Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2016 - 1 K 3466/14

bei uns veröffentlicht am14.04.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 23. Mai 2007 gegründete GmbH. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer ist Herr A (A). Gegenstand der Klägerin ist laut Gesellschaftsvertrag bzw. Gesellschafterbeschluss vom 29. Februar 2008 das „Erbringen von ... medizinischen ... Leistungen“.
A war in den Streitjahren außerdem Gesellschafter der mit „Vertrag über die medizinische Jobsharing-Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform der Partnerschaft“ vom 21. Oktober 2004 zum 1. Januar 2005 gegründeten „PD A und Partner Ärzte für Diagnostische [ ... ]“ (Partnerschaft). Sein Kapitalanteil betrug 100 %. An der Partnerschaft waren zwei weitere natürliche Personen ohne Kapitalanteil beteiligt. Ein dritter Gesellschafter trat der Partnerschaft -ebenfalls ohne Kapitalanteil- im Jahr 2008 bei. Die Partnerschaft wird von A als geschäftsführendem Gesellschafter oder durch alle Gesellschafter gemeinsam vertreten. Die Geschäftsführung obliegt allen Gesellschaftern gemeinsam.
A hält seine Beteiligung an der Klägerin im Sonderbetriebsvermögen bei der Partnerschaft. Das Inventar der Partnerschaft wird nach dem Praxisvertrag als Sonderbetriebsvermögen des A behandelt. Er ist seit dem Jahr 2006 jedenfalls durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage (als natürliche Person) Unternehmer.
Die Partnerschaft erbrachte nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie heilmedizinische Leistungen auf dem Gebiet der [... ]. Die Umsätze betrugen in den Streitjahren zwischen x,x und x Mio. EUR. Die Klägerin führte entgegen dem angegebenen Gesellschaftszweck aufgrund eines Dienstleistungsvertrags zwischen ihr und der Partnerschaft vom 30. Juli 2007 entgeltliche Abrechnungsleistungen (Inkasso), Reinigungsarbeiten und EDV-Support an die Partnerschaft aus.
In ihren Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2010 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze und Vorsteuern wie folgt:
Jahr   
Umsätze
 Vorsteuern
2007   
                 
2008   
                 
2009   
                 
2010   
                 
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 13. Februar 2012 die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2010. Unter Berufung auf Abschn. 2.8 Abs. 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlass in der ab dem 4. Juli 2011 geltenden Fassung (UStAE) sei eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der Partnerschaft als Organträgerin anzuerkennen. Außerdem gab sie am 14. Februar 2012 geänderte Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2010 ab, in denen sie weder steuerpflichtige Leistungen noch Vorsteuern erklärte.
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) stimmte den geänderten Umsatzsteuererklärungen in den Umsatzsteuerbescheiden 2007 bis 2010 vom 22. Juni 2012 nicht zu, da keine umsatzsteuerliche Organschaft vorliege. Die Vorbehalte der Nachprüfung blieben bestehen.
10 
Mit dem dagegen am 17. Juli 2012 eingelegten Einspruch berief sich die Klägerin weiterhin auf Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE. Während des Einspruchsverfahrens führte das FA eine Außenprüfung durch (Bericht vom 30. September 2013). Die Vorbehalte der Nachprüfung wurden mit den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2007 bis 2010 vom 28. Oktober 2013 aufgehoben.
11 
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass zwischen Schwestergesellschaften keine Organschaft angenommen werden könne (Hinweis auf Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600). Die Übergangsregelung im Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 5. Juli 2011 (BStBl I 2011, 703) betreffe Altfälle, bei denen -anders als im Streitfall- in der Vergangenheit vom Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung übereinstimmend eine umsatzsteuerliche Organschaft angenommen worden sei.
12 
Dagegen erhob die Klägerin am 31. Oktober 2014 Klage. Sie macht erstmals geltend, A sei Organträger sowohl der Klägerin als auch der Partnerschaft mit der Folge, dass die Abrechnungsleistungen der Klägerin insbesondere für die Tätigkeiten des A nicht steuerbare Innenumsätze seien.
13 
A sei Organträger der Klägerin: Die Klägerin sie finanziell und organisatorisch in das Unternehmen des A eingegliedert, da dieser einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sei. Die Klägerin erbringe Abrechnungsleistungen auch an A und sei daher auch wirtschaftlich eingegliedert.
14 
A sei auch Organträger der Partnerschaft: Die Partnerschaft sei finanziell in das Unternehmen des A eingegliedert, da A mit einem Kapitalanteil von 100 % an der Partnerschaft beteiligt sei. A sei der geschäftsführende Gesellschafter der Partnerschaft, so dass die Partnerschaft auch organisatorisch eingegliedert sei. Die wirtschaftliche Eingliederung ergebe sich aus der Verflechtung der Tätigkeiten des A und der Partnerschaft. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe mit Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia und Minerva (Umsatzsteuerrundschau -UR- 2015, 671) bestätigt, dass auch eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein könne.
15 
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für die Kalenderjahre 2007 bis 2010 vom 28. Oktober 2013 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2014 zu ändern und dabei die Umsatzsteuer jeweils mit 0 EUR festzusetzen.
16 
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
17 
Es meint, zwischen A und der Klägerin könne es mangels Leistungsaustauschs keine nicht steuerbaren Innenumsätze innerhalb einer Organschaft geben. Die Klägerin erbringe ihre Abrechnungsleistungen vielmehr an die Partnerschaft, die dort im Gesamthandsvermögen als Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Auch zwischen A und der Partnerschaft bestehe keine Organschaft, da eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein könne (Hinweis auf Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE).

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist unbegründet. Die Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2010 vom 28. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Es besteht keine umsatzsteuerliche Organschaft.
19 
1. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (Satz 2). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (Satz 3).
20 
Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSyst-RL). Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Zudem können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.
21 
Für die Annahme einer Organschaft ist es erforderlich, dass sich alle drei Merkmale einer Eingliederung feststellen lassen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534;vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, UR 2013, 785; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 287).
22 
2. Zwischen der Partnerschaft als Organträger und der Klägerin als Organgesellschaft kommt keine Organschaft in Betracht. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der Partnerschaft eingegliedert.
23 
a) Die finanzielle Eingliederung erfordert eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person. Der Organträger muss über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt (BFH-Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600; jeweils unter Aufgabe früherer Rechtsprechung).
24 
Der 5. Senat des BFH hat an diesen Anforderungen auch nach dem EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia und Minerva (UR 2015, 671) festgehalten (vgl.BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, UR 2016, 192; vom 3. Dezember 2015 V R 36/13, BFHE 251, 556, UR 2016, 204). Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
25 
b) Im Streitfall ist die Klägerin nicht unmittelbar in das Unternehmen der Partnerschaft eingegliedert, da die Partnerschaft nicht Gesellschafterin der Klägerin ist. Die Partnerschaft ist auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der Klägerin beteiligt. Die finanzielle Eingliederung kann auch nicht mittelbar über Gesellschafter des Organträgers bestehen.
26 
c) Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 5. Juli 2011 (BStBl I 2011, 703) berufen, da sie vor der Rechtsprechungsänderung zur Organschaft bei Schwestergesellschaften selbst keine Organschaft angenommen hatte.
27 
3. Es besteht auch keine Organschaft zwischen A als Organträger und der Klägerin und der Partnerschaft als Organgesellschaften mit der Folge, dass die Leistungen der Klägerin an die Partnerschaft als nicht steuerbare Innenumsätze zu qualifizieren wären.
28 
a) A ist als Unternehmer tauglicher Organträger.
29 
Organträger kann jede Person sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist. Die Unternehmereigenschaft des Organträgers gehört zu den Voraussetzungen, nicht aber zu den Rechtsfolgen der Organschaft (BFH-Urteile vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375; vom 2. Dezember 2015 V R 67/14, BFHE 251, 547, UR 2016, 199, jeweils zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Organträger).
30 
Im Streitfall ist A als natürliche Person aufgrund des Betriebs einer Photovoltaikanlage Unternehmer. Er kann damit Organträger sein. Nach dem insoweit offenen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG („Unternehmen des Organträgers“) muss die Beteiligung an der Untergesellschaft (im Streitfall: Klägerin und Partnerschaft) nicht im unternehmerischen Bereich gehalten werden (vgl. Buttgereit/Schulte, UR 2011, 605, 606, unter II.3.). Einschränkungen ergeben sich erst aus den Eingliederungsvoraussetzungen.
31 
Eine natürliche Person kann grundsätzlich Organträger für mehrere Organgesellschaften sein (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505).
32 
b) Es fehlt aber zumindest an der wirtschaftlichen Eingliederung der beiden Gesellschaften in das Unternehmen des A.
33 
aa) Für die wirtschaftliche Eingliederung genügt es, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen. Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BStBl II 2011, 988).
34 
Die wirtschaftliche Eingliederung setzt das Erbringen entgeltlicher Leistungen voraus, die für das Unternehmen der Organgesellschaft zu mehr als nur einer unbedeutenden Entlastung führen (BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Rz 35; vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218; vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114; vorausgesetzt im BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 30 ff., 43 ff.; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz 194, Stand: März 2016; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz 117; Bunjes/Korn, UStG, 13. Aufl., 2014, § 2 Rz 124; kritisch Buttgereit/Schulte, UR 2011, 605, 608, unter II.4.b).
35 
bb) Im Streitfall hat A entgeltliche Leistungen weder an die Klägerin noch an die Partnerschaft erbracht, so dass eine wirtschaftliche Eingliederung aufgrund unmittelbarer Beziehungen zwischen ihm als Organträger und den Gesellschaften ausscheidet. Daran ändert auch die Bilanzierung von Inventar im Sonderbetriebsvermögen des A nichts. Die unternehmerische Tätigkeit des A aufgrund des Betriebs der Photovoltaikanlage reicht nicht aus, denn der wirtschaftliche Zusammenhang muss gerade zwischen den unternehmerischen Tätigkeiten des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz 197, Stand: März 2016; ähnlich Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 2 UStAE, wonach die Beteiligung an der Gesellschaft dem unternehmerischen Bereich des Gesellschafters zugeordnet sein muss).
36 
cc) Die wirtschaftliche Eingliederung ergibt sich auch nicht durch die entgeltlichen Abrechnungsleistungen der Klägerin an die Partnerschaft. Vertragspartner des Dienstleistungsvertrags vom 30. Juli 2007 sind die Klägerin und die Partnerschaft (und nicht A). Nach diesen schuldrechtlichen Verträgen bestimmt sich im Umsatzsteuerrecht, wer als Leistender und Leistungsempfänger anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 2015 XI R 43/13, BFHE 251, 253, BStBl II 2015, 919), so dass die Abrechnungsleistungen von der Klägerin an die Partnerschaft erbracht wurden.
37 
Die wirtschaftliche Eingliederung muss zwar nicht aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern kann auch auf der Verflechtung zwischen zwei Organgesellschaften beruhen (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 49; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 383). Dies ist aber nur möglich, wenn die leistende Untergesellschaft aufgrund unmittelbarer Beziehungen mit dem Organträger organschaftlich verbunden ist (vorausgesetzt im BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 51: „wirtschaftliche Eingliederung über die A-GmbH“). Denn die Eingliederungsvoraussetzungen und damit auch die wirtschaftliche Eingliederung müssen gleichwohl im Verhältnis zwischen Organträger und Untergesellschaft festgestellt werden. Die Leistungen der einen Untergesellschaft werden in diesem Fall nach organschaftlichen Grundsätzen dem Organträger zugerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 2016 XI R 38/12, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 587, Rz 59) und damit zu Leistungen des Organträgers an die andere Untergesellschaft. An der Zurechnung zum Organträger fehlt es, wenn entgeltliche Leistungen lediglich zwischen zwei Untergesellschaften ausgetauscht werden, von denen keine aufgrund unmittelbarer Beziehungen mit dem Organträger organschaftlich verbunden ist. So ist es im Streitfall: Weder die Klägerin noch die Partnerschaft ist aufgrund eigener unmittelbarer Beziehungen Organgesellschaft zu A.
38 
dd) Davon abgesehen liegt keine wirtschaftliche Eingliederung vor, wenn den entgeltlichen Leistungen des Gesellschafters für die Unternehmenstätigkeit der Untergesellschaft nur unwesentliche Bedeutung zukommt (BFH-Urteile vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Rz 36; vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 40). So ist die wirtschaftliche Eingliederung zu verneinen, wenn z.B. die abhängige Gesellschaft eine Krankenstation und ihr Gesellschafter Kur- und Bädereinrichtungen betreibt und der Gesellschafter für die Gesellschaft lediglich Verwaltungsaufgaben in den Bereichen Buchführung und laufende Personalverwaltung übernimmt (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534). Das Gleiche gilt, wenn der Gesellschafter an die Gesellschaft gegen Entgelt administrative und kaufmännische Leistungen in den Bereichen Buchhaltung, Personalwesen, Lohn- und Gehaltsabrechnung und Steuerberatung erbringt oder Handwerker gestellt (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 42). Das -soweit ersichtlich- bisher von der Rechtsprechung nur für (unmittelbare) Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft aufgestellte Wesentlichkeitserfordernis ist auch im Streitfall zu beachten, da es jeweils um die Frage geht, wann hinreichend enge Verflechtungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern, die in eine Organschaft einbezogen werden sollen, bestehen (ebenso Leonard, DStR 2010, 721, 723, unter 3.3.1; Forster/Trejo, Umsatzsteuerberater -UStB- 2010, 16, 21).
39 
Vorliegend hat die Klägerin an die Partnerschaft lediglich Abrechnungsleistungen (Inkasso), Reinigungsleistungen und EDV-Support erbracht. Dies sind bloß unwesentliche Leistungen, was nicht zuletzt am Verhältnis der Entgelte für diese Leistungen zu der Höhe der Ausgangsleistungen der Partnerschaft deutlich wird. Auch aus diesem Grund scheitert die wirtschaftliche Eingliederung.
40 
d) Die finanzielle und organisatorische Eingliederung der Gesellschaften in das Unternehmen des A kann dahinstehen (vgl. zur Eingliederung von Personengesellschaften in das Unternehmen des Organträgers: BFH-Urteilevom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BFHE 251, 534, UR 2016, 185;vom 19. Januar 2016 XI R 38/12, DStR 2016, 587).
41 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gründe

 
18 
Die Klage ist unbegründet. Die Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2010 vom 28. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Es besteht keine umsatzsteuerliche Organschaft.
19 
1. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (Satz 2). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (Satz 3).
20 
Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSyst-RL). Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Zudem können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.
21 
Für die Annahme einer Organschaft ist es erforderlich, dass sich alle drei Merkmale einer Eingliederung feststellen lassen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534;vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, UR 2013, 785; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 287).
22 
2. Zwischen der Partnerschaft als Organträger und der Klägerin als Organgesellschaft kommt keine Organschaft in Betracht. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der Partnerschaft eingegliedert.
23 
a) Die finanzielle Eingliederung erfordert eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person. Der Organträger muss über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt (BFH-Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600; jeweils unter Aufgabe früherer Rechtsprechung).
24 
Der 5. Senat des BFH hat an diesen Anforderungen auch nach dem EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia und Minerva (UR 2015, 671) festgehalten (vgl.BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, UR 2016, 192; vom 3. Dezember 2015 V R 36/13, BFHE 251, 556, UR 2016, 204). Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
25 
b) Im Streitfall ist die Klägerin nicht unmittelbar in das Unternehmen der Partnerschaft eingegliedert, da die Partnerschaft nicht Gesellschafterin der Klägerin ist. Die Partnerschaft ist auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der Klägerin beteiligt. Die finanzielle Eingliederung kann auch nicht mittelbar über Gesellschafter des Organträgers bestehen.
26 
c) Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 5. Juli 2011 (BStBl I 2011, 703) berufen, da sie vor der Rechtsprechungsänderung zur Organschaft bei Schwestergesellschaften selbst keine Organschaft angenommen hatte.
27 
3. Es besteht auch keine Organschaft zwischen A als Organträger und der Klägerin und der Partnerschaft als Organgesellschaften mit der Folge, dass die Leistungen der Klägerin an die Partnerschaft als nicht steuerbare Innenumsätze zu qualifizieren wären.
28 
a) A ist als Unternehmer tauglicher Organträger.
29 
Organträger kann jede Person sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist. Die Unternehmereigenschaft des Organträgers gehört zu den Voraussetzungen, nicht aber zu den Rechtsfolgen der Organschaft (BFH-Urteile vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375; vom 2. Dezember 2015 V R 67/14, BFHE 251, 547, UR 2016, 199, jeweils zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Organträger).
30 
Im Streitfall ist A als natürliche Person aufgrund des Betriebs einer Photovoltaikanlage Unternehmer. Er kann damit Organträger sein. Nach dem insoweit offenen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG („Unternehmen des Organträgers“) muss die Beteiligung an der Untergesellschaft (im Streitfall: Klägerin und Partnerschaft) nicht im unternehmerischen Bereich gehalten werden (vgl. Buttgereit/Schulte, UR 2011, 605, 606, unter II.3.). Einschränkungen ergeben sich erst aus den Eingliederungsvoraussetzungen.
31 
Eine natürliche Person kann grundsätzlich Organträger für mehrere Organgesellschaften sein (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505).
32 
b) Es fehlt aber zumindest an der wirtschaftlichen Eingliederung der beiden Gesellschaften in das Unternehmen des A.
33 
aa) Für die wirtschaftliche Eingliederung genügt es, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen. Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BStBl II 2011, 988).
34 
Die wirtschaftliche Eingliederung setzt das Erbringen entgeltlicher Leistungen voraus, die für das Unternehmen der Organgesellschaft zu mehr als nur einer unbedeutenden Entlastung führen (BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Rz 35; vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218; vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114; vorausgesetzt im BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 30 ff., 43 ff.; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz 194, Stand: März 2016; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz 117; Bunjes/Korn, UStG, 13. Aufl., 2014, § 2 Rz 124; kritisch Buttgereit/Schulte, UR 2011, 605, 608, unter II.4.b).
35 
bb) Im Streitfall hat A entgeltliche Leistungen weder an die Klägerin noch an die Partnerschaft erbracht, so dass eine wirtschaftliche Eingliederung aufgrund unmittelbarer Beziehungen zwischen ihm als Organträger und den Gesellschaften ausscheidet. Daran ändert auch die Bilanzierung von Inventar im Sonderbetriebsvermögen des A nichts. Die unternehmerische Tätigkeit des A aufgrund des Betriebs der Photovoltaikanlage reicht nicht aus, denn der wirtschaftliche Zusammenhang muss gerade zwischen den unternehmerischen Tätigkeiten des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz 197, Stand: März 2016; ähnlich Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 2 UStAE, wonach die Beteiligung an der Gesellschaft dem unternehmerischen Bereich des Gesellschafters zugeordnet sein muss).
36 
cc) Die wirtschaftliche Eingliederung ergibt sich auch nicht durch die entgeltlichen Abrechnungsleistungen der Klägerin an die Partnerschaft. Vertragspartner des Dienstleistungsvertrags vom 30. Juli 2007 sind die Klägerin und die Partnerschaft (und nicht A). Nach diesen schuldrechtlichen Verträgen bestimmt sich im Umsatzsteuerrecht, wer als Leistender und Leistungsempfänger anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 2015 XI R 43/13, BFHE 251, 253, BStBl II 2015, 919), so dass die Abrechnungsleistungen von der Klägerin an die Partnerschaft erbracht wurden.
37 
Die wirtschaftliche Eingliederung muss zwar nicht aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern kann auch auf der Verflechtung zwischen zwei Organgesellschaften beruhen (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 49; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 383). Dies ist aber nur möglich, wenn die leistende Untergesellschaft aufgrund unmittelbarer Beziehungen mit dem Organträger organschaftlich verbunden ist (vorausgesetzt im BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 51: „wirtschaftliche Eingliederung über die A-GmbH“). Denn die Eingliederungsvoraussetzungen und damit auch die wirtschaftliche Eingliederung müssen gleichwohl im Verhältnis zwischen Organträger und Untergesellschaft festgestellt werden. Die Leistungen der einen Untergesellschaft werden in diesem Fall nach organschaftlichen Grundsätzen dem Organträger zugerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 2016 XI R 38/12, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 587, Rz 59) und damit zu Leistungen des Organträgers an die andere Untergesellschaft. An der Zurechnung zum Organträger fehlt es, wenn entgeltliche Leistungen lediglich zwischen zwei Untergesellschaften ausgetauscht werden, von denen keine aufgrund unmittelbarer Beziehungen mit dem Organträger organschaftlich verbunden ist. So ist es im Streitfall: Weder die Klägerin noch die Partnerschaft ist aufgrund eigener unmittelbarer Beziehungen Organgesellschaft zu A.
38 
dd) Davon abgesehen liegt keine wirtschaftliche Eingliederung vor, wenn den entgeltlichen Leistungen des Gesellschafters für die Unternehmenstätigkeit der Untergesellschaft nur unwesentliche Bedeutung zukommt (BFH-Urteile vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Rz 36; vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 40). So ist die wirtschaftliche Eingliederung zu verneinen, wenn z.B. die abhängige Gesellschaft eine Krankenstation und ihr Gesellschafter Kur- und Bädereinrichtungen betreibt und der Gesellschafter für die Gesellschaft lediglich Verwaltungsaufgaben in den Bereichen Buchführung und laufende Personalverwaltung übernimmt (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534). Das Gleiche gilt, wenn der Gesellschafter an die Gesellschaft gegen Entgelt administrative und kaufmännische Leistungen in den Bereichen Buchhaltung, Personalwesen, Lohn- und Gehaltsabrechnung und Steuerberatung erbringt oder Handwerker gestellt (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Rz 42). Das -soweit ersichtlich- bisher von der Rechtsprechung nur für (unmittelbare) Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft aufgestellte Wesentlichkeitserfordernis ist auch im Streitfall zu beachten, da es jeweils um die Frage geht, wann hinreichend enge Verflechtungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern, die in eine Organschaft einbezogen werden sollen, bestehen (ebenso Leonard, DStR 2010, 721, 723, unter 3.3.1; Forster/Trejo, Umsatzsteuerberater -UStB- 2010, 16, 21).
39 
Vorliegend hat die Klägerin an die Partnerschaft lediglich Abrechnungsleistungen (Inkasso), Reinigungsleistungen und EDV-Support erbracht. Dies sind bloß unwesentliche Leistungen, was nicht zuletzt am Verhältnis der Entgelte für diese Leistungen zu der Höhe der Ausgangsleistungen der Partnerschaft deutlich wird. Auch aus diesem Grund scheitert die wirtschaftliche Eingliederung.
40 
d) Die finanzielle und organisatorische Eingliederung der Gesellschaften in das Unternehmen des A kann dahinstehen (vgl. zur Eingliederung von Personengesellschaften in das Unternehmen des Organträgers: BFH-Urteilevom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BFHE 251, 534, UR 2016, 185;vom 19. Januar 2016 XI R 38/12, DStR 2016, 587).
41 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2016 - 1 K 3466/14

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2016 - 1 K 3466/14

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di
Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2016 - 1 K 3466/14 zitiert 7 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 2 Unternehmer, Unternehmen


(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. G

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen


Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:1.a)die Ausfuhrlieferungen (§ 6) und die Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7),b)die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a); dies gilt nicht, wenn der Unternehmer sein

Referenzen - Urteile

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2016 - 1 K 3466/14 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2016 - 1 K 3466/14 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 03. Dez. 2015 - V R 36/13

bei uns veröffentlicht am 03.12.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanz-gerichts Nürnberg vom 6. August 2013  2 K 1964/10 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 02. Dez. 2015 - V R 67/14

bei uns veröffentlicht am 02.12.2015

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 18. November 2014  1 K 1480/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Urteil, 02. Dez. 2015 - V R 15/14

bei uns veröffentlicht am 02.12.2015

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Urteil, 02. Dez. 2015 - V R 25/13

bei uns veröffentlicht am 02.12.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Aug. 2015 - XI R 43/13

bei uns veröffentlicht am 12.08.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 18. Juli 2012  14 K 702/10 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 08. Aug. 2013 - V R 18/13

bei uns veröffentlicht am 08.08.2013

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär-

Bundesfinanzhof Urteil, 07. Juli 2011 - V R 53/10

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde am 21. Juli 1997 von der M-GmbH und RH gegründet. Die M-GmbH war zu 51 v.H. und RH zu 49

Bundesfinanzhof Urteil, 01. Dez. 2010 - XI R 43/08

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Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

Bundesfinanzhof Urteil, 06. Mai 2010 - V R 26/09

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Tatbestand 1 I. Mit Schreiben vom 10. März 1998 reichte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Umsatzsteu

Bundesfinanzhof Urteil, 22. Apr. 2010 - V R 9/09

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine

Referenzen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

1.
a)
die Ausfuhrlieferungen (§ 6) und die Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7),
b)
die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a); dies gilt nicht, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a) nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat;
2.
die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§ 8);
3.
die folgenden sonstigen Leistungen:
a)
die grenzüberschreitenden Beförderungen von Gegenständen, die Beförderungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr und andere sonstige Leistungen, wenn sich die Leistungen
aa)
unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen oder auf eingeführte Gegenstände beziehen, die im externen Versandverfahren in das Drittlandsgebiet befördert werden, oder
bb)
auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union beziehen und die Kosten für die Leistungen in der Bemessungsgrundlage für diese Einfuhr enthalten sind. Nicht befreit sind die Beförderungen der in § 1 Abs. 3 Nr. 4 Buchstabe a bezeichneten Gegenstände aus einem Freihafen in das Inland;
b)
die Beförderungen von Gegenständen nach und von den Inseln, die die autonomen Regionen Azoren und Madeira bilden;
c)
sonstige Leistungen, die sich unmittelbar auf eingeführte Gegenstände beziehen, für die zollamtlich eine vorübergehende Verwendung in den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gebieten bewilligt worden ist, wenn der Leistungsempfänger ein ausländischer Auftraggeber (§ 7 Abs. 2) ist. Dies gilt nicht für sonstige Leistungen, die sich auf Beförderungsmittel, Paletten und Container beziehen.
Die Vorschrift gilt nicht für die in den Nummern 8, 10 und 11 bezeichneten Umsätze und für die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands einschließlich der Werkleistung im Sinne des § 3 Abs. 10. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat;
4.
die Lieferungen von Gold an Zentralbanken;
4a.
die folgenden Umsätze:
a)
die Lieferungen der in der Anlage 1 bezeichneten Gegenstände an einen Unternehmer für sein Unternehmen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Zusammenhang mit der Lieferung in ein Umsatzsteuerlager eingelagert wird oder sich in einem Umsatzsteuerlager befindet. Mit der Auslagerung eines Gegenstands aus einem Umsatzsteuerlager entfällt die Steuerbefreiung für die der Auslagerung vorangegangene Lieferung, den der Auslagerung vorangegangenen innergemeinschaftlichen Erwerb oder die der Auslagerung vorangegangene Einfuhr; dies gilt nicht, wenn der Gegenstand im Zusammenhang mit der Auslagerung in ein anderes Umsatzsteuerlager im Inland eingelagert wird. Eine Auslagerung ist die endgültige Herausnahme eines Gegenstands aus einem Umsatzsteuerlager. Der endgültigen Herausnahme steht gleich der sonstige Wegfall der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sowie die Erbringung einer nicht nach Buchstabe b begünstigten Leistung an den eingelagerten Gegenständen,
b)
die Leistungen, die mit der Lagerung, der Erhaltung, der Verbesserung der Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung des Vertriebs oder Weiterverkaufs der eingelagerten Gegenstände unmittelbar zusammenhängen. Dies gilt nicht, wenn durch die Leistungen die Gegenstände so aufbereitet werden, dass sie zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeignet sind.
Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen an Unternehmer, die diese zur Ausführung von Umsätzen verwenden, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 festgesetzt ist. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen sein. Umsatzsteuerlager kann jedes Grundstück oder Grundstücksteil im Inland sein, das zur Lagerung der in Anlage 1 genannten Gegenstände dienen soll und von einem Lagerhalter betrieben wird. Es kann mehrere Lagerorte umfassen. Das Umsatzsteuerlager bedarf der Bewilligung des für den Lagerhalter zuständigen Finanzamts. Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn ein wirtschaftliches Bedürfnis für den Betrieb des Umsatzsteuerlagers besteht und der Lagerhalter die Gewähr für dessen ordnungsgemäße Verwaltung bietet;
4b.
die einer Einfuhr vorangehende Lieferung von Gegenständen, wenn der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung einführt. Dies gilt entsprechend für Lieferungen, die den in Satz 1 genannten Lieferungen vorausgegangen sind. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen sein;
4c.
die Lieferung von Gegenständen an einen Unternehmer für sein Unternehmen, die dieser nach § 3 Absatz 3a Satz 1 im Gemeinschaftsgebiet weiterliefert;
5.
die Vermittlung
a)
der unter die Nummern 1 Buchstabe a, Nummern 2 bis 4b und Nummern 6 und 7 fallenden Umsätze,
b)
der grenzüberschreitenden Beförderungen von Personen mit Luftfahrzeugen oder Seeschiffen,
c)
der Umsätze, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden,
d)
der Lieferungen, die nach § 3 Abs. 8 als im Inland ausgeführt zu behandeln sind.
Nicht befreit ist die Vermittlung von Umsätzen durch Reisebüros für Reisende. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat,
6.
a)
die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Eisenbahnen des Bundes auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken an Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland,
b)
(weggefallen)
c)
die Lieferungen von eingeführten Gegenständen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, ansässige Abnehmer, soweit für die Gegenstände zollamtlich eine vorübergehende Verwendung in den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gebieten bewilligt worden ist und diese Bewilligung auch nach der Lieferung gilt. Nicht befreit sind die Lieferungen von Beförderungsmitteln, Paletten und Containern,
d)
Personenbeförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, wenn die Personenbeförderungen zwischen inländischen Seehäfen und der Insel Helgoland durchgeführt werden,
e)
die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschiffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen. Inländische Seehäfen im Sinne des Satzes 1 sind auch die Freihäfen und Häfen auf der Insel Helgoland;
7.
die Lieferungen, ausgenommen Lieferungen neuer Fahrzeuge im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3, und die sonstigen Leistungen
a)
an andere Vertragsparteien des Nordatlantikvertrages, die nicht unter die in § 26 Abs. 5 bezeichneten Steuerbefreiungen fallen, wenn die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte dieser Vertragsparteien, ihr ziviles Begleitpersonal oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte der gemeinsamen Verteidigungsanstrengung dienen,
b)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrags, soweit sie nicht an die Streitkräfte dieses Mitgliedstaates ausgeführt werden,
c)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen ständigen diplomatischen Missionen und berufskonsularischen Vertretungen sowie deren Mitglieder,
d)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen zwischenstaatlichen Einrichtungen sowie deren Mitglieder,
e)
an Streitkräfte eines anderen Mitgliedstaates, wenn die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits-und Verteidigungspolitik unternommen wird und
f)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte eines Mitgliedstaates, wenn die Umsätze nicht an die Streitkräfte des anderen Mitgliedstaates ausgeführt werden, die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unternommen wird.
Der Gegenstand der Lieferung muss in den Fällen des Satzes 1 Buchstabe b bis d und f in das Gebiet des anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet werden. Für die Steuerbefreiungen nach Satz 1 Buchstabe b bis d und f sind die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen maßgebend. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Bei den Steuerbefreiungen nach Satz 1 Buchstabe b bis d und f hat der Unternehmer die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen dadurch nachzuweisen, dass ihm der Abnehmer eine von der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates oder, wenn er hierzu ermächtigt ist, eine selbst ausgestellte Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster aushändigt. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die übrigen Voraussetzungen nachzuweisen hat;
8.
a)
die Gewährung und die Vermittlung von Krediten,
b)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln. Das gilt nicht, wenn die Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehalts oder ihres Sammlerwerts umgesetzt werden,
c)
die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen,
d)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren,
e)
die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,
f)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen,
g)
die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze,
h)
die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne des § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren alternativen Investmentfonds im Sinne des § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von Wagniskapitalfonds und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
i)
die Umsätze der im Inland gültigen amtlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert;
j)
(weggefallen)
k)
(weggefallen)
9.
a)
die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen,
b)
die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird;
10.
a)
die Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes. Das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt;
b)
die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird;
11.
die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler;
11a.
die folgenden vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 ausgeführten Umsätze der Deutschen Bundespost TELEKOM und der Deutsche Telekom AG:
a)
die Überlassung von Anschlüssen des Telefonnetzes und des diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes sowie die Bereitstellung der von diesen Anschlüssen ausgehenden Verbindungen innerhalb dieser Netze und zu Mobilfunkendeinrichtungen,
b)
die Überlassung von Übertragungswegen im Netzmonopol des Bundes,
c)
die Ausstrahlung und Übertragung von Rundfunksignalen einschließlich der Überlassung der dazu erforderlichen Sendeanlagen und sonstigen Einrichtungen sowie das Empfangen und Verteilen von Rundfunksignalen in Breitbandverteilnetzen einschließlich der Überlassung von Kabelanschlüssen;
11b.
Universaldienstleistungen nach Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14, L 23 vom 30.1.1998, S. 39), die zuletzt durch die Richtlinie 2008/6/EG (ABl. L 52 vom 27.2.2008, S. 3) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend einer Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern gegenüber dieser Behörde verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen nach Satz 1 anzubieten. Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen, die der Unternehmer erbringt
a)
auf Grund individuell ausgehandelter Vereinbarungen oder
b)
auf Grund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu abweichenden Qualitätsbedingungen oder zu günstigeren Preisen als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen oder als den nach § 19 des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294), das zuletzt durch Artikel 272 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, genehmigten Entgelten;
12.
a)
die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen,
b)
die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung auf Grund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrags oder Vorvertrags,
c)
die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken.
Nicht befreit sind die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen und die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind;
13.
die Leistungen, die die Gemeinschaften der Wohnungseigentümer im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, in der jeweils geltenden Fassung an die Wohnungseigentümer und Teileigentümer erbringen, soweit die Leistungen in der Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie der Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen bestehen;
14.
a)
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Satz 1 gilt nicht für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen (aus Unterpositionen 9021 21 und 9021 29 00 des Zolltarifs) und kieferorthopädischen Apparaten (aus Unterposition 9021 10 des Zolltarifs), soweit sie der Unternehmer in seinem Unternehmen hergestellt oder wiederhergestellt hat;
b)
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von
aa)
zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder anderen Krankenhäusern, die ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zugelassen sind; in sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen vor, wenn das Leistungsangebot des Krankenhauses den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder voraussichtlich mindestens 40 Prozent der Leistungen den in § 4 Nummer 15 Buchstabe b genannten Personen zugutekommen, dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr abzustellen,
bb)
Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
cc)
Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch an der Versorgung beteiligt worden sind,
dd)
Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ee)
Rehabilitationseinrichtungen, mit denen Verträge nach § 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ff)
Einrichtungen zur Geburtshilfe, für die Verträge nach § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
gg)
Hospizen, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen, oder
hh)
Einrichtungen, mit denen Verträge nach § 127 in Verbindung mit § 126 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch über die Erbringung nichtärztlicher Dialyseleistungen bestehen,
erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, oder
ii)
von Einrichtungen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes erbracht werden;
c)
Leistungen nach den Buchstaben a und b, die im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder der besonderen Versorgung nach § 140a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch von Einrichtungen erbracht werden, mit denen entsprechende Verträge bestehen, sowie Leistungen zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen die durch Einrichtungen erbracht werden, mit denen Verträge nach § 119b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen;
d)
(weggefallen)
e)
die zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, erbrachten Leistungen eines Arztes oder einer Hygienefachkraft, an in den Buchstaben a und b genannte Einrichtungen, die diesen dazu dienen, ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der nach dem Infektionsschutzgesetz und den Rechtsverordnungen der Länder nach § 23 Absatz 8 des Infektionsschutzgesetzes bestehenden Verpflichtungen zu erbringen;
f)
die eng mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens verbundenen Leistungen, die erbracht werden von
aa)
juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
bb)
Sanitäts- und Rettungsdiensten, die die landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, oder
cc)
Einrichtungen, die nach § 75 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch die Durchführung des ärztlichen Notdienstes sicherstellen;
15.
die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, der gesetzlichen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie der Verwaltungsbehörden und sonstigen Stellen der Kriegsopferversorgung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge
a)
untereinander,
b)
an die Versicherten, die Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, die Empfänger von Sozialhilfe oder die Versorgungsberechtigten;
15a.
die auf Gesetz beruhenden Leistungen der Medizinischen Dienste (§ 278 SGB V) und des Medizinischen Dienstes Bund (§ 281 SGB V) untereinander und für die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und deren Verbände und für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch;
15b.
Eingliederungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch und vergleichbare Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen,
a)
die nach § 178 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen sind,
b)
die für ihre Leistungen nach Satz 1 Verträge mit den gesetzlichen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geschlossen haben oder
c)
die für Leistungen, die denen nach Satz 1 vergleichbar sind, Verträge mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die diese Leistungen mit dem Ziel der Eingliederung in den Arbeitsmarkt durchführen, geschlossen haben;
15c.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Rehabilitationsdienste und -einrichtungen nach den §§ 36 und 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, mit denen Verträge nach § 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch abgeschlossen worden sind;
16.
die eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen, die erbracht werden von
a)
juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
b)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
c)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, § 72 oder § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht oder die Leistungen zur häuslichen Pflege oder zur Heimpflege erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit § 44 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
d)
Einrichtungen, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit den §§ 32 und 42 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
e)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 194 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
f)
Einrichtungen, die nach § 225 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
g)
Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
h)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 123 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 76 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
i)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 8 Absatz 3 des Gesetzes zur Errichtung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau über die Gewährung von häuslicher Krankenpflege oder Haushaltshilfe nach den §§ 10 und 11 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, § 10 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte oder nach § 54 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
j)
Einrichtungen, die aufgrund einer Landesrahmenempfehlung nach § 2 der Frühförderungsverordnung als fachlich geeignete interdisziplinäre Frühförderstellen anerkannt sind,
k)
Einrichtungen, die als Betreuer nach § 1814 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden,
l)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht, oder
m)
Einrichtungen, bei denen die Betreuungs- oder Pflegekosten oder die Kosten für eng mit der Betreuung oder Pflege verbundene Leistungen in mindestens 25 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungshilfe nach § 94 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet werden.
Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis m erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht;
17.
a)
die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch,
b)
die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind;
18.
eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden. Für in anderen Nummern des § 4 bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;
18a.
die Leistungen zwischen den selbständigen Gliederungen einer politischen Partei, soweit diese Leistungen im Rahmen der satzungsgemäßen Aufgaben gegen Kostenerstattung ausgeführt werden, und sofern die jeweilige Partei nicht gemäß § 18 Absatz 7 des Parteiengesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung ausgeschlossen ist;
19.
a)
die Umsätze der Blinden, die nicht mehr als zwei Arbeitnehmer beschäftigen. Nicht als Arbeitnehmer gelten der Ehegatte, der eingetragene Lebenspartner, die minderjährigen Abkömmlinge, die Eltern des Blinden und die Lehrlinge. Die Blindheit ist nach den für die Besteuerung des Einkommens maßgebenden Vorschriften nachzuweisen. Die Steuerfreiheit gilt nicht für die Lieferungen von Energieerzeugnissen im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des Energiesteuergesetzes und von Alkoholerzeugnissen im Sinne des Alkoholsteuergesetzes, wenn der Blinde für diese Erzeugnisse Energiesteuer oder Alkoholsteuer zu entrichten hat, und für Lieferungen im Sinne der Nummer 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2,
b)
die folgenden Umsätze der nicht unter Buchstabe a fallenden Inhaber von anerkannten Blindenwerkstätten und der anerkannten Zusammenschlüsse von Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch:
aa)
die Lieferungen von Blindenwaren und Zusatzwaren,
bb)
die sonstigen Leistungen, soweit bei ihrer Ausführung ausschließlich Blinde mitgewirkt haben;
20.
a)
die Umsätze folgender Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Steuerfrei sind auch die Umsätze von Bühnenregisseuren und Bühnenchoreographen an Einrichtungen im Sinne der Sätze 1 und 2, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass deren künstlerische Leistungen diesen Einrichtungen unmittelbar dienen. Museen im Sinne dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen,
b)
die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer, wenn die Darbietungen von den unter Buchstabe a bezeichneten Theatern, Orchestern, Kammermusikensembles oder Chören erbracht werden,
21.
a)
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
aa)
wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
bb)
wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten,
b)
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer
aa)
an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder
bb)
an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen;
21a.
(weggefallen)
22.
a)
die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden,
b)
andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht;
23.
a)
die Erziehung von Kindern und Jugendlichen und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere Einrichtungen erbracht werden, deren Zielsetzung mit der einer Einrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbar ist und die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden,
b)
eng mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen, soweit sie
aa)
auf Grund gesetzlicher Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit tätig werden oder
bb)
Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergütet wurden,
c)
Verpflegungsdienstleistungen und Beherbergungsleistungen gegenüber Kindern in Kindertageseinrichtungen, Studierenden und Schülern an Hochschulen im Sinne der Hochschulgesetze der Länder, an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Berufsakademie, an öffentlichen Schulen und an Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, sowie an staatlich anerkannten Ergänzungsschulen und an Berufsschulheimen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden.
Steuerfrei sind auch die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die die Unternehmer den Personen, die bei der Erbringung der Leistungen nach Satz 1 Buchstabe a und b beteiligt sind, als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren. Kinder und Jugendliche im Sinne von Satz 1 Buchstabe a und b sind alle Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind. Für die in den Nummern 15b, 15c, 21, 24 und 25 bezeichneten Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;
24.
die Leistungen des Deutschen Jugendherbergswerkes, Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e.V., einschließlich der diesem Verband angeschlossenen Untergliederungen, Einrichtungen und Jugendherbergen, soweit die Leistungen den Satzungszwecken unmittelbar dienen oder Personen, die bei diesen Leistungen tätig sind, Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewährt werden. Das Gleiche gilt für die Leistungen anderer Vereinigungen, die gleiche Aufgaben unter denselben Voraussetzungen erfüllen;
25.
Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Absatz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die Inobhutnahme nach § 42 des Achten Buches Sozialgesetzbuch und Leistungen der Adoptionsvermittlung nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz, wenn diese Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind
a)
von der zuständigen Jugendbehörde anerkannte Träger der freien Jugendhilfe, die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts,
b)
Einrichtungen, soweit sie
aa)
für ihre Leistungen eine im Achten Buch Sozialgesetzbuch geforderte Erlaubnis besitzen oder nach § 44 oder § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch einer Erlaubnis nicht bedürfen,
bb)
Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder Einrichtungen nach Buchstabe a vergütet wurden,
cc)
Leistungen der Kindertagespflege erbringen, für die sie nach § 23 Absatz 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch geeignet sind, oder
dd)
Leistungen der Adoptionsvermittlung erbringen, für die sie nach § 4 Absatz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes anerkannt oder nach § 4 Absatz 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes zugelassen sind.
Steuerfrei sind auch
a)
die Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, wenn die Darbietungen von den von der Jugendhilfe begünstigten Personen selbst erbracht oder die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden und diese Leistungen in engem Zusammenhang mit den in Satz 1 bezeichneten Leistungen stehen,
b)
die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die diese Einrichtungen den Empfängern der Jugendhilfeleistungen und Mitarbeitern in der Jugendhilfe sowie den bei den Leistungen nach Satz 1 tätigen Personen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren,
c)
Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder nach § 1773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder als Ergänzungspfleger nach § 1809 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden,
d)
Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern;
26.
die ehrenamtliche Tätigkeit,
a)
wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oder
b)
wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht;
27.
a)
die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die in Nummer 14 Buchstabe b, in den Nummern 16, 18, 21, 22 Buchstabe a sowie in den Nummern 23 und 25 genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistlichen Beistands,
b)
die Gestellung von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräften durch juristische Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 24 Abs. 2) mit höchstens drei Vollarbeitskräften zur Überbrückung des Ausfalls des Betriebsinhabers oder dessen voll mitarbeitenden Familienangehörigen wegen Krankheit, Unfalls, Schwangerschaft, eingeschränkter Erwerbsfähigkeit oder Todes sowie die Gestellung von Betriebshelfern an die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung;
28.
die Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a ausgeschlossen ist oder wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach den Nummern 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat;
29.
sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanz-gerichts Nürnberg vom 6. August 2013  2 K 1964/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb ein Bauunternehmen. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 teilte er sein Einzelunternehmen in eine GmbH & Co. KG (KG) und eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf. Grundlage hierfür war ein Vertrag vom 21. November 2006. Danach brachte der Kläger die Wirtschaftsgüter seines Einzelunternehmens mit Ausnahme des Anlagevermögens in eine neu gegründete KG ein. Persönlich haftender Gesellschafter war eine GmbH ohne Kapitaleinlage. Das Anlagevermögen brachte der Kläger in eine neu gegründete GbR ein. Nach Gründung der beiden Gesellschaften übertrug der Kläger Gesellschaftsanteile auf seine beiden Söhne, so dass er zu jeweils 20 % und seine beiden Söhne zu jeweils 40 % an beiden Gesellschaften beteiligt waren.

