Finanzgericht Hamburg Beschluss, 13. Aug. 2018 - 2 V 216/17

bei uns veröffentlicht am13.08.2018

Tatbestand

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I. Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Hinzuschätzungsbescheide nach durchgeführter Außenprüfung.

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Die Antragstellerin betrieb in den Streitjahren 2011 bis 2015 einen Döner-Imbiss nebst Kiosk in der X-Straße, Hamburg, .... Zum 8. November 2012 übernahm sie zudem eine Verkaufsfläche am Y-Platz in Hamburg. Im Imbiss wurden vornehmlich Dönerprodukte und Getränke verkauft. In den als Kiosk ausgestalteten Flächen bot sie Backwaren, Kaffee und andere Getränke, Zigaretten und Tageszeitungen an. Ihren Gewinn ermittelte sie gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mittels Betriebsvermögensvergleiches.

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Ihre Waren bezog die Antragstellerin zum großen Teil bei der A GmbH (A). Dabei handelte es sich vor allen um Dönerspieße (Kalb- und Geflügelfleisch), Wurstwaren, Verpackungen sowie Getränke. Im Rahmen einer bei A durchgeführten Steuerfahndungsprüfung und Durchsuchungsmaßnahmen bei der Antragstellerin gelangte die Steuerfahndung B im Bericht über die steuerlichen Feststellungen sowie dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht zu folgenden Feststellungen:

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Den bei A ausgelesenen Protokolldateien des Warenwirtschaftssystems, welche vom 3. September 2010 bis zum 31. Juli 2011 vollständig sowie in der Folgezeit bis zum 31. Oktober 2013 zumindest fragmentarisch vorlägen, könne entnommen werden, dass A der Antragstellerin die teilweise Verschleierung ihres Wareneinkauf, mithin eine sogenannte Doppelverkürzung (verkürzte Erfassung der Betriebseinnahmen als auch der Betriebsausgaben) ermöglicht habe. A habe die auf die Kundennummer der Antragstellerin XXX-1 gebuchten Bestellungen später zu einem nicht unerheblichen Teil auf das Konto Lager- bzw. Barverkauf (Kto. XXX-2 bzw. Kto. XXX-3) umgebucht. Ziel sei es gewesen, die Antragstellerin nicht mehr als Empfängerin der tatsächlich gelieferten Waren identifizierbar zu machen. Für den Zeitraum mit vollständigem Datenmaterial habe die Umbuchung 34 % des tatsächlichen Wareneinkaufs betragen. Für den Zeitraum lediglich fragmentarischer Umbuchungsdaten habe man zudem anhand sichergestellter Bestelllisten, Lieferscheinen mit Barzahlung sowie Ermittlung bestimmter Produkte, welche ausschließlich die Antragstellerin von A bezogen habe (z. B. Dönerspieße bestimmter Größe und Würzung, bestimmte Kaffeesorten) weitere unter dem Kto. XXX-2 (Lagerverkauf) gebuchte Warenlieferungen der Antragstellerin zuordnen können. Ab August 2012 erfasse das Kto. XXX-1 zudem keine Wareneinkäufe für das Wochenende. Dies entspreche nicht den aufgefundenen Warenbestellungen und Lieferscheinen. Die Antragstellerin habe laut sichergestellter Lieferscheine üblicherweise 450 kg Dönerfleisch am Wochenende erhalten. Die Auswertung des bei der Antragstellerin sichergestellten Videomaterials für den Oktober 2013 zeige zudem, dass sowohl im Imbiss- als auch im Kioskbereich viele Verkaufsvorgänge nicht mit dem Kassensystem erfasst worden seien. Das Finanzamt B schätzte daraufhin die nicht erklärten Betriebseinnahmen bzw. die nicht abgeführte Umsatzsteuer (bezüglich der Einzelheiten wird auf den Bericht über die steuerlichen Feststellungen vom 26. März 2015 und den Ermittlungsbericht vom 26. Oktober 2016 verwiesen).

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Auf Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse erließ der Antragsgegner am 12. Juni 2015 bzw. 14. Juli 2015 zunächst (geänderte) Bescheide unter anderem über die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2011 bis 2013. Gegen diese Bescheide richtete sich die Antragstellerin mit Einspruch vom 17. Juli 2015 und begehrte zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV), welche mit Bescheiden vom 15. Juli 2015 bzw. 21. Juli 2015 gewährt wurde. Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden. Für die Jahre 2012 und 2013 reichte die Antragstellerin in der Folgezeit Steuererklärungen ein, welche der Antragsgegner im laufenden Einspruchsverfahren am 18. Januar 2017 wie erklärt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagte. Ebenso verfuhr er mit den erstmals für die Jahre 2014 und 2015 eingereichten Steuererklärungen. Entsprechende (geänderte) Bescheide ergingen ebenfalls am 18. Januar 2017 bzw. 24. Januar 2017 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

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Der Antragsgegner führte sodann bei der Antragstellerin für die Streitjahre eine Außenprüfung sowie für 2014 bis April 2016 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der Betriebsprüfer gelangte in seinem Bericht vom 27. Juni 2017 zu folgenden Prüfungsfeststellungen:

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Wegen formeller Mängel und weiterer Beweisanzeichen, die sich aus den strafrechtlichen Ermittlungen bei A und der Antragstellerin selbst ergäben, seien die Buchführung vollständig zu verwerfen und die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

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Mindestens seit dem 10. September 2012 nutze die Antragstellerin ein PC-Kassensystem vom Typ C. Dieses System ermögliche die Aufzeichnung von Einzelumsätzen. Diese hätten jedoch nur für den Zeitraum vom 8. März 2013 bis zum 30. Oktober 2013 auf dem von der Steuerfahndung sichergestellten zusätzlichen PC der Antragstellerin sowie erst wieder ab dem 23. September 2014 für die Filiale X-Straße vorgelegen. Einzeldaten für die Filiale Y-Markt fehlten vollständig. Zudem seien für den gesamten Prüfungszeitraum die Programmierungsunterlagen für die eingesetzten Kassensysteme nicht vorgelegt worden. Lediglich auf den 31. Dezember 2012 sei eine Inventur durchgeführt worden. Nicht stichhaltig seien auch die vorgelegten Unterlagen zu den entsorgten Mengen Dönerfleisch und Backwaren.

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Ferner ergebe sich aus den bei A sichergestellten Daten des Warenwirtschaftssystems zumindest für die Zeiträume 2011 bis 2013, dass A der Antragstellerin die Möglichkeit geboten hätte, durch Umbuchungen von Bestellungen und Ausweis als Lager- oder Barverkauf die tatsächliche Höhe ihre Einkäufe zu verschleiern und eine Doppelverkürzung vorzunehmen. Zudem zeigten die für Oktober 2013 vorliegenden Videoaufzeichnungen der Geschäftsräume der Antragstellerin, dass bei weitem nicht alle Verkaufsvorgänge im Kassensystem erfasst worden seien.

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Zur Schätzung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nahm der Prüfer eine Nachkalkulation des Wareneinsatzes vor und berechnete die daraus erzielbaren Erlöse (Ausbeutekalkulation).

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Für die Dönerprodukte kalkulierte der Prüfer in einem ersten Schritt den Wareneinsatz anhand des von der Antragstellerin selbst erklärten Wareneinkaufs sowie den von der Steuerfahndung B bei A ermittelten Umbuchungsvorgängen das Kundenkonto der Antragstellerin betreffend. Für 2012 erhöhte er die so ermittelte Fleischmenge um weitere 3.000 kg auf 109.058 kg vor dem Hintergrund, dass die bei A sichergestellten Daten für 2012 nur fragmentarisch seien und verschleierte Einkäufe nur bis zum 3. Oktober 2012 zeigten. Für 2013 schätzte er aufgrund sichergestellter Bestelllisten und Lieferscheine für 42 Wochenenden Lieferungen von je 420 kg hinzu, die in der Buchführung der Antragstellerin bisher nicht erfasst worden seien. Zudem nahm er Anpassungen der seiner Ansicht nach zu gering erklärten Bestellmengen für November und Dezember 2013 anhand der Vergleichswerte für andere Prüfungsjahre vor und erhöhte diese Menge noch einmal um 3.000 kg auf 108.729 kg. Für 2014 erhöhte er den erklärten Wareneinsatz im Rahmen eines Vergleiches mit den Jahren 2011 bis 2013 sowie 2015. Für 2015 setzt er allein den erklärten Wareneinsatz an. Im Rahmen der Ausbeutekalkulation ging er von einem Abschlag für Garverluste, Schwund und Eigenverbrauch von 38 % und einer Portionsgröße von 180 g aus. Die Anzahl der so gefundenen verkauften Portionen multiplizierte er mit einem durch Auswertung von Kasseneinzeldaten gefundenen gewichteten durchschnittlichen Verkaufspreisen der unterschiedlichen Dönerprodukte.

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Hinsichtlich der 2014 verkauften Hähnchen nahm er ebenfalls eine Ausbeutekalkulation vor. Schwund setzte er i. H. v. 15 % an. Hinsichtlich der sonstigen Speisen ging er aufgrund von Einzelnachweisen für zwei Tage aus dem Jahr 2013 von einem durchschnittlichen Erlös pro Jahr i. H. v. ... € aus und erhöhte diesen unter Annahme eines Schwarzeinkaufs auf ... €. Für 2013 bis 2015 ging er von jährlichen Umsatzsteigerungen von 10 % aus.

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Bei den Backwaren erhöhte er den Wareneinsatz ebenfalls um die bei A umgebuchten Einkäufe. Anhand der Einkaufs- und Verkaufspreise ermittelte er einen Rohgewinnaufschlagssatz (RGAS) von 143 % und nahm einen Verkauf von 95 % der eingesetzten Ware an.

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Hinsichtlich der Kalkulation von Kaffee und sonstigen Getränken erhöhte er den Wareneinsatz ebenfalls um die Umbuchungsvorgänge bei A sowie bei Kaffee aufgrund Erklärungen der Firma E zu der von der Antragstellerin dort bezogenen Warenmenge. Anhand der selbst erklärten Wareneinkäufe schätzte er zudem nach Ermittlung entsprechender RGAS Erlöse aus dem Verkauf von Tabak und Presseartikeln.

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Allgemein berücksichtigte der Prüfer den kalkulierten nicht erklärten Wareneinkauf mit seinem Bruttowert als Einlage in das Betriebsvermögen der Antragstellerin. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht der Betriebsprüfung vom 20. Juni 2017 insbesondere Anlage 4 verwiesen.

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Insgesamt ermittelte der Prüfer folgende Erlöse zum ermäßigten und zum Regelsteuersatz, mehr Entnahmen und Einlagen sowie folgende Gewinne aus Gewerbebetrieb:

...

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Der Antragsgegner setzte die Erkenntnisse der Betriebsprüfung wie folgt um: Bereits am 13. April 2017 erließ er auf Grundlage eines Berichtsentwurfs geänderte Bescheide für die Streitjahre über Einkommensteuer, den Gewerbesteuermessbetrag sowie für 2012 bis 2015 auch über Umsatzsteuer. Gegen diese Bescheide richtete sich die Antragstellerin mit - teilweise erneutem - Einspruch und beantragte die AdV. Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 wies der Antragsgegner den Antrag auf AdV zurück. Nach Übermittlung des Schlussberichtes am 30. Juni 2017 und eines Schreibens zur geplanten Verböserung der Bescheide im Einspruchsverfahren erließ der Antragsgegner am 12. Juli 2017 erneut geänderte Bescheide für die Jahre 2012 bis 2015 mit dem Hinweis, dass diese nunmehr Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens seien. Einen erneuten Antrag auf AdV stellte die Antragstellerin nicht. Am 11. August 2017 widerrief der Antragsgegner die bezüglich der Bescheide für 2011 vom 12. Juni 2015 bzw. 14. Juli 2015 gewährte AdV. Am 4. September 2017 folgten geänderte Bescheide für 2011. Im Einzelnen ergeben sich folgende Steuerfestsetzungen mit Mehrsteuern auf Grundlage der Schätzung in Höhe von insgesamt ... €:

...

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Am 21. Juli 2017 hat die Antragstellerin einen Antrag auf AdV hinsichtlich der Bescheide für 2012 bis 2015 über Einkommensteuer, Umsatzsteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag vom 12. Juli 2017 bei Gericht gestellt (Az. 2 V 216/17). Am 18. August 2017 folgte ein entsprechender Antrag hinsichtlich der Änderungsbescheide für 2011 vom 12. Juni 2015 bzw. 14. Juli 2015 (Az. 2 V 242/17). Dieses Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom 6. September mit dem Verfahren 2 V 216/17 verbunden.

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Ihren Antrag begründet die Antragstellerin im Wesentlichen wie folgt:

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Die Änderungsbescheide seien rechtswidrig. Weder bestehe eine Schätzungsbefugnis, noch sei die Höhe der Schätzung nachvollziehbar. Die Buchführung sei weder aufgrund formeller Mängel noch anderer Beweisanzeichen zu verwerfen.

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Ihren Einzelaufzeichnungspflichten sei sie nachgekommen. Erst im September 2012 habe sie überhaupt PC-Kassen angeschafft. Eine Software zur Speicherung der möglichen Einzelaufzeichnungen sei jedoch herstellerseits erst ab Juli 2014 vorhanden gewesen und ab September 2014 bis einschließlich 2015 genutzt worden. Entsprechende Aufzeichnungen lägen dem Antragsgegner vor. Ab März 2013 bis zur Beschlagnahme am 30. Oktober 2013 seien Einzelaufzeichnungen mithilfe eines Servers für die Kasse und die Kassenmanagement-Software "xxx" geführt worden. Den Server habe man allerdings bis heute nicht zurückerhalten. Da sie Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter Personen verkaufe, sei ihr im Sinn der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Führen von Einzelaufzeichnungen nicht zumutbar gewesen. Dies gelte auch für die Registrierkasse am Y-Platz, welche nicht auf Einzelaufzeichnungen umgerüstet worden sei, weil der Abriss dieser Betriebsstätte gedroht habe.

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Ihren Dokumentationspflichten hinsichtlich der Programmierung der PC-Kassen sei sie nachgekommen. Ursprüngliche Protokolle seien zwar nicht mehr vorhanden. Diese seien aber rekonstruiert und eingereicht worden. Gleiches ergebe sich aus den eidesstattlichen Versicherungen des J.

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Die nicht durchgeführten Inventuren - mit Ausnahme des Jahres 2012 - seien zwar ein materieller Mangel. Zu einer Schätzung berechtige dieser aber nicht, da die Unrichtigkeit des Warenbestandes in keiner Wechselwirkung mit der Vollständigkeit der Erfassung der Betriebseinnahmen stehe.

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Weitere Beweisanzeichen für die Mangelhaftigkeit der Buchführung gebe es nicht. Eine Doppelverkürzung liege nicht vor. Sie, die Antragstellerin, habe ihren Wareneinsatz ordnungsmäßig verbucht und in den Streitjahren erhebliche Gewinne erklärt und versteuert. Soweit sich der Antragsgegner auf die Videoaufzeichnung der Überwachungskameras beziehe, seien ihr diese bis heute nicht zugänglich gemacht worden. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt. Vielmehr belegten die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen der damaligen Mitarbeiter, dass immer alle Speisen und Getränke mit der Kasse erfasst worden seien. Im Übrigen lägen Videoaufzeichnungen nur für Oktober 2013 vor und berechtigten allenfalls zur Schätzung für diesen Monat.

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Auch aus den behaupteten Umbuchungsvorgängen bei A könne der Antragsgegner keine Schätzungsbefugnis herleiten. Ein verschleierter Einkauf habe nicht stattgefunden. Der Antragsgegner stütze sich nahezu ausschließlich auf Protokolldateien der A, die mangels detaillierter Darlegung der Auswertungsvorgänge nicht hätten geprüft werden können. Tatsachenfeststellungen oder Beweise für die behaupteten Vorgänge lägen nicht vor. Für eine Zurechnung von Bestellvorgängen zu ihr, der Antragstellerin, wäre darzulegen, wer die Bestellung vorgenommen, wer sie entgegengenommen und bar bezahlt habe und generell wer mit wem welche Absprachen getroffen habe. Im Übrigen habe es keine Barzahlungen gegeben. Auch sei A nicht gebeten worden, entsprechende Umbuchungsvorgänge vorzunehmen.

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Die von ihr geführten Aufzeichnungen über die Entsorgung von Fleischabfällen durch A seien vollständig und plausibel. Auch an Wochenenden sei Fleisch entsorgt worden, sodass am Montag kein zusätzlicher Abfall entstanden sei. Allein aus Nachlässigkeit einzelner Mitarbeiter möge an einzelnen Tagen dies nicht verzeichnet worden sein.

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Im Übrigen habe der Antragsgegner nicht dargetan, wie er die einzelnen angeblichen Mängel, die teilweise zeitlich begrenzt vorlägen, gewichte und daraus eine volle Schätzungsbefugnis für alle Streitjahre abgeleitet.

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Die Schätzung sei auch der Höhe nach rechtswidrig. Die geschätzten zusätzlichen Gewinne von durchschnittlich rund ... € pro Jahr seien nicht plausibel und wirtschaftlich nicht möglich.

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Die Nachkalkulation hinsichtlich eines nicht erklärten Einkaufs aufgrund der Umbuchungsvorgänge bei A sei weder nachvollziehbar noch prüffähig. Nicht gebuchte Einkäufe habe sie, die Antragstellerin, nicht vorgenommen. Eine vollständige Dokumentation liege nur bis zum 1. August 2011 vor. Für die Folgezeit stütze sich die Schätzung auf Vermutungen. Der Antragsgegner habe nicht im ausreichenden Maße dargelegt, welche Waren aufgrund welcher Tatsachengrundlage nach welchen Kriterien dem Kto. XXX-1 im Einzelnen zugerechnet worden seien. Vorgelegt habe er nur eine Anlage. Dabei handele es sich um eine Excel-Liste und nicht um die Rohdaten. Allein die Excel-Tabelle exemplarisch zur Warengruppe Dönerfleisch 2011 umfasse bereits 28 Seiten. Da die Nachkalkulation des Wareneinsatzes gerade bei Dönerfleisch von erheblicher Bedeutung sei, dürfe der Antragsgegner die Kalkulationsgrundlagen nicht nur auszugsweise vorlegen.

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Zudem habe der Antragsgegner die Zuordnung der als Lager- oder Barverkauf erfassten Vorgänge bei A zu ihr, der Antragstellerin, aufgrund fehlerhafter Parameter vorgenommen. Die Feststellung, lediglich sie habe Dönerfleisch in der Größe von 50 kg pro Spieß bezogen, als einzige die besondere Gewürzvariante ... erhalten und als einzige bestimmte Kaffeesorten bezogen, werde mit Nichtwissen bestritten. Diese Waren könnten von A auch ab Lager an nicht mehr zu benennende Dritte veräußert worden seien. Überdies habe der Antragsgegner, habe er ihr einmal ein Produkt zuordnen können, fehlerhaft alle Produkte mit der gleichen Rechnungsnummer ihr, der Antragstellerin, zugerechnet.

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Für 2011 habe der Prüfer schon keinerlei Berechnungsgrundlagen für die Hinzuschätzung des Wareneinsatzes genannt. Der für 2012 vom Prüfer angeführte Hinweis auf "doppelten Schwarzkauf" sei unzutreffend. Der Prüfer selbst werte das gefundene Ergebnis als unwahrscheinlich. Völlig ohne Begründung schätze er weitere 3.000 kg Dönerfleisch hinzu. Für 2013 gelange der Prüfer selbst zur Erkenntnis, dass auf die Daten der A wegen nur vier verzeichneten Umbuchungsvorgängen nicht zurückgegriffen werden könne. Er selbst liefere damit den Nachweis für die Fehlerhaftigkeit der ausgewählten Schätzungsmethode. Fälschlich stelle er zudem auf nicht erfasste Warenlieferungen an den Wochenenden ab. Sie, die Antragstellerin, verfüge über zwei Kühltruhen mit einem Fassungsvermögen für insgesamt 540 kg Dönerfleisch, mithin für eine Menge, die oberhalb des geschätzten Wochenendverbrauchs liege. Für 2014 bestehe kein Raum für eine Hinzuschätzung des Wareneinsatzes. Es lägen überhaupt keine Aufzeichnungen der A vor. Auch die sichergestellten Videoaufzeichnungen beträfen lediglich das Jahr 2013. Der vom Prüfer gewählte Zeitreihenvergleich sei nach Rechtsprechung des BFH bereits nicht geeignet, eine Unvollständigkeit der Buchhaltung und eine Schätzungsbefugnis zu begründen. Die Schätzung sei nicht plausibel. Der Prüfer könne nicht auf die eigenen Schätzwerte für Vorjahre rekurrieren.

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Auch die Schätzung mit Bezug auf die seit 2014 verkauften Hähnchen sei weder nachvollziehbar noch prüffähig. Eine Doppelverkürzung habe nicht vorgelegen. Zudem sei ein Schwund von ca. 20 % bis 30 % zu berücksichtigen. Dies ergebe sich auch aus der geführten Schwundliste. Zur Bindung von Kunden für das neue Produkt habe der Grill immer voll sein müssen. Nicht verkauftes Hähnchenfleisch sei auch nicht in Hähnchendönern verarbeitet worden.

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Die Kalkulation hinsichtlich der sonstigen Speisen sei ebenfalls fehlerhaft. Sie erfolge lediglich auf Grundlage von Kasseneinzeldaten für zwei Tage im Jahr 2013. Eine Hochrechnung auf Grundlage dieser punktuellen Ereignisse müsse zwangsläufig zum falschen Ergebnis führen. Ähnlich fehlerhaft habe der Prüfer bei Getränken, Kaffee und Backwaren kalkuliert. Der angenommene Schwarzeinkauf habe nicht vorgelegen. Der RGAS bei Getränken sei falsch ermittelt worden, da keinerlei Schwund angesetzt worden sei. Brötchen seien ausschließlich mit Belag veräußert worden. Der Wareneinsatz für den Aufschnitt betrage zwischen ... € (Salami) sowie ... € (Mozzarella).

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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Bescheide für 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 vom 12. Juli 2017 bzw. 4. September 2017 über Einkommensteuer, Umsatzsteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag auszusetzen.

35

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen, soweit eine Aussetzung von mehr als ... € begehrt wird,
hilfsweise
die Aussetzung der Vollziehung von einer werthaltigen Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

36

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden über die genannte Höhe hinaus nicht. Insoweit nimmt der Antragsgegner auf den Bericht der Steuerfahndung B vom 26. März 2015 sowie den Betriebsprüfungsbericht vom 27. Juni 2017, insbesondere auf Anlage 4 mit weiteren Anlagen zur Darlegung der Schätzung, Bezug.

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Wegen zahlreicher Mängel in der Buchführung habe eine Schätzungsbefugnis bestanden.

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Für die Jahre 2011 bis 2014 sei die Kassenbuchführung mangels Erfüllung der Einzelaufzeichnungspflichten mangelhaft. Nach der vorgelegten Bedienungsanleitung erfasse das eingesetzte Kassenmodell jeden einzelnen Umsatz. Lediglich für die Erfassung im GDPdU-Format bzw. GoBD-Format benötige der Nutzer ein zusätzliches Programm. Die einmal ermittelten Einzeldaten würden jedoch überschrieben, sobald der Kassenspeicher voll sei. Der Antragstellerin sei vorzuwerfen, die einmal mithilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellten Einzelaufzeichnungen nicht gemäß § 147 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) aufbewahrt zu haben. Auf Unzumutbarkeit könne sich die Antragstellerin nicht berufen, da sie zumindest ab dem 10. September 2012 über eine PC-Kasse verfügt habe.

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Für alle Streitjahre fehle es an Programmierungsunterlagen für die Kassensysteme. Originale Einrichtungsprotokolle lägen schon nicht vor. Soweit Rekonstruktionen eingereicht worden seien, handele es sich um Bildschirmausdrucke ohne Beweiswert. Die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen seien zudem unglaubhaft.

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Mit Ausnahme von 2012 fehle es an einer Inventur. Die Aufzeichnungen zu den entsorgten Abfällen seien lückenhaft.

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Aufgrund der ausgewerteten Videoüberwachung der Räumlichkeiten der Antragstellerin für Oktober 2013 bestünden weitere Beweisanzeichen dafür, dass die Buchführung der Klägerin nicht ordnungsgemäß sei. Bei stichprobenhafter Auswertung von drei Tagen (5., 15. und 30. Oktober 2013) seien bei Abgleich mit der Kasse 361, 323 bzw. 301 Verkaufsvorgänge mit Mehrumsätzen von ... €, ... € bzw. ... € nicht erfasst worden. Die eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter seien unglaubhaft. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass auch vor und nach Oktober 2013 so verfahren worden sei.

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Die Doppelverkürzung mithilfe der Umbuchungen bei A sei hinreichend nachgewiesen. Bestellungen seien unter Angabe der Kundennummer XXX-1 in das Warenwirtschaftssystem eingepflegt und nach Ausführung der Lieferung teilweise auf die Konten für Lager- oder Barverkauf (Nr. XXX-3 oder XXX-2) umgebucht worden. Dies habe einzig dem Zweck gedient, eine Nachverfolgung der Einkäufe von A zur Antragstellerin unmöglich zu machen. Ausweislich der sichergestellten Aufzeichnungen habe die Antragstellerin Lieferungen auch bar beglichen. Auch sei die Antragstellerin an Wochenenden beliefert worden, wie Videoaufzeichnungen und sichergestellte Lieferscheine belegten. Die angenommene Doppelverkürzung liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor.

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Die Schätzung sei auch der Höhe nach gerechtfertigt. Seien die hinzugeschätzten Umsätze und Gewinne zwar erheblich, entsprächen sie jedoch den wahrscheinlichen Gegebenheiten. Unmittelbar am ... gelegen, befinde sich der Betrieb der Antragstellerin in sehr prominenter Lage. Er bestehe zudem mit wechselnden Inhabern seit mehr als zehn Jahren. Er werde mithin von einer hohen Anzahl an Lauf- und Stammkundschaft frequentiert.

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Ein Begründungsmangel bei der Schätzung liege nicht vor. Es sei anzunehmen, dass die Antragstellerin mittlerweile im Rahmen des Strafverfahrens Einsicht in alle Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft genommen habe. Im Übrigen sei die Aufarbeitung der Rohdaten der A durch die Steuerfahndung B und ihre Übertragung in eine Excel-Tabelle nicht zu beanstanden. Das Verfahren sei im Einzelnen schlüssig im Betriebsprüfungsbericht dargestellt. Eine Doppelverkürzung liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in genannter Höhe vor. Unstreitig seien zahlreiche Nachweise für ganz konkrete Umbuchungsvorgänge erbracht worden. A selbst habe daraus keinen unmittelbaren eigenen Vorteil erzielen können. Dieser läge mit der Möglichkeit der Verschleierung ihres Einkaufs allein bei der Antragstellerin. Diesen Vorteil habe sie auch genutzt. Die Antragstellerin könne nicht darauf verweisen, auch andere Kunden hätten die ihr von der Betriebsprüfung exklusiv zugeordneten Produkte gekauft. Unter anderen Kundennummern seien diese Waren bei A nicht verbucht worden. Ein ausschließlicher Barverkauf dieser Waren sei unwahrscheinlich.

45

Die Schätzung bei Hähnchen, sonstigen Speisen, Getränken, Kaffee, Zeitungen und Tabak sei nicht zu beanstanden. Berücksichtigt worden seien im Wesentlichen die nach Buchführung der Antragstellerin tatsächlich eingekauften Mengen. Schwund sei berücksichtigt worden, jedoch bei Hähnchen in einem geringeren Ausmaß, als von der Antragstellerin gewünscht. Lediglich auf Grundlage der im gerichtlichen Verfahren nachgereichten Kalkulationsgrundlagen gelange man bei Berechnung der Ausbeute beim Verkauf der Backwaren zu abweichenden Ergebnissen, welche die AdV allenfalls in der Gesamthöhe von ... € rechtfertigen könne.

46

Im Übrigen komme aufgrund der Höhe der Steuerforderung von mehr als ... Euro sowie des laufenden Strafverfahrens eine AdV nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht.

47

Dem Gericht haben sechs Bände Betriebsprüfungsakten, fünf Leitz-Ordner Kalkulationsgrundlagen nebst Daten-CD sowie fünf Bände weiterer Steuerakten zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.

48

Der Antrag hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Entscheidungsgründe

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II. 1. Der Antrag ist zulässig.

50

Bei verständiger Würdigung ist der gestellte Antrag auf AdV der zuletzt vom Antragsgegner erlassenen Bescheide, namentlich der Bescheide über Einkommen-steuer, Umsatzsteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2012 bis 2015 vom 12. Juli 2017 bzw. für 2011 vom 4. September 2017 gerichtet.

51

Das notwendige Vorverfahren wurde durchgeführt. Im Hinblick auf die Bescheide für die Jahre 2012 bis 2015 ist dabei ausreichend, dass die Antragstellerin die AdV der den Zwischenbericht der Betriebsprüfung umsetzenden Bescheide vom 13. April 2017 beantragt hat, welche der Antragsgegner mit Entscheidung vom 29. Juni 2017 ablehnte. Ein erneuter Antrag auf AdV im Hinblick auf die endgültig am 12. Juli 2017 erlassenen Änderungsbescheide war entbehrlich. Der Steuerpflichtige ist nicht gehalten, in jedem Verfahrensabschnitt erneut die AdV zu beantragen. Vielmehr ist vorliegend ausreichend, dass der Antragsgegner seinen endgültigen Willen, eine AdV nicht zu gewähren, bereits mit Entscheidung vom 29. Juni 2017 zum Ausdruck gebracht hat. Für die Bescheide für 2011 gilt dies aufgrund des am 11. August 2017 ausgesprochenen Widerrufs der AdV der vormals ausgesetzten Bescheide.

