dieser Weste ein Fußballspiel der zweiten Bundesliga. Bei der Einlasskontrolle wurden die Ordner durch eine Abteilung der Bereitschaftspolizei unterstützt. Als einer der Polizeibeamten den Aufnäher A.C.A.B. sah, veranlasste er die Kontrolle und Durchsuchung des Beschwerdeführers durch eine Kollegin und zwei Kollegen, die den Aufnäher ebenfalls wahrnahmen.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80 €.

4

3. Das Landgericht verwarf die Berufungen des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft mit der Maßgabe, dass der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer habe sich wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht. Der Schriftzug A.C.A.B. - im Übrigen auch der Schriftzug 1312, der in Zahlen für die gleichen Buchstaben stehe - sei als "all cops are bastards", übersetzt "Alle Polizisten sind Bastarde", zu verstehen. Der Beschwerdeführer habe diese Äußerung durch das Tragen der Weste mit deutlich sichtbarem Schriftzug gegenüber den Geschädigten kundgetan. Die vier Geschädigten seien als Personengemeinschaft unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt worden. Die herabsetzende Äußerung habe sich an die Polizeibeamten gerichtet, die als solche an dem konkreten Einsatz - der Kontrolle des Eingangs - teilgenommen hätten. Damit hebe sich diese Gruppierung deutlich von der Allgemeinheit heraus und sei von überschaubarer Anzahl. Die Kammer sei überzeugt, dass der Beschwerdeführer in Kenntnis der Bedeutung des Schriftzugs die Weste getragen habe und sich bewusst gewesen sei, beim Besuch des Fußballspiels auf Polizeibeamte zu treffen, die zur Kontrolle abgestellt seien und sich somit die Äußerung an diese Polizeibeamten richten solle. Die Kammer habe nicht übersehen, dass eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung nicht allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln sei, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeinen Gattung bezeichneten Personenkreises bildet. Hier sei es aber so, dass sich der Beschwerdeführer vorsätzlich in eine Situation begeben habe, in der er damit rechnen müsse, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Insofern sei die personalisierende Zuordnung gewahrt. Es könne nicht gefordert werden, dass man die Polizeibeamten namentlich kenne, die man beleidigen wolle.

5

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers und verwies zur Begründung auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, in der ausgeführt wird, dass eine "personalisierende Zuordnung" deshalb vorliege, da der Beschwerdeführer beim Besuch des Fußballspiels der zweiten Bundesliga ohne Zweifel damit habe rechnen müssen, auf eine größere Anzahl von konkret bestimmbaren Polizeibeamten zu treffen.

6

5. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

7

6. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

9

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung von dieses Grundrecht beschränkenden Strafvorschriften (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 82, 43 <50 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

10

2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

11

a) Die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers greift in die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Das Tragen der Weste mit den Buchstaben "ACAB" fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266 <289>). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).

12

Die Gerichte sind davon ausgegangen, dass der Aufdruck "ACAB" für die englische Parole "all cops are bastards" steht. Da diese Auflösung der Buchstabenfolge sowohl bei der Polizei als auch bei den Äußernden allgemein bekannt ist, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Verwendung der Buchstabenfolge der Äußerung der Aussage gleichgestellt wird. Ob dies auch für die Verwendung der Zahlenfolge 13 12 gilt, kann offen blieben. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Parole ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 2015 - 1 BvR 1036/14 -, NJW 2015, S. 2022, und vom 17. Mai 2016 - 1 BvR 257/14 -, juris).

13

b) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre ergeben. § 185 StGB ist als allgemeines Gesetz geeignet, der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>).

14

c) Der in der Verurteilung liegende Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung nicht gewahrt sind.

15

Die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Gesetze, die in die Meinungsfreiheit eingreifen, müssen jedoch so interpretiert werden, dass der prinzipielle Gehalt dieses Rechts in jedem Fall gewahrt bleibt. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 93, 266 <292>; 124, 300 <342>; stRspr).

16

Die Meinungsfreiheit findet in den allgemeinen Gesetzen und der durch diese geschützten Rechte Dritter ihre Grenze. Dies ist der Fall, wenn eine Meinungsäußerung die Betroffenen ungerechtfertigt in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der durch sie geschützten persönlichen Ehre verletzt. Dabei kann eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein (vgl. BVerfGE 93, 266 <299>). Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93, 266 <301 f.>). Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE 93, 266 <302 f.>).

