Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 01. Nov. 2012 - 2 BvR 1235/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20121101.2bvr123511
bei uns veröffentlicht am01.11.2012

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2010 - W5 KLs 65 Js 38937/08 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. April 2011 - 1 StR 592/10 - verletzen die Beschwerdeführer jeweils in ihrem Recht aus Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes, soweit das Landgericht München II sie in den Fällen III.2.a) und III.2.b) der Urteilsgründe verurteilt und der Bundesgerichtshof ihre Revisionen gegen die Verurteilung in diesen beiden Fällen verworfen hat. Die genannten Entscheidungen werden in diesem Umfang aufgehoben.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Landgericht München II zurückverwiesen, das auch erneut über die Kosten zu entscheiden haben wird.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird für jeden Beschwerdeführer auf 6.000,00 Euro (in Worten: sechstausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen strafgerichtliche Verurteilungen wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB).

I.

2

Das Landgericht München II verurteilte den Beschwerdeführer zu 1. unter Freisprechung im Übrigen wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und den Beschwerdeführer zu 2. wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die beide Beschwerdeführer betreffende Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangener Untreue in zwei Fällen durch die Aufnahme zweier Kassenkredite über jeweils zwei Millionen Euro für eine Gemeinde.

3

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Beschwerdeführer zu 1. erster Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde und der Beschwerdeführer zu 2. deren Kämmerer. In diesen Funktionen oblag den Beschwerdeführern die laufende Abwicklung von Kassenkrediten der Gemeinde. Der Gemeinderat hatte jedenfalls seit dem Haushaltsjahr 2005 in der Haushaltssatzung der Gemeinde festgelegt, dass Kassenkredite in einer Höhe von bis zu drei Millionen Euro genehmigt seien. Von Juni 2007 bis Anfang 2009 lagen die tatsächlich aufgenommenen Kassenkredite durchgängig über dieser Obergrenze, ohne dass die Überschreitungen in der Haushaltssatzung ausgewiesen waren. Durch Verschiebung von in einem Haushaltsjahr angefallenen Ausgaben in das folgende Haushaltsjahr sowie von fiktiven Einnahmen aus dem Folgejahr in das Vorjahr stellten die Beschwerdeführer in den Haushaltsjahren 2005 bis einschließlich 2008 jeweils einen ausgeglichenen Vermögenshaushalt dar, der anstelle der tatsächlich vorhandenen Unterdeckung jeweils einen Überschuss auswies. Die in Anspruch genommenen Kassenkredite wiesen die Beschwerdeführer zum Jahresende nicht aus, sondern buchten sie in das kommende Haushaltsjahr um. Dem Gemeinderat präsentierten sie auf diese Weise jeweils einen von ihnen als "ordentlich" bezeichneten Haushalt; der Schuldenstand der Gemeinde habe sich ständig reduziert, für als erforderlich dargestellte Investitionen seien Kreditaufnahmen "nicht mehr geplant" (Haushalt 2007) beziehungsweise "nicht vorgesehen" (Haushalt 2008). Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben beschloss der Gemeinderat jeweils die ihm vorgeschlagenen Tief- und Hochbaumaßnahmen, allein für das Jahr 2007 in einer Größenordnung von fünf Millionen Euro. Dass der Gemeinderat diese Investitionen auch für das Haushaltsjahr 2007 und in dieser Höhe beschlossen hätte, wenn seine Mitglieder gewusst hätten, dass sie entgegen den Angaben der Beschwerdeführer sicher über Kredite finanziert werden mussten, da der Vermögenshaushalt schon aus den Vorjahren entgegen den Angaben der Beschwerdeführer erhebliche Unterdeckungen auswies und bislang nicht bekannte feste Kassenkredite über drei Millionen Euro bestanden, konnte nicht festgestellt werden.

4

2. Um die dem Gemeinderat nicht offengelegten Finanzierungslücken zu decken, nahmen die Beschwerdeführer in zwei Fällen weitere feste Kassenkredite für die Gemeinde auf, ohne zuvor eine Erweiterung des - wie die Beschwerdeführer wussten - dauerhaft überschrittenen Kreditrahmens durch eine Nachtragshaushaltssatzung zu beantragen.

5

a) Im Juli 2007 nahm die Gemeinde feste Kassenkredite von insgesamt über drei Millionen Euro und einen über ein Sparkassenkonto laufenden variablen Kassenkredit von dauerhaft über einer Million Euro in Anspruch. Gleichwohl nahmen die Beschwerdeführer - in Kenntnis der Umstände und ohne die Genehmigung des Gemeinderats einzuholen - einen weiteren festen Kassenkredit über zwei Millionen Euro mit einer Laufzeit von zwölf Monaten auf, wofür Zinszahlungen in Höhe von insgesamt rund 88.000 Euro anfielen. Die ausgezahlten Darlehensbeträge von insgesamt zwei Millionen Euro verwendeten sie in den folgenden Monaten wiederholt zum Ausgleich des Negativsaldos auf dem Sparkassenkonto.

6

b) Ende März 2008 nahm die Gemeinde einschließlich des vorgenannten Kassenkredits feste Kassenkredite in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro in Anspruch; das variable Sparkassenkonto wies einen Negativsaldo von rund 700.000 Euro auf. Dennoch nahmen die Beschwerdeführer - wiederum in Kenntnis der Umstände und ohne die Genehmigung des Gemeinderats einzuholen - einen weiteren festen Kassenkredit über zwei Millionen Euro mit einer Laufzeit von zwölf Monaten auf, für den Zinsen von insgesamt rund 93.000 Euro zu zahlen waren. Mit dem Kreditbetrag lösten sie einen anderen auslaufenden Kassenkredit ab.

7

3. Das Landgericht sah die Verletzung einer beiden Beschwerdeführern obliegenden Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB in der Aufnahme der beiden Kassenkredite unter Verstoß gegen die solche Kredite auf eine Höhe von maximal drei Millionen Euro beschränkende Haushaltssatzung.

8

Durch das Verhalten der Beschwerdeführer sei der Gemeinde ein Schaden entstanden. Dieser liege nicht in den Darlehensforderungen selbst. Die zusätzlichen Mittel seien sämtlich für Aufgaben der Gemeinde verwendet worden. Zudem seien sie vollständig, wenn auch unzutreffend, in den Büchern der Gemeinde erfasst worden. Ein Schaden liege jedoch in den Zinsverpflichtungen gegenüber den kreditgebenden Banken. Es sei nicht feststellbar, dass das Ermessen des allein zur Entscheidung berufenen Gemeinderats hinsichtlich der Investitionen deren Zeitpunkt und Höhe betreffend auf Null reduziert gewesen sei. Allein aus dem Umstand, dass es sich bei den beschlossenen Baumaßnahmen um gemeindliche Pflichtaufgaben gehandelt habe, sei nicht zu schließen, dass die Maßnahmen sofort hätten umgesetzt werden müssen. Es sei denkbar gewesen, die bereits seit Jahren verschobenen Maßnahmen noch weiter aufzuschieben und damit den laufenden Haushalt um die Investitionsbeträge zu entlasten oder den Umfang der Investitionen der Haushaltslage anzupassen. Der Gemeinderat hätte jederzeit die Möglichkeit zu der Entscheidung gehabt, ob, wann und in welcher Höhe Investitionen durchgeführt oder auch vorhandene Darlehensverpflichtungen zurückgeführt werden. Diese Entscheidungsmöglichkeit sei dem Gemeinderat vorenthalten worden, indem die Beschwerdeführer ihm vorgespiegelt hätten, die vorhandenen beziehungsweise zu erwartenden Einnahmen der Gemeinde seien ausreichend, um die geplanten Investitionen ohne Kreditaufnahme zu finanzieren. Dabei könne dahinstehen, ob die Darlehensbedingungen günstiger gewesen seien als für zeitgleich aufgenommene Kommunaldarlehen, da sich der Vorwurf auf die Aufnahme der Darlehen, nicht deren Konditionen beziehe.

II.

9

1. Mit ihren Revisionen rügten die Beschwerdeführer insbesondere die Annahme eines Vermögensnachteils der Gemeinde. Ein solcher könne nicht ohne weiteres in der Zinsbelastung gesehen werden; vielmehr bedürfe es der Abwägung, ob die Kreditaufnahme trotz der damit verbundenen Zinsbelastung für die Gemeinde wirtschaftlich und haushaltspolitisch sinnvoll gewesen sei. Diese Frage übergehe das Landgericht.

10

2. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revisionen der Beschwerdeführer als unbegründet. Die Bewertung des Landgerichts sei frei von Rechtsfehlern.

11

Die Beschwerdeführer, deren Amtsstellung vermögensrechtliche Aufgaben umfasst habe, seien der Gemeinde gegenüber vermögensbetreuungspflichtig gewesen. Der Beschwerdeführer zu 1. habe seine Amtsstellung missbraucht und der Beschwerdeführer zu 2. treuwidrig gehandelt, indem sie entgegen den Bestimmungen der Haushaltssatzung und der Bayerischen Gemeindeordnung (weitere) feste Kassenkredite aufgenommen hätten.