52

Das Vorverfahren wurde auch durchgeführt, soweit die AdV von Gewerbesteuermessbetragsbescheiden begehrt wird. Zwar werden diese Bescheide in der ablehnenden Entscheidung sowie dem Widerruf der AdV nicht genannt und stattdessen lediglich die Gewerbesteuerbescheide aufgeführt. Das Gericht geht bei verständiger Würdigung dieser Bescheide aber davon aus, dass der Antragsgegner konkludent über die vorrangig zu beurteilende Aussetzung der Gewerbesteuermessbetragsbescheide als Grundlagenbescheide mit entschieden hat.

53

2. Der Antrag ist überwiegend unbegründet.

54

Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Danach soll seitens des Gerichts eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen und/oder Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (st. Rspr., vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351; vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BStBl II 1993, 426). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.). Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast finden auch im Aussetzungsverfahren Anwendung.

55

2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen bei summarischer Prüfung daran gemessen lediglich im tenorierten Umfang. Nach Würdigung der präsenten Beweismittel und der Aktenlage dürfte die vom Antragsgegner angestellte Schätzung von Besteuerungsgrundlagen - mit Ausnahme der Nachkalkulation der Backwaren - rechtmäßig sein.

56

a) Der Antragsgegner geht zutreffend davon aus, dass die Buchführung der Antragstellerin in den Streitjahren derart fehlerbehaftet war, dass sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden konnte und deshalb eine Schätzung dem Grunde nach geboten war.

57

Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden, weil sie insbesondere den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO nicht entsprechen, oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen, § 162 Abs. 2 AO.

58

aa) Die Buchführung der Antragstellerin dürfte bei summarischer Prüfung für die Jahre 2012 bis 2015 bereits deswegen mit formellen Mängeln behaftet sein, weil die Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie die Programmierungsprotokolle, welche nachträgliche Änderungen dokumentieren, nicht bzw. nur unzureichend vorgelegen haben.

59

Diese Unterlagen sind als sonstige Organisationsunterlagen gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufbewahrungspflichtig. Mangelt es an einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung, wirkt sich dies auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung einer Schätzungsbefugnis in gleichem Maße aus wie das Fehlen von Tagesendsummenbons bei Registrierkassen bzw. wie bei mangelhaften Protokollen über das Auszählen einer offenen Ladenkasse. In allen Fällen gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die vollständige Erfassung der Bareinnahmen. Jedenfalls dann, wenn wie vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel bei der Dokumentation der Kassenprogrammierung als gewichtiger Mangel der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen, mithin zur Vollschätzung berechtigen (BFH-Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743).

60

Die Antragstellerin hat Organisationsunterlagen bezogen auf das von ihr eingesetzte Kassensystem nur unzureichend vorgelegt. Ausweislich eigener Angaben und der Ermittlungen des Betriebsprüfers setzte die Antragstellerin sowohl an ihrer Betriebsstätte am Y-Platz als auch in der X-Straße ein bzw. zwei Kassensysteme der Marke C, Modell xxx, ein. Nach der vorliegenden Bedienungsanleitung sind diese Kassensysteme PC-gestützt und vollständig programmierbar. Bereits nach eigenen Angaben der Antragstellerin wurden bei Einrichtung der Kassen keinerlei Errichtungsprotokolle erstellt. Diese konnte sie folglich auch nicht vorlegen. Dieser Mangel wird nicht durch die im gerichtlichen Verfahren erstmals eingereichten Protokolle vom 13. Juli 2017 geheilt. Zum einen ist bereits fraglich, ob die drei eingereichten Protokolle tatsächlich die Erstprogrammierung der erstmals im Jahr 2012 eingesetzten Kassen wiedergeben. Nach dem Vermerk des Betriebsprüfers hat die Antragstellerin im Eröffnungsgespräch zur durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung selbst vorgetragen, zwei neue Kassen gleichen Typs am 23. September 2014 erworben zu haben. Der in den Akten befindlichen Rechnung ist zumindest der Kauf einer Kasse zu entnehmen. In der Buchführung erfasst wurde zumindest ebenfalls eine Kasse unter dem Datum 2. November 2014. Gemäß dem von der Antragstellerin ausgefüllten Fragebogen zur Kassenführung gab sie an, drei Klassen gleichen Typs in ihrem Betrieb einzusetzen. Mithin waren mindestens eine, wenn nicht gar zwei der drei im Jahr 2012 eingesetzten Kassen 2017 nicht mehr vorhanden, mithin die Erstprogrammierung auch nicht mehr auslesbar.

61

Zudem ist nicht in hinreichendem Maße dargetan worden, warum es sich bei den in den Einrichtungsprotokollen dargestellten Daten um die tatsächliche Erstprogrammierung und nicht die aktuelle Einstellung handeln soll. Die behauptete Auslesung eines Backups konnte bei Durchsicht der Bedienungsanleitung nicht verifiziert werden und ist jedenfalls bei summarischer Prüfung anhand der Aktenlage so nicht glaubhaft.

62

Darüber hinaus hat die Antragstellerin bisher keinerlei Protokolle über eine Fortschreibung der ursprünglichen Programmierung vorgelegt. Soweit in der Buchführung einzelne Rechnungen bzw. Vermerke einer beauftragten EDV-Firma vorhanden sind, sind diese unsubstantiiert und enthalten hinsichtlich eines Eingriffs in die Programmierung keinerlei aufschlussreiche Informationen. Dass solche Programmierungen seit 2012 bis zum heutigen Tag nicht vorgenommen worden sein sollen, ist wenig glaubhaft. Dies dürfte schon bezogen auf Anpassung der Preise sowie des Produktsortiments in einer gewissen Regelmäßigkeit stattzufinden haben. Den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen des J kommt insoweit kein entscheidender Beweiswert zu. Es ist wenig glaubhaft, dass J sich an die genauen Umstände der Einrichtung der Kassen am 10. September 2012 bzw. 28. Januar 2013 erinnert. Da die Antragstellerin mit ihrem Betrieb nahezu ausschließlich bare Ausgangsumsätze tätigt, berechtigt allein dieser formelle Mangel zu einer Vollschätzung für die Jahre 2012 bis einschließlich 2015.

63

bb) Jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht bei summarischer Prüfung eine Schätzungsbefugnis für die Jahre 2012 bis 2014 zudem wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Einzelaufzeichnung jeglicher Geschäftsvorfälle. Denn die Antragstellerin setzte zumindest ab September 2012 in ihrem Betrieb PC-gestützte Kassensysteme ein, welche grundsätzlich auch die Umsätze einzeln aufzeichneten. Einzelaufzeichnungen liegen jedoch lediglich für eine gewisse Zeit in 2013 sowie ab September 2014 vor.

64

Der BFH hat zwar die Einzelaufzeichnungspflicht für Einzelhandelsgeschäfte dahingehend eingeschränkt, dass die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufgezeichnet zu werden brauchen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BStBl III 1966, 371). Ausschlaggebend für den BFH war, dass es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich sei, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen. Entscheide der Steuerpflichtige sich jedoch für ein modernes PC-Kassensystem, das zum einen sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichne und zum anderen auch eine langfristige Aufbewahrung (Speicherung) der getätigten Einzelaufzeichnungen ermögliche, könne er sich hingegen nicht (mehr) auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2014 X R 29/13 BFH/NV 2015, 790). Bei Durchsicht der vorgelegten Unterlagen über die Funktionsweise der Kasse sowie der Auszüge der Anleitung zur Umstellung der Kassen auf GDPdU-konforme Einzeldatenerfassung teilt das Gericht jedenfalls im summarischen Verfahren die Ansicht des Antragsgegners, dass das eingesetzte Kassensystem grundsätzlich jeden einzelnen Umsatz erfasst und zunächst in einem internen Speicher (RAM) ablegt. Zudem verfügt das Kassensystem mit zahlreichen Schnittstellen über die Möglichkeit zur Verbindung mit weiteren EDV-Systemen. Auch kann eine Datensicherung mittels SD-Karte bzw. CF-Karte vorgenommen werden. Die Kasse bietet somit grundsätzlich die Möglichkeit, die Einzelaufzeichnungen dauerhaft zu sichern. Aus dem Vortrag der Antragstellerin, dass eine GDPdU-konforme Einzelerfassung erst herstellerseits im Jahr 2014 möglich war, ändert an dieser Einschätzung nichts. Denn wie die Antragstellerin durch Einsatz eines zusätzlichen Servers sowie einer weiteren Buchführungssoftware im Jahr 2013, welche später im Rahmen der Durchsuchung sichergestellt wurde, selbst gezeigt hat, waren diese Einzelaufzeichnungen zumindest für einen gewissen Zeitraum bis zur Überschreibung des Speichers im Kassensystem selbst vorhanden, mag dies auch vor Umrüstung der Kasse nicht in GDPdU-konformer Form geschehen sein.

65

cc) Auch bestehen weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der von der Antragstellerin gemachten Angaben, welche insbesondere eine Schätzungsbefugnis auch für das Jahr 2011 eröffnen.

66

(1) Nach Sichtung des vom Antragsgegner zur Verfügung gestellten Videomaterials der Überwachungskameras in den Betriebsräumen der Antragstellerin bestehen evidente Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihre Erlöse zu einem erheblichen Teil nicht in ihrer Buchführung erfasst hat. Aus dem Videomaterial geht z. B. für die Tage 15. und 30. Oktober 2013 eindeutig hervor, dass diverse Mitarbeiter der Antragstellerin vielfach die einmal geöffnete Kassenlade der Registrierkasse nutzen, Geldbeträge in die Kasse zu legen und Wechselgeld auszugeben, ohne den entsprechenden Verkaufsvorgang einzubuchen. Die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen sind nicht geeignet, dies zu widerlegen. Vorgelegt wurden lediglich Versicherungen von vier Mitarbeitern, die versichern, ab 2011 bzw. ab 2013, teilweise mit nicht näher bezeichneten Unterbrechungen, bei der Antragstellerin angestellt gewesen zu. Unabhängig von der Glaubhaftigkeit diese Aussagen dürfte es sich nur um einen geringen Teil der Mitarbeiter der Antragstellerin handeln. So sind auf den Videoaufzeichnungen der Kameras allein im Bereich des Imbisses bis zu sieben Verkäufer zu sehen. Hinzu kommen die Mitarbeiter im Kiosk-Bereich. Aufgrund der extensiven Öffnungszeiten von sieben Tagen pro Woche dürfte die Antragstellerin zudem zahlreiche Mitarbeiter in unterschiedlichen Schichten eingesetzt haben. Dass lediglich vier, nicht einmal durchgehend bei der Antragstellerin beschäftigte Mitarbeiter versichern, die verkauften Speisen und Getränke vollständig in die Kasse eingegeben zu haben, vermag das Ergebnis der Sichtung des Videomaterials mithin nicht zu entkräften.

67

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liefern die Videoaufzeichnungen nicht nur Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Erfassung der Barumsätze im Monat Oktober 2013. Jedenfalls bei summarischer Prüfung und mangels substantiierter Einlassung der Antragstellerin spricht nichts dafür, dass diese Verkaufspraktik nicht bereits 2011 und über den Zeitpunkt der Sicherstellung der Videoaufzeichnungen im Oktober 2013 hinaus bestand.

68

(2) Bei summarischer Prüfung bestehen zudem aufgrund des Berichts über die steuerlichen Feststellungen sowie des Ermittlungsberichts der Steuerfahndung B auch ohne Vorlage der Rohdaten gewichtige Anhaltspunkte für eine sogenannte Doppelverkürzung bei der Antragstellerin insbesondere in den Jahren 2011 bis 2013.

69

Das Gericht teilt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Auffassung der Steuerfahndung B sowie des Antragsgegners, dass die im Warenwirtschaftssystem der A vorgenommenen Umbuchungsvorgänge vom Kundenkonto der Antragstellerin auf die Konten Bar- oder Lagerverkauf einzig der Verschleierung des tatsächlichen Einkaufs der Antragstellerin dienten, und diese die ihr nicht mehr zuordenbaren Einkäufe in ihrer Buchführung nicht erfasst hat. Allein die schiere Größenordnung von 34 % erst unter dem Kundenkonto XXX-1 erfassten und später auf Bar- oder Lagerverkauf umgebuchten Umsätze (für den Zeitraum des vollständigen Datensatzes) zeigt, dass es sich dabei nicht nur um versehentlich falsch erfasste Bestellungen der Antragstellerin gehandelt haben kann, sondern dies planmäßig geschehen ist. Da A daraus keinen unmittelbaren Vorteil erlangt, weil sie auch die als Bar- bzw. Lagerverkauf erfassten Umsätze zu versteuern hat, spricht dies jedenfalls bei summarischer Prüfung auch ohne genaue Benennung der handelnden Personen und konkreter Nachweise für die getroffenen Absprachen dafür, dass A der Antragstellerin den Vorteil der Verschleierung ihrer Einkäufe bieten wollte, und die Antragstellerin diesen auch durch Nichterfassung in ihrer Buchführung nutzte. Für Letzteres spricht zudem, dass entgegen ihrer Behauptungen die Antragstellerin ausweislich der sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen bei A auch bar bezahlt hat und zudem gemäß der Videoaufzeichnungen für Oktober 2013 und Lieferscheine aus dem Februar 2013 entgegen ihren Buchführungsunterlagen auch an Samstagen und Sonntagen von A beliefert wurde.

70

dd) Da die genannten Mängel allein schon für die gesamten Streitjahre eine Schätzungsbefugnis eröffnen, kann dahinstehen, ob bei dem Betrieb der Antragstellerin, dessen Anlagevermögen übersichtlich ist und dessen Warenbestand keinen großen Schwankungen unterliegt, auch die nicht durchgeführten Inventuren in den Jahren 2011 und 2013 bis 2015 zu einer Schätzung berechtigen.

71

b) Die Schätzung ist bei summarischer Prüfung auch der Höhe nach - mit Ausnahme der im gerichtlichen Verfahren erneut vorgenommenen Kalkulation der Backwaren - nicht zu beanstanden. Das Gericht hat im Ergebnis keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der hinzugeschätzten Beträge. Es folgt im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 FGO i. V. m. § 162 AO) der Hinzuschätzung des Antragsgegners einschließlich der Nachkalkulation für Backwaren im gerichtlichen Verfahren.

72

aa) Die Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde und des Finanzgerichts, wenn es - wie hier - seine eigene Schätzungsbefugnis aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO ausübt. Es ist eine Schätzungsmethode zu wählen, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen (vgl. Seer in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 162 AO Rn. 52 m. w. N.). Die Wahl der Schätzungsmethode richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (vgl. z. B. FG Bremen, Urteil vom 17. Januar 2007 2 K 229/04, EFG 2008, 8). Ziel jeder Schätzung muss es sein, Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Es liegt in der Natur der Sache, dass das Ergebnis einer Schätzung von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen kann. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung muss sich allerdings in dem durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen halten (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259).

73

bb) Daran gemessen bestehen - unter Berücksichtigung der Anpassung der Kalkulation der Backwaren im gerichtlichen Verfahren - keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der vom Betriebsprüfer vorgenommenen Nachkalkulationen des Wareneinsatzes sowie der Berechnung des sich daraus erzielbaren Erlöses (Ausbeutekalkulation).

74

(1) Insbesondere der Kernbereich der Nachkalkulation, die Berechnung des nicht in der Buchhaltung erfassten Wareneinsatzes an Dönerprodukten, ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Der Prüfer durfte insbesondere für die Zeiträume, in denen vollständige Daten des Warenwirtschaftssystems der A vorliegen, die umgebuchten Wareneinsätze an Dönerfleisch der Kalkulation zugrunde legen. Dies gilt insbesondere für das Jahr 2011, wie es der 28-seitigen Anlage 9 zum Aktenvermerk vom 19. Juni 2017 zu entnehmen ist. Soweit darüber hinaus lediglich fragmentarische Auszüge aus dem Warenwirtschaftssystem vorgelegen haben, welche zwar Einblick in das Kundenkonto XXX-1 der Antragstellerin sowie die Konten über Bar- bzw. Lagerverkauf gewähren, jedoch nicht alle Umbuchungsvorgänge zeigen, durfte der Prüfer dennoch der Antragstellerin bestimmte bei A unter Bar- bzw. Lagerverkauf erfasste Dönerprodukte zuordnen. Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass ausschließlich die Antragstellerin bestimmte Dönerprodukte (insbesondere 50 kg-Spieße sowie Spieße mit der besonderen Würzmischung ..., darüber hinaus bestimmte Kaffeesorten) bezogen hat. Dass nach Ansicht der Antragstellerin auch andere, nicht mehr bestimmbare Kunden diese Waren bar ab Lager erworben haben könnten, verfängt nicht. Denn der Antragstellerin zugerechnet wurden insoweit nur Produkte mit Produktnummern, die nach Auswertung der bei A geführten Kundenkonten ausschließlich von ihr bezogen wurden. Das Gericht teilt insoweit die Ansicht des Antragsgegners, dass es unwahrscheinlich sein dürfte, dass andere Kunden genau diese Waren immer bar erworben und nicht über ihr Kundenkonto bestellt haben.

75

Den so ermittelten Wert an Dönerfleisch für 2012 für die X-Straße i. H. v. 106.058 kg hat der Prüfer zulässigerweise um 3.000 kg erhöht. Er hat zutreffend darauf verwiesen, dass aufgrund fragmentarischer Unterlagen nicht erklärte Einkäufe bei A nur bis zum 3. Oktober 2012 festgestellt worden seien, die gleichbleibend gute wirtschaftliche Lage des Betriebs jedoch gegen einen sinkenden Wareneinsatz spreche, mithin von einem weiteren nicht erklärten Einkauf auszugehen sei; zumal sich der angesetzte Wert noch unterhalb des Durchschnitts der Werte für 2011 und 2015 (von der Antragstellerin selbst erklärter Wareneinsatz) halte.

76

Auch die Nachkalkulation für 2013 begegnet bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß den fragmentarischen Unterlagen haben im Zeitraum Januar bis Oktober 2013 zwar nur vier Umbuchungen vom Kundenkonto der Antragstellerin bei A auf die Konten Bar- bzw. Lagerverkauf stattgefunden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin folgt daraus jedoch weder die Untauglichkeit der vom Prüfer gewählten Schätzungsmethode für das Jahr 2013 noch für die Jahre 2011 und 2012. Denn sowohl auf Grundlage des gesichteten Videomaterials, der sichergestellten Bestelllisten und den Darstellungen im strafrechtlichen Ermittlungsbericht ergibt sich, dass die Antragstellerin auch an den Wochenenden beliefert wurde und A diese Bestellungen als Bar- bzw. Lagerverkauf verbuchte. Soweit die Antragstellerin auf die bei ihr befindlichen Kühltruhen verweist, wonach aufgrund ihrer Lagerkapazitäten keine Belieferung am Wochenende erforderlich gewesen sei, ist dies unglaubhaft und unsubstantiiert. Allein die Tatsache, dass Kühleinrichtungen bei der Antragstellerin vorhanden sind, beweist keine Lagerhaltung gerade für das Wochenende. Bereits aus lebensmittelrechtlichen Gründen ist sie gehalten, ihre täglichen Lieferungen bis zum tatsächlichen Einsatz entsprechend zu kühlen. Dass beispielsweise Vorsorge für das Wochenende durch entsprechend große Lieferungen am Freitag getroffen wurde, hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch durch geeignete Unterlagen belegt. In einem ersten Schritt war der Prüfer somit berechtigt, einen Wareneinsatz für die Wochenenden hinzuzuschätzen. Bei den angesetzten 420 kg hat er sich dabei zugunsten der Antragstellerin am unteren Rahmen der sichergestellten Bestelllisten orientiert.

77

Auch die weitere Nachkalkulation für 2013 auf Grundlage von Vergleichswerten aus den Vor- und Folgejahren sowohl bezogen auf die Monate November bis Dezember als auch bezüglich des gesamten Jahreseinkaufs begegnet keinen Bedenken. Aufgrund der nur fragmentarisch vorliegenden Daten des Warenbezugsystems der A war es dem Prüfer auch nicht verwehrt, sich an den Monats- bzw. Jahresvergleichswerten insbesondere der Jahre 2011 und 2015 zu halten. Denn für 2011 liegt aufgrund der für sieben Monate vollständig vorliegenden Protokolldateien weiterer fragmentarischer Daten eine sehr gesicherte Schätzungsgrundlage vor. Für 2015 handelt es sich zudem ausschließlich um den vom der Antragstellerin selbst erklärten Wareneinsatz. Der für 2013 für die X-Straße geschätzte Wert von 108.729 kg liegt dabei hinter den Werten für 2011 und 2015 (111.962 kg bzw. 121.710 kg).

78

Auch die Nachkalkulation des Wareneinsatzes für 2014 unterliegt keinen Bedenken. Insbesondere ist der vom Prüfer angestellte Vergleich des Wareneinsatzes mit Vor- und Folgejahren zulässig. Der Prüfer hat diesen Vergleich entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zur Begründung einer Schätzungsbefugnis, sondern lediglich zur Ermittlung der Höhe der Schätzung herangezogen. Denn bereits aufgrund der nicht vorliegenden Organisationsunterlagen für die Registrierkassen sowie der durch Videoaufnahmen nachgewiesenen erheblichen Nichterfassung von Bareinnahmen, welche aufgrund fehlender Anhaltspunkte für eine einschneidende betriebliche Umstellung seitens der Antragstellerin auch Ausstrahlungswirkung für 2014 entfaltet, war eine Schätzungsbefugnis ergeben. Steht hingegen fest, dass die Buchführung aus formellen und materiellen Gründen unrichtig ist und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit der Buchführung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (BFH-Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743). Vor diesem Hintergrund begegnet die ermittelte Menge von 111.136 kg keinen Bedenken.

79

Auch die Ausbeutekalkulation hinsichtlich der Dönerprodukte ist in sich schlüssig und wirtschaftlich nachvollziehbar. Der Prüfer hat einen Abschlag für Garverluste, Schwund und Eigenverbrauch von 38 % abgezogen. Damit hat er sich an der oberen und für die Antragstellerin günstigen Grenze eines Gutachten des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart gehalten (vgl. LG Stuttgart 13 KLs 142 Js 104750/05 vom 22. Juli 2009, juris; BGH-Urteil vom 28. Juli 2010 1 StR 643/09, wistra 2011, 28). Anhand von Kasseneinzeldaten ermittelte er zudem anhand der Verkaufspreise für die unterschiedlichen Dönerprodukte (z. B. Döner-Teller, Döner-Brot, Reis-Döner, Pommes-Döner klein und groß) einen gewichteten durchschnittlichen Verkaufspreis pro Dönerprodukt. Unter Ansatz einer Portionsgröße von 180 g gelangte er zum entsprechenden Ausgangsumsatz. Sowohl die Grundannahmen als auch die Kalkulation als solche sind tragfähig. Insbesondere die Annahme von Fleischportionen à 180 g scheint äußerst maßvoll. Unter Berücksichtigung von Schwund bedeutet dies eine Ausbeute pro Kilogramm Fleisch von nicht einmal 3,5 Portionen. Bei vielen Produkten wie Döner-Brot, Reis-Döner sowie Pommes-Döner klein scheint fraglich, ob bei aufgeschnittenem Fleisch, welches ein gewisses Volumen aufweist, diese Portionsgrößen tatsächlich erreicht wurden.

80

(2) Auch die Nachkalkulation hinsichtlich der verkauften halben bzw. ganzen Hähnchen ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist der Prüfer bei der Nachkalkulation vom Wareneinsatz entsprechend der in der Buchhaltung vorgefundenen Eingangsrechnungen ausgegangen. Eine Doppelverkürzung hat er gerade nicht angenommen. Auch der Ansatz von 15 % Schwund erscheint ausreichend. Soweit die Antragstellerin einen Schwund von mindestens 20 bis 30 % zum Ansatz bringen möchte, ist dem im summarischen Verfahren nicht zu folgen. Zwar mag es sein, dass bei Produkteinführung im Jahr 2014 hinsichtlich der vorzuhaltenden Menge noch keinerlei Erfahrungswerte bestanden. Die stark ansteigenden Einkaufszahlen (z. B. Oktober 2014: 340; November 2014: 980; Januar 2015: 1550; März 2015: 2020) sprechen jedoch für eine rasch steigende Nachfrage. Selbst für den Fall, dass übrig gebliebene Hähnchen nicht auch zu Hähnchendöner verarbeitet worden sein sollten, scheint der Schwund mit 15 % angemessen berücksichtigt. Auch aus Schwundlisten ergibt sich nichts anderes. In den Kalendern, in denen die vermeintlich entsorgten Produkte aufgeführt sind, finden sich keine Aufzeichnungen zu Hähnchen.

81

(3) Auch die Nachkalkulation der sonstigen Speisen (Salat, Falafel, Pommes, Lahmacun) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere aufgrund der Ermittlung der Steuerfahndung B bei A ist von einem nicht in der Buchhaltung erfassten Wareneinkauf auszugehen. Die Berücksichtigung durch Erhöhung der Erlöse von ... € auf ... € bewegt sich in moderatem Rahmen. Soweit hinsichtlich der durchschnittlichen gewichteten Verkaufspreise auf Kasseneinzeldaten lediglich zweier Tagen abgestellt wurde, begegnet dies jedenfalls bei summarischer Prüfung ebenso keinen Bedenken, wie den unterstellten Erlössteigerungen in den Jahren 2013 bis 2015 insbesondere auch durch Preiserhöhungen. Orientiert hat sich der Prüfer dabei zulässigerweise an den Preissteigerungen der Dönerprodukte.

82

(4) Bei summarischer Prüfung ist auch die Hinzuschätzungen bei Kaffee, den übrigen Getränken, Tabak und Presseartikeln nicht zu beanstanden.

83

Auch insoweit war die Hinzuschätzung des Wareneinsatzes bei Kaffee und den übrigen Getränken anhand der im Warenwirtschaftssystem der A enthaltenen Umbuchungen zu berücksichtigen. Jedenfalls bei summarischer Prüfung folgt das Gericht dem Vortrag des Antragsgegners, dass Produkte mit einer bestimmten Artikelnummer nur von der Antragstellerin nachgefragt wurden, so dass auch bezogen auf die nur fragmentarisch vorliegenden Umbuchungsnachweise die unter dem Konto XXX-2 erfassten Lagerverkäufe dieser Produkte der Antragstellerin zuzurechnen sind. Ferner hat ein durch die Steuerfahndung B durchgeführter Abgleich mit dem Kundenkonto der Antragstellerin bei der Firma E ergeben, dass insoweit nicht alle bezogenen Waren in der Buchhaltung der Antragstellerin erfasst sind. Soweit die Antragstellerin vorträgt, ein vom Steuerberater vorgenommener Abgleich mit ihrer Buchhaltung habe ergeben, dass der Einkauf vollständig erfasst worden sei, ist dies nicht anhand präsenter Beweismittel nachgewiesen.

84

Die weiter durchgeführte Ausbeutekalkulation anhand gewisser Portionsgrößen für Kaffee (10 g bzw. 7 g) bzw. anhand eines RGAS für die übrigen Getränke i. H. v. 100 % ist nicht zu beanstanden. Dies gilt ebenfalls für den zum Ansatz gebrachten Schwund in Höhe von lediglich 2 % mit Ausnahme des Ayran mit Schwundquoten von bis zu 30 %. Dies scheint vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass die Antragstellerin Getränke lediglich in Flaschen abgegeben hat und es insoweit zu keinen Schankverlusten, sondern allenfalls zu Bruch kommen kann.

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Presseartikel und Tabak wurden zulässigerweise anhand des erklärten Wareneinsatzes mit ermittelten RGAS geschätzt.

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(5) Auch die Nachkalkulation bei den Backwaren ist unter Berücksichtigung der Nachkalkulation im gerichtlichen Verfahren nicht zu beanstanden. Aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung B konnte der Prüfer auf die Unterlagen des Warenwirtschaftssystems der A und insbesondere die vom Kundenkonto der Antragstellerin auf die Konten Bar- bzw. Lagerverkauf umgebuchten Vorgänge abstellen und entsprechende Hinzuschätzungen vornehmen. Bei der Ausbeutekalkulation scheint der Ansatz von Schwund lediglich i. H. v. 5 % angemessen und ausreichend. So betrug die entsorgte Menge an Backwaren nach eigenen Aufzeichnungen der Antragstellerin für 2016 lediglich 3,3 %. Die erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebrachte substantiierte Einlassung der Antragstellerin, dass Brötchen ausschließlich mit Belag veräußert worden seien, der zwischen ... € und ... € koste, hat der Antragsgegner im Rahmen einer Nachkalkulation aufgegriffen. Unter Ansatz der Preise für den Belag und 80 Scheiben Wurst bzw. 70 Scheiben Käse pro Kilogramm gelangte er dabei zu einem Preis pro Belag von durchschnittlich ... €, welchen er zugunsten der Antragstellerin auf ... € aufrundete. Unter Berücksichtigung dieses geänderten Wareneinsatzes gelangte er zudem zu einem RGAS i. H. v. 126 % statt vormals 143 %, mithin zu entsprechend verminderten Erlösen. Jedenfalls im summarischen Verfahren macht sich das Gericht diese Schätzung, die methodisch folgerichtig ist und hinsichtlich ihrer Grundannahmen wirtschaftlich vernünftig erscheint, zu eigen.

