Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 01. Juli 2014 - 2 BvR 989/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2014:rk20140701.2bvr098914
bei uns veröffentlicht am01.07.2014

Gründe

1

Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wendet, hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist.

2

1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von § 243 Abs. 4, § 273 Abs. 1a StPO in Bezug auf Verständigungsgespräche rügt, die der Vorsitzende der Strafkammer außerhalb der Hauptverhandlung mit den Verteidigern der Mitangeklagten geführt hat, genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

3

a) Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 113, 29 <44>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>).

4

b) Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht. Der Beschwerdeführer versäumt es, in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben darzulegen, weshalb er sich durch eine fehlende oder unzureichende Mitteilung und Protokollierung von Verständigungsgesprächen, die allein die Mitangeklagten betrafen, in eigenen Grundrechten verletzt sieht.

5

aa) Bereits einfachrechtlich ist eine solche "Drittwirkung" von verständigungsbezogenen Verfahrensfehlern keineswegs selbstverständlich.

6

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in die Nähe absoluter Revisionsgründe gerückt (vgl. BVerfGE 133, 168 <223 f., Rn. 97 f.> für Verstöße gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten und BVerfGE 133, 168 <224 f., Rn. 99> für Verstöße gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO). Auch bei absoluten Revisionsgründen sind jedoch in der Regel nur die durch den Verfahrensfehler unmittelbar betroffenen Beteiligten rügeberechtigt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 338 Rn. 4; Gericke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 338 Rn. 4).

7

Auch im Übrigen legen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu verständigungsbezogenen Verfahrensfehlern die Annahme der vom Beschwerdeführer angenommenen "Drittwirkung" nicht nahe:

8

Einen Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO sieht das Bundesverfassungsgericht in seiner Bedeutung für die Selbstbelastungsfreiheit ähnlich gelagert wie einen Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. BVerfGE 133, 168 <225, Rn. 99>). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich ein Mitangeklagter aber auf die unzulängliche Belehrung eines anderen Mitangeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht berufen, weil sein Rechtskreis hiervon nicht berührt wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 1994 - 3 StR 53/94 -, juris, Rn. 12; Beschluss vom 5. Februar 2002 - 5 StR 588/01 -, juris, Rn. 3).

9

Verstöße gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich ihrer revisionsrechtlichen Bedeutung mit der Nichtgewährung des letzten Wortes nach § 258 Abs. 2 und 3 StPO verglichen (vgl. BVerfGE 133, 168 <223, Rn. 97>). Auch insoweit fehlt es jedoch an einer eigenen Beschwer eines Mitangeklagten, wenn nur bei einem anderen Mitangeklagten gegen § 258 StPO verstoßen wurde (vgl. Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 258 Rn. 66 m.w.N.).

10

Vor diesem Hintergrund leuchtet bereits einfachrechtlich nicht ein, weshalb der Beschwerdeführer meint, sich darauf berufen zu können, dass bezüglich seiner Mitangeklagten gegen § 243 Abs. 4, § 273 Abs. 1a StPO verstoßen worden sei.

11

bb) Erst recht fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der verfassungsrechtlichen Perspektive. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. März 2013 unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien dargelegt, dass die gesetzlichen Transparenz- und Dokumentationspflichten dem Zweck dienen, eine vollumfängliche Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 133, 168 <204, Rn. 65; 207, Rn. 67; 212 f., Rn. 76; 214 ff., Rn. 80 ff.>). Hierdurch soll einer Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens durch intransparente, unkontrollierbare "Deals" vorgebeugt werden; diese sind bereits von Verfassungs wegen untersagt (vgl. BVerfGE 133, 168 <232 f., Rn. 115>). Die Transparenzvorschriften des Verständigungsgesetzes dienen somit dem Schutz der Grundrechte des von einer Verständigung betroffenen Angeklagten vor einem im Geheimen sich vollziehenden "Schulterschluss" zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Dass dieser Schutz von Verfassungs wegen auch auf Mitangeklagte zu erstrecken wäre, die von der nicht hinreichend transparenten Verständigung (und einer damit verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips) gar nicht betroffen sind, kann dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht entnommen werden und bedürfte - gerade unter Berücksichtigung des Umstands, dass das somit als Ansatzpunkt allein in Betracht kommende Recht auf ein faires Verfahren lediglich den rechtsstaatlich unverzichtbaren Bestand an Verfahrensrechten sichert (vgl. BVerfGE 133, 168 <200, Rn. 59>) - einer gesonderten Begründung. Diese liefert der Beschwerdeführer jedoch nicht, zumal er nicht einmal mitteilt, inwiefern er bei Kenntnis des konkreten Inhalts der die Mitangeklagten betreffenden Verständigungsgespräche sein Prozessverhalten geändert hätte.