12

Durch die Kreditaufnahme hätten die Beschwerdeführer der Gemeinde einen Vermögensnachteil in Höhe der Kreditzinsen zugefügt. Nach der Haushaltssatzung seien die beschlossenen Baumaßnahmen ausschließlich aus dem Vermögenshaushalt zu bestreiten gewesen. Die Beschwerdeführer hätten daher für die genehmigten Tief- und Hochbaumaßnahmen die falschen Mittel (Darlehen) eingesetzt. Durch die eingegangene Verpflichtung zur Zahlung von Kreditzinsen hätten sie dem Gemeindehaushalt ohne Gegenwert Mittel in Höhe der Zinsen endgültig und dauerhaft entzogen. Die Darlehensaufnahme stelle angesichts der Rückzahlungsverpflichtung keinen wirtschaftlichen Vorteil für die Gemeinde dar; ein anderer wirtschaftlicher Vorteil sei nicht ersichtlich. Auf das angestrebte oder erhoffte wirtschaftliche Gesamtergebnis am Ende des Haushaltsjahres komme es nicht an. Vage oder nur mittelbare Vorteile aus der - wenn auch von Anfang an beabsichtigten - Verwendung der Kreditmittel für kommunale Baumaßnahmen stellten keinen die Zinsverpflichtung ausgleichenden vermögenswerten Vorteil dar. Die Beschwerdeführer könnten sich auch nicht darauf berufen, durch einen von ihnen mit Manipulationen und Täuschung herbeigeführten Gemeinderatsbeschluss oder aufgrund der Dringlichkeit der die Kreditaufnahme bedingenden Investitionen zum Mitteleinsatz verpflichtet gewesen zu sein oder der Gemeinde eine sonst unumgängliche Inanspruchnahme anderweitiger Mittel oder eine anderweitige Kreditaufnahme erspart zu haben. Dass der Gemeinderat auch bei Kenntnis der wahren Vermögensverhältnisse die Investitionen mit Sicherheit beschlossen hätte, sei ebenso wenig feststellbar gewesen wie eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Durchführung der Maßnahmen.

B.

13

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 103 Abs. 2 GG und auf das Willkürverbot eine Entgrenzung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils bei der Anwendung des Untreuetatbestandes (§ 266 Abs. 1 StGB).

14

Der Bundesgerichtshof definiere für die Haushaltsuntreue den Vermögensnachteil in untrennbarer Abhängigkeit von der Pflichtwidrigkeit des Handelns. Mit der Annahme, die Darlehensaufnahme stelle angesichts der Rückzahlungsverpflichtung keinen wirtschaftlichen Vorteil für die Gemeinde dar, verkenne er grundlegend und in Willkür begründender Weise das Wesen eines Kreditvertrages. Die vom Darlehensnehmer im Gegenzug für die Zinszahlung erlangte Leistung des Kreditgebers bestehe in der Zurverfügungstellung des Kreditbetrags. Deren wirtschaftlicher Wert liege darin, dass dem Kreditnehmer der Geldbetrag, den er sonst nicht hätte, zur Verfügung stehe und er diesen jetzt - nicht erst später - für die Zwecke einsetzen könne, die er als wichtig oder sogar dringlich erachte. Bei einer marktüblichen Verzinsung sei der Vertrag wirtschaftlich ausgewogen. Leistung und Gegenleistung seien im Fall der Beschwerdeführer objektiv gleichwertig gewesen. Daher könne nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Annahme eines Vermögensschadens nur nach den Grundsätzen des sogenannten subjektiven Schadenseinschlags begründet sein. Dabei dürfe die Untreue jedoch nicht in ein Delikt gegen die Dispositionsfreiheit umgewandelt werden. Die Aufnahme von Kassenkrediten könne daher nur in eng begrenzten Fallgestaltungen einen Vermögensnachteil begründen, wie etwa bei einer Kreditaufnahme ohne entsprechende wirtschaftliche Notwendigkeit, bei einer weitgehenden Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Gemeinde oder bei gänzlich unnötigen Ausgaben. Hier seien die Kreditbeträge jedoch für gemeindliche Pflichtaufgaben verwendet worden, deren Erfüllung vom Gemeinderat - wenn auch unter der unzutreffenden Annahme, sie aus laufenden Einnahmen finanzieren zu können - ausdrücklich beschlossen worden sei. Die Annahme eines Vermögensnachteils sei daher letztlich allein auf die Pflichtwidrigkeit des Handelns der Beschwerdeführer in Gestalt des ihnen anzulastenden Eingriffs in die Dispositionsfreiheit des Gemeinderats gestützt worden.

C.

15

Die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung haben sich nicht zu der Verfassungsbeschwerde geäußert. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, die Vorsitzenden der Strafsenate hätten von einer Stellungnahme abgesehen. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

D.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einer die Kammerzuständigkeit begründenden Weise offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

17

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer jeweils in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG.

18

1. a) Für die Strafgerichte folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit von Strafnormen ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die - tatbestandsausweitend - über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 87, 209 <224>; 92, 1 <12>; 126, 170 <197>). Dementsprechend darf die Auslegung der Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht dazu führen, dass die dadurch bewirkte Eingrenzung der Strafbarkeit im Ergebnis wieder aufgehoben wird. Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen also auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden (Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen; vgl. BVerfGE 87, 209 <229>; 92, 1 <16 f.>; 126, 170 <198>).

19

b) Im Falle des Nachteilsmerkmals des § 266 Abs. 1 StGB muss die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, das Merkmal selbständig neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt, es in diesem Merkmal aufgehen lassen. Deswegen und um das Vollendungserfordernis zu wahren, sind eigenständige Feststellungen zum Bestehen eines Nachteils geboten. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen - etwa bei einem ohne weiteres greifbaren Mindestschaden - abgesehen, werden die Strafgerichte den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen müssen (vgl. BVerfGE 126, 170 <211>). Normative Gesichtspunkte können bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft - wirtschaftlich betrachtet - nachteilhaft war (BVerfGE 126, 170 <212>).

20

c) Der in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende strenge Gesetzesvorbehalt erhöht zwar die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte, soweit es um die Überschreitung der Grenzen des Strafgesetzes als auch um die insoweit gebotene inhaltliche Konturierung und Präzisierung der Strafrechtstatbestände geht. Dies ändert aber nichts an der Verantwortung der Gerichte für die Auslegung und Anwendung des Strafrechts (vgl. BVerfGE 126, 170 <199 f.>), die vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nur im Hinblick auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts überprüft werden. Das Bundesverfassungsgericht kann danach eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG nur in Fällen handgreiflicher Defizite bei der Auslegung und Anwendung von Strafrechtsnormen feststellen (vgl. BVerfGE 126, 170 <233>).

21

2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Anwendung des § 266 Abs. 1 StGB werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Annahme, durch die Kreditaufnahme sei jeweils ein tatbestandsmäßiger Vermögensnachteil verursacht worden, der nicht durch eine gleichwertige Gegenforderung kompensiert worden ist, ist auf Erwägungen gestützt, die eine unzureichende Beachtung der strafbegrenzenden Funktion des Nachteilsmerkmals des § 266 Abs. 1 StGB erkennen lassen.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat - wie zuvor das Landgericht - einen von den Beschwerdeführern verursachten Vermögensnachteil darin gesehen, dass der Gemeinde Mittel in Höhe der durch die Kreditaufnahme entstandenen Zinsverpflichtungen dauerhaft entzogen worden sind. Den zu entrichtenden Kreditzinsen stand allerdings die Möglichkeit gegenüber, die Kreditbeträge für eine bestimmte Zeit nutzen zu können. Dies stellt regelmäßig einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert dar, der geeignet ist, die Zinsverpflichtung in tatbestandsausschließender Weise zu kompensieren. Besteht der Vermögensnachteil - wie hier - in einer pflichtwidrig begründeten Forderung, der eine wirtschaftlich werthaltige Gegenleistung gegenübersteht, so muss sich den Urteilsgründen mit hinreichender Klarheit entnehmen lassen, weshalb der eingetretene Nachteil nicht in einer den objektiven Tatbestand ausschließenden Weise ausgeglichen worden ist.

23

b) Eine Kompensation der Zinsverpflichtung kann hier nur dann ausscheiden, wenn das Darlehen - etwa unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Schadenseinschlags - in der konkreten Lage für die Gemeinde wirtschaftlich wertlos war. Sofern die Urteilsbegründung dieses Ergebnis trägt, ist eine solche Betrachtung im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

24

In der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass auch dann, wenn einer eingegangenen Verpflichtung eine objektiv gleichwertige Leistung gegenübersteht, ein Vermögensnachteil nach den Grundsätzen des subjektiven beziehungsweise individuellen Schadenseinschlags in Betracht kommen kann (vgl. für den Fall einer Nachteilszufügung durch pflichtwidrige Verwendung von Haushaltsmitteln BGHSt 43, 293 <297 ff.>; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - 5 StR 123/00 -, NStZ 2001, S. 248 <251>; BGH, Urteil vom 18. November 1986 - 1 StR 536/86 -, BGHR StGB § 266 Abs. 1 - Vorsatz 1; s. auch Perron, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 266 Rn. 43 m.w.N.). Die dabei vorgenommene Fallgruppenbildung dient nicht zuletzt der Konkretisierung des Nachteilsmerkmals und ist daher geeignet, den Anwendungsbereich des Un-treuetatbestandes im Sinne des Bestimmtheitsgebots zu begrenzen (vgl. BVerfGE 126, 170 <208 f.>). Die mit einer Darlehensaufnahme begründeten Zinsverpflichtungen können daher in verfassungsrechtlich zulässiger Weise als Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gewertet werden, wenn der Kreditbetrag für den Kreditnehmer gemessen an den genannten Kriterien subjektiv wertlos ist (vgl. BVerfGE 126, 170 <212>). Das Verschleifungsverbot wäre danach in der vorliegenden Konstellation jedenfalls dann nicht verletzt, wenn die wirtschaftliche Wertlosigkeit der Kreditaufnahme auf die konkrete finanzielle Situation der Gemeinde gestützt würde, während die Pflichtverletzung - wie hier - bereits in der Aufnahme der Kassenkredite unter Verstoß gegen Bestimmungen der gemeindlichen Haushaltssatzung und der Bayerischen Gemeindeordnung gesehen und ohne Rückgriff auf die Haushaltslage der Gemeinde festgestellt wurde.