2

Die KG setzte die bisher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Bauunternehmen fort. Ihrem Gesellschaftsvertrag entsprechend stellte die GbR der KG das Anlagevermögen "unentgeltlich zur uneingeschränkten Nutzung" zur Verfügung. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag hatte sie zudem die Aufgabe, das Anlagevermögen zu erhalten und zu pflegen. In den Folgejahren veräußerte die GbR mehrfach Teile des Anlagevermögens.

3

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, die Einbringung des Anlagevermögens des Einzelunternehmens in die GbR und des restlichen Betriebsvermögens in die KG sei keine Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gewesen und nahm steuerpflichtige Umsätze an. Dies führte zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um ... € aus der Einbringung in die GbR und ... € aus der Einbringung in die KG. Zudem versagte das FA den Vorsteuerabzug aus Kosten einer Lagerhallenaufstockung und nahm eine Vorsteuerberichtigung in Bezug auf eine Photovoltaikanlage vor. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1964 veröffentlichten Urteil statt. Eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung liege auch dann vor, wenn der Geschäftsbetrieb auf mehrere Umsatzsteuersubjekte übertragen werde, die den früheren Geschäftsbetrieb in der bisherigen Form aber nur gemeinsam weiterführen können und dies auch tun. Dies ergebe sich aus der zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach die Nichtsteuerbarkeit dazu diene, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen. Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit stehe es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändere oder modernisiere.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die beiden Übertragungsvorgänge seien einzeln zu betrachten und erfüllten dabei beide nicht die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung. Die GbR sei bereits kein Unternehmer gewesen. Erst durch den späteren Verkauf von Wirtschaftsgütern habe sie ihren Gesellschaftszweck geändert und sei Unternehmer geworden. Sie habe auch nicht die Tätigkeit eines Bauunternehmens fortgeführt. Hinsichtlich der KG liege keine Geschäftsveräußerung vor, da ihr nicht die gesamten für die Unternehmenstätigkeit erforderlichen Wirtschaftsgüter übertragen worden seien. Das Anlagevermögen sei nicht auf die KG, sondern auf die GbR übertragen worden. Auf die KG seien nur unwesentliche Wirtschaftsgüter übergegangen. Bei der KG liege kein hinreichendes Ganzes mehr vor. Die Zurückhaltung von Betriebsmitteln sei bislang nur im Rahmen einer miet- oder pachtweisen Überlassung als unschädlich angesehen worden, an der es hier fehle. Der KG stehe gegenüber der GbR kein Rechtsanspruch auf Überlassung zu. Die Personenidentität bei den beiden Gesellschaften ändere hieran nichts, da ein Vertragsverhältnis fehle. Die Zurückhaltung der Betriebsgrundlage erfolge auch nicht durch den Übergeber, sondern durch die GbR als dritte Person.

6

Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligen streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) hat der Senat mit Beschluss vom 24. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des BFH vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

7

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3. Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

8

Das FA macht geltend, dass es weiterhin keine Organschaft mit einem Nichtunternehmer geben könne. Nichtunternehmer seien nicht zwingend in die Organschaft einzubeziehen. Dies ergebe sich zumindest aus den für den nationalen Gesetzgeber bestehenden Regelungsbefugnissen.

9

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

11

Zwischen GbR und KG liege eine Organschaft vor. Bei der KG handele es sich um eine kapitalistisch geprägte Personengesellschaft. Das nationale Recht verstoße gegen das Unionsrecht. Auf eine juristische Person komme es bei der Organschaft nicht an. Auch Nichtunternehmer seien einzubeziehen. Auf eine Unterordnung könne nicht abgestellt werden.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG liegt eine Geschäftsveräußerung nur in Bezug auf die Vermögensübertragung auf die KG, nicht aber auch hinsichtlich der Vermögensübertragung auf die GbR vor. Die Sache ist mangels Feststellungen des FG zur Versagung des Vorsteuerabzugs nicht spruchreif.

13

1. Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer.

14

a) § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht und ist entsprechend diesen Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten "die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen."

15

b) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II.2.a, und vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.a) setzt die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes (Slg. 2003, I-14393) die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.

16

2. Im Streitfall hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass es sich bei der Übertragung von Unternehmensvermögen durch den Kläger auf die KG um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung gehandelt hat.

17

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss dem Unternehmer nicht das gesamte Unternehmensvermögen übertragen werden, so dass eine Geschäftsveräußerung auch vorliegen kann, wenn der Übertragende einzelne Wirtschaftsgüter seines Unternehmensvermögens an den Erwerber vermietet oder verpachtet. So hat der BFH entschieden, dass die unentgeltliche Übertragung eines Bauunternehmens durch den Unternehmer an seinen Sohn auch dann als nicht steuerbare Teilgeschäftsveräußerung beurteilt werden kann, wenn dem Sohn das Betriebsgrundstück für zehn Jahre mit Verlängerungsoption zur Fortführung des Bauunternehmens vermietet wird (BFH-Urteil vom 28. November 2002 V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665, Leitsatz). Soweit der BFH die Langfristigkeit der Nutzungsüberlassung für erforderlich hielt, hat er hieran aufgrund des EuGH-Urteils vom 10. November 2011 C-444/10, Schriever, Slg. 2011, I-11071 nicht festgehalten, sondern entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung auch dann vorliegt, wenn der Warenbestand und die Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, übereignet wurden (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, Leitsatz).

18

Die Dauer des Mietvertrags und damit der Nutzungsüberlassung ist daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sich hieraus "ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit" ergeben könnte.

19

b) Danach steht der Geschäftsveräußerung im Streitfall nicht entgegen, dass der Kläger das Anlagevermögen seines Einzelunternehmens nicht auf die KG übertragen, sondern in die GbR eingebracht hat. Ebenso wie eine Geschäftsveräußerung auch dann vorliegt, wenn der Kläger das Anlagevermögen an die KG nur vermietet oder zunächst vermietet und sodann in die GbR eingebracht hätte, kann eine Geschäftsveräußerung auch gegeben sein, wenn nicht der Kläger, sondern auf seine Veranlassung eine andere Person --hier die GbR-- das Anlagevermögen der KG zur Nutzung überlässt.

20

c) Dabei ist ohne Belang, ob es sich um eine entgeltliche oder um eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung handelt. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn die Unentgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung durch die GbR an die KG "ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit" durch die KG sein könnte. Hierfür bestehen im Streitfall unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks der GbR und der Personenidentität in beiden Gesellschaften aber keine Anhaltspunkte.

21

d) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch. Nach dem EuGH-Urteil Schriever in Slg. 2011, I-11071 ist nicht auf die Entgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung, sondern darauf abzustellen, ob ein Hindernis für die dauerhafte Unternehmensfortführung vorliegt. Die Unentgeltlichkeit begründet ein derartiges Hindernis nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht, da bereits im Vertrag zur Gründung der beiden Gesellschaften und zur Aufnahme der beiden Söhne die Nutzungsüberlassung von der GbR an die KG vereinbart worden war. Dass die Nutzungsüberlassung i.R. dieses dreiseitigen Vertrages unmittelbar zwischen GbR und KG vereinbart wurde und nicht zuerst der Kläger an die KG überlassen hat und die GbR in dieses Überlassungsverhältnis eingetreten ist, spielt keine Rolle.

22

3. Das FG hat indes rechtsfehlerhaft entschieden, auch die Übertragung des Anlagevermögens auf die GbR sei eine Geschäftsveräußerung.

23

a) In Bezug auf das ihr übertragene Anlagevermögen hat die GbR keine eigene unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit i.S. von § 2 Abs. 1 UStG (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) ausgeübt, die als Fortsetzung der durch den Kläger ausgeübten Unternehmenstätigkeit anzusehen sein könnte.

24

So hat die GbR das Anlagevermögen --anders als der Kläger-- nicht für eigenunternehmerische Zwecke (als Bauunternehmung) verwendet. Es liegt auch keine Verwendung durch entgeltliche Vermietung als Unternehmenstätigkeit vor, da die Nutzungsüberlassung von der GbR an die KG unentgeltlich erfolgte. Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung begründet keine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-204/13, Malburg, EU:C:2014:147, Rz 36).

25

b) Soweit die GbR Teile des Anlagevermögens in Teilakten veräußert hat, kann offenbleiben, ob sich hieraus eine Unternehmerstellung der GbR ergab. Denn selbst wenn hierin eine unternehmerische Tätigkeit zu sehen wäre, stellt sich diese jedenfalls nicht als Fortsetzung der durch den Kläger ausgeübten Unternehmenstätigkeit dar.

26

c) Eine als Fortsetzung des Einzelunternehmens anzusehende Tätigkeit der GbR ergibt sich auch nicht aus der vom FG als maßgeblich angesehenen Gesamtschau, da das FG insoweit nicht hinreichend die nach dem EuGH-Urteil vom 30. Mai 2013 C-651/11 X (EU:C:2013:346, Rz 46 f.) maßgebliche Einzelbeurteilung berücksichtigt hat, die nicht nur für den "Übertragenden", sondern auch für den "Begünstigten" und damit für den Erwerber gilt (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908, unter II.2.b).

27

d) Schließlich ergibt sich die für eine Geschäftsveräußerung erforderliche Übertragung auf nur einen Erwerber auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Eine Organschaft besteht aus mehreren Gründen nicht: Es fehlt an einer finanziellen Eingliederung, da weder die KG an der GbR noch die GbR an der KG über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügte (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Hieran hat sich durch das EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) nichts geändert, wie der erkennende Senat mit Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BFHE 252, 158 (Leitsatz) ausdrücklich entschieden hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zur Begründung auf dieses Urteil.

28

Zudem kommt auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) die Einbeziehung eines Nichtunternehmers --wie hier der GbR-- in den Organkreis nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 67/14, BFHE 251, 547, Leitsatz).

29

Im Übrigen kann eine Personengesellschaft nur dann einer juristischen Person bei Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gleichzustellen sein, wenn zu den Gesellschaftern der Personengesellschaft nur der Organträger und die seinem Unternehmen finanziell eingegliederten Personen gehören (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, Leitsatz). Dies kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, da zu den Gesellschaftern von KG und GbR mehrere natürliche Personen gehörten (hier der Kläger und seine Söhne). Zwar steht die Beteiligung einer natürlichen Person der Einbeziehung der Personengesellschaft in den Organkreis nach dem Senatsurteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BFHE 251, 534 nicht entgegen, wenn die natürliche Person der Organträger ist. Die Einbeziehung der Personengesellschaft in den Organkreis setzt dann aber voraus, dass an ihr nur eine natürliche Person als Organträger beteiligt ist, da der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) an seiner Rechtsprechung festhält, nach der es keine sog. Mehrmütterorganschaft gibt (BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, Leitsatz).

30

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat hinsichtlich der weiteren Begründung auf seine Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, V R 67/14 und V R 25/13.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

32

Das FG hat --ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt-- keine hinreichenden Feststellungen zur Versagung des Vorsteuerabzugs in Bezug auf die Herstellungskosten getroffen. Der Senat kann nicht entscheiden, auf welcher Grundlage der Vorsteuerabzug insoweit zu versagen sein könnte. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich der Vorsteuerabzug nach den beim Leistungsbezug bestehenden Verwendungsabsichten richtet (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, unter II.3.a). Sollte auch die Lagerhalle steuerpflichtig auf die GbR übertragen worden sein, rechtfertigt auch diese Übertragung nicht die vom FA angenommene Anwendung von § 15 Abs. 2 UStG.

33

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 18. November 2014  1 K 1480/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt an die Beigeladene, die Alleingesellschafterin der Klägerin, erbracht hat. Geschäftsführer der Klägerin war der stellvertretende Geschäftsführer der Beigeladenen. Die Beigeladene ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat. Dies umfasst die Zurverfügungstellung von Notdiensten in Bereitschaftsdienstpraxen (BDP). Die ärztliche Tätigkeit wird dabei durch Ärzte erbracht, die ihre Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringen und abrechnen. Die Beigeladene ist demgegenüber hoheitlich tätig.

2

Im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung des Notdienstes aus arbeitsrechtlichen und tarifvertraglichen Gründen gründete die Beigeladene die Klägerin. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Erfüllung von Aufgaben, die der Beigeladenen nach dem SGB V obliegen. Die Klägerin war auf privatrechtlicher Grundlage für die Beigeladene tätig.

3

Die Tätigkeit der Klägerin beschränkte sich dabei darauf, das nicht-ärztliche Personal wie medizinische Fachangestellte und Arzthelfer einzustellen und der Beigeladenen zum Einsatz in den BDP zu überlassen. Die Arbeiten des überlassenen Personals betrafen die Abwicklung organisatorischer Aufgaben in den BDP wie auch untergeordnete Heilbehandlungsmaßnahmen. Die Klägerin berechnete die Aufwendungen für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge des überlassenen Personals an die Beigeladene weiter, die diese Kosten über ein Umlageverfahren finanzierte.

4

Wegen fehlender Steuererklärungen erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für die Streitjahre 2008 und 2009 Schätzungsbescheide. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 683 veröffentlichten Urteil erbrachte die Klägerin an die Beigeladene Leistungen gegen Entgelt, die mangels Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auch steuerbar waren. Die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit einem Nichtunternehmer als Organträger sei nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht möglich. Dies verstoße auch nicht gegen Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL). Die Leistungen der Klägerin seien auch nicht steuerfrei.

5

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie sei keine Unternehmerin. Sie sei eine kostenumlegende wirtschaftliche Interessenvereinigung, die nur zum Leistungsbezug der Kassenärztlichen Vereinigung gegründet worden sei und lediglich deren Ressourcen verwalte. Sie erbringe nur untergeordnete Hilfstätigkeiten. Es handele sich um sog. "in house"-Leistungen im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (Richtlinie 2004/18/EG - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2004, L 134, S. 114). Sie handele nur gegen Kostenerstattung. Es fehle an der Eignung, Überschüsse zu erzielen. Sie sei einzig zum Bezug von Personalleistungen gegründet worden. Sie nehme nicht an Wertschöpfungen teil und generiere keinen Mehrwert. Sie erbringe keine marktgängige Leistung. Sie werde nur gegenüber ihrer Alleingesellschafterin tätig. Hilfsweise sei sie als Organgesellschaft anzusehen. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) für die Organschaft eine Unternehmereigenschaft von Organträger und Organgesellschaft verlange, sei dies mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Ein Unternehmen des Organträgers müsse lediglich als Rechtsfolge der Organschaft vorliegen. Die Regelung zur Organschaft diene nicht der Missbrauchsbekämpfung. Die Nichtsteuerbarkeit aufgrund der Organschaft sei systemimmanent. Die Neutralität sei nicht gewährleistet, wenn die eigene Personalbeschaffung durch die Beigeladenen für diese steuerlich günstiger sei. Eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts entsprechend den Vorgaben des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sei möglich. Zumindest seien ihre Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Insoweit bestehe kein Erfordernis, dass sich eine Personenmehrheit zusammenzuschließen habe. Erfasst würden auch "Ein-Personenzusammenschlüsse". Würden Kapitalgesellschaften mit lediglich einem Gesellschafter nicht erfasst, widerspräche dies dem Grundsatz der Neutralität.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009 vom 14. September 2010 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2012 aufzuheben.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin sei Unternehmer. Auf eine Überschusserzielung komme es nicht an. Die Voraussetzungen für eine Organschaft lägen nicht vor, da die Beigeladene nicht Unternehmer sei. Die Leistungen seien auch nicht steuerfrei.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat steuerbare Leistungen gegen Entgelt erbracht. Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung bildeten die Klägerin und die Beigeladene weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine Organschaft. Das FG hat daher zu Recht entschieden, dass die Klägerin an die Beigeladene steuerbare Leistungen ausgeführt hat. Die Leistungen sind auch nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig.

10

1. Die Klägerin hat steuerbare Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Unternehmer erbracht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind steuerbar auch die Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a). Wie der EuGH im Urteil Saudaçor vom 29. Oktober 2015 C-174/14 (EU:C:2015:733, Rz 36 ff. und 45 ff.) zudem entschieden hat, sind auch "Zahlungen zur Deckung der Betriebskosten" Entgelt, steht eine Leistungserbringung im öffentlichen Interesse der Steuerbarkeit nicht entgegen und kommt den Bestimmungen der Richtlinie 2004/18/EG für die Mehrwertsteuer keine Bedeutung zu. Hierin liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wie die Klägerin meint. Denn bei einer Anstellung des Personals direkt bei der Beigeladenen fehlt es an einem Umsatztatbestand nach § 1 UStG. Insoweit liegen nicht miteinander vergleichbare Sachverhalte vor.

11

2. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen auch als Unternehmerin.

12

a) Die Klägerin war gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG gewerblich, nachhaltig und auch zur Einnahmeerzielung tätig. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin nur für die Beigeladene und damit nur für ihre Gesellschafterin tätig war.

13

b) Als GmbH ist die Klägerin keine juristische Person des öffentlichen Rechts i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG. Sie kann auch nicht geltend machen, dass für sie gemäß Art. 13 MwStSystRL als Einrichtung des öffentlichen Rechts das zugunsten der öffentlichen Hand bestehende Privileg der Nichtbesteuerung anzuwenden sei.

14

aa) Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

15

bb) Der EuGH hat es im Urteil Saudaçor (EU:C:2015:733) für möglich gehalten, dass eine Aktiengesellschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden kann, für die Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL gilt. Dies erfordert aber auch nach der Auffassung des EuGH, dass die Aktiengesellschaft "im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt" (EuGH-Urteil Saudaçor, EU:2015:733, Rz 69). Hierfür müssen Tätigkeiten vorliegen, die von den Einrichtungen des öffentlichen Rechts "im Rahmen der ihnen eigenen rechtlichen Regelung ausgeübt werden. Nicht dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Der EuGH hat auch klargestellt, dass der Gegenstand oder der Zweck der Tätigkeit insoweit unerheblich sind und dass die Tatsache, dass die Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst, die Feststellung erlaubt, dass diese Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Regelung unterliegt" (EuGH-Urteil Saudaçor, EU:2015:733, Rz 70). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die hoheitlichen Befugnisse, über die eine Aktiengesellschaft ggf. verfügt, kein Instrument sind, um die wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben (EuGH-Urteil Saudaçor, EU:2015:733, Rz 72).

16

cc) Im Streitfall kann der erkennende Senat offenlassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Aktiengesellschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts anzusehen sein könnte. Denn selbst wenn die GmbH als derartige Einrichtung tätig geworden wäre, übte sie ihre Tätigkeit auf privatrechtlicher, nicht aber auf öffentlich-rechtlicher Grundlage aus. Letzteres macht auch die Klägerin nicht geltend.

17

3. Das FG hat eine zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehende Organschaft sowohl nach nationalem Recht als auch nach dem Unionsrecht zutreffend verneint.

18

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

19

aa) In Bezug auf das Erfordernis einer Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers hat der BFH bereits entschieden, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts Organträger sein kann, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375). Die Unternehmereigenschaft des Organträgers gehört danach entgegen der Auffassung der Klägerin zu den Voraussetzungen, nicht aber zu den Rechtsfolgen der Organschaft.

20

Nach dieser Rechtsprechung entspricht der Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dem des § 2 Abs. 1 UStG und dem Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit in Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL. Ebenso wie bei § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG handelt es sich um den Tätigkeitsbereich, in dem der Unternehmer nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, unter II.1.b zu § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG). Hieran fehlt es z.B. bei einer hoheitlichen Tätigkeit, bei der entweder keine entgeltlichen Leistungen erbracht werden oder es aber zumindest an einem wettbewerbsrelevanten Verhalten fehlt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BFHE 245, 92, unter II.1.a, m.w.N.).

21

Dass der Unternehmensbegriff des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils VNLTO vom 12. Februar 2009 C-515/07 (EU:C:2009:88) ggf. abweichend auszulegen sein könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juni 2015 XI R 15/13, BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865) ist für die Auslegung von § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG sowie von § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG ohne Bedeutung.

22

bb) Auf der Grundlage der bisherigen BFH-Rechtsprechung, an der der erkennende Senat festhält, besteht im Streitfall keine Organschaft zwischen der Klägerin und der Beigeladenen, da die Beigeladene nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die keine unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 UStG (Art. 9 und 13 MwStSystRL) ausübte.

23

b) Eine weitergehende Organschaft als nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

24

aa) Nach Art. 11 MwStSystRL kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Zudem können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.

25

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht zwar nicht auf Art. 11 MwStSystRL berufen. Diese Bestimmung ist aber gleichwohl bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.

26

(1) Wie der EuGH zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG bereits ausdrücklich entschieden hat, erfüllt diese Bestimmung "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 C-108/14, C-109/14, EU:C:2015:496, Rz 50 f.). Dies gilt auch für Art. 11 MwStSystRL.

27

(2) Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten, die die Ermächtigung nach Art. 11 MwStSystRL ausüben, die danach vorgesehene Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht von weiteren als den dort genannten Voraussetzungen abhängig machen dürfen, so dass Wirtschaftsteilnehmern keine weiteren Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufgebürdet werden dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 38).

28

(3) Im Hinblick auf das Erfordernis einer Unternehmereigenschaft der an der Zusammenfassung beteiligten Personen hat der EuGH in einem gegen Irland gerichteten Vertragsverletzungsverfahren entschieden, dass "die Kommission nicht dargetan [hat], dass die Ziele von Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie für eine Auslegung sprechen, wonach nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können" (EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 50). Der EuGH begründet dies damit, dass diese Regelung bezweckt, "die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder um bestimmte Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47). Dabei geht der EuGH davon aus, dass die "Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, eine Gruppe von Personen, die eine oder mehrere Personen umfasst, die unter Umständen einzeln nicht die Eigenschaft des Steuerpflichtigen haben, als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, diesen Zielen jedoch offenkundig nicht zuwider[läuft]." Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass "die Anwesenheit von solchen Personen in einer Mehrwertsteuergruppe zu einer Verwaltungsvereinfachung sowohl für diese Gruppe als auch für die Steuerverwaltung beiträgt und die Verhinderung bestimmter Missbräuche ermöglicht, wobei die Anwesenheit sogar unabdingbar für diese Zwecke sein kann, wenn sie allein die engen Beziehungen herstellt, die auf finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Ebene zwischen den diese Gruppe bildenden Personen bestehen müssen, damit sie zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden" (EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 48).

29

Sollte die Einbeziehung von Nichtsteuerpflichtigen "zu Missbräuchen führen können", seien die Mitgliedstaaten aber zur Schaffung von Sondermaßnahmen berechtigt (EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 49). Insoweit hat das nationale Gericht zu prüfen, ob sich Voraussetzungen des nationalen Rechts, die sich nicht aus Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ergeben, deshalb mit dem Unionsrecht vereinbar sind, weil es sich um eine für die Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme handelt (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

30

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer eigenen Unternehmereigenschaft des Organträgers besteht danach eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht. Zwar geht diese Bedingung über die in Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ausdrücklich genannten Voraussetzungen hinaus. Das Erfordernis der Unternehmereigenschaft des Organträgers ist aber im nationalen Kontext zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich wie auch geeignet.

31

(1) Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis erfordert zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil ergeben, der dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde. Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. EuGH-Urteil Halifax vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, Leitsatz 2).

32

(2) Art. 11 MwStSystRL fasst mehrere Personen zu einem Steuerpflichtigen zusammen, um "die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47).

33

Das dient dazu, "bestimmte Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47). Ebenso wie die bloße Aufspaltung kann aber auch die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen für sich genommen als missbräuchlich anzusehen sein, wenn die Zusammenfassung nicht bloßen Vereinfachungscharakter hat, sondern dazu dient, "in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen", die darin besteht, dass --wie bei den Leistungen zwischen unterschiedlichen Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens-- Innenleistungen zwischen den organschaftlich zusammengefassten Unternehmen nicht steuerbar sind (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 UStG), so dass Innenleistungen für nichtunternehmerische Zwecke nichtsteuerbar erbracht werden können und das Entstehen einer nach § 15 UStG nicht abziehbaren Vorsteuer vermieden wird.

34

Die Unternehmereigenschaft des Organträgers verhindert das Entstehen derartiger Vorteile. Aus diesem Grund verlangt das nationale Recht auch eine Unternehmerstellung der Organgesellschaft, wie sich daraus ergibt, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Regelung zur Selbständigkeit gewerblicher oder beruflicher Tätigkeiten ist.

35

Die Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer bewirkt somit, dass die Organschaft nicht entgegen ihrem Vereinfachungszweck als reines steuerrechtliches Gestaltungsinstrument zur Vermeidung nichtabziehbarer Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen werden kann (vgl. hierzu z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721).

36

(3) Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass keinerlei Umstände ersichtlich sind, die es entsprechend dem Vereinfachungszweck von Art. 11 MwStSystRL rechtfertigen könnten, einen Unternehmer und einen Nichtunternehmer für Zwecke der Umsatzsteuer zu einer Person zusammenzufassen. Soweit der EuGH meint, dass Nichtunternehmer zur Schaffung der Verbindungsvoraussetzungen in die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen einzubeziehen seien, versteht dies der erkennende Senat dahingehend, dass z.B. die finanzielle Eingliederung einer Enkel- in eine Muttergesellschaft auch über eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft erfolgen kann. Dabei ist die Tochtergesellschaft allerdings nicht in den Organkreis einzubeziehen. Der Senat kann daher offenlassen, wie eine wirtschaftliche Verbindung oder Eingliederung zwischen einem Unternehmer und einem Nichtunternehmer begründet werden könnte.

37

4. Die Leistungen sind auch nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Diese Bestimmung setzt bereits nach ihrem Wortlaut einen Zusammenschluss mehrerer Personen voraus und ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Demgegenüber erbringt die Klägerin ihre Leistungen nur an die Beigeladene als ihren Alleingesellschafter.

38

Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem EuGH-Urteil Stichting vom 15. Juni 1989 Rs. 348/87 (EU:C:1989:246). Denn der EuGH hat in diesem Urteil die Steuerfreiheit als "Zusammenschluss" unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Wortlaut des Befreiungstatbestandes abgelehnt. Dass der EuGH sich dabei darauf bezog, dass eine Stiftung Leistungen für eine andere Stiftung erbrachte, ohne dass die eine Stiftung Mitglied der anderen war (EuGH-Urteil Stichting in EU:C:1989:246, Rz 14), reicht für die Begründung der Steuerfreiheit nicht aus. Denn eine derartige Mitgliedschaft ist nur eine von mehreren Bedingungen der Steuerfreiheit. Im Streitfall fehlt es dabei am Erfordernis eines Zusammenschlusses und damit an einer anderen Voraussetzung der Steuerfreiheit als im EuGH-Urteil Stichting in EU:C:1989:246.

39

Soweit sich die Klägerin schließlich auch hier auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beruft, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass dieser Grundsatz keine Regel des Primärrechts der Union, sondern ein bloßer Auslegungsgrundsatz ist, der es nicht erlaubt, den Anwendungsbereich einer eindeutigen Bestimmung der Richtlinie auszuweiten (EuGH-Urteil Malburg vom 13. März 2014 C-204/13, EU:C:2014:147, Rz 43).

40

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde am 21. Juli 1997 von der M-GmbH und RH gegründet. Die M-GmbH war zu 51 v.H. und RH zu 49 v.H. beteiligt. Die Stimmrechte entsprachen den Beteiligungsverhältnissen. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war RH; Geschäftsführer der M-GmbH waren BF und HH.

2

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin wurden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern sowie der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Anstellungsverträgen mit der Geschäftsführung bedurften der Zustimmung der beiden Gründungsgesellschafter.

3

Am Tag ihrer Gründung schloss die Klägerin mit der M-GmbH einen Gewinnabführungsvertrag ab, der in einer Gesellschafterversammlung der Klägerin am 8. August 1997 bestätigt und notariell beurkundet wurde. Nach dem unter Bezugnahme auf das Aktiengesetz abgeschlossenen Vertrag hatte die Klägerin einen pauschalen Gewinnanteil an die M-GmbH abzuführen, die sich ihrerseits zu einer Verlustübernahme verpflichtete. Darüber hinaus verpflichtete sich die Klägerin, ihre Geschäfte nach den Weisungen der M-GmbH zu führen.

4

Am 28. November 1997 vereinbarten die Klägerin und die M-GmbH eine "einheitliche Gestaltungsrichtlinie" ("Konzernrichtlinien") insbesondere für den Wareneinkauf nach Rahmenverträgen. Am 1. Dezember 1997 verpflichtete sich die Klägerin, der M-GmbH wöchentlich den nach Handel und Service getrennten Umsatz, den Wareneinkauf und die Kontostände zu melden.

5

Nach einer am 16. Dezember 1997 vereinbarten Geschäftsordnung bedurften insbesondere der Erwerb und die Veräußerung von Anlagevermögen von mehr als 10.000 DM sowie der Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit einer Kündigungsfrist von mehr als 1 Jahr oder einem Jahresgehalt von mehr als 75.000 DM der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Klägerin.

6

Am 9. Januar 1998 wurde RH zum Prokuristen der M-GmbH bestellt. Am 29. April 1999 warf die M-GmbH der Klägerin vor, Einkaufsverträge vor Abschluss der Zentralverhandlungen abgeschlossen zu haben, und mahnte die Zahlung von "Managementvergütungen" für Leistungen der M-GmbH an die Klägerin an.

7

Die Klägerin ging zunächst davon aus, dass sie umsatzsteuerrechtlich Organgesellschaft der M-GmbH sei. Die Organschaft endete unstreitig zum 30. Juni 1999. Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 1997 und 1998 vom 19. April 2000 und für das Streitjahr 1999 vom 27. Juli 2000 davon aus, dass von Anfang an keine Organschaft bestanden habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

8

Das Finanzgericht (FG) bestätigte das FA. Es fehle an der für die Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung. Hierfür reichten weder Weisungsrechte der M-GmbH noch Berichtspflichten noch eine Geschäftsordnung aus, da der Mehrheitsgesellschafter ein Letztentscheidungsrecht nicht verwirklichen könne, wenn einziger Geschäftsführer der Organgesellschaft der Minderheitsgesellschafter sei. Hieran habe sich auch durch die Prokuraerteilung für RH bei der M-GmbH nichts geändert, da die Geschäftsführerstellung des RH bei der Klägerin nicht auf seiner Stellung als Prokurist bei der M-GmbH beruht habe. Es habe eine "Pattsituation" zwischen den beiden Gesellschaftern der Klägerin bestanden, da die M-GmbH, selbst wenn sie RH als Geschäftsführer der Klägerin zumindest aus wichtigem Grund hätte abberufen können, einen neuen Geschäftsführer nur mit dessen Zustimmung habe bestellen können.

9

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 586 veröffentlicht.

10

Ihre Revision stützt die Klägerin auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie sei Organgesellschaft der M-GmbH gewesen, da sie in diese auch organisatorisch eingegliedert sei. Hierfür komme es nicht zwingend auf eine vollständige Personenidentität der Vertretungsorgane an. Ihr Geschäftsführer RH sei Prokurist der M-GmbH gewesen. Es sei nur theoretisch möglich gewesen, dass RH seinen Interessen als Minderheitsgesellschafter Vorrang vor dem Willen des Organträgers einräumen konnte. Eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung sei auch durch die "Gestaltung der Beziehungen" verhindert worden. So sei der M-GmbH ein umfangreiches Informationsrecht eingeräumt worden. Sie sei teils zur wöchentlichen, teils sogar zur täglichen Berichterstattung verpflichtet gewesen und sei dem auch nachgekommen. Darüber hinaus habe zugunsten der M-GmbH ein vertraglich vereinbartes Weisungsrecht bestanden. Die organisatorische Eingliederung sei rechtlich abgesichert und betriebswirtschaftlich durchsetzbar gewesen, wie sich aus dem Gewinnabführungsvertrag, den Gestaltungs- und Konzernrichtlinien, den zugunsten ihrer Gesellschafterversammlung bestehenden Zustimmungsvorbehalten und der Geschäftsordnung ergebe. RH habe als Geschäftsführer zumindest aus wichtigem Grund abberufen werden können. Es habe eine für die organisatorische Eingliederung ausreichende "Pattsituation" bestanden. Das FG habe schließlich gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, da sich aus ihrem Klagevortrag ergeben habe, "in welchem Umfang die Klägerin und der Organträger organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer abweichenden Willensbildung getroffen haben" und das FG sich bei seiner Beurteilung "auf einen verzerrten Sachverhalt, der von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht", gestützt habe.

11

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 19. April 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 27. Juli 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 40.648,88 € herabgesetzt wird.

12

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Das FG habe die Organschaft zu Recht verneint. Die gegenüber einem Prokuristen bestehende Weisungsbefugnis reiche zur Begründung der organisatorischen Eingliederung nicht aus. Diese folge auch nicht aus der Geschäftsordnung, die für den Geschäftsführer "weite Spielräume" gelassen habe.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, ist die Klägerin mangels organisatorischer Eingliederung nicht Organgesellschaft ihres Mehrheitsgesellschafters.

15

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft).

16

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

17

Die Ausübung der Ermächtigung, "Personen ... als einen Steuerpflichtigen zu behandeln", führt zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19). Dementsprechend setzt die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger voraus (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1., und vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.3.b aa).

18

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt.

19

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2., und vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.).

20

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

21

c) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.b bb (3)). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine "beherrschende Stellung" besteht (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BFHE 172, 541, BStBl II 1994, 129, unter II.1.b) und somit für ihn "besondere Einwirkungsmöglichkeiten" vorliegen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c).

22

3. Im Streitfall war die Klägerin nur finanziell, nicht aber auch organisatorisch in die M-GmbH eingegliedert.

23

a) Die M-GmbH war nicht in der Lage, die für sie aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung bestehende Beherrschungsmöglichkeit in der Geschäftsführung der Klägerin auszuüben.

24

aa) Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei GmbHs insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.). Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben (BFH-Urteile in BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b), wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt (vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) und --anders als in der dem BFH-Urteil in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 zugrunde liegenden Fallgestaltung-- zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG).

25

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwischen den Geschäftsführungsorganen der Klägerin, einer GmbH, und der M-GmbH bestand keine Personalunion, da der einzige Geschäftsführer der Klägerin, RH, nicht auch bei der M-GmbH geschäftsführungsbefugt war. Dass die M-GmbH als Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschafterversammlung der Klägerin gegenüber der Geschäftsführung der Klägerin weisungsbefugt war, reicht ohne zusätzliche personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Klägerin nicht aus.

26

bb) Am Fehlen der für die organisatorische Eingliederung erforderlichen Beherrschungsmöglichkeit hat sich durch die Bestellung des einzigen Geschäftsführers der Klägerin, RH, zum Prokuristen der M-GmbH ab 9. Januar 1998 nichts geändert. Zwar reicht es für die eine organisatorische Eingliederung begründende personelle Verflechtung aus, dass der oder die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Leitsatz 2).

27

Die nach dieser Rechtsprechung mögliche Berücksichtigung leitender Mitarbeiter des Organträgers bei der organisatorischen Eingliederung beruht jedoch auf der Annahme, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft abberufen werden kann.

28

Im Streitfall begründete die Erteilung einer Prokura bei der M-GmbH für RH, den Geschäftsführer der Klägerin, danach keine organisatorische Eingliederung. Denn die M-GmbH konnte nach den besonderen Verhältnissen des Streitfalls ihren Willen gegenüber ihrem Prokuristen RH bei der Geschäftsführung der Klägerin bereits deshalb nicht durchsetzen, weil RH als Gründungsgesellschafter der Klägerin nach deren Satzung --und damit entgegen § 46 Nr. 5 GmbHG-- nicht gegen seinen Willen als Geschäftsführer der Klägerin durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung abberufen werden konnte. Ohne Bedeutung für die organisatorische Eingliederung ist, ob gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG gleichwohl zumindest eine Abberufung aus wichtigem Grund möglich war (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20. Dezember 1982 II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, unter I.1.; zu § 47 Abs. 4 GmbHG vgl. BGH-Urteile vom 27. April 2009 II ZR 167/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2009, 2300, unter II.3.a, und vom 21. Juni 2010 II ZR 230/08, NJW 2010, 3027, unter II.1.). Denn die organisatorische Eingliederung setzt die Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung voraus. Dies erfordert ein uneingeschränktes Abberufungsrecht, das nicht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes besteht. Im Übrigen spricht auch der Umfang der Beteiligung des RH an der Klägerin gegen dessen Abhängigkeit vom Mehrheitsgesellschafter.

29

cc) Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, aus denen sich für die M-GmbH eine Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ergab.