87

Der Gewinn war um die entsprechenden Beträge zu vermindern, was zur AdV der angegriffenen Bescheide in folgender Höhe führt:

...

88

3. Eine weitergehende AdV wegen unbilliger Härte ist nicht geboten. Nachteile, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder schwer wiedergutzumachen wären, oder die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz durch die Vollziehung hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargetan. Detaillierte Auskünfte über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Möglichkeit der Erlangung von Krediten u. ä. liegen nicht vor.

89

4. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, wonach die AdV regelmäßig auf die Dauer des jeweiligen Verfahrensabschnitts der Hauptsache beschränkt ist (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 8. Auflage, § 69 Rn. 231), hält es das Gericht auch im vorliegenden Verfahren für ermessensgerecht, die AdV auf den Abschluss des Einspruchsverfahrens zu beschränken. Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung hat das Gericht ebenfalls abgesehen. Bei verständiger Würdigung des Antrags des Antragsgegners wird diese nur für den Fall begehrt, dass das Gericht die AdV über den bereits vom Antragsgegner selbst zugestandenen Betrag hinaus gewährt hätte.

90

5. Der Antragstellerin sind gemäß § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie nur zu einem geringen Anteil obsiegt hat. Die Schätzung des Antragsgegners führte zu Mehrsteuern von insgesamt ... €. Der auszusetzende Betrag beträgt ... €, mithin 4,63 % und ist insoweit noch als gering anzusehen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 13. Aug. 2018 - 2 V 216/17

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 13. Aug. 2018 - 2 V 216/17

Referenzen - Gesetze

Einkommensteuergesetz - EStG | § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen


(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen
Finanzgericht Hamburg Beschluss, 13. Aug. 2018 - 2 V 216/17 zitiert 14 §§.

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Einkommensteuergesetz - EStG | § 5 Gewinn bei Kaufleuten und bei bestimmten anderen Gewerbetreibenden


(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss de

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Abgabenordnung - AO 1977 | § 147 Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen


(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:1.Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlag

Abgabenordnung - AO 1977 | § 140 Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen


Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 158 Beweiskraft der Buchführung


(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen. (2) Absatz 1 gilt nicht,1.soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die

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Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09

bei uns veröffentlicht am 28.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 643/09 vom 28. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juli 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzender

Bundesfinanzhof Urteil, 25. März 2015 - X R 20/13

bei uns veröffentlicht am 25.03.2015

Tenor Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26. Juli 2012  4 K 2071/09 E,U aufgehoben.

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(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.

(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.

(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.

(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.

(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn

1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder
2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
2Eine nach Satz 1 Nummer 2 gebildete Rückstellung ist spätestens in der Bilanz des dritten auf ihre erstmalige Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind.

(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.

(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.

(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.

(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen

1.
auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen;
2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
2Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens kann unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme im Sinne des Satzes 1 den Betrag des § 6 Absatz 2 Satz 1 nicht übersteigt; das Wahlrecht ist einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen im Sinne des Satzes 1 auszuüben.3Auf der Aktivseite sind ferner anzusetzen
1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen,
2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.

(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.

(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.

(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:

1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
4.
Buchungsbelege,
4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union,
5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.

(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten

1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden,
2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.

(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.

(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.

(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.

(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,

1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen,
2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder
3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
Teilt der Steuerpflichtige der Finanzbehörde mit, dass sich seine Daten nach Absatz 1 bei einem Dritten befinden, so hat der Dritte
1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder
2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder
3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
Die Kosten trägt der Steuerpflichtige. In Fällen des Satzes 3 hat der mit der Außenprüfung betraute Amtsträger den in § 3 und § 4 Nummer 1 und 2 des Steuerberatungsgesetzes bezeichneten Personen sein Erscheinen in angemessener Frist anzukündigen. Sofern noch nicht mit einer Außenprüfung begonnen wurde, ist es im Fall eines Wechsels des Datenverarbeitungssystems oder im Fall der Auslagerung von aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten aus dem Produktivsystem in ein anderes Datenverarbeitungssystem ausreichend, wenn der Steuerpflichtige nach Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf die Umstellung oder Auslagerung folgt, diese Daten ausschließlich auf einem maschinell lesbaren und maschinell auswertbaren Datenträger vorhält.

(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:

1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
4.
Buchungsbelege,
4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union,
5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.

(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten

1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden,
2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.

(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.

(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.

(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.

(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,

1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen,
2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder
3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
Teilt der Steuerpflichtige der Finanzbehörde mit, dass sich seine Daten nach Absatz 1 bei einem Dritten befinden, so hat der Dritte
1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder
2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder
3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
Die Kosten trägt der Steuerpflichtige. In Fällen des Satzes 3 hat der mit der Außenprüfung betraute Amtsträger den in § 3 und § 4 Nummer 1 und 2 des Steuerberatungsgesetzes bezeichneten Personen sein Erscheinen in angemessener Frist anzukündigen. Sofern noch nicht mit einer Außenprüfung begonnen wurde, ist es im Fall eines Wechsels des Datenverarbeitungssystems oder im Fall der Auslagerung von aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten aus dem Produktivsystem in ein anderes Datenverarbeitungssystem ausreichend, wenn der Steuerpflichtige nach Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf die Umstellung oder Auslagerung folgt, diese Daten ausschließlich auf einem maschinell lesbaren und maschinell auswertbaren Datenträger vorhält.

(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26. Juli 2012  4 K 2071/09 E,U aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den verbliebenen Streitjahren 2001 und 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger betrieb von 1996 bis zum Frühjahr 2002 und erneut ab dem Frühjahr 2003 eine Schank- und Speisewirtschaft in Räumen, die er von einer Brauerei angemietet hatte. Die Klägerin war im Betrieb angestellt.

2

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Den größten Teil seiner Bareinnahmen rechnete er über eine elektronische Registrierkasse ab. Daneben führte er für die Thekeneinnahmen eine von der Registrierkasse getrennte Barkasse.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung und stützte sich hierbei auf die folgenden Punkte:

-       

Zwar ist für jeden Öffnungstag des Jahres 2001 ein Tagesendsummenbon vorhanden; die fortlaufende Nummerierung dieser Bons weist für die Zeit vom 1. Januar bis 16. März 2001 aber Unterbrechungen auf. Die Bons mit den dazwischenliegenden Nummern haben die Kläger nicht vorgelegt und hierzu vorgetragen, es handele sich um "Leerbons".

-       

Für das Jahr 2003 liegen zwar fortlaufend nummerierte Tagesendsummenbons vor. Allerdings ist auf diesen Bons kein Datum ausgedruckt.

-       

Die Kläger haben weder Programmierprotokolle der Registrierkasse noch die Speisekarte für das Jahr 2001 vorgelegt.

-       

Ausweislich der Feststellungen des Finanzgerichts (FG) --im Betriebsprüfungsbericht ist dieser Umstand hingegen nicht erwähnt-- wurden für die Thekenkasse keine Kassenberichte erstellt, in denen die sich anhand der Aufzeichnungen ergebenden Soll-Kassenbestände mit den durch Auszählen ermittelten Ist-Beständen abzugleichen gewesen wären. Vielmehr wurden die täglichen Bestände dieser Kasse lediglich rechnerisch durch Gegenüberstellung der aufgezeichneten Einnahmen und Ausgaben ermittelt.

-       

Der Kläger hat die Warenendbestände zum Ende der Streitjahre nicht durch Inventuren, sondern im Wege der Schätzung ermittelt.

-       

Für das Jahr 2003 hat der Prüfer vier Bareinlagen in Höhe von insgesamt 4.164,78 € als ungeklärt angesehen. Hierzu hat das FG allerdings keine Feststellungen getroffen.

4

Der Prüfer erhöhte die vom Kläger erklärten Erlöse um Hinzuschätzungen, für deren Höhe er sich auf einen sog. "Zeitreihenvergleich" stützte. Dabei ging er wie folgt vor:

-       

Aus den Eingangsrechnungen des Klägers ermittelte der Prüfer den Wareneinkauf für jede Kalenderwoche des Prüfungszeitraums. Nach dem --von den Klägern teilweise bestrittenen-- Vortrag des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) habe der Prüfer hierbei das Lieferdatum zugrunde gelegt, sofern ein solches in den Eingangsrechnungen angegeben gewesen sei. Ansonsten habe er das Rechnungsdatum herangezogen. Sofern der Kläger beim jeweiligen Lieferanten weniger als einmal wöchentlich eingekauft habe, habe der Prüfer den Wert des Einkaufs gleichmäßig auf den Zeitraum zwischen den aufeinanderfolgenden Einkäufen verteilt.

-       

Den Wareneinkauf minderte der Prüfer um die sich aus der Buchführung des Klägers --auf der Grundlage der von der Finanzverwaltung hierfür veröffentlichten Pauschbeträge-- ergebenden Werte für Sachentnahmen der Familie der Kläger und für die Beköstigung des Personals. Diese Beträge verteilte er gleichmäßig auf die Kalenderwochen eines Jahres.

-       

Für das Jahr 2003 minderte der Prüfer den Wareneinkauf ferner um den vom Kläger geschätzten Warenendbestand zum 31. Dezember 2003 (10.800 €), der ebenfalls gleichmäßig auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt wurde.

-       

Den sich danach ergebenden wöchentlichen Wareneinsatz verglich der Prüfer mit den vom Kläger für die jeweilige Kalenderwoche erklärten Einnahmen. Aus diesem Vergleich ergab sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz.

-       

Anschließend ermittelte der Prüfer für jede Kalenderwoche den Durchschnittswert aus den Rohgewinnaufschlagsätzen dieser Woche und der neun vorangehenden Wochen.

-       

Seiner Schätzung legte der Prüfer den höchsten Zehn-Wochen-Durchschnittswert zugrunde, der sich im jeweiligen Kalenderjahr ergab. Dies waren für das Jahr 2001 die Kalenderwochen 23 bis 32 mit einem Rohgewinnaufschlagsatz (hier: Vergleich der Brutto-Einnahmen mit dem Netto-Wareneinsatz) von 241,54 %, für das Jahr 2003 die Kalenderwochen 28 bis 37 mit einem Brutto/Netto-Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %.

-       

Diese Rohgewinnaufschlagsätze wendete der Prüfer für das gesamte jeweilige Kalenderjahr auf den tatsächlich vom Kläger erklärten Wareneinsatz an.

5

Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer die folgenden Hinzuschätzungsbeträge:

Jahr   

2001   

2003   

Wareneinsatz netto

200.244,83 DM

73.368,42 €

höchster RAS brutto/netto

241,54 % 

263,42 %

zum Vergleich: RAS lt. Kläger

228,15 % 

201,09 %

Erlöse brutto lt. Prüfer

683.908,83 DM

266.634,31 €

Erlöse brutto lt. Kläger

657.095,38 DM

220.905,86 €

Mehrerlöse brutto lt. Prüfer

26.813,44 DM

45.728,46 €

Mehrerlöse netto lt. Prüfer

23.115,03 DM

39.421,08 €

Hinzuschätzung netto lt. Prüfer (nach Abrundung auf den nächsten durch 5.000 teilbaren Betrag)

20.000,00 DM

35.000,00 €

6

Für das --im Revisionsverfahren nicht mehr streitbefangene-- Jahr 2002 nahm der Prüfer wegen aus seiner Sicht ungeklärt gebliebener Vermögenszuwächse eine Hinzuschätzung von 40.000 € netto vor.

7

Das FA erließ entsprechend geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Einspruchsverfahren legten die Kläger Geldverkehrsrechnungen für die Jahre 2001 und 2002 samt Unterlagen zu ihren außerbetrieblichen Einnahmen sowie zu Vermögensumschichtungen vor. Für das Jahr 2003 beantragten sie, weitere Schuldzinsen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Gegen den Zeitreihenvergleich wandten sie sich mit dem folgenden Vorbringen:

-       

Für die Durchführung des Zeitreihenvergleichs sei die exakte Zuordnung des wöchentlichen Wareneinsatzes zu den Erlösen der jeweiligen Woche von herausragender Bedeutung. Der Schluss vom Wareneinkauf --nur insoweit bestehe eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht-- auf den wöchentlichen Wareneinsatz sei aber wegen des Fehlens einer Verpflichtung zu wöchentlichen Inventuren mit großen Unsicherheiten belastet. Zwar werde durch die Bildung eines Durchschnittswerts über einen Zehn-Wochen-Zeitraum eine gewisse Nivellierung vorgenommen; zufällige Verschiebungen am Anfang oder Ende eines solchen Zehn-Wochen-Zeitraums könnten aber immer noch erhebliche rechnerische Auswirkungen auf den sich ergebenden Rohgewinnaufschlagsatz haben.

-       

Bereits die betriebs- und saisonüblichen Schwankungen in der Lagerhaltung sowie hinsichtlich der Ein- und Verkaufspreise und der Verteilung zwischen den Warenarten würden aufgrund der Systematik des Zeitreihenvergleichs zwingend zu rechnerischen Mehrergebnissen führen.

-       

Es entspreche nicht dem tatsächlichen Ablauf, den Aufbau des zum 31. Dezember 2003 vorhandenen Warenendbestands gleichmäßig auf alle Kalenderwochen des Jahres 2003 zu verteilen.

-       

Am letzten Augustwochenende (34. Kalenderwoche 2001 bzw. 35. Kalenderwoche 2003) finde jeweils das X-Fest statt, das zwar zu erheblich überdurchschnittlichen Wochenumsätzen, nicht aber zu einem entsprechenden Anstieg des Wareneinkaufs in derselben Kalenderwoche führe.

-       

Im Jahr 2003 sei ein gerade kostendeckender Mittagstisch angeboten worden.

-       

Der Warenverderb sei unberücksichtigt geblieben.

8

In seinen Einspruchsentscheidungen setzte das FA die Hinzuschätzung für 2002 auf 15.000 € herab und wies die Einsprüche im Übrigen zurück. Im Klageverfahren legten die Kläger auch für 2003 eine Geldverkehrsrechnung vor und erklärten aus vorhandenen Geldanlagen Zinseinnahmen für 2001 nach, die allerdings unterhalb der damals geltenden Freibeträge lagen.

9

Das FG gab der Klage für 2002 in vollem Umfang statt und berücksichtigte für 2003 zusätzliche Schuldzinsen in Höhe von 3.764 € als Betriebsausgaben. Im Übrigen wies es die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1982). Zur Begründung des klageabweisenden Teils seiner Entscheidung führte es aus, die Buchführung des Klägers sei in den Jahren 2001 und 2003 formell nicht ordnungsgemäß gewesen. Diese formellen Mängel seien wegen der entscheidenden Bedeutung der Bareinnahmen für den Betrieb des Klägers auch Anlass, die sachliche Richtigkeit der Buchführung anzuzweifeln, da es wegen der nur rechnerischen Führung der Kasse (gemeint wohl: Thekenkasse) an der Kassensturzfähigkeit fehle.

10

Der Zeitreihenvergleich stelle im Streitfall eine geeignete Schätzungsmethode dar. Die Wahl der Schätzungsmethode stehe im Ermessen des FA bzw. des FG; Unschärfen gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Methode des Zeitreihenvergleichs basiere darauf, dass es in der Praxis kaum möglich sei, über kurze Zeiträume genau denjenigen Wareneinkauf zu verschweigen, mit dem nicht verbuchte Erlöse erzielt würden. Im Betrieb des Klägers habe es in den Streitjahren keine wesentlichen Änderungen in der Betriebsführung oder -struktur gegeben, die einem Zeitreihenvergleich entgegenstehen könnten. Saisonale oder jahreszeitliche Schwankungen des Geschäfts seien nicht erkennbar, weil die wochenweise ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze nicht in Abhängigkeit von der Jahreszeit, sondern auch innerhalb einer Jahreszeit unterschiedlich seien. Das X-Fest könne sich nicht ausgewirkt haben, da es nur im Jahr 2003, nicht aber im Jahr 2001 in den vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum falle, und auch für das Jahr 2003 der höchste Rohgewinnaufschlagsatz des Zehn-Wochen-Zeitraums gerade nicht in die Woche des X-Fests falle. Der Warenendbestand 2003 sei zu Recht auf das gesamte Jahr verteilt worden, da davon auszugehen sei, dass er während des gesamten Jahres aufgebaut worden sei. Für die Kläger sei dies günstiger als eine Berücksichtigung in einem kurzen Zeitraum, die dann in diesem Zeitraum zu überproportional hohen rechnerischen Wareneinsätzen führen würde. Die vom FA vorgenommene Abrundung gleiche weitere Unschärfen der Schätzung aus. Das Schätzungsergebnis bewege sich im mittleren Bereich der Richtsätze für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften (Netto/Netto-Mittelwert: 213 % bei einer Spanne von 150 bis 317 % für 2001 bzw. 144 bis 317 % für 2003).

11

Die von den Klägern eingereichten Geldverkehrsrechnungen seien als Schätzungsgrundlage nicht geeignet. Ihnen seien die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde gelegt worden, obwohl die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Für 2001 komme hinzu, dass die Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag doppelt angesetzt und die Herkunft der aus dem Ausland stammenden Mittel nicht nachgewiesen worden sei. Ohnehin bestehe kein Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode.

12

Für das Jahr 2002 sei die Klage hingegen begründet. Dem FA stehe insoweit keine Schätzungsbefugnis zu, weil die Buchführung des Klägers keine Mängel aufgewiesen habe. Es seien auch keine ungeklärten Vermögenszuwächse zu verzeichnen, weil die vom FA vorgenommene Geldverkehrsrechnung methodische Mängel aufweise.

13

Mit ihrer Revision wiederholen und vertiefen die Kläger ihre Einwendungen gegen den vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleich. Ergänzend führen sie die folgenden Gesichtspunkte an:

-       

Selbst wenn man davon ausgehe, dass die wochenweisen Schwankungen im Einkauf frischer Lebensmittel sich über einen Zehn-Wochen-Zeitraum ausgleichen würden, gelte dies nicht hinsichtlich alkoholischer Getränke, die auf Vorrat gekauft würden.

-       

Dem von einem Zeitreihenvergleich betroffenen Steuerpflichtigen erschließe sich weder der Ablauf noch das Ergebnis dieser Schätzungsmethode. Dies kollidiere sowohl mit dem für Verwaltungsakte geltenden Begründungserfordernis (§ 121 der Abgabenordnung --AO--) als auch mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--). Es sei dem Steuerpflichtigen nicht möglich, auf die methodischen Mängel des Zeitreihenvergleichs zu reagieren, weil hierfür im Betrieb keine Daten erhoben würden und auch nicht erhoben werden müssten.

-       

Die Anwendung des höchsten sich im jeweiligen Kalenderjahr ergebenden Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes widerspreche den Denkgesetzen. Zwar könnten Unterschiede zwischen den wöchentlichen Aufschlagsätzen auf Manipulationen hindeuten; sie könnten aber ebenso auf den methodischen Mängeln des Zeitreihenvergleichs --insbesondere auf betriebsüblichen Schwankungen-- beruhen.

-       

Der Biereinkauf sei gerade in den Wochen ab Ende November 2003 sehr hoch gewesen, so dass ein überproportionaler Teil des Warenendbestands in dieser Zeit aufgebaut worden sei.

-       

Während der Außenprüfung sei beim Kläger nicht der geringste Anhaltspunkt für Schwarzeinkäufe gefunden worden.

14

Die Kläger haben im Revisionsverfahren ausdrücklich zugestanden, dass ihre Buchführung formell nicht ordnungsgemäß war.

15

Nach Ergehen des angefochtenen Urteils hat das FA am 20. Dezember 2012 und am 4. Februar 2013 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 erlassen. Der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens wird dadurch nicht berührt, weil die Besteuerungsgrundlagen im Bescheid vom 4. Februar 2013 denen entsprechen, die bereits in dem von den Klägern ursprünglich angefochtenen Änderungsbescheid angesetzt worden sind.

16

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und den Einkommensteuerbescheid 2003 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2003, jeweils vom 17. März 2008 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 15. Mai 2009, sowie den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 4. Februar 2013 dahingehend zu ändern, dass die Hinzuschätzungen zu den Betriebseinnahmen bzw. umsatzsteuerpflichtigen Entgelten in Höhe von 20.000 DM (2001) bzw. 35.000 € (2003) --hinsichtlich der Einkommensteuer unter gegenläufiger Kürzung der Gewerbesteuer-Rückstellung-- rückgängig gemacht werden.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Es trägt vor, die Methode des Zeitreihenvergleichs sei nicht neu, sondern werde von Wirtschaftsprüfern seit Jahrzehnten zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Für die Außenprüfung habe sie in den letzten Jahren durch das Datenzugriffsrecht und spezielle Software, die für die Finanzverwaltung entwickelt worden sei, an Bedeutung gewonnen. Sie beruhe darauf, dass sich selbst bei einem Verschweigen sowohl von Wareneinkäufen als auch von Erlösen im Wochenvergleich Auffälligkeiten ergeben würden. Die Methode werde vorzugsweise in Branchen mit eher geringer Lagerhaltung angewendet, bei denen sich die Umsätze relativ gleichmäßig auf das Jahr verteilten (z.B. Gastronomie). Ihr liege die Annahme zugrunde, dass es nicht sinnvoll wäre, bei jederzeit verfügbaren und leicht verderblichen Waren eine nennenswerte Lagerhaltung zu betreiben. Wenn diese Methode zum Ausweis größerer Unterschiede zwischen den wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätzen führe und sich derartige Unterschiede auch nach Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mit den Besonderheiten des jeweiligen Betriebs erklären ließen, werde vermutet, dass Verkäufe und/oder Einkäufe nicht zutreffend in der Buchführung erfasst worden seien. Weil der Zeitreihenvergleich auf betrieblichen Daten beruhe, sei er einer Richtsatzschätzung grundsätzlich überlegen. Er lasse kaum Raum für Zweifel an der unzutreffenden Verbuchung der Erlöse. Grundlage der Hinzuschätzungen seien aber auch in diesem Fall nicht Schwarzeinkäufe, sondern die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.

19

Die Kläger hätten sich auf die Aufzählung möglicher Unsicherheiten dieser Schätzungsmethode beschränkt, aber nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen der bei ihnen konkret durchgeführte Zeitreihenvergleich zu falschen Ergebnissen geführt habe. Die Schätzung sei hinreichend begründet worden; alle Berechnungen seien den Klägern zur Verfügung gestellt worden. Die Verteilung des Warenendbestands sei Gegenstand mehrerer Besprechungen gewesen. Da es sich um betriebliche Daten handele, sei es an den Klägern, etwaige Einwendungen zu substantiieren.

Entscheidungsgründe

20

II.Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

21

Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass wegen vorhandener Mängel in der Buchführung des Klägers dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis besteht (dazu unten 1.). Der Zeitreihenvergleich weist allerdings im Vergleich zu anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden besondere Problembereiche auf (dazu unten 2.), die seine Anwendbarkeit sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Übernahme des sich aus einem Zeitreihenvergleich ergebenden "Mehrergebnisses" als Betrag der Hinzuschätzung der Höhe nach einschränken (unten 3.). Diese Einschränkungen hat das FG im Streitfall nicht in vollem Umfang beachtet (unten 4.), so dass die Sache an die Vorinstanz zurückgehen muss (unten 5.).

22

1. Das FA --und über § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auch das FG-- war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO zur Schätzung befugt, weil die Buchführung des Klägers der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann.

23

a) Das FG hat die folgenden formellen Buchführungsmängel festgestellt, deren Vorliegen mittlerweile zudem zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die allerdings von unterschiedlichem Gewicht sind:

24

aa) Die Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons für die Zeit vom 1. Januar bis zum 16. März 2001 ist ein formeller Mangel, der --bezogen auf diesen Zeitraum-- grundsätzlich als gravierend anzusehen ist, da die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht gesichert ist. Zwar konnten den Klägern konkrete Einnahmenverkürzungen nicht nachgewiesen werden. Sie haben ihre Behauptung, es handele sich um --für das Buchführungsergebnis unbeachtliche-- Leerbons, aber ebenfalls nicht belegen können.

25

bb) Die fehlende Datierung der Tagesendsummenbons des Jahres 2003 ist unter den Umständen des Streitfalls hingegen nur als eher geringfügiger formeller Mangel anzusehen. Die Bons sind lückenlos nummeriert, so dass sich daraus zumindest ihre zeitliche Reihenfolge zwingend ergibt. Der Kläger hat in seinen Aufzeichnungen die aufeinander folgenden Bons den aufeinander folgenden Öffnungstagen des Betriebs im Jahr 2003 zugeordnet. Zweifel an der Richtigkeit dieser Zuordnung hat auch das FA nicht vorgebracht.

26

cc) Auch das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stellt einen formellen Mangel dar. Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie insbesondere die Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO als "sonstige Organisationsunterlagen" aufbewahrungspflichtig. Dies hat die Finanzverwaltung schon lange vor den Streitjahren vertreten (z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 7. November 1995, BStBl I 1995, 738, Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996, BStBl I 1996, 34; zeitlich nach den Streitjahren auch BMF-Schreiben vom 26. November 2010, BStBl I 2010, 1342, und vom 14. November 2014, BStBl I 2014, 1450, Tz 111). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147 AO Rz 9, 26).

27

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bisher allerdings keine Gelegenheit, sich zu dem Gewicht dieses Mangels zu äußern. Der erkennende Senat vertritt hierzu die Auffassung, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichsteht. In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre. Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar; von derartigen Manipulationsmöglichkeiten machen Teile der betrieblichen Praxis nach dem Erkenntnisstand des Senats durchaus Gebrauch (zu einem solchen Fall z.B. Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 7. Januar 2015  5 V 2068/14; vgl. zum Ganzen auch Tz. 54 der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, BTDrucks 15/2020, 197 f.). Es ist daher von erheblicher Bedeutung, dass ein Betriebsprüfer --und ggf. auch ein FG-- sich davon überzeugen kann, wie die Kasse im Zeitpunkt ihrer Auslieferung und Inbetriebnahme programmiert war, sowie ob bzw. in welchem Umfang nach der Inbetriebnahme der Kasse spätere Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Für den Steuerpflichtigen überschreitet der mit der Dokumentation verbundene Aufwand die Grenze des Zumutbaren nicht. Beim Erwerb der Kasse kann er vom Verkäufer die Übergabe von Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen verlangen. Die Dokumentation späterer Umprogrammierungen verursacht jedenfalls einen geringeren Aufwand als die Umprogrammierung selbst.

28

Das Gewicht dieses Mangels tritt allerdings zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

29

dd) Keine sichere Grundlage bietet das angefochtene Urteil hingegen für die Beurteilung der Frage, welches Gewicht dem Fehlen von Kassenberichten für die Thekenkasse zukommt. Grundsätzlich ist die nur rechnerische Führung einer offenen Ladenkasse, die keine Kassensturzfähigkeit gewährleistet, als ein gravierender Mangel zu bewerten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12), der schon für sich genommen auch ohne Nachweis einer konkreten materiellen Unrichtigkeit zu Hinzuschätzungen berechtigen würde. Allerdings hat das FG für das Jahr 2002 --in dem hinsichtlich der Thekenkasse dieselben Mängel bestanden wie für die Jahre 2001 und 2003-- auf Bl. 17 des Urteils ausdrücklich das Vorliegen von Buchführungsmängeln verneint und insoweit der Klage stattgegeben (auf Bl. 13 Abs. 2 des Urteils heißt es demgegenüber noch, die Kassenführung genüge "hinsichtlich der Streitjahre 2001 bis 2003" nicht den Anforderungen). Damit bleibt unklar, welche Bedeutung das FG den --vom Betriebsprüfer ohnehin nicht erwähnten-- Mängeln bei der Führung der Thekenkasse zugemessen hat. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, dass das FG diesem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

30

ee) Ob die Speisekarte des Jahres 2001 im Streitfall gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig war, kann anhand der Feststellungen des FG ebenfalls nicht beurteilt werden. Speisekarten sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht generell aufbewahrungspflichtig, sondern nur dann, wenn sie zum Verständnis und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (ausführlich hierzu BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 26 ff.). Ob diese Voraussetzung im Betrieb des Klägers erfüllt war, hat das FG nicht festgestellt. Letztlich kommt es auf diese Frage im Streitfall aber nicht an, da jedenfalls die übrigen festgestellten formellen Mängel für die Bejahung einer Schätzungsbefugnis ausreichen (dazu noch unten c).

31

b) Konkrete materielle Mängel der Kassenbuchführung, insbesondere der Einnahmenerfassung, hat das FG nicht festgestellt.

32

Zwar stellt die fehlende Inventur für sich genommen einen materiellen Mangel dar, da der in der Buchführung ausgewiesene --offenbar lediglich griffweise geschätzte-- Betrag des Warenendbestands nicht dem tatsächlichen Wert der vorhandenen Waren entspricht und dadurch zugleich der Jahresgewinn verfälscht wird (vgl. zum Gewicht dieses Buchführungsmangels einerseits BFH-Urteil vom 14. Dezember 1966 VI 245/65, BFHE 87, 616, BStBl III 1967, 247; andererseits BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 109/70, BFHE 117, 224, BStBl II 1976, 210). Für die im vorliegenden Verfahren allein entscheidungserhebliche Frage der Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung (Vollständigkeit der Einnahmenerfassung) ist dieser materielle Mangel indes ohne Bedeutung, da die Unrichtigkeit des Warenendbestands keine Wechselwirkung mit der Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen aufweist.