17

Diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe haben die Gerichte durch die Annahme einer hinreichenden Individualisierung des negativen Werturteils verkannt. Sie kommen in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise zu dem Ergebnis, dass sich die hier in Rede stehende Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Hierfür reicht es nicht, dass die im Stadion eingesetzten Polizeikräfte eine Teilgruppe aller Polizistinnen und Polizisten sind. Vielmehr bedarf es einer personalisierten Zuordnung. Worin diese liegen soll, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Für eine Konkretisierung ist nicht erforderlich, dass die eingesetzten Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen dem Beschwerdeführer namentlich bekannt sind. Es genügt aber nicht, dass der Beschwerdeführer das Fußballspiel in dem Bewusstsein, dass Einsatzkräfte der Polizei anwesend sein würden, besuchte. Es fehlen Feststellungen dazu, dass sich der Beschwerdeführer bewusst in die Nähe der Einsatzkräfte der Polizei begeben hat, um diese mit seiner Parole zu konfrontieren. Der bloße Aufenthalt im Stadion im Bewusstsein, dass die Polizei präsent ist, genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine erkennbare Konkretisierung der Äußerung auf bestimmte Personen nicht. Es ist hieraus nicht ersichtlich, dass die Äußerung sich individualisiert gegen bestimmte Beamte richtet.

18

d) Die angegriffene Entscheidung beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

19

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 16. Jan. 2017 - 1 BvR 1593/16

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Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb
Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 16. Jan. 2017 - 1 BvR 1593/16 zitiert 6 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 16. Jan. 2017 - 1 BvR 1593/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Mai 2016 - 1 BvR 257/14

bei uns veröffentlicht am 17.05.2016

Tenor 1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 18. Dezember 2013 - 4 OLG 13 Ss 571/13 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 26. Feb. 2015 - 1 BvR 1036/14

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tenor 1. Das Urteil des Amtsgerichts Bückeburg vom 7. November 2013 - 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) -, soweit die Beschwerdeführerin wegen Beleidigung verurteilt ist, und der Beschluss des Oberlande

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Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Bückeburg vom 7. November 2013 - 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) -, soweit die Beschwerdeführerin wegen Beleidigung verurteilt ist, und der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 11. März 2014 - 31 Ss 14/14 -, soweit die Revision der Beschwerdeführerin gegen den Schuldspruch wegen Beleidigung verworfen wird, verletzen die Beschwerdeführerin jeweils in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Beleidigung und der gemäß § 15 Jugendgerichtsgesetz verhängten Auflage aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Bückeburg zurückverwiesen.

3. Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung.

2

1. Im Juli 2013 wurde die Beschwerdeführerin von einer Polizeistreife in ihrem Wohnort angetroffen, als sie einen Anstecker trug, der mit der Buchstabenkombination "FCK CPS" beschriftet war. Sie war auf Aufforderung nicht bereit, ihn abzunehmen. Auf diesen Vorgang beziehen sich Verurteilung und Verfassungsbeschwerde.

3

Einige Wochen zuvor war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, bei dem die Beschwerdeführerin ein T-Shirt mit der genannten Buchstabenfolge getragen hatte und anlässlich dessen die kontrollierenden Polizeibeamten geäußert hatten, das Tragen dieses Schriftzugs stelle eine Beleidigung dar, die in Zukunft nicht mehr toleriert werde.

4

2. Mit angegriffenem Urteil verurteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - die Beschwerdeführerin aufgrund dieser hinsichtlich der äußeren Vorgänge unstreitigen Feststellungen zum Sachverhalt wegen Beleidigung und gab ihr unter Einbeziehung einer hier nicht angegriffenen tatmehrheitlichen weiteren Verurteilung die Erbringung von 15 Stunden gemeinnütziger Arbeit auf. Das Gericht begründete die Verurteilung damit, dass "FCK CPS" als Abkürzung für "Fuck Cops" stehe, was mittlerweile einem großen Personenkreis bekannt sei. Diese Äußerung sei eine Kundgabe der Missachtung, weil sie den sozialen Wert der betroffenen Personen im Amt betreffe und schmälern solle. Bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände und insbesondere der früheren Kontrolle liege eine hinreichende Individualisierung der Äußerung auf die Beamten des örtlichen Polizeikommissariats vor, die eine überschaubare und hinreichend abgrenzbare Gruppe bildeten.

5

3. Die hiergegen gerichtete Revision der Beschwerdeführerin verwarf das Oberlandesgericht gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit angegriffenem Beschluss als unbegründet.