30

So begründen bereits nach bisheriger Rechtsprechung weder das mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss noch eine vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung über die Geschäftsführung die organisatorische Eingliederung (BFH-Urteile in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4., und in BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2.). Dies gilt auch für die von der Klägerin behauptete Pflicht zur sogar täglichen Berichterstattung. Auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung z.B. aufgrund einer Geschäftsführungsordnung sind als bloße Verpflichtung zur Einholung von Weisungen unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a cc, und in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.). Ebenso reicht das bloße Recht zur Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern ohne weiter gehende personelle Verflechtung über das Geschäftsführungsorgan nicht aus (s. oben II.3.a).

31

Im Streitfall war die M-GmbH daher auch nicht aufgrund der ihr als GmbH-Mehrheitsgesellschafter zustehenden Weisungsrechte, der Berichtspflichten und der darüber hinaus bestehenden Zustimmungsvorbehalte in der Lage, die Geschäftsführung der Klägerin zu beherrschen.

32

b) Der Senat hat im Streitfall nicht zu entscheiden, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, nach der sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend in BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

33

Denn auch nach dieser Rechtsprechung reichten die von der Klägerin angeführten Rechte zur Erteilung von Weisungen, zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Berichtspflichten nicht aus, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen (s. oben II.3.a cc). Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls war RH schließlich trotz seiner Stellung als Prokurist nicht als leitender Mitarbeiter der M-GmbH anzusehen (s. oben II.3.a bb).

34

c) Auf das Vorliegen der wirtschaftlichen Eingliederung kam es nicht mehr an.

35

4. Das FG hat nicht gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen.

36

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt insbesondere dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2000 X B 75/99, BFH/NV 2000, 1458; vom 17. März 2010 X B 95/09, BFH/NV 2010, 1827, und vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

37

Demgegenüber wird § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht verletzt, wenn das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt --wie im Streitfall-- nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen würdigt. Insoweit handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler, der im Übrigen im Streitfall nicht vorliegt (s. oben 3.), nicht aber um einen Verfahrensverstoß (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom 24. April 2007 VIII B 251/05, BFH/NV 2007, 1521, und vom 23. Juli 2010 IV B 12/09, BFH/NV 2010, 2063).

Tatbestand

1

I. Mit Schreiben vom 10. März 1998 reichte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume II-IV/1997 ein, aus denen sich aufgrund des geltend gemachten Vorsteuerabzugs ein Vergütungsanspruch von 34.509,40 DM ergab. Sie erklärte dabei, im Vorjahr ein Grundstück erworben und mit einer Büro- und Werkhalle bebaut zu haben. Das Grundstück werde seit 1. Januar 1998 an die S-GmbH vermietet. Das FA zahlte den geltend gemachten Vergütungsbetrag erklärungsgemäß aus.

2

Zu der erklärten Vermietung des Grundstücks durch die Klägerin kam es aber nicht. Denn nach dem schriftlichen Vertrag vom 5. Januar 1998 hatte der Ehemann der Klägerin das von der Klägerin bebaute Grundstück seit dem 1. Januar 1998 (Ziff. 2 des Vertrages) an die S-GmbH verpachtet. Der Ehemann der Klägerin war Mehrheitsgesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der S-GmbH. In der Vorbemerkung zu dem Pachtvertrag wurde darauf hingewiesen, dass der "Verpächter wirtschaftlicher und zukünftig auch rechtlicher Eigentümer des von der Pächterin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes genutzten Grundstücks" sei. Die monatliche Pacht sollte 2.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer betragen (Ziff. 3 des Vertrages) und zunächst gegen ein dem Ehemann der Klägerin von der S-GmbH gewährtes Darlehen verrechnet werden, das die S-GmbH nach einem gleichfalls am 5. Januar 1998 schriftlich abgeschlossenen Darlehensvertrag dem Ehemann der Klägerin in Höhe von 138.750 DM im Vorjahr gewährt hatte, und das der Ehemann der Klägerin dieser für die Errichtung des Gebäudes zur Verfügung gestellt hatte.

3

Am 10. August 1998 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen notariellen Vertrag über eine "ehebedingte unbenannte Zuwendung". Danach wendete die Klägerin ihrem Ehemann das von ihr bebaute Grundstück gegen Übertragung zweier anderer Grundstücke zu.

4

Das FA ging im Anschluss an eine beim Ehemann der Klägerin durchgeführte Außenprüfung davon aus, dass der von der Klägerin 1997 für die Bebauung in Anspruch genommene Vorsteuerabzug im Streitjahr 1998 nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei ihr zu berichtigen sei, weil sie das Grundstück zum 1. Januar 1998 im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nach § 3 Abs. 1b UStG 1999 aus ihrem Unternehmen entnommen habe und erließ einen nach § 164 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 UStG vorliegen. Die Klägerin habe das Grundstück ab 1. Januar 1998 ihrem Ehemann unentgeltlich zur Nutzung überlassen, damit die Absicht zur steuerpflichtigen Vermietung sowie ihre unternehmerische Tätigkeit aufgegeben und das Grundstück entnommen, zumal sie das Grundstück auch noch im August 1998 auf ihren Ehemann übertragen habe. Auf eine eigenständige Würdigung der sich aus dem Übertragungsvertrag vom 10. August 1998 ergebenden Folgen komme es nicht an. Die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, durch die der Korrekturzeitraum des § 15a UStG vom Erwerber fortgeführt worden wäre, und deshalb eine Vorsteuerberichtigung bei der Klägerin unzulässig wäre, lägen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor, da die Klägerin noch kein Vermietungsunternehmen unterhalten, sondern nur eine Vermietungsabsicht bestanden habe.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Eine Geschäftsveräußerung liege auch dann vor, wenn mit der übertragenen Immobilie noch keine Miet- oder Pachtverhältnisse verbunden seien. Aufgrund der persönlichen Verflechtung zwischen ihr und dem Erwerber mache es keinen Unterschied, ob sie zunächst einen Mietvertrag abschließe und anschließend veräußere oder ob der Abschluss des Mietvertrages der Geschäftsveräußerung unmittelbar nachfolge. Eine Geschäftsveräußerung könne auch dann vorliegen, wenn sich der Geschäftsbetrieb noch in einer Vorbereitungsphase befinde und der Erwerber die Tätigkeit fortführe. Eine Geschäftsveräußerung könne auch gegeben sein, wenn das übertragene Vermögen nur aus einem Wirtschaftsgut bestehe. Die Bebauung sei nicht in Veräußerungsabsicht erfolgt. Das FA habe die Vermietungsabsicht anerkannt. Der Erwerber habe die Vermietungsabsicht nahtlos umgesetzt.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung vom 12. März 2005 und den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 22. Dezember 2004 aufzuheben.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Nach dem Pachtvertrag vom 5. Januar 1998 sei bereits zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass die Klägerin eine Veräußerung beabsichtigt habe. Im Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung habe noch kein hinreichend verfestigtes Vermietungsunternehmen bestanden.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung bejaht.

11

1. Im Streitfall kommt eine Vorsteuerberichtigung nicht nach dem vom FG seinem Urteil zugrunde gelegten § 15a UStG 1993, sondern nur nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) in Betracht.

12

a) Die Klägerin war nicht nach § 15a Abs. 1 Satz 1 des im Streitjahr geltenden UStG 1993 zur Vorsteuerberichtigung verpflichtet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein Urteil vom 7. Juli 2005 V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.b).

13

b) Die Rechtmäßigkeit der Vorsteuerberichtigung richtet sich im Streitfall nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645).

14

§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) hat folgenden Wortlaut: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen." Nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 ist "§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) ... auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt". Die durch § 27 Abs. 8 UStG angeordnete Rückwirkung ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein Urteil in BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.).

15

2. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 UStG 1999 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 liegen vor.

16

Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, führte die Nutzungsüberlassung im Zusammenhang mit der sich hieran anschließenden Übertragung des Grundstücks durch die Klägerin auf ihren Ehemann zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse. Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin bereits im Januar 1998 die Vermietungsabsicht aufgegeben. Nach dem zwischen dem Ehemann und der GmbH abgeschlossenen Mietvertrag ging der Ehemann bereits bei Vertragsabschluss im Januar 1998 davon aus, wirtschaftlicher und künftig auch rechtlicher Eigentümer des Grundstücks zu sein. Daher sind die Nutzungsüberlassung und die nachfolgende Grundstücksübertragung umsatzsteuerrechtlich als ein Vorgang anzusehen, der zu einer Entnahme des Grundstücks durch einen Rechtsträgerwechsel auf den Ehemann führte, so dass die Entnahme nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist. Anhaltspunkte für einen Verzicht auf diese Steuerfreiheit nach § 9 UStG bestehen nach den vom FG und für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht.

17

3. Die Berichtigung kann nicht aufgrund einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG nach § 15a Abs. 6a UStG unterbleiben.

18

a) Nach der Rechtsprechung des Senats gilt für Geschäftsveräußerungen Folgendes:

19

aa) Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt.

20

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863), der sich dabei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (seit 1. Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union; Urteil vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128) stützt, gilt für die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen Folgendes:

21

Die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG soll die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen erleichtern und vereinfachen. Die Vorschrift gilt für die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen muss. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.

22

Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird. Dementsprechend ist nach dem BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 57/06 (BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447, unter II.2.) die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages im Regelfall keine Geschäftsveräußerung. Denn die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes. Fehlt es an weiteren Faktoren wie z.B. einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks, liegt daher keine Geschäftsveräußerung vor.

23

b) Im Streitfall scheitert die Annahme einer Geschäftsveräußerung bereits daran, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund der zwischen ihm und der S-GmbH bestehenden Organschaft die von der Klägerin zunächst beabsichtigte Vermietungstätigkeit umsatzsteuerrechtlich nicht fortgesetzt hat.

24

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

25

bb) Die für eine Organschaft zwischen dem Ehemann und der S-GmbH erforderlichen Eingliederungsvoraussetzungen liegen aufgrund der Feststellungen des FG vor.

26

(1) Die finanzielle Eingliederung ergibt sich daraus, dass der Ehemann Alleingesellschafter der S-GmbH war und daher seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

27

(2) Die organisatorische Eingliederung beruht darauf, dass der Ehemann der Klägerin als alleiniger Geschäftsführer seiner GmbH die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft wirklich wahrnehmen und beherrschen konnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.).

28

(3) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, Leitsatz 3). Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Leitsatz 2, und in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c bb).

29

Eine mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung kann den Leistungen eines Organträgers an die Organgesellschaft nach der Rechtsprechung des Senats zukommen bei der Verpachtung von Anlagegegenständen (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V 44/65, BFHE 95, 353, BStBl II 1969, 413), bei der Vermietung eines Betriebsgrundstücks, auf dem die Organgesellschaft ihr Unternehmen betreibt (BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2., und BFH-Beschluss vom 25. April 2002 V B 128/01, BFH/NV 2002, 1058, unter II.2.d) oder bei der Erbringung von Dienstleistungen (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, Leitsatz 1 zu Architektenleistungen; zu unwesentlichen Dienstleistungen z.B. im Verwaltungsbereich vgl. aber BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c, und BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c bb).

30

Im Streitfall ergibt sich der für die wirtschaftliche Eingliederung erforderliche vernünftige wirtschaftliche Zusammenhang aus der Vermietung des vom Ehemann erworbenen und von der Klägerin bebauten Grundstücks durch den Ehemann an die S-GmbH. Die Vermietung eines Betriebsgrundstücks genügt, wenn es für die Organgesellschaft von nicht nur geringfügiger Bedeutung ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 223, unter II.2., und BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1058, unter II.2.d).

31

cc) Liegt eine Organschaft vor, beschränken sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG zwar die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen des Organkreises. Diese Unternehmensteile sind jedoch nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG als ein Unternehmen zu behandeln. Letzterem kommt Vorrang zu, da sich die Rechtsfolgen der Organschaft somit nicht auf Innenleistungen einschränken lassen, sondern z.B. dazu führen, dass dem Organträger die Umsätze seiner Organgesellschaften zuzurechnen sind und diese auch die Höhe der für den Organträger entstehenden Steuer beeinflussen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d).

32

Die Behandlung als ein Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG ist auch in Bezug auf die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen nach § 1 Abs. 1a UStG zu berücksichtigen. Bei der Übertragung eines Vermietungsunternehmens liegt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nur vor, wenn der Erwerber die Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht nur zivilrechtlich, sondern auch umsatzsteuerrechtlich unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG fortführt. Denn für die Geschäftsveräußerung kommt es auf die Fortsetzung einer Unternehmenstätigkeit und damit auf umsatzsteuerrechtliche Kriterien, die sich nach § 2 UStG richten, an. Erwirbt daher --wie im Streitfall-- ein Organträger ein an seine Organgesellschaft vermietetes Gebäude, liegt keine Geschäftsveräußerung vor, da der erwerbende Organträger das übertragene Gebäude umsatzsteuerrechtlich nicht vermietet, sondern durch die Organgesellschaft als Teil seines Unternehmens eigenunternehmerisch nutzt.

33

Dementsprechend kommt im Streitfall eine Geschäftsveräußerung nicht in Betracht. Die von der Klägerin beabsichtigte Vermietung konnte durch ihren Ehemann mit einer Vermietung an die S-GmbH als dessen Organgesellschaft nicht fortgesetzt werden.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 18. Juli 2012  14 K 702/10 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit dem Verkauf von Pelzmänteln über eine Internet-Handelsplattform ("eBay") als Unternehmerin im Rahmen ihres Unternehmens tätig geworden ist.

2

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren (2004 und 2005) ein Unternehmen "Finanzdienstleistungen". Sie reichte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein und erklärte darin sowohl steuerpflichtige als auch nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (UStG) steuerfreie Umsätze.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) änderte am 1. August 2005 die Steueranmeldung für das Jahr 2004 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) aus hier nicht streitigen Gründen. Zum Jahr 2005 erging aus nicht streitigen Gründen am 11. Januar 2007 ein Umsatzsteuer-Änderungsbescheid. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen.

4

Am 8. Februar 2006 ging beim FA eine anonyme Anzeige eines "ehrlichen Bürgers" ein, der angab, ihm sei aufgefallen, dass die Klägerin und ihr Ehemann über die Internet-Handelsplattform "eBay" unter verschiedenen Namen (sog. Nicknames) "mehrere Hundert Pelzware" verkauft hätten. Der Erstatter der Anzeige gab außerdem ein Konto der Klägerin an.

5

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin und ihrem Ehemann wurde Folgendes ermittelt:

•   

In den Jahren 2005 und 2006 wurden über das eBay-Konto "A" Umsätze in Höhe von 54.166,06 € erzielt (2005: 21.862,06 € und 2006: 32.304 €);

•   

in den Jahren 2003 bis 2006 über ein weiteres eBay-Konto ("B") Umsätze in Höhe von 8.148,40 € (2003: 188,50 €, 2004: 3.311,02 €, 2005: 4.433,38 € und 2006: 215,50 €);

•   

in den Jahren 2005 und 2006 über das eBay-Konto "C" Umsätze in Höhe von 15.568,72 € (2005: 3.653,25 € und 2006: 11.915,47 €);

•   

in den Jahren 2004 und 2005 über das eBay-Konto "D" Umsätze in Höhe von 87.383,57 € (2004: 33.032,41 € und 2005: 54.351,16 €) und

•   

im Jahr 2005 über das eBay-Konto "E" Umsätze in Höhe von 2.716,52 €.

6

Die Konten "D" und "E" lauteten auf die Klägerin. Verkauft wurden über diese Konten "im Wesentlichen" insgesamt 140 Pelzmäntel und -jacken. Über die eBay-Konten des Ehemannes der Klägerin ("A", "B" und "C") wurden (neben anderen Haushaltsgegenständen wie Vasen, Teegläsern, Kerzenständern, Kleidung, Modellautos, Parfum und Spielzeug) 79 Pelzmäntel verkauft. In den Streitjahren unterhielt die Klägerin bei der X-Bank (Bank) u.a. zwei Bankkonten mit den Nummern ... und ..., die in allen eBay-Konten, auch denen des Ehemannes der Klägerin, als Bankverbindung gespeichert waren.

7

Aufgrund dieser Ermittlungen erließ das FA am 4. Juli 2007 auf § 164 Abs. 2 AO gestützte Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre, in denen es der Klägerin die Umsätze der eBay-Konten "D" und "E" zurechnete.

8

Mit ihren Einsprüchen trug die Klägerin vor, die vom FA ihr zugerechneten Umsätze seien ihrem Ehemann zuzurechnen. Im Zuge der Auflösung des umfangreichen Junggesellenhaushalts ihres Ehemannes sowie des Haushalts ihrer verstorbenen Schwiegermutter sei eine große Anzahl privat gebrauchter Haushaltsgegenstände über eBay verkauft worden. Die veräußerten Pelze hätten ihrer Schwiegermutter gehört und seien zwischen 1960 und 1985 angeschafft worden. Anlässlich des Umzugs ihrer Schwiegermutter in ein Altenheim im Jahr 1991 seien diese an ihren Ehemann übergeben worden. Auf Grund der lange vergangenen Zeit und dreier weiterer Umzüge habe sie, die Klägerin, hierüber keine Unterlagen mehr.

9

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine Bestätigung ihres Ehemannes vom 29. Juli 2007 ein: "zur Vorlage bei Behörden und Ämtern bestätige ich hiermit, dass ich Frau ..." (die Klägerin) "damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich bei ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein". Ebenso versicherte der Ehemann der Klägerin am 17. Februar 2008, dass er die Klägerin "damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich über ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein".

10

Im Laufe des Einspruchsverfahrens half das FA den Einsprüchen insoweit teilweise ab, als es im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2004 vom 29. Januar 2010 der Klägerin nicht mehr sämtliche Verkäufe über eBay, sondern nur noch die Verkäufe der Pelze zurechnete. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

11

Durch Einspruchsentscheidungen vom 1. Februar 2010 wies das FA die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, es sei nicht glaubhaft, dass die veräußerten Pelzmäntel aus dem Besitz der Schwiegermutter der Klägerin stammten. U.a. lasse der Umstand, dass Pelze in unterschiedlichen Größen veräußert worden seien, den Schluss zu, dass es sich nicht um den privaten Besitz der Schwiegermutter gehandelt habe. Das Gleiche gelte für die Anzahl von insgesamt über 200 veräußerten Pelzen. Die Umsätze seien auch der Klägerin zuzurechnen. Die Bestätigung des Ehemannes der Klägerin überzeuge nicht.

12

Mit ihrer Klage ließ die Klägerin vorbringen, die veräußerten Gegenstände seien auf sie, die Klägerin, und ihren Ehemann aufgeteilt worden, um sie schneller veräußern zu können. Sie, die Klägerin, sei lediglich als Erfüllungsgehilfin ihres Ehemannes tätig gewesen. Die Verkaufstätigkeit sei im Übrigen nicht nachhaltig gewesen. Beim Verkauf der Haushaltsgegenstände ihrer Schwiegermutter habe es sich um eine einmalige und unwiederholbare Angelegenheit gehandelt. Die Pelze seien im Zeitraum Mai 2004 bis Oktober 2005 verkauft worden. Auch habe nicht sie am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, sondern ihr Ehemann. Sie, die Klägerin, habe nach außen erkennbar im Auftrag ihres Mannes gehandelt. Die unterschiedliche Größe der Pelze resultiere aus der unterschiedlichen Kleidergröße ihrer Schwiegermutter, die sich in einem Zeitraum von 1960 bis 1985 "schon mal ändern" könne.

13

Zudem reichte die Klägerin eine Bestätigung des Bruders ihres Ehemannes ein, der angab, seine Mutter habe eine Vorliebe für Pelzmäntel und -jacken gehabt und davon "eine stattliche Sammlung" besessen.

14

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage --nach Vernehmung des Ehemannes der Klägerin als Zeugen-- statt. Sein Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2013, 1249 veröffentlicht.

15

Es führte zur Begründung aus, zwar habe die Klägerin nach der Überzeugung des Gerichts in den Streitjahren die Pelzmäntel und -jacken über die eBay-Konten "D" und "E" verkauft und nicht ihr Ehemann. Dass sie, die Klägerin, "im Auftrag" ihres Ehemannes gehandelt habe, habe sie nicht nachweisen können.

16

Allerdings sei diese Tätigkeit nicht der unternehmerischen Sphäre der Klägerin zuzurechnen: Weder falle der Verkauf von Pelzmänteln und -jacken in den Rahmen ihres Einzelunternehmens "Finanzdienstleistungen" noch sei die Klägerin mit dieser Tätigkeit für sich genommen nachhaltig tätig geworden. Es liege keine nachhaltige Tätigkeit vor, weil die Klägerin Teile einer Privatsammlung von über 200 Pelzmänteln verschiedener Größen verkauft habe.

17

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs. 1 UStG. Nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) spiele es bei der Beurteilung der "eBay"-Umsätze der Klägerin eine Rolle, dass die Klägerin mit ihrem Unternehmen Finanzdienstleistungen unternehmerisch tätig sei. Die Klägerin übe damit ohnehin bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- (jetzt: Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--) aus. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) gelte als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübe. Dies sei bei der Klägerin bereits mit den Finanzdienstleistungen der Fall.

18

Unabhängig davon sei aber auch die Auffassung des FG unzutreffend, der Verkauf von 140 Pelzen in 13 Monaten mit einem Gesamtumsatz von 77.419 € über eine Handelsplattform sei nicht "nachhaltig" i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Klägerin sei auf Wiederholung angelegt, planmäßig und längerfristig gewesen. Dies gelte selbst dann, wenn man mit dem FG --unzutreffenderweise-- annehme, dass diese aus dem Privatvermögen des Ehemannes der Klägerin stammten.

19

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21

Die Auffassung des FA, die Verkaufstätigkeit sei unabhängig vom Kriterium der Nachhaltigkeit als unternehmerisch zu qualifizieren, weil sie, die Klägerin, bereits als Finanzdienstleisterin Unternehmerin gewesen sei, treffe nicht zu. Sie habe diese Tätigkeit im Übrigen zum 31. Mai 2005 eingestellt und am 29. November 2006 das Gewerbe abgemeldet. Das zum 1. April 2006 angemeldete Gewerbe "Handel mit Textilien" sei ebenfalls zum 29. November 2006 abgemeldet worden, ohne dass die beabsichtigte Tätigkeit jemals aufgenommen worden sei. Auch sei sie auf der Handelsplattform "eBay" nicht als "Händlerin" tätig geworden.

22

Nach der Sichtweise des FA wäre jeder Verkauf von Privatvermögen eines Unternehmers umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Das sei vom EuGH ersichtlich nicht beabsichtigt gewesen. Der bloße Erwerb und Verkauf eines Gegenstands sei keine wirtschaftliche Tätigkeit. Erst wenn der Betreffende aktive Schritte zum Vertrieb der Ware unternehme, indem er sich wie eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte Person verhalte, könne von einer wirtschaftlichen Tätigkeit gesprochen werden. Dies habe das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Der vom FA angeführte technische Wandel habe lediglich Einfluss auf die Art des Verkaufs. Auch ein Händler im Internet müsse Ware einkaufen, bevor er sie verkauft. Die Würdigung des FG binde deshalb den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidungsgründe

23

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit dem Verkauf der Pelzmäntel nicht unternehmerisch tätig geworden sei.

24

1. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitfall dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin und nicht ihr Ehemann die 140 Pelzmäntel geliefert hat.

25

a) Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1.; vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 11 f.; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 52).

26

b) Leistender ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 1212, Rz 19). Dies kann regelmäßig den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen entnommen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 22; vgl. dazu auch EuGH-Urteil Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 851). Tritt der Leistende unter fremdem Namen auf, sind ihm die Leistungen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1994 V R 105/91, BFHE 174, 469, BStBl II 1994, 671, unter II.1.).

27

c) Für die Frage, ob bei Eheleuten der Ehemann, die Ehefrau oder eine aus den Eheleuten bestehende Gemeinschaft als Unternehmer die Leistung ausführt, gilt nichts anderes; auch insoweit kommt es darauf an, wer nach außen auftritt (z.B. BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 45; BFH-Beschluss vom 27. Juni 1994 V B 190/93, BFH/NV 1995, 654).

28

d) Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, d.h. die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt haben, gehört grundsätzlich zu den "tatsächlichen Feststellungen" i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, deren Vornahme dem FG obliegt; die Würdigung des FG ist für den BFH bindend, wenn sie möglich ist und nicht gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Grundsätze der Vertragsauslegung verstößt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34 f., m.w.N.).

29

e) Gemessen daran ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin die hier zu beurteilenden Lieferungen von Pelzmänteln ausgeführt hat.

30

Es hat festgestellt, dass die Klägerin Inhaberin der eBay-Konten "D" und "E" war, und daraus mangels abweichender Anhaltspunkte zu Recht den Schluss gezogen, dass die Klägerin unter diesen Pseudonymen (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 174, 469, BStBl II 1994, 671, unter II.1.) die Pelzmäntel veräußert hat (vgl. allgemein auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2013  1 K 1939/12, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 790, unter 2.c). Dass die Klägerin, wie sie vorgetragen hat, im Rahmen der Verkäufe den Käufern gegenüber angegeben habe, sie sei "im Auftrag" für ihren Ehemann tätig geworden, hat das FG nicht für nachgewiesen gehalten. Im Übrigen führte die Angabe "im Auftrag" zu keiner anderen Beurteilung, solange die Klägerin gegenüber den Käufern nicht als Vertreterin ihres Ehemanns, sondern in eigenem Namen aufgetreten wäre (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381, unter II.2.b; BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2003 V B 12/02, BFH/NV 2004, 97, unter II.1.c). Ein Auftreten der Klägerin als Vertreterin ihres Ehemannes hat das FG ebenso wenig festgestellt wie das Auftreten einer Gemeinschaft der Ehegatten.

31

2. Es bleibt offen, ob die hier zu beurteilenden Umsätze schon deshalb steuerbar und steuerpflichtig sind, weil die Klägerin in den Streitjahren ohnehin als Finanzdienstleisterin Unternehmerin war.

32

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.

33

b) Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ausgeübt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.1.; vom 11. April 2008 V R 10/07, BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.1.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer einen sehr breiten Anwendungsbereich zuweist (EuGH-Urteile Van Tiem vom 4. Dezember 1990 C-186/89, EU:C:1990:429, Der Betrieb 1992, 121, Rz 17; EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 292, Rz 47).

34

c) Diese Voraussetzungen liegen --wie das FG zutreffend erkannt hat-- in der Person der Klägerin unabhängig von den hier zu beurteilenden Umsätzen vor; denn die Klägerin hat in den Streitjahren Finanzdienstleistungen erbracht.

35

d) Soweit Lieferungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG von einem Unternehmer "im Rahmen seines Unternehmens" ausgeführt werden müssen, umfasst das Unternehmen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG "die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers". Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) bestimmt diesbezüglich, dass "alle" Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden als wirtschaftliche Tätigkeit gelten; der Steuerpflichtige muss u.a. Lieferungen "als solcher" ausführen (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL).

36

aa) Der EuGH (vgl. EuGH-Urteil Kostov vom 13. Juni 2013 C-62/12, EU:C:2013:391, HFR 2013, 757, Rz 28 ff., zu Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) geht davon aus, dass eine natürliche Person, die bereits mit ihrer Haupttätigkeit ein Steuerpflichtiger ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als "Steuerpflichtiger" anzusehen sei, sofern diese Tätigkeit eine Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL darstelle. Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL beziehe sich nur auf Personen, die nicht bereits für ihre wirtschaftliche Haupttätigkeit mehrwertsteuerpflichtig seien. Dagegen stünde es insbesondere mit dem Ziel einer einfachen und möglichst allgemeinen Erhebung der Mehrwertsteuer nicht in Einklang, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen, dass der Begriff "wirtschaftliche Tätigkeit" eine Tätigkeit nicht umfasse, die zwar nur gelegentlich ausgeübt werde, aber unter die allgemeine Definition dieses Begriffs falle und von einem Steuerpflichtigen ausgeübt werde, der noch eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der MwStSystRL ausübe.

37

bb) Ausgehend davon ist fraglich geworden, ob an der bisherigen Rechtsprechung des BFH, wonach Leistungen, die sich als Nebenfolge einer nichtunternehmerischen Betätigung (früher auch sog. Eigenleben) ergeben --wie z.B. der Verkauf gebrauchter Gegenstände aus dem Privatbereich-- grundsätzlich zum nichtunternehmerischen Bereich gehören und nur dann zu unternehmerischen Umsätzen werden, wenn sie einen "geschäftlichen" Rahmen i.S. des § 2 Abs. 1 UStG erreichen (vgl. BFH-Urteile vom 21. Mai 1987 V R 109/77, BFHE 150, 368, BStBl II 1987, 735, unter II.2.b; in BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.2.b cc; s. dazu auch Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 33 Rz 101 ff.; Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 189 ff.; Abschn. 2.7 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), in vollem Umfang unverändert festgehalten werden kann.

38

3. Allerdings bedarf dies im Streitfall keiner Entscheidung; denn die tatsächliche Würdigung des FG, es liege keine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit der Klägerin vor, hält unabhängig von der neueren EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache Kostov (Urteil, EU:C:2013:391, HFR 2013, 757) einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, so dass die Vorentscheidung jedenfalls aus diesem Grund aufzuheben ist.

39

a) Unionsrechtlich wird nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, der der BFH folgt (s. zu Verkaufsumsätzen über eine elektronische Handelsplattform BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 33 ff.), der Begriff des Steuerpflichtigen unter Bezugnahme auf den der wirtschaftlichen Tätigkeit definiert, die nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden sowie Umsätze, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, umfasst (vgl. EuGH-Urteile Słaby u.a. vom 15. September 2011 C-180/10 und C-181/10, EU:C:2011:589, HFR 2011, 1253, Rz 43 und 44; Trgovina Prizma vom 9. Juli 2015 C-331/14, EU:C:2015:456, UR 2015, 621, Rz 19).

40

aa) Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit erstreckt sich auf einen weiten Bereich; die Tätigkeit an sich wird unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis betrachtet (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr vom 20. Juni 2013 C-219/12, EU:C:2013:413, HFR 2013, 752, Rz 17). Der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende einen Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, kann eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob eine Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird (vgl. EuGH-Urteil Redlihs vom 19. Juli 2012 C-263/11, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 35 f.).

41

bb) Die bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber ist als solche nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen (vgl. EuGH-Urteil Słaby u.a., EU:C:2011:589, HFR 2011, 1253, Rz 36). Ein Steuerpflichtiger handelt beim Verkauf eines Gegenstands, von dem er einen Teil nicht seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hatte, hinsichtlich dieses Teils grundsätzlich nicht als Steuerpflichtiger (vgl. EuGH-Urteil Armbrecht vom 4. Oktober 1995 C-291/92, EU:C:1995:304, BStBl II 1996, 392, Rz 24).

42

cc) Aus der oben angeführten Rechtsprechung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verkauf eines Gegenstands, den er seinem Privatvermögen zugeordnet hatte, allein aus diesem Grund nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Denn entgeltliche Umsätze eines Steuerpflichtigen unterliegen zwar grundsätzlich der Mehrwertsteuer, wenn er als solcher gehandelt hat, doch ist für die fehlende Steuerbarkeit eines solchen Umsatzes neben der Zuordnung zum Privatvermögen auch erforderlich, dass der Steuerpflichtige einen solchen Verkauf nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, sondern im Rahmen der Verwaltung seines Privatvermögens (vgl. EuGH-Urteil Trgovina Prizma, EU:C:2015:456, UR 2015, 621, Rz 22). Dass eine Person einen Gegenstand für ihren persönlichen Bedarf erworben hat, schließt nicht aus, dass der Gegenstand im Anschluss zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt wird (vgl. EuGH-Urteil Redlihs, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 39).

43

dd) Ein maßgebliches Beurteilungskriterium dafür, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, besteht darin, dass der Eigentümer aktive Schritte zur Vermarktung unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, z.B. bewährte Vermarktungsmaßnahmen durchführt (vgl. EuGH-Urteile Redlihs, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 36; Trgovina Prizma, EU:C:2015:456, UR 2015, 621, Rz 24). Derartige Maßnahmen erfolgen normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von Privatvermögen, so dass der Verkauf in einem solchen Fall nicht als bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber angesehen werden kann (vgl. EuGH-Urteil Słaby u.a., EU:C:2011:589, HFR 2011, 1253, Rz 41). Auch die Dauer des Zeitraums, währenddessen Lieferungen erfolgen, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen sind Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können (vgl. EuGH-Urteil Redlihs, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 38).

44

b) Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des BFH im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erfüllt sind. Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können (z.B. BFH-Urteile vom 27. Januar 2011 V R 21/09, BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, Rz 22 ff.; in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 35; s. auch BFH-Beschluss vom 9. April 2014 XI B 6/14, BFH/NV 2014, 1230 bei 40 Verkaufsangeboten und 16 Anzeigen für Uhren und Schmuck, sowie zur Problematik der "eBay-Verkäufe" allgemein auch Roth/Loose, UR 2014, 169, 172 ff.; Hundt-Eßwein, Deutsches Steuerrecht 2012, 1371; Meurer, Der Umsatz-Steuer-Berater 2012, 164; Pinkernell, Steuerrecht kurzgefasst 2012, 309; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 38.17 ff.; Renner, Steuer- und Wirtschaftskartei 19/2012, 897; Roth, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 1966; Schießl, Steuern und Bilanzen 2012, 471; Martin, BFH/PR 2012, 280; Grube, juris-PraxisReport Steuerrecht 27/2012, Anm. 5). Dass bereits beim Einkauf eine Wiederverkaufsabsicht bestanden hat, ist nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 36).

45

c) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin sei mit dem Verkauf der Pelzmäntel nicht unternehmerisch tätig gewesen, auf die Rechtsprechung zu Münz- und Briefmarkensammlern gestützt. Solche Sammler seien nach den BFH-Urteilen vom 29. Juni 1987 X R 23/82 (BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744) und vom 16. Juli 1987 X R 48/82 (BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752) keine Unternehmer. Die Klägerin sei vergleichbar einem Sammler, der eine vorhandene Sammlung (hier: von Pelzmänteln der Schwiegermutter der Klägerin, die diese ihrem Sohn geschenkt habe) auflöse, nicht wie ein Händler am Markt aufgetreten. Die Feststellungslast für das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit liege beim FA.

46

d) Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand; denn das FG hat bei seiner Beurteilung nicht alle bedeutsamen Begleitumstände zutreffend berücksichtigt. Seine Würdigung ist deshalb für den Senat nicht bindend (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, Rz 33; vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II 2014, 734, Rz 27, m.w.N.).

47

aa) Bei seiner Würdigung hat das FG unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin nicht eigene, sondern fremde Pelzmäntel (eine fremde "Sammlung") verkauft haben will. Der Streitfall ist insoweit mit den vom FG herangezogenen Urteilsfällen nicht vergleichbar; denn die Klägerin hat es nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt übernommen, 140 fremde Pelzmäntel in eigenem Namen auf einer Internet-Handelsplattform zu veräußern. Diese Tätigkeit, die der Ehemann der Klägerin als "Verkaufsabwicklung" bezeichnet hat, ist --jedenfalls in dem vom FG festgestellten Umfang-- eine typisch unternehmerische Tätigkeit und für einen vom FG im Rahmen seiner Würdigung als Vergleich herangezogenen Sammler vollkommen untypisch.

48

bb) Ebenfalls nicht berücksichtigt hat das FG, dass die verkauften Gegenstände (Pelzmäntel) --anders als z.B. Briefmarken (BFH-Urteil in BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744), Münzen (BFH-Urteil in BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752) oder historische Fahrzeuge (BFH-Urteil in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524)-- keine Sammlerstücke, sondern Gebrauchsgegenstände sind.

49

In Rz 12 des BFH-Urteils in BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752 hat der X. Senat des BFH ausgeführt: "So wird für Briefmarken, Münzen und andere Sammlungsstücke, die im wesentlichen nur einen Liebhaberwert haben (anders als bei Gebrauchsgegenständen wie z.B. Teppichen), regelmäßig anzunehmen sein, dass sie aus privaten Neigungen zusammengetragen werden."

50

Unter II.2. der Gründe des BFH-Urteils in BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744 hat der X. Senat des BFH die fehlende wirtschaftliche Tätigkeit eines Briefmarkensammlers wie folgt begründet: "Das Sammeln von Briefmarken ist eine weit verbreitete Freizeitbeschäftigung, die aus der Sicht des Sammlers ihre Sinnerfüllung darin findet, dass ein umfassender oder gar vollständiger Bestand an Serien, Motiven, Marken eines bestimmten Landes usw. geschaffen wird. ... Der Kauf von Einzelstücken und Kollektionen und die Veräußerung oder das Wegtauschen von Einzelstücken sind unumgänglich, um die angestrebte Vollständigkeit der Sammlung zu erreichen. Die auf Vervollständigung und Bestandsvermehrung abzielenden An- und Verkaufs- oder Tauschvorgänge sind trotz ständiger Wiederholung keine Umsatzakte."

51

Mit dieser Tätigkeit eines privaten Sammlers hat die Tätigkeit der Klägerin bzw. ihres Ehemanns bzw. ihrer Schwiegermutter nichts zu tun. Außerdem ist vorliegend --wie sich aus den Anzeigen ergibt, auf die das FG auf Seite 4 des Urteils Bezug genommen hat und die deshalb vom Senat berücksichtigt werden dürfen-- angesichts der unterschiedlichen Pelzarten, -marken, Konfektionsgrößen und der um bis zu 10 cm voneinander abweichenden Ärmellängen der Pelzmäntel nicht ersichtlich, welches "Sammelthema" verfolgt worden sein sollte.

52

cc) Weiter hat das FG nicht die "Vervielfachung" der Verkäuferkonten als aktive Maßnahme zum Vertrieb der Pelzmäntel in seine Würdigung einbezogen. Die Klägerin selbst (und übrigens auch ihr Ehemann) verfügten jeweils über mindestens zwei Verkäuferkonten. Dies geht über die schlichte Veräußerung nicht mehr benötigter privater Gegenstände durch eine Privatperson über ein Verkäuferkonto erheblich hinaus. Auch dieses händlertypische Verhalten ist mit den vom X. Senat des BFH entschiedenen Fällen eines Münz- bzw. Briefmarkensammlers, der seine Sammlung en bloc aufgibt und versteigern lässt, nicht vergleichbar (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 39). Weiter wurden von der Klägerin zwei Bankkonten zur Abwicklung genutzt.

53

dd) Der im Einspruchs-- und Klageverfahren erhobene Einwand der Klägerin, der Verkauf sei auf fremde Rechnung erfolgt, rechtfertigt schon deshalb keine andere Beurteilung, weil das FG tatsächlich festgestellt hat, dass die Kaufpreise auf Bankkonten der Klägerin gezahlt worden sind.

54

ee) Dass die Klägerin mit den Verkäufen keinen Gewinn erzielt haben will, spielt für die Umsatzsteuer keine Rolle (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG und EuGH-Urteil Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr, EU:C:2013:413, HFR 2013, 752, Rz 25).

55

ff) Nicht gegen die Einstufung der Verkäufe als wirtschaftliche Tätigkeit spricht, dass das FG keinen Wareneinkauf der Klägerin mit dem für eine richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Grad an Gewissheit feststellen konnte; denn ein Wareneinkauf durch den Unternehmer in Veräußerungsabsicht ist gemäß den Ausführungen unter II.3.a und b nicht erforderlich und findet überdies bei der Veräußerung fremder Gegenstände naturgemäß nicht statt.

56

gg) Auch der Hinweis der Klägerin auf die begrenzte Dauer ihrer Tätigkeit führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar spricht die kurze Dauer einer Tätigkeit gegen deren Nachhaltigkeit; trotz kurzer Dauer ist jedoch von einer nachhaltigen Tätigkeit auszugehen, wenn eine Person innerhalb der kurz bemessenen Zeit planmäßig, wiederholt und intensiv am Marktgeschehen teilgenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 86/90, BFHE 172, 549, BStBl II 1994, 274, unter 1. zu einem Karnevalsprinzen). Dies ist hier der Fall; denn das FG hat auf Seite 14 und 15 des Urteils festgestellt, die Klägerin sei planmäßig tätig gewesen und ihre Tätigkeit habe einen erheblichen Organisationsaufwand erfordert. Außerdem wurden mindestens 140 Pelzmäntel geliefert, wie das FG auf Seite 4 des Urteils festgestellt hat.

57

e) Soweit das FG im Rahmen seiner Beurteilung auf die Feststellungslast des FA hingewiesen hat, ist die Anwendung der Regeln über die Feststellungslast lediglich "ultima ratio"; vorher ist zunächst u.a. der --auch im Streitfall bedeutsame (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. September 2010 16 K 315/09, juris, Rz 29 f.)-- Grundsatz der Beweisnähe zu berücksichtigen (vgl. grundlegend BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462; vom 23. März 2011 X R 44/09, BFHE 233, 297, BStBl II 2011, 884).

58

4. Die Sache ist spruchreif.

59

a) Die Tätigkeit der Klägerin ist aus den unter II.3. genannten Gründen als unternehmerische Tätigkeit anzusehen, so dass sie die Lieferungen der Pelzmäntel im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt hat. Der Senat darf diese Würdigung trotz § 118 Abs. 2 FGO selbst vornehmen, weil das FG die dafür maßgeblichen Tatsachen festgestellt hat (vgl. dazu allgemein BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Rz 38, m.w.N.).