25

c) Aus den angegriffenen Entscheidungen ergibt sich jedoch nicht mit hinreichender Klarheit, dass der Vermögensnachteil trotz der der Gemeinde zur Verfügung stehenden Kreditbeträge auf der Grundlage eines subjektiven Schadenseinschlags und ohne Verstoß gegen das Verschleifungsverbot angenommen worden ist.

26

aa) Mit seinen Ausführungen zur wirtschaftlichen Situation der Gemeinde sowie zu ihren konkreten Bedürfnissen zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme berührt das Landgericht zwar die Fallgruppe des subjektiven Schadenseinschlags. So wies der Gemeindehaushalt nach den Feststellungen des Landgerichts zum Zeitpunkt der Aufnahme der Kassenkredite jeweils Fehlbeträge in Höhe von mehreren Millionen Euro auf. Der Gemeinderat habe in der irrigen Annahme, dass hierfür keine Kreditaufnahme erforderlich sei, Investitionen für Baumaßnahmen im Umfang von mehreren Millionen Euro beschlossen, anstatt - was ebenso möglich gewesen wäre - die bereits seit Jahren verschobenen Maßnahmen noch weiter aufzuschieben und damit den laufenden Haushalt um die Investitionsbeträge zu entlasten, den Umfang der Investitionen der Haushaltslage anzupassen oder bestehende Darlehensverpflichtungen zurückzuführen. Damit wird eine Situation dargestellt, angesichts derer es nicht fern liegt, dass die Aufnahme (weiterer) Kassenkredite wirtschaftlich verfehlt und - bei objektiver Würdigung der Lage der Gemeinde - schädlich war. Jedoch lassen die Urteilsgründe nicht sicher erkennen, ob der Verurteilung diese rechtliche Wertung zugrunde liegt. Das Landgericht hat es versäumt, die Gründe ausdrücklich darzulegen, aus denen es eine Kompensation der Zinsverpflichtung verneint. Sofern es sich hierbei auf einen subjektiven Schadenseinschlag stützen wollte, hätte es dies zum Ausdruck bringen und - entsprechende tatsächliche Feststellungen vorausgesetzt - verbalisieren müssen, dass die zu den Zinsverpflichtungen führende Darlehensaufnahme der Finanzierung von Investitionen gedient hat, die als wirtschaftlich sachwidrig zu bewerten sind, etwa weil sie die zu diesem Zeitpunkt bedrängte finanzielle Situation der Gemeinde verschärften. Hieran fehlt es.

27

Hingegen hat das Landgericht im Rahmen der Begründung des Nachteils ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Gemeinderat die Investitionen - wenngleich es sich um gemeindliche Pflichtaufgaben handelte - auch bei vollständiger Kenntnis der Situation der Gemeinde in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt beschlossen hätte. Damit erörterte es bei der Darlegung eines Nachteils (auch) einen Eingriff der Beschwerdeführer in die Dispositionsfreiheit des Gemeinderats. Dies führt in die Nähe einer unzulässigen Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils. Die fraglichen Ausführungen schließen unmittelbar an die Feststellung an, ein Schaden liege in den Zinsverpflichtungen gegenüber den Banken, während die Pflichtverletzung bereits in der Aufnahme der Mittel liege (Seite 19 der Urteilsgründe). Es bleibt unklar, ob das Landgericht die Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit in einen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung - die allerdings bereits an früherer Stelle im Urteil bejaht worden ist - gestellt hat, oder ob es den Vermögensnachteil maßgeblich daraus abgeleitet hat, dass der Gemeinderat in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt wurde, weil er aufgrund der pflichtwidrigen Aufnahme der Kassenkredite unzutreffend davon ausging, die beschlossenen Investitionen ohne weitere Kreditaufnahme finanzieren zu können. Letzteres würde das Bestimmtheitsgebot verletzen, weil das Tatbestandsmerkmal des Nachteils unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG in dem der Pflichtwidrigkeit aufgegangen wäre (vgl. BVerfGE 126, 170 <211>).

28

bb) In gleicher Weise mehrdeutig sind die mit der Verfassungsbeschwerde beanstandeten Erwägungen im Beschluss des Bundesgerichtshofs, für die Investitionen seien die falschen Mittel eingesetzt worden, und die Beschuldigten könnten sich nicht darauf berufen, aufgrund der Dringlichkeit der die Kreditaufnahme bedingenden Investitionen zum Mitteleinsatz verpflichtet gewesen zu sein oder der Gemeinde eine sonst unumgängliche Inanspruchnahme anderweitiger Mittel oder eine anderweitige Kreditaufnahme erspart zu haben. Zwar entstammen diese Wendungen teilweise der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Untreue bei zweckwidriger Verwendung öffentlicher Gelder (vgl. BGHSt 40, 287 <294 f.>). Gleichwohl bleibt letztlich unklar, ob die rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs dahin geht, dass die zur Verfügung stehenden Kassenkredite angesichts der konkreten Lage der Gemeinde keinen berücksichtigungsfähigen Vorteil darstellen konnten, der geeignet war, den mit der Zinsverpflichtung verbundenen Vermögensnachteil aufzuwiegen. Ein Schwerpunkt der Ausführungen zur Frage des Vermögensnachteils liegt auch im Beschluss des Bundesgerichtshofs auf der durch die Manipulationen der Beschwerdeführer bedingten Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Gemeinderats, ohne dass nachvollziehbar ist, ob dieser Aspekt oder eigenständige wirtschaftliche Erwägungen den Bundesgerichtshof zur Annahme eines Vermögensnachteils veranlasst haben.

II.

29

Weil bereits Art. 103 Abs. 2 GG verletzt ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die angegriffenen Entscheidungen auch gegen das Willkürverbot verstoßen.

E.

30

Das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2010 verletzt die Beschwerdeführer in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG. Dasselbe gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. April 2011, der den Grundrechtsverstoß perpetuiert hat. Die Entscheidungen sind daher in dem genannten Umfang aufzuheben, und die Sache ist an das Landgericht München II zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Da beiden angegriffenen Entscheidungen im Umfang der Aufhebung gleichermaßen eine mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbarende Anwendung des Untreuetatbestandes zugrunde liegt, genügt eine Beschränkung des Aufhebungsumfangs auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs nicht (vgl. BVerfGE 126, 170 <233>; BVerfGK 14, 177 <186 f.>).

31

Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

32

Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 01. Nov. 2012 - 2 BvR 1235/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 01. Nov. 2012 - 2 BvR 1235/11

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein
Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 01. Nov. 2012 - 2 BvR 1235/11 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 37 Verfahren vor den Verfassungsgerichten


(1) Die Vorschriften für die Revision in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses gelten entsprechend in folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtsh

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BESCHLUSS
1 StR 592/10
vom
13. April 2011
in der Strafsache
1.
2.
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2011 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2010 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Untreue in zwei Fällen zu einer zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, den Angeklagten Z. hat es wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge stützen. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.