6

4. Mit ihrer daraufhin erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

7

5. Dem Niedersächsischen Justizministerium wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

9

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung von dieses Grundrecht beschränkenden Strafvorschriften (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 82, 43 <50 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

10

2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

11

a) Die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin greift in die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Das Tragen des Ansteckers mit der Aufschrift "FCK CPS" fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266 <289>). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Der Aufdruck "FCK CPS" ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG. Die an die Äußerung anknüpfende strafrechtliche Verurteilung greift in das Grundrecht ein.

12

b) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre ergeben. § 185 StGB ist als allgemeines Gesetz geeignet, der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>).

13

c) Der Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung nicht gewahrt sind.

14

Die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Gesetze, die in die Meinungsfreiheit eingreifen, müssen dabei jedoch so interpretiert werden, dass der prinzipielle Gehalt dieses Rechts in jedem Fall gewahrt bleibt. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 124, 300 <324>; stRspr).

15

Es bedarf hier keiner Entscheidung, wieweit die Verwendung des bewusst kryptischen und damit bewusst unklar oder mehrdeutig gehaltenen Kürzels einer Beurteilung zugänglich ist, als ob der diesen Kürzeln unterliegende Sinn ausdrücklich geäußert worden wäre. Denn das Amtsgericht hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe jedenfalls dadurch verkannt, dass es eine hinreichende Individualisierung des negativen Werturteils angenommen hat.

16

Allerdings findet die Meinungsfreiheit in den allgemeinen Gesetzen und der durch diese geschützten Rechte Dritter ihre Grenze. Dies ist der Fall, wenn eine Meinungsäußerung die Betroffenen ungerechtfertigt in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der durch sie geschützten persönlichen Ehre verletzt. Dabei kann eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein (vgl. BVerfGE 93, 266 <299>).

17

Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93, 266 <301 f.>). Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE 93, 266 <302 f.>).

18

Diesen Vorgaben wird das Urteil des Amtsgerichts nicht gerecht. Es fehlt an hinreichenden Feststellungen zu den Umständen, die die Beurteilung tragen könnten, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Es reicht nach den dargelegten Maßstäben nicht aus, dass die Kräfte des örtlichen Polizeikommissariats eine Teilgruppe aller Polizisten und Polizistinnen sind. Vielmehr bedarf es einer personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich ist. Es kann nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hat. Auch die Feststellung des Amtsgerichts, die Konkretisierung sei wegen des Vorfalls einige Wochen früher eingetreten, ist nicht tragfähig. Es liegen keinerlei Feststellungen dazu vor, dass sich die Beschwerdeführerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum reicht nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Benennung der Umstände nicht aus, die eine aus dem Wortlaut einer Äußerung nicht erkennbare Konkretisierung bewirken.

19

d) Da das Oberlandesgericht die Revision als offensichtlich unbegründet erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln wie das Urteil des Amtsgerichts.

20

e) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

21

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 18. Dezember 2013 - 4 OLG 13 Ss 571/13 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Beim Besuch eines Fußballspiels im Oktober 2012 trug der Beschwerdeführer eine schwarze Hose, die im Gesäßbereich großflächig mit dem Aufdruck ACAB bedruckt war. Nach dem Spiel verließ er in einer Gruppe weiterer Fußball-Fans das Stadion auf einem Weg, der vor einigen dort eingesetzten Bereitschaftspolizisten vorbeiführte. Dabei wurden die Bereitschaftspolizisten auf den gut sicht- und lesbaren Aufdruck ACAB aufmerksam. Einer der Bereitschaftspolizisten erstattete Anzeige gegen den Beschwerdeführer.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung gemäß §§ 185, 194 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 €. Es sei allgemein bekannt, dass die Buchstaben "ACAB" eine Abkürzung für den Satz "all cops are bastards" darstellten. Die Bezeichnung eines Polizeibeamten als "Bastard" sei zweifelsfrei ehrverletzend. Es handle sich auch nicht um eine straflose Kollektivbeleidigung, da eine Individualisierung auf einen abgegrenzten Personenkreis stattgefunden habe. Die Äußerung habe sich gegen sämtliche Polizisten gerichtet, die im Rahmen des Fußballspiels im Einsatz waren. Der Beschwerdeführer habe um die hohe Polizeipräsenz während des Fußballspiels gewusst und dabei billigend in Kauf genommen, dass Polizeibeamte während des Spiels den Aufdruck wahrnehmen und sich in ihrer Ehre verletzt fühlen.