60

b) Sonstige Rechtsfehler des FA im Rahmen der Festsetzung der Umsatzsteuer sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist bei der Klägerin nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt kein Vorsteuerabzug aus einem Wareneinkauf zu berücksichtigen, da die Pelzmäntel nach den tatsächlichen Feststellungen des FG von der Schwiegermutter der Klägerin lange vor den Streitjahren zu privaten Zwecken erworben wurden. Die Anwendung des § 25a UStG scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin angegeben hat, dass über die Anschaffungen in den Jahren 1960 bis 1985 keine Unterlagen mehr existieren, so dass nicht festgestellt werden kann, ob die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG vorliegen. Angesichts der Größenordnung der Umsätze findet die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) keine Anwendung.

61

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten nach der in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 901) weiterhin um die Höhe des Vorsteuerabzugs der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Holding, aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie um das Vorliegen einer Organschaft.

2

Die Klägerin ist eine AG, deren einzige Aktionärin zunächst die X-GmbH & Co. KG war. Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen.

3

Durch eine im Rahmen ihres Börsengangs erfolgte Aktienemission erhöhte die Klägerin ihr Kapital im Jahr 2006 (Streitjahr) von ... € um ... €. Für die Emission entstanden Kosten, die mit Umsatzsteuer in Höhe von 373.347,57 € belastet waren. Nach dem Börsenprospekt beabsichtigte sie, die Klägerin, sich als internationale Anbieterin in der Branche der entgeltlichen Überlassung von Container- und Tankerschiffen zu positionieren.

4

Die sog. Schiffscharter führte die Klägerin nach ihrem Konzept über sog. Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aus, die --u.a. zur Verringerung des Haftungsrisikos-- Eigentümerinnen und Betreiberinnen der Schiffe werden und Fremdkapitalanteile aufnehmen sollten.

5

Die Klägerin war Mehrheitskommanditistin an den jeweiligen Schiffskommanditgesellschaften mit einer Beteiligungsquote von mehr als 99 %. Die weiteren Kommanditisten waren jeweils die X-GmbH & Co. KG sowie der jeweilige Vertragsreeder.

6

Die jeweilige Komplementärin und die Klägerin führten die Geschäfte der Schiffskommanditgesellschaften.

7

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistung eine Vergütung in Höhe von jährlich ... € zzgl. Umsatzsteuer. Die Höhe dieser Vergütung wurde auf der Grundlage der Kosten für die Aktienemission und einer durchschnittlichen betrieblichen Nutzungsdauer eines Seeschiffs von 20 Jahren kalkuliert. Außerdem hatte die Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch.

8

Zur Finanzierung des Erwerbs und des Betriebs des jeweiligen Seeschiffs wurde bei den Schiffskommanditgesellschaften eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die im Wesentlichen durch die Klägerin mittels einer Kapitaleinlage erbracht wurde. Nach den jeweils gleich gestalteten Gesellschaftsverträgen lag der Gesellschaftszweck der operativen Schiffskommanditgesellschaften in der Verwaltung eigenen Vermögens, in dem Erwerb, in dem Betrieb, in der Veräußerung von (bestimmten) Seeschiffen, in dem Abschluss von Charterverträgen und Derivaten sowie in der Vereinbarung aller hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.

9

Im Streitjahr gründete die Klägerin als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solcher Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

10

Die nach dem Konzept vorgesehene Erhöhung der Kapitaleinlage zur Finanzierung des Erwerbs von Seeschiffen belief sich bei den Tochtergesellschaften auf jeweils ... €. Überdies gewährte die Klägerin den Tochtergesellschaften kurzfristige verzinsliche Darlehen zur Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils rund ... €.

11

Die Tochtergesellschaften schlossen die für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab, wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden war.

12

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistungen von den Tochtergesellschaften im Streitjahr ein Entgelt in Höhe von ... € zzgl. Umsatzsteuer. Überdies erhielt sie im Streitjahr für die den Tochtergesellschaften gewährten Darlehen Zinsen in Höhe von ... €, Beteiligungserträge in Höhe von ... € sowie aus Anlagen von Teilen des mit den Aktienemissionen eingeworbenen Kapitals bei Kreditinstituten Zinsen in Höhe von ... €.

13

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Leistungen aus ihrer Geschäftsführungstätigkeit in Höhe von ... € (= ... € Umsatzsteuer) und machte u.a. den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von 373.347,57 € geltend.

14

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 15. Januar 2009 den Vorsteuerabzug. Der Einspruch blieb erfolglos; dabei hob das FA den Umsatzsteuerbescheid auf, weil die Klägerin keine Unternehmerin sei; denn sie greife nicht in die Geschäftsführung ihrer Tochtergesellschaften ein (Einspruchsentscheidung vom 27. August 2010).

15

Nach Durchführung eines Erörterungstermins im Klageverfahren gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin durch die damaligen Vorstände geschäftsführend bei den Tochterkommanditgesellschaften tätig gewesen sei und die Emissionskosten als Berechnungsgrundlage in die Vergütung für die Geschäftsführungstätigkeit eingeflossen seien.

16

Bereits im Klageverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie aufgrund einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft insgesamt wirtschaftlich tätig sei. Die Eingliederungsmerkmale lägen vor. Dass Personengesellschaften nicht Organgesellschaften sein könnten, sei unionsrechts- und verfassungswidrig.

17

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, indem es der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in voller Höhe gewährte. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 255 veröffentlicht.

18

Mit der Revision hat das FA geltend gemacht, die Klägerin sei im Streitjahr zwar Unternehmerin gewesen, die streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien aber wegen ihrer auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und des Haltens von Beteiligungen aufzuteilen. Insbesondere seien auf den Streitfall die Grundsätze des EuGH-Urteils SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08 (EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099) nicht anwendbar, da diese Entscheidung auf --der hier nicht gegebenen Besonderheit-- beruhe, dass die Veräußerung zur Umstrukturierung eines Konzerns erfolgt sei.

19

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12 (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?

2. Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person --nicht aber eine Personengesellschaft-- in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) 'in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist'?

3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?"

20

Der EuGH hat die Fragen mit seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) beantwortet.

21

Nach Ergehen des EuGH-Urteils hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bezüglich der im Streitjahr erfolgten Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften (darauf entfallendes Entgelt: ... €) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichte und zur Steuerpflicht optiere. Sie habe im Oktober 2015 Rechnungen mit offenem Steuerausweis erteilt. Die Option sei wirksam. Das FA hat mitgeteilt, es habe über einen entsprechenden Änderungsantrag der Klägerin noch nicht entschieden.

22

Das FA macht geltend, auch nach der Vorabentscheidung sei ein voller Vorsteuerabzug für die Klägerin nicht zwingend. Insbesondere sei unklar, welchen Umfang die Tätigkeiten einer Holding nach Auffassung des EuGH haben müssten, damit diese eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Mehrwertsteuerrechts ausübe.

23

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Ausführungen des EuGH zur Organschaft. Das Unionsrecht sei nicht berufbar. Eine Erweiterung der Organschaft auf Personengesellschaften sei dem Gesetzgeber vorbehalten, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Die Vorschrift diene außerdem i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vermeidung missbräuchlicher Praktiken.

24

Das FA trägt hilfsweise vor, es halte eine Vorsteueraufteilung für angemessen, die sich nach der Verwendung des eingeworbenen Kapitals richte. Da die Klägerin 95 % des eingeworbenen Kapitals für den Erwerb von Beteiligungen verwendet habe, seien lediglich 5 % der streitigen Vorsteuerbeträge (= 18.667,38 €) abziehbar.

25

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen für die im Zusammenhang mit der Aktienemission bezogenen Leistungen über den Betrag von 18.667,38 € hinaus geltend macht.

26

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

27

Sie trägt vor, ihr stehe dem Grunde nach der volle Vorsteuerabzug zu. Eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit scheide aus. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Der Vorsteuerabzug sei vielmehr aufgrund von § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG i.V.m. § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vollständig zu gewähren; hinsichtlich der Zinserträge von Kreditinstituten lägen den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Hilfsumsätze vor. Außerdem habe sie, die Klägerin, mittlerweile teilweise zur Steuerpflicht optiert.

28

Bezüglich des Vorliegens einer Organschaft sieht die Klägerin aus "verfahrensökonomischen Gründen" von einer Stellungnahme ab.

29

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist nach Ergehen des EuGH-Urteils gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Es trägt nur zur Organschaft vor.

30

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG könne eine Person, die keine "juristische Person" sei, nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert werden. Der EuGH habe dem Senat die Prüfung aufgegeben, ob der Ausschluss von anderen Personen eine Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung darstelle. Sofern der Senat eine solche Maßnahme verneine, werde mangels direkten Berufungsrechts der Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des Unionsrechts zu prüfen sein, ob es möglich ist, anderen Personen --insbesondere Personengesellschaften-- den Anwendungsbereich der Organschaftsregelung durch Auslegung des Begriffs "juristische Person" zu eröffnen. Nach Auffassung des BMF sei dies nicht möglich; dadurch würden die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.

31

Soweit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ferner für die Annahme einer Organschaft eine Eingliederung und damit ein Verhältnis der Unterordnung voraussetze, sei dies erforderlich und geeignet, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung vorzubeugen. Das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses diene zudem der Rechtssicherheit; es stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Eine anderweitige, unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs der Eingliederung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sei nicht möglich.

Entscheidungsgründe

32

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

33

Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug zu (s. dazu unter 1.). Die Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften und an ein Kreditinstitut sind allerdings vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie steuerfrei sind; es sind keine Hilfsumsätze (s. dazu unter 2.). Außerdem kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind (vgl. unter 3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif.

34

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin als geschäftsleitender Holding der Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde nach zusteht.

35

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, wobei allerdings u.a. bei steuerfreien Umsätzen für die Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG) die Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abziehbar ist.

36

Diese Vorschriften beruhten im Streitjahr auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei Umsätzen für die Seeschifffahrt sind Art. 17 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten (jetzt: Art. 169 Buchst. b i.V.m. Art. 148 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

37

b) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verwenden beabsichtigt.

38

c) Dazu hat der EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) Folgendes entschieden:

    

"1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."

39

aa) Der EuGH hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet (Rz 21, 25):

    

"21 Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C-16/00, EU:C:2001:495, Rn. 22, und Portugal Telecom, C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 34).

    

...     

    

25 Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und - wie oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist - insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug. ..."

40

bb) Bezogen auf den Streitfall hat der EuGH ausgeführt (Rz 28 f.): 

    

"28 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind, die aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher müsste die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden, es sei denn, dass nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall dürfte das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

    

29 Somit könnte nur in dem Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die sich aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil anderen Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung sie nicht teilgenommen haben, die für die Kosten dieser Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen werden, wie in der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das bloße Halten ihrer Anteile an diesen Tochtergesellschaften nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Holdinggesellschaften angesehen werden, und die Vorsteuer wäre in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die, die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört."

41

d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht entschieden, dass nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen das Halten der Anteile an den Tochter-KGs Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ist.

42

aa) Die Klägerin ist nach Auffassung des FG (Urteil S. 15 f.), des Senats (Beschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 38) und des EuGH (Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 28) Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt Geschäftsführungsleistungen erbringt. Davon gehen nach einer tatsächlichen Verständigung auch die Klägerin und das FA übereinstimmend aus.

43

bb) Soweit das FA und der Senat im Vorlagebeschluss (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Frage 1 sowie Rz 40 bis 43) nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des Vorsteuerabzugs für möglich gehalten haben, widerspricht dies Rz 28 und 29 des EuGH-Urteils Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901).

44

e) Zwar trifft die Auffassung des FA, der Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu (vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a. vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260; Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, HFR 2013, 851; Italmoda u.a. vom 18. Dezember 2014 C-131/13, EU:C:2014:2455, HFR 2015, 200, Rz 43 ff.).

45

Allerdings hat das FG auf S. 16 f. des Urteils den Streitfall dahingehend gewürdigt, es liege keine missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, unter II.2.a und b, Rz 21 und 23; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271, unter 2., Rz 15).

46

2. Hingegen sind --entgegen der Auffassung des FG-- die Anlagen der Klägerin bei ihren Tochtergesellschaften und Kreditinstituten keine Hilfsumsätze i.S. des § 43 Nr. 3 UStDV.

47

a) Gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung u.a. nähere Bestimmungen darüber treffen, wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 4 UStG) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

48

b) Von dieser Befugnis hat der Verordnungsgeber mit § 43 UStDV Gebrauch gemacht. Danach sind die den folgenden steuerfreien Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind:

    

"3. ... Einlagen bei Kreditinstituten, wenn diese Umsätze als Hilfsumsätze anzusehen sind."

49

Die sich daraus ergebende Erleichterung besteht darin, dass Vorsteuerbeträge, die den in § 43 UStDV genannten Umsätzen zuzurechnen sind, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern voll abziehbar sind (Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 704).

50

c) Unionsrechtliche Grundlage dieser Bestimmung in der UStDV war im Streitjahr Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach --vorbehaltlich der ohnehin bestehenden Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG-- der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen ist, der anhand von Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelt wird. Danach bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. die Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte außer Ansatz. Der Begriff "Hilfsumsatz" in § 43 Nr. 3 UStDV ist deshalb im Interesse einer unionsweit einheitlichen Auslegung (vgl. EuGH-Urteile Nordania Finans und BG Factoring vom 6. März 2008 C-98/07, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 34 f.; NCC Construction Danmark vom 29. Oktober 2009 C-174/08, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 24 ff.) richtlinienkonform entsprechend der Definition in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL) auszulegen.

51

d) Der Zweck des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag, den die Kommission dem Rat am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der es heißt:

    

"Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen."

52

e) Deshalb kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit auch nicht als "Hilfsumsatz" i.S. von Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH-Urteil Régie dauphinoise vom 11. Juli 1996 C-306/94, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 22; NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 30 und 31; s. auch EuGH-Urteil Nordania Finans und BG Factoring, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 22, 24 und 26, zu Investitionsgütern, die im Rahmen der laufenden Tätigkeit des Unternehmers --dort steuerpflichtig-- genutzt werden). Die von der Finanzverwaltung in Abschn. 15.18 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (im Streitjahr: Abschn. 210 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) vertretene Auffassung, dass Hilfsumsätze nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft insoweit zu.

53

f) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, es sei gemäß § 43 Nr. 3 UStDV keine Kürzung der Vorsteuer vorzunehmen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

54

aa) Dabei ist das FG zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zwar unterliegen Darlehensumsätze einer Holding nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie entweder eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden oder die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen, ohne jedoch in Bezug auf letztere Hilfsumsätze i.S. des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu sein (vgl. EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom 14. November 2000 C-142/99, EU:C:2000:623, BFH/NV Beilage 2001, 37, Rz 27 ff.). Jedoch fallen die Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, weil sie nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an die Tochtergesellschaften darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 65 ff.). Auch die Zinsen, die an die Klägerin als Entgelt für Kapitalanlagen gezahlt wurden, können nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, da sie nicht auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruhen, sondern die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital an die Bank darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 69). Die Klägerin als geschäftsleitende Holding handelte als Unternehmerin, soweit sie Mittel, die sie mit der Kapitalerhöhung eingeworben hatte, auf die genannte Weise einsetzte (vgl. EuGH-Urteil Régie dauphinoise, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 17).

55

bb) Auch reicht der Umstand, dass die Hilfsumsätze höher sind als die Umsätze aus der Haupttätigkeit, allein nicht aus, um ihre Einordnung als Hilfsumsätze auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 77), soweit Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht oder nur in sehr geringem Umfang für diese Umsätze verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 76 und 78).

56

cc) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, im Streitfall seien die Anlagen der Klägerin bei Banken und die Darlehensgewährungen an die Tochtergesellschaften Hilfsumsätze, weil sie nicht den Gegenstand des Geschäftes der Klägerin darstellten. Diese Würdigung wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen; die Umsätze sind vielmehr bei der Klägerin schon deshalb keine Hilfsumsätze, weil sie --wie das FA in diesem Zusammenhang zu Recht geltend macht-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zur Haupttätigkeit der Klägerin gehören. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach den Feststellungen auf S. 4 des FG-Urteils u.a. der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze, so dass nicht mehr konkret beurteilt werden muss, in welchem Umfang diese Umsätze für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordern, für die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 34). Auf die Frage, ob die Umsätze von Anfang an beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit der Klägerin waren, kommt es nach den Ausführungen unter c und d ebenfalls nicht mehr an.

57

g) Greift mithin § 43 Nr. 3 UStDV nicht zugunsten der Klägerin ein, wird das FG im 2. Rechtsgang zu prüfen haben, inwieweit die rechtzeitig erklärte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2016, 353, Rz 56 f., m.w.N.) Option der Klägerin gemäß § 9 UStG zur Steuerpflicht ihrer an sich gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze wirksam ist und sich auf die bisher festgesetzte Umsatzsteuer und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Vorsteuerabzug auswirkt.

58

3. Außerdem kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin --wie von ihr geltend gemacht-- und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht (s. dazu unter 4. bis 7.). Dies könnte Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin für das Streitjahr festzusetzenden Umsatzsteuer haben.

59

a) Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen; die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a, Rz 21; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17. September 2014 C-7/13, EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 28). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2., Rz 18; vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.a, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA), EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 29).

60

b) Ob eine Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften besteht, ist auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, da Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712). Wären der Klägerin die Umsätze und Leistungsbezüge ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, wäre die Umsatzsteuer im Rahmen der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ggf. in anderer Höhe festzusetzen.

61

c) Ob eine Organschaft besteht und weiter dazu führt, dass die Umsatzsteuer höher oder niedriger festzusetzen ist, kann nicht beurteilt werden, da das FG --aus seiner Sicht konsequenterweise-- nicht festgestellt hat, wie hoch die bisher (möglicherweise zu Unrecht) gegenüber den Tochtergesellschaften festgesetzte Umsatzsteuer ist.

62

4. Auch eine GmbH & Co. KG --wie dies auf die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- kann Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein.

63

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

64

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beruhte im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 11 MwStSystRL), wonach es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei steht, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln (sog. Mehrwertsteuergruppe).

65

c) Der EuGH hat zur Auslegung dieser Bestimmungen --für den BFH bindend-- Folgendes entschieden (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2):

    

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."

66

d) Zur Beschränkung von Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat der EuGH ausgeführt (vgl. Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 36 bis 43):

    

"36 Was die Antwort anbelangt, die in der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, die jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Irland, C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 36)

    

37 Daher ist erstens festzustellen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf 'juristische Personen' beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die - wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren - keine juristischen Personen sind.

    

38 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine ausdrückliche Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 35), insbesondere nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe sein könnten.

    

39 Deshalb ist zu prüfen, ob der Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die Bildung solcher Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten, es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen Personen sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie auszuschließen.

    

40 Aus der Begründung des Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der Sechsten Richtlinie geführt hat, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37).

        

41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern diese den Zielen der Richtlinie entsprechen, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 38 und 39).

    

42 Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69 eingeführten Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, vor diesem Inkrafttreten gleichwertige sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung durch die Mitgliedstaaten ein Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 70 und 71).

    

43 Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine juristischen Personen sind, von der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist."

67

e) Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz 43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung (vom FA zutreffend als "Prüfungsauftrag" bezeichnet) führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ist.

68

aa) Davon ist der Senat bereits in seinem Vorlagebeschluss ausgegangen (vgl. BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 73 "fernliegend").

69

bb) Dem sind die Kommission und der Generalanwalt gefolgt.

70

Der Generalanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 26. März 2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:212, juris, Rz 73, 74 und 80):

    

"73. Auch wenn die Prüfung dieser Punkte dem vorliegenden Gericht obliegt, ist anzumerken, dass es im Wesentlichen bereits in seiner Vorlageentscheidung klargestellt hat, dass es zum einen keine Verbindung zwischen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgestellten Bedingung, nach der alle Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe Rechtspersönlichkeit besitzen müssen, und der Verfolgung der in Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie genannten Ziele sieht und dass dieses Erfordernis zum anderen dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwiderlaufen könnte, soweit allein aufgrund der Rechtsform bestimmte Unternehmen von der Möglichkeit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden.

74. Ich teile diese Ansicht.

    

80. Wie für das vorlegende Gericht und die Kommission ist jedoch auch für mich nur schwer ersichtlich, inwiefern eine Unterscheidung in Abhängigkeit von der Rechtsform oder dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Rechtspersönlichkeit der Unternehmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sein sollte."

71

cc) Weder das FA noch das BMF sind dieser Beurteilung entgegengetreten.

72

dd) Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf "juristische Personen" missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder –umgehung verhindert werden sollten.

73

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geht im Wesentlichen auf das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 (UStG 1967) zurück. Der Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf enthält lediglich die Aussage, dass das Institut der Organschaft "zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft" beibehalten wird (vgl. BTDrucks zu V/1581, S. 10; BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.2.b aa, Rz 42; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, m.w.N.).

74

In der Gesetzesbegründung zum UStG 1980 heißt es zu § 2 Abs. 1 und 2 UStG nur (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 29): "Die Absätze 1 und 2 stimmen mit § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1973 überein. Artikel 4 Abs. 1 bis 4 der 6. Richtlinie erfordert keine Änderung dieser Vorschriften." Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf folgt nichts anderes (vgl. BTDrucks 8/2827, S. 6, 63 ff.). Allerdings sollen sich bei der Vorbereitung des UStG 1980 sowohl die Finanzverwaltung als auch die Wirtschaft einhellig für die Beibehaltung der Organschaft ausgesprochen haben. Die Organisationsstruktur vieler Unternehmen sei seit langem auf die Organschaft ausgerichtet. Auf Seiten der Finanzverwaltung führe die Organschaft zu einer gewissen Verwaltungsvereinfachung. Der Organkreis werde unter einer Steuernummer geführt und gebe nur eine Umsatzsteuererklärung ab. Der Verzicht auf die Organschaft hätte daher bei Wirtschaft und Verwaltung nicht nur erhebliche Mehrarbeit, sondern auch Kostensteigerungen mit sich gebracht (so Klezath, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1980, 5, 8; vgl. auch Klezath, DStZ 1986, 112, 114).

75

Selbst wenn man deshalb davon ausgeht, die "Verwaltungsvereinfachung" sei "auch" das Motiv des Gesetzgebers gewesen, die Rechtsfigur der Organschaft im UStG 1980 beizubehalten (so Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 784), ergibt sich daraus nichts für die hier zu prüfende Frage. Dieses Ziel der "Verwaltungsvereinfachung" findet sich zwar (neben dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen) ebenfalls in der Begründung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 40). Es kann aber die Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht rechtfertigen; vielmehr kommt es insofern --allein-- darauf an, ob diese Beschränkung eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung ist (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015, 496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2 und Rz 43).

76

5. Allerdings entfaltet Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG keine unmittelbare Wirkung und ist deshalb auch nicht berufbar (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 3).

77

6. Ausgehend davon hat der Senat im Streitfall zu prüfen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff "juristische Peron" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften umfasst (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsätze 2 und 3; vgl. auch Rz 114 der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi, EU:C:2015:212, juris).

78

Dies ist jedenfalls für eine GmbH & Co. KG --wie dies für die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- zu bejahen.

79

a) Die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG möglich ist, wird in der Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet (bejahend z.B. Diemer, Der Betrieb 2015, 1748; Korn, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung 2015, 39; Nieskens, Betriebs-Berater 2015, 2074, 2076; Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 43/2015, Anm. 6, unter C. a.E.; wohl auch Hummel, Umsatzsteuer-Rundschau 2015, 671, 680; Streit/ Rust, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2015, 2097, 2099 f.; tendenziell verneinend Eggers, Neue Wirtschafts-Briefe 2015, 2566, 2574; Eggers/Korf, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 710, 718; Grünwald, MwStR 2015, 587, 588; offen Birkenfeld, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 757, 758; Hartman, Die Steuerberatung 2016, 18). Das beigetretene BMF hält eine richtlinienkonforme Auslegung nicht für möglich.

80

b) Für die vorzunehmende Prüfung, ob eine richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift möglich ist, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgende Grundsätze:

81

aa) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht (BVerfG-Beschluss vom 8. April 1987  2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, unter B.2.c cc, Rz 45). Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen; mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden i.S. eines Optimierungsgebotes (BVerfG-Beschluss vom 26. September 2011  2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, BVerfGK 19, 89, unter B.II.1.b, Rz 46). Auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung steht dem nationalen Richter zu, und zwar auch im Steuerrecht (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Dezember 1992  1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327, unter II.1., Rz 7; vom 16. Februar 2012  1 BvR 127/10, HFR 2012, 545, unter IV.1.a, Rz 23 f.; vom 17. September 2013  1 BvR 1928/12, HFR 2013, 1156, unter IV.1.a, Rz 33).

82

bb) Eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG.

83

Denn steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet --wie hier dem Zivilrecht-- entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren; es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc, Rz 11, m.w.N.; BFH-Urteil vom 29. Januar 2015 V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl II 2015, 567, Rz 36).

84

cc) Im Übrigen gibt es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs "juristische Person".

85

So hat das BVerfG für Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) anerkannt, dass "juristische Personen" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften sein können (ständige Rechtsprechung seit dem BVerfG-Urteil vom 20. Juli 1954  1 BvR 114/54, BVerfGE 4, 7, unter C.3.b, Rz 15 f.; vgl. BVerfG-Urteil vom 29. Juli 1959  1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, unter C.I., Rz 40; BVerfG-Beschlüsse vom 11. Oktober 1966  2 BvR 477/64 u.a., BVerfGE 20, 257, unter B.I.2., Rz 27; vom 18. Oktober 1966  2 BvR 386/63, 2 BvR 478/63, BVerfGE 20, 283, unter B.II.2., Rz 47; vom 4. Dezember 1979  2 BvR 64/78, 2 BvR 460/79, BVerfGE 53, 1, unter B.I.1., Rz 55; s. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 1103/02, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3533, unter 2.a, Rz 6).

86

Im BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000  1 BvR 539/96 (BVerfGE 102, 197, unter C.I., Rz 63) führt das BVerfG in Bezug auf zwei GmbH & Co. KGs (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 102, 197, unter A.II., Rz 5) sogar ausdrücklich aus, bei einem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff sei das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf "juristische Personen des Privatrechts" anwendbar. Danach ist eine GmbH & Co. KG eine juristische Person i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG.

87

Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) davon aus, dass "juristische Personen" (dort: i.S. des § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut "juristische Person" dieser Auslegung nicht entgegen steht (vgl. BVerwG-Urteil vom 1. Oktober 2015  7 C 8.14, Deutsches Verwaltungsblatt 2016, 188, unter 1.a bb(1), Rz 23).

88

c) Bezogen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat Generalanwalt Mengozzi in Rz 115 seiner Schlussanträge (EU:C:2015:212, juris) angemerkt, die Kommission habe in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass das FG München (Urteil vom 13. März 2013  3 K 235/10, EFG 2013, 1434) mit der Feststellung, dass "kapitalistisch strukturierte" Personengesellschaften --wie die Tochtergesellschaften der Klägerinnen in den Ausgangsverfahren-- in den persönlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG fallen könnten, den Versuch einer solchen mit dem Unionsrecht vereinbaren Auslegung unternommen habe.

89

d) Der Senat folgt mit Blick auf das Unionsrecht --insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsformneutralität (vgl. dazu Vorlagebeschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 74 und 75)-- der (offenbar sowohl von der Kommission als auch vom Generalanwalt unterstützten) Auffassung des FG München.

90

Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur" (Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44; vgl. auch Stadie in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 840). In der Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen; der Sache nach wird sie jedoch eher als GmbH gewertet Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.). Steuerrechtlich sind die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175). Die GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der §§ 264a ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) weitgehend denselben Regeln der Rechnungspublizität und Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische Person unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44).

91

e) Deshalb kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" (jedenfalls) auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

92

f) Die Auffassung des Senats, dass auch eine GmbH & Co. KG als "juristische Person" i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist, weicht zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (DStR 2016, 219) ab.

93

aa) Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies setzt zwar nach Auffassung des V. Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG --um die es auch im dortigen Verfahren ging-- Organgesellschaft sein kann (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung sowie die Entscheidungsgründe unter II.4., Rz 60). Andernfalls hätte er die Klage abweisen müssen.

94

bb) Insoweit besteht Übereinstimmung. Ob der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil in DStR 2016, 219 im Übrigen zustimmen kann, ist im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.

95

cc) Zwar hatte der V. Senat im Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78 (BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362) u.a. entschieden, eine KG könne auch dann nicht unselbständig i.S. von § 2 Abs. 2 UStG sein, wenn ihr persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (vgl. Leitsatz 2). Diese Aussage ist aber durch das BFH-Urteil in DStR 2016, 219 überholt.

96

g) Deshalb kommt auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 FGO in Betracht.

97

Für die Zulässigkeit einer Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung ist Voraussetzung, dass die vorgelegte Rechtsfrage sowohl für die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen will, als auch für die Entscheidung des anrufenden Senats entscheidungserheblich ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262, unter C.I.2., Rz 14; vom 9. Oktober 2014 GrS 1/13, BFHE 247, 291, BStBl II 2015, 345, Rz 29; vom 14. April 2015 GrS 2/12, BFHE 250, 338, BStBl II 2015, 1007, Rz 31; BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, Rz 35).

98

Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage, ob eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann, lediglich Unterschiede in der Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt keine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309, Rz 25; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 35; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 11; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 7).

99

Auch eine Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage setzt deren Entscheidungserheblichkeit voraus (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 105; Gräber/Herbert, a.a.O., § 11 Rz 26, m.w.N.).

100

7. Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, vorliegt, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden.

101

a) Insoweit hat der EuGH im Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) in Rz 44 und 45 ausgeführt:

    

"44 Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet ansässig, rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in Ermangelung weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der Unionsgesetzgeber die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

    

45 Das Vorliegen eines solchen Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann es - wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den Ausnahmefällen gelten, in denen eine solche Bedingung in einem bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme ist."

102

b) Generalanwalt Mengozzi hat in Rz 99 seiner Schlussanträge Larentia + Minerva (EU:C:2015:212, juris), auf die der EuGH Bezug genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:

    

"99. Auch wenn dem vorlegenden Gericht die Prüfung obliegt, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, frage ich mich jedoch, ob eine nationale Maßnahme, die eine solche Intensität der Verbindungen zwischen Personen verlangt, damit sie einen Mehrwertsteuerpflichtigen bilden, nicht über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinausgeht. Abgesehen von besonderen, einem bestimmten Mitgliedstaat eigenen Umständen, die dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren jedoch nicht unterbreitet worden sind, ist allgemein gesehen nämlich schwer zu verstehen, aus welchen Gründen die Verfolgung der genannten Ziele zwingend ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe erfordern sollte, damit die Voraussetzung des Vorliegens enger Beziehungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht erfüllt ist. Auch wenn das Vorliegen eines solchen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe zweifellos eine hinreichende Bedingung für die Erreichung dieser Ziele und die Erfüllung der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie aufgestellten Voraussetzung ist, zweifle ich doch daran, dass sie unbedingt erforderlich ist."

103

Der erkennende Senat hat im gegenwärtigen Verfahrensstadium die nach Rz 45 und 46 der Vorabentscheidung (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) ihm obliegende Prüfung noch nicht vorzunehmen. Es ist unklar, ob diese Prüfung im Streitfall vorgenommen werden muss; denn es fehlen Feststellungen dazu, welche finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften bestehen. Diese Feststellungen sind vorrangig und müssen vom FG im zweiten Rechtsgang zunächst nachgeholt werden.

104

Deshalb muss der Senat nicht entscheiden, ob er der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 (DStR 2016, 226) folgt, für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht (vgl. BFH-Urteil in DStR 2016, 226, unter II.1.c cc, Rz 34 ff.).

105

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten nach der in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 901) weiterhin um die Höhe des Vorsteuerabzugs der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Holding, aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie um das Vorliegen einer Organschaft.

2

Die Klägerin ist eine AG, deren einzige Aktionärin zunächst die X-GmbH & Co. KG war. Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen.

3

Durch eine im Rahmen ihres Börsengangs erfolgte Aktienemission erhöhte die Klägerin ihr Kapital im Jahr 2006 (Streitjahr) von ... € um ... €. Für die Emission entstanden Kosten, die mit Umsatzsteuer in Höhe von 373.347,57 € belastet waren. Nach dem Börsenprospekt beabsichtigte sie, die Klägerin, sich als internationale Anbieterin in der Branche der entgeltlichen Überlassung von Container- und Tankerschiffen zu positionieren.

4

Die sog. Schiffscharter führte die Klägerin nach ihrem Konzept über sog. Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aus, die --u.a. zur Verringerung des Haftungsrisikos-- Eigentümerinnen und Betreiberinnen der Schiffe werden und Fremdkapitalanteile aufnehmen sollten.

5

Die Klägerin war Mehrheitskommanditistin an den jeweiligen Schiffskommanditgesellschaften mit einer Beteiligungsquote von mehr als 99 %. Die weiteren Kommanditisten waren jeweils die X-GmbH & Co. KG sowie der jeweilige Vertragsreeder.

6

Die jeweilige Komplementärin und die Klägerin führten die Geschäfte der Schiffskommanditgesellschaften.

7

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistung eine Vergütung in Höhe von jährlich ... € zzgl. Umsatzsteuer. Die Höhe dieser Vergütung wurde auf der Grundlage der Kosten für die Aktienemission und einer durchschnittlichen betrieblichen Nutzungsdauer eines Seeschiffs von 20 Jahren kalkuliert. Außerdem hatte die Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch.

8

Zur Finanzierung des Erwerbs und des Betriebs des jeweiligen Seeschiffs wurde bei den Schiffskommanditgesellschaften eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die im Wesentlichen durch die Klägerin mittels einer Kapitaleinlage erbracht wurde. Nach den jeweils gleich gestalteten Gesellschaftsverträgen lag der Gesellschaftszweck der operativen Schiffskommanditgesellschaften in der Verwaltung eigenen Vermögens, in dem Erwerb, in dem Betrieb, in der Veräußerung von (bestimmten) Seeschiffen, in dem Abschluss von Charterverträgen und Derivaten sowie in der Vereinbarung aller hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.

9

Im Streitjahr gründete die Klägerin als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solcher Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

10

Die nach dem Konzept vorgesehene Erhöhung der Kapitaleinlage zur Finanzierung des Erwerbs von Seeschiffen belief sich bei den Tochtergesellschaften auf jeweils ... €. Überdies gewährte die Klägerin den Tochtergesellschaften kurzfristige verzinsliche Darlehen zur Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils rund ... €.

11

Die Tochtergesellschaften schlossen die für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab, wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden war.

12

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistungen von den Tochtergesellschaften im Streitjahr ein Entgelt in Höhe von ... € zzgl. Umsatzsteuer. Überdies erhielt sie im Streitjahr für die den Tochtergesellschaften gewährten Darlehen Zinsen in Höhe von ... €, Beteiligungserträge in Höhe von ... € sowie aus Anlagen von Teilen des mit den Aktienemissionen eingeworbenen Kapitals bei Kreditinstituten Zinsen in Höhe von ... €.

13

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Leistungen aus ihrer Geschäftsführungstätigkeit in Höhe von ... € (= ... € Umsatzsteuer) und machte u.a. den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von 373.347,57 € geltend.

14

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 15. Januar 2009 den Vorsteuerabzug. Der Einspruch blieb erfolglos; dabei hob das FA den Umsatzsteuerbescheid auf, weil die Klägerin keine Unternehmerin sei; denn sie greife nicht in die Geschäftsführung ihrer Tochtergesellschaften ein (Einspruchsentscheidung vom 27. August 2010).

15

Nach Durchführung eines Erörterungstermins im Klageverfahren gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin durch die damaligen Vorstände geschäftsführend bei den Tochterkommanditgesellschaften tätig gewesen sei und die Emissionskosten als Berechnungsgrundlage in die Vergütung für die Geschäftsführungstätigkeit eingeflossen seien.

16

Bereits im Klageverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie aufgrund einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft insgesamt wirtschaftlich tätig sei. Die Eingliederungsmerkmale lägen vor. Dass Personengesellschaften nicht Organgesellschaften sein könnten, sei unionsrechts- und verfassungswidrig.

17

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, indem es der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in voller Höhe gewährte. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 255 veröffentlicht.

18

Mit der Revision hat das FA geltend gemacht, die Klägerin sei im Streitjahr zwar Unternehmerin gewesen, die streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien aber wegen ihrer auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und des Haltens von Beteiligungen aufzuteilen. Insbesondere seien auf den Streitfall die Grundsätze des EuGH-Urteils SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08 (EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099) nicht anwendbar, da diese Entscheidung auf --der hier nicht gegebenen Besonderheit-- beruhe, dass die Veräußerung zur Umstrukturierung eines Konzerns erfolgt sei.

19

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12 (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?

2. Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person --nicht aber eine Personengesellschaft-- in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) 'in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist'?

3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?"

20

Der EuGH hat die Fragen mit seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) beantwortet.

21

Nach Ergehen des EuGH-Urteils hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bezüglich der im Streitjahr erfolgten Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften (darauf entfallendes Entgelt: ... €) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichte und zur Steuerpflicht optiere. Sie habe im Oktober 2015 Rechnungen mit offenem Steuerausweis erteilt. Die Option sei wirksam. Das FA hat mitgeteilt, es habe über einen entsprechenden Änderungsantrag der Klägerin noch nicht entschieden.

22

Das FA macht geltend, auch nach der Vorabentscheidung sei ein voller Vorsteuerabzug für die Klägerin nicht zwingend. Insbesondere sei unklar, welchen Umfang die Tätigkeiten einer Holding nach Auffassung des EuGH haben müssten, damit diese eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Mehrwertsteuerrechts ausübe.

23

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Ausführungen des EuGH zur Organschaft. Das Unionsrecht sei nicht berufbar. Eine Erweiterung der Organschaft auf Personengesellschaften sei dem Gesetzgeber vorbehalten, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Die Vorschrift diene außerdem i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vermeidung missbräuchlicher Praktiken.

24

Das FA trägt hilfsweise vor, es halte eine Vorsteueraufteilung für angemessen, die sich nach der Verwendung des eingeworbenen Kapitals richte. Da die Klägerin 95 % des eingeworbenen Kapitals für den Erwerb von Beteiligungen verwendet habe, seien lediglich 5 % der streitigen Vorsteuerbeträge (= 18.667,38 €) abziehbar.

25

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen für die im Zusammenhang mit der Aktienemission bezogenen Leistungen über den Betrag von 18.667,38 € hinaus geltend macht.

26

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

27

Sie trägt vor, ihr stehe dem Grunde nach der volle Vorsteuerabzug zu. Eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit scheide aus. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Der Vorsteuerabzug sei vielmehr aufgrund von § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG i.V.m. § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vollständig zu gewähren; hinsichtlich der Zinserträge von Kreditinstituten lägen den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Hilfsumsätze vor. Außerdem habe sie, die Klägerin, mittlerweile teilweise zur Steuerpflicht optiert.

28

Bezüglich des Vorliegens einer Organschaft sieht die Klägerin aus "verfahrensökonomischen Gründen" von einer Stellungnahme ab.

29

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist nach Ergehen des EuGH-Urteils gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Es trägt nur zur Organschaft vor.

30

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG könne eine Person, die keine "juristische Person" sei, nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert werden. Der EuGH habe dem Senat die Prüfung aufgegeben, ob der Ausschluss von anderen Personen eine Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung darstelle. Sofern der Senat eine solche Maßnahme verneine, werde mangels direkten Berufungsrechts der Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des Unionsrechts zu prüfen sein, ob es möglich ist, anderen Personen --insbesondere Personengesellschaften-- den Anwendungsbereich der Organschaftsregelung durch Auslegung des Begriffs "juristische Person" zu eröffnen. Nach Auffassung des BMF sei dies nicht möglich; dadurch würden die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.

31

Soweit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ferner für die Annahme einer Organschaft eine Eingliederung und damit ein Verhältnis der Unterordnung voraussetze, sei dies erforderlich und geeignet, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung vorzubeugen. Das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses diene zudem der Rechtssicherheit; es stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Eine anderweitige, unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs der Eingliederung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sei nicht möglich.

Entscheidungsgründe

32

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

33

Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug zu (s. dazu unter 1.). Die Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften und an ein Kreditinstitut sind allerdings vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie steuerfrei sind; es sind keine Hilfsumsätze (s. dazu unter 2.). Außerdem kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind (vgl. unter 3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif.

34

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin als geschäftsleitender Holding der Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde nach zusteht.

35

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, wobei allerdings u.a. bei steuerfreien Umsätzen für die Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG) die Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abziehbar ist.

36

Diese Vorschriften beruhten im Streitjahr auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei Umsätzen für die Seeschifffahrt sind Art. 17 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten (jetzt: Art. 169 Buchst. b i.V.m. Art. 148 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

37

b) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verwenden beabsichtigt.