12

2. Im Übrigen wird von einer Begründung nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 01. Juli 2014 - 2 BvR 989/14

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Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93a


(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 92


In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 01. Juli 2014 - 2 BvR 989/14 zitiert 10 §§.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


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In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 23


(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. (2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kom

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 136 Vernehmung


(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Strafprozeßordnung - StPO | § 258 Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes


(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. (2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. (3) Der A

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2002 - 5 StR 588/01

bei uns veröffentlicht am 05.02.2002

BGHSt : ja Veröffentlichung: ja StPO §§ 136 Abs. 1 Satz 2; 141 Abs. 3 Satz 2 1. Die Pflicht zur Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation gebietet nicht, den Beschuldigten, der keinen Wunsch auf Zuziehung eines Verteidigers äußert, a

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(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
StPO §§ 136 Abs. 1 Satz 2; 141 Abs. 3 Satz 2
1. Die Pflicht zur Belehrung über das Recht auf
Verteidigerkonsultation gebietet nicht, den
Beschuldigten, der keinen Wunsch auf Zuziehung
eines Verteidigers äußert, auf einen vorhandenen
anwaltlichen Notdienst hinzuweisen (im Anschluß
an BGHSt 42, 15).
2. Eingeschränkte Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung
im Ermittlungsverfahren (Abgrenzung
zu BGHSt 46, 93 und BGH, Urteil vom 22. November
2001 – 1 StR 220/01, zur Veröffentlichung
in BGHSt bestimmt).
BGH, Beschluß vom 5. Februar 2002 - 5 StR 588/01
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2002

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jede Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils u.a. wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag zu Jugendstrafen verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat folgendes an: Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte T beanstandet, daß die Vernehmungen beider Angeklagter durch den Haftrichter anläßlich ihrer Vorführung gemäß § 128 StPO – ungeachtet ihres in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Widerspruchs – verwertet worden sind, bleibt erfolglos.
1. Auf eine angeblich unzulängliche Belehrung der Mitangeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO kann sich die Angeklagte nicht berufen; ihre Rechte werden hierdurch nicht berührt (vgl. BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; Nack StraFo 1998, 366, 372 f.). Bereits daran scheitert ihre Rüge, soweit sie sich gegen die Verwertung der richterlichen Vernehmung der Mitangeklagten wendet.
2. Die Angeklagte ist unmittelbar vor der verwerteten haftrichterlichen Vernehmung wie bereits vor ihrer ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung , bei der sie die Einlassung verweigert hat, über ihr Recht, jederzeit, auch schon vor ihrer Vernehmung, einen zu wählenden Verteidiger zu befragen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO), belehrt worden; dies ist jeweils protokolliert worden. Die Angeklagte hat nicht zu erkennen gegeben, daû sie einen Verteidiger konsultieren wolle. Vor dem Haftrichter hat sie unter Zuziehung eines Dolmetschers nach der Belehrung ohne Verteidigerbeistand ausgesagt.