4

3. Das Landgericht wies die Berufungen des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung als unbegründet zurück. Eine Rechtfertigung komme weder nach § 193 StGB noch gemäß Art. 5 GG in Betracht. Der Angeklagte sei sich bewusst gewesen, dass er sich im Stadion einer anonymen Vielzahl von Polizeibeamten gegenübersehen würde und auf den Zu- und Abwegen einzelnen Polizeibeamten oder gruppenweise auftretenden Polizeibeamten begegnen würde. Er habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, dass einzelne Polizeibeamte die auf Gesäßhöhe positionierte Aufschrift sehen und sich daran stören würden. Es handle sich um eine Äußerung unter einer Kollektivbezeichnung, die jedoch unter anderem auch konkret gegenüber durch persönliches Aufeinandertreffen individualisierten Personen kommuniziert würde. Bei der Abwägung, inwieweit hier das Recht der freien Meinungsäußerung des Angeklagten durch eine eventuelle Strafbarkeit beeinträchtigt werden könne, sei kein ausreichender Anlass für gerade diese Meinungsäußerung zu erkennen. Dem Beschwerdeführer sei es allein um die Diffamierung und persönliche Herabsetzung der angegriffenen Personen gegangen.

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4. Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Revision des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht als offensichtlich unbegründet.

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5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandegerichts und rügt die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf willkürfreie Behandlung durch Polizei und Justiz gemäß Art. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, und des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG).

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6. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz äußerte sich dahingehend, dass die Verfassungsbeschwerde unbegründet sei. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung von dieses Grundrecht beschränkenden Strafvorschriften (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 82, 43 <50 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

11

a) Die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers greift in die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Das Tragen der Hose mit der Aufschrift "ACAB" fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266 <289>). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).

12

Die Gerichte sind davon ausgegangen, dass der Aufdruck "ACAB" für die englische Parole "all cops are bastards" steht. Da diese Auflösung der Buchstabenfolge sowohl bei der Polizei als auch bei den Äußernden allgemein bekannt ist, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Verwendung der Buchstabenfolge der Äußerung der Aussage gleichgestellt wird. Die Gerichte haben sich hinreichend mit möglichen weiteren Deutungsmöglichkeiten auseinandergesetzt und sind mit schlüssigen Erwägungen zu dem naheliegenden Ergebnis der genannten Auslegung gelangt. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Parole ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 2015 - 1 BvR 1036/14 -, NJW 2015, S. 2022).

13

b) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre ergeben. § 185 StGB ist als allgemeines Gesetz geeignet, der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>).

14

c) Der in der Verurteilung liegende Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung nicht gewahrt sind.

15

Die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Gesetze, die in die Meinungsfreiheit eingreifen, müssen jedoch so interpretiert werden, dass der prinzipielle Gehalt dieses Rechts in jedem Fall gewahrt bleibt. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 93, 266 <292>; 124, 300 <342>; stRspr).

16

Die Meinungsfreiheit findet in den allgemeinen Gesetzen und der durch diese geschützten Rechte Dritter ihre Grenze. Dies ist der Fall, wenn eine Meinungsäußerung die Betroffenen ungerechtfertigt in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der durch sie geschützten persönlichen Ehre verletzt. Dabei kann eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein (vgl. BVerfGE 93, 266 <299>). Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93, 266 <301 f.>). Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE 93, 266 <302 f.>).

17

Diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe hat das Oberlandesgericht durch die Annahme einer hinreichenden Individualisierung des negativen Werturteils verkannt. Es weist nicht in verfassungsrechtlicher tragfähiger Weise auf, dass sich die hier in Rede stehende Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Hierfür reicht es nicht, dass die im Stadion eingesetzten Polizeikräfte eine Teilgruppe aller Polizistinnen und Polizisten sind. Vielmehr bedarf es einer personalisierten Zuordnung. Worin diese liegen soll, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Insbesondere genügt es nicht, dass der Beschwerdeführer, dem bewusst war, dass Einsatzkräfte der Polizei anwesend sein würden, hinter einer von der Polizei überwachten Gruppe das Stadion verließ. Es fehlen Feststellungen dazu, dass sich der Beschwerdeführer bewusst in die Nähe der Einsatzkräfte der Polizei begeben hat, um diese mit seiner Parole zu konfrontieren. Der bloße Aufenthalt im Stadion im Bewusstsein, dass die Polizei präsent ist, genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine erkennbare Konkretisierung der Äußerung auf bestimmte Personen nicht. Es ist hieraus nicht ersichtlich, dass die Äußerung sich individualisiert gegen bestimmte Beamte richtet.

18

d) Die angegriffene Entscheidung beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

19

3. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da es an einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG genügenden Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben fehlt.

20

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.