38

c) Dazu hat der EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) Folgendes entschieden:

    

"1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."

39

aa) Der EuGH hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet (Rz 21, 25):

    

"21 Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C-16/00, EU:C:2001:495, Rn. 22, und Portugal Telecom, C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 34).

    

...     

    

25 Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und - wie oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist - insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug. ..."

40

bb) Bezogen auf den Streitfall hat der EuGH ausgeführt (Rz 28 f.): 

    

"28 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind, die aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher müsste die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden, es sei denn, dass nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall dürfte das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

    

29 Somit könnte nur in dem Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die sich aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil anderen Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung sie nicht teilgenommen haben, die für die Kosten dieser Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen werden, wie in der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das bloße Halten ihrer Anteile an diesen Tochtergesellschaften nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Holdinggesellschaften angesehen werden, und die Vorsteuer wäre in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die, die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört."

41

d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht entschieden, dass nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen das Halten der Anteile an den Tochter-KGs Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ist.

42

aa) Die Klägerin ist nach Auffassung des FG (Urteil S. 15 f.), des Senats (Beschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 38) und des EuGH (Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 28) Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt Geschäftsführungsleistungen erbringt. Davon gehen nach einer tatsächlichen Verständigung auch die Klägerin und das FA übereinstimmend aus.

43

bb) Soweit das FA und der Senat im Vorlagebeschluss (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Frage 1 sowie Rz 40 bis 43) nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des Vorsteuerabzugs für möglich gehalten haben, widerspricht dies Rz 28 und 29 des EuGH-Urteils Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901).

44

e) Zwar trifft die Auffassung des FA, der Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu (vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a. vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260; Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, HFR 2013, 851; Italmoda u.a. vom 18. Dezember 2014 C-131/13, EU:C:2014:2455, HFR 2015, 200, Rz 43 ff.).

45

Allerdings hat das FG auf S. 16 f. des Urteils den Streitfall dahingehend gewürdigt, es liege keine missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, unter II.2.a und b, Rz 21 und 23; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271, unter 2., Rz 15).

46

2. Hingegen sind --entgegen der Auffassung des FG-- die Anlagen der Klägerin bei ihren Tochtergesellschaften und Kreditinstituten keine Hilfsumsätze i.S. des § 43 Nr. 3 UStDV.

47

a) Gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung u.a. nähere Bestimmungen darüber treffen, wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 4 UStG) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

48

b) Von dieser Befugnis hat der Verordnungsgeber mit § 43 UStDV Gebrauch gemacht. Danach sind die den folgenden steuerfreien Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind:

    

"3. ... Einlagen bei Kreditinstituten, wenn diese Umsätze als Hilfsumsätze anzusehen sind."

49

Die sich daraus ergebende Erleichterung besteht darin, dass Vorsteuerbeträge, die den in § 43 UStDV genannten Umsätzen zuzurechnen sind, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern voll abziehbar sind (Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 704).

50

c) Unionsrechtliche Grundlage dieser Bestimmung in der UStDV war im Streitjahr Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach --vorbehaltlich der ohnehin bestehenden Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG-- der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen ist, der anhand von Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelt wird. Danach bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. die Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte außer Ansatz. Der Begriff "Hilfsumsatz" in § 43 Nr. 3 UStDV ist deshalb im Interesse einer unionsweit einheitlichen Auslegung (vgl. EuGH-Urteile Nordania Finans und BG Factoring vom 6. März 2008 C-98/07, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 34 f.; NCC Construction Danmark vom 29. Oktober 2009 C-174/08, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 24 ff.) richtlinienkonform entsprechend der Definition in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL) auszulegen.

51

d) Der Zweck des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag, den die Kommission dem Rat am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der es heißt:

    

"Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen."

52

e) Deshalb kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit auch nicht als "Hilfsumsatz" i.S. von Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH-Urteil Régie dauphinoise vom 11. Juli 1996 C-306/94, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 22; NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 30 und 31; s. auch EuGH-Urteil Nordania Finans und BG Factoring, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 22, 24 und 26, zu Investitionsgütern, die im Rahmen der laufenden Tätigkeit des Unternehmers --dort steuerpflichtig-- genutzt werden). Die von der Finanzverwaltung in Abschn. 15.18 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (im Streitjahr: Abschn. 210 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) vertretene Auffassung, dass Hilfsumsätze nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft insoweit zu.

53

f) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, es sei gemäß § 43 Nr. 3 UStDV keine Kürzung der Vorsteuer vorzunehmen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

54

aa) Dabei ist das FG zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zwar unterliegen Darlehensumsätze einer Holding nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie entweder eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden oder die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen, ohne jedoch in Bezug auf letztere Hilfsumsätze i.S. des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu sein (vgl. EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom 14. November 2000 C-142/99, EU:C:2000:623, BFH/NV Beilage 2001, 37, Rz 27 ff.). Jedoch fallen die Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, weil sie nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an die Tochtergesellschaften darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 65 ff.). Auch die Zinsen, die an die Klägerin als Entgelt für Kapitalanlagen gezahlt wurden, können nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, da sie nicht auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruhen, sondern die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital an die Bank darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 69). Die Klägerin als geschäftsleitende Holding handelte als Unternehmerin, soweit sie Mittel, die sie mit der Kapitalerhöhung eingeworben hatte, auf die genannte Weise einsetzte (vgl. EuGH-Urteil Régie dauphinoise, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 17).

55

bb) Auch reicht der Umstand, dass die Hilfsumsätze höher sind als die Umsätze aus der Haupttätigkeit, allein nicht aus, um ihre Einordnung als Hilfsumsätze auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 77), soweit Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht oder nur in sehr geringem Umfang für diese Umsätze verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 76 und 78).

56

cc) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, im Streitfall seien die Anlagen der Klägerin bei Banken und die Darlehensgewährungen an die Tochtergesellschaften Hilfsumsätze, weil sie nicht den Gegenstand des Geschäftes der Klägerin darstellten. Diese Würdigung wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen; die Umsätze sind vielmehr bei der Klägerin schon deshalb keine Hilfsumsätze, weil sie --wie das FA in diesem Zusammenhang zu Recht geltend macht-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zur Haupttätigkeit der Klägerin gehören. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach den Feststellungen auf S. 4 des FG-Urteils u.a. der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze, so dass nicht mehr konkret beurteilt werden muss, in welchem Umfang diese Umsätze für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordern, für die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 34). Auf die Frage, ob die Umsätze von Anfang an beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit der Klägerin waren, kommt es nach den Ausführungen unter c und d ebenfalls nicht mehr an.

57

g) Greift mithin § 43 Nr. 3 UStDV nicht zugunsten der Klägerin ein, wird das FG im 2. Rechtsgang zu prüfen haben, inwieweit die rechtzeitig erklärte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2016, 353, Rz 56 f., m.w.N.) Option der Klägerin gemäß § 9 UStG zur Steuerpflicht ihrer an sich gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze wirksam ist und sich auf die bisher festgesetzte Umsatzsteuer und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Vorsteuerabzug auswirkt.

58

3. Außerdem kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin --wie von ihr geltend gemacht-- und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht (s. dazu unter 4. bis 7.). Dies könnte Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin für das Streitjahr festzusetzenden Umsatzsteuer haben.

59

a) Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen; die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a, Rz 21; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17. September 2014 C-7/13, EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 28). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2., Rz 18; vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.a, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA), EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 29).

60

b) Ob eine Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften besteht, ist auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, da Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712). Wären der Klägerin die Umsätze und Leistungsbezüge ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, wäre die Umsatzsteuer im Rahmen der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ggf. in anderer Höhe festzusetzen.

61

c) Ob eine Organschaft besteht und weiter dazu führt, dass die Umsatzsteuer höher oder niedriger festzusetzen ist, kann nicht beurteilt werden, da das FG --aus seiner Sicht konsequenterweise-- nicht festgestellt hat, wie hoch die bisher (möglicherweise zu Unrecht) gegenüber den Tochtergesellschaften festgesetzte Umsatzsteuer ist.

62

4. Auch eine GmbH & Co. KG --wie dies auf die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- kann Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein.

63

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

64

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beruhte im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 11 MwStSystRL), wonach es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei steht, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln (sog. Mehrwertsteuergruppe).

65

c) Der EuGH hat zur Auslegung dieser Bestimmungen --für den BFH bindend-- Folgendes entschieden (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2):

    

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."

66

d) Zur Beschränkung von Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat der EuGH ausgeführt (vgl. Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 36 bis 43):

    

"36 Was die Antwort anbelangt, die in der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, die jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Irland, C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 36)

    

37 Daher ist erstens festzustellen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf 'juristische Personen' beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die - wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren - keine juristischen Personen sind.

    

38 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine ausdrückliche Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 35), insbesondere nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe sein könnten.

    

39 Deshalb ist zu prüfen, ob der Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die Bildung solcher Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten, es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen Personen sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie auszuschließen.

    

40 Aus der Begründung des Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der Sechsten Richtlinie geführt hat, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37).

        

41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern diese den Zielen der Richtlinie entsprechen, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 38 und 39).

    

42 Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69 eingeführten Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, vor diesem Inkrafttreten gleichwertige sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung durch die Mitgliedstaaten ein Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 70 und 71).

    

43 Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine juristischen Personen sind, von der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist."

67

e) Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz 43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung (vom FA zutreffend als "Prüfungsauftrag" bezeichnet) führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ist.

68

aa) Davon ist der Senat bereits in seinem Vorlagebeschluss ausgegangen (vgl. BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 73 "fernliegend").

69

bb) Dem sind die Kommission und der Generalanwalt gefolgt.

70

Der Generalanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 26. März 2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:212, juris, Rz 73, 74 und 80):

    

"73. Auch wenn die Prüfung dieser Punkte dem vorliegenden Gericht obliegt, ist anzumerken, dass es im Wesentlichen bereits in seiner Vorlageentscheidung klargestellt hat, dass es zum einen keine Verbindung zwischen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgestellten Bedingung, nach der alle Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe Rechtspersönlichkeit besitzen müssen, und der Verfolgung der in Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie genannten Ziele sieht und dass dieses Erfordernis zum anderen dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwiderlaufen könnte, soweit allein aufgrund der Rechtsform bestimmte Unternehmen von der Möglichkeit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden.

74. Ich teile diese Ansicht.

    

80. Wie für das vorlegende Gericht und die Kommission ist jedoch auch für mich nur schwer ersichtlich, inwiefern eine Unterscheidung in Abhängigkeit von der Rechtsform oder dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Rechtspersönlichkeit der Unternehmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sein sollte."

71

cc) Weder das FA noch das BMF sind dieser Beurteilung entgegengetreten.

72

dd) Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf "juristische Personen" missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder –umgehung verhindert werden sollten.

73

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geht im Wesentlichen auf das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 (UStG 1967) zurück. Der Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf enthält lediglich die Aussage, dass das Institut der Organschaft "zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft" beibehalten wird (vgl. BTDrucks zu V/1581, S. 10; BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.2.b aa, Rz 42; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, m.w.N.).

74

In der Gesetzesbegründung zum UStG 1980 heißt es zu § 2 Abs. 1 und 2 UStG nur (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 29): "Die Absätze 1 und 2 stimmen mit § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1973 überein. Artikel 4 Abs. 1 bis 4 der 6. Richtlinie erfordert keine Änderung dieser Vorschriften." Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf folgt nichts anderes (vgl. BTDrucks 8/2827, S. 6, 63 ff.). Allerdings sollen sich bei der Vorbereitung des UStG 1980 sowohl die Finanzverwaltung als auch die Wirtschaft einhellig für die Beibehaltung der Organschaft ausgesprochen haben. Die Organisationsstruktur vieler Unternehmen sei seit langem auf die Organschaft ausgerichtet. Auf Seiten der Finanzverwaltung führe die Organschaft zu einer gewissen Verwaltungsvereinfachung. Der Organkreis werde unter einer Steuernummer geführt und gebe nur eine Umsatzsteuererklärung ab. Der Verzicht auf die Organschaft hätte daher bei Wirtschaft und Verwaltung nicht nur erhebliche Mehrarbeit, sondern auch Kostensteigerungen mit sich gebracht (so Klezath, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1980, 5, 8; vgl. auch Klezath, DStZ 1986, 112, 114).

75

Selbst wenn man deshalb davon ausgeht, die "Verwaltungsvereinfachung" sei "auch" das Motiv des Gesetzgebers gewesen, die Rechtsfigur der Organschaft im UStG 1980 beizubehalten (so Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 784), ergibt sich daraus nichts für die hier zu prüfende Frage. Dieses Ziel der "Verwaltungsvereinfachung" findet sich zwar (neben dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen) ebenfalls in der Begründung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 40). Es kann aber die Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht rechtfertigen; vielmehr kommt es insofern --allein-- darauf an, ob diese Beschränkung eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung ist (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015, 496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2 und Rz 43).

76

5. Allerdings entfaltet Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG keine unmittelbare Wirkung und ist deshalb auch nicht berufbar (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 3).

77

6. Ausgehend davon hat der Senat im Streitfall zu prüfen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff "juristische Peron" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften umfasst (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsätze 2 und 3; vgl. auch Rz 114 der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi, EU:C:2015:212, juris).

78

Dies ist jedenfalls für eine GmbH & Co. KG --wie dies für die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- zu bejahen.

79

a) Die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG möglich ist, wird in der Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet (bejahend z.B. Diemer, Der Betrieb 2015, 1748; Korn, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung 2015, 39; Nieskens, Betriebs-Berater 2015, 2074, 2076; Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 43/2015, Anm. 6, unter C. a.E.; wohl auch Hummel, Umsatzsteuer-Rundschau 2015, 671, 680; Streit/ Rust, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2015, 2097, 2099 f.; tendenziell verneinend Eggers, Neue Wirtschafts-Briefe 2015, 2566, 2574; Eggers/Korf, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 710, 718; Grünwald, MwStR 2015, 587, 588; offen Birkenfeld, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 757, 758; Hartman, Die Steuerberatung 2016, 18). Das beigetretene BMF hält eine richtlinienkonforme Auslegung nicht für möglich.

80

b) Für die vorzunehmende Prüfung, ob eine richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift möglich ist, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgende Grundsätze:

81

aa) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht (BVerfG-Beschluss vom 8. April 1987  2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, unter B.2.c cc, Rz 45). Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen; mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden i.S. eines Optimierungsgebotes (BVerfG-Beschluss vom 26. September 2011  2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, BVerfGK 19, 89, unter B.II.1.b, Rz 46). Auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung steht dem nationalen Richter zu, und zwar auch im Steuerrecht (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Dezember 1992  1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327, unter II.1., Rz 7; vom 16. Februar 2012  1 BvR 127/10, HFR 2012, 545, unter IV.1.a, Rz 23 f.; vom 17. September 2013  1 BvR 1928/12, HFR 2013, 1156, unter IV.1.a, Rz 33).

82

bb) Eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG.

83

Denn steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet --wie hier dem Zivilrecht-- entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren; es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc, Rz 11, m.w.N.; BFH-Urteil vom 29. Januar 2015 V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl II 2015, 567, Rz 36).

84

cc) Im Übrigen gibt es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs "juristische Person".

85

So hat das BVerfG für Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) anerkannt, dass "juristische Personen" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften sein können (ständige Rechtsprechung seit dem BVerfG-Urteil vom 20. Juli 1954  1 BvR 114/54, BVerfGE 4, 7, unter C.3.b, Rz 15 f.; vgl. BVerfG-Urteil vom 29. Juli 1959  1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, unter C.I., Rz 40; BVerfG-Beschlüsse vom 11. Oktober 1966  2 BvR 477/64 u.a., BVerfGE 20, 257, unter B.I.2., Rz 27; vom 18. Oktober 1966  2 BvR 386/63, 2 BvR 478/63, BVerfGE 20, 283, unter B.II.2., Rz 47; vom 4. Dezember 1979  2 BvR 64/78, 2 BvR 460/79, BVerfGE 53, 1, unter B.I.1., Rz 55; s. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 1103/02, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3533, unter 2.a, Rz 6).

86

Im BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000  1 BvR 539/96 (BVerfGE 102, 197, unter C.I., Rz 63) führt das BVerfG in Bezug auf zwei GmbH & Co. KGs (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 102, 197, unter A.II., Rz 5) sogar ausdrücklich aus, bei einem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff sei das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf "juristische Personen des Privatrechts" anwendbar. Danach ist eine GmbH & Co. KG eine juristische Person i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG.

87

Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) davon aus, dass "juristische Personen" (dort: i.S. des § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut "juristische Person" dieser Auslegung nicht entgegen steht (vgl. BVerwG-Urteil vom 1. Oktober 2015  7 C 8.14, Deutsches Verwaltungsblatt 2016, 188, unter 1.a bb(1), Rz 23).

88

c) Bezogen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat Generalanwalt Mengozzi in Rz 115 seiner Schlussanträge (EU:C:2015:212, juris) angemerkt, die Kommission habe in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass das FG München (Urteil vom 13. März 2013  3 K 235/10, EFG 2013, 1434) mit der Feststellung, dass "kapitalistisch strukturierte" Personengesellschaften --wie die Tochtergesellschaften der Klägerinnen in den Ausgangsverfahren-- in den persönlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG fallen könnten, den Versuch einer solchen mit dem Unionsrecht vereinbaren Auslegung unternommen habe.

89

d) Der Senat folgt mit Blick auf das Unionsrecht --insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsformneutralität (vgl. dazu Vorlagebeschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 74 und 75)-- der (offenbar sowohl von der Kommission als auch vom Generalanwalt unterstützten) Auffassung des FG München.

90

Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur" (Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44; vgl. auch Stadie in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 840). In der Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen; der Sache nach wird sie jedoch eher als GmbH gewertet Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.). Steuerrechtlich sind die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175). Die GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der §§ 264a ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) weitgehend denselben Regeln der Rechnungspublizität und Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische Person unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44).

91

e) Deshalb kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" (jedenfalls) auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

92

f) Die Auffassung des Senats, dass auch eine GmbH & Co. KG als "juristische Person" i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist, weicht zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (DStR 2016, 219) ab.

93

aa) Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies setzt zwar nach Auffassung des V. Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG --um die es auch im dortigen Verfahren ging-- Organgesellschaft sein kann (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung sowie die Entscheidungsgründe unter II.4., Rz 60). Andernfalls hätte er die Klage abweisen müssen.

94

bb) Insoweit besteht Übereinstimmung. Ob der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil in DStR 2016, 219 im Übrigen zustimmen kann, ist im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.

95

cc) Zwar hatte der V. Senat im Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78 (BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362) u.a. entschieden, eine KG könne auch dann nicht unselbständig i.S. von § 2 Abs. 2 UStG sein, wenn ihr persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (vgl. Leitsatz 2). Diese Aussage ist aber durch das BFH-Urteil in DStR 2016, 219 überholt.

96

g) Deshalb kommt auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 FGO in Betracht.

97

Für die Zulässigkeit einer Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung ist Voraussetzung, dass die vorgelegte Rechtsfrage sowohl für die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen will, als auch für die Entscheidung des anrufenden Senats entscheidungserheblich ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262, unter C.I.2., Rz 14; vom 9. Oktober 2014 GrS 1/13, BFHE 247, 291, BStBl II 2015, 345, Rz 29; vom 14. April 2015 GrS 2/12, BFHE 250, 338, BStBl II 2015, 1007, Rz 31; BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, Rz 35).

98

Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage, ob eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann, lediglich Unterschiede in der Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt keine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309, Rz 25; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 35; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 11; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 7).

99

Auch eine Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage setzt deren Entscheidungserheblichkeit voraus (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 105; Gräber/Herbert, a.a.O., § 11 Rz 26, m.w.N.).

100

7. Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, vorliegt, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden.

101

a) Insoweit hat der EuGH im Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) in Rz 44 und 45 ausgeführt:

    

"44 Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet ansässig, rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in Ermangelung weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der Unionsgesetzgeber die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

    

45 Das Vorliegen eines solchen Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann es - wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den Ausnahmefällen gelten, in denen eine solche Bedingung in einem bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme ist."

102

b) Generalanwalt Mengozzi hat in Rz 99 seiner Schlussanträge Larentia + Minerva (EU:C:2015:212, juris), auf die der EuGH Bezug genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:

    

"99. Auch wenn dem vorlegenden Gericht die Prüfung obliegt, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, frage ich mich jedoch, ob eine nationale Maßnahme, die eine solche Intensität der Verbindungen zwischen Personen verlangt, damit sie einen Mehrwertsteuerpflichtigen bilden, nicht über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinausgeht. Abgesehen von besonderen, einem bestimmten Mitgliedstaat eigenen Umständen, die dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren jedoch nicht unterbreitet worden sind, ist allgemein gesehen nämlich schwer zu verstehen, aus welchen Gründen die Verfolgung der genannten Ziele zwingend ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe erfordern sollte, damit die Voraussetzung des Vorliegens enger Beziehungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht erfüllt ist. Auch wenn das Vorliegen eines solchen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe zweifellos eine hinreichende Bedingung für die Erreichung dieser Ziele und die Erfüllung der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie aufgestellten Voraussetzung ist, zweifle ich doch daran, dass sie unbedingt erforderlich ist."

103

Der erkennende Senat hat im gegenwärtigen Verfahrensstadium die nach Rz 45 und 46 der Vorabentscheidung (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) ihm obliegende Prüfung noch nicht vorzunehmen. Es ist unklar, ob diese Prüfung im Streitfall vorgenommen werden muss; denn es fehlen Feststellungen dazu, welche finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften bestehen. Diese Feststellungen sind vorrangig und müssen vom FG im zweiten Rechtsgang zunächst nachgeholt werden.

104

Deshalb muss der Senat nicht entscheiden, ob er der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 (DStR 2016, 226) folgt, für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht (vgl. BFH-Urteil in DStR 2016, 226, unter II.1.c cc, Rz 34 ff.).

105

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanz-gerichts Nürnberg vom 6. August 2013  2 K 1964/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb ein Bauunternehmen. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 teilte er sein Einzelunternehmen in eine GmbH & Co. KG (KG) und eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf. Grundlage hierfür war ein Vertrag vom 21. November 2006. Danach brachte der Kläger die Wirtschaftsgüter seines Einzelunternehmens mit Ausnahme des Anlagevermögens in eine neu gegründete KG ein. Persönlich haftender Gesellschafter war eine GmbH ohne Kapitaleinlage. Das Anlagevermögen brachte der Kläger in eine neu gegründete GbR ein. Nach Gründung der beiden Gesellschaften übertrug der Kläger Gesellschaftsanteile auf seine beiden Söhne, so dass er zu jeweils 20 % und seine beiden Söhne zu jeweils 40 % an beiden Gesellschaften beteiligt waren.

2

Die KG setzte die bisher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Bauunternehmen fort. Ihrem Gesellschaftsvertrag entsprechend stellte die GbR der KG das Anlagevermögen "unentgeltlich zur uneingeschränkten Nutzung" zur Verfügung. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag hatte sie zudem die Aufgabe, das Anlagevermögen zu erhalten und zu pflegen. In den Folgejahren veräußerte die GbR mehrfach Teile des Anlagevermögens.

3

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, die Einbringung des Anlagevermögens des Einzelunternehmens in die GbR und des restlichen Betriebsvermögens in die KG sei keine Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gewesen und nahm steuerpflichtige Umsätze an. Dies führte zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um ... € aus der Einbringung in die GbR und ... € aus der Einbringung in die KG. Zudem versagte das FA den Vorsteuerabzug aus Kosten einer Lagerhallenaufstockung und nahm eine Vorsteuerberichtigung in Bezug auf eine Photovoltaikanlage vor. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1964 veröffentlichten Urteil statt. Eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung liege auch dann vor, wenn der Geschäftsbetrieb auf mehrere Umsatzsteuersubjekte übertragen werde, die den früheren Geschäftsbetrieb in der bisherigen Form aber nur gemeinsam weiterführen können und dies auch tun. Dies ergebe sich aus der zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach die Nichtsteuerbarkeit dazu diene, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen. Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit stehe es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändere oder modernisiere.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die beiden Übertragungsvorgänge seien einzeln zu betrachten und erfüllten dabei beide nicht die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung. Die GbR sei bereits kein Unternehmer gewesen. Erst durch den späteren Verkauf von Wirtschaftsgütern habe sie ihren Gesellschaftszweck geändert und sei Unternehmer geworden. Sie habe auch nicht die Tätigkeit eines Bauunternehmens fortgeführt. Hinsichtlich der KG liege keine Geschäftsveräußerung vor, da ihr nicht die gesamten für die Unternehmenstätigkeit erforderlichen Wirtschaftsgüter übertragen worden seien. Das Anlagevermögen sei nicht auf die KG, sondern auf die GbR übertragen worden. Auf die KG seien nur unwesentliche Wirtschaftsgüter übergegangen. Bei der KG liege kein hinreichendes Ganzes mehr vor. Die Zurückhaltung von Betriebsmitteln sei bislang nur im Rahmen einer miet- oder pachtweisen Überlassung als unschädlich angesehen worden, an der es hier fehle. Der KG stehe gegenüber der GbR kein Rechtsanspruch auf Überlassung zu. Die Personenidentität bei den beiden Gesellschaften ändere hieran nichts, da ein Vertragsverhältnis fehle. Die Zurückhaltung der Betriebsgrundlage erfolge auch nicht durch den Übergeber, sondern durch die GbR als dritte Person.

6

Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligen streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) hat der Senat mit Beschluss vom 24. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des BFH vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

7

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3. Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

8

Das FA macht geltend, dass es weiterhin keine Organschaft mit einem Nichtunternehmer geben könne. Nichtunternehmer seien nicht zwingend in die Organschaft einzubeziehen. Dies ergebe sich zumindest aus den für den nationalen Gesetzgeber bestehenden Regelungsbefugnissen.

9

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

11

Zwischen GbR und KG liege eine Organschaft vor. Bei der KG handele es sich um eine kapitalistisch geprägte Personengesellschaft. Das nationale Recht verstoße gegen das Unionsrecht. Auf eine juristische Person komme es bei der Organschaft nicht an. Auch Nichtunternehmer seien einzubeziehen. Auf eine Unterordnung könne nicht abgestellt werden.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG liegt eine Geschäftsveräußerung nur in Bezug auf die Vermögensübertragung auf die KG, nicht aber auch hinsichtlich der Vermögensübertragung auf die GbR vor. Die Sache ist mangels Feststellungen des FG zur Versagung des Vorsteuerabzugs nicht spruchreif.

13

1. Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer.

14

a) § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht und ist entsprechend diesen Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten "die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen."

15

b) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II.2.a, und vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.a) setzt die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes (Slg. 2003, I-14393) die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.

16

2. Im Streitfall hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass es sich bei der Übertragung von Unternehmensvermögen durch den Kläger auf die KG um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung gehandelt hat.

17

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss dem Unternehmer nicht das gesamte Unternehmensvermögen übertragen werden, so dass eine Geschäftsveräußerung auch vorliegen kann, wenn der Übertragende einzelne Wirtschaftsgüter seines Unternehmensvermögens an den Erwerber vermietet oder verpachtet. So hat der BFH entschieden, dass die unentgeltliche Übertragung eines Bauunternehmens durch den Unternehmer an seinen Sohn auch dann als nicht steuerbare Teilgeschäftsveräußerung beurteilt werden kann, wenn dem Sohn das Betriebsgrundstück für zehn Jahre mit Verlängerungsoption zur Fortführung des Bauunternehmens vermietet wird (BFH-Urteil vom 28. November 2002 V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665, Leitsatz). Soweit der BFH die Langfristigkeit der Nutzungsüberlassung für erforderlich hielt, hat er hieran aufgrund des EuGH-Urteils vom 10. November 2011 C-444/10, Schriever, Slg. 2011, I-11071 nicht festgehalten, sondern entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung auch dann vorliegt, wenn der Warenbestand und die Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, übereignet wurden (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, Leitsatz).

18

Die Dauer des Mietvertrags und damit der Nutzungsüberlassung ist daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sich hieraus "ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit" ergeben könnte.

19

b) Danach steht der Geschäftsveräußerung im Streitfall nicht entgegen, dass der Kläger das Anlagevermögen seines Einzelunternehmens nicht auf die KG übertragen, sondern in die GbR eingebracht hat. Ebenso wie eine Geschäftsveräußerung auch dann vorliegt, wenn der Kläger das Anlagevermögen an die KG nur vermietet oder zunächst vermietet und sodann in die GbR eingebracht hätte, kann eine Geschäftsveräußerung auch gegeben sein, wenn nicht der Kläger, sondern auf seine Veranlassung eine andere Person --hier die GbR-- das Anlagevermögen der KG zur Nutzung überlässt.

20

c) Dabei ist ohne Belang, ob es sich um eine entgeltliche oder um eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung handelt. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn die Unentgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung durch die GbR an die KG "ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit" durch die KG sein könnte. Hierfür bestehen im Streitfall unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks der GbR und der Personenidentität in beiden Gesellschaften aber keine Anhaltspunkte.

21

d) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch. Nach dem EuGH-Urteil Schriever in Slg. 2011, I-11071 ist nicht auf die Entgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung, sondern darauf abzustellen, ob ein Hindernis für die dauerhafte Unternehmensfortführung vorliegt. Die Unentgeltlichkeit begründet ein derartiges Hindernis nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht, da bereits im Vertrag zur Gründung der beiden Gesellschaften und zur Aufnahme der beiden Söhne die Nutzungsüberlassung von der GbR an die KG vereinbart worden war. Dass die Nutzungsüberlassung i.R. dieses dreiseitigen Vertrages unmittelbar zwischen GbR und KG vereinbart wurde und nicht zuerst der Kläger an die KG überlassen hat und die GbR in dieses Überlassungsverhältnis eingetreten ist, spielt keine Rolle.

22

3. Das FG hat indes rechtsfehlerhaft entschieden, auch die Übertragung des Anlagevermögens auf die GbR sei eine Geschäftsveräußerung.

23

a) In Bezug auf das ihr übertragene Anlagevermögen hat die GbR keine eigene unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit i.S. von § 2 Abs. 1 UStG (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) ausgeübt, die als Fortsetzung der durch den Kläger ausgeübten Unternehmenstätigkeit anzusehen sein könnte.

24

So hat die GbR das Anlagevermögen --anders als der Kläger-- nicht für eigenunternehmerische Zwecke (als Bauunternehmung) verwendet. Es liegt auch keine Verwendung durch entgeltliche Vermietung als Unternehmenstätigkeit vor, da die Nutzungsüberlassung von der GbR an die KG unentgeltlich erfolgte. Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung begründet keine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-204/13, Malburg, EU:C:2014:147, Rz 36).

25

b) Soweit die GbR Teile des Anlagevermögens in Teilakten veräußert hat, kann offenbleiben, ob sich hieraus eine Unternehmerstellung der GbR ergab. Denn selbst wenn hierin eine unternehmerische Tätigkeit zu sehen wäre, stellt sich diese jedenfalls nicht als Fortsetzung der durch den Kläger ausgeübten Unternehmenstätigkeit dar.

26

c) Eine als Fortsetzung des Einzelunternehmens anzusehende Tätigkeit der GbR ergibt sich auch nicht aus der vom FG als maßgeblich angesehenen Gesamtschau, da das FG insoweit nicht hinreichend die nach dem EuGH-Urteil vom 30. Mai 2013 C-651/11 X (EU:C:2013:346, Rz 46 f.) maßgebliche Einzelbeurteilung berücksichtigt hat, die nicht nur für den "Übertragenden", sondern auch für den "Begünstigten" und damit für den Erwerber gilt (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908, unter II.2.b).

27

d) Schließlich ergibt sich die für eine Geschäftsveräußerung erforderliche Übertragung auf nur einen Erwerber auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Eine Organschaft besteht aus mehreren Gründen nicht: Es fehlt an einer finanziellen Eingliederung, da weder die KG an der GbR noch die GbR an der KG über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügte (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Hieran hat sich durch das EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) nichts geändert, wie der erkennende Senat mit Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BFHE 252, 158 (Leitsatz) ausdrücklich entschieden hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zur Begründung auf dieses Urteil.

28

Zudem kommt auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) die Einbeziehung eines Nichtunternehmers --wie hier der GbR-- in den Organkreis nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 67/14, BFHE 251, 547, Leitsatz).

29

Im Übrigen kann eine Personengesellschaft nur dann einer juristischen Person bei Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gleichzustellen sein, wenn zu den Gesellschaftern der Personengesellschaft nur der Organträger und die seinem Unternehmen finanziell eingegliederten Personen gehören (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, Leitsatz). Dies kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, da zu den Gesellschaftern von KG und GbR mehrere natürliche Personen gehörten (hier der Kläger und seine Söhne). Zwar steht die Beteiligung einer natürlichen Person der Einbeziehung der Personengesellschaft in den Organkreis nach dem Senatsurteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BFHE 251, 534 nicht entgegen, wenn die natürliche Person der Organträger ist. Die Einbeziehung der Personengesellschaft in den Organkreis setzt dann aber voraus, dass an ihr nur eine natürliche Person als Organträger beteiligt ist, da der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) an seiner Rechtsprechung festhält, nach der es keine sog. Mehrmütterorganschaft gibt (BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, Leitsatz).

30

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat hinsichtlich der weiteren Begründung auf seine Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, V R 67/14 und V R 25/13.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

32

Das FG hat --ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt-- keine hinreichenden Feststellungen zur Versagung des Vorsteuerabzugs in Bezug auf die Herstellungskosten getroffen. Der Senat kann nicht entscheiden, auf welcher Grundlage der Vorsteuerabzug insoweit zu versagen sein könnte. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich der Vorsteuerabzug nach den beim Leistungsbezug bestehenden Verwendungsabsichten richtet (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, unter II.3.a). Sollte auch die Lagerhalle steuerpflichtig auf die GbR übertragen worden sein, rechtfertigt auch diese Übertragung nicht die vom FA angenommene Anwendung von § 15 Abs. 2 UStG.

33

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 18. November 2014  1 K 1480/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt an die Beigeladene, die Alleingesellschafterin der Klägerin, erbracht hat. Geschäftsführer der Klägerin war der stellvertretende Geschäftsführer der Beigeladenen. Die Beigeladene ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat. Dies umfasst die Zurverfügungstellung von Notdiensten in Bereitschaftsdienstpraxen (BDP). Die ärztliche Tätigkeit wird dabei durch Ärzte erbracht, die ihre Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringen und abrechnen. Die Beigeladene ist demgegenüber hoheitlich tätig.

2

Im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung des Notdienstes aus arbeitsrechtlichen und tarifvertraglichen Gründen gründete die Beigeladene die Klägerin. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Erfüllung von Aufgaben, die der Beigeladenen nach dem SGB V obliegen. Die Klägerin war auf privatrechtlicher Grundlage für die Beigeladene tätig.

3

Die Tätigkeit der Klägerin beschränkte sich dabei darauf, das nicht-ärztliche Personal wie medizinische Fachangestellte und Arzthelfer einzustellen und der Beigeladenen zum Einsatz in den BDP zu überlassen. Die Arbeiten des überlassenen Personals betrafen die Abwicklung organisatorischer Aufgaben in den BDP wie auch untergeordnete Heilbehandlungsmaßnahmen. Die Klägerin berechnete die Aufwendungen für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge des überlassenen Personals an die Beigeladene weiter, die diese Kosten über ein Umlageverfahren finanzierte.

4

Wegen fehlender Steuererklärungen erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für die Streitjahre 2008 und 2009 Schätzungsbescheide. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 683 veröffentlichten Urteil erbrachte die Klägerin an die Beigeladene Leistungen gegen Entgelt, die mangels Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auch steuerbar waren. Die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit einem Nichtunternehmer als Organträger sei nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht möglich. Dies verstoße auch nicht gegen Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL). Die Leistungen der Klägerin seien auch nicht steuerfrei.

5

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie sei keine Unternehmerin. Sie sei eine kostenumlegende wirtschaftliche Interessenvereinigung, die nur zum Leistungsbezug der Kassenärztlichen Vereinigung gegründet worden sei und lediglich deren Ressourcen verwalte. Sie erbringe nur untergeordnete Hilfstätigkeiten. Es handele sich um sog. "in house"-Leistungen im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (Richtlinie 2004/18/EG - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2004, L 134, S. 114). Sie handele nur gegen Kostenerstattung. Es fehle an der Eignung, Überschüsse zu erzielen. Sie sei einzig zum Bezug von Personalleistungen gegründet worden. Sie nehme nicht an Wertschöpfungen teil und generiere keinen Mehrwert. Sie erbringe keine marktgängige Leistung. Sie werde nur gegenüber ihrer Alleingesellschafterin tätig. Hilfsweise sei sie als Organgesellschaft anzusehen. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) für die Organschaft eine Unternehmereigenschaft von Organträger und Organgesellschaft verlange, sei dies mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Ein Unternehmen des Organträgers müsse lediglich als Rechtsfolge der Organschaft vorliegen. Die Regelung zur Organschaft diene nicht der Missbrauchsbekämpfung. Die Nichtsteuerbarkeit aufgrund der Organschaft sei systemimmanent. Die Neutralität sei nicht gewährleistet, wenn die eigene Personalbeschaffung durch die Beigeladenen für diese steuerlich günstiger sei. Eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts entsprechend den Vorgaben des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sei möglich. Zumindest seien ihre Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Insoweit bestehe kein Erfordernis, dass sich eine Personenmehrheit zusammenzuschließen habe. Erfasst würden auch "Ein-Personenzusammenschlüsse". Würden Kapitalgesellschaften mit lediglich einem Gesellschafter nicht erfasst, widerspräche dies dem Grundsatz der Neutralität.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009 vom 14. September 2010 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2012 aufzuheben.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin sei Unternehmer. Auf eine Überschusserzielung komme es nicht an. Die Voraussetzungen für eine Organschaft lägen nicht vor, da die Beigeladene nicht Unternehmer sei. Die Leistungen seien auch nicht steuerfrei.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat steuerbare Leistungen gegen Entgelt erbracht. Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung bildeten die Klägerin und die Beigeladene weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine Organschaft. Das FG hat daher zu Recht entschieden, dass die Klägerin an die Beigeladene steuerbare Leistungen ausgeführt hat. Die Leistungen sind auch nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig.

10

1. Die Klägerin hat steuerbare Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Unternehmer erbracht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind steuerbar auch die Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a). Wie der EuGH im Urteil Saudaçor vom 29. Oktober 2015 C-174/14 (EU:C:2015:733, Rz 36 ff. und 45 ff.) zudem entschieden hat, sind auch "Zahlungen zur Deckung der Betriebskosten" Entgelt, steht eine Leistungserbringung im öffentlichen Interesse der Steuerbarkeit nicht entgegen und kommt den Bestimmungen der Richtlinie 2004/18/EG für die Mehrwertsteuer keine Bedeutung zu. Hierin liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wie die Klägerin meint. Denn bei einer Anstellung des Personals direkt bei der Beigeladenen fehlt es an einem Umsatztatbestand nach § 1 UStG. Insoweit liegen nicht miteinander vergleichbare Sachverhalte vor.

11

2. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen auch als Unternehmerin.

12

a) Die Klägerin war gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG gewerblich, nachhaltig und auch zur Einnahmeerzielung tätig. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin nur für die Beigeladene und damit nur für ihre Gesellschafterin tätig war.

13

b) Als GmbH ist die Klägerin keine juristische Person des öffentlichen Rechts i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG. Sie kann auch nicht geltend machen, dass für sie gemäß Art. 13 MwStSystRL als Einrichtung des öffentlichen Rechts das zugunsten der öffentlichen Hand bestehende Privileg der Nichtbesteuerung anzuwenden sei.

14

aa) Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

15

bb) Der EuGH hat es im Urteil Saudaçor (EU:C:2015:733) für möglich gehalten, dass eine Aktiengesellschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden kann, für die Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL gilt. Dies erfordert aber auch nach der Auffassung des EuGH, dass die Aktiengesellschaft "im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt" (EuGH-Urteil Saudaçor, EU:2015:733, Rz 69). Hierfür müssen Tätigkeiten vorliegen, die von den Einrichtungen des öffentlichen Rechts "im Rahmen der ihnen eigenen rechtlichen Regelung ausgeübt werden. Nicht dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Der EuGH hat auch klargestellt, dass der Gegenstand oder der Zweck der Tätigkeit insoweit unerheblich sind und dass die Tatsache, dass die Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst, die Feststellung erlaubt, dass diese Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Regelung unterliegt" (EuGH-Urteil Saudaçor, EU:2015:733, Rz 70). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die hoheitlichen Befugnisse, über die eine Aktiengesellschaft ggf. verfügt, kein Instrument sind, um die wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben (EuGH-Urteil Saudaçor, EU:2015:733, Rz 72).