33

c) Aufgrund der festgestellten formellen Mängel entspricht die Buchführung des Klägers nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO, so dass ihr nicht die Beweiskraftwirkung des § 158 AO zukommt. Dies würde nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO bereits zur Schätzung berechtigen.

34

Allerdings berechtigen formelle Buchführungsmängel nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34). Dies ist vorliegend der Fall. Das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse ist --wie dargestellt-- als gewichtiger Mangel anzusehen, der den gesamten Streitzeitraum betrifft. Dass die Registrierkasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, hat der Kläger nicht dargelegt. Für einen Teil des Jahres 2001 kommt noch das Fehlen eines Teils der Tagesendsummenbons als ebenfalls gewichtiger Mangel hinzu.

35

2. Zwar waren FA und FG danach im Streitfall zur Schätzung befugt. Die von ihnen gewählte Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs (zur Beschreibung dieser Methode unten a) ist allerdings sowohl unter methodischen Aspekten (dazu unten b) als auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten (unten c) nicht unproblematisch.

36

a) Der Zeitreihenvergleich stellt im Grundsatz eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode dar; er ist dem Bereich der Strukturanalysen zuzurechnen (grundlegend zur Nutzung von Strukturanalysen in der Außenprüfung unter besonderer Berücksichtigung des Zeitreihenvergleichs Huber, Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2002, 199, 233, 258, 293; Wähnert, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 2774; Rau, Statistisch-mathematische Methoden der steuerlichen Betriebsprüfung und die Strukturanalyse als ergänzende Alternative, Köln 2012; speziell zum Zeitreihenvergleich Högemann, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2000, 585; Wiggen, StBp 2008, 168; Vogelsang, BP-Handbuch, München 2008, I Rz 33 ff.; Brinkmann, Schätzungen im Steuerrecht, Berlin 2015, S. 278 ff.).

37

Prinzipiell sind zahlreiche Varianten eines Zeitreihenvergleichs denkbar. Die im vorliegenden Verfahren angewendete Methode stellt jedoch ausweislich der recht großen Zahl der hierzu ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen die Standardherangehensweise der Finanzverwaltung dar (zu weiteren Varianten des Zeitreihenvergleichs vgl. Schumann/Wähnert, Steuerberatung 2012, 535). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass für jede Woche eines Kalenderjahres sowohl der wöchentliche Wareneinsatz als auch der Betrag der wöchentlichen Einnahmen ermittelt wird. Aus dem Vergleich dieser beiden Größen ergibt sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz. Die Finanzverwaltung sieht nun den höchsten Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum des Kalenderjahres ergibt, als maßgebend für das Gesamtjahr an. Da in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen in aller Regel keine Daten vorhanden sind, aus denen sich die wöchentlichen Wareneinsätze entnehmen ließen, versucht die Finanzverwaltung, diese Größen im Wege der Schätzung aus einer Verteilung der aus den Eingangsrechnungen ersichtlichen Wareneinkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Ware zu gewinnen. Ferner wird der Wareneinkauf um Personalbeköstigungen, Waren-Sachentnahmen und Warenbestandsveränderungen bereinigt.

38

b) Der Zeitreihenvergleich weist gegenüber anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden einige technisch bedingte Besonderheiten auf, die zumindest eine vorsichtige Interpretation seiner Ergebnisse gebieten.

39

aa) Auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung führt ein Zeitreihenvergleich denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, da der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres auf den Wareneinsatz für das gesamte Jahr angewendet wird. Weil eine absolute Konstanz der wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätze in der Praxis auch bei Betrieben mit relativ geringer Lagerhaltung nicht vorkommt, muss der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres denknotwendig über dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Gesamtjahres liegen, selbst wenn dieser sich aus einer zutreffenden Buchführung ergibt (ebenso bereits FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004  8 V 3055/04 G, EFG 2004, 1810, rechtskräftig). Andere Schätzungsmethoden (z.B. Aufschlagkalkulation, Geldverkehrsrechnung) weisen diese systembedingte Besonderheit nicht auf, da sie das Ergebnis einer zutreffenden Buchführung im Regelfall bestätigen --nicht aber widerlegen-- werden.

40

Daraus folgt, dass die vom FA in den Vordergrund seiner Argumentation gestellte Eignung des Zeitreihenvergleichs zur Feststellung von Doppelverkürzungen sowohl dem Grunde nach als auch zur Ermittlung ihres Umfangs der Höhe nach nicht frei von Zweifeln ist:

41

(1) Übersteigt der höchste Rohgewinnaufschlagsatz einer Zehn-Wochen-Periode den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres, steht allein mit diesem Befund grundsätzlich noch nicht mit der für eine Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderlichen Sicherheit fest, dass die rechnerische Differenz gerade auf dem Verschweigen von Erlösen beruht. Vielmehr lässt sich bei einem solchen Ergebnis --ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte-- zunächst einmal nicht ausschließen, dass es durch die dargestellte methodische Besonderheit des Zeitreihenvergleichs hervorgerufen sein könnte. Soweit das FA --und sinngemäß wohl auch das FG-- die Auffassung vertritt, ein sich aufgrund eines Zeitreihenvergleichs ergebendes Mehrergebnis lasse "kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse nicht richtig verbucht seien" (ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2007  16 V 4691/06 A(E,U,F), EFG 2007, 814, rechtskräftig, unter II.2.d, und Urteil vom 20. März 2008  16 K 4689/06 E,U,F, EFG 2008, 1256, rechtskräftig, unter 3.d), kann der Senat dem daher nicht folgen.

42

(2) Auch auf der anderen Seite des Spektrums möglicher Manipulationen dürfte eine Verprobung mittels eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen geeignet sein, jedenfalls den Einsatz einer technisch fortgeschrittenen Manipulationssoftware aufzudecken. Vielmehr ist eine derartige Software durchaus in der Lage, das Verhältnis zwischen den manipulierten Wareneinkäufen und den Erlösen so zu gestalten, dass die Rohgewinnaufschlagsätze auch im Wochenvergleich nur in einem Rahmen schwanken, der von Betriebsprüfern üblicherweise noch für plausibel gehalten wird.

43

(3) Ein empirischer Nachweis der Eignung dieser Verprobungsmethode zur sicheren Aufdeckung von Steuerverkürzungen --insbesondere der mit anderen Methoden nur schwer aufzudeckenden sog. "Doppelverkürzungen" sowohl der Wareneinkäufe als auch der Erlöse-- ist nach dem Kenntnisstand des Senats bisher nicht geführt worden. Insbesondere ist in den bisher von den Finanzgerichten veröffentlichten Entscheidungen allein aus einer sich mittels eines Zeitreihenvergleichs ergebenden Hinzuschätzung in keinem Fall ausdrücklich darauf geschlossen worden, dass der Steuerpflichtige Doppelverkürzungen begangen hat. Das FA hat in seiner Revisionserwiderung zwar --ohne Angabe von Nachweisen-- angeführt, der Zeitreihenvergleich werde von Wirtschaftsprüfern bereits langjährig zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Welchem Ziel diese Analysen dienen sollen und wie die Belastbarkeit ihrer Ergebnisse von den beteiligten Fachkreisen eingeschätzt wird, hat es aber nicht vorgetragen.

44

bb) Zudem werden die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang durch mathematische "Hebelwirkungen" beeinflusst.

45

(1) Dies verdeutlicht im Streitfall beispielhaft eine Betrachtung der Verhältnisse des Jahres 2001: Hier war für das FA und FG der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 23 bis 32 maßgebend. Dabei ergaben sich vor allem für die beiden am Ende dieser Zehn-Wochen-Periode liegenden Kalenderwochen 31 und 32 sehr hohe rechnerische Rohgewinnaufschlagsätze (412 % bzw. 360 %), die damit zugleich auch den Zehn-Wochen-Durchschnitt in die Höhe trieben. Zöge man stattdessen die Kalenderwochen 21 bis 30 heran, würde sich lediglich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von 209,60 % ergeben (statt der vom FA und FG herangezogenen 241,54 %). Hier hätte also bereits eine Verschiebung des Betrachtungszeitraums um nur zwei Wochen erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung.

46

(2) Für das Streitjahr 2003 hat sich der Zeitraum von der 28. bis zur 37. Kalenderwoche vor allem wegen der zu Beginn dieses Zeitraums liegenden 28. Kalenderwoche als Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres dargestellt (263,42 %). Für diese 28. Kalenderwoche ergibt sich wegen eines recht geringen Wareneinkaufs ein rechnerischer Rohgewinnaufschlagsatz von 340,68 %. Ordnet man demgegenüber den Wareneinkauf der Vorwoche (27. Kalenderwoche: 1.552,46 €) zu 50 % der 28. Kalenderwoche zu, ergäbe sich die folgende Berechnung:

-       

neuer Wareneinsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 14.030,65 € + 50 % von 1.552,46 € = 14.806,88 €

-       

neuer Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 244,37 %

-       

Brutto-Hinzuschätzung: 31.752,96 € (statt 45.728,46 €; d.h. 31 % weniger als bisher).

47

Dies zeigt, dass bereits eine Veränderung in der Zuordnung der Einkäufe nur einer einzigen Woche erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Zehn-Wochen-Periode hat. Noch größere Auswirkungen würden sich an dieser Stelle zeigen, wenn der außergewöhnlich hohe Wareneinkauf der 26. Kalenderwoche (2.807,88 €) beispielsweise zu 1/3 der 28. Kalenderwoche zugeordnet würde.

48

(3) Nun ist dem Senat durchaus bewusst, dass der Zeitreihenvergleich gerade darauf basiert, das höchste --und nicht etwa das zweit- oder dritthöchste oder ein noch anderes-- Ergebnis aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres als maßgebend für das Gesamtjahr anzusehen. Die aufgezeigte Hebelwirkung insbesondere hoher rechnerischer Wochen-Rohgewinnaufschlagsätze am Anfang oder Ende des herausgegriffenen Zehn-Wochen-Zeitraums macht aber deutlich, wie wesentlich die sorgfältige Ermittlung der Schätzungsgrundlagen --vor allem des Wareneinkaufs und seiner Verteilung zum Zwecke der Gewinnung des Wareneinsatzes-- gerade am Anfang und am Ende dieses Zeitraums für eine methodisch korrekte Durchführung eines Zeitreihenvergleichs ist (dazu noch unten 3.c; vgl. hierzu auch Beschluss des FG Münster vom 11. Februar 2000  9 V 5542/99 K,U,F, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 549, rechtskräftig). Dabei ist hinsichtlich des systematischen Verständnisses des Zeitreihenvergleichs darauf hinzuweisen, dass der --für diese Schätzungsmethode grundlegende-- Wareneinsatz eben nicht den eigenen Buchführungsdaten des Steuerpflichtigen entnommen wird, sondern diese Größe im Wege der mehr oder weniger ungenauen Schätzung aus einer Verteilung des Wareneinkaufs abgeleitet wird (ebenso bereits zutreffend FG Köln, Urteil vom 27. Januar 2009  6 K 3954/07, EFG 2009, 1092, rechtskräftig, unter II.3.). Anders wäre es nur, wenn der gesamte Warenbestand durch ein ausgefeiltes Warenwirtschaftssystem verwaltet würde, was in den meisten Betrieben der "Bargeldbranche" aber nicht der Fall ist.

49

c) Auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs der Steuerpflichtigen auf einen effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) ist der Zeitreihenvergleich nicht frei von methodenspezifischen Bedenken. Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung --insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung-- möglich ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 24). Dabei müssen sowohl die Kalkulationsgrundlage --und damit auch die spezifischen Daten, auf denen der Zeitreihenvergleich basiert-- als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 2.b, und vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 4.c).

50

aa) Für die Steuerpflichtigen, ihre Berater und auch die Finanzgerichte sind die Ergebnisse mathematisch-statistischer Methoden, zu denen auch der Zeitreihenvergleich gehört, wegen der dabei anfallenden umfangreichen Datenmengen nur beschränkt nachprüfbar. So umfasst im Streitfall allein die vom Betriebsprüfer erstellte --und für die Richtigkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs grundlegende-- Aufgliederung der Wareneinkäufe bereits für den relativ kleinen Betrieb des Klägers und nur für das Streitjahr 2001 eine Excel-Tabelle mit ca. 1 100 Zeilen zu je 10 Spalten, d.h. insgesamt ca. 11 000 Eintragungen. Die Nachvollziehbarkeit dieser Datenaufbereitung des Prüfers wird noch dadurch erschwert --bzw. in Teilbereichen sogar ausgeschlossen--, dass die Tabelle weder chronologisch noch nach den einzelnen Lieferanten geordnet ist. Für das Gericht ist daher weder nachprüfbar, ob der Prüfer den Wareneinkauf zutreffend auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, noch ist --hier mit Ausnahme allenfalls des Biereinkaufs-- erkennbar, ob sich bestimmte Einkaufsmuster im Betrieb des Klägers regelmäßig wiederholen oder nicht.

51

Hinzu kommt, dass das FA im Streitfall noch nicht einmal das vollständige Zahlenwerk vorgelegt hat. Insbesondere ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, wie der Prüfer den sich aus den Eingangsrechnungen ergebenden Wareneinkauf auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, obwohl vor allem dieser Punkt zwischen den Beteiligten umstritten ist. Gerade die Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer --bzw. durch die eingesetzte Software-- wird im Regelfall aber den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen. Die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vom Prüfer notwendigerweise vorgenommenen Wertungen --Datenmaterial zur wochenweisen Verteilung des Wareneinsatzes existiert im Betrieb in aller Regel nicht, zumal es keine gesetzliche Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Aufzeichnungen gibt-- ist für den Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung, um Fehler oder Unsicherheiten in der vom Prüfer vorgenommenen Verteilung aufzeigen zu können. Derartige Fehler können --insbesondere wenn sie dem Prüfer am Anfang oder Ende der von ihm herausgegriffenen Zehn-Wochen-Periode unterlaufen-- aufgrund des aufgezeigten mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren. Auch für das Gericht ist der Einblick in den Verteilungsvorgang wesentlich, um Erkenntnisse über die Größenordnung der im konkreten Fall anzunehmenden Fehlermarge des Zeitreihenvergleichs zu gewinnen.

52

bb) Die Finanzbehörde versetzt sich durch die Anwendung solcher mathematisch-statistischer Methoden aufgrund des ihnen innewohnenden Datenüberschusses daher in eine gewisse technisch-rechnerische Überlegenheit gegenüber dem Steuerpflichtigen. Dieser steht nun --jedenfalls nach Auffassung der Verwaltung-- in der Pflicht, "Auffälligkeiten" in den Ergebnissen des Zahlenwerks zu erklären bzw. zu widerlegen, verfügt aber, ohne dass ihm dies rechtlich vorzuwerfen wäre, möglicherweise gar nicht über das umfangreiche Zahlenmaterial --oder auch über das statistisch-methodische Wissen--, das erforderlich wäre, um eine sachgerechte Analyse der Datenmengen vornehmen zu können.

53

cc) Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass in Fällen der Anwendung eines Zeitreihenvergleichs die Finanzämter häufig schon ihre Darlegungspflichten nicht erfüllen, indem sie den Steuerpflichtigen und Finanzgerichten nicht alle Daten zur Verfügung stellen, die für eine vollständige Überprüfung des Zahlenwerks erforderlich sind. Auf der anderen Seite verbleiben aber selbst bei vollständiger Aufdeckung des Zahlenwerks rechtsstaatliche Bedenken, da die dann gelieferten Datenmengen so groß sind, dass eine grundlegende Überprüfung durch die Gerichte kaum zu leisten sein dürfte.

54

3. Aus diesen Befunden --so sensibel sie unter den aufgezeigten Aspekten der folgerichtigen Methodik und des effektiven Rechtsschutzes sein mögen-- folgt für den Senat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes allerdings nicht das Ergebnis, die Methode des Zeitreihenvergleichs grundsätzlich zu verwerfen. Vielmehr besteht auf Seiten der Finanzverwaltung ein durchaus nachvollziehbares Bedürfnis, moderne Prüfungsmethoden --zu denen in geeigneten Fällen auch mathematisch-statistische Methoden gehören können-- einzusetzen. Denn auch umgekehrt verschafft sich ein Teil der Steuerpflichtigen durch ausgefeilt geplante Doppelverkürzungen und/oder den Einsatz von Manipulationssoftware, die die Aufdeckungsmöglichkeiten herkömmlicher Prüfungsmethoden minimieren, technische Vorteile gegenüber der Finanzverwaltung (vgl. dazu bereits oben 1.a cc). Hierauf darf und muss die Außenprüfung im Interesse der Wahrung der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) reagieren, und zwar auch im Wege der Entwicklung und Anwendung neuartiger Prüfungsmethoden.

55

Die aufgezeigten Problembereiche lassen allerdings erkennen, dass der Zeitreihenvergleich für bestimmte Betriebstypen oder bestimmte betriebliche Situationen schon dem Grunde nach keine geeignete Schätzungsmethode darstellt (dazu unten a). Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach als geeignete Methode anzusehen ist, sind seine Ergebnisse --in Abhängigkeit vom Grad der Fehlerhaftigkeit der Buchführung des Steuerpflichtigen und vom Umfang der im jeweiligen Einzelfall in Bezug auf die vollständige Erfassung der Erlöse vorliegenden sonstigen Erkenntnisse-- ggf. nur eingeschränkt für die Höhe der Hinzuschätzung zu übernehmen (unten b). In jedem Fall ist wegen der erheblichen Hebelwirkung methodischer Fehler, die bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs unterlaufen, auf eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen zu achten (unten c).

56

a) Bei bestimmten Betriebstypen oder in bestimmten betrieblichen Situationen scheidet der Zeitreihenvergleich schon dem Grunde nach als geeignete Schätzungsmethode aus. So basiert er entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb des Steuerpflichtigen das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum --der allerdings nicht notwendig ein volles Kalenderjahr umfassen muss (z.B. bei Saisonbetrieben)-- weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitgehenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft.

57

Auch darf es im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die --nicht anderweitig behebbare-- wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.

58

Diese Einschränkungen sind --abstrakt gesehen-- weitestgehend unstreitig und werden, soweit für den Senat ersichtlich, von der Finanzverwaltung im Allgemeinen auch schon bisher bei der Anwendung dieser Verprobungsmethode beachtet.

59

b) Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach eine geeignete Verprobungsmethode darstellt, kann er gleichwohl gegenüber anderen Methoden nachrangig sein bzw. können seine Ergebnisse nur unter Beachtung der nachfolgend (unter aa bis cc) dargestellten Abstufungen der Schätzung zugrunde gelegt werden.

60

Rechtliche Grundlage dieser Einschränkungen ist die Vorschrift des § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Wahlfreiheit des FA bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, unter 1.c). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des FA bzw. FG (vgl. BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b). Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig.

61

Darin liegt keine Abweichung von der --vom FA angeführten-- Rechtsprechung, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. März 2005 X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a, und vom 27. Januar 2009 X B 28/08, BFH/NV 2009, 717, unter 3.b). Denn dies lässt die Geltung der Grundsätze für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unberührt. Im Übrigen betrafen diese Entscheidungen Fälle, in denen der Steuerpflichtige begehrte, das Ergebnis einer ordnungsgemäß angewendeten Schätzungsmethode durch Anwendung einer anderen, jedoch nicht vorrangigen oder besser geeigneten Methode zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b, und in BFH/NV 2009, 717, unter 3.b: keine Überprüfung einer Aufschlagkalkulation durch eine Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung erforderlich; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a: keine Überprüfung einer Geldverkehrsrechnung durch eine Nachkalkulation erforderlich). Darum geht es vorliegend indes nicht.

62

aa) Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder --wie in dem Fall, der dem Urteil des FG Köln in EFG 2009, 1092 zugrunde lag-- nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit geführt werden. Diese Einschränkung ist notwendige Folge des Befunds, dass ein Zeitreihenvergleich auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung stets zu einem rechnerischen "Mehrergebnis" führen wird, ein solches rechnerisches Mehrergebnis allein also kein hinreichendes Indiz für eine unvollständige Erfassung von Einnahmen darstellen kann (dazu oben 2.b aa). Schon die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung nur entkräftet ist, wenn das FA nachweist, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann; an die Methodik einer solchen Schätzung sind wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als in Fällen, in denen wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin eine Schätzung der Einnahmen durchgeführt werden muss (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719, unter 2. vor a).

63

bb) Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen --so ist der Streitfall nach den Feststellungen des FG gelagert--, ist das FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zwar dem Grunde nach zur Vornahme von Hinzuschätzungen berechtigt, weil die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO nicht gilt. Allein die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs lassen aufgrund der dieser Verprobungsmethode innewohnenden methodenbedingten Unsicherheiten aber noch keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen und den Umfang auch materieller Unrichtigkeiten der Buchführung zu.

64

In diesen Fällen sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen (z.B. Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung, Aufschlagkalkulation) grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden --etwa wegen fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen oder eines zu hohen Grades an Komplexität seiner betrieblichen oder sonstigen finanziellen Verhältnisse-- nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden.

65

Diese Ergebnisse sind vom FA und FG aber --auch von Amts wegen-- stets auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen, soweit diese bekannt sind (ebenso Schuster in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 158 AO Rz 17). Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des "Mehrergebnisses" hinausgeht, das sich rechnerisch bei Anwendung des höchsten Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes darstellt.

66

cc) Steht hingegen bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist (z.B. nicht gebuchte Wareneinkäufe, nachweislich unversteuerte Betriebseinnahmen, rechnerische Kassenfehlbeträge usw.), und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit der Buchführung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist.

67

c) Hinsichtlich seiner technischen Durchführung setzt der Zeitreihenvergleich als mathematisch-statistische Methode eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen (Ausgangsparameter) voraus, zumal schon nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für sie von Bedeutung sind. Jedenfalls die Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten durch den Prüfer muss frei von Fehlern sein. Zwar gehen auch bei dieser Schätzungsmethode Unsicherheiten, die auf unzureichenden Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen beruhen, zu dessen Lasten (allgemein hierzu BFH-Urteil in BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Da solche Unsicherheiten aber aufgrund der dem Zeitreihenvergleich innewohnenden Hebelwirkung erheblich verstärkt auf das Schätzungsergebnis "durchschlagen", ist in derartigen Fällen auch dann, wenn die Unsicherheiten auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen beruhen, jedenfalls eine Plausibilitätsprüfung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs vorzunehmen, die sich nicht allein auf einen summarischen Vergleich mit den amtlichen Richtsätzen beschränken darf.

68

Ferner wird das Zahlenwerk des Prüfers im Regelfall die Umschlaghäufigkeit der einzelnen Waren bzw. Warengruppen erkennen lassen müssen. Dies ist erforderlich, um eine hinreichend tragfähige Einschätzung zu gewinnen, ob die Grundvoraussetzung für die sinnvolle Durchführung eines Zeitreihenvergleichs --eine zu vernachlässigende bzw. zumindest hinreichend konstante Lagerhaltung-- erfüllt ist. Auch muss der vorhandene Warenbestand in sachgerechter Weise, die vor allem die Besonderheiten des geprüften Betriebs berücksichtigt, in die Betrachtung einbezogen werden.

69

Sollten die vorstehenden Anforderungen im Einzelfall nicht beachtet werden können, ist zumindest eine Vergleichsrechnung (Sensitivitätsanalyse) anzustellen. Diese muss verdeutlichen, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern --vor allem solche Unsicherheiten, die darauf beruhen, dass der Zeitreihenvergleich auf einem Vergleich der wöchentlichen Wareneinsätze beruht, zu deren exakter Ermittlung der Steuerpflichtige aber von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist-- auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können. Eine solche Sensitivitätsanalyse gehört dann, wenn sie durch vorhandene Unsicherheiten geboten ist, bereits zu den formellen Anforderungen, die an die technisch korrekte Durchführung des Zeitreihenvergleichs zu stellen sind. Sie ist daher vom FA von Amts wegen durchzuführen und vorzulegen, damit der Steuerpflichtige, sein Berater, das FG, aber auch das FA selbst den Umfang der im Einzelfall möglichen Fehlermarge einschätzen können. Allerdings ist das FA --in Abhängigkeit vom Gewicht der formellen und der schon ohne den Zeitreihenvergleich zutage tretenden materiellen Mängel der Buchführung des Steuerpflichtigen-- nicht gehalten, sein Schätzungsergebnis stets an der zugunsten des Steuerpflichtigen äußersten Grenze der Fehlermarge zu orientieren.

70

4. Im Streitfall hat das FG bei seiner Entscheidung nicht alle rechtlichen Anforderungen beachtet, die an die Anwendung und Durchführung eines Zeitreihenvergleichs zu stellen sind.

71

a) Das FG hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die (erneute) Eröffnung des Betriebs des Klägers im Jahr 2003 als Änderung in der Betriebsstruktur anzusehen ist, die wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringt (vgl. die Ausführungen oben 3.a).

72

aa) Insbesondere der Umstand, dass im Zeitpunkt der Betriebseröffnung ausweislich der vom Betriebsprüfer zugrunde gelegten Zahlen kein Warenbestand vorhanden war, hätte Anlass geben müssen, die Eignung des Zeitreihenvergleichs im konkreten Fall --zumindest aber die vom FA vorgenommene gleichmäßige Verteilung des Aufbaus des zum ersten folgenden Bilanzstichtag vorgefundenen Warenendbestands auf sämtliche Kalenderwochen zwischen der Betriebseröffnung und dem Jahresende-- einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Dass die Art und Weise der Verteilung des Warenbestandsaufbaus von erheblicher Bedeutung für das Ergebnis des Zeitreihenvergleichs ist, folgt schon aus dem Umstand, dass der (geschätzte) Warenendbestand von 10.800 € sich auf immerhin 13 % des gesamten Wareneinsatzes von 84.858,93 € beläuft. Ein Unsicherheitsfaktor im Umfang von 13 % des Wareneinsatzes kann aufgrund der erheblichen Hebelwirkung dieses Berechnungsfaktors aber zu Schwankungsbreiten der einzelnen Wochenwerte führen, die die Verwertbarkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs insgesamt in Frage stellen.

73

Zwar ist die unterbliebene Inventur als eine Verletzung von Mitwirkungspflichten anzusehen, aus der der Kläger grundsätzlich keine Vorteile ziehen darf. Hinsichtlich der Verteilung des Warenbestandsaufbaus auf die einzelnen Wochen des Jahres gibt es jedoch keine besonderen Aufzeichnungs- oder sonstige Mitwirkungspflichten. FA und FG sind daher auch im Falle des pflichtwidrigen Unterlassens einer Inventur gehalten, den in der Bilanz ausgewiesenen Warenendbestand im Rahmen der Durchführung eines Zeitreihenvergleichs nach sachgerechten Kriterien auf die einzelnen Wochen des Jahres zu verteilen.

74

bb) Bei Betrachtung des --vom FG festgestellten und daher für den erkennenden Senat revisionsrechtlich in vollem Umfang verwertbaren-- Zahlenwerks des vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleichs springt ins Auge, dass die vom Betriebsprüfer ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze für die ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung sehr niedrig sind. Dies deutet darauf hin, dass bereits in diesen Wochen ein erheblicher Teil des Warenbestands aufgebaut wurde. Eine solche Annahme erscheint auch in tatsächlicher Hinsicht als durchaus plausibel, zumal die vom FA und FG zugrunde gelegte abweichende Auffassung, der Warenbestand sei während des Jahres gleichmäßig bis zum Erreichen des in der Bilanz ausgewiesenen Endbestands angewachsen, für die ersten Wochen nach Betriebseröffnung zu Ergebnissen führen würde, die nicht realitätsgerecht erscheinen. So hätte der Kläger z.B. in der ersten Woche nach der Betriebseröffnung mit einem Warenbestand im Wert von lediglich 245 € wirtschaften und auskommen müssen, was --insbesondere angesichts der von der Kundschaft eines Gastronomiebetriebs dieser Art erwarteten Auswahl zwischen verschiedenen Alkoholika-- auszuschließen sein dürfte. Wird aber ein größerer Teil des Warenbestandsaufbaus als bisher den ersten Wochen nach der Betriebseröffnung zugeordnet, würden die --sehr niedrigen-- vom Prüfer für diesen Zeitraum errechneten Rohgewinnaufschlagsätze steigen. Korrespondierend dazu würden sich die Rohgewinnaufschlagsätze sämtlicher Folgewochen --darunter auch die Werte in den vom FA herangezogenen Kalenderwochen 28 bis 37-- entsprechend mindern, was einen unmittelbaren und erheblichen Einfluss auf das Schätzungsergebnis hätte.