3
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bedarf näherer Erörterung lediglich die Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue (§ 266 StGB) im Zusammenhang mit zwei Kreditaufnahmen. Auch diese hält umfassender sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
4
1. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte S. im Tatzeitraum Erster Bürgermeister der Marktgemeinde W. , der Angeklagte Z. deren Kämmerer (zugleich Leiter der Finanzverwaltung ). Nach der Haushaltssatzung der Marktgemeinde war die Aufnahme von Kassenkrediten (Art. 73 BayGO) bis zu einer Höhe von insgesamt 3 Mio. Euro gestattet. Um zu verschleiern, dass dieser Betrag (als Summe aus einem Kontokorrentkredit und „festen Kassenkrediten“ mit fixen Zinsen und Rückzahlungsterminen ) seit dem Jahr 2001 zum Teil erheblich überschritten wurde, verbuchten die Angeklagten - beginnend mit dem Jahresabschluss für den Haushalt des Jahres 2005 - im Haushaltsjahr angefallene Ausgaben in das darauf folgende. Mit Einnahmen verfuhren sie umgekehrt. Über das Jahresende weiterlaufende feste Kassenkredite wurden nicht ausgewiesen. Dem Gemeinderat präsentierten die Angeklagten auf diese Weise einen von ihnen so bezeichneten „ordentlichen Haushalt“, der Schuldenstand der Marktgemeinde habe sich ständig reduziert, für als erforderlich dargestellte Investitionen seien Kreditaufnahmen „nicht mehr geplant“ (Haushalt 2007) bzw. „nicht vorgesehen“ (Haushalt 2008). Im Vertrauen auf diese Angaben beschloss der Marktgemeinderat jeweils die vorgeschlagenen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen.
5
Um die bestehenden und dem Gemeinderat vorenthaltenen Finanzierungslücken zu decken (die den Angeklagten bekannte Summe bestehender Kassenkredite belief sich bereits auf mehr als 4 Mio. Euro), nahmen die Angeklagten im Juli 2007 und im März 2008 für die Marktgemeinde weitere feste Kassenkredite in Höhe von jeweils 2 Mio. Euro auf, wobei sie gegenüber den Kreditgebern wahrheitswidrig behaupteten, die gesetzlichen und satzungsmäßi- gen Bestimmungen seien eingehalten. Die Darlehensvaluten wurden Konten der Gemeinde gutgebracht und „sämtlich für Aufgaben der Gemeinde verwendet“ (UA S. 19).
6
2. Das Landgericht hat die Kreditaufnahmen - ebenso wie die drei Fälle, in denen der Angeklagte Z. private Aufwendungen über den Gemeindehaushalt abgerechnet und sich dadurch persönlich bereichert hat - jeweils als Untreue (§ 266 StGB) gewertet. Der Marktgemeinde W. sei durch die pflichtwidrige Kreditaufnahme ein Schaden in Höhe der Zinsverpflichtung gegenüber der Bank (88.279,94 Euro und 92.766,67 Euro) entstanden; es sei nicht feststellbar, dass das Ermessen des allein zur Entscheidung berufenen Gemeinderats hinsichtlich der Investitionen aus dem Bereich kommunaler Pflichtaufgaben (Art. 57 Abs. 1 BayGO) in zeitlicher Hinsicht oder der Höhe nach „auf Null reduziert gewesen wäre“ (UA S. 19).
7
3. Dies ist frei von Rechtsfehlern.
8
a) Die Angeklagten, deren Amtsstellung vermögensrechtliche Aufgaben umfasste, waren der Marktgemeinde gegenüber vermögensbetreuungspflichtig (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 5 StR 400/06, NStZ 2007, 579; BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83; BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 - 4 StR 550/02, NStZ 2003, 540; BGH, Beschluss vom 20. Mai 1994 - 2 StR 202/94, NStZ 1994, 586). Der Angeklagte S. hat seine Amtsstellung missbraucht, weil er gemäß Art. 38 Abs. 1 BayGO die Gemeinde im Außenverhältnis wirksam verpflichtete. Der Angeklagte Z. handelte treuwidrig. Es wurden entgegen den Bestimmungen der Haushaltssatzung und entgegen Art. 73 BayGO, die jeweils - zumindest mittelbar - dem Schutz des gemeindlichen Vermögens dienen, weitere (feste) Kassenkredite aufgenommen. Für die Investitionen, die nicht aus dem Vermögenshaushalt der Ge- meinde bestritten werden konnten und deren Finanzierung - auch nach dem Revisionsvorbringen - die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Kredite bedingte, hätte es einer in der Haushaltssatzung festzusetzenden (Art. 63 Abs. 2 Nr. 2 BayGO) und genehmigungspflichtigen (Art. 71 Abs. 2 BayGO) Aufnahme von Kommunaldarlehen bedurft. Kassenkredite dürfen nicht dazu eingesetzt werden, Investitionen zu finanzieren, sondern dienen ausschließlich der Erhaltung der Kassenliquidität bzw. der Behebung oder Überbrückung von Liquiditätsengpässen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung des Freistaats Bayern, Art. 73 GO Erl. 3.; Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 73 GO Rn. 2; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 73 GO Rn. 2 f.).
9
b) Durch die Kreditaufnahme haben die Angeklagten der Gemeinde in Höhe der Kreditzinsen einen Vermögensnachteil zugefügt.
10
Nach aa) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Untreue i.S.d. § 266 StGB auch bei Verstößen gegen haushaltsrechtliche Vorgaben oder Prinzipien gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2003 - 5 StR 448/02, NJW 2003, 2179; BGH, Urteil vom 17. April 2002 - 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293; BGH, Urteil vom 21. Oktober 1994 - 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287; BGH, Urteil vom 6. Mai 1986 - 4 StR 124/86, NStZ 1986, 455; BGH, Urteil vom 1. August 1984 - 2 StR 341/84, NStZ 1984, 549; vgl. auch Dierlamm in MünchKomm-StGB, § 266 Rn. 219 ff.; Saliger in SSW, StGB, § 266 Rn. 94 ff. mwN). § 266 StGB schützt jedoch als ein Vermögens- und Erfolgsdelikt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, Rn. 115) nur das (private oder öffentliche) Vermögen des Geschäftsherrn oder Treugebers als Ganzes, nicht aber seine Dis- positionsbefugnis. Deshalb begründet nicht jeder Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften einen Vermögensnachteil. Vielmehr bedarf es auch in Fällen pflichtwidriger Verfügungen über Haushaltsmittel der eigenständigen, wirtschaftlich nachvollziehbaren Feststellung, dass das Vermögen des Berechtigten im Ganzen in einer bestimmten Höhe unter Berücksichtigung der durch die Verfügung erlangten Vermögensmehrungen vermindert ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2003 - 5 StR 448/02, NJW 2003, 2179; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293 jew. mN).
11
bb) Nach der Haushaltssatzung sollten die beschlossenen Baumaßnahmen ausschließlich aus dem Vermögenshaushalt bestritten werden. Die Angeklagten haben für die genehmigten Zwecke - Tief- und Hochbaumaßnahmen - die falschen Mittel (Darlehen) eingesetzt. Durch die Verpflichtung zur Zahlung von Kreditzinsen haben sie dem Haushalt ohne Gegenwert für die Gemeinde Mittel in Höhe dieser Zinsen endgültig und dauerhaft entzogen. Die Darlehensaufnahme stellt angesichts der Rückzahlungsverpflichtung keinen wirtschaftlichen Vorteil für die Gemeinde dar, ein anderer wirtschaftlicher Vorteil ist nicht ersichtlich. Auf das angestrebte oder erhoffte wirtschaftliche Gesamtergebnis am Ende des Haushaltsjahres kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 17. April 2002 - 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237 mwN; Dierlamm in MünchKomm -StGB, § 266 Rn. 219). Vage oder nur mittelbare Vorteile aus der - wenn auch von Anfang an beabsichtigten - Verwendung der Kreditmittel für kommunale Baumaßnahmen (die Revision nennt z.B. die erhöhte Attraktivität der Gemeinde ) stellen keinen den Nachteil ausgleichenden vermögenswerten Vorteil dar. Im Übrigen ergeht sich die Revision insoweit - was in der Natur derartiger Überlegungen liegt - in reinen Spekulationen. Der in der pflichtwidrig eingegangenen Zinszahlungsverpflichtung liegende Schaden hat sich - sukzessive - in voller Höhe realisiert und konnte - rechtsfehlerfrei - in dieser Höhe der Verurteilung der Angeklagten zugrunde gelegt werden.
12
Die Angeklagten können sich hier auch nicht darauf berufen, durch einen von ihnen durch Manipulationen und Täuschung herbeigeführten Gemeinderatsbeschluss oder aufgrund der Dringlichkeit der die Kreditaufnahme bedingenden Investitionen zum Mitteleinsatz verpflichtet gewesen zu sein oder der Marktgemeinde eine sonst unumgängliche Inanspruchnahme anderweitiger Mittel oder eine anderweitige Kreditaufnahme erspart zu haben. Eine Ermessensreduzierung auf Null war nicht feststellbar, ebenso wenig, dass der Gemeindrat auch bei Kenntnis der wahren Vermögensverhältnisse die Investitionen mit Sicherheit beschlossen hätte.
13
c) Die Feststellungen des Landgerichts begründen tragfähig den Vorsatz der Angeklagten hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit und hinsichtlich des aufgezeigten Vermögensschadens, auch wenn die Kreditaufnahmen ohne unmittelbaren Eigennutz für die Angeklagten erfolgten. Die Angeklagten handelten in Kenntnis aller Tatumstände, ihnen war die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und des dadurch bewirkten Vermögensschadens bewusst. Obwohl der Angeklagte Z. den Angeklagten S. wiederholt und ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts hinwies, unterließ dieser es, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, „um sein Renommee als erfolgreicher Bürgermeister im Hinblick auf die anstehende Landratswahl nicht zu gefährden“ (UA S. 6). Hieraus den Schluss zu ziehen, die Angeklagten haben den Eintritt des oben dargestellten Vermögensschadens zumindest billigend in Kauf genommen, ist möglich - wenn nicht sogar nahe liegend. Die allgemeine Absicht, mit den pflichtwidrigen Handlungen „letztlich“ (aber nach eigenem Gutdünken) den Interessen des Treugebers nicht schaden oder ihnen dienen zu wollen, schließt den Vorsatz nicht aus (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 175 mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07 Rn. 48, BGHSt 52, 323, 329).
14
4. Angesichts der Schadenshöhe hat die Strafkammer den Strafrahmen zutreffend den §§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB entnommen. Rechtsfehler bei der vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmenden Strafzumessung werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.
Nack Rothfuß Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Jäger ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Elf Nack

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
Zu den Voraussetzungen der Haushaltsuntreue während
der Aufbauphase in den neuen Ländern
BGH, Urt. v. 14. Dezember 2000 - 5 StR 123/00
LG Potsdam –
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 123/00
URTEIL
vom 14. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Dezember
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt J ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten A ,
Rechtsanwalt K ,
Rechtsanwalt Sch
als Verteidiger der Angeklagten S ,
Rechtsanwalt Z ,
Rechtsanwältin Se
als Verteidiger des Angeklagten B ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. Juli 1999 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel sowie die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die drei Angeklagten freigesprochen. Ihnen lag im wesentlichen zur Last, als Ministerialbeamte Untreue im Hinblick auf Haushaltsmittel begangen zu haben. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt zur Sachrüge vertretenen Revisionen bleiben ohne Erfolg.