16

cc) Im Streitfall kann der erkennende Senat offenlassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Aktiengesellschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts anzusehen sein könnte. Denn selbst wenn die GmbH als derartige Einrichtung tätig geworden wäre, übte sie ihre Tätigkeit auf privatrechtlicher, nicht aber auf öffentlich-rechtlicher Grundlage aus. Letzteres macht auch die Klägerin nicht geltend.

17

3. Das FG hat eine zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehende Organschaft sowohl nach nationalem Recht als auch nach dem Unionsrecht zutreffend verneint.

18

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

19

aa) In Bezug auf das Erfordernis einer Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers hat der BFH bereits entschieden, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts Organträger sein kann, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375). Die Unternehmereigenschaft des Organträgers gehört danach entgegen der Auffassung der Klägerin zu den Voraussetzungen, nicht aber zu den Rechtsfolgen der Organschaft.

20

Nach dieser Rechtsprechung entspricht der Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dem des § 2 Abs. 1 UStG und dem Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit in Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL. Ebenso wie bei § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG handelt es sich um den Tätigkeitsbereich, in dem der Unternehmer nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, unter II.1.b zu § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG). Hieran fehlt es z.B. bei einer hoheitlichen Tätigkeit, bei der entweder keine entgeltlichen Leistungen erbracht werden oder es aber zumindest an einem wettbewerbsrelevanten Verhalten fehlt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BFHE 245, 92, unter II.1.a, m.w.N.).

21

Dass der Unternehmensbegriff des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils VNLTO vom 12. Februar 2009 C-515/07 (EU:C:2009:88) ggf. abweichend auszulegen sein könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juni 2015 XI R 15/13, BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865) ist für die Auslegung von § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG sowie von § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG ohne Bedeutung.

22

bb) Auf der Grundlage der bisherigen BFH-Rechtsprechung, an der der erkennende Senat festhält, besteht im Streitfall keine Organschaft zwischen der Klägerin und der Beigeladenen, da die Beigeladene nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die keine unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 UStG (Art. 9 und 13 MwStSystRL) ausübte.

23

b) Eine weitergehende Organschaft als nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

24

aa) Nach Art. 11 MwStSystRL kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Zudem können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.

25

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht zwar nicht auf Art. 11 MwStSystRL berufen. Diese Bestimmung ist aber gleichwohl bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.

26

(1) Wie der EuGH zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG bereits ausdrücklich entschieden hat, erfüllt diese Bestimmung "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 C-108/14, C-109/14, EU:C:2015:496, Rz 50 f.). Dies gilt auch für Art. 11 MwStSystRL.

27

(2) Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten, die die Ermächtigung nach Art. 11 MwStSystRL ausüben, die danach vorgesehene Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht von weiteren als den dort genannten Voraussetzungen abhängig machen dürfen, so dass Wirtschaftsteilnehmern keine weiteren Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufgebürdet werden dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 38).

28

(3) Im Hinblick auf das Erfordernis einer Unternehmereigenschaft der an der Zusammenfassung beteiligten Personen hat der EuGH in einem gegen Irland gerichteten Vertragsverletzungsverfahren entschieden, dass "die Kommission nicht dargetan [hat], dass die Ziele von Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie für eine Auslegung sprechen, wonach nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können" (EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 50). Der EuGH begründet dies damit, dass diese Regelung bezweckt, "die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder um bestimmte Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47). Dabei geht der EuGH davon aus, dass die "Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, eine Gruppe von Personen, die eine oder mehrere Personen umfasst, die unter Umständen einzeln nicht die Eigenschaft des Steuerpflichtigen haben, als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, diesen Zielen jedoch offenkundig nicht zuwider[läuft]." Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass "die Anwesenheit von solchen Personen in einer Mehrwertsteuergruppe zu einer Verwaltungsvereinfachung sowohl für diese Gruppe als auch für die Steuerverwaltung beiträgt und die Verhinderung bestimmter Missbräuche ermöglicht, wobei die Anwesenheit sogar unabdingbar für diese Zwecke sein kann, wenn sie allein die engen Beziehungen herstellt, die auf finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Ebene zwischen den diese Gruppe bildenden Personen bestehen müssen, damit sie zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden" (EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 48).

29

Sollte die Einbeziehung von Nichtsteuerpflichtigen "zu Missbräuchen führen können", seien die Mitgliedstaaten aber zur Schaffung von Sondermaßnahmen berechtigt (EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 49). Insoweit hat das nationale Gericht zu prüfen, ob sich Voraussetzungen des nationalen Rechts, die sich nicht aus Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ergeben, deshalb mit dem Unionsrecht vereinbar sind, weil es sich um eine für die Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme handelt (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

30

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer eigenen Unternehmereigenschaft des Organträgers besteht danach eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht. Zwar geht diese Bedingung über die in Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ausdrücklich genannten Voraussetzungen hinaus. Das Erfordernis der Unternehmereigenschaft des Organträgers ist aber im nationalen Kontext zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich wie auch geeignet.

31

(1) Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis erfordert zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil ergeben, der dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde. Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. EuGH-Urteil Halifax vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, Leitsatz 2).

32

(2) Art. 11 MwStSystRL fasst mehrere Personen zu einem Steuerpflichtigen zusammen, um "die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47).

33

Das dient dazu, "bestimmte Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47). Ebenso wie die bloße Aufspaltung kann aber auch die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen für sich genommen als missbräuchlich anzusehen sein, wenn die Zusammenfassung nicht bloßen Vereinfachungscharakter hat, sondern dazu dient, "in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen", die darin besteht, dass --wie bei den Leistungen zwischen unterschiedlichen Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens-- Innenleistungen zwischen den organschaftlich zusammengefassten Unternehmen nicht steuerbar sind (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 UStG), so dass Innenleistungen für nichtunternehmerische Zwecke nichtsteuerbar erbracht werden können und das Entstehen einer nach § 15 UStG nicht abziehbaren Vorsteuer vermieden wird.

34

Die Unternehmereigenschaft des Organträgers verhindert das Entstehen derartiger Vorteile. Aus diesem Grund verlangt das nationale Recht auch eine Unternehmerstellung der Organgesellschaft, wie sich daraus ergibt, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Regelung zur Selbständigkeit gewerblicher oder beruflicher Tätigkeiten ist.

35

Die Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer bewirkt somit, dass die Organschaft nicht entgegen ihrem Vereinfachungszweck als reines steuerrechtliches Gestaltungsinstrument zur Vermeidung nichtabziehbarer Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen werden kann (vgl. hierzu z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721).

36

(3) Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass keinerlei Umstände ersichtlich sind, die es entsprechend dem Vereinfachungszweck von Art. 11 MwStSystRL rechtfertigen könnten, einen Unternehmer und einen Nichtunternehmer für Zwecke der Umsatzsteuer zu einer Person zusammenzufassen. Soweit der EuGH meint, dass Nichtunternehmer zur Schaffung der Verbindungsvoraussetzungen in die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen einzubeziehen seien, versteht dies der erkennende Senat dahingehend, dass z.B. die finanzielle Eingliederung einer Enkel- in eine Muttergesellschaft auch über eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft erfolgen kann. Dabei ist die Tochtergesellschaft allerdings nicht in den Organkreis einzubeziehen. Der Senat kann daher offenlassen, wie eine wirtschaftliche Verbindung oder Eingliederung zwischen einem Unternehmer und einem Nichtunternehmer begründet werden könnte.

37

4. Die Leistungen sind auch nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Diese Bestimmung setzt bereits nach ihrem Wortlaut einen Zusammenschluss mehrerer Personen voraus und ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Demgegenüber erbringt die Klägerin ihre Leistungen nur an die Beigeladene als ihren Alleingesellschafter.

38

Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem EuGH-Urteil Stichting vom 15. Juni 1989 Rs. 348/87 (EU:C:1989:246). Denn der EuGH hat in diesem Urteil die Steuerfreiheit als "Zusammenschluss" unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Wortlaut des Befreiungstatbestandes abgelehnt. Dass der EuGH sich dabei darauf bezog, dass eine Stiftung Leistungen für eine andere Stiftung erbrachte, ohne dass die eine Stiftung Mitglied der anderen war (EuGH-Urteil Stichting in EU:C:1989:246, Rz 14), reicht für die Begründung der Steuerfreiheit nicht aus. Denn eine derartige Mitgliedschaft ist nur eine von mehreren Bedingungen der Steuerfreiheit. Im Streitfall fehlt es dabei am Erfordernis eines Zusammenschlusses und damit an einer anderen Voraussetzung der Steuerfreiheit als im EuGH-Urteil Stichting in EU:C:1989:246.

39

Soweit sich die Klägerin schließlich auch hier auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beruft, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass dieser Grundsatz keine Regel des Primärrechts der Union, sondern ein bloßer Auslegungsgrundsatz ist, der es nicht erlaubt, den Anwendungsbereich einer eindeutigen Bestimmung der Richtlinie auszuweiten (EuGH-Urteil Malburg vom 13. März 2014 C-204/13, EU:C:2014:147, Rz 43).

40

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde am 21. Juli 1997 von der M-GmbH und RH gegründet. Die M-GmbH war zu 51 v.H. und RH zu 49 v.H. beteiligt. Die Stimmrechte entsprachen den Beteiligungsverhältnissen. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war RH; Geschäftsführer der M-GmbH waren BF und HH.

2

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin wurden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern sowie der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Anstellungsverträgen mit der Geschäftsführung bedurften der Zustimmung der beiden Gründungsgesellschafter.

3

Am Tag ihrer Gründung schloss die Klägerin mit der M-GmbH einen Gewinnabführungsvertrag ab, der in einer Gesellschafterversammlung der Klägerin am 8. August 1997 bestätigt und notariell beurkundet wurde. Nach dem unter Bezugnahme auf das Aktiengesetz abgeschlossenen Vertrag hatte die Klägerin einen pauschalen Gewinnanteil an die M-GmbH abzuführen, die sich ihrerseits zu einer Verlustübernahme verpflichtete. Darüber hinaus verpflichtete sich die Klägerin, ihre Geschäfte nach den Weisungen der M-GmbH zu führen.

4

Am 28. November 1997 vereinbarten die Klägerin und die M-GmbH eine "einheitliche Gestaltungsrichtlinie" ("Konzernrichtlinien") insbesondere für den Wareneinkauf nach Rahmenverträgen. Am 1. Dezember 1997 verpflichtete sich die Klägerin, der M-GmbH wöchentlich den nach Handel und Service getrennten Umsatz, den Wareneinkauf und die Kontostände zu melden.

5

Nach einer am 16. Dezember 1997 vereinbarten Geschäftsordnung bedurften insbesondere der Erwerb und die Veräußerung von Anlagevermögen von mehr als 10.000 DM sowie der Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit einer Kündigungsfrist von mehr als 1 Jahr oder einem Jahresgehalt von mehr als 75.000 DM der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Klägerin.

6

Am 9. Januar 1998 wurde RH zum Prokuristen der M-GmbH bestellt. Am 29. April 1999 warf die M-GmbH der Klägerin vor, Einkaufsverträge vor Abschluss der Zentralverhandlungen abgeschlossen zu haben, und mahnte die Zahlung von "Managementvergütungen" für Leistungen der M-GmbH an die Klägerin an.

7

Die Klägerin ging zunächst davon aus, dass sie umsatzsteuerrechtlich Organgesellschaft der M-GmbH sei. Die Organschaft endete unstreitig zum 30. Juni 1999. Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 1997 und 1998 vom 19. April 2000 und für das Streitjahr 1999 vom 27. Juli 2000 davon aus, dass von Anfang an keine Organschaft bestanden habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

8

Das Finanzgericht (FG) bestätigte das FA. Es fehle an der für die Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung. Hierfür reichten weder Weisungsrechte der M-GmbH noch Berichtspflichten noch eine Geschäftsordnung aus, da der Mehrheitsgesellschafter ein Letztentscheidungsrecht nicht verwirklichen könne, wenn einziger Geschäftsführer der Organgesellschaft der Minderheitsgesellschafter sei. Hieran habe sich auch durch die Prokuraerteilung für RH bei der M-GmbH nichts geändert, da die Geschäftsführerstellung des RH bei der Klägerin nicht auf seiner Stellung als Prokurist bei der M-GmbH beruht habe. Es habe eine "Pattsituation" zwischen den beiden Gesellschaftern der Klägerin bestanden, da die M-GmbH, selbst wenn sie RH als Geschäftsführer der Klägerin zumindest aus wichtigem Grund hätte abberufen können, einen neuen Geschäftsführer nur mit dessen Zustimmung habe bestellen können.

9

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 586 veröffentlicht.

10

Ihre Revision stützt die Klägerin auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie sei Organgesellschaft der M-GmbH gewesen, da sie in diese auch organisatorisch eingegliedert sei. Hierfür komme es nicht zwingend auf eine vollständige Personenidentität der Vertretungsorgane an. Ihr Geschäftsführer RH sei Prokurist der M-GmbH gewesen. Es sei nur theoretisch möglich gewesen, dass RH seinen Interessen als Minderheitsgesellschafter Vorrang vor dem Willen des Organträgers einräumen konnte. Eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung sei auch durch die "Gestaltung der Beziehungen" verhindert worden. So sei der M-GmbH ein umfangreiches Informationsrecht eingeräumt worden. Sie sei teils zur wöchentlichen, teils sogar zur täglichen Berichterstattung verpflichtet gewesen und sei dem auch nachgekommen. Darüber hinaus habe zugunsten der M-GmbH ein vertraglich vereinbartes Weisungsrecht bestanden. Die organisatorische Eingliederung sei rechtlich abgesichert und betriebswirtschaftlich durchsetzbar gewesen, wie sich aus dem Gewinnabführungsvertrag, den Gestaltungs- und Konzernrichtlinien, den zugunsten ihrer Gesellschafterversammlung bestehenden Zustimmungsvorbehalten und der Geschäftsordnung ergebe. RH habe als Geschäftsführer zumindest aus wichtigem Grund abberufen werden können. Es habe eine für die organisatorische Eingliederung ausreichende "Pattsituation" bestanden. Das FG habe schließlich gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, da sich aus ihrem Klagevortrag ergeben habe, "in welchem Umfang die Klägerin und der Organträger organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer abweichenden Willensbildung getroffen haben" und das FG sich bei seiner Beurteilung "auf einen verzerrten Sachverhalt, der von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht", gestützt habe.

11

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 19. April 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 27. Juli 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 40.648,88 € herabgesetzt wird.

12

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Das FG habe die Organschaft zu Recht verneint. Die gegenüber einem Prokuristen bestehende Weisungsbefugnis reiche zur Begründung der organisatorischen Eingliederung nicht aus. Diese folge auch nicht aus der Geschäftsordnung, die für den Geschäftsführer "weite Spielräume" gelassen habe.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, ist die Klägerin mangels organisatorischer Eingliederung nicht Organgesellschaft ihres Mehrheitsgesellschafters.

15

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft).

16

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

17

Die Ausübung der Ermächtigung, "Personen ... als einen Steuerpflichtigen zu behandeln", führt zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19). Dementsprechend setzt die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger voraus (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1., und vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.3.b aa).

18

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt.

19

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2., und vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.).

20

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

21

c) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.b bb (3)). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine "beherrschende Stellung" besteht (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BFHE 172, 541, BStBl II 1994, 129, unter II.1.b) und somit für ihn "besondere Einwirkungsmöglichkeiten" vorliegen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c).

22

3. Im Streitfall war die Klägerin nur finanziell, nicht aber auch organisatorisch in die M-GmbH eingegliedert.

23

a) Die M-GmbH war nicht in der Lage, die für sie aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung bestehende Beherrschungsmöglichkeit in der Geschäftsführung der Klägerin auszuüben.

24

aa) Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei GmbHs insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.). Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben (BFH-Urteile in BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b), wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt (vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) und --anders als in der dem BFH-Urteil in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 zugrunde liegenden Fallgestaltung-- zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG).

25

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwischen den Geschäftsführungsorganen der Klägerin, einer GmbH, und der M-GmbH bestand keine Personalunion, da der einzige Geschäftsführer der Klägerin, RH, nicht auch bei der M-GmbH geschäftsführungsbefugt war. Dass die M-GmbH als Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschafterversammlung der Klägerin gegenüber der Geschäftsführung der Klägerin weisungsbefugt war, reicht ohne zusätzliche personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Klägerin nicht aus.

26

bb) Am Fehlen der für die organisatorische Eingliederung erforderlichen Beherrschungsmöglichkeit hat sich durch die Bestellung des einzigen Geschäftsführers der Klägerin, RH, zum Prokuristen der M-GmbH ab 9. Januar 1998 nichts geändert. Zwar reicht es für die eine organisatorische Eingliederung begründende personelle Verflechtung aus, dass der oder die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Leitsatz 2).

27

Die nach dieser Rechtsprechung mögliche Berücksichtigung leitender Mitarbeiter des Organträgers bei der organisatorischen Eingliederung beruht jedoch auf der Annahme, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft abberufen werden kann.

28

Im Streitfall begründete die Erteilung einer Prokura bei der M-GmbH für RH, den Geschäftsführer der Klägerin, danach keine organisatorische Eingliederung. Denn die M-GmbH konnte nach den besonderen Verhältnissen des Streitfalls ihren Willen gegenüber ihrem Prokuristen RH bei der Geschäftsführung der Klägerin bereits deshalb nicht durchsetzen, weil RH als Gründungsgesellschafter der Klägerin nach deren Satzung --und damit entgegen § 46 Nr. 5 GmbHG-- nicht gegen seinen Willen als Geschäftsführer der Klägerin durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung abberufen werden konnte. Ohne Bedeutung für die organisatorische Eingliederung ist, ob gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG gleichwohl zumindest eine Abberufung aus wichtigem Grund möglich war (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20. Dezember 1982 II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, unter I.1.; zu § 47 Abs. 4 GmbHG vgl. BGH-Urteile vom 27. April 2009 II ZR 167/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2009, 2300, unter II.3.a, und vom 21. Juni 2010 II ZR 230/08, NJW 2010, 3027, unter II.1.). Denn die organisatorische Eingliederung setzt die Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung voraus. Dies erfordert ein uneingeschränktes Abberufungsrecht, das nicht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes besteht. Im Übrigen spricht auch der Umfang der Beteiligung des RH an der Klägerin gegen dessen Abhängigkeit vom Mehrheitsgesellschafter.

29

cc) Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, aus denen sich für die M-GmbH eine Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ergab.

30

So begründen bereits nach bisheriger Rechtsprechung weder das mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss noch eine vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung über die Geschäftsführung die organisatorische Eingliederung (BFH-Urteile in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4., und in BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2.). Dies gilt auch für die von der Klägerin behauptete Pflicht zur sogar täglichen Berichterstattung. Auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung z.B. aufgrund einer Geschäftsführungsordnung sind als bloße Verpflichtung zur Einholung von Weisungen unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a cc, und in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.). Ebenso reicht das bloße Recht zur Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern ohne weiter gehende personelle Verflechtung über das Geschäftsführungsorgan nicht aus (s. oben II.3.a).

31

Im Streitfall war die M-GmbH daher auch nicht aufgrund der ihr als GmbH-Mehrheitsgesellschafter zustehenden Weisungsrechte, der Berichtspflichten und der darüber hinaus bestehenden Zustimmungsvorbehalte in der Lage, die Geschäftsführung der Klägerin zu beherrschen.

32

b) Der Senat hat im Streitfall nicht zu entscheiden, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, nach der sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend in BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

33

Denn auch nach dieser Rechtsprechung reichten die von der Klägerin angeführten Rechte zur Erteilung von Weisungen, zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Berichtspflichten nicht aus, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen (s. oben II.3.a cc). Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls war RH schließlich trotz seiner Stellung als Prokurist nicht als leitender Mitarbeiter der M-GmbH anzusehen (s. oben II.3.a bb).

34

c) Auf das Vorliegen der wirtschaftlichen Eingliederung kam es nicht mehr an.

35

4. Das FG hat nicht gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen.

36

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt insbesondere dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2000 X B 75/99, BFH/NV 2000, 1458; vom 17. März 2010 X B 95/09, BFH/NV 2010, 1827, und vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

37

Demgegenüber wird § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht verletzt, wenn das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt --wie im Streitfall-- nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen würdigt. Insoweit handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler, der im Übrigen im Streitfall nicht vorliegt (s. oben 3.), nicht aber um einen Verfahrensverstoß (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom 24. April 2007 VIII B 251/05, BFH/NV 2007, 1521, und vom 23. Juli 2010 IV B 12/09, BFH/NV 2010, 2063).

Tatbestand

1

I. Mit Schreiben vom 10. März 1998 reichte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume II-IV/1997 ein, aus denen sich aufgrund des geltend gemachten Vorsteuerabzugs ein Vergütungsanspruch von 34.509,40 DM ergab. Sie erklärte dabei, im Vorjahr ein Grundstück erworben und mit einer Büro- und Werkhalle bebaut zu haben. Das Grundstück werde seit 1. Januar 1998 an die S-GmbH vermietet. Das FA zahlte den geltend gemachten Vergütungsbetrag erklärungsgemäß aus.

2

Zu der erklärten Vermietung des Grundstücks durch die Klägerin kam es aber nicht. Denn nach dem schriftlichen Vertrag vom 5. Januar 1998 hatte der Ehemann der Klägerin das von der Klägerin bebaute Grundstück seit dem 1. Januar 1998 (Ziff. 2 des Vertrages) an die S-GmbH verpachtet. Der Ehemann der Klägerin war Mehrheitsgesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der S-GmbH. In der Vorbemerkung zu dem Pachtvertrag wurde darauf hingewiesen, dass der "Verpächter wirtschaftlicher und zukünftig auch rechtlicher Eigentümer des von der Pächterin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes genutzten Grundstücks" sei. Die monatliche Pacht sollte 2.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer betragen (Ziff. 3 des Vertrages) und zunächst gegen ein dem Ehemann der Klägerin von der S-GmbH gewährtes Darlehen verrechnet werden, das die S-GmbH nach einem gleichfalls am 5. Januar 1998 schriftlich abgeschlossenen Darlehensvertrag dem Ehemann der Klägerin in Höhe von 138.750 DM im Vorjahr gewährt hatte, und das der Ehemann der Klägerin dieser für die Errichtung des Gebäudes zur Verfügung gestellt hatte.

3

Am 10. August 1998 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen notariellen Vertrag über eine "ehebedingte unbenannte Zuwendung". Danach wendete die Klägerin ihrem Ehemann das von ihr bebaute Grundstück gegen Übertragung zweier anderer Grundstücke zu.

4

Das FA ging im Anschluss an eine beim Ehemann der Klägerin durchgeführte Außenprüfung davon aus, dass der von der Klägerin 1997 für die Bebauung in Anspruch genommene Vorsteuerabzug im Streitjahr 1998 nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei ihr zu berichtigen sei, weil sie das Grundstück zum 1. Januar 1998 im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nach § 3 Abs. 1b UStG 1999 aus ihrem Unternehmen entnommen habe und erließ einen nach § 164 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 UStG vorliegen. Die Klägerin habe das Grundstück ab 1. Januar 1998 ihrem Ehemann unentgeltlich zur Nutzung überlassen, damit die Absicht zur steuerpflichtigen Vermietung sowie ihre unternehmerische Tätigkeit aufgegeben und das Grundstück entnommen, zumal sie das Grundstück auch noch im August 1998 auf ihren Ehemann übertragen habe. Auf eine eigenständige Würdigung der sich aus dem Übertragungsvertrag vom 10. August 1998 ergebenden Folgen komme es nicht an. Die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, durch die der Korrekturzeitraum des § 15a UStG vom Erwerber fortgeführt worden wäre, und deshalb eine Vorsteuerberichtigung bei der Klägerin unzulässig wäre, lägen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor, da die Klägerin noch kein Vermietungsunternehmen unterhalten, sondern nur eine Vermietungsabsicht bestanden habe.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Eine Geschäftsveräußerung liege auch dann vor, wenn mit der übertragenen Immobilie noch keine Miet- oder Pachtverhältnisse verbunden seien. Aufgrund der persönlichen Verflechtung zwischen ihr und dem Erwerber mache es keinen Unterschied, ob sie zunächst einen Mietvertrag abschließe und anschließend veräußere oder ob der Abschluss des Mietvertrages der Geschäftsveräußerung unmittelbar nachfolge. Eine Geschäftsveräußerung könne auch dann vorliegen, wenn sich der Geschäftsbetrieb noch in einer Vorbereitungsphase befinde und der Erwerber die Tätigkeit fortführe. Eine Geschäftsveräußerung könne auch gegeben sein, wenn das übertragene Vermögen nur aus einem Wirtschaftsgut bestehe. Die Bebauung sei nicht in Veräußerungsabsicht erfolgt. Das FA habe die Vermietungsabsicht anerkannt. Der Erwerber habe die Vermietungsabsicht nahtlos umgesetzt.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung vom 12. März 2005 und den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 22. Dezember 2004 aufzuheben.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Nach dem Pachtvertrag vom 5. Januar 1998 sei bereits zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass die Klägerin eine Veräußerung beabsichtigt habe. Im Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung habe noch kein hinreichend verfestigtes Vermietungsunternehmen bestanden.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung bejaht.

11

1. Im Streitfall kommt eine Vorsteuerberichtigung nicht nach dem vom FG seinem Urteil zugrunde gelegten § 15a UStG 1993, sondern nur nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) in Betracht.

12

a) Die Klägerin war nicht nach § 15a Abs. 1 Satz 1 des im Streitjahr geltenden UStG 1993 zur Vorsteuerberichtigung verpflichtet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein Urteil vom 7. Juli 2005 V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.b).

13

b) Die Rechtmäßigkeit der Vorsteuerberichtigung richtet sich im Streitfall nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645).

14

§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) hat folgenden Wortlaut: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen." Nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 ist "§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) ... auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt". Die durch § 27 Abs. 8 UStG angeordnete Rückwirkung ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein Urteil in BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.).

15

2. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 UStG 1999 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 liegen vor.

16

Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, führte die Nutzungsüberlassung im Zusammenhang mit der sich hieran anschließenden Übertragung des Grundstücks durch die Klägerin auf ihren Ehemann zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse. Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin bereits im Januar 1998 die Vermietungsabsicht aufgegeben. Nach dem zwischen dem Ehemann und der GmbH abgeschlossenen Mietvertrag ging der Ehemann bereits bei Vertragsabschluss im Januar 1998 davon aus, wirtschaftlicher und künftig auch rechtlicher Eigentümer des Grundstücks zu sein. Daher sind die Nutzungsüberlassung und die nachfolgende Grundstücksübertragung umsatzsteuerrechtlich als ein Vorgang anzusehen, der zu einer Entnahme des Grundstücks durch einen Rechtsträgerwechsel auf den Ehemann führte, so dass die Entnahme nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist. Anhaltspunkte für einen Verzicht auf diese Steuerfreiheit nach § 9 UStG bestehen nach den vom FG und für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht.

17

3. Die Berichtigung kann nicht aufgrund einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG nach § 15a Abs. 6a UStG unterbleiben.

18

a) Nach der Rechtsprechung des Senats gilt für Geschäftsveräußerungen Folgendes:

19

aa) Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt.

20

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863), der sich dabei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (seit 1. Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union; Urteil vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128) stützt, gilt für die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen Folgendes:

21

Die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG soll die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen erleichtern und vereinfachen. Die Vorschrift gilt für die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen muss. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.

22

Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird. Dementsprechend ist nach dem BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 57/06 (BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447, unter II.2.) die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages im Regelfall keine Geschäftsveräußerung. Denn die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes. Fehlt es an weiteren Faktoren wie z.B. einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks, liegt daher keine Geschäftsveräußerung vor.

23

b) Im Streitfall scheitert die Annahme einer Geschäftsveräußerung bereits daran, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund der zwischen ihm und der S-GmbH bestehenden Organschaft die von der Klägerin zunächst beabsichtigte Vermietungstätigkeit umsatzsteuerrechtlich nicht fortgesetzt hat.

24

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

25

bb) Die für eine Organschaft zwischen dem Ehemann und der S-GmbH erforderlichen Eingliederungsvoraussetzungen liegen aufgrund der Feststellungen des FG vor.

26

(1) Die finanzielle Eingliederung ergibt sich daraus, dass der Ehemann Alleingesellschafter der S-GmbH war und daher seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

27

(2) Die organisatorische Eingliederung beruht darauf, dass der Ehemann der Klägerin als alleiniger Geschäftsführer seiner GmbH die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft wirklich wahrnehmen und beherrschen konnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.).

28

(3) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, Leitsatz 3). Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Leitsatz 2, und in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c bb).

29

Eine mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung kann den Leistungen eines Organträgers an die Organgesellschaft nach der Rechtsprechung des Senats zukommen bei der Verpachtung von Anlagegegenständen (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V 44/65, BFHE 95, 353, BStBl II 1969, 413), bei der Vermietung eines Betriebsgrundstücks, auf dem die Organgesellschaft ihr Unternehmen betreibt (BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2., und BFH-Beschluss vom 25. April 2002 V B 128/01, BFH/NV 2002, 1058, unter II.2.d) oder bei der Erbringung von Dienstleistungen (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, Leitsatz 1 zu Architektenleistungen; zu unwesentlichen Dienstleistungen z.B. im Verwaltungsbereich vgl. aber BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c, und BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c bb).

30

Im Streitfall ergibt sich der für die wirtschaftliche Eingliederung erforderliche vernünftige wirtschaftliche Zusammenhang aus der Vermietung des vom Ehemann erworbenen und von der Klägerin bebauten Grundstücks durch den Ehemann an die S-GmbH. Die Vermietung eines Betriebsgrundstücks genügt, wenn es für die Organgesellschaft von nicht nur geringfügiger Bedeutung ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 223, unter II.2., und BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1058, unter II.2.d).

31

cc) Liegt eine Organschaft vor, beschränken sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG zwar die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen des Organkreises. Diese Unternehmensteile sind jedoch nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG als ein Unternehmen zu behandeln. Letzterem kommt Vorrang zu, da sich die Rechtsfolgen der Organschaft somit nicht auf Innenleistungen einschränken lassen, sondern z.B. dazu führen, dass dem Organträger die Umsätze seiner Organgesellschaften zuzurechnen sind und diese auch die Höhe der für den Organträger entstehenden Steuer beeinflussen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d).

32

Die Behandlung als ein Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG ist auch in Bezug auf die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen nach § 1 Abs. 1a UStG zu berücksichtigen. Bei der Übertragung eines Vermietungsunternehmens liegt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nur vor, wenn der Erwerber die Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht nur zivilrechtlich, sondern auch umsatzsteuerrechtlich unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG fortführt. Denn für die Geschäftsveräußerung kommt es auf die Fortsetzung einer Unternehmenstätigkeit und damit auf umsatzsteuerrechtliche Kriterien, die sich nach § 2 UStG richten, an. Erwirbt daher --wie im Streitfall-- ein Organträger ein an seine Organgesellschaft vermietetes Gebäude, liegt keine Geschäftsveräußerung vor, da der erwerbende Organträger das übertragene Gebäude umsatzsteuerrechtlich nicht vermietet, sondern durch die Organgesellschaft als Teil seines Unternehmens eigenunternehmerisch nutzt.

33

Dementsprechend kommt im Streitfall eine Geschäftsveräußerung nicht in Betracht. Die von der Klägerin beabsichtigte Vermietung konnte durch ihren Ehemann mit einer Vermietung an die S-GmbH als dessen Organgesellschaft nicht fortgesetzt werden.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 18. Juli 2012  14 K 702/10 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit dem Verkauf von Pelzmänteln über eine Internet-Handelsplattform ("eBay") als Unternehmerin im Rahmen ihres Unternehmens tätig geworden ist.

2

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren (2004 und 2005) ein Unternehmen "Finanzdienstleistungen". Sie reichte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein und erklärte darin sowohl steuerpflichtige als auch nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (UStG) steuerfreie Umsätze.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) änderte am 1. August 2005 die Steueranmeldung für das Jahr 2004 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) aus hier nicht streitigen Gründen. Zum Jahr 2005 erging aus nicht streitigen Gründen am 11. Januar 2007 ein Umsatzsteuer-Änderungsbescheid. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen.

4

Am 8. Februar 2006 ging beim FA eine anonyme Anzeige eines "ehrlichen Bürgers" ein, der angab, ihm sei aufgefallen, dass die Klägerin und ihr Ehemann über die Internet-Handelsplattform "eBay" unter verschiedenen Namen (sog. Nicknames) "mehrere Hundert Pelzware" verkauft hätten. Der Erstatter der Anzeige gab außerdem ein Konto der Klägerin an.

5

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin und ihrem Ehemann wurde Folgendes ermittelt:

•   

In den Jahren 2005 und 2006 wurden über das eBay-Konto "A" Umsätze in Höhe von 54.166,06 € erzielt (2005: 21.862,06 € und 2006: 32.304 €);

•   

in den Jahren 2003 bis 2006 über ein weiteres eBay-Konto ("B") Umsätze in Höhe von 8.148,40 € (2003: 188,50 €, 2004: 3.311,02 €, 2005: 4.433,38 € und 2006: 215,50 €);

•   

in den Jahren 2005 und 2006 über das eBay-Konto "C" Umsätze in Höhe von 15.568,72 € (2005: 3.653,25 € und 2006: 11.915,47 €);

•   

in den Jahren 2004 und 2005 über das eBay-Konto "D" Umsätze in Höhe von 87.383,57 € (2004: 33.032,41 € und 2005: 54.351,16 €) und

•   

im Jahr 2005 über das eBay-Konto "E" Umsätze in Höhe von 2.716,52 €.

6

Die Konten "D" und "E" lauteten auf die Klägerin. Verkauft wurden über diese Konten "im Wesentlichen" insgesamt 140 Pelzmäntel und -jacken. Über die eBay-Konten des Ehemannes der Klägerin ("A", "B" und "C") wurden (neben anderen Haushaltsgegenständen wie Vasen, Teegläsern, Kerzenständern, Kleidung, Modellautos, Parfum und Spielzeug) 79 Pelzmäntel verkauft. In den Streitjahren unterhielt die Klägerin bei der X-Bank (Bank) u.a. zwei Bankkonten mit den Nummern ... und ..., die in allen eBay-Konten, auch denen des Ehemannes der Klägerin, als Bankverbindung gespeichert waren.

7

Aufgrund dieser Ermittlungen erließ das FA am 4. Juli 2007 auf § 164 Abs. 2 AO gestützte Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre, in denen es der Klägerin die Umsätze der eBay-Konten "D" und "E" zurechnete.

8

Mit ihren Einsprüchen trug die Klägerin vor, die vom FA ihr zugerechneten Umsätze seien ihrem Ehemann zuzurechnen. Im Zuge der Auflösung des umfangreichen Junggesellenhaushalts ihres Ehemannes sowie des Haushalts ihrer verstorbenen Schwiegermutter sei eine große Anzahl privat gebrauchter Haushaltsgegenstände über eBay verkauft worden. Die veräußerten Pelze hätten ihrer Schwiegermutter gehört und seien zwischen 1960 und 1985 angeschafft worden. Anlässlich des Umzugs ihrer Schwiegermutter in ein Altenheim im Jahr 1991 seien diese an ihren Ehemann übergeben worden. Auf Grund der lange vergangenen Zeit und dreier weiterer Umzüge habe sie, die Klägerin, hierüber keine Unterlagen mehr.

9

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine Bestätigung ihres Ehemannes vom 29. Juli 2007 ein: "zur Vorlage bei Behörden und Ämtern bestätige ich hiermit, dass ich Frau ..." (die Klägerin) "damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich bei ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein". Ebenso versicherte der Ehemann der Klägerin am 17. Februar 2008, dass er die Klägerin "damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich über ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein".

10

Im Laufe des Einspruchsverfahrens half das FA den Einsprüchen insoweit teilweise ab, als es im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2004 vom 29. Januar 2010 der Klägerin nicht mehr sämtliche Verkäufe über eBay, sondern nur noch die Verkäufe der Pelze zurechnete. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

11

Durch Einspruchsentscheidungen vom 1. Februar 2010 wies das FA die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, es sei nicht glaubhaft, dass die veräußerten Pelzmäntel aus dem Besitz der Schwiegermutter der Klägerin stammten. U.a. lasse der Umstand, dass Pelze in unterschiedlichen Größen veräußert worden seien, den Schluss zu, dass es sich nicht um den privaten Besitz der Schwiegermutter gehandelt habe. Das Gleiche gelte für die Anzahl von insgesamt über 200 veräußerten Pelzen. Die Umsätze seien auch der Klägerin zuzurechnen. Die Bestätigung des Ehemannes der Klägerin überzeuge nicht.

12

Mit ihrer Klage ließ die Klägerin vorbringen, die veräußerten Gegenstände seien auf sie, die Klägerin, und ihren Ehemann aufgeteilt worden, um sie schneller veräußern zu können. Sie, die Klägerin, sei lediglich als Erfüllungsgehilfin ihres Ehemannes tätig gewesen. Die Verkaufstätigkeit sei im Übrigen nicht nachhaltig gewesen. Beim Verkauf der Haushaltsgegenstände ihrer Schwiegermutter habe es sich um eine einmalige und unwiederholbare Angelegenheit gehandelt. Die Pelze seien im Zeitraum Mai 2004 bis Oktober 2005 verkauft worden. Auch habe nicht sie am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, sondern ihr Ehemann. Sie, die Klägerin, habe nach außen erkennbar im Auftrag ihres Mannes gehandelt. Die unterschiedliche Größe der Pelze resultiere aus der unterschiedlichen Kleidergröße ihrer Schwiegermutter, die sich in einem Zeitraum von 1960 bis 1985 "schon mal ändern" könne.

13

Zudem reichte die Klägerin eine Bestätigung des Bruders ihres Ehemannes ein, der angab, seine Mutter habe eine Vorliebe für Pelzmäntel und -jacken gehabt und davon "eine stattliche Sammlung" besessen.

14

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage --nach Vernehmung des Ehemannes der Klägerin als Zeugen-- statt. Sein Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2013, 1249 veröffentlicht.

15

Es führte zur Begründung aus, zwar habe die Klägerin nach der Überzeugung des Gerichts in den Streitjahren die Pelzmäntel und -jacken über die eBay-Konten "D" und "E" verkauft und nicht ihr Ehemann. Dass sie, die Klägerin, "im Auftrag" ihres Ehemannes gehandelt habe, habe sie nicht nachweisen können.

16

Allerdings sei diese Tätigkeit nicht der unternehmerischen Sphäre der Klägerin zuzurechnen: Weder falle der Verkauf von Pelzmänteln und -jacken in den Rahmen ihres Einzelunternehmens "Finanzdienstleistungen" noch sei die Klägerin mit dieser Tätigkeit für sich genommen nachhaltig tätig geworden. Es liege keine nachhaltige Tätigkeit vor, weil die Klägerin Teile einer Privatsammlung von über 200 Pelzmänteln verschiedener Größen verkauft habe.

17

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs. 1 UStG. Nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) spiele es bei der Beurteilung der "eBay"-Umsätze der Klägerin eine Rolle, dass die Klägerin mit ihrem Unternehmen Finanzdienstleistungen unternehmerisch tätig sei. Die Klägerin übe damit ohnehin bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- (jetzt: Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--) aus. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) gelte als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübe. Dies sei bei der Klägerin bereits mit den Finanzdienstleistungen der Fall.

18

Unabhängig davon sei aber auch die Auffassung des FG unzutreffend, der Verkauf von 140 Pelzen in 13 Monaten mit einem Gesamtumsatz von 77.419 € über eine Handelsplattform sei nicht "nachhaltig" i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Klägerin sei auf Wiederholung angelegt, planmäßig und längerfristig gewesen. Dies gelte selbst dann, wenn man mit dem FG --unzutreffenderweise-- annehme, dass diese aus dem Privatvermögen des Ehemannes der Klägerin stammten.

19

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21

Die Auffassung des FA, die Verkaufstätigkeit sei unabhängig vom Kriterium der Nachhaltigkeit als unternehmerisch zu qualifizieren, weil sie, die Klägerin, bereits als Finanzdienstleisterin Unternehmerin gewesen sei, treffe nicht zu. Sie habe diese Tätigkeit im Übrigen zum 31. Mai 2005 eingestellt und am 29. November 2006 das Gewerbe abgemeldet. Das zum 1. April 2006 angemeldete Gewerbe "Handel mit Textilien" sei ebenfalls zum 29. November 2006 abgemeldet worden, ohne dass die beabsichtigte Tätigkeit jemals aufgenommen worden sei. Auch sei sie auf der Handelsplattform "eBay" nicht als "Händlerin" tätig geworden.