75

cc) Werden nun beispielsweise 70 % des gesamten Warenbestandsaufbaus den ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung zugeordnet und die verbleibenden 30 % des Bestandsaufbaus gleichmäßig auf die restlichen Wochen des Jahres 2003 verteilt --was zwar ebenfalls eine Sachverhaltsunterstellung und damit eine Schätzung darstellt, die aber deutlich realitätsnäher sein dürfte als die vom FA und FG vorgenommene Verteilung--, ergibt sich die folgende Neuberechnung:

76

(1) Der Betriebsprüfer hat für die ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung (Kalenderwochen 10 bis 19/2003) einen Wareneinsatz von 19.536,01 € zugrunde gelegt. Im Wege des Vergleichs mit den in diesen Wochen erzielten Einnahmen (45.019,02 €) hat er einen Zehn-Wochen-Durchschnitts-Rohgewinnaufschlagsatz von 130,44 % ermittelt (45.019,02 € ÷ 19.536,01 € ./. 100 %). Bei Ermittlung des genannten Wareneinsatzes hat der Prüfer einen Warenbestandsaufbau im Umfang von 10 x 245,45 € (insgesamt 2.454,50 €) mindernd berücksichtigt. Ohne Minderung um den verteilten Warenendbestand hätte sich der Wareneinsatz der Kalenderwochen 10 bis 19/2003 daher auf 21.990,51 € belaufen.

77

(2) Für den Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz (Kalenderwochen 28 bis 37/2003) hat der Prüfer einen Wareneinsatz von 14.030,65 € sowie Einnahmen von 50.990,05 € ermittelt. Daraus ergab sich der für das Gesamtjahr zugrunde gelegte höchste Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %. Ohne Minderung um den gleichmäßig auf alle Wochen des Jahres verteilten Warenendbestand (2.454,50 €) hätte der Wareneinsatz sich auf 16.485,15 € belaufen.

78

(3) Werden nun 70 % des gesamten Warenbestandsaufbaus des Jahres auf die ersten zehn Kalenderwochen verteilt, ist insoweit ein Betrag von 7.560 € zu berücksichtigen (70 % von 10.800 €). Der Wareneinsatz dieser Periode würde sich auf 14.430,51 € belaufen (21.990,51 € unbereinigter Wareneinsatz ./. 7.560 € Warenbestandsaufbau). Angesichts der aufgezeichneten Einnahmen von 45.019,02 € ergibt sich ein Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatz von 211,97 %. Dieser Wert erscheint erheblich plausibler als der vom Prüfer ermittelte --im Jahresvergleich äußerst geringe-- Wert von 130,44 %, für den weder das FA noch das FG eine Erklärung angeführt haben.

79

(4) Die verbleibenden 30 % (3.240 €) des Warenbestandsaufbaus sind nun auf die Kalenderwochen 20 bis 53/2003 zu verteilen (34 Wochen, d.h. 95,29 € pro Woche). Der Wareneinsatz für die Kalenderwochen 28 bis 37/2003 beläuft sich danach auf 15.532,25 € (16.485,15 € unbereinigter Wareneinsatz ./. 10 x 95,29 € Warenbestandsaufbau). Bei Einnahmen von 50.990,05 € ergibt sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 228,29 %. Dieser Wert stellt zwar immer noch den höchsten aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres 2003 dar, liegt aber deutlich unterhalb des vom FA und FG angenommenen Wertes von 263,42 %.

80

(5) Der Betrag des rechnerischen Brutto-"Mehrergebnisses" für das Jahr 2003 würde sich damit schon allein aufgrund dieser einzelnen Korrektur von 45.728,46 € auf 19.955,32 € --also um über 56 %-- mindern.

81

b) Das FG hat ferner offensichtliche Fehler im Zahlenwerk des Betriebsprüfers unbeanstandet gelassen, obwohl die Durchführung des Zeitreihenvergleichs zwingend eine fehlerfreie Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten erfordert (vgl. dazu oben 3.c).

82

aa) So hat der Prüfer in seiner zusammenfassenden Berechnung für das Jahr 2001 vom Kläger erklärte Einnahmen in Höhe von 657.095,38 DM angesetzt (dies entspricht den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Werten ohne die Konten "Erlöse" und "Gutscheine" sowie ohne Sachentnahmen). Im Rahmen des Zeitreihenvergleichs hat er hingegen nur einen Gesamt-Einnahmenbetrag von 656.231,89 DM auf die einzelnen Kalenderwochen des Jahres 2001 verteilt. Bei korrekter Durchführung des Zeitreihenvergleichs müssen diese beiden Werte aber zwingend identisch sein.

83

Dieselbe Auffälligkeit ergibt sich für das Jahr 2003: Der Prüfer geht in der zusammenfassenden Berechnung von erklärten Erlösen in Höhe von 220.905,86 € aus (was mit den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Werten --ohne Sachentnahmen-- übereinstimmt), setzt im Zeitreihenvergleich aber nur Erlöse von 220.447,93 € an.

84

Diese vom FA nicht erläuterten Differenzbeträge --die nicht mehr mit bloßen Rundungsdifferenzen zu erklären sind-- deuten darauf hin, dass dem Prüfer bei der Erfassung der vom Kläger erklärten Erlöse oder bei ihrer Verteilung auf die einzelnen Kalenderwochen Fehler unterlaufen sind. Diese Fehler sind aufklärungsbedürftig; der erkennende Senat ist mangels Vorlage des vollständigen Rechenwerks durch das FA aber nicht in der Lage, die Fehlerursache selbst näher zu ergründen. Zwar sind die Differenzbeträge nicht allzu hoch. Sollten sie aber gerade die Zehn-Wochen-Zeiträume mit den jeweils höchsten Rohgewinnaufschlagsätzen der beiden Streitjahre betreffen, könnten sie aufgrund der dem Zeitreihenvergleich innewohnenden rechnerischen Hebelwirkung gleichwohl erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung haben.

85

bb) Für das Jahr 2001 geht der Prüfer im Rahmen seines Zeitreihenvergleichs von einem Wareneinkauf (vor Korrektur um den Eigen- und Personalverbrauch) von 225.525,55 DM aus. In der Gewinn- und Verlustrechnung des Klägers ist hierfür allerdings ein Betrag von 227.614,05 DM ausgewiesen. Wäre dieser höhere Betrag im Rahmen des Zeitreihenvergleichs angesetzt worden, hätte sich zugunsten der Kläger ein geringerer Rohgewinnaufschlagsatz ergeben.

86

Gleiches gilt für das Jahr 2003: Der Prüfer hat einen Wareneinkauf von 94.347,15 € angesetzt, während sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung (ohne Bestandsveränderung) ein Wert von 95.658,93 € ergibt.

87

cc) Für das Jahr 2001 ist die Vorgehensweise des Prüfers zudem insoweit inkonsequent, als er zwar in seiner zusammenfassenden Berechnung die zwischen dem Jahresanfang und dem Jahresende eingetretene Veränderung des Warenbestands berücksichtigt hat, nicht aber im wochenweisen Zahlenwerk des Zeitreihenvergleichs.

88

Zwar ist die betragsmäßige Auswirkung dieses Fehlers angesichts der nur geringen im Laufe des Jahres 2001 eingetretenen Bestandsveränderung nicht allzu bedeutsam. Die in mehrfacher Hinsicht erkennbar fehlende innere Konsistenz des Zahlenwerks des Prüfers hätte dem FG aber Anlass geben müssen, dieses insgesamt genauer zu überprüfen.

89

c) Ferner hat das FG die Berücksichtigung der vorgelegten Geldverkehrsrechnungen im Wesentlichen mit der Erwägung abgelehnt, ihnen lägen die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde, die aber wegen der fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht angesetzt werden dürften.

90

Diese Argumentation ist nicht frei von Denkfehlern. Wäre sie richtig, dann verbliebe für die --von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte-- Methode der Geldverkehrsrechnung praktisch kein Anwendungsbereich mehr, da diese typischerweise gerade dann zum Einsatz kommt, wenn zumindest ein Anfangsverdacht der unvollständigen Erklärung der Erlöse besteht. Die Geldverkehrsrechnung dient in solchen Fällen gerade dem Nachweis, dass der im Prüfungszeitraum zu beobachtende Geldverkehr mit den erklärten (geringen) betrieblichen Erlösen nicht in Einklang zu bringen ist.

91

Wenn das FG aufgrund des Zeitreihenvergleichs davon überzeugt war, dass der Kläger tatsächlich höhere Betriebseinnahmen erzielt hatte als er in den Steuererklärungen und den von ihm vorgelegten Geldverkehrsrechnungen angegeben hatte, wären diese höheren Einnahmen --zur Vermeidung von Widersprüchen bei der Anwendung verschiedener Schätzungsmethoden-- auch in den Geldverkehrsrechnungen anzusetzen gewesen. Damit wären die frei verfügbaren Beträge aber noch deutlich höher ausgefallen als bereits in den von den Klägern vorgelegten Geldverkehrsrechnungen, was sich bei Zugrundelegung dieser Schätzungsmethode zugunsten der Kläger ausgewirkt hätte. Der Umstand, dass das FG vom Vorhandensein zusätzlicher Betriebseinnahmen überzeugt war, reicht daher allein noch nicht zur vollständigen Verwerfung der Geldverkehrsrechnung aus. Vielmehr hätte dieser Umstand es nahegelegt, die vorhandenen Geldverkehrsrechnungen anhand der eigenen Erkenntnisse des FG zur Höhe der Einnahmen des Klägers zu überarbeiten.

92

Hinzu kommt, dass in der Konstellation des Streitfalls --formelle Ordnungsmängel von einigem Gewicht, aber kein anderweitiger Nachweis konkreter materieller Mängel der Einnahmenerfassung-- Schätzungsmethoden wie die Geldverkehrsrechnung grundsätzlich vorrangig vor einem Zeitreihenvergleich heranzuziehen sind (dazu ausführlich oben 3.b bb). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als sowohl die Kläger als auch das FA jeweils Geldverkehrsrechnungen samt dazugehöriger Unterlagen vorgelegt haben, die dem FG möglicherweise als Ausgangspunkt und Erkenntnismaterial für eine eigene Schätzung hätten dienen können.

93

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO-- auf die folgenden Punkte hin:

94

a) Es bietet sich an, ergänzende Feststellungen dazu zu treffen, ob der Betrieb des Klägers von seiner Struktur her für die Durchführung eines aussagekräftigen Zeitreihenvergleichs geeignet ist. Insoweit ist aus den vom FA vorgelegten Unterlagen bisher lediglich erkennbar, dass der wichtigste Teil des Wareneinkaufs --der Getränkebezug von der Brauerei, an die der Kläger vertraglich gebunden war-- wöchentlich vorgenommen wurde, was auf die erforderliche Geringfügigkeit bzw. Konstanz der Lagerhaltung bei dieser Warengruppe hindeutet. Zum Einkaufsverhalten des Klägers in Bezug auf die anderen Warengruppen hat das FA bisher jedoch keine brauchbaren Unterlagen vorgelegt (vgl. dazu auch oben 3.c); entsprechend hat das FG hierzu keine Feststellungen treffen können.

95

b) Das FG kann prüfen, ob im Streitfall eine Geldverkehrsrechnung durchführbar erscheint.

96

aa) Hierfür könnte sprechen, dass sowohl die Kläger für sämtliche Streitjahre (sie haben zur Untermauerung ihres Vorbringens zudem zahlreiche Unterlagen vorgelegt) als auch das FA (wohl beschränkt auf das damalige weitere Streitjahr 2002) Geldverkehrsrechnungen durchgeführt und dem FG vorgelegt haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass beide Beteiligten grundsätzlich von der Eignung dieser Verprobungs- und Schätzungsmethode für die sachgerechte Beurteilung des Streitfalls ausgehen.

97

bb) Dreh- und Angelpunkt einer Geldverkehrsrechnung wird die Finanzierung der im Jahr 2001 für 365.000 DM (zuzüglich der üblichen Nebenkosten) erworbenen selbstgenutzten Immobilie der Kläger sein. Die Kläger haben hierzu im Laufe des Verfahrens die folgenden Finanzierungselemente nachgewiesen:

-       

Bankdarlehen: 140.000 DM

-       

Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag: 79.794 DM

-       

Banküberweisung der im Ausland lebenden Schwester des Klägers (Gleichstellungsgeld im Rahmen einer Vermögensübertragung von der Mutter an die Schwester des Klägers): 90.813,26 DM

98

Damit ist ein Betrag von gut 310.000 DM abgedeckt. Zur Herkunft des Differenzbetrags haben die Kläger bisher keine Unterlagen vorgelegt, sondern sich auf die "Lebensversicherung" berufen. Diese ist aber bereits in der obigen Finanzierungsrechnung enthalten und kann daher nicht nochmals angesetzt werden. Dass es sich um eine Auszahlung aus einem weiteren, bisher nicht bekannten Lebensversicherungsvertrag handeln könnte, haben die Kläger weder selbst vorgetragen noch nachgewiesen.

99

Die Kläger haben nachgewiesen, dass der Betrag von 90.813,26 DM vom Bankkonto der im Ausland lebenden Schwester des Klägers überwiesen wurde. Das FG scheint indes weiterhin daran zu zweifeln, dass es sich tatsächlich um einen Mittelzufluss "von außen" handelt. In einem solchen Fall muss es den Steuerpflichtigen, der einen solchen Mittelzufluss durch Vorlage von Bankbelegen nachgewiesen hat, vor einer ihm nachteiligen Entscheidung, die auf die verbleibenden Zweifel des FG gestützt wird, allerdings konkret auffordern, weitergehend auch z.B. nachzuweisen, wie derjenige, der dem Steuerpflichtigen den Geldbetrag überwiesen hat, zu diesen Mitteln gekommen ist (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten Senatsbeschluss vom 12. Juni 2013 X B 191/12, BFH/NV 2013, 1622, Rz 16, m.w.N.). Eine solche Aufforderung ist bisher nicht ausdrücklich ergangen. Da der Mittelzufluss nach dem Vorbringen der Kläger im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung von der Mutter auf die Schwester des Klägers gestanden haben soll und bei Grundstücksübertragungen erfahrungsgemäß auch nach längerer Zeit noch Unterlagen aufbewahrt werden, erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass die Kläger auf eine im zweiten Rechtsgang noch konkret zu stellende Anfrage des FG Unterlagen aus dem Privatbereich der ausländischen Verwandten des Klägers werden vorlegen können, sofern das FG seine diesbezüglichen Zweifel aufrecht erhalten sollte.

100

cc) Da die Kläger sich und ihre Familie --wie die von ihnen aufgezeichneten Sachentnahmen zeigen-- in erheblichem Umfang aus der Gastwirtschaft des Klägers verpflegen, wären die von der Finanzverwaltung üblicherweise herangezogenen Beträge aus den Tabellen für die Lebenshaltungskosten durchschnittlicher Haushalte um diejenigen Positionen zu mindern, die im Fall der Kläger bereits durch Sachentnahmen abgedeckt sind.

101

dd) Sollte die Durchführung einer Geldverkehrsrechnung im Streitfall zum jetzigen Zeitpunkt an ihre Grenzen stoßen, weil die Vorgänge zu lange zurückliegen --die Kläger haben bereits im Jahr 2001 erhebliche Mittel für den Erwerb der von ihnen selbstgenutzten Wohnung verwendet; die Unterlagen, mit denen die Kläger das Vorhandensein von Eigenmitteln für den Immobilienerwerb zu belegen versucht haben, stammen sogar aus dem Jahr 2000--, hätte das FG zu erwägen, welche Folgen sich daraus ergäben. Nach den bereits dargelegten Grundsätzen (oben 3.b bb) könnte in einem solchen Fall die Heranziehung der Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs zulässig sein; von ihnen wären aber nennenswerte Abschläge vorzunehmen.

102

c) Während die allgemeinen methodischen Einwendungen der Kläger gegen den Zeitreihenvergleich im Ansatz berechtigt sind --und zu den vom Senat formulierten Anforderungen an die Wahl und die korrekte Durchführung dieser Verprobungs- und Schätzungsmethode geführt haben--, ist ihr Vorbringen zu den vermeintlichen Besonderheiten des konkreten Falles teils bereits rechtlich nicht erheblich und teils zu wenig substantiiert.

103

aa) Die Behauptung, der übliche Verderb eingekaufter Waren sei bisher nicht berücksichtigt worden, stellt schon im Ausgangspunkt keine geeignete Einwendung dar, weil auch verdorbene Ware im Wareneinkauf enthalten ist und --mangels Vornahme einer Korrektur-- in den Wareneinsatz eingeht. Dies gilt im Übrigen auch für die Ermittlung der amtlichen Richtsätze. Außerdem würde die Berücksichtigung des Warenverderbs zu deutlich höheren Rohgewinnaufschlagsätzen führen, weil der in der Buchhaltung ausgewiesene Wareneinkauf um den Wert der verdorbenen Waren zu mindern wäre und dadurch der Wareneinsatz sinken würde, was rechnerisch unmittelbar eine Erhöhung des Rohgewinnaufschlagsatzes bewirken würde.

104

bb) Die Kläger haben ihre Behauptung, in den letzten Wochen des Jahres 2003 sei ein besonders hoher Bierbestand aufgebaut worden, nicht anhand der --ihnen vorliegenden-- Buchhaltungszahlen zum Biereinkauf und den Biererlösen der letzten Wochen des Jahres substantiiert. Für das FG besteht daher derzeit kein Anlass, dieser Behauptung nachzugehen.

105

cc) Ferner haben die Kläger bisher nicht vermocht, konkrete Auswirkungen des X-Fests auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs darzulegen. Im Jahr 2001 lag das X-Fest nicht in dem vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz. Im Jahr 2003 lag es zwar in diesem Zehn-Wochen-Zeitraum; die entsprechende Woche weist auch die höchsten Erlöse des gesamten Jahres auf. Da das X-Fest aber weder am Anfang noch am Ende des Zehn-Wochen-Zeitraums lag, dürften sich wochenweise Verschiebungen zwischen dem besonderen Wareneinkauf für Zwecke des X-Fests und den zusätzlichen Erlösen ausgeglichen haben. Jedenfalls haben die Kläger über den bloßen Verweis auf das Stattfinden des X-Fests hinaus insoweit keine substantiierten Einwendungen gegen den Zeitreihenvergleich vorgebracht.

106

dd) Ebenso wenig substantiiert ist die Einwendung, im Streitjahr 2003 sei ein gerade kostendeckendes Mittagsgericht angeboten worden. Die Kläger haben weder eine Speisekarte vorgelegt, aus der sich ein besonders preiswertes Mittagsgericht ergäbe, noch haben sie dem FG eine Kalkulation zur Verfügung gestellt, die ihre Behauptung stützen würde, ein Gericht sei gerade kostendeckend gewesen. Ohnehin ist unklar, was die Kläger mit diesem Einwand bezwecken wollen, da der Zeitreihenvergleich --so er denn technisch korrekt durchgeführt wird-- hinsichtlich der Erlöse die eigenen Daten aus der Buchhaltung des Steuerpflichtigen zugrunde legt, sich also eine Betriebsführung mit tatsächlich sehr geringen Rohgewinnaufschlagsätzen auch in den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs widerspiegeln würde.

107

ee) Preisschwankungen beim Ein- und Verkauf sowie saisonale Schwankungen in der Zusammensetzung der Ein- und Verkäufe können zwar erhebliche verzerrende Wirkungen auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs haben. Über ihren --zutreffenden-- Hinweis auf derartige allgemeine Wirkmechanismen hinaus haben die Kläger aber nichts dazu vorgetragen, ob bzw. in welchem Umfang im konkreten Fall derartige Schwankungen eingetreten und daher zu berücksichtigen sind.

108

d) Hinsichtlich der Aussetzungszinsen, die das FG zusätzlich zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen hat, hat es im Tatbestand seiner Entscheidung ausgeführt, die Aussetzungszinsen seien für "Umsatzsteuernachzahlungen für 2001 und 2003" (d.h. die Streitjahre) entstanden. Nicht festgestellt ist, wann der Zinslauf begonnen hat. Nach Lage der Dinge dürfte der Zinslauf erst mit dem Einlegen eines Rechtsbehelfs --also nach Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide im Jahr 2008-- begonnen haben (vgl. § 237 Abs. 2 AO). Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen dazu treffen, ob es überhaupt denkbar ist, dass die Aussetzungszinsen wirtschaftlich bereits im Streitjahr 2003 verursacht sein können (zur wirtschaftlichen Verursachung von Steuerzinsen erst ab Beginn des Zinslaufs siehe auch BFH-Urteil vom 22. Dezember 2010 I R 110/09, BFHE 232, 415, BStBl II 2014, 119, Rz 29).

109

e) Sollte es im zweiten Rechtsgang zu einem (Teil-)Erfolg der Klage kommen, wäre die Gewerbesteuerrückstellung gegenläufig anzupassen. Dies hat das FG in seinem für das Streitjahr 2003 teilweise klagestattgebenden Urteil im ersten Rechtsgang übersehen.

110

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26. Juli 2012  4 K 2071/09 E,U aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den verbliebenen Streitjahren 2001 und 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger betrieb von 1996 bis zum Frühjahr 2002 und erneut ab dem Frühjahr 2003 eine Schank- und Speisewirtschaft in Räumen, die er von einer Brauerei angemietet hatte. Die Klägerin war im Betrieb angestellt.

2

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Den größten Teil seiner Bareinnahmen rechnete er über eine elektronische Registrierkasse ab. Daneben führte er für die Thekeneinnahmen eine von der Registrierkasse getrennte Barkasse.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung und stützte sich hierbei auf die folgenden Punkte:

-       

Zwar ist für jeden Öffnungstag des Jahres 2001 ein Tagesendsummenbon vorhanden; die fortlaufende Nummerierung dieser Bons weist für die Zeit vom 1. Januar bis 16. März 2001 aber Unterbrechungen auf. Die Bons mit den dazwischenliegenden Nummern haben die Kläger nicht vorgelegt und hierzu vorgetragen, es handele sich um "Leerbons".

-       

Für das Jahr 2003 liegen zwar fortlaufend nummerierte Tagesendsummenbons vor. Allerdings ist auf diesen Bons kein Datum ausgedruckt.

-       

Die Kläger haben weder Programmierprotokolle der Registrierkasse noch die Speisekarte für das Jahr 2001 vorgelegt.

-       

Ausweislich der Feststellungen des Finanzgerichts (FG) --im Betriebsprüfungsbericht ist dieser Umstand hingegen nicht erwähnt-- wurden für die Thekenkasse keine Kassenberichte erstellt, in denen die sich anhand der Aufzeichnungen ergebenden Soll-Kassenbestände mit den durch Auszählen ermittelten Ist-Beständen abzugleichen gewesen wären. Vielmehr wurden die täglichen Bestände dieser Kasse lediglich rechnerisch durch Gegenüberstellung der aufgezeichneten Einnahmen und Ausgaben ermittelt.

-       

Der Kläger hat die Warenendbestände zum Ende der Streitjahre nicht durch Inventuren, sondern im Wege der Schätzung ermittelt.

-       

Für das Jahr 2003 hat der Prüfer vier Bareinlagen in Höhe von insgesamt 4.164,78 € als ungeklärt angesehen. Hierzu hat das FG allerdings keine Feststellungen getroffen.

4

Der Prüfer erhöhte die vom Kläger erklärten Erlöse um Hinzuschätzungen, für deren Höhe er sich auf einen sog. "Zeitreihenvergleich" stützte. Dabei ging er wie folgt vor:

-       

Aus den Eingangsrechnungen des Klägers ermittelte der Prüfer den Wareneinkauf für jede Kalenderwoche des Prüfungszeitraums. Nach dem --von den Klägern teilweise bestrittenen-- Vortrag des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) habe der Prüfer hierbei das Lieferdatum zugrunde gelegt, sofern ein solches in den Eingangsrechnungen angegeben gewesen sei. Ansonsten habe er das Rechnungsdatum herangezogen. Sofern der Kläger beim jeweiligen Lieferanten weniger als einmal wöchentlich eingekauft habe, habe der Prüfer den Wert des Einkaufs gleichmäßig auf den Zeitraum zwischen den aufeinanderfolgenden Einkäufen verteilt.

-       

Den Wareneinkauf minderte der Prüfer um die sich aus der Buchführung des Klägers --auf der Grundlage der von der Finanzverwaltung hierfür veröffentlichten Pauschbeträge-- ergebenden Werte für Sachentnahmen der Familie der Kläger und für die Beköstigung des Personals. Diese Beträge verteilte er gleichmäßig auf die Kalenderwochen eines Jahres.

-       

Für das Jahr 2003 minderte der Prüfer den Wareneinkauf ferner um den vom Kläger geschätzten Warenendbestand zum 31. Dezember 2003 (10.800 €), der ebenfalls gleichmäßig auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt wurde.

-       

Den sich danach ergebenden wöchentlichen Wareneinsatz verglich der Prüfer mit den vom Kläger für die jeweilige Kalenderwoche erklärten Einnahmen. Aus diesem Vergleich ergab sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz.

-       

Anschließend ermittelte der Prüfer für jede Kalenderwoche den Durchschnittswert aus den Rohgewinnaufschlagsätzen dieser Woche und der neun vorangehenden Wochen.

-       

Seiner Schätzung legte der Prüfer den höchsten Zehn-Wochen-Durchschnittswert zugrunde, der sich im jeweiligen Kalenderjahr ergab. Dies waren für das Jahr 2001 die Kalenderwochen 23 bis 32 mit einem Rohgewinnaufschlagsatz (hier: Vergleich der Brutto-Einnahmen mit dem Netto-Wareneinsatz) von 241,54 %, für das Jahr 2003 die Kalenderwochen 28 bis 37 mit einem Brutto/Netto-Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %.

-       

Diese Rohgewinnaufschlagsätze wendete der Prüfer für das gesamte jeweilige Kalenderjahr auf den tatsächlich vom Kläger erklärten Wareneinsatz an.

5

Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer die folgenden Hinzuschätzungsbeträge:

Jahr   

2001   

2003   

Wareneinsatz netto

200.244,83 DM

73.368,42 €

höchster RAS brutto/netto

241,54 % 

263,42 %

zum Vergleich: RAS lt. Kläger

228,15 % 

201,09 %

Erlöse brutto lt. Prüfer

683.908,83 DM

266.634,31 €

Erlöse brutto lt. Kläger

657.095,38 DM

220.905,86 €

Mehrerlöse brutto lt. Prüfer

26.813,44 DM

45.728,46 €

Mehrerlöse netto lt. Prüfer

23.115,03 DM

39.421,08 €

Hinzuschätzung netto lt. Prüfer (nach Abrundung auf den nächsten durch 5.000 teilbaren Betrag)

20.000,00 DM

35.000,00 €

6

Für das --im Revisionsverfahren nicht mehr streitbefangene-- Jahr 2002 nahm der Prüfer wegen aus seiner Sicht ungeklärt gebliebener Vermögenszuwächse eine Hinzuschätzung von 40.000 € netto vor.

7

Das FA erließ entsprechend geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Einspruchsverfahren legten die Kläger Geldverkehrsrechnungen für die Jahre 2001 und 2002 samt Unterlagen zu ihren außerbetrieblichen Einnahmen sowie zu Vermögensumschichtungen vor. Für das Jahr 2003 beantragten sie, weitere Schuldzinsen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Gegen den Zeitreihenvergleich wandten sie sich mit dem folgenden Vorbringen:

-       

Für die Durchführung des Zeitreihenvergleichs sei die exakte Zuordnung des wöchentlichen Wareneinsatzes zu den Erlösen der jeweiligen Woche von herausragender Bedeutung. Der Schluss vom Wareneinkauf --nur insoweit bestehe eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht-- auf den wöchentlichen Wareneinsatz sei aber wegen des Fehlens einer Verpflichtung zu wöchentlichen Inventuren mit großen Unsicherheiten belastet. Zwar werde durch die Bildung eines Durchschnittswerts über einen Zehn-Wochen-Zeitraum eine gewisse Nivellierung vorgenommen; zufällige Verschiebungen am Anfang oder Ende eines solchen Zehn-Wochen-Zeitraums könnten aber immer noch erhebliche rechnerische Auswirkungen auf den sich ergebenden Rohgewinnaufschlagsatz haben.

-       

Bereits die betriebs- und saisonüblichen Schwankungen in der Lagerhaltung sowie hinsichtlich der Ein- und Verkaufspreise und der Verteilung zwischen den Warenarten würden aufgrund der Systematik des Zeitreihenvergleichs zwingend zu rechnerischen Mehrergebnissen führen.

-       

Es entspreche nicht dem tatsächlichen Ablauf, den Aufbau des zum 31. Dezember 2003 vorhandenen Warenendbestands gleichmäßig auf alle Kalenderwochen des Jahres 2003 zu verteilen.

-       

Am letzten Augustwochenende (34. Kalenderwoche 2001 bzw. 35. Kalenderwoche 2003) finde jeweils das X-Fest statt, das zwar zu erheblich überdurchschnittlichen Wochenumsätzen, nicht aber zu einem entsprechenden Anstieg des Wareneinkaufs in derselben Kalenderwoche führe.

-       

Im Jahr 2003 sei ein gerade kostendeckender Mittagstisch angeboten worden.

-       

Der Warenverderb sei unberücksichtigt geblieben.

8

In seinen Einspruchsentscheidungen setzte das FA die Hinzuschätzung für 2002 auf 15.000 € herab und wies die Einsprüche im Übrigen zurück. Im Klageverfahren legten die Kläger auch für 2003 eine Geldverkehrsrechnung vor und erklärten aus vorhandenen Geldanlagen Zinseinnahmen für 2001 nach, die allerdings unterhalb der damals geltenden Freibeträge lagen.