a) Über die erfolgte Belehrung hinaus war angesichts der fehlenden Reaktion der Angeklagten hierauf ein ausdrücklicher Hinweis auf die Einrichtung eines Verteidigernotdienstes und die Möglichkeit, zu diesem eine telefonische Verbindung mit dem Ziel alsbald realisierbarer anwaltlicher Konsultation herzustellen, nicht geboten.
Der Senat hat ± entgegen dem weitergehenden Verständnis der Verteidigung (entsprechend Kutschera StraFo 2001, 262; vgl. auch Hamm NJW 1996, 2185, 2186) ± eine Pflicht der Ermittlungsbehörden zu einer derartigen Hilfestellung lediglich für den Fall erwogen, daû ein Beschuldigter nach der vorgeschriebenen Belehrung zu erkennen gegeben hat, daû er von seinem Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Verteidigerkonsultation Gebrauch machen wolle; hieraus könne dann eine weitergehende Verpflichtung zur effektiven Ermöglichung dieses Rechts erwachsen (BGHSt 42, 15, 19 f.; vgl. dazu auch die damals restriktivere Position des 1. Strafsenats: BGHSt 42, 170, 173; nicht weitergehend auch Beulke NStZ 1996, 257, 260, 262; Herrmann NStZ 1997, 209, 212). Aus dem Alter der zur Zeit der Beschuldigtenvernehmung 20jährigen Angeklagten, aus ihrer Schwangerschaft, ihrer besonderen Betroffenheit über die vorläufige Festnahme unter dem Verdacht des versuchten Mordes und aus ihren mangelnden Deutschkenntnissen lassen sich keine Belehrungs-, Warnungs- oder Hinweiserfordernisse herleiten, die über die gesetzliche Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO hinausgehen. Vielmehr genügt diese den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen auch gegenüber einer Beschuldigten in einer derart bedrängenden Situation wie im vorliegenden Fall. Die Voraussetzungen einer geistig -seelischen Beschaffenheit, welche bereits die Besorgnis begründete, sie könne die Belehrung nicht verstanden haben (vgl. BGHSt 39, 349, 351), liegen nicht vor.