A.


Dem Urteil des Landgerichts liegt folgendes zugrunde:

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte A als Staatssekretär, die Angeklagte S als Leiterin der Abteilung 4 (Gesundheit) sowie der Angeklagte B als Leiter des Referats 4.5 (gesundheitliche Prävention und Rehabilitation) im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen (MASGF) des Landes Branden-
burg seit 1990/91 tätig. Während der Angeklagte A , der vorher im Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Abteilungsleiter war, über Verwaltungserfahrung verfügte, fehlten bei der Angeklagten S sowie dem Angeklagten B , die beide zuvor außerhalb der Ministerialverwaltung im Bereich der medizinischen bzw. psychologischen Betreuung beschäftigt waren, entsprechende Kenntnisse.
Die Zeit nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland war im Gesundheitswesen durch erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen geprägt, weil die aus der DDR-Zeit fortbestehenden Polikliniken von den Kommunen nicht mehr finanziert werden konnten und in der Auflösung begriffen waren. Im MASGF wurde deshalb die Idee entwickelt, Gesundheitszentren und Betreuungsdienste für chronisch Kranke zu etablieren und deren Finanzierung durch die Sozialversicherungsträger zu erreichen. Für entsprechende Umstrukturierungsmaßnahmen stellte der Landeshaushalt im Jahre 1991 insgesamt 117 Millionen DM zur Verfügung. Im Landeshaushalt 1992 waren dafür zusätzlich als „Zuschüsse für Dispensairebetreuung“ zwölf Millionen DM und für 1993 sieben Millionen DM veranschlagt. Hiervon sollten bis zur Erreichung einer Regelfinanzierung durch die Krankenkassen die Sach- und Personalkosten der „Betreuungsdienste chronisch Kranker“ (BcK) gedeckt werden. Man ging davon aus, daß für diese Umstrukturierungsaufgabe zwei Jahre benötigt würden und sie Ende 1993 abgeschlossen sein sollte. Für das Jahr 1994 war deshalb kein entsprechender Mittelansatz mehr vorgesehen.
Zur Umsetzung des Vorhabens, von den Krankenkassen finanzierte Betreuungseinrichtungen für chronisch Kranke zu etablieren, arbeitete das MASGF mit dem Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH (IGES) in Berlin zusammen, das bereits die Umwandlung der Polikliniken und die Einrichtung der Gesundheitszentren durchführte. IGES entwickelte zusammen mit dem MASGF eine entsprechende Förderrichtlinie des Landes Brandenburg , die rückwirkend zum 1. Juli 1992 in Kraft trat. Aufgrund der nun
vorhandenen Förderrichtlinie hob der Minister der Finanzen die bislang bestehende Sperre bezüglich der für die Dispensairebetreuung vorgesehenen Haushaltsmittel auf.
Da das MASGF nicht über entsprechendes Personal verfügte, sollten Aufbau und Finanzierung der BcK über IGES erfolgen. Es kam zu Verhandlungen , in die neben dem Angeklagten B und Vertretern von IGES auch der Haushaltsbeauftragte des MASGF, D , einbezogen war. Als Haushaltsbeauftragtem oblag dem früheren Mitangeklagten D (gegen den das Verfahren nach § 153a Abs. 2 StPO erledigt worden ist) die Verantwortung für die Ausführung des Haushaltsplanes und er war bei Maßnahmen von finanzieller Bedeutung zu beteiligen. Mit Billigung von D unterzeichnete die Angeklagte S am 18. September 1992 seitens der MASGF einen Vertrag mit IGES. In dem Vertrag war vorgesehen, daß die haushaltsrechtlich angesetzten Fördermittel für 1992 und 1993 in Höhe von insgesamt 19 Millionen DM von IGES treuhänderisch verwaltet werden sollten, wobei in diesem Betrag ein Honorar in Höhe 1,6588 Millionen DM für IGES enthalten war. Auf Anforderung von IGES wurde auf Anordnung der Angeklagten S am 26. Oktober 1992 ein Betrag in Höhe von zehn Millionen DM angewiesen; der Angeklagte B v eranlaßte die am 4. Januar 1993 erfolgte Auszahlung des restlichen, zunächst als Sicherungsrücklage einbehaltenen Betrages von rund 700.000 DM an IGES entsprechend der vertraglich getroffenen Treuhandabrede.
Bis zum 31. Dezember 1992 waren bei IGES noch nicht verbrauchte Fördergelder in Höhe von 9,89 Millionen DM vorhanden. Den hieraus erwirtschafteten Zinsertrag überwies IGES an das MASGF und beantragte eine Verlängerung des Bewilligungszeitraums. Diesem Antrag kam der Angeklagte B nach, ohne allerdings eine konkrete Befristung anzugeben.
In der Folge schloß IGES mit den einzelnen Einrichtungen Förderverträge , die insgesamt ein Volumen von 7,1 Millionen DM hatten. Den einzelnen Vereinbarungen lag ein Mustervertrag zugrunde, den IGES nach Abstimmung mit dem MASGF ausgearbeitet hatte. In der Folgezeit wurden – auf reduziertem Niveau – im August und September 1993 vier weitere Förderverträge abgeschlossen, wodurch die an IGES ausgereichten Treugutmittel im wesentlichen aufgebraucht waren. Mit Überweisung vom 29. Dezember 1993 zahlte IGES die restlichen Fördermittel an die einzelnen Einrichtungen aus und legte gegenüber dem MASGF eine Schlußrechnung.
Bereits ab September 1993 sollte auf Betreiben des zuständigen Referatsleiters im Finanzministerium, des Zeugen Br , die zukünftige Förderung der BcK nicht mehr über die Bildung von Treugut erfolgen, sondern die Mittel sollten auf der Grundlage von Zuwendungsbescheiden des MASGF, die dann allerdings von IGES vorbereitet wurden, direkt an die einzelnen Einrichtungen ausgereicht werden. Auf Antrag der jeweiligen Fördereinrichtungen ergingen insgesamt 13 Zuwendungsbescheide im November /Dezember 1993, die der Angeklagte B mit Wissen und Billigung der Angeklagten S unterzeichnete. In allen Zuwendungsbescheiden war ein Bewilligungszeitraum bis zum 31. Dezember 1993 angegeben. Obwohl bei den Fördereinrichtungen zum damaligen Zeitpunkt noch kein aktueller weiterer Bedarf bestand, wurden sämtliche – den gekürzten Haushaltsansatz für 1993 in Höhe von 6,3 Millionen DM ausschöpfende – Mittel noch im Dezember 1993 ausgezahlt.
Die Verwendung der Haushaltsmittel wurde weiterhin von IGES überwacht , das hierüber auch gegenüber dem MASGF berichtete. Mit Schreiben vom 29. Juni 1994 an die Angeklagte S wies IGES darauf hin, daß aus den Förderverträgen (welche den Haushaltsansatz 1992 betrafen) knapp drei Millionen und aus den Zuwendungsbescheiden noch über sechs Millionen DM bei den Trägern der BcK unverbraucht vorhanden waren. Aufgrund dieser Information kam es innerhalb der MASGF zu Gesprächen,
an denen auch der Haushaltsbeauftragte D beteiligt war. Dieser legte für die Leitung des Ministeriums das Problem in einem Vermerk dar. Der Vermerk gelangte am 1. September 1994 dem Angeklagten A zur Kenntnis. Dieser erkannte, daß ein Widerruf der Zuwendungen bzw. die Rückforderung der nicht verbrauchten Gelder in Betracht gezogen werden mußte. Nach Kontaktaufnahme mit dem Vorsitzenden der AOK war ihm klar, daß eine vollständige Überführung der Betreuungseinrichtungen in die Trägerschaft dieser Krankenkasse wohl ausscheiden werde. Er ging aber davon aus, die Mehrheit der Einrichtungen würde andere Krankenkassen als Träger finden. Nachdem eine zunächst auf Ministerebene in Aussicht genommene Zwischenlösung sich nicht hatte realisieren lassen, wurden Teilwiderrufsbescheide in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen DM erlassen. Dieser Betrag ergab sich aus Berechnungen, welche Summen die Betreuungseinrichtungen bis Mitte 1995 noch benötigen würden. Um die noch nicht gescheiterte spätere Übernahme durch die Krankenkassen offenzuhalten, wurde zunächst nur der überschießende Betrag zurückgefordert. Nachdem – wie sich später aufgrund von Verwendungsnachweisprüfungen herausstellte – weit weniger Gelder verbraucht worden waren, sind schließlich mehrere Millionen DM nach Widerruf der Zuwendungsbescheide zurückgezahlt worden.
Im Haushaltsplan 1994 waren für die „pauschale Förderung für Rehabilitations - und Erholungseinrichtungen“ fünf Millionen DM veranschlagt. Der Angeklagte B entwickelte die Idee, nach dem Vorbild Nordrhein -Westfalens ein Gesundheitshaus einzurichten, das an einem Kur- oder Erholungsort gelegen sein sollte. Nach Vorklärungen fiel die Wahl auf den Erholungsort Ringenwalde. Als Vertreterin des zuständigen Amtes TemplinLand stellte die Zeugin Dr am 3. November 1994 einen Antrag auf Gewährung einer Förderung in Höhe von 3,16 Millionen DM, was 90 Prozent der Baukosten entsprach. Am 9. November 1994 erging eine Förderunbedenklichkeitsmitteilung. Da sich aufgrund neuer bautechnischer Schätzungen die voraussichtliche Bausumme – und damit auch die 90-ProzentFördersumme auf 3,5 Millionen DM – erhöhte, zeichneten die Angeklagten
B und S den Entwurf eines Zuwendungsbescheides in entsprechender Höhe ab und leiteten diesen dem Angeklagten A zu. Nach Rücksprache mit B und S zeichnete der Angeklagte A am 30. November 1994 den Zuwendungsbescheid , der – nach einer Korrektur D , der aber im übrigen den Entwurf ebenfalls billigte – einen Bewilligungszeitraum bis 28. Februar 1995 haben sollte. Diese Ä nderung wurde allerdings versehentlich in dem der Antragstellerin übermittelten Schreiben nicht übernommen, so daß dort weiterhin als Ende des Bewilligungszeitraums der 31. Dezember 1994 ausgewiesen war.
Die Auszahlung der Mittel erfolgte noch im Dezember 1994. Die Aufträge für das Bauvorhaben wurden vom Amt Templin-Land allerdings erst bis zum 24. Februar 1995 vergeben. Die Unternehmen, die den Zuschlag erhalten hatten, stellten sogleich Rechnungen in Höhe des Kostenangebots. In Höhe dieser Rechnungen legte das Amt Sperrkonten an, auf welche die Zeugin Dr die Rechnungsbeträge überweisen ließ und als verbrauchte Mittel deklarierte. Im weiteren Verlauf – was im übrigen schon aufgrund eines Bauablaufplans des Architekten zu erkennen gewesen wäre – zeigte sich, daß die Bauarbeiten bis Oktober 1995 andauern würden.