9

Das FG gab der Klage für 2002 in vollem Umfang statt und berücksichtigte für 2003 zusätzliche Schuldzinsen in Höhe von 3.764 € als Betriebsausgaben. Im Übrigen wies es die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1982). Zur Begründung des klageabweisenden Teils seiner Entscheidung führte es aus, die Buchführung des Klägers sei in den Jahren 2001 und 2003 formell nicht ordnungsgemäß gewesen. Diese formellen Mängel seien wegen der entscheidenden Bedeutung der Bareinnahmen für den Betrieb des Klägers auch Anlass, die sachliche Richtigkeit der Buchführung anzuzweifeln, da es wegen der nur rechnerischen Führung der Kasse (gemeint wohl: Thekenkasse) an der Kassensturzfähigkeit fehle.

10

Der Zeitreihenvergleich stelle im Streitfall eine geeignete Schätzungsmethode dar. Die Wahl der Schätzungsmethode stehe im Ermessen des FA bzw. des FG; Unschärfen gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Methode des Zeitreihenvergleichs basiere darauf, dass es in der Praxis kaum möglich sei, über kurze Zeiträume genau denjenigen Wareneinkauf zu verschweigen, mit dem nicht verbuchte Erlöse erzielt würden. Im Betrieb des Klägers habe es in den Streitjahren keine wesentlichen Änderungen in der Betriebsführung oder -struktur gegeben, die einem Zeitreihenvergleich entgegenstehen könnten. Saisonale oder jahreszeitliche Schwankungen des Geschäfts seien nicht erkennbar, weil die wochenweise ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze nicht in Abhängigkeit von der Jahreszeit, sondern auch innerhalb einer Jahreszeit unterschiedlich seien. Das X-Fest könne sich nicht ausgewirkt haben, da es nur im Jahr 2003, nicht aber im Jahr 2001 in den vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum falle, und auch für das Jahr 2003 der höchste Rohgewinnaufschlagsatz des Zehn-Wochen-Zeitraums gerade nicht in die Woche des X-Fests falle. Der Warenendbestand 2003 sei zu Recht auf das gesamte Jahr verteilt worden, da davon auszugehen sei, dass er während des gesamten Jahres aufgebaut worden sei. Für die Kläger sei dies günstiger als eine Berücksichtigung in einem kurzen Zeitraum, die dann in diesem Zeitraum zu überproportional hohen rechnerischen Wareneinsätzen führen würde. Die vom FA vorgenommene Abrundung gleiche weitere Unschärfen der Schätzung aus. Das Schätzungsergebnis bewege sich im mittleren Bereich der Richtsätze für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften (Netto/Netto-Mittelwert: 213 % bei einer Spanne von 150 bis 317 % für 2001 bzw. 144 bis 317 % für 2003).

11

Die von den Klägern eingereichten Geldverkehrsrechnungen seien als Schätzungsgrundlage nicht geeignet. Ihnen seien die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde gelegt worden, obwohl die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Für 2001 komme hinzu, dass die Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag doppelt angesetzt und die Herkunft der aus dem Ausland stammenden Mittel nicht nachgewiesen worden sei. Ohnehin bestehe kein Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode.

12

Für das Jahr 2002 sei die Klage hingegen begründet. Dem FA stehe insoweit keine Schätzungsbefugnis zu, weil die Buchführung des Klägers keine Mängel aufgewiesen habe. Es seien auch keine ungeklärten Vermögenszuwächse zu verzeichnen, weil die vom FA vorgenommene Geldverkehrsrechnung methodische Mängel aufweise.

13

Mit ihrer Revision wiederholen und vertiefen die Kläger ihre Einwendungen gegen den vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleich. Ergänzend führen sie die folgenden Gesichtspunkte an:

-       

Selbst wenn man davon ausgehe, dass die wochenweisen Schwankungen im Einkauf frischer Lebensmittel sich über einen Zehn-Wochen-Zeitraum ausgleichen würden, gelte dies nicht hinsichtlich alkoholischer Getränke, die auf Vorrat gekauft würden.

-       

Dem von einem Zeitreihenvergleich betroffenen Steuerpflichtigen erschließe sich weder der Ablauf noch das Ergebnis dieser Schätzungsmethode. Dies kollidiere sowohl mit dem für Verwaltungsakte geltenden Begründungserfordernis (§ 121 der Abgabenordnung --AO--) als auch mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--). Es sei dem Steuerpflichtigen nicht möglich, auf die methodischen Mängel des Zeitreihenvergleichs zu reagieren, weil hierfür im Betrieb keine Daten erhoben würden und auch nicht erhoben werden müssten.

-       

Die Anwendung des höchsten sich im jeweiligen Kalenderjahr ergebenden Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes widerspreche den Denkgesetzen. Zwar könnten Unterschiede zwischen den wöchentlichen Aufschlagsätzen auf Manipulationen hindeuten; sie könnten aber ebenso auf den methodischen Mängeln des Zeitreihenvergleichs --insbesondere auf betriebsüblichen Schwankungen-- beruhen.

-       

Der Biereinkauf sei gerade in den Wochen ab Ende November 2003 sehr hoch gewesen, so dass ein überproportionaler Teil des Warenendbestands in dieser Zeit aufgebaut worden sei.

-       

Während der Außenprüfung sei beim Kläger nicht der geringste Anhaltspunkt für Schwarzeinkäufe gefunden worden.

14

Die Kläger haben im Revisionsverfahren ausdrücklich zugestanden, dass ihre Buchführung formell nicht ordnungsgemäß war.

15

Nach Ergehen des angefochtenen Urteils hat das FA am 20. Dezember 2012 und am 4. Februar 2013 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 erlassen. Der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens wird dadurch nicht berührt, weil die Besteuerungsgrundlagen im Bescheid vom 4. Februar 2013 denen entsprechen, die bereits in dem von den Klägern ursprünglich angefochtenen Änderungsbescheid angesetzt worden sind.

16

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und den Einkommensteuerbescheid 2003 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2003, jeweils vom 17. März 2008 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 15. Mai 2009, sowie den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 4. Februar 2013 dahingehend zu ändern, dass die Hinzuschätzungen zu den Betriebseinnahmen bzw. umsatzsteuerpflichtigen Entgelten in Höhe von 20.000 DM (2001) bzw. 35.000 € (2003) --hinsichtlich der Einkommensteuer unter gegenläufiger Kürzung der Gewerbesteuer-Rückstellung-- rückgängig gemacht werden.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Es trägt vor, die Methode des Zeitreihenvergleichs sei nicht neu, sondern werde von Wirtschaftsprüfern seit Jahrzehnten zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Für die Außenprüfung habe sie in den letzten Jahren durch das Datenzugriffsrecht und spezielle Software, die für die Finanzverwaltung entwickelt worden sei, an Bedeutung gewonnen. Sie beruhe darauf, dass sich selbst bei einem Verschweigen sowohl von Wareneinkäufen als auch von Erlösen im Wochenvergleich Auffälligkeiten ergeben würden. Die Methode werde vorzugsweise in Branchen mit eher geringer Lagerhaltung angewendet, bei denen sich die Umsätze relativ gleichmäßig auf das Jahr verteilten (z.B. Gastronomie). Ihr liege die Annahme zugrunde, dass es nicht sinnvoll wäre, bei jederzeit verfügbaren und leicht verderblichen Waren eine nennenswerte Lagerhaltung zu betreiben. Wenn diese Methode zum Ausweis größerer Unterschiede zwischen den wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätzen führe und sich derartige Unterschiede auch nach Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mit den Besonderheiten des jeweiligen Betriebs erklären ließen, werde vermutet, dass Verkäufe und/oder Einkäufe nicht zutreffend in der Buchführung erfasst worden seien. Weil der Zeitreihenvergleich auf betrieblichen Daten beruhe, sei er einer Richtsatzschätzung grundsätzlich überlegen. Er lasse kaum Raum für Zweifel an der unzutreffenden Verbuchung der Erlöse. Grundlage der Hinzuschätzungen seien aber auch in diesem Fall nicht Schwarzeinkäufe, sondern die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.

19

Die Kläger hätten sich auf die Aufzählung möglicher Unsicherheiten dieser Schätzungsmethode beschränkt, aber nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen der bei ihnen konkret durchgeführte Zeitreihenvergleich zu falschen Ergebnissen geführt habe. Die Schätzung sei hinreichend begründet worden; alle Berechnungen seien den Klägern zur Verfügung gestellt worden. Die Verteilung des Warenendbestands sei Gegenstand mehrerer Besprechungen gewesen. Da es sich um betriebliche Daten handele, sei es an den Klägern, etwaige Einwendungen zu substantiieren.

Entscheidungsgründe

20

II.Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

21

Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass wegen vorhandener Mängel in der Buchführung des Klägers dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis besteht (dazu unten 1.). Der Zeitreihenvergleich weist allerdings im Vergleich zu anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden besondere Problembereiche auf (dazu unten 2.), die seine Anwendbarkeit sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Übernahme des sich aus einem Zeitreihenvergleich ergebenden "Mehrergebnisses" als Betrag der Hinzuschätzung der Höhe nach einschränken (unten 3.). Diese Einschränkungen hat das FG im Streitfall nicht in vollem Umfang beachtet (unten 4.), so dass die Sache an die Vorinstanz zurückgehen muss (unten 5.).

22

1. Das FA --und über § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auch das FG-- war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO zur Schätzung befugt, weil die Buchführung des Klägers der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann.

23

a) Das FG hat die folgenden formellen Buchführungsmängel festgestellt, deren Vorliegen mittlerweile zudem zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die allerdings von unterschiedlichem Gewicht sind:

24

aa) Die Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons für die Zeit vom 1. Januar bis zum 16. März 2001 ist ein formeller Mangel, der --bezogen auf diesen Zeitraum-- grundsätzlich als gravierend anzusehen ist, da die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht gesichert ist. Zwar konnten den Klägern konkrete Einnahmenverkürzungen nicht nachgewiesen werden. Sie haben ihre Behauptung, es handele sich um --für das Buchführungsergebnis unbeachtliche-- Leerbons, aber ebenfalls nicht belegen können.

25

bb) Die fehlende Datierung der Tagesendsummenbons des Jahres 2003 ist unter den Umständen des Streitfalls hingegen nur als eher geringfügiger formeller Mangel anzusehen. Die Bons sind lückenlos nummeriert, so dass sich daraus zumindest ihre zeitliche Reihenfolge zwingend ergibt. Der Kläger hat in seinen Aufzeichnungen die aufeinander folgenden Bons den aufeinander folgenden Öffnungstagen des Betriebs im Jahr 2003 zugeordnet. Zweifel an der Richtigkeit dieser Zuordnung hat auch das FA nicht vorgebracht.

26

cc) Auch das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stellt einen formellen Mangel dar. Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie insbesondere die Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO als "sonstige Organisationsunterlagen" aufbewahrungspflichtig. Dies hat die Finanzverwaltung schon lange vor den Streitjahren vertreten (z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 7. November 1995, BStBl I 1995, 738, Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996, BStBl I 1996, 34; zeitlich nach den Streitjahren auch BMF-Schreiben vom 26. November 2010, BStBl I 2010, 1342, und vom 14. November 2014, BStBl I 2014, 1450, Tz 111). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147 AO Rz 9, 26).

27

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bisher allerdings keine Gelegenheit, sich zu dem Gewicht dieses Mangels zu äußern. Der erkennende Senat vertritt hierzu die Auffassung, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichsteht. In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre. Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar; von derartigen Manipulationsmöglichkeiten machen Teile der betrieblichen Praxis nach dem Erkenntnisstand des Senats durchaus Gebrauch (zu einem solchen Fall z.B. Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 7. Januar 2015  5 V 2068/14; vgl. zum Ganzen auch Tz. 54 der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, BTDrucks 15/2020, 197 f.). Es ist daher von erheblicher Bedeutung, dass ein Betriebsprüfer --und ggf. auch ein FG-- sich davon überzeugen kann, wie die Kasse im Zeitpunkt ihrer Auslieferung und Inbetriebnahme programmiert war, sowie ob bzw. in welchem Umfang nach der Inbetriebnahme der Kasse spätere Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Für den Steuerpflichtigen überschreitet der mit der Dokumentation verbundene Aufwand die Grenze des Zumutbaren nicht. Beim Erwerb der Kasse kann er vom Verkäufer die Übergabe von Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen verlangen. Die Dokumentation späterer Umprogrammierungen verursacht jedenfalls einen geringeren Aufwand als die Umprogrammierung selbst.

28

Das Gewicht dieses Mangels tritt allerdings zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

29

dd) Keine sichere Grundlage bietet das angefochtene Urteil hingegen für die Beurteilung der Frage, welches Gewicht dem Fehlen von Kassenberichten für die Thekenkasse zukommt. Grundsätzlich ist die nur rechnerische Führung einer offenen Ladenkasse, die keine Kassensturzfähigkeit gewährleistet, als ein gravierender Mangel zu bewerten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12), der schon für sich genommen auch ohne Nachweis einer konkreten materiellen Unrichtigkeit zu Hinzuschätzungen berechtigen würde. Allerdings hat das FG für das Jahr 2002 --in dem hinsichtlich der Thekenkasse dieselben Mängel bestanden wie für die Jahre 2001 und 2003-- auf Bl. 17 des Urteils ausdrücklich das Vorliegen von Buchführungsmängeln verneint und insoweit der Klage stattgegeben (auf Bl. 13 Abs. 2 des Urteils heißt es demgegenüber noch, die Kassenführung genüge "hinsichtlich der Streitjahre 2001 bis 2003" nicht den Anforderungen). Damit bleibt unklar, welche Bedeutung das FG den --vom Betriebsprüfer ohnehin nicht erwähnten-- Mängeln bei der Führung der Thekenkasse zugemessen hat. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, dass das FG diesem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

30

ee) Ob die Speisekarte des Jahres 2001 im Streitfall gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig war, kann anhand der Feststellungen des FG ebenfalls nicht beurteilt werden. Speisekarten sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht generell aufbewahrungspflichtig, sondern nur dann, wenn sie zum Verständnis und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (ausführlich hierzu BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 26 ff.). Ob diese Voraussetzung im Betrieb des Klägers erfüllt war, hat das FG nicht festgestellt. Letztlich kommt es auf diese Frage im Streitfall aber nicht an, da jedenfalls die übrigen festgestellten formellen Mängel für die Bejahung einer Schätzungsbefugnis ausreichen (dazu noch unten c).

31

b) Konkrete materielle Mängel der Kassenbuchführung, insbesondere der Einnahmenerfassung, hat das FG nicht festgestellt.

32

Zwar stellt die fehlende Inventur für sich genommen einen materiellen Mangel dar, da der in der Buchführung ausgewiesene --offenbar lediglich griffweise geschätzte-- Betrag des Warenendbestands nicht dem tatsächlichen Wert der vorhandenen Waren entspricht und dadurch zugleich der Jahresgewinn verfälscht wird (vgl. zum Gewicht dieses Buchführungsmangels einerseits BFH-Urteil vom 14. Dezember 1966 VI 245/65, BFHE 87, 616, BStBl III 1967, 247; andererseits BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 109/70, BFHE 117, 224, BStBl II 1976, 210). Für die im vorliegenden Verfahren allein entscheidungserhebliche Frage der Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung (Vollständigkeit der Einnahmenerfassung) ist dieser materielle Mangel indes ohne Bedeutung, da die Unrichtigkeit des Warenendbestands keine Wechselwirkung mit der Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen aufweist.

33

c) Aufgrund der festgestellten formellen Mängel entspricht die Buchführung des Klägers nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO, so dass ihr nicht die Beweiskraftwirkung des § 158 AO zukommt. Dies würde nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO bereits zur Schätzung berechtigen.

34

Allerdings berechtigen formelle Buchführungsmängel nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34). Dies ist vorliegend der Fall. Das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse ist --wie dargestellt-- als gewichtiger Mangel anzusehen, der den gesamten Streitzeitraum betrifft. Dass die Registrierkasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, hat der Kläger nicht dargelegt. Für einen Teil des Jahres 2001 kommt noch das Fehlen eines Teils der Tagesendsummenbons als ebenfalls gewichtiger Mangel hinzu.

35

2. Zwar waren FA und FG danach im Streitfall zur Schätzung befugt. Die von ihnen gewählte Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs (zur Beschreibung dieser Methode unten a) ist allerdings sowohl unter methodischen Aspekten (dazu unten b) als auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten (unten c) nicht unproblematisch.

36

a) Der Zeitreihenvergleich stellt im Grundsatz eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode dar; er ist dem Bereich der Strukturanalysen zuzurechnen (grundlegend zur Nutzung von Strukturanalysen in der Außenprüfung unter besonderer Berücksichtigung des Zeitreihenvergleichs Huber, Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2002, 199, 233, 258, 293; Wähnert, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 2774; Rau, Statistisch-mathematische Methoden der steuerlichen Betriebsprüfung und die Strukturanalyse als ergänzende Alternative, Köln 2012; speziell zum Zeitreihenvergleich Högemann, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2000, 585; Wiggen, StBp 2008, 168; Vogelsang, BP-Handbuch, München 2008, I Rz 33 ff.; Brinkmann, Schätzungen im Steuerrecht, Berlin 2015, S. 278 ff.).

37

Prinzipiell sind zahlreiche Varianten eines Zeitreihenvergleichs denkbar. Die im vorliegenden Verfahren angewendete Methode stellt jedoch ausweislich der recht großen Zahl der hierzu ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen die Standardherangehensweise der Finanzverwaltung dar (zu weiteren Varianten des Zeitreihenvergleichs vgl. Schumann/Wähnert, Steuerberatung 2012, 535). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass für jede Woche eines Kalenderjahres sowohl der wöchentliche Wareneinsatz als auch der Betrag der wöchentlichen Einnahmen ermittelt wird. Aus dem Vergleich dieser beiden Größen ergibt sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz. Die Finanzverwaltung sieht nun den höchsten Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum des Kalenderjahres ergibt, als maßgebend für das Gesamtjahr an. Da in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen in aller Regel keine Daten vorhanden sind, aus denen sich die wöchentlichen Wareneinsätze entnehmen ließen, versucht die Finanzverwaltung, diese Größen im Wege der Schätzung aus einer Verteilung der aus den Eingangsrechnungen ersichtlichen Wareneinkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Ware zu gewinnen. Ferner wird der Wareneinkauf um Personalbeköstigungen, Waren-Sachentnahmen und Warenbestandsveränderungen bereinigt.

38

b) Der Zeitreihenvergleich weist gegenüber anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden einige technisch bedingte Besonderheiten auf, die zumindest eine vorsichtige Interpretation seiner Ergebnisse gebieten.

39

aa) Auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung führt ein Zeitreihenvergleich denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, da der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres auf den Wareneinsatz für das gesamte Jahr angewendet wird. Weil eine absolute Konstanz der wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätze in der Praxis auch bei Betrieben mit relativ geringer Lagerhaltung nicht vorkommt, muss der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres denknotwendig über dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Gesamtjahres liegen, selbst wenn dieser sich aus einer zutreffenden Buchführung ergibt (ebenso bereits FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004  8 V 3055/04 G, EFG 2004, 1810, rechtskräftig). Andere Schätzungsmethoden (z.B. Aufschlagkalkulation, Geldverkehrsrechnung) weisen diese systembedingte Besonderheit nicht auf, da sie das Ergebnis einer zutreffenden Buchführung im Regelfall bestätigen --nicht aber widerlegen-- werden.

40

Daraus folgt, dass die vom FA in den Vordergrund seiner Argumentation gestellte Eignung des Zeitreihenvergleichs zur Feststellung von Doppelverkürzungen sowohl dem Grunde nach als auch zur Ermittlung ihres Umfangs der Höhe nach nicht frei von Zweifeln ist:

41

(1) Übersteigt der höchste Rohgewinnaufschlagsatz einer Zehn-Wochen-Periode den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres, steht allein mit diesem Befund grundsätzlich noch nicht mit der für eine Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderlichen Sicherheit fest, dass die rechnerische Differenz gerade auf dem Verschweigen von Erlösen beruht. Vielmehr lässt sich bei einem solchen Ergebnis --ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte-- zunächst einmal nicht ausschließen, dass es durch die dargestellte methodische Besonderheit des Zeitreihenvergleichs hervorgerufen sein könnte. Soweit das FA --und sinngemäß wohl auch das FG-- die Auffassung vertritt, ein sich aufgrund eines Zeitreihenvergleichs ergebendes Mehrergebnis lasse "kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse nicht richtig verbucht seien" (ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2007  16 V 4691/06 A(E,U,F), EFG 2007, 814, rechtskräftig, unter II.2.d, und Urteil vom 20. März 2008  16 K 4689/06 E,U,F, EFG 2008, 1256, rechtskräftig, unter 3.d), kann der Senat dem daher nicht folgen.

42

(2) Auch auf der anderen Seite des Spektrums möglicher Manipulationen dürfte eine Verprobung mittels eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen geeignet sein, jedenfalls den Einsatz einer technisch fortgeschrittenen Manipulationssoftware aufzudecken. Vielmehr ist eine derartige Software durchaus in der Lage, das Verhältnis zwischen den manipulierten Wareneinkäufen und den Erlösen so zu gestalten, dass die Rohgewinnaufschlagsätze auch im Wochenvergleich nur in einem Rahmen schwanken, der von Betriebsprüfern üblicherweise noch für plausibel gehalten wird.

43

(3) Ein empirischer Nachweis der Eignung dieser Verprobungsmethode zur sicheren Aufdeckung von Steuerverkürzungen --insbesondere der mit anderen Methoden nur schwer aufzudeckenden sog. "Doppelverkürzungen" sowohl der Wareneinkäufe als auch der Erlöse-- ist nach dem Kenntnisstand des Senats bisher nicht geführt worden. Insbesondere ist in den bisher von den Finanzgerichten veröffentlichten Entscheidungen allein aus einer sich mittels eines Zeitreihenvergleichs ergebenden Hinzuschätzung in keinem Fall ausdrücklich darauf geschlossen worden, dass der Steuerpflichtige Doppelverkürzungen begangen hat. Das FA hat in seiner Revisionserwiderung zwar --ohne Angabe von Nachweisen-- angeführt, der Zeitreihenvergleich werde von Wirtschaftsprüfern bereits langjährig zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Welchem Ziel diese Analysen dienen sollen und wie die Belastbarkeit ihrer Ergebnisse von den beteiligten Fachkreisen eingeschätzt wird, hat es aber nicht vorgetragen.

44

bb) Zudem werden die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang durch mathematische "Hebelwirkungen" beeinflusst.

45

(1) Dies verdeutlicht im Streitfall beispielhaft eine Betrachtung der Verhältnisse des Jahres 2001: Hier war für das FA und FG der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 23 bis 32 maßgebend. Dabei ergaben sich vor allem für die beiden am Ende dieser Zehn-Wochen-Periode liegenden Kalenderwochen 31 und 32 sehr hohe rechnerische Rohgewinnaufschlagsätze (412 % bzw. 360 %), die damit zugleich auch den Zehn-Wochen-Durchschnitt in die Höhe trieben. Zöge man stattdessen die Kalenderwochen 21 bis 30 heran, würde sich lediglich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von 209,60 % ergeben (statt der vom FA und FG herangezogenen 241,54 %). Hier hätte also bereits eine Verschiebung des Betrachtungszeitraums um nur zwei Wochen erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung.

46

(2) Für das Streitjahr 2003 hat sich der Zeitraum von der 28. bis zur 37. Kalenderwoche vor allem wegen der zu Beginn dieses Zeitraums liegenden 28. Kalenderwoche als Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres dargestellt (263,42 %). Für diese 28. Kalenderwoche ergibt sich wegen eines recht geringen Wareneinkaufs ein rechnerischer Rohgewinnaufschlagsatz von 340,68 %. Ordnet man demgegenüber den Wareneinkauf der Vorwoche (27. Kalenderwoche: 1.552,46 €) zu 50 % der 28. Kalenderwoche zu, ergäbe sich die folgende Berechnung:

-       

neuer Wareneinsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 14.030,65 € + 50 % von 1.552,46 € = 14.806,88 €

-       

neuer Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 244,37 %

-       

Brutto-Hinzuschätzung: 31.752,96 € (statt 45.728,46 €; d.h. 31 % weniger als bisher).

47

Dies zeigt, dass bereits eine Veränderung in der Zuordnung der Einkäufe nur einer einzigen Woche erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Zehn-Wochen-Periode hat. Noch größere Auswirkungen würden sich an dieser Stelle zeigen, wenn der außergewöhnlich hohe Wareneinkauf der 26. Kalenderwoche (2.807,88 €) beispielsweise zu 1/3 der 28. Kalenderwoche zugeordnet würde.

48

(3) Nun ist dem Senat durchaus bewusst, dass der Zeitreihenvergleich gerade darauf basiert, das höchste --und nicht etwa das zweit- oder dritthöchste oder ein noch anderes-- Ergebnis aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres als maßgebend für das Gesamtjahr anzusehen. Die aufgezeigte Hebelwirkung insbesondere hoher rechnerischer Wochen-Rohgewinnaufschlagsätze am Anfang oder Ende des herausgegriffenen Zehn-Wochen-Zeitraums macht aber deutlich, wie wesentlich die sorgfältige Ermittlung der Schätzungsgrundlagen --vor allem des Wareneinkaufs und seiner Verteilung zum Zwecke der Gewinnung des Wareneinsatzes-- gerade am Anfang und am Ende dieses Zeitraums für eine methodisch korrekte Durchführung eines Zeitreihenvergleichs ist (dazu noch unten 3.c; vgl. hierzu auch Beschluss des FG Münster vom 11. Februar 2000  9 V 5542/99 K,U,F, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 549, rechtskräftig). Dabei ist hinsichtlich des systematischen Verständnisses des Zeitreihenvergleichs darauf hinzuweisen, dass der --für diese Schätzungsmethode grundlegende-- Wareneinsatz eben nicht den eigenen Buchführungsdaten des Steuerpflichtigen entnommen wird, sondern diese Größe im Wege der mehr oder weniger ungenauen Schätzung aus einer Verteilung des Wareneinkaufs abgeleitet wird (ebenso bereits zutreffend FG Köln, Urteil vom 27. Januar 2009  6 K 3954/07, EFG 2009, 1092, rechtskräftig, unter II.3.). Anders wäre es nur, wenn der gesamte Warenbestand durch ein ausgefeiltes Warenwirtschaftssystem verwaltet würde, was in den meisten Betrieben der "Bargeldbranche" aber nicht der Fall ist.

49

c) Auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs der Steuerpflichtigen auf einen effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) ist der Zeitreihenvergleich nicht frei von methodenspezifischen Bedenken. Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung --insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung-- möglich ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 24). Dabei müssen sowohl die Kalkulationsgrundlage --und damit auch die spezifischen Daten, auf denen der Zeitreihenvergleich basiert-- als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 2.b, und vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 4.c).

50

aa) Für die Steuerpflichtigen, ihre Berater und auch die Finanzgerichte sind die Ergebnisse mathematisch-statistischer Methoden, zu denen auch der Zeitreihenvergleich gehört, wegen der dabei anfallenden umfangreichen Datenmengen nur beschränkt nachprüfbar. So umfasst im Streitfall allein die vom Betriebsprüfer erstellte --und für die Richtigkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs grundlegende-- Aufgliederung der Wareneinkäufe bereits für den relativ kleinen Betrieb des Klägers und nur für das Streitjahr 2001 eine Excel-Tabelle mit ca. 1 100 Zeilen zu je 10 Spalten, d.h. insgesamt ca. 11 000 Eintragungen. Die Nachvollziehbarkeit dieser Datenaufbereitung des Prüfers wird noch dadurch erschwert --bzw. in Teilbereichen sogar ausgeschlossen--, dass die Tabelle weder chronologisch noch nach den einzelnen Lieferanten geordnet ist. Für das Gericht ist daher weder nachprüfbar, ob der Prüfer den Wareneinkauf zutreffend auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, noch ist --hier mit Ausnahme allenfalls des Biereinkaufs-- erkennbar, ob sich bestimmte Einkaufsmuster im Betrieb des Klägers regelmäßig wiederholen oder nicht.

51

Hinzu kommt, dass das FA im Streitfall noch nicht einmal das vollständige Zahlenwerk vorgelegt hat. Insbesondere ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, wie der Prüfer den sich aus den Eingangsrechnungen ergebenden Wareneinkauf auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, obwohl vor allem dieser Punkt zwischen den Beteiligten umstritten ist. Gerade die Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer --bzw. durch die eingesetzte Software-- wird im Regelfall aber den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen. Die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vom Prüfer notwendigerweise vorgenommenen Wertungen --Datenmaterial zur wochenweisen Verteilung des Wareneinsatzes existiert im Betrieb in aller Regel nicht, zumal es keine gesetzliche Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Aufzeichnungen gibt-- ist für den Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung, um Fehler oder Unsicherheiten in der vom Prüfer vorgenommenen Verteilung aufzeigen zu können. Derartige Fehler können --insbesondere wenn sie dem Prüfer am Anfang oder Ende der von ihm herausgegriffenen Zehn-Wochen-Periode unterlaufen-- aufgrund des aufgezeigten mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren. Auch für das Gericht ist der Einblick in den Verteilungsvorgang wesentlich, um Erkenntnisse über die Größenordnung der im konkreten Fall anzunehmenden Fehlermarge des Zeitreihenvergleichs zu gewinnen.