b) Weitergehendes wäre nur zu erwägen, wenn die Ermittlungsbehörden bei der gegebenen haftrichterlichen Vernehmungssituation für eine Verteidigung der damaligen Beschuldigten hätten Sorge tragen müssen. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat eine entsprechende aus § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO abzuleitende Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, die gehalten sein könnte, jedenfalls bis zu einer Unterrichtung des Beschuldigten , daû ihm nunmehr ein Verteidiger zu bestellen sei, mit weiteren Ermittlungshandlungen innezuhalten, in seinem zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Urteil vom 22. November 2001 ± 1 StR 220/01 (Umdruck S. 16 f.) erwogen. Indes vermag der Senat eine entsprechende Verpflichtung jedenfalls für die hier gegebene Verfahrenssituation nicht anzuerkennen.
Aus dem Regelungsgefüge der §§ 140, 141 StPO folgt, daû ± insoweit auch in näherer Konkretisierung der Anforderungen aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK ± in bestimmten gewichtigeren Fällen die Mitwirkung eines Verteidigers regelmäûig ab Anklageerhebung unerläûlich ist. Ein solches Erfordernis kann indes bereits während des Ermittlungsverfahrens eintreten. So erstarkt insbesondere nach dreimonatigem Vollzug von Untersuchungshaft die Position des Beschuldigten dahin, daû er die Bestellung eines Verteidigers verlangen kann (s. § 140 Abs. 1 Nr. 5, § 117 Abs. 4 StPO; dazu weitergehend BGHSt 46, 93, 99). Aber auch sonst steht eine Pflichtverteidigerbestellung für den Beschuldigten ohne Wahlverteidiger “schon während des Vorverfahrens” im richterlichen Ermessen auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft (§ 141 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO). Für die Stellung dieses Antrags, der sich nach der Prognose notwendiger Verteidigung in einem künftigen gerichtlichen Verfahren richtet, steht der Staatsanwaltschaft ein nicht umfassend gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGHSt 46, 93, 98 f.; BGH, Urt. vom 22. November 2001 ± 1 StR 220/01, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, Umdruck S. 13 ff.).
Hiernach wird eine Verteidigerbestellung bereits im Ermittlungsverfahren jedenfalls dann zu veranlassen sein, wenn mit im Sinne des § 140 Abs. 1 oder 2 StPO gewichtiger Anklageerhebung zu rechnen ist und eine effektive Wahrnehmung der Verteidigungsinteressen des Beschuldigten die Mitwirkung eines Verteidigers, beispielsweise durch Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts , schon vor Anklageerheebung unerläûlich erfordert (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 141 Rdn. 5). Zutreffend verlangt der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, der insoweit (aaO) eine Reduzierung des richterlichen Ermessens (§ 141 Abs. 3 Satz 1 StPO) auf Null und eine entsprechende Einengung des staatsanwaltlichen Beurteilungsspielraums (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO) annimmt, die Bestellung eines Verteidigers vor einer beweissichernden ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines wesentlichen Belastungszeugen in Abwesenheit des Beschuldigten (BGHSt 46, 93, 99 f.); in diesem Fall wird nur so den Anforderungen des Rechtes des Beschuldigten auf Verteidigung aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK, hier insbesondere mit Rücksicht auf eine effektive Wahrung seines Fragerechts aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK, genügt.
Dem geltenden Recht ist indes nicht zu entnehmen, daû bereits dann, wenn die Staatsanwaltschaft ± oder etwa gar die ermittlungsführende Polizei ± im Ermittlungsverfahren den dringenden Verdacht eines Verbrechens (s. § 140 Abs. 1 Nr. 2) ± oder auch eines gewichtigen Vergehens (vgl. nur § 140 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO) ± für begründet erachtet, eine entsprechende Reduzierung des Beurteilungsspielraums der Staatsanwaltschaft für die Stellung eines Antrags auf Verteidigerbestellung nach § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO anzunehmen wäre, die sie jedenfalls veranlassen müûte, “mit Ermittlungen, welche die Mitwirkung des Beschuldigten erfordern, innezuhalten” , mindestens bis zu einem weitergehenden Hinweis an ihn auf die nunmehr anzunehmende Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung (BGH, Urt. vom 22. November 2001 ± 1 StR 220/01, Umdruck S. 16 f.). Eine solche Position ± die letztlich, wenn nicht allzu groûe Unsicherheiten verursacht werden sollen, die Annahme notwendiger Verteidigung mit dem Beginn eines dringenden gewichtigen Verdachts zur Konsequenz haben müûte ± entspricht nicht der differenzierten gesetzlichen Regelung (§§ 140, 141 StPO nebst Sondernormen). Sie wird weder von Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK noch von dem nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG garantierten Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren als Mindeststandard gefordert. De lege ferenda wird eine Verstärkung der Verteidigungsrechte im Ermittlungsverfahren diskutiert (vgl. nur das “Eckpunktepapier” zur Reform des Strafverfahrens , StV 2001, 314, 315). Hierüber wird gegebenenfalls der Gesetzgeber unter Abwägung der im Strafverfahren verfolgten gegenläufigen Anliegen zu befinden haben (vgl. BVerfGE 57, 250, 275 f.; 63, 45, 61). Dies sind namentlich das Interesse des Beschuldigten an möglichst effektiver Verteidigung auf der einen, die Belange der Wahrheitsermittlung und Verfahrensbeschleunigung sowie eines effektiven Opferschutzes auf der anderen Seite, nicht zuletzt aber auch Kosteninteressen. De lege lata besteht keine Rechtslage, wonach eine derart frühzeitig notwendige Verteidigung bereits im Ermittlungsverfahren gefordert wäre.

c) Da für einen Sonderfall, in dem auf eine Verteidigerbestellung zugunsten der Angeklagten T bereits vor ihrer haftrichterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren hätte hingewirkt werden müssen, hier sonst keine durchgreifenden Gründe ersichtlich sind, wird die Verwertbarkeit dieser Ver- nehmung nicht dadurch in Frage gestellt, daû zuvor kein Hinweis auf die Möglichkeit erteilt worden ist, den bestehenden Strafverteidigernotdienst in Anspruch nehmen zu können.
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(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.