22

Nach der Sichtweise des FA wäre jeder Verkauf von Privatvermögen eines Unternehmers umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Das sei vom EuGH ersichtlich nicht beabsichtigt gewesen. Der bloße Erwerb und Verkauf eines Gegenstands sei keine wirtschaftliche Tätigkeit. Erst wenn der Betreffende aktive Schritte zum Vertrieb der Ware unternehme, indem er sich wie eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte Person verhalte, könne von einer wirtschaftlichen Tätigkeit gesprochen werden. Dies habe das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Der vom FA angeführte technische Wandel habe lediglich Einfluss auf die Art des Verkaufs. Auch ein Händler im Internet müsse Ware einkaufen, bevor er sie verkauft. Die Würdigung des FG binde deshalb den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidungsgründe

23

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit dem Verkauf der Pelzmäntel nicht unternehmerisch tätig geworden sei.

24

1. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitfall dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin und nicht ihr Ehemann die 140 Pelzmäntel geliefert hat.

25

a) Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1.; vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 11 f.; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 52).

26

b) Leistender ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 1212, Rz 19). Dies kann regelmäßig den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen entnommen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 22; vgl. dazu auch EuGH-Urteil Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 851). Tritt der Leistende unter fremdem Namen auf, sind ihm die Leistungen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1994 V R 105/91, BFHE 174, 469, BStBl II 1994, 671, unter II.1.).

27

c) Für die Frage, ob bei Eheleuten der Ehemann, die Ehefrau oder eine aus den Eheleuten bestehende Gemeinschaft als Unternehmer die Leistung ausführt, gilt nichts anderes; auch insoweit kommt es darauf an, wer nach außen auftritt (z.B. BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 45; BFH-Beschluss vom 27. Juni 1994 V B 190/93, BFH/NV 1995, 654).

28

d) Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, d.h. die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt haben, gehört grundsätzlich zu den "tatsächlichen Feststellungen" i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, deren Vornahme dem FG obliegt; die Würdigung des FG ist für den BFH bindend, wenn sie möglich ist und nicht gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Grundsätze der Vertragsauslegung verstößt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34 f., m.w.N.).

29

e) Gemessen daran ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin die hier zu beurteilenden Lieferungen von Pelzmänteln ausgeführt hat.

30

Es hat festgestellt, dass die Klägerin Inhaberin der eBay-Konten "D" und "E" war, und daraus mangels abweichender Anhaltspunkte zu Recht den Schluss gezogen, dass die Klägerin unter diesen Pseudonymen (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 174, 469, BStBl II 1994, 671, unter II.1.) die Pelzmäntel veräußert hat (vgl. allgemein auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2013  1 K 1939/12, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 790, unter 2.c). Dass die Klägerin, wie sie vorgetragen hat, im Rahmen der Verkäufe den Käufern gegenüber angegeben habe, sie sei "im Auftrag" für ihren Ehemann tätig geworden, hat das FG nicht für nachgewiesen gehalten. Im Übrigen führte die Angabe "im Auftrag" zu keiner anderen Beurteilung, solange die Klägerin gegenüber den Käufern nicht als Vertreterin ihres Ehemanns, sondern in eigenem Namen aufgetreten wäre (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381, unter II.2.b; BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2003 V B 12/02, BFH/NV 2004, 97, unter II.1.c). Ein Auftreten der Klägerin als Vertreterin ihres Ehemannes hat das FG ebenso wenig festgestellt wie das Auftreten einer Gemeinschaft der Ehegatten.

31

2. Es bleibt offen, ob die hier zu beurteilenden Umsätze schon deshalb steuerbar und steuerpflichtig sind, weil die Klägerin in den Streitjahren ohnehin als Finanzdienstleisterin Unternehmerin war.

32

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.

33

b) Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ausgeübt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.1.; vom 11. April 2008 V R 10/07, BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.1.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer einen sehr breiten Anwendungsbereich zuweist (EuGH-Urteile Van Tiem vom 4. Dezember 1990 C-186/89, EU:C:1990:429, Der Betrieb 1992, 121, Rz 17; EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 292, Rz 47).

34

c) Diese Voraussetzungen liegen --wie das FG zutreffend erkannt hat-- in der Person der Klägerin unabhängig von den hier zu beurteilenden Umsätzen vor; denn die Klägerin hat in den Streitjahren Finanzdienstleistungen erbracht.

35

d) Soweit Lieferungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG von einem Unternehmer "im Rahmen seines Unternehmens" ausgeführt werden müssen, umfasst das Unternehmen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG "die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers". Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) bestimmt diesbezüglich, dass "alle" Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden als wirtschaftliche Tätigkeit gelten; der Steuerpflichtige muss u.a. Lieferungen "als solcher" ausführen (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL).

36

aa) Der EuGH (vgl. EuGH-Urteil Kostov vom 13. Juni 2013 C-62/12, EU:C:2013:391, HFR 2013, 757, Rz 28 ff., zu Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) geht davon aus, dass eine natürliche Person, die bereits mit ihrer Haupttätigkeit ein Steuerpflichtiger ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als "Steuerpflichtiger" anzusehen sei, sofern diese Tätigkeit eine Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL darstelle. Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL beziehe sich nur auf Personen, die nicht bereits für ihre wirtschaftliche Haupttätigkeit mehrwertsteuerpflichtig seien. Dagegen stünde es insbesondere mit dem Ziel einer einfachen und möglichst allgemeinen Erhebung der Mehrwertsteuer nicht in Einklang, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen, dass der Begriff "wirtschaftliche Tätigkeit" eine Tätigkeit nicht umfasse, die zwar nur gelegentlich ausgeübt werde, aber unter die allgemeine Definition dieses Begriffs falle und von einem Steuerpflichtigen ausgeübt werde, der noch eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der MwStSystRL ausübe.

37

bb) Ausgehend davon ist fraglich geworden, ob an der bisherigen Rechtsprechung des BFH, wonach Leistungen, die sich als Nebenfolge einer nichtunternehmerischen Betätigung (früher auch sog. Eigenleben) ergeben --wie z.B. der Verkauf gebrauchter Gegenstände aus dem Privatbereich-- grundsätzlich zum nichtunternehmerischen Bereich gehören und nur dann zu unternehmerischen Umsätzen werden, wenn sie einen "geschäftlichen" Rahmen i.S. des § 2 Abs. 1 UStG erreichen (vgl. BFH-Urteile vom 21. Mai 1987 V R 109/77, BFHE 150, 368, BStBl II 1987, 735, unter II.2.b; in BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.2.b cc; s. dazu auch Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 33 Rz 101 ff.; Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 189 ff.; Abschn. 2.7 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), in vollem Umfang unverändert festgehalten werden kann.

38

3. Allerdings bedarf dies im Streitfall keiner Entscheidung; denn die tatsächliche Würdigung des FG, es liege keine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit der Klägerin vor, hält unabhängig von der neueren EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache Kostov (Urteil, EU:C:2013:391, HFR 2013, 757) einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, so dass die Vorentscheidung jedenfalls aus diesem Grund aufzuheben ist.

39

a) Unionsrechtlich wird nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, der der BFH folgt (s. zu Verkaufsumsätzen über eine elektronische Handelsplattform BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 33 ff.), der Begriff des Steuerpflichtigen unter Bezugnahme auf den der wirtschaftlichen Tätigkeit definiert, die nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden sowie Umsätze, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, umfasst (vgl. EuGH-Urteile Słaby u.a. vom 15. September 2011 C-180/10 und C-181/10, EU:C:2011:589, HFR 2011, 1253, Rz 43 und 44; Trgovina Prizma vom 9. Juli 2015 C-331/14, EU:C:2015:456, UR 2015, 621, Rz 19).

40

aa) Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit erstreckt sich auf einen weiten Bereich; die Tätigkeit an sich wird unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis betrachtet (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr vom 20. Juni 2013 C-219/12, EU:C:2013:413, HFR 2013, 752, Rz 17). Der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende einen Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, kann eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob eine Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird (vgl. EuGH-Urteil Redlihs vom 19. Juli 2012 C-263/11, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 35 f.).

41

bb) Die bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber ist als solche nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen (vgl. EuGH-Urteil Słaby u.a., EU:C:2011:589, HFR 2011, 1253, Rz 36). Ein Steuerpflichtiger handelt beim Verkauf eines Gegenstands, von dem er einen Teil nicht seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hatte, hinsichtlich dieses Teils grundsätzlich nicht als Steuerpflichtiger (vgl. EuGH-Urteil Armbrecht vom 4. Oktober 1995 C-291/92, EU:C:1995:304, BStBl II 1996, 392, Rz 24).

42

cc) Aus der oben angeführten Rechtsprechung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verkauf eines Gegenstands, den er seinem Privatvermögen zugeordnet hatte, allein aus diesem Grund nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Denn entgeltliche Umsätze eines Steuerpflichtigen unterliegen zwar grundsätzlich der Mehrwertsteuer, wenn er als solcher gehandelt hat, doch ist für die fehlende Steuerbarkeit eines solchen Umsatzes neben der Zuordnung zum Privatvermögen auch erforderlich, dass der Steuerpflichtige einen solchen Verkauf nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, sondern im Rahmen der Verwaltung seines Privatvermögens (vgl. EuGH-Urteil Trgovina Prizma, EU:C:2015:456, UR 2015, 621, Rz 22). Dass eine Person einen Gegenstand für ihren persönlichen Bedarf erworben hat, schließt nicht aus, dass der Gegenstand im Anschluss zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt wird (vgl. EuGH-Urteil Redlihs, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 39).

43

dd) Ein maßgebliches Beurteilungskriterium dafür, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, besteht darin, dass der Eigentümer aktive Schritte zur Vermarktung unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, z.B. bewährte Vermarktungsmaßnahmen durchführt (vgl. EuGH-Urteile Redlihs, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 36; Trgovina Prizma, EU:C:2015:456, UR 2015, 621, Rz 24). Derartige Maßnahmen erfolgen normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von Privatvermögen, so dass der Verkauf in einem solchen Fall nicht als bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber angesehen werden kann (vgl. EuGH-Urteil Słaby u.a., EU:C:2011:589, HFR 2011, 1253, Rz 41). Auch die Dauer des Zeitraums, währenddessen Lieferungen erfolgen, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen sind Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können (vgl. EuGH-Urteil Redlihs, EU:C:2012:497, HFR 2012, 1020, Rz 38).

44

b) Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des BFH im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erfüllt sind. Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können (z.B. BFH-Urteile vom 27. Januar 2011 V R 21/09, BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, Rz 22 ff.; in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 35; s. auch BFH-Beschluss vom 9. April 2014 XI B 6/14, BFH/NV 2014, 1230 bei 40 Verkaufsangeboten und 16 Anzeigen für Uhren und Schmuck, sowie zur Problematik der "eBay-Verkäufe" allgemein auch Roth/Loose, UR 2014, 169, 172 ff.; Hundt-Eßwein, Deutsches Steuerrecht 2012, 1371; Meurer, Der Umsatz-Steuer-Berater 2012, 164; Pinkernell, Steuerrecht kurzgefasst 2012, 309; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 38.17 ff.; Renner, Steuer- und Wirtschaftskartei 19/2012, 897; Roth, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 1966; Schießl, Steuern und Bilanzen 2012, 471; Martin, BFH/PR 2012, 280; Grube, juris-PraxisReport Steuerrecht 27/2012, Anm. 5). Dass bereits beim Einkauf eine Wiederverkaufsabsicht bestanden hat, ist nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 36).

45

c) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin sei mit dem Verkauf der Pelzmäntel nicht unternehmerisch tätig gewesen, auf die Rechtsprechung zu Münz- und Briefmarkensammlern gestützt. Solche Sammler seien nach den BFH-Urteilen vom 29. Juni 1987 X R 23/82 (BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744) und vom 16. Juli 1987 X R 48/82 (BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752) keine Unternehmer. Die Klägerin sei vergleichbar einem Sammler, der eine vorhandene Sammlung (hier: von Pelzmänteln der Schwiegermutter der Klägerin, die diese ihrem Sohn geschenkt habe) auflöse, nicht wie ein Händler am Markt aufgetreten. Die Feststellungslast für das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit liege beim FA.

46

d) Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand; denn das FG hat bei seiner Beurteilung nicht alle bedeutsamen Begleitumstände zutreffend berücksichtigt. Seine Würdigung ist deshalb für den Senat nicht bindend (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, Rz 33; vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II 2014, 734, Rz 27, m.w.N.).

47

aa) Bei seiner Würdigung hat das FG unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin nicht eigene, sondern fremde Pelzmäntel (eine fremde "Sammlung") verkauft haben will. Der Streitfall ist insoweit mit den vom FG herangezogenen Urteilsfällen nicht vergleichbar; denn die Klägerin hat es nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt übernommen, 140 fremde Pelzmäntel in eigenem Namen auf einer Internet-Handelsplattform zu veräußern. Diese Tätigkeit, die der Ehemann der Klägerin als "Verkaufsabwicklung" bezeichnet hat, ist --jedenfalls in dem vom FG festgestellten Umfang-- eine typisch unternehmerische Tätigkeit und für einen vom FG im Rahmen seiner Würdigung als Vergleich herangezogenen Sammler vollkommen untypisch.

48

bb) Ebenfalls nicht berücksichtigt hat das FG, dass die verkauften Gegenstände (Pelzmäntel) --anders als z.B. Briefmarken (BFH-Urteil in BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744), Münzen (BFH-Urteil in BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752) oder historische Fahrzeuge (BFH-Urteil in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524)-- keine Sammlerstücke, sondern Gebrauchsgegenstände sind.

49

In Rz 12 des BFH-Urteils in BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752 hat der X. Senat des BFH ausgeführt: "So wird für Briefmarken, Münzen und andere Sammlungsstücke, die im wesentlichen nur einen Liebhaberwert haben (anders als bei Gebrauchsgegenständen wie z.B. Teppichen), regelmäßig anzunehmen sein, dass sie aus privaten Neigungen zusammengetragen werden."

50

Unter II.2. der Gründe des BFH-Urteils in BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744 hat der X. Senat des BFH die fehlende wirtschaftliche Tätigkeit eines Briefmarkensammlers wie folgt begründet: "Das Sammeln von Briefmarken ist eine weit verbreitete Freizeitbeschäftigung, die aus der Sicht des Sammlers ihre Sinnerfüllung darin findet, dass ein umfassender oder gar vollständiger Bestand an Serien, Motiven, Marken eines bestimmten Landes usw. geschaffen wird. ... Der Kauf von Einzelstücken und Kollektionen und die Veräußerung oder das Wegtauschen von Einzelstücken sind unumgänglich, um die angestrebte Vollständigkeit der Sammlung zu erreichen. Die auf Vervollständigung und Bestandsvermehrung abzielenden An- und Verkaufs- oder Tauschvorgänge sind trotz ständiger Wiederholung keine Umsatzakte."

51

Mit dieser Tätigkeit eines privaten Sammlers hat die Tätigkeit der Klägerin bzw. ihres Ehemanns bzw. ihrer Schwiegermutter nichts zu tun. Außerdem ist vorliegend --wie sich aus den Anzeigen ergibt, auf die das FG auf Seite 4 des Urteils Bezug genommen hat und die deshalb vom Senat berücksichtigt werden dürfen-- angesichts der unterschiedlichen Pelzarten, -marken, Konfektionsgrößen und der um bis zu 10 cm voneinander abweichenden Ärmellängen der Pelzmäntel nicht ersichtlich, welches "Sammelthema" verfolgt worden sein sollte.

52

cc) Weiter hat das FG nicht die "Vervielfachung" der Verkäuferkonten als aktive Maßnahme zum Vertrieb der Pelzmäntel in seine Würdigung einbezogen. Die Klägerin selbst (und übrigens auch ihr Ehemann) verfügten jeweils über mindestens zwei Verkäuferkonten. Dies geht über die schlichte Veräußerung nicht mehr benötigter privater Gegenstände durch eine Privatperson über ein Verkäuferkonto erheblich hinaus. Auch dieses händlertypische Verhalten ist mit den vom X. Senat des BFH entschiedenen Fällen eines Münz- bzw. Briefmarkensammlers, der seine Sammlung en bloc aufgibt und versteigern lässt, nicht vergleichbar (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 39). Weiter wurden von der Klägerin zwei Bankkonten zur Abwicklung genutzt.

53

dd) Der im Einspruchs-- und Klageverfahren erhobene Einwand der Klägerin, der Verkauf sei auf fremde Rechnung erfolgt, rechtfertigt schon deshalb keine andere Beurteilung, weil das FG tatsächlich festgestellt hat, dass die Kaufpreise auf Bankkonten der Klägerin gezahlt worden sind.

54

ee) Dass die Klägerin mit den Verkäufen keinen Gewinn erzielt haben will, spielt für die Umsatzsteuer keine Rolle (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG und EuGH-Urteil Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr, EU:C:2013:413, HFR 2013, 752, Rz 25).

55

ff) Nicht gegen die Einstufung der Verkäufe als wirtschaftliche Tätigkeit spricht, dass das FG keinen Wareneinkauf der Klägerin mit dem für eine richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Grad an Gewissheit feststellen konnte; denn ein Wareneinkauf durch den Unternehmer in Veräußerungsabsicht ist gemäß den Ausführungen unter II.3.a und b nicht erforderlich und findet überdies bei der Veräußerung fremder Gegenstände naturgemäß nicht statt.

56

gg) Auch der Hinweis der Klägerin auf die begrenzte Dauer ihrer Tätigkeit führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar spricht die kurze Dauer einer Tätigkeit gegen deren Nachhaltigkeit; trotz kurzer Dauer ist jedoch von einer nachhaltigen Tätigkeit auszugehen, wenn eine Person innerhalb der kurz bemessenen Zeit planmäßig, wiederholt und intensiv am Marktgeschehen teilgenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 86/90, BFHE 172, 549, BStBl II 1994, 274, unter 1. zu einem Karnevalsprinzen). Dies ist hier der Fall; denn das FG hat auf Seite 14 und 15 des Urteils festgestellt, die Klägerin sei planmäßig tätig gewesen und ihre Tätigkeit habe einen erheblichen Organisationsaufwand erfordert. Außerdem wurden mindestens 140 Pelzmäntel geliefert, wie das FG auf Seite 4 des Urteils festgestellt hat.

57

e) Soweit das FG im Rahmen seiner Beurteilung auf die Feststellungslast des FA hingewiesen hat, ist die Anwendung der Regeln über die Feststellungslast lediglich "ultima ratio"; vorher ist zunächst u.a. der --auch im Streitfall bedeutsame (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. September 2010 16 K 315/09, juris, Rz 29 f.)-- Grundsatz der Beweisnähe zu berücksichtigen (vgl. grundlegend BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462; vom 23. März 2011 X R 44/09, BFHE 233, 297, BStBl II 2011, 884).

58

4. Die Sache ist spruchreif.

59

a) Die Tätigkeit der Klägerin ist aus den unter II.3. genannten Gründen als unternehmerische Tätigkeit anzusehen, so dass sie die Lieferungen der Pelzmäntel im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt hat. Der Senat darf diese Würdigung trotz § 118 Abs. 2 FGO selbst vornehmen, weil das FG die dafür maßgeblichen Tatsachen festgestellt hat (vgl. dazu allgemein BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Rz 38, m.w.N.).

60

b) Sonstige Rechtsfehler des FA im Rahmen der Festsetzung der Umsatzsteuer sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist bei der Klägerin nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt kein Vorsteuerabzug aus einem Wareneinkauf zu berücksichtigen, da die Pelzmäntel nach den tatsächlichen Feststellungen des FG von der Schwiegermutter der Klägerin lange vor den Streitjahren zu privaten Zwecken erworben wurden. Die Anwendung des § 25a UStG scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin angegeben hat, dass über die Anschaffungen in den Jahren 1960 bis 1985 keine Unterlagen mehr existieren, so dass nicht festgestellt werden kann, ob die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG vorliegen. Angesichts der Größenordnung der Umsätze findet die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) keine Anwendung.

61

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten nach der in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 901) weiterhin um die Höhe des Vorsteuerabzugs der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Holding, aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie um das Vorliegen einer Organschaft.

2

Die Klägerin ist eine AG, deren einzige Aktionärin zunächst die X-GmbH & Co. KG war. Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen.

3

Durch eine im Rahmen ihres Börsengangs erfolgte Aktienemission erhöhte die Klägerin ihr Kapital im Jahr 2006 (Streitjahr) von ... € um ... €. Für die Emission entstanden Kosten, die mit Umsatzsteuer in Höhe von 373.347,57 € belastet waren. Nach dem Börsenprospekt beabsichtigte sie, die Klägerin, sich als internationale Anbieterin in der Branche der entgeltlichen Überlassung von Container- und Tankerschiffen zu positionieren.

4

Die sog. Schiffscharter führte die Klägerin nach ihrem Konzept über sog. Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aus, die --u.a. zur Verringerung des Haftungsrisikos-- Eigentümerinnen und Betreiberinnen der Schiffe werden und Fremdkapitalanteile aufnehmen sollten.

5

Die Klägerin war Mehrheitskommanditistin an den jeweiligen Schiffskommanditgesellschaften mit einer Beteiligungsquote von mehr als 99 %. Die weiteren Kommanditisten waren jeweils die X-GmbH & Co. KG sowie der jeweilige Vertragsreeder.

6

Die jeweilige Komplementärin und die Klägerin führten die Geschäfte der Schiffskommanditgesellschaften.

7

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistung eine Vergütung in Höhe von jährlich ... € zzgl. Umsatzsteuer. Die Höhe dieser Vergütung wurde auf der Grundlage der Kosten für die Aktienemission und einer durchschnittlichen betrieblichen Nutzungsdauer eines Seeschiffs von 20 Jahren kalkuliert. Außerdem hatte die Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch.

8

Zur Finanzierung des Erwerbs und des Betriebs des jeweiligen Seeschiffs wurde bei den Schiffskommanditgesellschaften eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die im Wesentlichen durch die Klägerin mittels einer Kapitaleinlage erbracht wurde. Nach den jeweils gleich gestalteten Gesellschaftsverträgen lag der Gesellschaftszweck der operativen Schiffskommanditgesellschaften in der Verwaltung eigenen Vermögens, in dem Erwerb, in dem Betrieb, in der Veräußerung von (bestimmten) Seeschiffen, in dem Abschluss von Charterverträgen und Derivaten sowie in der Vereinbarung aller hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.

9

Im Streitjahr gründete die Klägerin als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solcher Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

10

Die nach dem Konzept vorgesehene Erhöhung der Kapitaleinlage zur Finanzierung des Erwerbs von Seeschiffen belief sich bei den Tochtergesellschaften auf jeweils ... €. Überdies gewährte die Klägerin den Tochtergesellschaften kurzfristige verzinsliche Darlehen zur Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils rund ... €.

11

Die Tochtergesellschaften schlossen die für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab, wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden war.

12

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistungen von den Tochtergesellschaften im Streitjahr ein Entgelt in Höhe von ... € zzgl. Umsatzsteuer. Überdies erhielt sie im Streitjahr für die den Tochtergesellschaften gewährten Darlehen Zinsen in Höhe von ... €, Beteiligungserträge in Höhe von ... € sowie aus Anlagen von Teilen des mit den Aktienemissionen eingeworbenen Kapitals bei Kreditinstituten Zinsen in Höhe von ... €.

13

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Leistungen aus ihrer Geschäftsführungstätigkeit in Höhe von ... € (= ... € Umsatzsteuer) und machte u.a. den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von 373.347,57 € geltend.

14

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 15. Januar 2009 den Vorsteuerabzug. Der Einspruch blieb erfolglos; dabei hob das FA den Umsatzsteuerbescheid auf, weil die Klägerin keine Unternehmerin sei; denn sie greife nicht in die Geschäftsführung ihrer Tochtergesellschaften ein (Einspruchsentscheidung vom 27. August 2010).

15

Nach Durchführung eines Erörterungstermins im Klageverfahren gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin durch die damaligen Vorstände geschäftsführend bei den Tochterkommanditgesellschaften tätig gewesen sei und die Emissionskosten als Berechnungsgrundlage in die Vergütung für die Geschäftsführungstätigkeit eingeflossen seien.

16

Bereits im Klageverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie aufgrund einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft insgesamt wirtschaftlich tätig sei. Die Eingliederungsmerkmale lägen vor. Dass Personengesellschaften nicht Organgesellschaften sein könnten, sei unionsrechts- und verfassungswidrig.

17

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, indem es der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in voller Höhe gewährte. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 255 veröffentlicht.

18

Mit der Revision hat das FA geltend gemacht, die Klägerin sei im Streitjahr zwar Unternehmerin gewesen, die streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien aber wegen ihrer auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und des Haltens von Beteiligungen aufzuteilen. Insbesondere seien auf den Streitfall die Grundsätze des EuGH-Urteils SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08 (EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099) nicht anwendbar, da diese Entscheidung auf --der hier nicht gegebenen Besonderheit-- beruhe, dass die Veräußerung zur Umstrukturierung eines Konzerns erfolgt sei.

19

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12 (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?

2. Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person --nicht aber eine Personengesellschaft-- in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) 'in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist'?

3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?"

20

Der EuGH hat die Fragen mit seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) beantwortet.

21

Nach Ergehen des EuGH-Urteils hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bezüglich der im Streitjahr erfolgten Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften (darauf entfallendes Entgelt: ... €) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichte und zur Steuerpflicht optiere. Sie habe im Oktober 2015 Rechnungen mit offenem Steuerausweis erteilt. Die Option sei wirksam. Das FA hat mitgeteilt, es habe über einen entsprechenden Änderungsantrag der Klägerin noch nicht entschieden.

22

Das FA macht geltend, auch nach der Vorabentscheidung sei ein voller Vorsteuerabzug für die Klägerin nicht zwingend. Insbesondere sei unklar, welchen Umfang die Tätigkeiten einer Holding nach Auffassung des EuGH haben müssten, damit diese eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Mehrwertsteuerrechts ausübe.

23

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Ausführungen des EuGH zur Organschaft. Das Unionsrecht sei nicht berufbar. Eine Erweiterung der Organschaft auf Personengesellschaften sei dem Gesetzgeber vorbehalten, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Die Vorschrift diene außerdem i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vermeidung missbräuchlicher Praktiken.

24

Das FA trägt hilfsweise vor, es halte eine Vorsteueraufteilung für angemessen, die sich nach der Verwendung des eingeworbenen Kapitals richte. Da die Klägerin 95 % des eingeworbenen Kapitals für den Erwerb von Beteiligungen verwendet habe, seien lediglich 5 % der streitigen Vorsteuerbeträge (= 18.667,38 €) abziehbar.

25

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen für die im Zusammenhang mit der Aktienemission bezogenen Leistungen über den Betrag von 18.667,38 € hinaus geltend macht.

26

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

27

Sie trägt vor, ihr stehe dem Grunde nach der volle Vorsteuerabzug zu. Eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit scheide aus. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Der Vorsteuerabzug sei vielmehr aufgrund von § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG i.V.m. § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vollständig zu gewähren; hinsichtlich der Zinserträge von Kreditinstituten lägen den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Hilfsumsätze vor. Außerdem habe sie, die Klägerin, mittlerweile teilweise zur Steuerpflicht optiert.

28

Bezüglich des Vorliegens einer Organschaft sieht die Klägerin aus "verfahrensökonomischen Gründen" von einer Stellungnahme ab.

29

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist nach Ergehen des EuGH-Urteils gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Es trägt nur zur Organschaft vor.

30

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG könne eine Person, die keine "juristische Person" sei, nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert werden. Der EuGH habe dem Senat die Prüfung aufgegeben, ob der Ausschluss von anderen Personen eine Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung darstelle. Sofern der Senat eine solche Maßnahme verneine, werde mangels direkten Berufungsrechts der Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des Unionsrechts zu prüfen sein, ob es möglich ist, anderen Personen --insbesondere Personengesellschaften-- den Anwendungsbereich der Organschaftsregelung durch Auslegung des Begriffs "juristische Person" zu eröffnen. Nach Auffassung des BMF sei dies nicht möglich; dadurch würden die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.

31

Soweit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ferner für die Annahme einer Organschaft eine Eingliederung und damit ein Verhältnis der Unterordnung voraussetze, sei dies erforderlich und geeignet, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung vorzubeugen. Das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses diene zudem der Rechtssicherheit; es stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Eine anderweitige, unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs der Eingliederung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sei nicht möglich.

Entscheidungsgründe

32

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

33

Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug zu (s. dazu unter 1.). Die Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften und an ein Kreditinstitut sind allerdings vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie steuerfrei sind; es sind keine Hilfsumsätze (s. dazu unter 2.). Außerdem kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind (vgl. unter 3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif.

34

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin als geschäftsleitender Holding der Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde nach zusteht.

35

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, wobei allerdings u.a. bei steuerfreien Umsätzen für die Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG) die Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abziehbar ist.

36

Diese Vorschriften beruhten im Streitjahr auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei Umsätzen für die Seeschifffahrt sind Art. 17 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten (jetzt: Art. 169 Buchst. b i.V.m. Art. 148 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

37

b) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verwenden beabsichtigt.

38

c) Dazu hat der EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) Folgendes entschieden:

    

"1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."

39

aa) Der EuGH hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet (Rz 21, 25):

    

"21 Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C-16/00, EU:C:2001:495, Rn. 22, und Portugal Telecom, C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 34).

    

...     

    

25 Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und - wie oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist - insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug. ..."

40

bb) Bezogen auf den Streitfall hat der EuGH ausgeführt (Rz 28 f.): 

    

"28 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind, die aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher müsste die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden, es sei denn, dass nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall dürfte das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

    

29 Somit könnte nur in dem Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die sich aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil anderen Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung sie nicht teilgenommen haben, die für die Kosten dieser Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen werden, wie in der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das bloße Halten ihrer Anteile an diesen Tochtergesellschaften nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Holdinggesellschaften angesehen werden, und die Vorsteuer wäre in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die, die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört."

41

d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht entschieden, dass nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen das Halten der Anteile an den Tochter-KGs Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ist.

42

aa) Die Klägerin ist nach Auffassung des FG (Urteil S. 15 f.), des Senats (Beschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 38) und des EuGH (Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 28) Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt Geschäftsführungsleistungen erbringt. Davon gehen nach einer tatsächlichen Verständigung auch die Klägerin und das FA übereinstimmend aus.

43

bb) Soweit das FA und der Senat im Vorlagebeschluss (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Frage 1 sowie Rz 40 bis 43) nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des Vorsteuerabzugs für möglich gehalten haben, widerspricht dies Rz 28 und 29 des EuGH-Urteils Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901).

44

e) Zwar trifft die Auffassung des FA, der Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu (vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a. vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260; Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, HFR 2013, 851; Italmoda u.a. vom 18. Dezember 2014 C-131/13, EU:C:2014:2455, HFR 2015, 200, Rz 43 ff.).

45

Allerdings hat das FG auf S. 16 f. des Urteils den Streitfall dahingehend gewürdigt, es liege keine missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, unter II.2.a und b, Rz 21 und 23; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271, unter 2., Rz 15).

46

2. Hingegen sind --entgegen der Auffassung des FG-- die Anlagen der Klägerin bei ihren Tochtergesellschaften und Kreditinstituten keine Hilfsumsätze i.S. des § 43 Nr. 3 UStDV.

47

a) Gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung u.a. nähere Bestimmungen darüber treffen, wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 4 UStG) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

48

b) Von dieser Befugnis hat der Verordnungsgeber mit § 43 UStDV Gebrauch gemacht. Danach sind die den folgenden steuerfreien Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind:

    

"3. ... Einlagen bei Kreditinstituten, wenn diese Umsätze als Hilfsumsätze anzusehen sind."

49

Die sich daraus ergebende Erleichterung besteht darin, dass Vorsteuerbeträge, die den in § 43 UStDV genannten Umsätzen zuzurechnen sind, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern voll abziehbar sind (Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 704).

50

c) Unionsrechtliche Grundlage dieser Bestimmung in der UStDV war im Streitjahr Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach --vorbehaltlich der ohnehin bestehenden Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG-- der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen ist, der anhand von Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelt wird. Danach bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. die Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte außer Ansatz. Der Begriff "Hilfsumsatz" in § 43 Nr. 3 UStDV ist deshalb im Interesse einer unionsweit einheitlichen Auslegung (vgl. EuGH-Urteile Nordania Finans und BG Factoring vom 6. März 2008 C-98/07, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 34 f.; NCC Construction Danmark vom 29. Oktober 2009 C-174/08, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 24 ff.) richtlinienkonform entsprechend der Definition in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL) auszulegen.

51

d) Der Zweck des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag, den die Kommission dem Rat am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der es heißt:

    

"Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen."

52

e) Deshalb kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit auch nicht als "Hilfsumsatz" i.S. von Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH-Urteil Régie dauphinoise vom 11. Juli 1996 C-306/94, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 22; NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 30 und 31; s. auch EuGH-Urteil Nordania Finans und BG Factoring, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 22, 24 und 26, zu Investitionsgütern, die im Rahmen der laufenden Tätigkeit des Unternehmers --dort steuerpflichtig-- genutzt werden). Die von der Finanzverwaltung in Abschn. 15.18 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (im Streitjahr: Abschn. 210 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) vertretene Auffassung, dass Hilfsumsätze nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft insoweit zu.

53

f) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, es sei gemäß § 43 Nr. 3 UStDV keine Kürzung der Vorsteuer vorzunehmen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

54

aa) Dabei ist das FG zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zwar unterliegen Darlehensumsätze einer Holding nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie entweder eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden oder die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen, ohne jedoch in Bezug auf letztere Hilfsumsätze i.S. des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu sein (vgl. EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom 14. November 2000 C-142/99, EU:C:2000:623, BFH/NV Beilage 2001, 37, Rz 27 ff.). Jedoch fallen die Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, weil sie nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an die Tochtergesellschaften darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 65 ff.). Auch die Zinsen, die an die Klägerin als Entgelt für Kapitalanlagen gezahlt wurden, können nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, da sie nicht auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruhen, sondern die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital an die Bank darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 69). Die Klägerin als geschäftsleitende Holding handelte als Unternehmerin, soweit sie Mittel, die sie mit der Kapitalerhöhung eingeworben hatte, auf die genannte Weise einsetzte (vgl. EuGH-Urteil Régie dauphinoise, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 17).

55

bb) Auch reicht der Umstand, dass die Hilfsumsätze höher sind als die Umsätze aus der Haupttätigkeit, allein nicht aus, um ihre Einordnung als Hilfsumsätze auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 77), soweit Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht oder nur in sehr geringem Umfang für diese Umsätze verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 76 und 78).

56

cc) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, im Streitfall seien die Anlagen der Klägerin bei Banken und die Darlehensgewährungen an die Tochtergesellschaften Hilfsumsätze, weil sie nicht den Gegenstand des Geschäftes der Klägerin darstellten. Diese Würdigung wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen; die Umsätze sind vielmehr bei der Klägerin schon deshalb keine Hilfsumsätze, weil sie --wie das FA in diesem Zusammenhang zu Recht geltend macht-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zur Haupttätigkeit der Klägerin gehören. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach den Feststellungen auf S. 4 des FG-Urteils u.a. der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze, so dass nicht mehr konkret beurteilt werden muss, in welchem Umfang diese Umsätze für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordern, für die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 34). Auf die Frage, ob die Umsätze von Anfang an beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit der Klägerin waren, kommt es nach den Ausführungen unter c und d ebenfalls nicht mehr an.

57

g) Greift mithin § 43 Nr. 3 UStDV nicht zugunsten der Klägerin ein, wird das FG im 2. Rechtsgang zu prüfen haben, inwieweit die rechtzeitig erklärte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2016, 353, Rz 56 f., m.w.N.) Option der Klägerin gemäß § 9 UStG zur Steuerpflicht ihrer an sich gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze wirksam ist und sich auf die bisher festgesetzte Umsatzsteuer und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Vorsteuerabzug auswirkt.

58

3. Außerdem kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin --wie von ihr geltend gemacht-- und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht (s. dazu unter 4. bis 7.). Dies könnte Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin für das Streitjahr festzusetzenden Umsatzsteuer haben.

59

a) Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen; die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a, Rz 21; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17. September 2014 C-7/13, EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 28). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2., Rz 18; vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.a, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA), EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 29).

60

b) Ob eine Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften besteht, ist auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, da Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712). Wären der Klägerin die Umsätze und Leistungsbezüge ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, wäre die Umsatzsteuer im Rahmen der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ggf. in anderer Höhe festzusetzen.

61

c) Ob eine Organschaft besteht und weiter dazu führt, dass die Umsatzsteuer höher oder niedriger festzusetzen ist, kann nicht beurteilt werden, da das FG --aus seiner Sicht konsequenterweise-- nicht festgestellt hat, wie hoch die bisher (möglicherweise zu Unrecht) gegenüber den Tochtergesellschaften festgesetzte Umsatzsteuer ist.

62

4. Auch eine GmbH & Co. KG --wie dies auf die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- kann Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein.

63

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

64

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beruhte im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 11 MwStSystRL), wonach es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei steht, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln (sog. Mehrwertsteuergruppe).

65

c) Der EuGH hat zur Auslegung dieser Bestimmungen --für den BFH bindend-- Folgendes entschieden (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2):

    

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."

66

d) Zur Beschränkung von Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat der EuGH ausgeführt (vgl. Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 36 bis 43):

    

"36 Was die Antwort anbelangt, die in der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, die jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Irland, C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 36)

    

37 Daher ist erstens festzustellen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf 'juristische Personen' beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die - wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren - keine juristischen Personen sind.

    

38 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine ausdrückliche Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 35), insbesondere nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe sein könnten.

    

39 Deshalb ist zu prüfen, ob der Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die Bildung solcher Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten, es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen Personen sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie auszuschließen.

    

40 Aus der Begründung des Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der Sechsten Richtlinie geführt hat, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37).

        

41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern diese den Zielen der Richtlinie entsprechen, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 38 und 39).

    

42 Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69 eingeführten Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, vor diesem Inkrafttreten gleichwertige sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung durch die Mitgliedstaaten ein Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 70 und 71).

    

43 Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine juristischen Personen sind, von der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist."

67

e) Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz 43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung (vom FA zutreffend als "Prüfungsauftrag" bezeichnet) führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ist.

68

aa) Davon ist der Senat bereits in seinem Vorlagebeschluss ausgegangen (vgl. BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 73 "fernliegend").

69

bb) Dem sind die Kommission und der Generalanwalt gefolgt.

70

Der Generalanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 26. März 2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:212, juris, Rz 73, 74 und 80):

    

"73. Auch wenn die Prüfung dieser Punkte dem vorliegenden Gericht obliegt, ist anzumerken, dass es im Wesentlichen bereits in seiner Vorlageentscheidung klargestellt hat, dass es zum einen keine Verbindung zwischen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgestellten Bedingung, nach der alle Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe Rechtspersönlichkeit besitzen müssen, und der Verfolgung der in Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie genannten Ziele sieht und dass dieses Erfordernis zum anderen dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwiderlaufen könnte, soweit allein aufgrund der Rechtsform bestimmte Unternehmen von der Möglichkeit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden.

74. Ich teile diese Ansicht.

    

80. Wie für das vorlegende Gericht und die Kommission ist jedoch auch für mich nur schwer ersichtlich, inwiefern eine Unterscheidung in Abhängigkeit von der Rechtsform oder dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Rechtspersönlichkeit der Unternehmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sein sollte."

71

cc) Weder das FA noch das BMF sind dieser Beurteilung entgegengetreten.

72

dd) Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf "juristische Personen" missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder –umgehung verhindert werden sollten.

73

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geht im Wesentlichen auf das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 (UStG 1967) zurück. Der Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf enthält lediglich die Aussage, dass das Institut der Organschaft "zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft" beibehalten wird (vgl. BTDrucks zu V/1581, S. 10; BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.2.b aa, Rz 42; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, m.w.N.).

74

In der Gesetzesbegründung zum UStG 1980 heißt es zu § 2 Abs. 1 und 2 UStG nur (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 29): "Die Absätze 1 und 2 stimmen mit § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1973 überein. Artikel 4 Abs. 1 bis 4 der 6. Richtlinie erfordert keine Änderung dieser Vorschriften." Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf folgt nichts anderes (vgl. BTDrucks 8/2827, S. 6, 63 ff.). Allerdings sollen sich bei der Vorbereitung des UStG 1980 sowohl die Finanzverwaltung als auch die Wirtschaft einhellig für die Beibehaltung der Organschaft ausgesprochen haben. Die Organisationsstruktur vieler Unternehmen sei seit langem auf die Organschaft ausgerichtet. Auf Seiten der Finanzverwaltung führe die Organschaft zu einer gewissen Verwaltungsvereinfachung. Der Organkreis werde unter einer Steuernummer geführt und gebe nur eine Umsatzsteuererklärung ab. Der Verzicht auf die Organschaft hätte daher bei Wirtschaft und Verwaltung nicht nur erhebliche Mehrarbeit, sondern auch Kostensteigerungen mit sich gebracht (so Klezath, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1980, 5, 8; vgl. auch Klezath, DStZ 1986, 112, 114).