52

bb) Die Finanzbehörde versetzt sich durch die Anwendung solcher mathematisch-statistischer Methoden aufgrund des ihnen innewohnenden Datenüberschusses daher in eine gewisse technisch-rechnerische Überlegenheit gegenüber dem Steuerpflichtigen. Dieser steht nun --jedenfalls nach Auffassung der Verwaltung-- in der Pflicht, "Auffälligkeiten" in den Ergebnissen des Zahlenwerks zu erklären bzw. zu widerlegen, verfügt aber, ohne dass ihm dies rechtlich vorzuwerfen wäre, möglicherweise gar nicht über das umfangreiche Zahlenmaterial --oder auch über das statistisch-methodische Wissen--, das erforderlich wäre, um eine sachgerechte Analyse der Datenmengen vornehmen zu können.

53

cc) Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass in Fällen der Anwendung eines Zeitreihenvergleichs die Finanzämter häufig schon ihre Darlegungspflichten nicht erfüllen, indem sie den Steuerpflichtigen und Finanzgerichten nicht alle Daten zur Verfügung stellen, die für eine vollständige Überprüfung des Zahlenwerks erforderlich sind. Auf der anderen Seite verbleiben aber selbst bei vollständiger Aufdeckung des Zahlenwerks rechtsstaatliche Bedenken, da die dann gelieferten Datenmengen so groß sind, dass eine grundlegende Überprüfung durch die Gerichte kaum zu leisten sein dürfte.

54

3. Aus diesen Befunden --so sensibel sie unter den aufgezeigten Aspekten der folgerichtigen Methodik und des effektiven Rechtsschutzes sein mögen-- folgt für den Senat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes allerdings nicht das Ergebnis, die Methode des Zeitreihenvergleichs grundsätzlich zu verwerfen. Vielmehr besteht auf Seiten der Finanzverwaltung ein durchaus nachvollziehbares Bedürfnis, moderne Prüfungsmethoden --zu denen in geeigneten Fällen auch mathematisch-statistische Methoden gehören können-- einzusetzen. Denn auch umgekehrt verschafft sich ein Teil der Steuerpflichtigen durch ausgefeilt geplante Doppelverkürzungen und/oder den Einsatz von Manipulationssoftware, die die Aufdeckungsmöglichkeiten herkömmlicher Prüfungsmethoden minimieren, technische Vorteile gegenüber der Finanzverwaltung (vgl. dazu bereits oben 1.a cc). Hierauf darf und muss die Außenprüfung im Interesse der Wahrung der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) reagieren, und zwar auch im Wege der Entwicklung und Anwendung neuartiger Prüfungsmethoden.

55

Die aufgezeigten Problembereiche lassen allerdings erkennen, dass der Zeitreihenvergleich für bestimmte Betriebstypen oder bestimmte betriebliche Situationen schon dem Grunde nach keine geeignete Schätzungsmethode darstellt (dazu unten a). Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach als geeignete Methode anzusehen ist, sind seine Ergebnisse --in Abhängigkeit vom Grad der Fehlerhaftigkeit der Buchführung des Steuerpflichtigen und vom Umfang der im jeweiligen Einzelfall in Bezug auf die vollständige Erfassung der Erlöse vorliegenden sonstigen Erkenntnisse-- ggf. nur eingeschränkt für die Höhe der Hinzuschätzung zu übernehmen (unten b). In jedem Fall ist wegen der erheblichen Hebelwirkung methodischer Fehler, die bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs unterlaufen, auf eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen zu achten (unten c).

56

a) Bei bestimmten Betriebstypen oder in bestimmten betrieblichen Situationen scheidet der Zeitreihenvergleich schon dem Grunde nach als geeignete Schätzungsmethode aus. So basiert er entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb des Steuerpflichtigen das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum --der allerdings nicht notwendig ein volles Kalenderjahr umfassen muss (z.B. bei Saisonbetrieben)-- weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitgehenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft.

57

Auch darf es im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die --nicht anderweitig behebbare-- wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.

58

Diese Einschränkungen sind --abstrakt gesehen-- weitestgehend unstreitig und werden, soweit für den Senat ersichtlich, von der Finanzverwaltung im Allgemeinen auch schon bisher bei der Anwendung dieser Verprobungsmethode beachtet.

59

b) Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach eine geeignete Verprobungsmethode darstellt, kann er gleichwohl gegenüber anderen Methoden nachrangig sein bzw. können seine Ergebnisse nur unter Beachtung der nachfolgend (unter aa bis cc) dargestellten Abstufungen der Schätzung zugrunde gelegt werden.

60

Rechtliche Grundlage dieser Einschränkungen ist die Vorschrift des § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Wahlfreiheit des FA bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, unter 1.c). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des FA bzw. FG (vgl. BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b). Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig.

61

Darin liegt keine Abweichung von der --vom FA angeführten-- Rechtsprechung, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. März 2005 X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a, und vom 27. Januar 2009 X B 28/08, BFH/NV 2009, 717, unter 3.b). Denn dies lässt die Geltung der Grundsätze für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unberührt. Im Übrigen betrafen diese Entscheidungen Fälle, in denen der Steuerpflichtige begehrte, das Ergebnis einer ordnungsgemäß angewendeten Schätzungsmethode durch Anwendung einer anderen, jedoch nicht vorrangigen oder besser geeigneten Methode zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b, und in BFH/NV 2009, 717, unter 3.b: keine Überprüfung einer Aufschlagkalkulation durch eine Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung erforderlich; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a: keine Überprüfung einer Geldverkehrsrechnung durch eine Nachkalkulation erforderlich). Darum geht es vorliegend indes nicht.

62

aa) Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder --wie in dem Fall, der dem Urteil des FG Köln in EFG 2009, 1092 zugrunde lag-- nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit geführt werden. Diese Einschränkung ist notwendige Folge des Befunds, dass ein Zeitreihenvergleich auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung stets zu einem rechnerischen "Mehrergebnis" führen wird, ein solches rechnerisches Mehrergebnis allein also kein hinreichendes Indiz für eine unvollständige Erfassung von Einnahmen darstellen kann (dazu oben 2.b aa). Schon die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung nur entkräftet ist, wenn das FA nachweist, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann; an die Methodik einer solchen Schätzung sind wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als in Fällen, in denen wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin eine Schätzung der Einnahmen durchgeführt werden muss (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719, unter 2. vor a).

63

bb) Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen --so ist der Streitfall nach den Feststellungen des FG gelagert--, ist das FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zwar dem Grunde nach zur Vornahme von Hinzuschätzungen berechtigt, weil die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO nicht gilt. Allein die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs lassen aufgrund der dieser Verprobungsmethode innewohnenden methodenbedingten Unsicherheiten aber noch keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen und den Umfang auch materieller Unrichtigkeiten der Buchführung zu.

64

In diesen Fällen sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen (z.B. Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung, Aufschlagkalkulation) grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden --etwa wegen fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen oder eines zu hohen Grades an Komplexität seiner betrieblichen oder sonstigen finanziellen Verhältnisse-- nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden.

65

Diese Ergebnisse sind vom FA und FG aber --auch von Amts wegen-- stets auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen, soweit diese bekannt sind (ebenso Schuster in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 158 AO Rz 17). Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des "Mehrergebnisses" hinausgeht, das sich rechnerisch bei Anwendung des höchsten Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes darstellt.

66

cc) Steht hingegen bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist (z.B. nicht gebuchte Wareneinkäufe, nachweislich unversteuerte Betriebseinnahmen, rechnerische Kassenfehlbeträge usw.), und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit der Buchführung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist.

67

c) Hinsichtlich seiner technischen Durchführung setzt der Zeitreihenvergleich als mathematisch-statistische Methode eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen (Ausgangsparameter) voraus, zumal schon nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für sie von Bedeutung sind. Jedenfalls die Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten durch den Prüfer muss frei von Fehlern sein. Zwar gehen auch bei dieser Schätzungsmethode Unsicherheiten, die auf unzureichenden Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen beruhen, zu dessen Lasten (allgemein hierzu BFH-Urteil in BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Da solche Unsicherheiten aber aufgrund der dem Zeitreihenvergleich innewohnenden Hebelwirkung erheblich verstärkt auf das Schätzungsergebnis "durchschlagen", ist in derartigen Fällen auch dann, wenn die Unsicherheiten auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen beruhen, jedenfalls eine Plausibilitätsprüfung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs vorzunehmen, die sich nicht allein auf einen summarischen Vergleich mit den amtlichen Richtsätzen beschränken darf.

68

Ferner wird das Zahlenwerk des Prüfers im Regelfall die Umschlaghäufigkeit der einzelnen Waren bzw. Warengruppen erkennen lassen müssen. Dies ist erforderlich, um eine hinreichend tragfähige Einschätzung zu gewinnen, ob die Grundvoraussetzung für die sinnvolle Durchführung eines Zeitreihenvergleichs --eine zu vernachlässigende bzw. zumindest hinreichend konstante Lagerhaltung-- erfüllt ist. Auch muss der vorhandene Warenbestand in sachgerechter Weise, die vor allem die Besonderheiten des geprüften Betriebs berücksichtigt, in die Betrachtung einbezogen werden.

69

Sollten die vorstehenden Anforderungen im Einzelfall nicht beachtet werden können, ist zumindest eine Vergleichsrechnung (Sensitivitätsanalyse) anzustellen. Diese muss verdeutlichen, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern --vor allem solche Unsicherheiten, die darauf beruhen, dass der Zeitreihenvergleich auf einem Vergleich der wöchentlichen Wareneinsätze beruht, zu deren exakter Ermittlung der Steuerpflichtige aber von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist-- auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können. Eine solche Sensitivitätsanalyse gehört dann, wenn sie durch vorhandene Unsicherheiten geboten ist, bereits zu den formellen Anforderungen, die an die technisch korrekte Durchführung des Zeitreihenvergleichs zu stellen sind. Sie ist daher vom FA von Amts wegen durchzuführen und vorzulegen, damit der Steuerpflichtige, sein Berater, das FG, aber auch das FA selbst den Umfang der im Einzelfall möglichen Fehlermarge einschätzen können. Allerdings ist das FA --in Abhängigkeit vom Gewicht der formellen und der schon ohne den Zeitreihenvergleich zutage tretenden materiellen Mängel der Buchführung des Steuerpflichtigen-- nicht gehalten, sein Schätzungsergebnis stets an der zugunsten des Steuerpflichtigen äußersten Grenze der Fehlermarge zu orientieren.

70

4. Im Streitfall hat das FG bei seiner Entscheidung nicht alle rechtlichen Anforderungen beachtet, die an die Anwendung und Durchführung eines Zeitreihenvergleichs zu stellen sind.

71

a) Das FG hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die (erneute) Eröffnung des Betriebs des Klägers im Jahr 2003 als Änderung in der Betriebsstruktur anzusehen ist, die wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringt (vgl. die Ausführungen oben 3.a).

72

aa) Insbesondere der Umstand, dass im Zeitpunkt der Betriebseröffnung ausweislich der vom Betriebsprüfer zugrunde gelegten Zahlen kein Warenbestand vorhanden war, hätte Anlass geben müssen, die Eignung des Zeitreihenvergleichs im konkreten Fall --zumindest aber die vom FA vorgenommene gleichmäßige Verteilung des Aufbaus des zum ersten folgenden Bilanzstichtag vorgefundenen Warenendbestands auf sämtliche Kalenderwochen zwischen der Betriebseröffnung und dem Jahresende-- einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Dass die Art und Weise der Verteilung des Warenbestandsaufbaus von erheblicher Bedeutung für das Ergebnis des Zeitreihenvergleichs ist, folgt schon aus dem Umstand, dass der (geschätzte) Warenendbestand von 10.800 € sich auf immerhin 13 % des gesamten Wareneinsatzes von 84.858,93 € beläuft. Ein Unsicherheitsfaktor im Umfang von 13 % des Wareneinsatzes kann aufgrund der erheblichen Hebelwirkung dieses Berechnungsfaktors aber zu Schwankungsbreiten der einzelnen Wochenwerte führen, die die Verwertbarkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs insgesamt in Frage stellen.

73

Zwar ist die unterbliebene Inventur als eine Verletzung von Mitwirkungspflichten anzusehen, aus der der Kläger grundsätzlich keine Vorteile ziehen darf. Hinsichtlich der Verteilung des Warenbestandsaufbaus auf die einzelnen Wochen des Jahres gibt es jedoch keine besonderen Aufzeichnungs- oder sonstige Mitwirkungspflichten. FA und FG sind daher auch im Falle des pflichtwidrigen Unterlassens einer Inventur gehalten, den in der Bilanz ausgewiesenen Warenendbestand im Rahmen der Durchführung eines Zeitreihenvergleichs nach sachgerechten Kriterien auf die einzelnen Wochen des Jahres zu verteilen.

74

bb) Bei Betrachtung des --vom FG festgestellten und daher für den erkennenden Senat revisionsrechtlich in vollem Umfang verwertbaren-- Zahlenwerks des vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleichs springt ins Auge, dass die vom Betriebsprüfer ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze für die ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung sehr niedrig sind. Dies deutet darauf hin, dass bereits in diesen Wochen ein erheblicher Teil des Warenbestands aufgebaut wurde. Eine solche Annahme erscheint auch in tatsächlicher Hinsicht als durchaus plausibel, zumal die vom FA und FG zugrunde gelegte abweichende Auffassung, der Warenbestand sei während des Jahres gleichmäßig bis zum Erreichen des in der Bilanz ausgewiesenen Endbestands angewachsen, für die ersten Wochen nach Betriebseröffnung zu Ergebnissen führen würde, die nicht realitätsgerecht erscheinen. So hätte der Kläger z.B. in der ersten Woche nach der Betriebseröffnung mit einem Warenbestand im Wert von lediglich 245 € wirtschaften und auskommen müssen, was --insbesondere angesichts der von der Kundschaft eines Gastronomiebetriebs dieser Art erwarteten Auswahl zwischen verschiedenen Alkoholika-- auszuschließen sein dürfte. Wird aber ein größerer Teil des Warenbestandsaufbaus als bisher den ersten Wochen nach der Betriebseröffnung zugeordnet, würden die --sehr niedrigen-- vom Prüfer für diesen Zeitraum errechneten Rohgewinnaufschlagsätze steigen. Korrespondierend dazu würden sich die Rohgewinnaufschlagsätze sämtlicher Folgewochen --darunter auch die Werte in den vom FA herangezogenen Kalenderwochen 28 bis 37-- entsprechend mindern, was einen unmittelbaren und erheblichen Einfluss auf das Schätzungsergebnis hätte.

75

cc) Werden nun beispielsweise 70 % des gesamten Warenbestandsaufbaus den ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung zugeordnet und die verbleibenden 30 % des Bestandsaufbaus gleichmäßig auf die restlichen Wochen des Jahres 2003 verteilt --was zwar ebenfalls eine Sachverhaltsunterstellung und damit eine Schätzung darstellt, die aber deutlich realitätsnäher sein dürfte als die vom FA und FG vorgenommene Verteilung--, ergibt sich die folgende Neuberechnung:

76

(1) Der Betriebsprüfer hat für die ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung (Kalenderwochen 10 bis 19/2003) einen Wareneinsatz von 19.536,01 € zugrunde gelegt. Im Wege des Vergleichs mit den in diesen Wochen erzielten Einnahmen (45.019,02 €) hat er einen Zehn-Wochen-Durchschnitts-Rohgewinnaufschlagsatz von 130,44 % ermittelt (45.019,02 € ÷ 19.536,01 € ./. 100 %). Bei Ermittlung des genannten Wareneinsatzes hat der Prüfer einen Warenbestandsaufbau im Umfang von 10 x 245,45 € (insgesamt 2.454,50 €) mindernd berücksichtigt. Ohne Minderung um den verteilten Warenendbestand hätte sich der Wareneinsatz der Kalenderwochen 10 bis 19/2003 daher auf 21.990,51 € belaufen.

77

(2) Für den Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz (Kalenderwochen 28 bis 37/2003) hat der Prüfer einen Wareneinsatz von 14.030,65 € sowie Einnahmen von 50.990,05 € ermittelt. Daraus ergab sich der für das Gesamtjahr zugrunde gelegte höchste Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %. Ohne Minderung um den gleichmäßig auf alle Wochen des Jahres verteilten Warenendbestand (2.454,50 €) hätte der Wareneinsatz sich auf 16.485,15 € belaufen.

78

(3) Werden nun 70 % des gesamten Warenbestandsaufbaus des Jahres auf die ersten zehn Kalenderwochen verteilt, ist insoweit ein Betrag von 7.560 € zu berücksichtigen (70 % von 10.800 €). Der Wareneinsatz dieser Periode würde sich auf 14.430,51 € belaufen (21.990,51 € unbereinigter Wareneinsatz ./. 7.560 € Warenbestandsaufbau). Angesichts der aufgezeichneten Einnahmen von 45.019,02 € ergibt sich ein Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatz von 211,97 %. Dieser Wert erscheint erheblich plausibler als der vom Prüfer ermittelte --im Jahresvergleich äußerst geringe-- Wert von 130,44 %, für den weder das FA noch das FG eine Erklärung angeführt haben.

79

(4) Die verbleibenden 30 % (3.240 €) des Warenbestandsaufbaus sind nun auf die Kalenderwochen 20 bis 53/2003 zu verteilen (34 Wochen, d.h. 95,29 € pro Woche). Der Wareneinsatz für die Kalenderwochen 28 bis 37/2003 beläuft sich danach auf 15.532,25 € (16.485,15 € unbereinigter Wareneinsatz ./. 10 x 95,29 € Warenbestandsaufbau). Bei Einnahmen von 50.990,05 € ergibt sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 228,29 %. Dieser Wert stellt zwar immer noch den höchsten aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres 2003 dar, liegt aber deutlich unterhalb des vom FA und FG angenommenen Wertes von 263,42 %.

80

(5) Der Betrag des rechnerischen Brutto-"Mehrergebnisses" für das Jahr 2003 würde sich damit schon allein aufgrund dieser einzelnen Korrektur von 45.728,46 € auf 19.955,32 € --also um über 56 %-- mindern.

81

b) Das FG hat ferner offensichtliche Fehler im Zahlenwerk des Betriebsprüfers unbeanstandet gelassen, obwohl die Durchführung des Zeitreihenvergleichs zwingend eine fehlerfreie Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten erfordert (vgl. dazu oben 3.c).

82

aa) So hat der Prüfer in seiner zusammenfassenden Berechnung für das Jahr 2001 vom Kläger erklärte Einnahmen in Höhe von 657.095,38 DM angesetzt (dies entspricht den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Werten ohne die Konten "Erlöse" und "Gutscheine" sowie ohne Sachentnahmen). Im Rahmen des Zeitreihenvergleichs hat er hingegen nur einen Gesamt-Einnahmenbetrag von 656.231,89 DM auf die einzelnen Kalenderwochen des Jahres 2001 verteilt. Bei korrekter Durchführung des Zeitreihenvergleichs müssen diese beiden Werte aber zwingend identisch sein.

83

Dieselbe Auffälligkeit ergibt sich für das Jahr 2003: Der Prüfer geht in der zusammenfassenden Berechnung von erklärten Erlösen in Höhe von 220.905,86 € aus (was mit den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Werten --ohne Sachentnahmen-- übereinstimmt), setzt im Zeitreihenvergleich aber nur Erlöse von 220.447,93 € an.

84

Diese vom FA nicht erläuterten Differenzbeträge --die nicht mehr mit bloßen Rundungsdifferenzen zu erklären sind-- deuten darauf hin, dass dem Prüfer bei der Erfassung der vom Kläger erklärten Erlöse oder bei ihrer Verteilung auf die einzelnen Kalenderwochen Fehler unterlaufen sind. Diese Fehler sind aufklärungsbedürftig; der erkennende Senat ist mangels Vorlage des vollständigen Rechenwerks durch das FA aber nicht in der Lage, die Fehlerursache selbst näher zu ergründen. Zwar sind die Differenzbeträge nicht allzu hoch. Sollten sie aber gerade die Zehn-Wochen-Zeiträume mit den jeweils höchsten Rohgewinnaufschlagsätzen der beiden Streitjahre betreffen, könnten sie aufgrund der dem Zeitreihenvergleich innewohnenden rechnerischen Hebelwirkung gleichwohl erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung haben.

85

bb) Für das Jahr 2001 geht der Prüfer im Rahmen seines Zeitreihenvergleichs von einem Wareneinkauf (vor Korrektur um den Eigen- und Personalverbrauch) von 225.525,55 DM aus. In der Gewinn- und Verlustrechnung des Klägers ist hierfür allerdings ein Betrag von 227.614,05 DM ausgewiesen. Wäre dieser höhere Betrag im Rahmen des Zeitreihenvergleichs angesetzt worden, hätte sich zugunsten der Kläger ein geringerer Rohgewinnaufschlagsatz ergeben.

86

Gleiches gilt für das Jahr 2003: Der Prüfer hat einen Wareneinkauf von 94.347,15 € angesetzt, während sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung (ohne Bestandsveränderung) ein Wert von 95.658,93 € ergibt.

87

cc) Für das Jahr 2001 ist die Vorgehensweise des Prüfers zudem insoweit inkonsequent, als er zwar in seiner zusammenfassenden Berechnung die zwischen dem Jahresanfang und dem Jahresende eingetretene Veränderung des Warenbestands berücksichtigt hat, nicht aber im wochenweisen Zahlenwerk des Zeitreihenvergleichs.

88

Zwar ist die betragsmäßige Auswirkung dieses Fehlers angesichts der nur geringen im Laufe des Jahres 2001 eingetretenen Bestandsveränderung nicht allzu bedeutsam. Die in mehrfacher Hinsicht erkennbar fehlende innere Konsistenz des Zahlenwerks des Prüfers hätte dem FG aber Anlass geben müssen, dieses insgesamt genauer zu überprüfen.

89

c) Ferner hat das FG die Berücksichtigung der vorgelegten Geldverkehrsrechnungen im Wesentlichen mit der Erwägung abgelehnt, ihnen lägen die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde, die aber wegen der fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht angesetzt werden dürften.

90

Diese Argumentation ist nicht frei von Denkfehlern. Wäre sie richtig, dann verbliebe für die --von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte-- Methode der Geldverkehrsrechnung praktisch kein Anwendungsbereich mehr, da diese typischerweise gerade dann zum Einsatz kommt, wenn zumindest ein Anfangsverdacht der unvollständigen Erklärung der Erlöse besteht. Die Geldverkehrsrechnung dient in solchen Fällen gerade dem Nachweis, dass der im Prüfungszeitraum zu beobachtende Geldverkehr mit den erklärten (geringen) betrieblichen Erlösen nicht in Einklang zu bringen ist.

91

Wenn das FG aufgrund des Zeitreihenvergleichs davon überzeugt war, dass der Kläger tatsächlich höhere Betriebseinnahmen erzielt hatte als er in den Steuererklärungen und den von ihm vorgelegten Geldverkehrsrechnungen angegeben hatte, wären diese höheren Einnahmen --zur Vermeidung von Widersprüchen bei der Anwendung verschiedener Schätzungsmethoden-- auch in den Geldverkehrsrechnungen anzusetzen gewesen. Damit wären die frei verfügbaren Beträge aber noch deutlich höher ausgefallen als bereits in den von den Klägern vorgelegten Geldverkehrsrechnungen, was sich bei Zugrundelegung dieser Schätzungsmethode zugunsten der Kläger ausgewirkt hätte. Der Umstand, dass das FG vom Vorhandensein zusätzlicher Betriebseinnahmen überzeugt war, reicht daher allein noch nicht zur vollständigen Verwerfung der Geldverkehrsrechnung aus. Vielmehr hätte dieser Umstand es nahegelegt, die vorhandenen Geldverkehrsrechnungen anhand der eigenen Erkenntnisse des FG zur Höhe der Einnahmen des Klägers zu überarbeiten.

92

Hinzu kommt, dass in der Konstellation des Streitfalls --formelle Ordnungsmängel von einigem Gewicht, aber kein anderweitiger Nachweis konkreter materieller Mängel der Einnahmenerfassung-- Schätzungsmethoden wie die Geldverkehrsrechnung grundsätzlich vorrangig vor einem Zeitreihenvergleich heranzuziehen sind (dazu ausführlich oben 3.b bb). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als sowohl die Kläger als auch das FA jeweils Geldverkehrsrechnungen samt dazugehöriger Unterlagen vorgelegt haben, die dem FG möglicherweise als Ausgangspunkt und Erkenntnismaterial für eine eigene Schätzung hätten dienen können.

93

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO-- auf die folgenden Punkte hin:

94

a) Es bietet sich an, ergänzende Feststellungen dazu zu treffen, ob der Betrieb des Klägers von seiner Struktur her für die Durchführung eines aussagekräftigen Zeitreihenvergleichs geeignet ist. Insoweit ist aus den vom FA vorgelegten Unterlagen bisher lediglich erkennbar, dass der wichtigste Teil des Wareneinkaufs --der Getränkebezug von der Brauerei, an die der Kläger vertraglich gebunden war-- wöchentlich vorgenommen wurde, was auf die erforderliche Geringfügigkeit bzw. Konstanz der Lagerhaltung bei dieser Warengruppe hindeutet. Zum Einkaufsverhalten des Klägers in Bezug auf die anderen Warengruppen hat das FA bisher jedoch keine brauchbaren Unterlagen vorgelegt (vgl. dazu auch oben 3.c); entsprechend hat das FG hierzu keine Feststellungen treffen können.

95

b) Das FG kann prüfen, ob im Streitfall eine Geldverkehrsrechnung durchführbar erscheint.

96

aa) Hierfür könnte sprechen, dass sowohl die Kläger für sämtliche Streitjahre (sie haben zur Untermauerung ihres Vorbringens zudem zahlreiche Unterlagen vorgelegt) als auch das FA (wohl beschränkt auf das damalige weitere Streitjahr 2002) Geldverkehrsrechnungen durchgeführt und dem FG vorgelegt haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass beide Beteiligten grundsätzlich von der Eignung dieser Verprobungs- und Schätzungsmethode für die sachgerechte Beurteilung des Streitfalls ausgehen.

97

bb) Dreh- und Angelpunkt einer Geldverkehrsrechnung wird die Finanzierung der im Jahr 2001 für 365.000 DM (zuzüglich der üblichen Nebenkosten) erworbenen selbstgenutzten Immobilie der Kläger sein. Die Kläger haben hierzu im Laufe des Verfahrens die folgenden Finanzierungselemente nachgewiesen:

-       

Bankdarlehen: 140.000 DM

-       

Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag: 79.794 DM

-       

Banküberweisung der im Ausland lebenden Schwester des Klägers (Gleichstellungsgeld im Rahmen einer Vermögensübertragung von der Mutter an die Schwester des Klägers): 90.813,26 DM

98

Damit ist ein Betrag von gut 310.000 DM abgedeckt. Zur Herkunft des Differenzbetrags haben die Kläger bisher keine Unterlagen vorgelegt, sondern sich auf die "Lebensversicherung" berufen. Diese ist aber bereits in der obigen Finanzierungsrechnung enthalten und kann daher nicht nochmals angesetzt werden. Dass es sich um eine Auszahlung aus einem weiteren, bisher nicht bekannten Lebensversicherungsvertrag handeln könnte, haben die Kläger weder selbst vorgetragen noch nachgewiesen.

99

Die Kläger haben nachgewiesen, dass der Betrag von 90.813,26 DM vom Bankkonto der im Ausland lebenden Schwester des Klägers überwiesen wurde. Das FG scheint indes weiterhin daran zu zweifeln, dass es sich tatsächlich um einen Mittelzufluss "von außen" handelt. In einem solchen Fall muss es den Steuerpflichtigen, der einen solchen Mittelzufluss durch Vorlage von Bankbelegen nachgewiesen hat, vor einer ihm nachteiligen Entscheidung, die auf die verbleibenden Zweifel des FG gestützt wird, allerdings konkret auffordern, weitergehend auch z.B. nachzuweisen, wie derjenige, der dem Steuerpflichtigen den Geldbetrag überwiesen hat, zu diesen Mitteln gekommen ist (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten Senatsbeschluss vom 12. Juni 2013 X B 191/12, BFH/NV 2013, 1622, Rz 16, m.w.N.). Eine solche Aufforderung ist bisher nicht ausdrücklich ergangen. Da der Mittelzufluss nach dem Vorbringen der Kläger im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung von der Mutter auf die Schwester des Klägers gestanden haben soll und bei Grundstücksübertragungen erfahrungsgemäß auch nach längerer Zeit noch Unterlagen aufbewahrt werden, erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass die Kläger auf eine im zweiten Rechtsgang noch konkret zu stellende Anfrage des FG Unterlagen aus dem Privatbereich der ausländischen Verwandten des Klägers werden vorlegen können, sofern das FG seine diesbezüglichen Zweifel aufrecht erhalten sollte.

100

cc) Da die Kläger sich und ihre Familie --wie die von ihnen aufgezeichneten Sachentnahmen zeigen-- in erheblichem Umfang aus der Gastwirtschaft des Klägers verpflegen, wären die von der Finanzverwaltung üblicherweise herangezogenen Beträge aus den Tabellen für die Lebenshaltungskosten durchschnittlicher Haushalte um diejenigen Positionen zu mindern, die im Fall der Kläger bereits durch Sachentnahmen abgedeckt sind.