II.

Das Landgericht hat die Angeklagten, die aufgrund ihrer Funktionen im MASGF eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt hätten, vom Vorwurf der Untreue freigesprochen.
1. Die treuhänderische Überlassung der Haushaltsmittel an IGES hat das Landgericht nicht als pflichtwidrig angesehen, weil § 44 Abs. 3 Landeshaushaltsordnung des Landes Brandenburg (LHO) eine solche Möglichkeit eröffne. Nach dem damaligen Verständnis dieser Norm habe dies im Haushaltsplan ebensowenig ausdrücklich vorgesehen sein müssen, wie die Vergütung für den Treuhänder. Die Mittel seien auch bestimmungsgemäß ver-
wandt worden, jedenfalls hätten die Angeklagten B und S nicht vorsätzlich gehandelt.
2. Hinsichtlich der Auskehrung der Haushaltsmittel für 1993 hätten die Angeklagten B und S nach Auffassung des Landgerichts pflichtwidrig gehandelt, weil diese Mittel – entgegen § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO – ohne aktuellen Bedarf ausgereicht worden seien. Insoweit seien die Mittel auch zweckwidrig verwandt worden, weil ein Auszahlungsgrund für 1993 nicht bestanden und der Haushaltsgesetzgeber für 1994 entsprechende Ausgaben nicht vorgesehen habe. Zwar müsse in der Zweckwidrigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zwingend ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB liegen. Bei freiwilligen Aufgaben des Staates träfe dies jedoch deshalb zu, weil der Haushaltsgesetzgeber Ausgaben hierfür in diesem Haushaltsjahr gerade nicht gewollt habe. Auch hier hätten aber die Angeklagten nicht vorsätzlich gehandelt, denn sie hätten auf die Empfehlung des Haushaltsbeauftragten D vertraut, den sie als kompetenten Experten im Haushaltsrecht gekannt hätten.
3. Hinsichtlich des Angeklagten A gründet sich der Vorwurf der Untreue auf die unterbliebene Anordnung der vollständigen Rückforderung der ausgereichten Gelder für die BcK. Hier hat das Landgericht schon die objektive Pflichtwidrigkeit verneint. Die Rückforderung habe im Ermessen des Angeklagten gelegen, das dieser nicht in rechtswidriger Weise ausgeübt habe. Im übrigen habe er auch nicht in dem Bewußtsein gehandelt, durch das Unterlassen der Rückforderung gegen Vermögensbetreuungspflichten zu verstoßen.
4. Die Ausreichung der Gelder noch im Dezember 1994 hinsichtlich des Gesundheitshauses Ringenwalde sei rechtswidrig gewesen. Die drei Angeklagten hätten deshalb den objektiven Tatbestand der Untreue verwirklicht , weil das Vorhaben erst im Jahr 1995 habe verwirklicht werden können und für dieses Jahr ein entsprechender Haushaltsansatz nicht bestanden
habe. In der infolge der zeitlichen Verschiebung eingetretenen Zweckwidrigkeit der Zuwendung liege auch hier der Nachteil im Sinne des § 266 StGB; denn der Haushaltsgesetzgeber wäre zu einer solchen Leistung nicht verpflichtet gewesen. Sämtliche Angeklagten hätten jedoch nicht vorsätzlich gehandelt , weil sie von einer rechtzeitigen Fertigstellung des Bauvorhabens ausgegangen seien.

B.


Die gegen das freisprechende Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

I.

Die Verfahrensrügen sind unzulässig. Sie sind schon nicht in der gemäß § 345 StPO erforderlichen Form erhoben worden, weil die Revisionsbegründung auf ein der Revisionsschrift nachgeheftetes und nicht unterzeichnetes Ablichtungskonvolut Bezug nimmt (vgl. BGH LM Nr. 2 zu § 345 StPO; BGH VRS 3, 252, 253; BGH, Urteil vom 7. April 1970 – 5 StR 308/69 – bei Dallinger MDR 1970, 899 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 345 Rdn. 14; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 215 f.). Zudem fehlt bei sämtlichen Verfahrensrügen der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderliche vollständige Tatsachenvortrag zu den behaupteten Mängeln. Im übrigen enthalten die Beweisanträge, deren Ablehnung beanstandet wird, weitestgehend keine hinreichend konkreten Beweisbehauptungen (vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 45 f.); auch die Beweismittel sind überwiegend unvollständig bezeichnet.

II.

Näherer Erörterung bedarf nur die Sachrüge.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht die Bildung von Treugut bei IGES nicht als Untreue nach § 266 StGB gewertet.

a) Es hat rechtsfehlerfrei die auf § 44 Abs. 3 LHO gestützte Übertragung der Verwaltung der Fördergelder auf IGES als nicht pflichtwidrig erachtet. Unter den Gegebenheiten der damaligen Zeit konnten die Angeklagten B und S v on der durch die Landeshaushaltsordnung eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen, die Mittelbewirtschaftung und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand auf IGES zu verlagern. Maßgeblich hat das Landgericht dabei auf die im Land Brandenburg in der kurzen Zeit nach seiner Entstehung herausgebildete Verwaltungsübung abgestellt, die ein solches Vorgehen schon bei früheren Förderprogrammen vorsah. So hatte das MASGF schon 1991/1992 die Umstrukturierung der Polikliniken in ähnlicher Weise über IGES abgewickelt. Entscheidender Gesichtspunkt für die Verlagerung der Mittelbewirtschaftung war der sich aus der unzureichenden personellen Besetzung des Ministeriums hier ergebende faktische Zwang. Insoweit bestand für das noch im Aufbau befindliche Ministerium, das aus eigenen Kräften keine ordnungsgemäße Bewirtschaftung hätte leisten können, nur die Alternative, die – vom Haushaltsgesetzgeber durch die Mittelbereitstellung grundsätzlich als wesentlich erachtete – Aufgabe überhaupt nicht durchzuführen.

b) Jedenfalls unter den damals gegebenen Umständen bedurfte es weder einer gesonderten Ermächtigung zur Übertragung noch eines gesonderten Ausweises eines Honorars zugunsten des Treugutnehmers. Die Landeshaushaltsordnung sieht beides nicht ausdrücklich vor. Haushaltsrechtlich wird die Ausgabe inhaltlich aus der Erfüllung notwendiger Aufgaben des Landes bestimmt (§ 6 LHO) und nach dem Bruttoprinzip bewertet (§ 15 Abs. 1 LHO). Haushaltsausgaben sind deshalb nach § 12 Abs. 4 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) durch ihren Zweck definiert (vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht 2. Aufl. Art. 110 GG Rdn. 40).
Dem Förderzweck diente auch die Einschaltung von IGES; Aufgabe des Instituts war unter anderem die Beratung und Unterstützung der BcK, die Tätigkeit insgesamt sollte der Etablierung der Betreuungseinrichtungen die-
nen. Der Mittelansatz durfte deshalb ein angemessenes Honorar für die Leistungen enthalten, die mit der allseitigen Beratung, Betreuung und der Mittelbewirtschaftung verbunden waren. Dabei blieb es dem Haushaltsgesetzgeber freilich unbenommen, die Zweckerreichung näher zu regeln und dies gegenüber der Verwaltung auch für verbindlich zu erklären (vgl. § 12 Abs. 4 letzter Satz HGrG). Wenn er dies später bei vergleichbaren Fällen auch getan und die Bildung von Treugut ausdrücklich angeordnet hat, läßt dies nicht den Schluß auf die Unzulässigkeit der Auslagerung von Treugut zu, wenn diese zeitlich früher erfolgt ist. Vielmehr liegt hier sogar nahe, daß der Haushaltsgesetzgeber bei der Aufstellung des Haushaltsplans für 1992 Kenntnis von der vergleichbaren Situation bei der Umstrukturierung der Polikliniken hatte, die ebenfalls über ein bei IGES gegründetes Treugut abgewickelt wurde. Wenn der Haushaltsgesetzgeber einen entsprechenden Mittelansatz dann trifft, ohne hierzu insoweit gegenteilige Regelungen vorzusehen, so spricht dies eher für seine Billigung der gewählten Vorgehensweise. Vor dem Hintergrund der Aufbauphase im Land Brandenburg, die vor allem rasches Handeln erforderte, konnte deshalb eine zunächst unbeanstandete, wenn auch kurze Verwaltungspraxis, die eine ansonsten nicht zu leistende Aufgabenerfüllung ermöglichte, bei der Normauslegung des § 44 Abs. 3 LHO Gewicht erlangen.