75

Selbst wenn man deshalb davon ausgeht, die "Verwaltungsvereinfachung" sei "auch" das Motiv des Gesetzgebers gewesen, die Rechtsfigur der Organschaft im UStG 1980 beizubehalten (so Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 784), ergibt sich daraus nichts für die hier zu prüfende Frage. Dieses Ziel der "Verwaltungsvereinfachung" findet sich zwar (neben dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen) ebenfalls in der Begründung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 40). Es kann aber die Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht rechtfertigen; vielmehr kommt es insofern --allein-- darauf an, ob diese Beschränkung eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung ist (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015, 496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2 und Rz 43).

76

5. Allerdings entfaltet Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG keine unmittelbare Wirkung und ist deshalb auch nicht berufbar (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 3).

77

6. Ausgehend davon hat der Senat im Streitfall zu prüfen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff "juristische Peron" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften umfasst (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsätze 2 und 3; vgl. auch Rz 114 der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi, EU:C:2015:212, juris).

78

Dies ist jedenfalls für eine GmbH & Co. KG --wie dies für die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- zu bejahen.

79

a) Die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG möglich ist, wird in der Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet (bejahend z.B. Diemer, Der Betrieb 2015, 1748; Korn, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung 2015, 39; Nieskens, Betriebs-Berater 2015, 2074, 2076; Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 43/2015, Anm. 6, unter C. a.E.; wohl auch Hummel, Umsatzsteuer-Rundschau 2015, 671, 680; Streit/ Rust, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2015, 2097, 2099 f.; tendenziell verneinend Eggers, Neue Wirtschafts-Briefe 2015, 2566, 2574; Eggers/Korf, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 710, 718; Grünwald, MwStR 2015, 587, 588; offen Birkenfeld, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 757, 758; Hartman, Die Steuerberatung 2016, 18). Das beigetretene BMF hält eine richtlinienkonforme Auslegung nicht für möglich.

80

b) Für die vorzunehmende Prüfung, ob eine richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift möglich ist, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgende Grundsätze:

81

aa) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht (BVerfG-Beschluss vom 8. April 1987  2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, unter B.2.c cc, Rz 45). Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen; mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden i.S. eines Optimierungsgebotes (BVerfG-Beschluss vom 26. September 2011  2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, BVerfGK 19, 89, unter B.II.1.b, Rz 46). Auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung steht dem nationalen Richter zu, und zwar auch im Steuerrecht (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Dezember 1992  1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327, unter II.1., Rz 7; vom 16. Februar 2012  1 BvR 127/10, HFR 2012, 545, unter IV.1.a, Rz 23 f.; vom 17. September 2013  1 BvR 1928/12, HFR 2013, 1156, unter IV.1.a, Rz 33).

82

bb) Eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG.

83

Denn steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet --wie hier dem Zivilrecht-- entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren; es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc, Rz 11, m.w.N.; BFH-Urteil vom 29. Januar 2015 V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl II 2015, 567, Rz 36).

84

cc) Im Übrigen gibt es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs "juristische Person".

85

So hat das BVerfG für Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) anerkannt, dass "juristische Personen" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften sein können (ständige Rechtsprechung seit dem BVerfG-Urteil vom 20. Juli 1954  1 BvR 114/54, BVerfGE 4, 7, unter C.3.b, Rz 15 f.; vgl. BVerfG-Urteil vom 29. Juli 1959  1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, unter C.I., Rz 40; BVerfG-Beschlüsse vom 11. Oktober 1966  2 BvR 477/64 u.a., BVerfGE 20, 257, unter B.I.2., Rz 27; vom 18. Oktober 1966  2 BvR 386/63, 2 BvR 478/63, BVerfGE 20, 283, unter B.II.2., Rz 47; vom 4. Dezember 1979  2 BvR 64/78, 2 BvR 460/79, BVerfGE 53, 1, unter B.I.1., Rz 55; s. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 1103/02, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3533, unter 2.a, Rz 6).

86

Im BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000  1 BvR 539/96 (BVerfGE 102, 197, unter C.I., Rz 63) führt das BVerfG in Bezug auf zwei GmbH & Co. KGs (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 102, 197, unter A.II., Rz 5) sogar ausdrücklich aus, bei einem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff sei das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf "juristische Personen des Privatrechts" anwendbar. Danach ist eine GmbH & Co. KG eine juristische Person i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG.

87

Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) davon aus, dass "juristische Personen" (dort: i.S. des § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut "juristische Person" dieser Auslegung nicht entgegen steht (vgl. BVerwG-Urteil vom 1. Oktober 2015  7 C 8.14, Deutsches Verwaltungsblatt 2016, 188, unter 1.a bb(1), Rz 23).

88

c) Bezogen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat Generalanwalt Mengozzi in Rz 115 seiner Schlussanträge (EU:C:2015:212, juris) angemerkt, die Kommission habe in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass das FG München (Urteil vom 13. März 2013  3 K 235/10, EFG 2013, 1434) mit der Feststellung, dass "kapitalistisch strukturierte" Personengesellschaften --wie die Tochtergesellschaften der Klägerinnen in den Ausgangsverfahren-- in den persönlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG fallen könnten, den Versuch einer solchen mit dem Unionsrecht vereinbaren Auslegung unternommen habe.

89

d) Der Senat folgt mit Blick auf das Unionsrecht --insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsformneutralität (vgl. dazu Vorlagebeschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 74 und 75)-- der (offenbar sowohl von der Kommission als auch vom Generalanwalt unterstützten) Auffassung des FG München.

90

Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur" (Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44; vgl. auch Stadie in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 840). In der Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen; der Sache nach wird sie jedoch eher als GmbH gewertet Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.). Steuerrechtlich sind die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175). Die GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der §§ 264a ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) weitgehend denselben Regeln der Rechnungspublizität und Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische Person unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44).

91

e) Deshalb kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" (jedenfalls) auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

92

f) Die Auffassung des Senats, dass auch eine GmbH & Co. KG als "juristische Person" i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist, weicht zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (DStR 2016, 219) ab.

93

aa) Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies setzt zwar nach Auffassung des V. Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG --um die es auch im dortigen Verfahren ging-- Organgesellschaft sein kann (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung sowie die Entscheidungsgründe unter II.4., Rz 60). Andernfalls hätte er die Klage abweisen müssen.

94

bb) Insoweit besteht Übereinstimmung. Ob der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil in DStR 2016, 219 im Übrigen zustimmen kann, ist im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.

95

cc) Zwar hatte der V. Senat im Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78 (BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362) u.a. entschieden, eine KG könne auch dann nicht unselbständig i.S. von § 2 Abs. 2 UStG sein, wenn ihr persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (vgl. Leitsatz 2). Diese Aussage ist aber durch das BFH-Urteil in DStR 2016, 219 überholt.

96

g) Deshalb kommt auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 FGO in Betracht.

97

Für die Zulässigkeit einer Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung ist Voraussetzung, dass die vorgelegte Rechtsfrage sowohl für die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen will, als auch für die Entscheidung des anrufenden Senats entscheidungserheblich ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262, unter C.I.2., Rz 14; vom 9. Oktober 2014 GrS 1/13, BFHE 247, 291, BStBl II 2015, 345, Rz 29; vom 14. April 2015 GrS 2/12, BFHE 250, 338, BStBl II 2015, 1007, Rz 31; BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, Rz 35).

98

Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage, ob eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann, lediglich Unterschiede in der Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt keine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309, Rz 25; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 35; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 11; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 7).

99

Auch eine Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage setzt deren Entscheidungserheblichkeit voraus (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 105; Gräber/Herbert, a.a.O., § 11 Rz 26, m.w.N.).

100

7. Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, vorliegt, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden.

101

a) Insoweit hat der EuGH im Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) in Rz 44 und 45 ausgeführt:

    

"44 Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet ansässig, rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in Ermangelung weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der Unionsgesetzgeber die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

    

45 Das Vorliegen eines solchen Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann es - wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den Ausnahmefällen gelten, in denen eine solche Bedingung in einem bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme ist."

102

b) Generalanwalt Mengozzi hat in Rz 99 seiner Schlussanträge Larentia + Minerva (EU:C:2015:212, juris), auf die der EuGH Bezug genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:

    

"99. Auch wenn dem vorlegenden Gericht die Prüfung obliegt, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, frage ich mich jedoch, ob eine nationale Maßnahme, die eine solche Intensität der Verbindungen zwischen Personen verlangt, damit sie einen Mehrwertsteuerpflichtigen bilden, nicht über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinausgeht. Abgesehen von besonderen, einem bestimmten Mitgliedstaat eigenen Umständen, die dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren jedoch nicht unterbreitet worden sind, ist allgemein gesehen nämlich schwer zu verstehen, aus welchen Gründen die Verfolgung der genannten Ziele zwingend ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe erfordern sollte, damit die Voraussetzung des Vorliegens enger Beziehungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht erfüllt ist. Auch wenn das Vorliegen eines solchen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe zweifellos eine hinreichende Bedingung für die Erreichung dieser Ziele und die Erfüllung der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie aufgestellten Voraussetzung ist, zweifle ich doch daran, dass sie unbedingt erforderlich ist."

103

Der erkennende Senat hat im gegenwärtigen Verfahrensstadium die nach Rz 45 und 46 der Vorabentscheidung (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) ihm obliegende Prüfung noch nicht vorzunehmen. Es ist unklar, ob diese Prüfung im Streitfall vorgenommen werden muss; denn es fehlen Feststellungen dazu, welche finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften bestehen. Diese Feststellungen sind vorrangig und müssen vom FG im zweiten Rechtsgang zunächst nachgeholt werden.

104

Deshalb muss der Senat nicht entscheiden, ob er der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 (DStR 2016, 226) folgt, für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht (vgl. BFH-Urteil in DStR 2016, 226, unter II.1.c cc, Rz 34 ff.).

105

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012  2 K 189/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten nach der in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 901) weiterhin um die Höhe des Vorsteuerabzugs der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Holding, aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie um das Vorliegen einer Organschaft.

2

Die Klägerin ist eine AG, deren einzige Aktionärin zunächst die X-GmbH & Co. KG war. Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen.

3

Durch eine im Rahmen ihres Börsengangs erfolgte Aktienemission erhöhte die Klägerin ihr Kapital im Jahr 2006 (Streitjahr) von ... € um ... €. Für die Emission entstanden Kosten, die mit Umsatzsteuer in Höhe von 373.347,57 € belastet waren. Nach dem Börsenprospekt beabsichtigte sie, die Klägerin, sich als internationale Anbieterin in der Branche der entgeltlichen Überlassung von Container- und Tankerschiffen zu positionieren.

4

Die sog. Schiffscharter führte die Klägerin nach ihrem Konzept über sog. Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aus, die --u.a. zur Verringerung des Haftungsrisikos-- Eigentümerinnen und Betreiberinnen der Schiffe werden und Fremdkapitalanteile aufnehmen sollten.

5

Die Klägerin war Mehrheitskommanditistin an den jeweiligen Schiffskommanditgesellschaften mit einer Beteiligungsquote von mehr als 99 %. Die weiteren Kommanditisten waren jeweils die X-GmbH & Co. KG sowie der jeweilige Vertragsreeder.

6

Die jeweilige Komplementärin und die Klägerin führten die Geschäfte der Schiffskommanditgesellschaften.

7

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistung eine Vergütung in Höhe von jährlich ... € zzgl. Umsatzsteuer. Die Höhe dieser Vergütung wurde auf der Grundlage der Kosten für die Aktienemission und einer durchschnittlichen betrieblichen Nutzungsdauer eines Seeschiffs von 20 Jahren kalkuliert. Außerdem hatte die Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch.

8

Zur Finanzierung des Erwerbs und des Betriebs des jeweiligen Seeschiffs wurde bei den Schiffskommanditgesellschaften eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die im Wesentlichen durch die Klägerin mittels einer Kapitaleinlage erbracht wurde. Nach den jeweils gleich gestalteten Gesellschaftsverträgen lag der Gesellschaftszweck der operativen Schiffskommanditgesellschaften in der Verwaltung eigenen Vermögens, in dem Erwerb, in dem Betrieb, in der Veräußerung von (bestimmten) Seeschiffen, in dem Abschluss von Charterverträgen und Derivaten sowie in der Vereinbarung aller hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.

9

Im Streitjahr gründete die Klägerin als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solcher Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

10

Die nach dem Konzept vorgesehene Erhöhung der Kapitaleinlage zur Finanzierung des Erwerbs von Seeschiffen belief sich bei den Tochtergesellschaften auf jeweils ... €. Überdies gewährte die Klägerin den Tochtergesellschaften kurzfristige verzinsliche Darlehen zur Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils rund ... €.

11

Die Tochtergesellschaften schlossen die für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab, wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden war.

12

Die Klägerin erhielt für ihre Geschäftsführungsleistungen von den Tochtergesellschaften im Streitjahr ein Entgelt in Höhe von ... € zzgl. Umsatzsteuer. Überdies erhielt sie im Streitjahr für die den Tochtergesellschaften gewährten Darlehen Zinsen in Höhe von ... €, Beteiligungserträge in Höhe von ... € sowie aus Anlagen von Teilen des mit den Aktienemissionen eingeworbenen Kapitals bei Kreditinstituten Zinsen in Höhe von ... €.

13

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Leistungen aus ihrer Geschäftsführungstätigkeit in Höhe von ... € (= ... € Umsatzsteuer) und machte u.a. den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge in Höhe von 373.347,57 € geltend.

14

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 15. Januar 2009 den Vorsteuerabzug. Der Einspruch blieb erfolglos; dabei hob das FA den Umsatzsteuerbescheid auf, weil die Klägerin keine Unternehmerin sei; denn sie greife nicht in die Geschäftsführung ihrer Tochtergesellschaften ein (Einspruchsentscheidung vom 27. August 2010).

15

Nach Durchführung eines Erörterungstermins im Klageverfahren gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin durch die damaligen Vorstände geschäftsführend bei den Tochterkommanditgesellschaften tätig gewesen sei und die Emissionskosten als Berechnungsgrundlage in die Vergütung für die Geschäftsführungstätigkeit eingeflossen seien.

16

Bereits im Klageverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie aufgrund einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft insgesamt wirtschaftlich tätig sei. Die Eingliederungsmerkmale lägen vor. Dass Personengesellschaften nicht Organgesellschaften sein könnten, sei unionsrechts- und verfassungswidrig.

17

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, indem es der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in voller Höhe gewährte. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 255 veröffentlicht.

18

Mit der Revision hat das FA geltend gemacht, die Klägerin sei im Streitjahr zwar Unternehmerin gewesen, die streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien aber wegen ihrer auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und des Haltens von Beteiligungen aufzuteilen. Insbesondere seien auf den Streitfall die Grundsätze des EuGH-Urteils SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08 (EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099) nicht anwendbar, da diese Entscheidung auf --der hier nicht gegebenen Besonderheit-- beruhe, dass die Veräußerung zur Umstrukturierung eines Konzerns erfolgt sei.

19

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12 (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?

2. Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person --nicht aber eine Personengesellschaft-- in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) 'in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist'?

3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?"

20

Der EuGH hat die Fragen mit seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) beantwortet.

21

Nach Ergehen des EuGH-Urteils hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bezüglich der im Streitjahr erfolgten Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften (darauf entfallendes Entgelt: ... €) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichte und zur Steuerpflicht optiere. Sie habe im Oktober 2015 Rechnungen mit offenem Steuerausweis erteilt. Die Option sei wirksam. Das FA hat mitgeteilt, es habe über einen entsprechenden Änderungsantrag der Klägerin noch nicht entschieden.

22

Das FA macht geltend, auch nach der Vorabentscheidung sei ein voller Vorsteuerabzug für die Klägerin nicht zwingend. Insbesondere sei unklar, welchen Umfang die Tätigkeiten einer Holding nach Auffassung des EuGH haben müssten, damit diese eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Mehrwertsteuerrechts ausübe.

23

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den Ausführungen des EuGH zur Organschaft. Das Unionsrecht sei nicht berufbar. Eine Erweiterung der Organschaft auf Personengesellschaften sei dem Gesetzgeber vorbehalten, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Die Vorschrift diene außerdem i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vermeidung missbräuchlicher Praktiken.

24

Das FA trägt hilfsweise vor, es halte eine Vorsteueraufteilung für angemessen, die sich nach der Verwendung des eingeworbenen Kapitals richte. Da die Klägerin 95 % des eingeworbenen Kapitals für den Erwerb von Beteiligungen verwendet habe, seien lediglich 5 % der streitigen Vorsteuerbeträge (= 18.667,38 €) abziehbar.

25

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen für die im Zusammenhang mit der Aktienemission bezogenen Leistungen über den Betrag von 18.667,38 € hinaus geltend macht.

26

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

27

Sie trägt vor, ihr stehe dem Grunde nach der volle Vorsteuerabzug zu. Eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit scheide aus. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Der Vorsteuerabzug sei vielmehr aufgrund von § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG i.V.m. § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vollständig zu gewähren; hinsichtlich der Zinserträge von Kreditinstituten lägen den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Hilfsumsätze vor. Außerdem habe sie, die Klägerin, mittlerweile teilweise zur Steuerpflicht optiert.

28

Bezüglich des Vorliegens einer Organschaft sieht die Klägerin aus "verfahrensökonomischen Gründen" von einer Stellungnahme ab.

29

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist nach Ergehen des EuGH-Urteils gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Es trägt nur zur Organschaft vor.

30

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG könne eine Person, die keine "juristische Person" sei, nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert werden. Der EuGH habe dem Senat die Prüfung aufgegeben, ob der Ausschluss von anderen Personen eine Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung darstelle. Sofern der Senat eine solche Maßnahme verneine, werde mangels direkten Berufungsrechts der Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des Unionsrechts zu prüfen sein, ob es möglich ist, anderen Personen --insbesondere Personengesellschaften-- den Anwendungsbereich der Organschaftsregelung durch Auslegung des Begriffs "juristische Person" zu eröffnen. Nach Auffassung des BMF sei dies nicht möglich; dadurch würden die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.

31

Soweit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ferner für die Annahme einer Organschaft eine Eingliederung und damit ein Verhältnis der Unterordnung voraussetze, sei dies erforderlich und geeignet, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung vorzubeugen. Das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses diene zudem der Rechtssicherheit; es stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Eine anderweitige, unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs der Eingliederung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sei nicht möglich.

Entscheidungsgründe

32

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

33

Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug zu (s. dazu unter 1.). Die Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften und an ein Kreditinstitut sind allerdings vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie steuerfrei sind; es sind keine Hilfsumsätze (s. dazu unter 2.). Außerdem kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind (vgl. unter 3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif.

34

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin als geschäftsleitender Holding der Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde nach zusteht.

35

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, wobei allerdings u.a. bei steuerfreien Umsätzen für die Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG) die Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abziehbar ist.

36

Diese Vorschriften beruhten im Streitjahr auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei Umsätzen für die Seeschifffahrt sind Art. 17 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten (jetzt: Art. 169 Buchst. b i.V.m. Art. 148 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

37

b) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verwenden beabsichtigt.

38

c) Dazu hat der EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) Folgendes entschieden:

    

"1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

   -

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."

39

aa) Der EuGH hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet (Rz 21, 25):

    

"21 Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C-16/00, EU:C:2001:495, Rn. 22, und Portugal Telecom, C-496/11, EU:C:2012:557, Rn. 34).

    

...     

    

25 Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und - wie oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist - insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug. ..."

40

bb) Bezogen auf den Streitfall hat der EuGH ausgeführt (Rz 28 f.): 

    

"28 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind, die aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher müsste die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden, es sei denn, dass nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall dürfte das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

    

29 Somit könnte nur in dem Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die sich aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil anderen Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung sie nicht teilgenommen haben, die für die Kosten dieser Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen werden, wie in der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das bloße Halten ihrer Anteile an diesen Tochtergesellschaften nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Holdinggesellschaften angesehen werden, und die Vorsteuer wäre in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die, die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört."

41

d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht entschieden, dass nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen das Halten der Anteile an den Tochter-KGs Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ist.

42

aa) Die Klägerin ist nach Auffassung des FG (Urteil S. 15 f.), des Senats (Beschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 38) und des EuGH (Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 28) Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt Geschäftsführungsleistungen erbringt. Davon gehen nach einer tatsächlichen Verständigung auch die Klägerin und das FA übereinstimmend aus.

43

bb) Soweit das FA und der Senat im Vorlagebeschluss (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Frage 1 sowie Rz 40 bis 43) nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des Vorsteuerabzugs für möglich gehalten haben, widerspricht dies Rz 28 und 29 des EuGH-Urteils Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901).

44

e) Zwar trifft die Auffassung des FA, der Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu (vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a. vom 21. Februar 2006 C-255/02, EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260; Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, HFR 2013, 851; Italmoda u.a. vom 18. Dezember 2014 C-131/13, EU:C:2014:2455, HFR 2015, 200, Rz 43 ff.).

45

Allerdings hat das FG auf S. 16 f. des Urteils den Streitfall dahingehend gewürdigt, es liege keine missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, unter II.2.a und b, Rz 21 und 23; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271, unter 2., Rz 15).

46

2. Hingegen sind --entgegen der Auffassung des FG-- die Anlagen der Klägerin bei ihren Tochtergesellschaften und Kreditinstituten keine Hilfsumsätze i.S. des § 43 Nr. 3 UStDV.

47

a) Gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung u.a. nähere Bestimmungen darüber treffen, wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 4 UStG) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

48

b) Von dieser Befugnis hat der Verordnungsgeber mit § 43 UStDV Gebrauch gemacht. Danach sind die den folgenden steuerfreien Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind:

    

"3. ... Einlagen bei Kreditinstituten, wenn diese Umsätze als Hilfsumsätze anzusehen sind."

49

Die sich daraus ergebende Erleichterung besteht darin, dass Vorsteuerbeträge, die den in § 43 UStDV genannten Umsätzen zuzurechnen sind, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern voll abziehbar sind (Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 704).

50

c) Unionsrechtliche Grundlage dieser Bestimmung in der UStDV war im Streitjahr Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach --vorbehaltlich der ohnehin bestehenden Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG-- der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen ist, der anhand von Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelt wird. Danach bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. die Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte außer Ansatz. Der Begriff "Hilfsumsatz" in § 43 Nr. 3 UStDV ist deshalb im Interesse einer unionsweit einheitlichen Auslegung (vgl. EuGH-Urteile Nordania Finans und BG Factoring vom 6. März 2008 C-98/07, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 34 f.; NCC Construction Danmark vom 29. Oktober 2009 C-174/08, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 24 ff.) richtlinienkonform entsprechend der Definition in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL) auszulegen.

51

d) Der Zweck des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag, den die Kommission dem Rat am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der es heißt:

    

"Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen."

52

e) Deshalb kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit auch nicht als "Hilfsumsatz" i.S. von Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH-Urteil Régie dauphinoise vom 11. Juli 1996 C-306/94, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 22; NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 30 und 31; s. auch EuGH-Urteil Nordania Finans und BG Factoring, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530, Rz 22, 24 und 26, zu Investitionsgütern, die im Rahmen der laufenden Tätigkeit des Unternehmers --dort steuerpflichtig-- genutzt werden). Die von der Finanzverwaltung in Abschn. 15.18 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (im Streitjahr: Abschn. 210 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) vertretene Auffassung, dass Hilfsumsätze nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft insoweit zu.

53

f) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, es sei gemäß § 43 Nr. 3 UStDV keine Kürzung der Vorsteuer vorzunehmen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

54

aa) Dabei ist das FG zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zwar unterliegen Darlehensumsätze einer Holding nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie entweder eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden oder die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen, ohne jedoch in Bezug auf letztere Hilfsumsätze i.S. des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu sein (vgl. EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom 14. November 2000 C-142/99, EU:C:2000:623, BFH/NV Beilage 2001, 37, Rz 27 ff.). Jedoch fallen die Zinsen, die die Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, weil sie nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an die Tochtergesellschaften darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM vom 29. April 2004 C-77/01, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 65 ff.). Auch die Zinsen, die an die Klägerin als Entgelt für Kapitalanlagen gezahlt wurden, können nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, da sie nicht auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruhen, sondern die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital an die Bank darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 69). Die Klägerin als geschäftsleitende Holding handelte als Unternehmerin, soweit sie Mittel, die sie mit der Kapitalerhöhung eingeworben hatte, auf die genannte Weise einsetzte (vgl. EuGH-Urteil Régie dauphinoise, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772, Rz 17).

55

bb) Auch reicht der Umstand, dass die Hilfsumsätze höher sind als die Umsätze aus der Haupttätigkeit, allein nicht aus, um ihre Einordnung als Hilfsumsätze auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 77), soweit Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht oder nur in sehr geringem Umfang für diese Umsätze verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 76 und 78).

56

cc) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, im Streitfall seien die Anlagen der Klägerin bei Banken und die Darlehensgewährungen an die Tochtergesellschaften Hilfsumsätze, weil sie nicht den Gegenstand des Geschäftes der Klägerin darstellten. Diese Würdigung wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen; die Umsätze sind vielmehr bei der Klägerin schon deshalb keine Hilfsumsätze, weil sie --wie das FA in diesem Zusammenhang zu Recht geltend macht-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zur Haupttätigkeit der Klägerin gehören. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach den Feststellungen auf S. 4 des FG-Urteils u.a. der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze, so dass nicht mehr konkret beurteilt werden muss, in welchem Umfang diese Umsätze für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordern, für die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85, Rz 34). Auf die Frage, ob die Umsätze von Anfang an beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit der Klägerin waren, kommt es nach den Ausführungen unter c und d ebenfalls nicht mehr an.

57

g) Greift mithin § 43 Nr. 3 UStDV nicht zugunsten der Klägerin ein, wird das FG im 2. Rechtsgang zu prüfen haben, inwieweit die rechtzeitig erklärte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2016, 353, Rz 56 f., m.w.N.) Option der Klägerin gemäß § 9 UStG zur Steuerpflicht ihrer an sich gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze wirksam ist und sich auf die bisher festgesetzte Umsatzsteuer und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Vorsteuerabzug auswirkt.

58

3. Außerdem kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin --wie von ihr geltend gemacht-- und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht (s. dazu unter 4. bis 7.). Dies könnte Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin für das Streitjahr festzusetzenden Umsatzsteuer haben.

59

a) Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen; die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a, Rz 21; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17. September 2014 C-7/13, EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 28). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2., Rz 18; vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.a, Rz 24; EuGH-Urteil Skandia America (USA), EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031, Rz 29).

60

b) Ob eine Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften besteht, ist auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, da Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712). Wären der Klägerin die Umsätze und Leistungsbezüge ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, wäre die Umsatzsteuer im Rahmen der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ggf. in anderer Höhe festzusetzen.

61

c) Ob eine Organschaft besteht und weiter dazu führt, dass die Umsatzsteuer höher oder niedriger festzusetzen ist, kann nicht beurteilt werden, da das FG --aus seiner Sicht konsequenterweise-- nicht festgestellt hat, wie hoch die bisher (möglicherweise zu Unrecht) gegenüber den Tochtergesellschaften festgesetzte Umsatzsteuer ist.

62

4. Auch eine GmbH & Co. KG --wie dies auf die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- kann Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein.

63

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

64

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beruhte im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 11 MwStSystRL), wonach es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei steht, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln (sog. Mehrwertsteuergruppe).

65

c) Der EuGH hat zur Auslegung dieser Bestimmungen --für den BFH bindend-- Folgendes entschieden (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2):

    

"2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."

66

d) Zur Beschränkung von Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat der EuGH ausgeführt (vgl. Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 36 bis 43):

    

"36 Was die Antwort anbelangt, die in der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, die jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Irland, C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 36)

    

37 Daher ist erstens festzustellen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf 'juristische Personen' beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die - wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren - keine juristischen Personen sind.

    

38 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine ausdrückliche Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 35), insbesondere nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe sein könnten.

    

39 Deshalb ist zu prüfen, ob der Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die Bildung solcher Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten, es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen Personen sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie auszuschließen.

    

40 Aus der Begründung des Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der Sechsten Richtlinie geführt hat, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37).

        

41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern diese den Zielen der Richtlinie entsprechen, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263, Rn. 38 und 39).

    

42 Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69 eingeführten Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, vor diesem Inkrafttreten gleichwertige sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung durch die Mitgliedstaaten ein Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 70 und 71).

    

43 Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine juristischen Personen sind, von der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist."

67

e) Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz 43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung (vom FA zutreffend als "Prüfungsauftrag" bezeichnet) führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ist.

68

aa) Davon ist der Senat bereits in seinem Vorlagebeschluss ausgegangen (vgl. BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 73 "fernliegend").

69

bb) Dem sind die Kommission und der Generalanwalt gefolgt.

70

Der Generalanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 26. März 2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:212, juris, Rz 73, 74 und 80):

    

"73. Auch wenn die Prüfung dieser Punkte dem vorliegenden Gericht obliegt, ist anzumerken, dass es im Wesentlichen bereits in seiner Vorlageentscheidung klargestellt hat, dass es zum einen keine Verbindung zwischen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgestellten Bedingung, nach der alle Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe Rechtspersönlichkeit besitzen müssen, und der Verfolgung der in Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie genannten Ziele sieht und dass dieses Erfordernis zum anderen dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwiderlaufen könnte, soweit allein aufgrund der Rechtsform bestimmte Unternehmen von der Möglichkeit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden.

74. Ich teile diese Ansicht.

    

80. Wie für das vorlegende Gericht und die Kommission ist jedoch auch für mich nur schwer ersichtlich, inwiefern eine Unterscheidung in Abhängigkeit von der Rechtsform oder dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Rechtspersönlichkeit der Unternehmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sein sollte."

71

cc) Weder das FA noch das BMF sind dieser Beurteilung entgegengetreten.

72

dd) Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf "juristische Personen" missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder –umgehung verhindert werden sollten.

73

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geht im Wesentlichen auf das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 (UStG 1967) zurück. Der Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf enthält lediglich die Aussage, dass das Institut der Organschaft "zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft" beibehalten wird (vgl. BTDrucks zu V/1581, S. 10; BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.2.b aa, Rz 42; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, m.w.N.).

74

In der Gesetzesbegründung zum UStG 1980 heißt es zu § 2 Abs. 1 und 2 UStG nur (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 29): "Die Absätze 1 und 2 stimmen mit § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1973 überein. Artikel 4 Abs. 1 bis 4 der 6. Richtlinie erfordert keine Änderung dieser Vorschriften." Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf folgt nichts anderes (vgl. BTDrucks 8/2827, S. 6, 63 ff.). Allerdings sollen sich bei der Vorbereitung des UStG 1980 sowohl die Finanzverwaltung als auch die Wirtschaft einhellig für die Beibehaltung der Organschaft ausgesprochen haben. Die Organisationsstruktur vieler Unternehmen sei seit langem auf die Organschaft ausgerichtet. Auf Seiten der Finanzverwaltung führe die Organschaft zu einer gewissen Verwaltungsvereinfachung. Der Organkreis werde unter einer Steuernummer geführt und gebe nur eine Umsatzsteuererklärung ab. Der Verzicht auf die Organschaft hätte daher bei Wirtschaft und Verwaltung nicht nur erhebliche Mehrarbeit, sondern auch Kostensteigerungen mit sich gebracht (so Klezath, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1980, 5, 8; vgl. auch Klezath, DStZ 1986, 112, 114).

75

Selbst wenn man deshalb davon ausgeht, die "Verwaltungsvereinfachung" sei "auch" das Motiv des Gesetzgebers gewesen, die Rechtsfigur der Organschaft im UStG 1980 beizubehalten (so Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 784), ergibt sich daraus nichts für die hier zu prüfende Frage. Dieses Ziel der "Verwaltungsvereinfachung" findet sich zwar (neben dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen) ebenfalls in der Begründung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Rz 40). Es kann aber die Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht rechtfertigen; vielmehr kommt es insofern --allein-- darauf an, ob diese Beschränkung eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung ist (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015, 496, HFR 2015, 901, Leitsatz 2 und Rz 43).

76

5. Allerdings entfaltet Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG keine unmittelbare Wirkung und ist deshalb auch nicht berufbar (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsatz 3).

77

6. Ausgehend davon hat der Senat im Streitfall zu prüfen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff "juristische Peron" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften umfasst (EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901, Leitsätze 2 und 3; vgl. auch Rz 114 der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi, EU:C:2015:212, juris).

78

Dies ist jedenfalls für eine GmbH & Co. KG --wie dies für die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft-- zu bejahen.

79

a) Die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG möglich ist, wird in der Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet (bejahend z.B. Diemer, Der Betrieb 2015, 1748; Korn, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung 2015, 39; Nieskens, Betriebs-Berater 2015, 2074, 2076; Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 43/2015, Anm. 6, unter C. a.E.; wohl auch Hummel, Umsatzsteuer-Rundschau 2015, 671, 680; Streit/ Rust, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2015, 2097, 2099 f.; tendenziell verneinend Eggers, Neue Wirtschafts-Briefe 2015, 2566, 2574; Eggers/Korf, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 710, 718; Grünwald, MwStR 2015, 587, 588; offen Birkenfeld, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 757, 758; Hartman, Die Steuerberatung 2016, 18). Das beigetretene BMF hält eine richtlinienkonforme Auslegung nicht für möglich.

80

b) Für die vorzunehmende Prüfung, ob eine richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift möglich ist, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgende Grundsätze:

81

aa) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht (BVerfG-Beschluss vom 8. April 1987  2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, unter B.2.c cc, Rz 45). Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen; mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden i.S. eines Optimierungsgebotes (BVerfG-Beschluss vom 26. September 2011  2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, BVerfGK 19, 89, unter B.II.1.b, Rz 46). Auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung steht dem nationalen Richter zu, und zwar auch im Steuerrecht (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Dezember 1992  1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327, unter II.1., Rz 7; vom 16. Februar 2012  1 BvR 127/10, HFR 2012, 545, unter IV.1.a, Rz 23 f.; vom 17. September 2013  1 BvR 1928/12, HFR 2013, 1156, unter IV.1.a, Rz 33).

82

bb) Eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG.

83

Denn steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet --wie hier dem Zivilrecht-- entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren; es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc, Rz 11, m.w.N.; BFH-Urteil vom 29. Januar 2015 V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl II 2015, 567, Rz 36).

84

cc) Im Übrigen gibt es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs "juristische Person".

85

So hat das BVerfG für Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) anerkannt, dass "juristische Personen" i.S. dieser Vorschrift auch Personengesellschaften sein können (ständige Rechtsprechung seit dem BVerfG-Urteil vom 20. Juli 1954  1 BvR 114/54, BVerfGE 4, 7, unter C.3.b, Rz 15 f.; vgl. BVerfG-Urteil vom 29. Juli 1959  1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, unter C.I., Rz 40; BVerfG-Beschlüsse vom 11. Oktober 1966  2 BvR 477/64 u.a., BVerfGE 20, 257, unter B.I.2., Rz 27; vom 18. Oktober 1966  2 BvR 386/63, 2 BvR 478/63, BVerfGE 20, 283, unter B.II.2., Rz 47; vom 4. Dezember 1979  2 BvR 64/78, 2 BvR 460/79, BVerfGE 53, 1, unter B.I.1., Rz 55; s. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 1103/02, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3533, unter 2.a, Rz 6).

86

Im BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000  1 BvR 539/96 (BVerfGE 102, 197, unter C.I., Rz 63) führt das BVerfG in Bezug auf zwei GmbH & Co. KGs (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 102, 197, unter A.II., Rz 5) sogar ausdrücklich aus, bei einem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff sei das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf "juristische Personen des Privatrechts" anwendbar. Danach ist eine GmbH & Co. KG eine juristische Person i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG.

87

Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) davon aus, dass "juristische Personen" (dort: i.S. des § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut "juristische Person" dieser Auslegung nicht entgegen steht (vgl. BVerwG-Urteil vom 1. Oktober 2015  7 C 8.14, Deutsches Verwaltungsblatt 2016, 188, unter 1.a bb(1), Rz 23).

88

c) Bezogen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG hat Generalanwalt Mengozzi in Rz 115 seiner Schlussanträge (EU:C:2015:212, juris) angemerkt, die Kommission habe in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass das FG München (Urteil vom 13. März 2013  3 K 235/10, EFG 2013, 1434) mit der Feststellung, dass "kapitalistisch strukturierte" Personengesellschaften --wie die Tochtergesellschaften der Klägerinnen in den Ausgangsverfahren-- in den persönlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG fallen könnten, den Versuch einer solchen mit dem Unionsrecht vereinbaren Auslegung unternommen habe.

89

d) Der Senat folgt mit Blick auf das Unionsrecht --insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsformneutralität (vgl. dazu Vorlagebeschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428, Rz 74 und 75)-- der (offenbar sowohl von der Kommission als auch vom Generalanwalt unterstützten) Auffassung des FG München.

90

Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur" (Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44; vgl. auch Stadie in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 840). In der Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen; der Sache nach wird sie jedoch eher als GmbH gewertet Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.). Steuerrechtlich sind die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175). Die GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der §§ 264a ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) weitgehend denselben Regeln der Rechnungspublizität und Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische Person unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München in EFG 2013, 1434, Rz 44).

91

e) Deshalb kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" (jedenfalls) auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

92

f) Die Auffassung des Senats, dass auch eine GmbH & Co. KG als "juristische Person" i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist, weicht zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (DStR 2016, 219) ab.

93

aa) Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies setzt zwar nach Auffassung des V. Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG --um die es auch im dortigen Verfahren ging-- Organgesellschaft sein kann (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung sowie die Entscheidungsgründe unter II.4., Rz 60). Andernfalls hätte er die Klage abweisen müssen.

94

bb) Insoweit besteht Übereinstimmung. Ob der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil in DStR 2016, 219 im Übrigen zustimmen kann, ist im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.

95

cc) Zwar hatte der V. Senat im Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78 (BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362) u.a. entschieden, eine KG könne auch dann nicht unselbständig i.S. von § 2 Abs. 2 UStG sein, wenn ihr persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (vgl. Leitsatz 2). Diese Aussage ist aber durch das BFH-Urteil in DStR 2016, 219 überholt.

96

g) Deshalb kommt auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 FGO in Betracht.

97

Für die Zulässigkeit einer Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung ist Voraussetzung, dass die vorgelegte Rechtsfrage sowohl für die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen will, als auch für die Entscheidung des anrufenden Senats entscheidungserheblich ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262, unter C.I.2., Rz 14; vom 9. Oktober 2014 GrS 1/13, BFHE 247, 291, BStBl II 2015, 345, Rz 29; vom 14. April 2015 GrS 2/12, BFHE 250, 338, BStBl II 2015, 1007, Rz 31; BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, Rz 35).

98

Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage, ob eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann, lediglich Unterschiede in der Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt keine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309, Rz 25; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 35; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 11; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 7).

99

Auch eine Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage setzt deren Entscheidungserheblichkeit voraus (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 105; Gräber/Herbert, a.a.O., § 11 Rz 26, m.w.N.).

100

7. Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, vorliegt, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden.

101

a) Insoweit hat der EuGH im Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) in Rz 44 und 45 ausgeführt:

    

"44 Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet ansässig, rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in Ermangelung weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der Unionsgesetzgeber die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

    

45 Das Vorliegen eines solchen Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann es - wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den Ausnahmefällen gelten, in denen eine solche Bedingung in einem bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme ist."

102

b) Generalanwalt Mengozzi hat in Rz 99 seiner Schlussanträge Larentia + Minerva (EU:C:2015:212, juris), auf die der EuGH Bezug genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:

    

"99. Auch wenn dem vorlegenden Gericht die Prüfung obliegt, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, frage ich mich jedoch, ob eine nationale Maßnahme, die eine solche Intensität der Verbindungen zwischen Personen verlangt, damit sie einen Mehrwertsteuerpflichtigen bilden, nicht über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinausgeht. Abgesehen von besonderen, einem bestimmten Mitgliedstaat eigenen Umständen, die dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren jedoch nicht unterbreitet worden sind, ist allgemein gesehen nämlich schwer zu verstehen, aus welchen Gründen die Verfolgung der genannten Ziele zwingend ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe erfordern sollte, damit die Voraussetzung des Vorliegens enger Beziehungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht erfüllt ist. Auch wenn das Vorliegen eines solchen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe zweifellos eine hinreichende Bedingung für die Erreichung dieser Ziele und die Erfüllung der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie aufgestellten Voraussetzung ist, zweifle ich doch daran, dass sie unbedingt erforderlich ist."

103

Der erkennende Senat hat im gegenwärtigen Verfahrensstadium die nach Rz 45 und 46 der Vorabentscheidung (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901) ihm obliegende Prüfung noch nicht vorzunehmen. Es ist unklar, ob diese Prüfung im Streitfall vorgenommen werden muss; denn es fehlen Feststellungen dazu, welche finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften bestehen. Diese Feststellungen sind vorrangig und müssen vom FG im zweiten Rechtsgang zunächst nachgeholt werden.

104

Deshalb muss der Senat nicht entscheiden, ob er der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 (DStR 2016, 226) folgt, für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht (vgl. BFH-Urteil in DStR 2016, 226, unter II.1.c cc, Rz 34 ff.).

105

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.