101

dd) Sollte die Durchführung einer Geldverkehrsrechnung im Streitfall zum jetzigen Zeitpunkt an ihre Grenzen stoßen, weil die Vorgänge zu lange zurückliegen --die Kläger haben bereits im Jahr 2001 erhebliche Mittel für den Erwerb der von ihnen selbstgenutzten Wohnung verwendet; die Unterlagen, mit denen die Kläger das Vorhandensein von Eigenmitteln für den Immobilienerwerb zu belegen versucht haben, stammen sogar aus dem Jahr 2000--, hätte das FG zu erwägen, welche Folgen sich daraus ergäben. Nach den bereits dargelegten Grundsätzen (oben 3.b bb) könnte in einem solchen Fall die Heranziehung der Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs zulässig sein; von ihnen wären aber nennenswerte Abschläge vorzunehmen.

102

c) Während die allgemeinen methodischen Einwendungen der Kläger gegen den Zeitreihenvergleich im Ansatz berechtigt sind --und zu den vom Senat formulierten Anforderungen an die Wahl und die korrekte Durchführung dieser Verprobungs- und Schätzungsmethode geführt haben--, ist ihr Vorbringen zu den vermeintlichen Besonderheiten des konkreten Falles teils bereits rechtlich nicht erheblich und teils zu wenig substantiiert.

103

aa) Die Behauptung, der übliche Verderb eingekaufter Waren sei bisher nicht berücksichtigt worden, stellt schon im Ausgangspunkt keine geeignete Einwendung dar, weil auch verdorbene Ware im Wareneinkauf enthalten ist und --mangels Vornahme einer Korrektur-- in den Wareneinsatz eingeht. Dies gilt im Übrigen auch für die Ermittlung der amtlichen Richtsätze. Außerdem würde die Berücksichtigung des Warenverderbs zu deutlich höheren Rohgewinnaufschlagsätzen führen, weil der in der Buchhaltung ausgewiesene Wareneinkauf um den Wert der verdorbenen Waren zu mindern wäre und dadurch der Wareneinsatz sinken würde, was rechnerisch unmittelbar eine Erhöhung des Rohgewinnaufschlagsatzes bewirken würde.

104

bb) Die Kläger haben ihre Behauptung, in den letzten Wochen des Jahres 2003 sei ein besonders hoher Bierbestand aufgebaut worden, nicht anhand der --ihnen vorliegenden-- Buchhaltungszahlen zum Biereinkauf und den Biererlösen der letzten Wochen des Jahres substantiiert. Für das FG besteht daher derzeit kein Anlass, dieser Behauptung nachzugehen.

105

cc) Ferner haben die Kläger bisher nicht vermocht, konkrete Auswirkungen des X-Fests auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs darzulegen. Im Jahr 2001 lag das X-Fest nicht in dem vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz. Im Jahr 2003 lag es zwar in diesem Zehn-Wochen-Zeitraum; die entsprechende Woche weist auch die höchsten Erlöse des gesamten Jahres auf. Da das X-Fest aber weder am Anfang noch am Ende des Zehn-Wochen-Zeitraums lag, dürften sich wochenweise Verschiebungen zwischen dem besonderen Wareneinkauf für Zwecke des X-Fests und den zusätzlichen Erlösen ausgeglichen haben. Jedenfalls haben die Kläger über den bloßen Verweis auf das Stattfinden des X-Fests hinaus insoweit keine substantiierten Einwendungen gegen den Zeitreihenvergleich vorgebracht.

106

dd) Ebenso wenig substantiiert ist die Einwendung, im Streitjahr 2003 sei ein gerade kostendeckendes Mittagsgericht angeboten worden. Die Kläger haben weder eine Speisekarte vorgelegt, aus der sich ein besonders preiswertes Mittagsgericht ergäbe, noch haben sie dem FG eine Kalkulation zur Verfügung gestellt, die ihre Behauptung stützen würde, ein Gericht sei gerade kostendeckend gewesen. Ohnehin ist unklar, was die Kläger mit diesem Einwand bezwecken wollen, da der Zeitreihenvergleich --so er denn technisch korrekt durchgeführt wird-- hinsichtlich der Erlöse die eigenen Daten aus der Buchhaltung des Steuerpflichtigen zugrunde legt, sich also eine Betriebsführung mit tatsächlich sehr geringen Rohgewinnaufschlagsätzen auch in den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs widerspiegeln würde.

107

ee) Preisschwankungen beim Ein- und Verkauf sowie saisonale Schwankungen in der Zusammensetzung der Ein- und Verkäufe können zwar erhebliche verzerrende Wirkungen auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs haben. Über ihren --zutreffenden-- Hinweis auf derartige allgemeine Wirkmechanismen hinaus haben die Kläger aber nichts dazu vorgetragen, ob bzw. in welchem Umfang im konkreten Fall derartige Schwankungen eingetreten und daher zu berücksichtigen sind.

108

d) Hinsichtlich der Aussetzungszinsen, die das FG zusätzlich zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen hat, hat es im Tatbestand seiner Entscheidung ausgeführt, die Aussetzungszinsen seien für "Umsatzsteuernachzahlungen für 2001 und 2003" (d.h. die Streitjahre) entstanden. Nicht festgestellt ist, wann der Zinslauf begonnen hat. Nach Lage der Dinge dürfte der Zinslauf erst mit dem Einlegen eines Rechtsbehelfs --also nach Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide im Jahr 2008-- begonnen haben (vgl. § 237 Abs. 2 AO). Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen dazu treffen, ob es überhaupt denkbar ist, dass die Aussetzungszinsen wirtschaftlich bereits im Streitjahr 2003 verursacht sein können (zur wirtschaftlichen Verursachung von Steuerzinsen erst ab Beginn des Zinslaufs siehe auch BFH-Urteil vom 22. Dezember 2010 I R 110/09, BFHE 232, 415, BStBl II 2014, 119, Rz 29).

109

e) Sollte es im zweiten Rechtsgang zu einem (Teil-)Erfolg der Klage kommen, wäre die Gewerbesteuerrückstellung gegenläufig anzupassen. Dies hat das FG in seinem für das Streitjahr 2003 teilweise klagestattgebenden Urteil im ersten Rechtsgang übersehen.

110

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 643/09
vom
28. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2009 mit den Feststellungen zur Höhe des Mehrumsatzes und zur nachfolgenden Bestimmung der Höhe der hinterzogenen Steuer aufgehoben. Die übrigen Feststellungen, auch die festgestellten Rohgewinnaufschläge, bleiben bestehen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen tateinheitlicher Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuerhinterziehung in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Drei Monate gelten als vollstreckt. Gegen diese Verurteilung richtet sich die Revision der Angeklagten. Sie beanstandet einen Verfahrensverstoß (Verhandlung in ihrer Abwesenheit , §§ 230 Abs. 1, 338 Nr. 5 StPO) und die Verletzung sachlichen Rechts. Der Formalrüge bleibt der Erfolg versagt. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs mit den Feststellungen zur Höhe des Mehrumsat- zes und zu den hierauf aufbauenden Feststellungen zur Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Die übrigen Feststellungen bleiben bestehen.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Die Angeklagte betrieb in Ludwigsburg in zentraler Lage zwei gastronomische Betriebe unter den Firmen „A. “ (von April 1999 bis August 2005) und „S. “ (von Ende Januar 1998 bis Oktober 2006). Die Gewinne aus den beiden Unternehmen wurden in den Jahren 1998 bis 2001 getrennt durch Einnahmen-Überschussrechnungen und anschließend zusammengefasst durch Bilanzierung ermittelt.
4
Die Einnahmen-Überschussrechnungen und die Bilanzen enthalten jeweils zu niedrige Betriebseinnahmen. Die hierauf beruhenden Umsatz-, Gewerbe - und Einkommensteuerklärungen der Angeklagten sind deshalb unzutreffend. In den Einkommensteuererklärungen der Jahre 2001 und 2002 verschwieg die Angeklagte zudem Kapitaleinkünfte aus einer Geldanlage bei der Filiale der P. bank in B. . Insgesamt führte das zu einer Steuerverkürzung in Höhe von 950.002 €.
5
2. Zur Grundlage dieser Feststellungen:
6
a) Hinsichtlich der unversteuerten Zinseinkünfte aus B. hat die Angeklagte eingeräumt, dass das entsprechende Konto auf sie und ihren Ehemann lautete und dass die Einnahmen hieraus gleichwohl keinen Eingang in die Steuererklärungen gefunden haben. Bei der Anlage habe es sich aber tat- sächlich um Gelder ihrer in der Schweiz lebenden Schwester gehandelt. Dies sah die Strafkammer insbesondere aufgrund der widersprüchlichen Angaben der als Zeugin gehörten Schwester als widerlegt an.
7
b) Unzutreffende Angaben zu den Betriebseinnahmen beider gastronomischer Betriebe hat die Angeklagte bestritten. Die beim Fleischgroßhändler Bi. über die Lieferungen an sie erhobenen Rechnungen seien zwar zutreffend. Die als bezogen ausgewiesene Gesamtmenge entspreche jedoch nicht dem Absatz. Durch Fett- und Wasserverlust sei ein Schwund von mindestens 40 % eingetreten. Auch hätten die Spieße ein geringeres Gewicht gehabt, als auf den Etiketten angegeben gewesen sei. Viele Kilos unverkäuflicher Kruste und Reste an den Spießen hätten weggeworfen werden müssen. Sie habe einen hohen Eigenverbrauch gehabt, für die Familie und die Schulfreunde ihrer Kinder. Dem türkischen Kulturverein habe sie täglich 7,5 bis 10 kg gegartes Dönerfleisch geschenkt.
8
Mehreinnahmen folgten nach den Feststellungen der Strafkammer schon aus dem während der entsprechenden Jahre angesammelten Vermögen der Angeklagten. Bei der Berechnung der tatsächlichen Umsätze war die Strafkammer auf Schätzungen angewiesen. Denn Buchhaltungsunterlagen, aufgrund derer die Umsatzangaben in den vom Steuerberater gefertigten Einnahmen -Überschussrechnungen und Bilanzen hätten überprüft werden können, waren bei der Angeklagten bzw. in ihren Betrieben nicht mehr vorhanden. Als einzige objektive Berechnungsgrundlage konnte die Strafkammer auf die beim Fleischlieferanten der Angeklagten erhobenen Rechnungen zurückgreifen.
9
Die Strafkammer hat zunächst eine möglichst konkrete Schätzung versucht. Für die Gesamtumsatzberechnung hat sie dazu in einem ersten Schritt die Umsatzbereiche Döner, Pizzen und Getränke unterschieden. Auf der Grundlage der Einkaufsrechnungen für die Döner-Fleischspieße konnte die Ausgangsmenge an verarbeitetem Dönerfleisch für jedes Jahr festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der oben genannten Schwundfaktoren, deren Größenordnung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme allerdings in erheblichem Umfang reduziert worden ist, hat das Landgericht einen Verkaufsanteil von 62 % des eingekauften Rohfleisches zugrunde gelegt und anhand der festgestellten Portionsmenge und eines mittleren Verkaufspreises hieraus den jeweiligen Jahresumsatz im Bereich Döner ermittelt. Hinsichtlich der Pizzaumsätze hat das Landgericht auf Grundlage der Angaben der Angeklagten und eines mit der Gewinnermittlung der Betriebe befassten Steuerfachwirts eine bestimmte Größenordnung pro Jahr festgelegt und diese mit einem mittleren Verkaufspreis multipliziert. Den Getränkeumsatz hat das Landgericht schließlich mittels eines 100 %-Aufschlags auf die Getränkeeinkaufsbeträge, wie sie aus den Einnahme -Überschussrechnungen und den Bilanzen hervorgehen, berechnet.
10
Bei der Gegenüberstellung der so errechneten Gesamtumsätze mit den Wareneinsatzbeträgen ergaben sich jedoch unerklärbare Schwankungen des auf diese Weise ermittelten Rohgewinnaufschlags. Teilweise blieb der so errechnete Jahresumsatz sogar hinter dem von der Angeklagten erklärten Jahresumsatz zurück. Mangels ausreichend zuverlässiger Datenbasis erwies sich dieser Weg der Schätzung der tatsächlichen Umsätze somit als untauglich.
11
Das Landgericht hat den Mehrumsatz deshalb im Wege einer pauschalen Schätzung ermittelt. Es hat die Jahresumsätze der Angeklagten auf der Grundlage einer durch das Bundesministerium für Finanzen jährlich herausgegebenen Richtsatzsammlung von Rohgewinnaufschlägen für Imbissbetriebe und Pizzerien ermittelt, indem es einen Rohgewinnaufschlag von 190 % auf die in den Einnahme-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen enthaltenen Waren- einsatzbeträge vorgenommen hat. Dieser Wert stellt einen Mischwert aus den Richtsatzwerten für Imbissbetriebe und Pizzerien dar, der entsprechend den jeweils festgestellten Umsatzanteilen im Betrieb der Angeklagten von der Kammer im Verhältnis 3 (Döner-Imbiss) zu 1 (Pizzeria) gebildet wurde. Bei dem Rohgewinnaufschlag von 190 % handelt es sich um einen Mindestwert. In Vergleichsfällen sind im Bezirk des Finanzamts Ludwigsburg Rohgewinnaufschlagsätze von 220 bis zu 270 % ermittelt worden.
12
Ausgehend von diesem Rohgewinnaufschlag errechnete die Strafkammer die Mehrumsätze und die daraus resultierenden Mehrsteuern, ohne allerdings den Berechnungsvorgang umfassend mitzuteilen. Die Urteilsgründe enthalten weder die aus den Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen entnommenen Wareneinsatzbeträge noch die daraus auf dem dargestellten Weg errechneten Gesamtumsätze. In den Feststellungen wird zwar der Mehrumsatz und die insoweit verkürzte Umsatzsteuer pro Jahr angegeben. Der Inhalt der jeweils abgegebenen Steuererklärung und der überprüfbare Vergleich zwischen Ist-Steuer und Soll-Steuer fehlen jedoch.

II.

13
Die von der Angeklagten erhobene Verfahrensrüge dringt nicht durch. Die Revision behauptet das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO. Am 26. Mai 2009 habe entgegen § 230 Abs. 1 StPO ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten stattgefunden.
14
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde.
15
Die Hauptverhandlung fand in der Zeit vom 21. April bis zum 22. Juli 2009 an zwölf Sitzungstagen statt. Auf den 26. Mai 2009 war die Fortsetzung der am 19. Mai unterbrochenen Hauptverhandlung bestimmt. In der Nacht zum Freitag, dem 22. Mai 2009, verstarb der Vater der Angeklagten und wurde schnellstens in die Türkei zur Beerdigung ausgeflogen. Die Angeklagte reiste ebenfalls dorthin. Darüber wurde der Verteidiger am Vormittag des 22. Mai 2009 telefonisch informiert, der seinerseits am Montag, dem 25. Mai 2009, den Strafkammervorsitzenden anrief und mitteilte, dass mit einem Erscheinen der Angeklagten in der Hauptverhandlung am 26. Mai 2009 voraussichtlich nicht zu rechnen sei. Näheres wisse er auch nicht. Der Strafkammervorsitzende lud daraufhin einen Sachverständigen, die Zeugen und den Dolmetscher ab. Am 25. Mai 2009 fand ab Mittag in der Osttürkei, etwa 1.000 km von Istanbul entfernt , die Beerdigung des Vaters der Angeklagten statt. Die Feierlichkeiten endeten gegen 19.00 Uhr. Am 26. Mai 2009 trat die Angeklagte um 4.00 Uhr die Rückreise an. Gegen 19.00 Uhr erreichte sie Stuttgart.
16
Zum Hauptverhandlungstermin am 26. Mai 2009 war die Angeklagte deshalb nicht erschienen. Ihr Verteidiger gab dazu eine Erklärung ab. Der Beerdigungszeitpunkt war ihm nach wie vor unbekannt. Der Vorsitzende gab die vorsorglichen Abladungen bekannt.
17
Anschließend geschah nach der Sitzungsniederschrift Folgendes:
18
„Der Verteidiger stellte die als Anlage 1, 2, 3 und 4 dem heutigen Protokoll angeschlossenen Beweisanträge.
19
Die Vertreterinnen der Staatsanwaltschaft erklärten, sie wollten später zu diesen Anträgen Stellung nehmen.
20
Die Vorschrift des § 257 wurde beachtet.“
21
Sodann unterbrach der Vorsitzende die Hauptverhandlung und bestimmte den Fortsetzungstermin auf den 9. Juni 2009.
22
Der Termin währte von 09.01 Uhr bis 09.15 Uhr.
23
Mit den - knapp begründeten - Beweisanträgen war die Vernehmung von insgesamt elf Zeugen beantragt worden zu folgenden Tatsachen: - Schenkung von täglich 7 bis 10 kg gebratenen Dönerfleisches an den türkischen Kulturverein. - Nicht mehr verwend- und verkaufbare Reste am Spieß sowie Garschwund von 40 % durch Wasser- und Fettverlust. - Erhebliche Mengen an Speiseresten im Müll der Betriebe; hierauf beruhende Beanstandungen der Entsorgungsfirma. - Die 230.000 DM auf dem Konto der P. bank (heute H. -Bank) gehören der Schwester der Angeklagten.
24
Die Strafkammer ging in den Folgeterminen allen Beweisanträgen - in Anwesenheit der Angeklagten - nach. Im Rahmen dieser Beweisaufnahme erklärte der Verteidiger am 23. Juni 2009 den Verzicht auf die Vernehmung von zwei der fünf in einem Beweisantrag benannten Zeugen. Einen Zeugen tauschte er aus.
25
2. Die Rüge ist unbegründet.
26
§ 338 Nr. 5 StPO bestimmt, dass ein Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist, wenn die Hauptverhandlung in Abwe- senheit des Staatsanwalts oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat. Gemäß § 230 Abs. 1 StPO findet gegen einen ausgebliebenen Angeklagten eine Hauptverhandlung nicht statt.
27
Die Anwesenheitspflicht soll dem Angeklagten nicht nur das rechtliche Gehör gewährleisten, sondern soll ihm auch „die Möglichkeit allseitiger und uneingeschränkter Verteidigung, insbesondere durch Stellung von Anträgen auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung, sichern“ (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1960 - 4 StR 433/60, BGHSt 15, 263, 264). Außerdem soll dem Tatrichter im Interesse der Wahrheitsfindung ein unmittelbarer Eindruck von der Person des Angeklagten, seinem Auftreten und seinen Erklärungen vermittelt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 1975 - 1 StR 107/74, BGHSt 26, 84, 90; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 230 Rn. 1), insbesondere auch im Hinblick auf die Strafzumessung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 136 u. 1447/05, Rn. 89).
28
Aber nur, wenn der Angeklagte in einem - im Hinblick auf die genannten Aspekte - wesentlichen Teil der Hauptverhandlung abwesend ist, begründet dies die Revision (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 1975 - 1 StR 107/74, BGHSt 26, 84, 91). Denn § 338 StPO ist nicht anwendbar, wenn das Beruhen des Urteils auf dem Mangel denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1992 - 4 StR 250/92, BGHR StPO, § 338, Beruhen 1; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 338 Rn. 2; KK-Kuckein, StPO 6. Aufl. § 338 Rn. 5; Graf-Wiedner, StPO § 338 Rn. 4, jew. mwN).
29
Nicht jede Sachverhandlung, auf die es etwa zur Fristwahrung gemäß § 229 Abs. 1 StPO ankommt, wie die Verhandlung über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten (BGH, Urteil vom 14. März 1990 - 3 StR 109/89, BGHR StPO § 229 Abs. 1, Sachverhandlung 1), die gerichtliche Entscheidung eines Ordnungsmittel- und Kostenbeschlusses gegen einen Zeugen oder die Entscheidung über etwaige Zwangsmaßnahmen gemäß § 51 StPO (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rn. 84), sind wesentliche Verhandlungsteile i.S.v. § 338 Nr. 5 StPO. Die Entgegennahme von Beweisanträgen ist Sachverhandlung in diesem Sinne (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2000 - 5 StR 613/99, BGHR StPO § 229 Abs. 1, Sachverhandlung 5).
30
Denn ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung i.S.v. § 338 Nr. 5 StPO liegt - im Hinblick auf einen Angeklagten - nicht vor, wenn denkgesetzlich ausgeschlossen ist, dass bezüglich des Prozessgeschehens in seiner Abwesenheit sein Anspruch auf rechtliches Gehör sowie seine prozessualen Mitgestaltungsrechte beeinträchtigt worden sind. Der Verhandlungsteil darf auch sonst das Ergebnis der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) nicht bestimmt haben können. Fehlt es an einem dieser Aspekte, liegt etwa eine Verletzung des Rechts auf Gehör vor, dann ist es bei dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO unerheblich, wenn gleichwohl im Nachhinein aus revisionsrechtlicher Sicht eine andere Entscheidung des Tatgerichts ausgeschlossen werden könnte, auch wenn die Angeklagte am fraglichen Teil des Verfahrens teilgenommen hätte.
31
Danach waren die Erörterungen über die Abwesenheit der Angeklagten und die Information über die Abladungen zweifelsfrei unwesentlich i.S.v. § 338 Nr. 5 StPO. Gegenteiliges behauptet auch die Revision nicht.
32
Aber auch die Stellung der Beweisanträge am 26. Mai 2009 war im vorliegenden Fall nicht wesentlich im oben dargestellten Sinn.
33
Beweisanträge zielen auf eine Beweiserhebung und zwingen das Gericht zu einer Entscheidung hierüber. Zur Wahrheitsfindung (vgl. Sander, NStZ 1996, 351) tragen die Anträge allein grundsätzlich noch nichts bei. So ist das jedenfalls - denknotwendig - im vorliegenden Fall. Eine Verhandlung über die Beweisanträge fand am 26. Mai 2009 nicht statt; sie wurden an diesem Tag auch nicht beschieden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 4. Mai 1993 - 4 StR 207/93 -, BGHR StPO § 231 Abs. 2, Abwesenheit, eigenmächtige 10).
34
Eine Verletzung der Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Angeklagten , sowie ihres Rechts auf Gehör, kann im vorliegenden Fall ebenfalls denkgesetzlich ausgeschlossen werden.
35
Die unter Beweis gestellten Tatsachen decken sich mit - einigen - von der Angeklagten zu ihrer Entlastung vorgebrachten Behauptungen. Die benannten Zeugen konnten dem Verteidiger nur von der Angeklagten oder in ihrem Auftrag genannt worden sein. Dass der Verteidiger die Beweisanträge alleine aufgrund seines eigenen Antragsrechts stellte, dass er die Angeklagte dabei übergangen haben könnte oder gar gegen deren Willen handelte, ist ausgeschlossen. Die Begründungen der Beweisanträge waren knapp und enthielten keinen zusätzlichen sachlichen Gehalt. Weitere Erklärungen wurden im Termin am 26. Mai 2009 nicht abgegeben. Der durch die Anträge veranlassten Beweisaufnahme wohnte die Angeklagte bei. Auch dadurch ist ein Informations - und Mitwirkungsdefizit der Angeklagten im vorliegenden Fall ausgeschlossen.
36
Dass die Abwesenheit der Angeklagten in dem 14-minütigen Termin am 26. Mai 2009, die Möglichkeit der Strafkammer, sich einen ausreichenden persönlichen Eindruck von der Angeklagten zu verschaffen, beeinträchtigt haben könnte, ist bei der insgesamt zwölftägigen Hauptverhandlung ebenfalls denkgesetzlich ausgeschlossen.
37
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO ist damit nicht gegeben.

III.

38
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt einen Darlegungsmangel auf, eine Lücke in der Darstellung der Berechnung der Mehrumsätze und darauf aufbauend der jeweiligen Hinterziehungsbeträge. Der Senat vermag deshalb nicht zu überprüfen, ob die Strafkammer den Schuldumfang zutreffend ermittelt hat. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs und in der Folge des Strafausspruchs.
39
Die Strafkammer hat die Umsätze der einzelnen Jahre schließlich pauschal geschätzt. Sie hat dabei einen Rohgewinnaufschlag von 190 % auf die in den Einnahmen-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen enthaltenen Wareneinsatzbeträge zugrunde gelegt. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zur Feststellung dieses Rohgewinnaufschlags gelangt, wie auch zur Feststellung, dass in diesem Fall eine konkretere Schätzung mangels ausreichend verlässlicher Tatsachengrundlage unmöglich ist.
40
Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Dies gilt auch und gerade dann, wenn Belege nicht mehr vorhanden sind. Fehlende Buchhaltung befreit nicht von strafrechtlicher Verantwortung. Dies gilt auch dann, wenn keine handelsrechtliche Buchführungspflicht besteht, etwa ab dem Geschäftsjahr 2008 in den Fällen des § 241a HGB, zumal besondere steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten (z.B. §§ 141 ff. AO, § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff. UStDV) hiervon unberührt bleiben. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkann- ten Schätzungsmethoden einschließlich der Heranziehung der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen zur Anwendung (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1, Steuerschätzung 3). Der Tatrichter muss dann in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist (BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 448/00; zu den Anforderungen an die Feststellung und die Beweiswürdigung von Besteuerungsgrundlagen in steuerstrafrechtlichen Urteilen vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 Rn. 11 ff., BGHR StPO § 267 Abs. 1, Steuerhinterziehung 1; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10).
41
Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze danach von vorneherein oder - wie im vorliegenden Fall - nach entsprechenden Berechnungsversuchen als nicht möglich, kann pauschal geschätzt werden, etwa - wie hier - unter Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen.
42
Eine auch nur annähernd zutreffende konkrete Ermittlung wird in aller Regel - jedenfalls bei Gastronomiebetrieben der vorliegenden Art - schon dann von vorneherein nicht möglich sein, wenn Buchungsbelege völlig fehlen. Denn dass in derartigen Fällen in den Einnahmen-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen allein die Umsatzzahlen (Verkäufe) unzutreffend sind, ist eher unwahrscheinlich. Auch die sonstigen Zahlen in diesen Abschlüssen erscheinen daher als Basis für eine konkrete Berechnung von vorneherein als eher ungeeignet. Einer entsprechenden Einlassung (keine Schwarzeinkäufe) muss das Tatgericht bei einem derartigen Hintergrund ohne weitere Anhaltspunkte für Richtigkeit dieser Darstellung im Hinblick auf die Wahl einer geeigneten Schätzmetho- de nicht allein deshalb glauben, weil es die Behauptung nicht widerlegen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, Rn. 18; Urteil vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08, Rn. 8; Urteil vom 21. Oktober 2008 - 1 StR 292/08, Rn. 24; Urteil vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 22; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, Rn. 19; Urteil vom 8. Mai 2008 - 3 StR 102/08, Rn. 9).
43
Bei der Festsetzung des Rohgewinnaufschlagsatzes muss sich das Gericht nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben, wie z.B. ein guter Standort, sonst nicht erklärbare Vermögenszuwächse oder örtliche Vergleichsdaten.
44
Das Landgericht durfte hier somit nach dem Scheitern einer Schätzung aufgrund eines individuellen Berechnungsmodells auf die von ihm gewählte generalisierende Schätzungsmethode zurückgreifen. Auch die Bildung eines Mischwertes aus zwei Richtsatzwerten im Verhältnis der jeweiligen Umsatzanteile begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
45
In den schriftlichen Gründen des Urteils fehlt im vorliegenden Fall allerdings über den - sehr zugunsten der Angeklagten - ermittelten Rohgewinnaufschlag hinaus die Mitteilung maßgeblicher Umstände, die dann die Grundlage für die weitere Umsatz- und Steuerberechnung bilden.
46
Es werden zwar die Mehrumsätze und die insoweit verkürzte Umsatzsteuer pro Jahr angegeben. Jedoch enthalten die Gründe weder die aus den Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen entnommenen Wareneinsatzbeträge noch die daraus auf dem dargestellten Weg errechneten Gesamtum- sätze. Zudem fehlen der Inhalt der jeweils abgegebenen Steuererklärung und damit ein überprüfbarer Vergleich zwischen Ist-Steuer und Soll-Steuer. Dass die Strafkammer als Basis der pauschalierten Berechnung nur die in den Jahresabschlüssen enthaltenen Wareneinkäufe ansetzte und keine Ermittlungen zu eventuellen sonstigen Einkäufen anstellte, beschwert die Angeklagte nicht.
47
Der Schuldspruch - und in der Folge der Strafausspruch - sowie die zur Höhe des Schuldumfangs getroffenen Feststellungen (Hinterziehungsbeträge und zugrundeliegender jeweiliger Mehrumsatz) haben daher keinen Bestand. Die Feststellungen zum Rohgewinnaufschlag und zu dessen Ermittlung sowie die Feststellung, dass eine konkretere Schätzung nicht möglich ist, bleiben aufrechterhalten.
48
Ebenso hat das Landgericht alle Feststellungen zu den Geldern der Angeklagten bei der P. bank in B. rechtsfehlerfrei getroffen. Sie bleiben ebenfalls bestehen.
49
Unberührt von der Aufhebung sind auch die Feststellungen zur Person der Angeklagten und zu ihren Vermögensverhältnissen.
50
Der Senat weist abschließend darauf hin, dass eine Verletzung von Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten (hinsichtlich der geschäftlichen Unterlagen ) in Fällen der vorliegenden Art ein bestimmender Strafschärfungsgrund ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 StR 283/09, Rn. 47). Auch bei der Prüfung der Frage, ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, wird dies ggf. zu berücksichtigen sein. Nack Hebenstreit Graf RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Jäger Nack

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.