c) Die Ausreichung der restlichen Haushaltsmittel für 1992 war von der (jedenfalls zum damaligen) Zeitpunkt noch rechtmäßigen Bildung des Treugutes gedeckt. Wenn Treugut gebildet wird, dann suspendiert dies – wie sich im übrigen durch den Verweis von § 44 Abs. 3 LHO auf den Absatz 1 dieser Vorschrift ergibt – die haushaltsrechtlichen Bindungen nicht. Der Umstand, daß die Verwaltung der Mittel dem Ministerium nicht mehr unmittelbar zustand , sondern durch die Treugutnehmerin durchzuführen war, ist die notwendige Konsequenz der Mittelverlagerung nach außen. Dadurch sollte die personell nicht ausreichend besetzte oder kompetente Behörde entlastet werden. Dieser Effekt konnte aber nur dann erreicht werden, wenn – bei entsprechenden Sicherungsmaßnahmen – dem Treugutnehmer die Mittel über-
lassen wurden, damit die Mittelbewirtschaftung von dort erfolgen konnte. Die haushaltsrechtlichen Pflichten treffen – was die staatliche Behörde durch geeignete Vertragsklauseln sicherzustellen und zu überwachen hat – den Treugutnehmer. Diese Rechtsfolge hat der Gesetzgeber mit Einführung des § 44 Abs. 3 LHO in Kauf genommen. Die Einhaltung haushaltsrechtlicher Bindungen hatte das MASGF durch die Bezugnahme auf die Förderrichtlinie, durch Anordnungen über die Mittelbewirtschaftung wie auch durch umfangreiche Berichtspflichten sichergestellt (vgl. Dommach in Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht 2000 § 44 BHO Rdn. 15). Die Einhaltung haushaltsrechtlicher Grundsätze war damit im Rahmen der Treugutabrede gewährleistet und wurde auch im Zuge der Durchführung des Treuhandverhältnisses überwacht.
Die Haushaltsmittel für 1992 konnten damit im Oktober 1992 (bzw. der Restbetrag von etwa 700.000 DM Anfang Januar 1993) noch an IGES ausgereicht werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn für das MASGF ersichtlich war, daß die Gelder für die Aufgaben nicht mehr oder zumindest nicht absehbar benötigt würden. Dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Zwar war eine zeitliche Verzögerung gegenüber den Vorstellungen bei Inkraftsetzung des Haushaltsplanes eingetreten. Nach Erlaß der Förderrichtlinie war jedoch die eine Zwischenfinanzierung erfordernde Überleitungsphase angelaufen, Sicherungen für eine vorübergehende (auch verzinsliche ) Anlage der Gelder bei IGES lagen vor und ein künftige Deckung gewährleistender Haushaltsansatz für 1993 war vorhanden. Da der Abschluß konkreter Förderverträge mit den einzelnen Einrichtungen anstand, erfolgte die Auszahlung der Haushaltsmittel und die hierdurch ermöglichte Bildung des Treuguts – zumindest aus damaliger Sicht – auch in haushaltsrechtlich vertretbarer Weise.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht eine Strafbarkeit der Angeklagten S und B wegen Untreue durch die Zuwendung der Haushaltsmittel 1993 an die BcK verneint.

a) Die auf der Grundlage von Zuwendungsbescheiden erfolgten Auszahlungen der Haushaltsmittel für 1993 in Höhe von 6,26 Millionen DM, die noch im Dezember 1993 erfolgten, verstießen gegen Haushaltsrecht. Bis November 1993 waren nach den Feststellungen des Landgerichts von den Haushaltsmitteln 1992 bislang lediglich 2,35 Millionen DM verbraucht. Die restlichen Gelder befanden sich auf Grundlage der (mit Zustimmung des MASGF) von IGES mit den BcK geschlossenen Förderverträge bei den einzelnen BcK. Da deshalb kein aktueller Bedarf für diese Mittel bestand, verstieß ihre Auskehr gegen den Grundsatz der sparsamen Verwaltung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO, der verlangt, daß Ausgaben nicht eher geleistet werden dürfen, als dies für eine wirtschaftliche und sparsame Verwaltung erforderlich ist.

b) Allerdings begründet der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Grundsätze allein nicht den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB. Hierfür muß hinzukommen, daß dem Land Brandenburg, dessen Vermögensinteressen die Angeklagten S und B wahrzunehmen hatten, ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB entstanden ist. Dieser Nachteil kann nicht allein darin begründet sein, daß der Täter gegen die sachliche oder zeitliche Bindung der haushaltsmäßigen Mittel (§ 45 LHO) verstößt oder das Gebot außer Acht läßt (§ 34 Abs. 2 Satz 1 LHO), Ausgaben nur insoweit und nicht eher zu leisten, als sie zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung erforderlich sind (BGHSt 40, 287, 294). Da die Untreue nur das Vermögen, nicht aber allgemein die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn schützt, muß die jeweils pflichtwidrige Handlung darauf untersucht werden, ob sie im konkreten Fall zu einem Vermögensnachteil geführt hat, weil sie zweckwidrig oder sonst dem betreuten Vermögen nachteilig war (BGHSt 43, 293, 297). Ein Nachteil kann in Gestalt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung allerdings bereits dann eintreten, wenn öffentliche Gelder einer haushaltsrechtlichen Kontrolle entzogen werden und damit letztlich der freien Verfügung des Disponierenden unterliegen (BGHSt 40, 287, 296 f., allerdings für die besondere Sachverhaltsgestaltung, die Bud-
getmittel betraf, die einem – sowieso nur eingeschränkter Kontrolle unterliegenden – Geheimdienst zugewiesen wurden). Unter dem Gesichtspunkt der Vermögensgefährdung ist gleichfalls in der Bildung sogenannter „schwarzer Kassen“ ein Vermögensnachteil zu sehen (BGH NStZ 1984, 549; NStZ 1986, 455). Abgesehen von diesen speziellen Sachverhaltsgestaltungen sind zur Feststellung eines Nachteils grundsätzlich die Leistung und die empfangene Gegenleistung im Wege einer Gesamtbetrachtung zu gewichten. Deshalb fehlt es an einem Nachteil, falls wertmindernde oder werterhöhende Faktoren sich gegenseitig aufheben (BGH NStZ 1986, 455, 456). Ungeachtet der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kommt Haushaltsuntreue in Betracht, wenn durch eine Haushaltsüberziehung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, wenn die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mittelaufwand insbesondere in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird (BGHSt 43, 293, 299 mit kritischer Anmerkung von Bittmann NStZ 1998, 495; vgl. weiterhin Coenen, Die Strafbarkeit von Verstößen gegen das Haushaltsrecht 2000 S. 39 ff.).
aa) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung begegnet die Begründung des Landgerichts im Hinblick auf die Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Haushaltsgesetzgebers durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat im vorliegenden Fall den Nachteil darin gesehen, daß die Mittel nicht innerhalb des Haushaltsjahres Verwendung gefunden haben, für das sie vom Haushaltsgesetzgeber in Ansatz gebracht wurden. Jedenfalls wenn es sich – wie hier – um freiwillige Leistungen handele, seien sie immer „nutzlos“, weil der Haushaltsgesetzgeber sie für dieses Jahr nicht als erforderlich betrachtet habe. Ansonsten hätte er sie in den Haushaltsplan eingestellt.
Jedenfalls soweit keine besonderen Anhaltspunkte dafür vorliegen, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Haushaltsgesetzgeber die verspätete Verwendung der Mittel in einem folgenden Haushalt als nutzlos
ansieht. Solche Besonderheiten können zum Beispiel vorliegen, wenn bestimmte Leistungen nach ihrer Zweckbestimmung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums sinnvoll sind oder wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Im übrigen wird aber die Einstellung in den Haushalt gerade indizieren, daß der Haushaltsgesetzgeber die Leistung als nützlich ansieht. Auch soweit die Landeshaushaltsordnung des Landes Brandenburg nicht schon – ohne Befassung des Haushaltsgesetzgebers – die Bildung von Ausgaberesten ausdrücklich zuläßt (§ 45 Abs. 2 i. V. m. § 19 Abs. 1 LHO), wird deshalb nicht ohne weiteres von einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB auszugehen sein (vgl. hierzu auch Coenen aaO S. 50, der bei adäquater Gegenleistung wohl grundsätzlich keinen Vermögensnachteil bei Verstößen gegen die sachliche oder zeitliche Bindung des Haushaltsplans annehmen will).
bb) Im vorliegenden Fall war die Zahlung für die vom Haushaltsgesetzgeber als grundsätzlich nützlich erachtete Übergangsfinanzierung der BcK bestimmt. Eine Zuwendung hierfür könnte deshalb einen Vermögenswert bilden, der im Wege der Gesamtsaldierung von Leistung und Gegenleistung einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB ausschließt. Allerdings erfüllten die Zahlungen – jedenfalls aus der nachträglichen Sicht des Tatrichters – ihren ursprünglichen vom Haushaltsgesetzgeber beigelegten Zweck nicht mehr, weil sie ihrer Natur nach funktionell und zeitlich abgegrenzt waren und der Übergangsfinanzierung dienen sollten. Waren sie für die Erreichung dieses Ziels nicht mehr notwendig oder war das Ziel gar nicht mehr zu verwirklichen , dann wäre die Verwendung der haushaltsmäßig zugewiesenen Gelder zweckwidrig. Leistungen, denen als Gegenwert auch nicht die Erfüllung sozialer Aufgaben gegenübersteht, könnten keinen Vermögenswert schaffen. Durch Zweckverfehlung sinnlose Leistungen würden hier den Nachteil im Sinne des § 266 StGB begründen (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 266 Rdn. 43).
Für die Beurteilung, ob ein Nachteil durch eine Zweckverfehlung der Zahlung in Betracht kommt, darf aber nicht auf eine ex-post-Betrachtung abgestellt werden. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Zahlung. Nur wenn ein absehbar erhöhter Finanzbedarf erkennbar nicht vorliegt, ist die Verwendung der Gelder zweckwidrig und damit geeignet, einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB zu begründen.

c) Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen. Das Landgericht hat nämlich rechtsfehlerfrei den subjektiven Tatbestand der Untreue bei beiden Angeklagten verneint. Sie haben sich, da sie über keine nennenswerten verwaltungs - oder speziell haushaltsrechtlichen Kenntnisse verfügten, auf die Angaben des Zeugen D verlassen. Insofern ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, daß sie im Vertrauen auf dessen Aussagen die Pflichtwidrigkeit ihrer Handlungen ebensowenig erkannten wie einen dem Land Brandenburg hieraus etwa entstandenen Schaden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Beweiswürdigung weder widersprüchlich noch lückenhaft. Das Landgericht hat sowohl die Besprechung mit dem Leiter des Spiegelreferats im Finanzministerium als auch diejenige mit dem Haushaltsbeauftragten D umfassend gewürdigt. Wenn es dabei der letzten Aussage D s, die Auskehrung der Haushaltsmittel 1993 sei in der gewählten Form rechtlich vertretbar, entscheidendes Gewicht beigemessen hat, ist dies eine zulässige Wertung, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem unzulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft dringt auch hinsichtlich des Komplexes „Unterbliebene Rückforderung“ nicht durch.
Ob der Angeklagte A aufgrund der letztlich betragsmäßig zu niedrigen Rückforderung überhaupt pflichtwidrig gehandelt hat, läßt der Senat offen. Inwieweit hier ein Vertrauensschutz der Einrichtungen, möglicherweise
auch ihrer Mitarbeiter und der dort betreuten Patienten bei der Frage der Rückforderung auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenebene aus Rechtsgründen in den Entscheidungsprozeß hätte einbezogen werden können, bedarf keiner Entscheidung. Der Angeklagte A hat nämlich – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat – nicht vorsätzlich gehandelt. Der weite Rahmen des objektiven Tatbestands der Untreue macht es erforderlich, strenge Anforderungen an den Nachweis der inneren Tatseite zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter nicht eigennützig gehandelt hat. Zum Vorsatz gehört dabei, daß sich der Täter auch der Pflichtwidrigkeit seiner Handlung bewußt ist (BGHR StGB § 266 Abs. 1 – Vorsatz 1, 2; kritisch hierzu Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 151). Anhand dieser Grundsätze hat sich das Landgericht bei dem Angeklagten A nicht von einem die Pflichtwidrigkeit umfassenden Vorsatz zu überzeugen vermocht. Es ist dabei der Einlassung des Angeklagten im wesentlichen gefolgt und hat ihm geglaubt, daß er über die im einzelnen ausgereichten Beträge keine konkrete Kenntnis gehabt habe.
Die Beweiswürdigung ist nicht lückenhaft, weil das Landgericht – entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin – den Briefwechsel mit dem Finanzministerium ausdrücklich in seine Bewertung einbezogen, ihm lediglich ein geringeres Gewicht beigemessen hat. Das Landgericht mußte aus dem Schreiben des Finanzministeriums nicht zwingend auf das Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit schließen. Hiergegen sprach neben den umfänglichen sozialen Abwägungsgesichtspunkten auch der Umstand, daß der Angeklagte A zwar als Staatssekretär verwaltungserfahren war, als ausgebildeter Soziologe und Psychologe sich aber ersichtlich wesentlich – vor allem im Hinblick auf die betragsmäßige Abwicklung – auf den Haushaltsbeauftragten des Ministeriums, D , stützte. Deshalb mußte sich – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – der Angeklagte A auch nicht zwangsläufig mit § 37 LHO oder einzelnen Verwaltungsvorschriften befaßt haben, so daß ein Erörterungsmangel des angefochtenen Urteils insoweit ausscheidet.
4. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben schließlich auch hinsichtlich des Tatkomplexes „Gesundheitshaus Ringenwalde“ im Ergebnis ohne Erfolg. Eine Verurteilung scheidet schon aus objektiven Gründen aus.

a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht hier den Nachteil im Sinne des § 266 StGB in objektiver Hinsicht bejaht hat, sind rechtsfehlerhaft. Wie sich aus den Ausführungen oben zu II. 2. b) ergibt, kann ein Vermögensnachteil nicht mit dem Gesichtspunkt begründet werden, daß eine Verwendung der im Haushaltsplan für 1994 vorgesehenen Gelder für das Jahr 1995 betrachtet, eine nutzlose Aufwendung betrifft. Zwar war auch hier die Ausreichung der Mittel noch im Jahre 1994 nach § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO rechtswidrig, weil Leistungen allenfalls in geringem Umfang fällig waren und deshalb jedenfalls nicht sämtliche Fördergelder hätten gezahlt werden dürfen. Insoweit ist jedoch keine Vermögensminderung entstanden. Die Gelder sind nach den Feststellungen des Landgerichts sämtlich für das projektierte Bauvorhaben verwendet worden. Insoweit steht den Zuwendungen auch eine vermögensmäßig gleichwertige Leistung gegenüber. Anhaltspunkte, daß das Vorhaben durch seine bloß zeitliche Verschiebung zweckwidrig geworden sein könnte, sind nicht ersichtlich.
Als Besonderheit kommt hinzu, daß die Mittelbereitstellung für ein Bauvorhaben nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 lit. a) LHO eine Ausgabe für eine Investition darstellt. Als solche ist sie nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LHO übertragbar (vgl. hierzu Dommach in Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht 2000 § 19 BHO Rdn. 1f.). Deshalb können auch – ohne nochmalige Befassung des Haushaltsgesetzgebers – Ausgabenreste nach § 45 Abs. 2 LHO gebildet werden, die eine Inanspruchnahme der Mittel auch für das Folgejahr erlauben. Zwar ist der nach § 45 Abs. 3 LHO vorgesehene Verfahrensgang hier nicht eingehalten worden. Die von der Landeshaushaltsordnung in § 19 Abs. 1 vorgesehene (automatische) Übertragbarkeit belegt aber, daß der Gesetzgeber grundsätzlich bei Bauvorhaben eine strenge Bindung an den
Ablauf des Haushaltsjahres nicht herstellen will und damit spätere Leistungen auf ein Bauvorhaben auch nicht als nutzlos erachtet.

b) Letztlich kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob die Angeklagten B und S – wie das Landgericht angenommen hat – keine Kenntnis von der nicht mehr zeitgerechten Herstellbarkeit des Bauwerks hatten. Auch insoweit ist allerdings die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerfrei, weil es nicht feststellen konnte, daß die Angeklagten Kenntnis von dem abweichenden Bauzeitenplan des Architekten L hatten. Selbst wenn die Zeugin Dr aufgrund der vorliegenden Unterlagen erkannt haben mag, daß eine fristgerechte Realisierung der Sanierungs - und Umbaumaßnahmen nicht mehr möglich war, läßt dies nicht den Schluß zu, auch die Angeklagten hätten ein entsprechendes Wissen gehabt. Da zudem die Angeklagten meinten, den Maßnahmezeitraum – haushaltsrechtlich zulässig – gegebenenfalls bis Ende Juni 1995 verlängern zu können, konnte das Landgericht ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt ist.
5. Auch im übrigen hat die umfassende Sachprüfung des Senats hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe, bei denen die Freisprüche der Angeklagten S und B nur mit der insoweit nicht näher ausgeführten Sachrüge angegriffen werden, keine Rechtsfehler ergeben.
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(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Die Vorschriften für die Revision in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses gelten entsprechend in folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) eines Landes:

1.
Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen,
2.
Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien,
3.
Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter und
4.
Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden.

(2) In sonstigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes gelten die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung der in § 14 Absatz 1 genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5 000 Euro.